Uber Aufbau und Vermehrungsmöglichkeiten von stäbchenförmigen Insekten-Viren V o n ALOYSIUS KRIEG A u s der biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Institut für biologische Schädlingsbekämpfung, Darmstadt (Z. Naturforschg. 12 b, 120—121 [1957] ; eingegangen am 27. Juni 1956) Electron-microscopical studies and infection experiments on degradation-products of rod-shaped insect viruses (Borrelina aporiae) in alcaline solution are described. T h e observations indicate a polymere c o m p o s i t i o n of rod-shaped virus particles. Viren sind im Unterschied zu echten Lebewesen im isolierten Zustand statische Gebilde ohne Stoffwechsel und Fortpflanzung und können nur in der Wirtszelle die zur Erhaltung ihrer Art notwendige Reproduktionsfähigkeit entwickeln. Es liegen bis heute keine gesicherten Befunde über eine Vermehrung von Viren durch Wachstum und Teilung vor. Bei den etwas genauer untersuchten tierischen Virusarten wie dem Influenza-Virus ( B U R N E T , H E N L E , H O Y L E ) und dem Virus der klassischen Geflügelpest (SCHÄFER) konnte vielmehr auf Reproduktion der Virus-Elementarkörperchen über eine Dissoziantenbildung unter Aufgabe der Individualität geschlossen werden. BERGOLD ( 1 9 5 2 ) 1 glaubte, speziell für die stäbchenförmigen Insekten-Viren (Genera: Borrelina und Bergoldia) bei Annahme eines bakterienähnlichen Aufbaus folgenden Vermehrungsmechanismus annehmen zu müssen: Die Virus-Stäbchen zerfallen in einige wenige sphärische „sub-units". Diese wachsen heran, umgeben sich mit einer Hülle, strecken sich in die Länge zum Stäbchen, welches schließlich wieder zu Sphären zerfällt usw. Diese Hypothesen über eine multiple Teilung mit anschließendem Wachstum bei Insekten-Viren basiert auf der Beobachtung abnormer Elementarkörper bei elektronenmikroskopischen Untersuchungen von Präparaten aus den beiden zur Diskussion stehenden Genera der Insekten-Viren. Nach Ansicht von S M I T H und X E R O S ( 1 9 5 4 ) 2 sind jedoch die von B E R G O L D nach Lyse von Kernpolyedern beobachteten Sphären keine Entwicklungsstadien von Elementarkörperchen, sondern Bündel von halblangen Stäbchen. Die Anzahl der halblangen Stäbchen soll sich von Art zu Art ändern und 1 2 G . H . BERGOLD, T h e nature of virus-multiplication. 2. Sym- posion Soc. gen. M i c r o b i o l . , O x f o r d 1952, C a m b r i d g e 1953, 276-238. K . M . SMITH u. N . XEROS, Parasitology 44. 4 0 0 [1954]. neben langen sollen auch halblange Stäbchen stabile Formen der Virus-Elementarkörperchen sein. Der von B E R G O L D angenommene Entwicklungszyklus der Elementarkörperchen wird von S M I T H und X E R O S abgelehnt. Zur Klärung der morphologischen Voraussetzungen für eine Reproduktion auch der stäbchenförmigen Insekten-Viren über Dissoziantenbildung wurden Spaltungsversuche an Virus-Teilchen durchgeführt. Als Objekt diente das spezifische Polyedervirus von Aporia crataegi L. Die sorgfältig gereinigten Einschlußkörper (Polyeder) von Borrelina aporiae K R I E G und L A N G E N BUCH 3 wurden zur Gewinnung der freien Elementarkörper mit Alkali behandelt. Nach vollständiger Lyse des Polyederproteins in 0,05-/n • Na 2 C0 3 (pn 10,5) konnten die Elementarkörperchen durch präparative Ultrasedimentation isoliert werden. Sie besaßen eine durchschnittliche Größe von 2 2 0 X 5 0 m / < : Abb. 1 *. Bei Erhöhung der Alkali-Konzentration auf 0,10-zn • Na 2 C0 3 (pn 11,5) platzten die Membranen der Virus-Stäbchen und ihr Inhalt trat aus. Durch Differential-Ultrasedimentation ließen sich Membranen und Untereinheiten trennen. Abb. 2 zeigt die isolierte Untereinheiten des Virus-Stäbchens neben einer leeren Membran. Es handelt sich um Scheibchen, die mehr oder minder deutlich eine zentrale Aussparung aufweisen. Bei weiterer Steigerung der Alkalität auf ein pn von 12 durch Verwendung von 0 , l - m - N a O H zerfallen die Untereinheiten weiter zu kleineren, im Elektronenmikroskop nicht mehr deutlich faßbaren Bruchstücken. Von den abgebildeten Untereinheiten von Borrelina aporiae kommen 6 — 1 0 auf ein Virus-Elementaru. R . LANGENBUCH, Z . Pflanzenkrankh. pathol.) Pflanzenschutz 63. 95 [ 1 9 5 6 ] . * A b b . 1 und 2 s. Tafel S. 118 b. 3 A . KRIEG Unauthenticated Download Date | 2/13/17 6:11 PM (Pfianzen- körperdien. Ihre Dicke beträgt schätzungsweise 20 bis 35 mu und ihr Durchmesser 50 mu. Sie dürften mit den von B E R G O L D 1 beschriebenen „sub-units" morphologisch identisch sein. Die Untereinheiten erinnern lebhaft an die kürzlich von S C H R A M M , S C H U M A C H E R und Z I L L I G am Tabakmosaik-Virus dargestellten Virus-Proteinscheibchen, welche auf einem Docht von Ribonucleinsäure (RNS) aufgereiht sind. Infektionsversuche an Aporia crataegi L., die im Zusammenhang mit den Spaltungsversuchen an Borrelina aporiae durchgeführt wurden, zeigten, daß die freien Spaltprodukte (vgl. Abb. 2) im Gegensatz zu den intakten Virus-Elementarkörperchen nicht mehr infektiös waren: Die in Borrelina aporiae5 und auch in anderen stäbchenförmigen Insekten-Viren enthaltene Nucleinsäure ist aber vom Desoxyribose-Typ (DNS). Über ihre Anordnung gegenüber dem Virus-Protein fehlen noch genaue Angaben. Da die Proteinscheibchen jedoch mehr oder minder deutlich eine zentrale Aussparung aufzuweisen scheinen, ist auch im Falle der stäbchenförmigen Insekten-Viren eine axiale Lokalisation der Nucleinsäure nicht unwahrscheinlich. Zur Prüfung auf Infektiosität wurden 5 • 10 3 Polyeder/cm 3 in Na 2 C0 3 bzw. NaOH gelöst und danach je 10 Raupen des 3. Stadiums intracoelomal in einer Dosis von 0,2 cm 3 injiziert. Die Anzahl der infizierten Raupen geht aus der folgenden Tabelle 1 hervor. 4 Was die chemische Zusammensetzung der Elementarkörperchen betrifft, so liegen hier Untersuchungen von B E R G O L D und W E L L I N G T O N ( 1 9 5 4 ) 6 an Borrelina bombycis vor. Nach schwacher Alkali-Behandlung separierten sie durch Ultrasedimentation die Membranen („developmental membrane" und „intimate membrane") von dem ElementarkörperMaterial und unterwarfen beide Anteile der chemischen Analyse. Die Elementarkörperchen selber bestanden aus 77% Protein, 8% DNS und 15% Undefiniertem Material, die Membranen aus 80% Protein, 1,3% Lipoid und 20% U n d e f i n i e r t e m Material. Im Gegensatz zu dem vorhin erwähnten Tabakmosaik-Virus, welches keine Membranen besitzt, scheint für das Zustandekommen einer Infektion hier bei den stäbchenförmigen Insekten-Viren u. a. die lipoid-haltige Membran des Virus-Teilchens wichtig zu sein (Affinität zur Zellmembran der spezifischen Wirtszelle?). Eine Behandlung der Elementarkörperchen mit Äther oder anderen lipoid-löslichen Stoffen setzt nämlich ihre Infektiosität beträchtlich herab, ähnlich wie beim Influenza-, Herpes- und Gelbfieber-Virus. Der aus Nucleoproteid bestehende Inhalt des intakten Virusstäbchens ist leicht angreifbar durch eiweißfällende Mittel wie Formaldehyd, die aus diesem Grunde als Desinfizientien wirken. 4 G . SCHRAMM, 1 0 B. 4 8 1 5 A.KRIEG, G . SCHUMACHER U. W . ZILLIG, Z. Naturforschg. [1955], Naturwissenschaften 43, 537 Infektionsversuch: Vn Teilchen Tiere davon polyedrös 9,8-10,1 10,7-10,8 11,6-11,8 12,5-12,7 Stäbchen Stäbchen Untereinheiten n i c h t definiert 10 10 10 10 10 8 0 0 Dest. Wasser ohne 10 0 T a b . 1. P r ü f u n g der Infektiosität. Hieraus ist zu entnehmen, daß durch die AlkaliBehandlung der für das Zustandekommen einer Infektion von Wirtszellen nötige Zusammenhang der Virus-Bausteine zerrissen wurde. Aus den mitgeteilten Beobachtungen läßt sich zusammenfassend die Vorstellung ableiten, daß ein stäbchenförmiges Elementarkörperchen von InsektenViren einen polymeren Aufbau besitzt resp. sich u. a. aus einer Anzahl (scheibchenförmiger) Untereinheiten („sub-units") zusammensetzt, welche reifenförmig angeordnet, von einer Membran umhüllt werden. Diese Ergebnisse über den Aufbau von stäbchenförmigen Insekten-Viren lassen eine Reproduktion derselben über Dissoziantenbildung durchaus möglich erscheinen. Durchgeführt mit Unterstützung der D e u t s c h e n F o r s c h u n g s g e m e i n s c h a f t . Die EM-Aufnahmen wurden durch das freundliche Entgegenkommen von Herrn Professor Dr. U. H O F M A N N , Eduard-ZintlInstitut der TH Darmstadt, ermöglicht. 6 G. H. B E R G O L D u. E. F. [1954]. WELLINGTON, J. B a c t e r i o l . 67, [1956]. Unauthenticated Download Date | 2/13/17 6:11 PM 210