www.mathematik-netz.de © Copyright, Page 1 of 6 Unendliche Produkte 1. Überblick und Motivation Wir betrachten unendliche Produkte von Folgen komplexer oder reeller Zahlen. Diese sind beispielsweise in der Funktionentheorie (Weierstraßsche Produkte) von großer Bedeutung. 2. Definition und Eigenschaften unendlicher Produkte Wir führen zunächst die grundlegenden Begrifflichkeiten ein, danach erst werden wir diese kommentieren und hinterfragen. Definition: Ist (an) eine Folge komplexer (oder reeller) Zahlen. Es sei Pn := n ∏a k =1 k = a1a2 ⋅ … ⋅ an das Partialprodukt aus den ersten n Gliedern dieser Folge. Angenommen es gilt ak ≠ 0 für alle k ∈ Man sagt, dass das unendliche Produkt ∞ ∏a k k =1 konvergiert genau dann, wenn die Folge der Partialprodukte einen Grenzwert verschieden von Null besitzt. Dann weist man dem Symbol ∞ ∏a k =1 wir im Fall der Konvergenz auch oft kurz ∏a k notieren, den Wert ∞ ∏a k =1 ∞ ∏a k =1 k ∞ ∏a k =1 Besitzt eine Folge (Pn) keinen Grenzwert, so sagt man, dass man, dass . k k k , was := lim Pn ≠ 0 zu. n→∞ divergiert. Gilt lim Pn= 0, so sagt n→∞ bestimmt gegen 0 divergiert. Falls ak = 0 für (endlich viele) k, so bestimmt man, ob das unendliche Produkt ∞ ∏a k =N k ab einem gewissen N ∈ Würde man nun –analog wie bei Reihen- ein Produkt ohne diese Nullstellen konvergiert. ∞ ∏a k =1 k konvergent nennen, wenn die Folge der Partialprodukte einen Limes a hat, so ergäbe sich unerwünschte Pathologien: Zum einen wäre ein Produkt bereits konvergent mit Wert 0, wenn nur ein einziges Folgenglied an Null wäre; an Null werden auch dann, wenn kein einziger Faktor Null ist (z.B. wenn zum anderen könnte stets |an| ≤ q<1 gilt). ∏ Um derartige Pathologien auszuschließen, muss man besondere Vorsichtsmaßnahmen gegen Nullfaktoren und Nullkonvergenz treffen. Sicherlich ist klar, dass gilt Ein unendliches Produkt ∞ ∏a k =1 k ist genau dann bestimmt konvergent gegen die Null, wenn wenigstens ein Faktor ak Null ist. Diese Behauptung ist klar, da Behauptung. und Intigritätsbereiche sind, mit einfacher Induktion folgt damit die www.mathematik-netz.de © Copyright, Page 2 of 6 Aus obiger Definition folgt weiterhin unmittelbar Ein Produkt ∞ ∏ ak bzw. k =1 ∞ ∏a k k =N (für ein bestimmtes N ∈ ) ist genau dann konvergent, wenn nur endlich viele Faktoren Null sind, und wenn die mit allen von Null verschiedenen Glieder gebildete Partialproduktfolge lim Pn ≠ 0 ist. n→∞ Durch die getroffene Einschränkung wird die Sonderrolle der Null optimal berücksichtigt. Ziel wird es sein bestimmte Funktionen, welche wir durch eine Reihendarstellung (Taylor- und Lorantreihenentwicklung) entwickeln könnnen, durch ein unendliches Produkt auszudrücken. So kann beispielsweise offensichtlich –gemäß Definition- die Fakultätsfunktion n! durch eine Produktdarstellung formuliert werden. Die Behandlung unendlicher Produkte kann man mit Hilfe des Logarithmus auf die bekannte Theorie unendlicher Reihen zurückführen. Dazu nutzt man die Logarithmusgesetze und die Stetigkeit der Logarithmusfunktion aus, denn es gilt für reelle Zahlen a und b die Identität log(ab) = log(a)+log(b). Dies kann man wieder iterativ fortsetzen, so dass man die folgende Identität erhält. Satz 2.1: (Zusammenhang zwischen unendlichen Reihen und Produkten) Es sei ak ≠ 0 für alle k ∈ Das unendliche Produkt . ∞ ∏ ak konvergiert genau dann, wenn die Reihe k =1 ∞ ∑ L og ( a ) k k =1 gegen einen endlichen Wert konvergiert. ⎛ ∞ ∏a ⎝ Dabei gilt Log ⎜ k =1 k ⎞ ⎟ = ⎠ ∞ ∑ L og ( a ) , und Log ist der Hauptzweig des Logarithmus. k =1 k Beweis: Da log der Hauptzweig des Logarithmus sein soll, gilt exp(log(z)) = z, deshalb können wir das gegebene Produkt umformen: ∞ ∞ k =1 k =1 ∏ ak = exp(Log( ∏ ak )). Da die Exponentialfunktion eine ganze Funktion ist, folgt mit dem Maximumprinzip, dass exp(z) = ∞ nur in ∞ selbst angenommen wird, ferner ist exp(z) ≠ 0 für ⎛ ⎞ ak ⎟ = ∏ ⎝ k =1 ⎠ alle komplexen Zahlen z. Mit der Identität Log ⎜ ∞ ∞ ∑ L og ( a ) k k =1 und der Stetigkeit von log folgt damit, dass ein Grenzwert ≠ 0 genau dann angenommen wird, wenn die Reihe ∞ ∑ L og ( a ) k =1 k konvergiert. Wir haben also das Problem der Konvergenz eines unendlichen Produkts auf das Konvergenzproblem der Reihe ∞ ∑ L og ( a ) k =1 k zurückgeführt, genaueres über die Konvergenz dieser Reihe werden wir weiter unten erfahren. Aus Satz 2.1 und der notwendigen Bedingung bei konvergenten Reihen (die Folge muss gegen 0 konvergieren!) folgt direkt eine notwendige Bedingung für konvergente Produkte Satz 2.2: (notwendiges Kriterium) Es sei ak ≠ 0 für alle k ∈ . Falls das unendliche Produkt ∞ ∏a k =1 notwendigerweise lim ak = 1. k →∞ k konvergiert, so gilt www.mathematik-netz.de © Copyright, Page 3 of 6 Beweis: ⎛ ⎞ ak ⎟ = ∏ ⎝ k =1 ⎠ Aufgrund von Satz 2.1 und der Identität log ⎜ ∞ ∞ ∑ L og ( a ) , muss im Falle der Konvergenz k =1 k lim log(ak) = 0 gelten und da log(1) = 0 gilt folgt lim ak = 1. Ein zweiter möglicher Beweis derselben k →∞ k →∞ Tatsache wäre Folgender: Ohne Einschränkung sind alle ak ungleich Null, da es ohnehin nur endlich viele Ausnahmen geben darf und die bei der Grenzwertbetrachtung unwichtig sind. Dann existiert der Grenzwert a:= lim n→∞ n ∏a k =1 k ≠ 0. Nun wird an als Quotient der Partialprodukte dargestellt n an = n ∏a k k =1 n−1 k =1 n→∞ n−1 und lim ∏a k k =1 ∏a k ∏a k =1 = a/a = 1. k Im Prinzip wollen wir also die Identität ⎛ ∞ ∏a k =1 = exp ⎜ k ⎞ ∑ L og ( a ) ⎟ ∞ k ⎝ k =1 ⎠ nutzen. Dabei müssen wir jedoch insbesondere im Komplexen Vorsicht walten lassen, denn der Logarithmus ist für die Zahl Null nicht definiert, deshalb auch die Einschränkung in den Sätzen 2.1 und 2.2. Ferner ist der komplexe Logarithmus nur unter gewissen Umständen die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion (Einschränkung des Definitionsbereiches auf die geschlitzte Ebene − , Hauptzweig des Logarithmus). Man muss also darauf achten, welche Logarithmusfunktion verwendet wird. Wir werden, wie bereits im Satz 2.1 verlangt, den Hauptwert des Logarithmus verwenden. Auch das die Folge (ak) gegen 1 konvergiert ist verständlich, da 1 das neutrale Element der Multiplikation ist, genau wie die 0 das neutrale Element der Addition ist. Dadurch wird so zusagen die Multiplikation „im Unendlichen“ neutralisiert – dies ist natürlich nur eine heuristische Betrachtungsweise. Im Falle der Konvergenz muss also gemäß Satz 2.2 die Folge (ak) gegen 1 streben, und da wir die Untersuchung der Konvergenz auf die der entsprechenden Reihen zurückleiten werden, ist es sinnvoller die Folge (ak) etwas umzuschreiben: ak := (1 + hk) , wobei (hk) eine Nullfolge ist. Es existiert deshalb eine natürliche Zahl N mit der Eigenschaft |hk| < 1 für k>N. Unter der Bedingung |hk| < 1 für k>N ist also sichergestellt, dass |ak| = (1 + |hk|) ungleich 0 ist. Wir versuchen es also nochmals: ∞ ∏a k =1 k = N ∏a k =1 k ⎛ ⎞ L og (1 + hk ) ⎟ ⎝ k =N+1 ⎠ exp ⎜ ∞ ∑ Die Reihe von Log(1+z) = - ∞ ∑ ( −1) n=1 n z n n konvergiert innerhalb der benötigten Kreisscheibe |z|< 1, denn der Konvergenzradius ist 1 (Wurzel- oder Quotientenkriterium). www.mathematik-netz.de © Copyright, Page 4 of 6 Lemma 2.3: (Abschätzung der Logarithmus-Funktion) Es sei Log der Hauptzweig des komplexen Logarithmus. Für hinreichend kleines |z| (bspw. |z|<½) gilt die Abschätzung ½|z| < |Log(z)|< 3/2|z|. Beweis: Zum Beweis betrachten wir die Log-Reihenentwicklung ∞ ∑ ( −1) n+1 z n n n=1 z2 2 =z- + z3 3 - z4 4 ±… Die Folge (hk) (vgl. oben) muss im Falle der Konvergenz gegen 0 streben, deshalb gilt Log(1 + hn ) h h2 h3 = 1 - n + n - n ± … = 1+r. 2 3 4 hn (1) Für hn < ½ (dies gilt ab einem gewissen N) gilt dann ≤ |r| ≤ = = hn 2 hn 2 hn 2 + hn2 3 + hn3 4 +… | Betrag | 2 < 3, 4, … ⇒ (1+hn+(hn)2 + …) ∞ ∑h k n k =0 hn 1 2 1−hn 1 2 1 3 < , 1 2 < 1 4 ,… | geometrische Reihe = hn 2(1−hn ) <½, und daraus folgt [ Log(1 + hn ) hn = 1+r], dass Log(1 + hn ) hn < 3/2 . Wegen (1) und da (hn) eine Nullfolge ist hat der folgende Term den Grenzwert lim n→∞ Log (1 + hn ) hn =1- hn 2 + also haben wir für genügend großes n [ lim n→∞ Log (1 + hn ) hn hn2 3 - hn3 4 ± … = 1, Log(1 + hn ) hn -1 = r] ≥ ½. Zusammen folgt die Behauptung für fast alle natürlichen Zahlen n. Ein zweiter Beweis des Lemmas ist etwas kürzer. Anstatt lim hn = 0 schreiben wir für die Nullfolge (hn) ab n→∞ jetzt lim h was offensichtlich gleichbedeutend ist. Zunächst bestimmt man den Grenzwert von h→ 0 Log(1 + h) Log(1 + h) 1 lim mit Hilfe von L’Hospital lim = lim = 1. Wenn also h nur hinreichend klein h→0 h→0 h→0 1 + h h h gewählt wird, dann kommt (Log(1+h)/h) der Zahl 1 beliebig nahe. Insbesondere können wir h so klein wählen, dass gilt ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ |1- Log(1+h)/h| < ½ |h- Log(1+h)| < ½|h| |h|-|Log(1+h)| < |h- Log(1+h)| < ½|h| -|Log(1+h)| < -½|h| |Log(1+h)| < ½|h| Wir können jedoch auch die Dreiecksungleichung ausgehend von | Log(1+h)/h -1| anwenden. Dann gilt: www.mathematik-netz.de © Copyright, Page 5 of 6 |Log(1+h)/h - 1| < ½ |Log(1+h) - h| < ½|h| |Log(1+h)|-|h| < |Log(1+h) -h| < ½|h| |Log(1+h)| < 3/2|h| ⇒ ⇒ ⇒ Der Beweis des folgenden wichtigen Satzes ist dann aufgrund des eben bewiesenen Lemmas kein Problem mehr. Satz 2.4: (Konvergenz-Kriterium für unendliche Produkte) Ein unendliches Produkt P= ∞ ∏ ak = k =1 ⇔ Die Kernreihe S = ∞ ∑h n=1 ∞ ∏ (1 + h ) k k =1 mit positiven Kernen hn konvergiert absolut. konvergiert absolut. n Beweis: Für hinreichend kleines z (etwas |u|< ½) gilt die Abschätzung ½|u| ≤ |Log(1+u)| ≤ 2/3|u| wie im Lemma 2.3 gezeigt. „ ⇒ “: Ist das unendliche Produkt absolut konvergent, so bilden die uv eine Nullfolge und es gibt ein v0, so dass |uv|< ε für alle v ≥ v0 ist. Wir können also uv beliebig „klein drücken“, dann gilt nach der obigen Ungleichung ½|u| ≤ |Log(1+u)|. Können wir nachweisen, dass die Reihe ∞ ∑ L og (1 + h ) k k =1 können wir diese als Majorante für die Konvergenz von ∞ ∑ (h ) k =1 k konvergiert, so verwenden. Nach Voraussetzung konvergiert das Produkt und mit Satz 2.1 konvergiert das Produkt genau dann, wenn die Reihe ∞ ∑ L og (1 + h ) k k =1 konvergiert. „ ⇐ “: Es sei nun ∞ ∑ (h ) k =1 k absolut konvergent und wir müssen nachweisen, dass dann auch das Produkt absolut konvergiert. Da die Reihe konvergiert, muss (uv) notwendig eine Nullfolge sein. Mit Satz 2.1 reicht es wieder zu zeigen, dass ∞ ∑ L og (1 + h ) k =1 k absolut konvergiert. Wir nutzen die Ungleichung |Log(1+u)| ≤ 2/3|u|, und da nach Voraussetzung ∞ ∑ (h ) k =1 haben wir bereits eine konvergente Majorante für ∞ ∑ L og (1 + h ) k =1 k k absolut konvergiert gefunden. Mit dem Majorantenkriterium folgt die Behauptung. Würde man im Satz 2.4 nicht die absolute Konvergenz der Reihe ∞ ∑ (h ) k =1 k fordern, so würde lediglich die Rückrichtung stimmen. Ein abschließendes kurzes Beispiel rundet den Inhalt des Dokuments ab. www.mathematik-netz.de © Copyright, Page 6 of 6 Beispiel: Nach dem eben aufgestellten Kriterium konvergiert P1 = ∞ ⎛ n=1 P2 = ∞ 1⎞ ⎛ 1⎞ , dagegen divergiert die Reihe 2 ⎟ ⎠ ∏ ⎜⎝1 + n ∏ ⎜⎝1 + n ⎟⎠ , da die harmonische Reihe divergiert. Das P 2 in der Tat divergiert kann man auch durch n=1 kürzen innerhalb des Partial-Produkts nachweisen: n ⎛ 1⎞ ∏ ⎜⎝1 + k ⎟⎠ k =1 = 2⋅ 3 2 ⋅ 4 3 ⋅ 5 4 ⋅… n +1 n = n+1. Weitere unendliche Produkte finden Sie auf folgender Seite: http://de.wikibooks.org/wiki/Formelsammlung_Mathematik:_Unendliche_Produkte Weiterhin viel Spaß mit der Mathematik! http://www.mathematik-netz.de