Unendliche Produkte - mathematik

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Unendliche Produkte
1. Überblick und Motivation
Wir betrachten unendliche Produkte von Folgen komplexer oder reeller Zahlen. Diese sind beispielsweise
in der Funktionentheorie (Weierstraßsche Produkte) von großer Bedeutung.
2. Definition und Eigenschaften unendlicher Produkte
Wir führen zunächst die grundlegenden Begrifflichkeiten ein, danach erst werden wir diese kommentieren
und hinterfragen.
Definition:
Ist (an) eine Folge komplexer (oder reeller) Zahlen. Es sei
Pn :=
n
∏a
k =1
k
= a1a2 ⋅ … ⋅ an
das Partialprodukt aus den ersten n Gliedern dieser Folge. Angenommen es gilt ak ≠ 0 für alle k ∈
Man sagt, dass das unendliche Produkt
∞
∏a
k
k =1
konvergiert genau dann, wenn die Folge der
Partialprodukte einen Grenzwert verschieden von Null besitzt. Dann weist man dem Symbol
∞
∏a
k =1
wir im Fall der Konvergenz auch oft kurz
∏a
k
notieren, den Wert
∞
∏a
k =1
∞
∏a
k =1
k
∞
∏a
k =1
Besitzt eine Folge (Pn) keinen Grenzwert, so sagt man, dass
man, dass
.
k
k
k
, was
:= lim Pn ≠ 0 zu.
n→∞
divergiert. Gilt lim Pn= 0, so sagt
n→∞
bestimmt gegen 0 divergiert. Falls ak = 0 für (endlich viele) k, so bestimmt man, ob
das unendliche Produkt
∞
∏a
k =N
k
ab einem gewissen N ∈
Würde man nun –analog wie bei Reihen- ein Produkt
ohne diese Nullstellen konvergiert.
∞
∏a
k =1
k
konvergent nennen, wenn die Folge der
Partialprodukte einen Limes a hat, so ergäbe sich unerwünschte Pathologien:
ƒ
ƒ
Zum einen wäre ein Produkt bereits konvergent mit Wert 0, wenn nur ein einziges Folgenglied an
Null wäre;
an Null werden auch dann, wenn kein einziger Faktor Null ist (z.B. wenn
zum anderen könnte
stets |an| ≤ q<1 gilt).
∏
Um derartige Pathologien auszuschließen, muss man besondere Vorsichtsmaßnahmen gegen Nullfaktoren
und Nullkonvergenz treffen.
Sicherlich ist klar, dass gilt
Ein unendliches Produkt
∞
∏a
k =1
k
ist genau dann bestimmt konvergent gegen die Null, wenn
wenigstens ein Faktor ak Null ist.
Diese Behauptung ist klar, da
Behauptung.
und
Intigritätsbereiche sind, mit einfacher Induktion folgt damit die
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Aus obiger Definition folgt weiterhin unmittelbar
Ein Produkt
∞
∏ ak bzw.
k =1
∞
∏a
k
k =N
(für ein bestimmtes N ∈
) ist genau dann konvergent, wenn nur
endlich viele Faktoren Null sind, und wenn die mit allen von Null verschiedenen Glieder gebildete
Partialproduktfolge lim Pn ≠ 0 ist.
n→∞
Durch die getroffene Einschränkung wird die Sonderrolle der Null optimal berücksichtigt.
Ziel wird es sein bestimmte Funktionen, welche wir durch eine Reihendarstellung (Taylor- und
Lorantreihenentwicklung) entwickeln könnnen, durch ein unendliches Produkt auszudrücken.
So kann beispielsweise offensichtlich –gemäß Definition- die Fakultätsfunktion n! durch eine
Produktdarstellung formuliert werden.
Die Behandlung unendlicher Produkte kann man mit Hilfe des Logarithmus auf die bekannte Theorie
unendlicher Reihen zurückführen. Dazu nutzt man die Logarithmusgesetze und die Stetigkeit der
Logarithmusfunktion aus, denn es gilt für reelle Zahlen a und b die Identität log(ab) = log(a)+log(b).
Dies kann man wieder iterativ fortsetzen, so dass man die folgende Identität erhält.
Satz 2.1: (Zusammenhang zwischen unendlichen Reihen und Produkten)
Es sei ak ≠ 0 für alle k ∈
Das unendliche Produkt
.
∞
∏ ak konvergiert genau dann, wenn die Reihe
k =1
∞
∑ L og ( a )
k
k =1
gegen einen
endlichen Wert konvergiert.
⎛
∞
∏a
⎝
Dabei gilt Log ⎜
k =1
k
⎞
⎟ =
⎠
∞
∑ L og ( a ) , und Log ist der Hauptzweig des Logarithmus.
k =1
k
Beweis:
Da log der Hauptzweig des Logarithmus sein soll, gilt exp(log(z)) = z, deshalb können wir das gegebene
Produkt umformen:
∞
∞
k =1
k =1
∏ ak = exp(Log( ∏ ak )). Da die Exponentialfunktion eine ganze Funktion ist, folgt
mit dem Maximumprinzip, dass exp(z) = ∞ nur in ∞ selbst angenommen wird, ferner ist exp(z) ≠ 0 für
⎛
⎞
ak ⎟ =
∏
⎝ k =1 ⎠
alle komplexen Zahlen z. Mit der Identität Log ⎜
∞
∞
∑ L og ( a )
k
k =1
und der Stetigkeit von log folgt
damit, dass ein Grenzwert ≠ 0 genau dann angenommen wird, wenn die Reihe
∞
∑ L og ( a )
k =1
k
konvergiert.
Wir haben also das Problem der Konvergenz eines unendlichen Produkts auf das Konvergenzproblem der
Reihe
∞
∑ L og ( a )
k =1
k
zurückgeführt, genaueres über die Konvergenz dieser Reihe werden wir weiter unten
erfahren.
Aus Satz 2.1 und der notwendigen Bedingung bei konvergenten Reihen (die Folge muss gegen 0
konvergieren!) folgt direkt eine notwendige Bedingung für konvergente Produkte
Satz 2.2: (notwendiges Kriterium)
Es sei ak ≠ 0 für alle k ∈
. Falls das unendliche Produkt
∞
∏a
k =1
notwendigerweise lim ak = 1.
k →∞
k
konvergiert, so gilt
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Beweis:
⎛
⎞
ak ⎟ =
∏
⎝ k =1 ⎠
Aufgrund von Satz 2.1 und der Identität log ⎜
∞
∞
∑ L og ( a ) , muss im Falle der Konvergenz
k =1
k
lim log(ak) = 0 gelten und da log(1) = 0 gilt folgt lim ak = 1. Ein zweiter möglicher Beweis derselben
k →∞
k →∞
Tatsache wäre Folgender:
Ohne Einschränkung sind alle ak ungleich Null, da es ohnehin nur endlich viele Ausnahmen geben darf und
die bei der Grenzwertbetrachtung unwichtig sind. Dann existiert der Grenzwert a:= lim
n→∞
n
∏a
k =1
k
≠ 0.
Nun wird an als Quotient der Partialprodukte dargestellt
n
an =
n
∏a
k
k =1
n−1
k =1
n→∞ n−1
und lim
∏a
k
k =1
∏a
k
∏a
k =1
= a/a = 1.
k
Im Prinzip wollen wir also die Identität
⎛
∞
∏a
k =1
= exp ⎜
k
⎞
∑ L og ( a ) ⎟
∞
k
⎝ k =1
⎠
nutzen. Dabei müssen wir jedoch insbesondere im Komplexen Vorsicht walten lassen, denn der
Logarithmus ist für die Zahl Null nicht definiert, deshalb auch die Einschränkung in den Sätzen 2.1 und
2.2.
Ferner ist der komplexe Logarithmus nur unter gewissen Umständen die Umkehrfunktion der
Exponentialfunktion (Einschränkung des Definitionsbereiches auf die geschlitzte Ebene − , Hauptzweig
des Logarithmus). Man muss also darauf achten, welche Logarithmusfunktion verwendet wird. Wir
werden, wie bereits im Satz 2.1 verlangt, den Hauptwert des Logarithmus verwenden.
Auch das die Folge (ak) gegen 1 konvergiert ist verständlich, da 1 das neutrale Element der Multiplikation
ist, genau wie die 0 das neutrale Element der Addition ist. Dadurch wird so zusagen die Multiplikation „im
Unendlichen“ neutralisiert – dies ist natürlich nur eine heuristische Betrachtungsweise.
Im Falle der Konvergenz muss also gemäß Satz 2.2 die Folge (ak) gegen 1 streben, und da wir die
Untersuchung der Konvergenz auf die der entsprechenden Reihen zurückleiten werden, ist es sinnvoller
die Folge (ak) etwas umzuschreiben:
ak := (1 + hk)
, wobei (hk) eine Nullfolge ist.
Es existiert deshalb eine natürliche Zahl N mit der Eigenschaft
|hk| < 1
für k>N.
Unter der Bedingung |hk| < 1 für k>N ist also sichergestellt, dass |ak| = (1 + |hk|) ungleich 0 ist. Wir
versuchen es also nochmals:
∞
∏a
k =1
k
=
N
∏a
k =1
k
⎛
⎞
L og (1 + hk ) ⎟
⎝ k =N+1
⎠
exp ⎜
∞
∑
Die Reihe von Log(1+z) = -
∞
∑ ( −1)
n=1
n
z
n
n
konvergiert innerhalb der benötigten Kreisscheibe |z|< 1, denn der
Konvergenzradius ist 1 (Wurzel- oder Quotientenkriterium).
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Lemma 2.3: (Abschätzung der Logarithmus-Funktion)
Es sei Log der Hauptzweig des komplexen Logarithmus. Für hinreichend kleines |z| (bspw. |z|<½) gilt die
Abschätzung
½|z| < |Log(z)|< 3/2|z|.
Beweis:
Zum Beweis betrachten wir die Log-Reihenentwicklung
∞
∑ ( −1)
n+1
z
n
n
n=1
z2
2
=z-
+
z3
3
-
z4
4
±…
Die Folge (hk) (vgl. oben) muss im Falle der Konvergenz gegen 0 streben, deshalb gilt
Log(1 + hn )
h
h2 h3
= 1 - n + n - n ± … = 1+r.
2
3
4
hn
(1)
Für hn < ½ (dies gilt ab einem gewissen N) gilt dann
≤
|r|
≤
=
=
hn
2
hn
2
hn
2
+
hn2
3
+
hn3
4
+…
| Betrag
| 2 < 3, 4, … ⇒
(1+hn+(hn)2 + …)
∞
∑h
k
n
k =0
hn 1
2 1−hn
1
2
1
3
< ,
1
2
<
1
4
,…
| geometrische Reihe
=
hn
2(1−hn )
<½,
und daraus folgt [
Log(1 + hn )
hn
= 1+r], dass
Log(1 + hn )
hn
< 3/2 .
Wegen (1) und da (hn) eine Nullfolge ist hat der folgende Term den Grenzwert
lim
n→∞
Log (1 + hn )
hn
=1-
hn
2
+
also haben wir für genügend großes n [
lim
n→∞
Log (1 + hn )
hn
hn2
3
-
hn3
4
± … = 1,
Log(1 + hn )
hn
-1 = r]
≥ ½.
Zusammen folgt die Behauptung für fast alle natürlichen Zahlen n.
Ein zweiter Beweis des Lemmas ist etwas kürzer. Anstatt lim hn = 0 schreiben wir für die Nullfolge (hn) ab
n→∞
jetzt lim h was offensichtlich gleichbedeutend ist. Zunächst bestimmt man den Grenzwert von
h→ 0
Log(1 + h)
Log(1 + h)
1
lim
mit Hilfe von L’Hospital lim
= lim
= 1. Wenn also h nur hinreichend klein
h→0
h→0
h→0 1 + h
h
h
gewählt wird, dann kommt (Log(1+h)/h) der Zahl 1 beliebig nahe. Insbesondere können wir h so klein
wählen, dass gilt
⇒
⇒
⇒
⇒
|1- Log(1+h)/h| < ½
|h- Log(1+h)| < ½|h|
|h|-|Log(1+h)| < |h- Log(1+h)| < ½|h|
-|Log(1+h)| < -½|h|
|Log(1+h)| < ½|h|
Wir können jedoch auch die Dreiecksungleichung ausgehend von | Log(1+h)/h -1| anwenden. Dann gilt:
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|Log(1+h)/h - 1| < ½
|Log(1+h) - h| < ½|h|
|Log(1+h)|-|h| < |Log(1+h) -h| < ½|h|
|Log(1+h)| < 3/2|h|
⇒
⇒
⇒
Der Beweis des folgenden wichtigen Satzes ist dann aufgrund des eben bewiesenen Lemmas kein Problem
mehr.
Satz 2.4: (Konvergenz-Kriterium für unendliche Produkte)
Ein unendliches Produkt
P=
∞
∏ ak =
k =1
⇔
Die Kernreihe S =
∞
∑h
n=1
∞
∏ (1 + h )
k
k =1
mit positiven Kernen hn konvergiert absolut.
konvergiert absolut.
n
Beweis:
Für hinreichend kleines z (etwas |u|< ½) gilt die Abschätzung
½|u| ≤ |Log(1+u)| ≤ 2/3|u|
wie im Lemma 2.3 gezeigt.
„ ⇒ “:
Ist das unendliche Produkt absolut konvergent, so bilden die uv eine Nullfolge und es gibt ein v0, so dass
|uv|< ε für alle v ≥ v0 ist. Wir können also uv beliebig „klein drücken“, dann gilt nach der obigen
Ungleichung ½|u| ≤ |Log(1+u)|. Können wir nachweisen, dass die Reihe
∞
∑ L og (1 + h )
k
k =1
können wir diese als Majorante für die Konvergenz von
∞
∑ (h )
k =1
k
konvergiert, so
verwenden. Nach Voraussetzung
konvergiert das Produkt und mit Satz 2.1 konvergiert das Produkt genau dann, wenn die Reihe
∞
∑ L og (1 + h )
k
k =1
konvergiert.
„ ⇐ “:
Es sei nun
∞
∑ (h )
k =1
k
absolut konvergent und wir müssen nachweisen, dass dann auch das Produkt absolut
konvergiert. Da die Reihe konvergiert, muss (uv) notwendig eine Nullfolge sein. Mit Satz 2.1 reicht es
wieder zu zeigen, dass
∞
∑ L og (1 + h )
k =1
k
absolut konvergiert.
Wir nutzen die Ungleichung |Log(1+u)| ≤ 2/3|u|, und da nach Voraussetzung
∞
∑ (h )
k =1
haben wir bereits eine konvergente Majorante für
∞
∑ L og (1 + h )
k =1
k
k
absolut konvergiert
gefunden. Mit dem Majorantenkriterium
folgt die Behauptung.
Würde man im Satz 2.4 nicht die absolute Konvergenz der Reihe
∞
∑ (h )
k =1
k
fordern, so würde lediglich die
Rückrichtung stimmen. Ein abschließendes kurzes Beispiel rundet den Inhalt des Dokuments ab.
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Beispiel:
Nach dem eben aufgestellten Kriterium konvergiert P1 =
∞
⎛
n=1
P2 =
∞
1⎞
⎛
1⎞
, dagegen divergiert die Reihe
2 ⎟
⎠
∏ ⎜⎝1 + n
∏ ⎜⎝1 + n ⎟⎠ , da die harmonische Reihe divergiert. Das P
2
in der Tat divergiert kann man auch durch
n=1
kürzen innerhalb des Partial-Produkts nachweisen:
n
⎛
1⎞
∏ ⎜⎝1 + k ⎟⎠
k =1
= 2⋅
3
2
⋅
4
3
⋅
5
4
⋅…
n +1
n
= n+1.
Weitere unendliche Produkte finden Sie auf folgender Seite:
http://de.wikibooks.org/wiki/Formelsammlung_Mathematik:_Unendliche_Produkte
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