Einführung in die allgemeine Sprachwissenschaft Morphologie und Syntax (1/4) PD Dr. Tania Avgustinova http://www.coli.uni-saarland.de/~tania/ws2009/GenLing-Morphology.pdf Was bedeutet es, eine Sprache zu kennen? Eine Sprache dient primär der Kommunikation, also Sprachen sind Kommunikationsmittel Das Wissen über Sprache ist unbewusst. Es umfasst: das Lautinventar welche Laute gehören zu einer Sprache und welche nicht das Wissen über die Wörter, die zu einer Sprache gehören bestimmte Lautsequenzen besitzen eine Bedeutung (sie verweisen auf einen Begriff / ein Konzept) Form ↔ Bedeutung die Zuordnung von Lauten (Form) zu Bedeutungen ist in den Sprachen der Welt zum allergrößten Teil arbiträr; die Laute aber erhalten ihre Bedeutung nur innerhalb der Sprache, in der sie vorkommen Was bedeutet es, eine Sprache zu kennen? Kreativität des Sprachgebrauchs: Sprecher können Sätze bilden und verstehen, die sie noch nie zuvor produziert bzw. gehört haben. Woher kommt diese Kreativität? Die Anzahl der Wörter einer Sprache ist endlich. Die Anzahl der Sätze einer Sprache aber nicht. Die Sätze einer Sprache bestehen nicht aus einer Menge von Wörtern. So sind bestimmte Wortfolgen merkwürdig oder ungrammatisch. Sprachliches Wissen umfasst auch Regeln für die Bildung von Sätzen. Die Anzahl der Regeln ist endlich, aber sie werden verwendet, um unendlich viele Sätze zu bilden. Diese Regeln sind den Sprechern nicht bewusst; sie werden unbewusst angewandt. Was bedeutet es, eine Sprache zu kennen? Eine Sprache zu kennen bedeutet somit mindestens: ihre Laute zu kennen; ihre Wörter zu kennen; Regeln für die Kombination der Wörter zu Sätzen zu kennen. Kompetenz und Performanz: wichtige Unterscheidung zwischen dem verfügbaren Wissen (Wissen über Laute, Wörter, Regeln) und dessen Anwendung. Deskriptive Grammatiken … sind Modelle der Sprachkompetenz. Linguistische Teildisziplinen Grammatik als Modell der Sprache Phonetik / Phonologie Morphologie Syntax Semantik / Pragmatik Linguistische Teildisziplinen Die Morphologie ist die Lehre vom Aufbau der Wörter. Ein Wort ist die (kleinste) Verbindung einer bestimmter Bedeutung mit einer bestimmten Lautform, die in einer bestimmten grammatischen Funktion vorkommt. Die für die syntaktische Funktion und für die Bedeutung des Worts relevanten Bestandteile werden Morpheme genannt. Die Syntax untersucht wie Sätze aus Wortformen aufgebaut sind. welche sprachlichen Leistungen mit der Kombinatorik der Formen verbunden sind. Beschreibungsebenen phonologische Beschreibungsebene (Lautform) morphologische Beschreibungsebene (Wortgrammatik) syntaktische Beschreibungsebene (Satzgrammatik) semantische Beschreibungsebene (Bedeutung) Ambiguitä Ambiguität lat. ambiguitās „Doppelsinn“ – Mehrdeutigkeit Eigenschaft von Ausdrücken, denen mehrere Interpretationen (Lesarten) zugeordnet werden können; Auflösbar durch Paraphrasenbildung bzw. grammatische Analyse phonetische Ambiguität (Homophone) Miene – Mine, mehr – Meer, Tod – tot, viel – fiel orthographische Ambiguität (Homographen) übersetzen – übersetzen lexikalische Ambiguität (Homonyme) Ball, laufen Ambiguitä Ambiguität morphologische Ambiguität Staubecken, Hauptpostsekretär syntaktische Ambiguität Peter fuhr seinen Freund sturzbetrunken nach Hause. Visiting relatives can be boring. Ich traf den Sohn des Nachbarn mit dem Gewehr. kompositionell-semantische Ambiguität Die zwei Mitarbeiter müssen vier Sprachen beherrschen. pragmatische Ambiguität Könnten Sie die Aufgabe lösen? Haben Sie eine Uhr? Grammatik Eine Grammatik wird konstituiert durch: die Laute und Lautmuster einer Sprache grundlegende Bedeutungseinheiten (Wörter) Regeln für die Kombination der Wörter Sie umfasst sämtliches Wissen über eine spezielle Sprache: Struktur und Funktion des Lautsystems (Phonologie) die Regeln der Wortbildung (Morphologie) die Regeln der Satzbildung (Syntax) die Bedeutungsbestimmung (Semantik) Wissen über den Aufbau des Vokabulars (Lexikon) Weiterer wichtiger Bereich: die Sprachverwendung (Pragmatik) Aufteilung der Aufgaben auf Teilgebiete der Linguistik Struktur und Funktion Phonologie MorphoMorphoMorphologie phonologie syntax Syntax Gesteuert durch das Kompositionalitätsprinzip Pragmatik Pragmatik & Semantik (Satz-) Semantik Bedeutung Beschreibung / Modellierung der Sprache Empirisch zu beobachten sind: Laute (Form, Ausdruck) Bedeutung (Funktion, Inhalt) Oberflächenorientierung: sprachliche Einheiten werden so beschrieben, wie sie nach einem herkömmlichen Verständnis „tatsächlich“ auftreten. Strukturalistische Sprachbetrachtung Zeit Sprachgeschichte diachron s y n c h r o n Grundlegende Begriffsdichotomien 1. diachron – synchron Sprache als sich ständig wandelndes Medium vs. Sprache als lebendiges Ganzes (Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt) ⇒ diachrone Forschung erfordert synchrone Analyse 2. präskriptiv – deskriptiv 3. langue – parole Sprachbau vs. Sprachgebrauch Sprachsystem vs. Sprachverhalten sozialer Sprachbesitz vs. individuelle Sprechäußerung Grundlegende Begriffsdichotomien 4. signifié – signifiant Inhalt Bezeichnetes Signifikat concept Vorstellung Ausdruck Bezeichnendes Signifikant image acoustique Lautkörper [baum] baum] Zeichen Verhältnis zwischen den beiden Grundeinheit der Kommunikation Zuordnung arbiträr, aber nicht individueller Willkür ausgeliefert, sondern konventionalisiert Sprachzeichen ist nicht Name für etwas außersprachlich Gegebenes ⇒ Langue als System von Zeichen Grundlegende Begriffsdichotomien 5. Segmentierung – Klassifizierung Zerteilteilung der Sprache in ihre kleinsten Einheiten (zunächst wertfrei) Bewertung der sprachlichen Einheiten (mittels Minimalpaarbildung Minimalpaaranalyse) methodologisch für den Strukturalismus von grundlegender Bedeutung 6. Syntagma – Paradigma Beziehung zwischen miteinander kombinierten sprachlichen Elementen Beziehung zwischen untereinander austauschbaren sprachlichen Elementen anwendbar auf alle Ebenen der Sprache ⇒ Sprache als Geflecht zusammenhängender Strukturen Struktur Die Sprachstruktur ist das Netz aller syntagmatischen und paradigmatischen Beziehungen der Elemente einer Sprache untereinander. ⇒ Strukturalismus Sprachanalyse bei Saussure synchronisch auf Grundlage eines repräsentativen Korpus durch Segmentierung (syntagmatisch) und Klassifizierung (paradigmatisch) ⇒ Strukturelle Linguistik Die Beziehung Syntagmatik – Paradigmatik Syntagmatik Paradigmatik Franz schreibt seinem Freund. Er hilft einer Sie glaubt ihm. Keiner schläft. Frau. Paradigmatik Elemente, die in einem gegebenen Kontext austauschbar sind, stehen in paradigmatischer Beziehung zueinander; sie bilden ein Paradigma. Katze Hans schenkte Maria eine Nelke Rose Die Wörter Rose, Nelke, und Katze sind hinsichtlich bestimmter invarianter Eigenschaften austauschbar. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Substantive mit femininem Genus im Akkusativ. Syntagmatik Die systematische Beziehungen zwischen Einheiten, die an verschiedenen Positionen in einer linearen Anordnung bestehen, nennt man syntagmatisch. Löwen Vögel Hirsche Kühe Pferde Katzen Hunde brüllen zwitschern röhren muhen wiehern miauen bellen Muster Tiergattung + typisches Geräusch Zu jedem Element aus dem Paradigma Tiergattung gehört ein spezifisches Element aus dem Paradigma typisches Geräusch der Gattung. Was ist Morphologie? Bußmann (1990:504) [...] dabei handelt es sich um einen von Goethe geprägten Terminus zur Bezeichnung der Lehre von Form und Struktur lebender Organismen, der im 19. Jahrhundert als Oberbegriff für Flexion und Wortbildung in die Sprachwissenschaft übernommen wurde. In der Traditionellen Grammatik entspricht Morphologie der Formenlehre, d. h. den Teilgebieten der Flexion sowie der Lehre von den Wortarten und ihren Klassifizierungskriterien. In unterschiedlicher Weise wird Wortbildung als selbständiges Gebiet neben der Morphologie oder aber als weiteres Teilgebiet der Morphologie behandelt. Morphologische Einheiten Segmentieren K–i–n–d–e–r◆l–a–c–h–t–e–n Klassifizieren essiß-gess-aß ↔ “essen” -e -n -en -s -er <leer> ↔ “plural” Varianz lexikalisch gesteuert Bett-en, Brett-er knife – knives; index – indices phonologisch bedingt fütter-t, arbeit-et cats [s] – dogs [z] – horses [iz] Morphologische Einheiten Die kleinste bedeutungstragende Bestandteile der Sprache Als Ergebnisse des Segmentierens sind dies zunächst die Morphe; diese können abstrakten Einheiten, den Morphemen, zugeordnet werden. Parallel zu den Allophonen in der Phonologie können auch in der Morphologie Varianten auftreten, so genannte Allomorphe. Silben (s) ≠ Morphemen (m) (s) ar – ti – ge – re Kin – der (m) artig + er + e Kind + er Morphologische Einheiten Morpheme (Minimalzeichen) vs. Silben (tragen keine Bedeutung) Die Klassifizierung von Morphen als Allomorphe eines Morphems beruht auf gleicher Bedeutung und komplementärer Verteilung. abstrakte Morpheme (Grammeme) stehen oft in Opposition Sg vs. Pl............................................................... Masc vs. Fem vs. Neut........................................ Praes vs. Perf vs. Imperf vs. Pluperf vs. Fut..... Act vs. Pass......................................................... Numerus Genus Tempus Genus verbi Morphologische Einheiten -ise equalise formalise Adjective > Verb widen darken deafen -en Derivation oxen PLURAL dogs Flexion -s Morphologische Einheiten Morph A Morphem 1 Synonymie Allomorphe von Morphem 1 Homonymie Morph B Allomorphe von Morphem 2 Synonymie Morphem 2 Morph C Allomorphe des Pluralmorphems im Deutschen (Beispiel) Gegenstand der Morphologie Mengen homonymer und synonymer Minimalzeichen sowie deren Eigenschaften Laute (Form, Ausdruck) Bedeutung (Funktion, Inhalt) Zur Erinnerung: Jedes sprachliche Zeichen ist bilateral, also durch Form und Bedeutung definiert. Die Form ist immer materiell, also bei der Sprache akustisch bzw. graphisch gegeben. Die Bedeutung lässt sich nur über die Form erschließen. Elementare sprachliche Zeichen heißen Minimalzeichen Die Beziehung zwischen Form und Bedeutung bei Allomorphen und homonymen Morphen Inhaltsebene Bedeutung1 Bedeutung2 Bedeutung3 Morphem1 Morphem2 Morphem3 Bedeutung Morphem Form 1 Form 2 Form 3 Allomorphe homonyme Form Ausdrucksebene Morphe – Morphem - Allomorphe Morphe: tatsächliche Segmente einer Wortform |lach|te|↔ lachte Morphem: linguistische Abstraktion die kleinste Einheit (innerhalb eines Wortes) mit einer bedeutungstragenden Funktion besteht aus zusammenhängende Phonemsequenzen lach – te (Was wird hier vermitteln?) lexikalische Information: die Assoziation, die man bei “lach-” empfindet (strahlende Augen, hochgezogene Mundwinkel ☺) grammatische Information: “-te” trägt die Bedeutung der 3. Person Singular Präteritum in sich Allomorphe: (bedingte) Realisierungen eines Morphems. Phone – Phonem – Alophone Phone: tatsächlich vorkommende Laute ! Phonem: linguistische Abstraktion, die kleinste Einheit mit einer bedeutungsunterscheidenden Funktion Hut / Mut / Wut Allophone: konkret realisierte Varianten eines Phonems Die Klassifizierung von Phonen als Allophone eines Phonems beruht auf ihrer Distribution (= Vorkommen) und phonetischer Ähnlichkeit Morphemtypen wortfähig ⇒ frei lexikalische Bedeutung: Rad, Schnur, klug ... grammatische Bedeutung: Präpositionen, Artikel ... deiktische Bedeutung: hier, jetzt, ich, du ... nicht wortfähig ⇒ gebunden grammatische Bedeutung -heit, -bar, ent- ... Plural-Morphem ist eine Abstraktion: [-er, -e, -en, -n, -s] lexikalische Bedeutung Grundmorpheme von Verben sind in der Regel gebunden und bilden als Verbstämme die Basis für Affigierung Affigierung Präfixe: am Wortanfang be – deuten Infixe: in der Wortmitte im Deutschen umstritten, evtl. ver-un-zieren Suffixe: am Wortende Bedeut – ung Zirkumfixe: verteilte Affixe ge – bilde – t an – ge – zog – en Ge – renn – e Morphemverbindungen In der Morphologie unterscheidet man gewöhnlich drei Arten von Morphemverbindungen: Flexion (Deklination, Konjugation, Komparation) Derivation Komposition Konkatenation (von Morphen) geh + st → gehst ab + ge + frag + t + e → abgefragte An den Verbindungsstellen finden oft phonologische Prozesse statt. (Elision) handel + ung → Handlung; ras + st → rast (Epenthese) hat + t → hattet; bad + st → badest meistens als Resultat von sprachökonomischen Vereinfachungen, die die Aussprache des zusammengesetzten Wortes erleichtern Nichtkonkatenative Phänomene: Veränderung des Stammvokals Umlaut (z.B. Pluralbildung) Mutter – Mütter Ablaut (z.B. Tempusmarkierung) geb – gab Flexionsmorphologie In der Flexionsmorphologie untersucht man Zusammensetzungen, die einen Stamm mit Flexionsmorphemen verbinden. Flexionsmorpheme markieren solche Eigenschaften wie Kasus, Numerus, Person, Tempus eines Wortes. Haus-es, rot-em Kind-er, Stunde-n , Auto-s arbeite-st, weht-e Oft geschieht eine solche Markierung durch eine Stammveränderung oder geht zumindest mit einer Stammveränderung einher. Tochter – Töchter, Mann – Männ-er, geht – ging, kann – konn-te Derivationsmorphologie In der Derivationsmorphologie untersucht man Zusammensetzungen, bei denen aus einem Wort durch Zufügen bestimmter Morpheme ein neues Wort mit einer anderen Bedeutung entsteht, das dann oft auch zu einer neuen Wortart gehört. N.B. bedeutungsverändernde Bildung von Wörtern aus einem Wortstamm und einem Derivationsmorphem. lieb-lich, un-klar Sauber-keit ab-geben produktive, d.h. regelmäßige und vorhersagbare Prozesse schlag-en –– un-schlag-bar –– Un-schlag-bar-keit Kompositionsmorphologie In der Kompositionsmorphologie werden sogenannte Komposita betrachtet, das sind Zusammensetzungen von mehreren Wortstämmen bzw. lexikalischen Morphemen. Dampf-schiff-fahrt Bahn-gleis An den Nahtstellen der Verbindung werden oft sogenannte Fugenelemente eingefügt. Kind-s-taufe Kind-er-garten Sonne-n-bad 1. Übungsblatt a) Erklären Sie die Aspekte der Paradigmatik und der Syntagmatik bei einer systematischen Beschreibung von sprachlichen Einheiten! b) Was ist die Aufgabe der morphologischen Analyse? c) Zerlegen Sie ein Wort, das aus mindestens vier Morphemen besteht! d) Erklären Sie die Begriffe Morph – Morphem – Allomorph! e) Geben Sie Beispiele für verschiedene Arten von Affigierung! f) Geben Sie jeweils ein Beispiel für Epenthese und Elision! Einführung in die allgemeine Sprachwissenschaft Morphologie und Syntax (2/4) PD Dr. Tania Avgustinova http://www.coli.uni-saarland.de/~tania/ws2009/GenLing-Morphology.pdf Wortgrammatik (Morphologie) Problem: Was ist ein Wort? Schwierigkeiten der Bestimmung trennbare Verben Er nimmt an der Feier teil. Portemanteau-Form Er kommt vom Fest. früher auch Getrennt- und Zusammenschreibung radfahren (Rad fahren) vs. Auto fahren ein Wort (?!) Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänsanwärterpatent ?!? 0 Wenn 1 hinter 2 Fliegen 3 eine 4 Fliege 5 fliegt 6, fliegt 7 eine 8 Fliege 9 Fliegen 10 nach 11. Sind es 11 oder weniger (etwa 7 oder 6) verschiedene Wörter in diesem Satz? 11 Wörter werden dann gezählt, wenn jedes einzelne Vorkommen einer orthographisch abgrenzbaren Worteinheit, jeder Wort-Token, gezählt wird. Weniger verschiedene Wörter zählen wir dagegen dann, wenn wir eine abstraktere Bedeutung des Wortbegriffs zugrunde legen. Einige der Wort-Tokens lassen sich als Vorkommen ein und desselben Wortes klassifizieren, also Wort-Typen zuordnen. So erhalten wir 7 verschiedene Wörter, wenn wir die je zweimal vorkommenden identischen Tokens Fliege, Fliegen, fliegt und eine nur jeweils einmal berücksichtigen. Demgegenüber zählen wir 6 verschiedene Wörter, wenn wir zusätzlich auch Fliege und Fliegen als Instanzen desselben Wortes (Lexems) auffassen. Eine Arbeitsdefinition des Wortbegriffs Ein Wort ist die (kleinste) Verbindung einer bestimmten Bedeutung mit einer bestimmten Lautform, die in einer bestimmten grammatischen Funktion vorkommt. Wortform, Lexem, Paradigma Eine Wortform (ein grammatisches Wort) ist die gesprochene oder geschriebene Form, in der ein Wort im Kontext einer konkreten sprachlichen Äußerung vorkommt (mit der zugehörigen Bedeutung). Ein Lexem ist eine abstrakte Einheit des Sprachsystems, … die durch die invarianten Eigenschaften der Menge der Wortformen definiert ist, die sie darstellt. … die nicht selbst Bestandteil einer Äußerung ist, sondern jeweils durch eine konkrete Wortform realisiert wird. Ein morphologisches Paradigma ist eine Klasse lexikalisch äquivalenter Wortformen, die das Lexem in verschiedenen Umgebungen repräsentieren. Wörter im Lexikon Das Lexikon einer Sprache ist die Menge der Lexeme dieser Sprache. Zitierform (oder Nennform): Darstellungskonvention um auf ein Lexem zu referieren, wird eine konventionalisierte Nennform zu Hilfe genommen, die meist einer der zugeordneten Wortformen entspricht man spricht auch von der Grundform eines Lexems ( Lemma) Synkretismus Zusammenfall morphologischer Formen innerhalb eines Paradigmas Numerus-Synkretismus: ein Lehr-er [Singular] – viele Lehr-er [Plural] N.B. verschiedene Grade von Allgemeinheit Historische Synkretismen Bestimmte Formen fallen im Laufe der Sprachentwicklung generell zusammen: Vokativ → Nominativ Weitere Beispiele im Deutschen Für alle finiten Verbformen bei Plural fallen die Positionen 1. und 3. Person zusammen. Für alle finiten Verbformen bei Präteritum fallen die Positionen 1. und 3. Person zusammen. Für alle femininen Substantive bei Singular fallen die Positionen Genitiv und Dativ bzw. Nominativ und Akkusativ zusammen. Suppletivformen Formen des gleichen Paradigmas, die aus verschiedenen Stämmen abgeleitet sind Wurzel – Stamm – Basis Wurzel Grundform eines Wortes, die ohne Identitätsverlust nicht weiter analysiert werden kann. Teil des Wortes, der verbleibt, wenn alle Affixe entfernt werden Wurzel – Stamm – Basis Stamm Teil eines Wortes, an den die Flexionsaffixe angefügt werden. N.B. in der Flexionsmorphologie (Konjugation, Deklination, Komparation) einfacher Stamm ein Wurzelmorphem Frau zusammengesetzter Stamm zwei Wurzelmorpheme Fahrkarte; Jungfrau komplexer Stamm Wurzelmorphem + Derivationsaffix freundlich; Wurzelmorphem + 2 Derivationsaffixe Freundlichkeit; 2 Wurzelmorpheme + 1 Derivationsaffix jungfräulich; 2 Wurzelmorpheme + 2 Derivationsaffixe Jungfräulichkeit Wurzel – Stamm – Basis Basis Jede Form, an die ein Affix angefügt werden kann in der Flexion- bzw. Derivationsmorphologie Jede Wurzel und jeder Stamm ist eine Basis. Wortstruktur 2. Übungsblatt 1. Aufgabe a) Gliedern Sie die folgenden Wörter in Stamm bzw. Basis und Affixe, und weisen Sie den Teilen die jeweilige Funktion zu. ungebraucht, brauchbar, gegessen, Häuser, Behausung, aß, essen, isst b) Listen Sie in der obigen Wortliste enthaltenen Allomorphe auf, und klassifizieren Sie diese. 2. Aufgabe a) Welche Bedeutungen kann das Morph -en tragen? b) Welche Bedeutungen kann das Morph -er tragen? c) Wie wird das Morphem [3. Person Singular] im Deutschen realisiert? 3. Aufgabe a) Bestimmen Sie die jeweilige Wortart der Wörter b) Zeichnen Sie Ableitungsbäume und kennzeichnen Sie die Basen (Kerne) und Köpfe. Sonnenschutz, Arbeitsschutz, Brauchbarkeitstest, Ringvorlesungsvorankündigung