156 2 Knochen- und Weichteilentzündungen 2.1.4 Osteomyelitiden ± spezielle Erreger Tuberkulose Die Tuberkulose ist eine Infektion, die durch Mycobacterium tuberculosis, selten Mycobacterium bovis, ausgelöst wird. Ca. 1±2% aller Tuberkulosepatienten entwickeln hämatogen eine osteoartikuläre Manifestation. Eine Primärinfektion in andere Organe geht praktisch immer voraus. Am häufigsten (> 50%) ist die Wirbelsäule betroffen. Auch ein primärer oder sekundärer Gelenkbefall (Abschnitt 9.4.10) ist wesentlich häufiger als eine alleinige Osteomyelitis. Die weltweit zunehmende Prävalenz der Tuberkulose betrifft vor allem immuninkompetente und immunsupprimierte Patienten (HIV, Alkoholkranke, Malignome, Chemotherapie). Bei der exsudativ-käsigen Form (im Gegensatz zur PATHO produktiven Tuberkulose) werden groûe Markanteile nekrotisch, am Rand entwickelt sich ein wenig Granulationsgewebe. Charakteristisch ist der schleichende Verlauf der Er- KLINIK krankung. Der Allgemeinzustand ist reduziert, es kommt zu Gewichtsverlust und subfebrilen Temperaturen. Es treten lokale Schmerzen und Schwellung, jedoch keine Hautrötung, auf. Die Entzündungsparameter sind erhöht. · Charakteristisch sind reaktionslose Osteolysen (Abb. 2.21 u. 2.23). Nur in seltenen Fällen (vor allem an der Wirbelsäule) und bei Erwachsenen dominiert die Sklerose. · Die Periostreaktion hat ein individuell sehr unterschiedliches Ausmaû. · Bei Kindern sind ¹gestanzteª, lochartige Destruktionsmuster möglich (Abb. 2.21). · Die sog. Daktylitis bei Säuglingen und Kleinkindern an den Phalangen von Hand und Fuû ist heute eine Rarität. Es kommt zu einer Periostreaktion und diffusen Auftreibung der Phalanx (¹Spina ventosaª, Abb. 2.22). · Ein permeatives bzw. mottenfraûartiges Muster mit und ohne Periostreaktion ist selten (Abb. 2.24a ± c). RÖ Die Abgrenzung zu anderen, mehr chronisch verlaufenden Formen der unspezifischen Osteomyelitis ist im Einzelfall schwierig. Bei der Tuberkulose ist das Röntgenbild häufig ¹zystoiderª. Auch die MRT kann nach Einzelbeobachtungen helfen, da die Tuberkulose an den Röhrenknochen eher wie ein solider Tumor aussieht. Eine Biopsie wird in den meisten Fallen nicht zu umgehen sein. DD Bruzellose Die Bruzellose wird über Milchprodukte auf den Menschen übertragen, ist heute in Europa und den USA selten. Die klinisch akute Form führt in 30±40% zu Arthritiden, die in erster Linie als reaktiv anzusehen sind. Das Röntgenbild dient der Ausschluss- und Basisdiagnostik und ist in der Regel negativ. Bei den chronischen Verlaufsformen dominieren bei osteoartikulärer Beteiligung Spondylitis und Spondylodiszitis. Das röntgenologische und MR-tomographische Bild ähnelt der Tuberkulose und erlaubt praktisch nur eine Verdachtsdiagnose. Syphilis Der Erreger der Syphilis, Treponema pallidum, gehört zu den Spirochäten. Die Syphilis ist heute in Europa und den USA selten, wird zudem so früh klinisch und serologisch diagnostiziert, dass es nur noch sehr selten zu Knochenmanifestationen kommt (Abb. 2.25). Dies gilt auch für die konnatale Syphilis. Die osteoartikulären Komplikationen der Tabes dorsalis mit neuropathischer Osteoarthropathie und Insuffizienzfrakturen können im Einzelfall von Bedeutung sein. Lepra Der ossäre und artikuläre Befall durch Mycobakterium leprae ist in Europa und den USA eine Rarität, allerdings nicht in Teilen Asiens und Afrikas. Der Knochenbefall durch den Erreger ± in der Regel per continuitatem ± führt zu ausgeprägten Osteodestruktionen (Abb. 2.26). Typisch für die Lepra ist allerdings die sekundäre, neurogene Osteoarthropathie. Eine in erster Linie wohl reaktive Arthritis der groûen und kleinen Gelenke ist eine häufige Begleiterscheinung der Lepra. Salmonellose Die Salmonellose am Knochen tritt als Bild der subakuten bis chronischen Osteomyelitis bzw. Spondylitis auf. Der Erreger induziert keine spezifischen radiologischen Befunde. Charakteristisch ist allerdings, dass der Erreger sich am Knochen besonders häufig in Knocheninfarkten ansiedelt und dort eine Infektion auslöst. Dies führt bei Patienten mit Sichelzellanämie zum Problem der Abgrenzung von Sichelzellkrise und Superinfektion. Diese gelingt mit bildgebenden Methoden, auch mittels MRT, nicht oder nicht immer mit der nötigen Sicherheit. Bohndorf, Imhof, Fischer, Radiologische Diagnostik der Knochen und Gelenke (ISBN 3131109823), 2006 Georg Thieme Verlag KG 2.1 Osteomyelitis Abb. 2.21 Knochentuberkulose am Schädel bei 13-jährigem Jungen. Wie ¹ausgestanztª wirkende, osteolytische Herde. Abb. 2.22 ¹Spina ventosaª: Tuberkulose einer proximalen Phalanx am Fuû. Gleiches Kind wie in Abb. 2.21. Abb. 2.23 Knochentuberkulose im Femur mit Osteolysen und relativ gering ausgeprägter Sklerose. Abb. 2.24 Tuberkulose im Radius mit mottenfraûartiger Destruktion (a). Die MRT ohne Kontrastmittel [T1 SE] (b) und nach Kontrastmittelgabe (c) zeigt nur im Randbereich eine Anreicherung. Dies dürfte Ausdruck einer weitgehenden Verkäsung des Zentrums sein. Abb. 2.25 Lues des Schädeldachs. Bohndorf, Imhof, Fischer, Radiologische Diagnostik der Knochen und Gelenke (ISBN 3131109823), 2006 Georg Thieme Verlag KG Abb. 2.26 Lepra mit fast reaktionslosem Zehenverlust (Aufnahme von R. Kilcoyne, Denver). 157