Fatigue und Schläfrigkeit bei Multipler Sklerose Prof. Dr. Sylvia Kotterba Ammerland-Klinik GmbH Westerstede, Neurologische Klinik Was versteht der Patient unter ‚Schläfrigkeit‘? Schlafdrang Antriebslosigkeit Fehlende Belastbarkeit Körperliche Abgeschlagenheit Konzentrationsstörungen Träume Fragebogen zur Tagesschläfrigkeit (Epworth Sleepiness Scale) ESS-Normwerte Tagesschläfrigkeit besteht bei einem ESS> 10 ESS über 16 gelten als hochgradig auffällig Johns 1991 (www.dgsm.de) Quantifizierung der Schläfrigkeit im Schlaflabor Multipler Schlaf-Latenz-Test – Fähigkeit, in entspannter Situation einzuschlafen. Einschlaflatenzen unter 10 Minuten auch bei Gesunden Multipler Wach-Test – Fähigkeit, sich in monotoner Situation wach zu halten Fatigue - Müdigkeit Müdigkeit befällt auch gesunde Menschen nach schwerer körperlicher oder psychischer Belastung Fatigue bei MS: chronischer Erschöpfungszustand, der in Ruhe unabhängig von jeglicher Anstrengung auftritt Erschöpfung bereits am frühem Morgen, gesteigerte Ermüdbarkeit bei andauernder körperlicher oder geistiger Aktivität Bis zu 80 % der MS-Patienten betroffen Fatigue Severity Scale (FSS) nach Krupp et al. MS-spezifische Fatigue Severity Scale (Krupp et al., 1995) Hitze verstärkt meine Erschöpfung Lange Zeit von Inaktivität verstärken die Erschöpfung Stress verstärkt meine Erschöpfung Depressive Verstimmung verstärkt meine Erschöpfung Kühle Temperaturen bessern meine Erschöpfung Positive Erfahrungen bessern meine Müdigkeit Müdigkeit bei MS durch gestörten Schlafrhythmus Reduzierte Schlafeffizienz und vermehrte Weckreationen (Ferrini-Strambi et al. 1994; Kaynak et al. 2006; Vetrugno et al. 2007) Ursachen der Schlafstörungen bei MS Vermehrte Arousal (Spastik, Schmerzen) Verminderter Tiefschlafanteil Periodic leg movements, Restless legs häufig mit MS assoziiert (insbesondere bei spinalen Formen) Schlafbezogene Atmungsstörungen Blasenstörungen Fatigue bei MS Kann in jedem Krankheitsstadium auftreten, passager oder chronisch verlaufen (75-90% der MS-Patienten) kann einem Schub um Tage oder Wochen vorausgehen Als Erstsymptom der MS möglich Wird von 50 bis 60 % der MS-Patienten als schlimmstes Krankheitssymptom empfunden Fatigue und Tagesschläfrigkeit Attarian et al. (Arch Neurol 2004;61:525-28): Von 30 Patienten hatten 15 eine Fatigue, davon 9 auch eine Tagesschläfrigkeit Stanton et al. (Mult Scler 2006; 12; 48): Von 59 Patienten hatten 38 eine Fatigue, 19 eine Tagesschläfrigkeit. Fatigue - Ursachen Strukturschäden im Sinne von Demyelinisierung und axonaler Schädigung Störungen durch neuroendokrine Effekte von Entzündungsmediatoren Sekundäre, periphere Störungen, Schädigung der Muskulatur? Zimmermann, Hohlfeld; Nervenarzt 70, 1999 MRT bei MS-Fatigue Ausdehnung der MS-spezifischen Herde korrelieren nicht mit Fatiguegrad Fuktionelles Kernspin erscheint erfolgversprechend (frontaler Cortex, limbisches System) V. Janadhan et al, J Neurol Sci, 2002, 203, 51-58 Fatigue und Depressivität Gefühl der Hilflosigkeit verstärkt Depressivität und Fatigue Hilflosigkeit und Fatigue korrelieren im wesentlichen mit motorischen Einschränkungen SP van der Werf et al., Multiple Sclerosis 2003, 9, 89-94 Fatigue und Depression In vielen Studien Korrelationen zwischen Depressivität und Fatigue Depressive Symptome bei 14 bis 54 % der MS-Patienten, insbesondere bei progredientem Krankheitsverlauf Krankheitskognitionen bestimmen Depressivität – Internalität positiv, Externalität negativ Cave: Items in gängigen Depressionsskalen erfragen Symptome, die durch MSSymptome erklärt werden können Fatigue und PSQI (Schlafqualität) In eine Studie mit 53 MS-Patienten [Trojan et al:Mult Scler 2007; 13: 985-995] war der mittlere Score gegenüber der Kontrollgruppe erhöht (5,2 + 3,5 vs 3,8 + 2,4, p< 0,04). In einer Analyse bei 504 MS-Patienten wurde doppelt so häufig wie bei Kontrollen (61,9% vs. 32, 1%) eine reduzierte Schlafqualität nachgewiesen [Lobetanz et al. Acta Neurol Scand 2004; 110: 6-13]. Bezüglich der oben erwähnten Komponenten des PSQI ließ sich nur für die Schlafdauer kein Unterschied zur Kontrollgruppe nachweisen PLM und RLS bei MS PLM häufig bei spinalen Läsionen (de Mello M et al., Spinal Cord 1999, 37: 634-637; Yokota T et al., J Neurol Sci 1991, 104: 13-18 ) RLS bei 37,5% von 200 MS-Patienten, 31 % von 100 RA-Patienten vs. 16% bei 100 Kontrollprobanden (Auger Ch, Montplaisier J, Duquette P, Neurology 2005, 65: 16521653) Dopaminerge Inhibition gestört bei spinaler Läsion PLM und RLS bei MS Angaben zu Fatigue (körperliche Erschöpfung) korrelieren mit meßbaren körperlichen Funktionseinbußen Tagessymptomatik wird oft diffus geschildert RLS/PLM vom Patienten oft nicht gegenüber Spastik zu differenzieren PLM können ebenfalls zu physischer Erschöpfung führen Fatigue und Tagesschläfrigkeit bei RRMS unter Interferon beta 1b Multicenterstudie aus 6 Zentren 62 Patienten ambulant u. stationär 41 Frauen / 21 Männer Alter: 20-52 Jahren (37+ 7 Jahre) Zu Studienbeginn erhielten 38 Pat. > 6 Wochen eine Therapie mit Interferon beta 1 b., 12 Pat. wurden innerhalb von 6 Wochen vor Studienbeginn eingestellt, 12 Pat. waren untherapiert C. Schäfer, W. Schölzel, S. Kotterba Schlafqualität und Fatigue bei Multipler Sklerose unter Therapie mit Interferon beta 1b Somnologie 13, 2009, Suppl 2, 12 Ergebnisse: zum Zeitpunkt der Visite 1 haben 33 % einen erhöhten PLM Index (PLM > 5/h) 44 % ein Restless legs Syndrom, davon sind: 30 % gering, 50 % mäßig, 20 % stark betroffen 59 % eine gestörte Schlafqualität (PSQI > 5) 24% eine erhöhte Tagesschläfrigkeit (ESS > 10) 22 % eine Störung der Atmungsparameter (AHI > 5/h), davon sind: 66 % leicht, 33 % schwer betroffen IRLSS: 0 = kein RLS, 1–10 = gering, 11–20 = mäßig, 21–30 = stark, 31–40 = sehr stark AHI : 0-5 = normal, 6-15 = leichtes, 16-30 mittelschweres, > 30 schweres Schlaf-Apnoe-Syndrom C. Schäfer, W. Schölzel, S. Kotterba; Somnologie 13, 2009, Suppl 2, 12 Ergebnisse RLS 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Gesamt RLS RLS + PLM RLS - PLM Von 54 Patienten geben 20 Pat. (= 44%) ein RLS an. Von diesen 20 Pat. haben 7 Pat. (= 35%) ein RLS + PLM und 13 Pat. (=65%) ein RLS – PLM C. Schäfer, W. Schölzel, S. Kotterba; Somnologie 13, 2009, Suppl 2, 12 PLM und RLS bei MS Angaben zu Fatigue (körperliche Erschöpfung) korrelieren mit meßbaren körperlichen Funktionseinbußen Tagessymptomatik wird oft diffus geschildert RLS/PLM vom Patienten oft nicht gegenüber Spastik zu differenzieren PLM können ebenfalls zu physischer Erschöpfung führen Polysomnographie bei MS im Verlauf sinnvoll Verlaufsuntersuchungen unter Immunmodulatoren notwendig Med. Therapie der Fatigue Antriebssteigernde Antidepressiva Amantadin 4-Aminopyridin Immunmodulation: Betainterferone, Glatirameracetat,Natalizumab Medikamente gegen Tagesschläfrigkeit Modafinil Stimulanz mit komplexer Aktion im Neurotransmittersystem Lange Halbwertszeit, daher Einmalgaben am Tag möglich Wirksamkeit nur bei Schläfrigkeit Prinzipien der Fatiguetherapie Da die genauen Ursachen nicht geklärt sind, ist die Therapie schwierig Unterscheidung zwischen Schläfrigkeit Fatigue Depression Behandlung von Fatigue Symptomatisch, Aufklärung – körperliche Schonung, Vermeidung von Stress, Entspannungsverfahren insbesondere im Schub Evaluierung der bisherigen Medikation (sedierende Effekte?) Ausschluß anderer körperlicher Ursachen Polysomnographie Antidepressive Therapie (Serotoninwiederaufnahmehemmer) Erarbeitung einer günstigen Krankheitskognition – Stärkung der eigenen positiven Energie