top Familie Lust auf Gesundes kann man trainieren! Viele Kinder fahren nur noch auf Cornflakes, Chips und Schokoriegel ab. Doch der Geschmack für gesunde Mahlzeiten lässt sich beim Nachwuchs gezielt trainieren. N utella auf dem Frühstückstisch, Schoko-Riegel statt Pausenbrot und die Ketschup-Flasche neben dem Mittagsteller. So sehen heute die Geschmacksvorlieben vieler Kinder und Jugendlicher aus. Kartoffeln und Gemüse werden beiseite geschoben, stattdessen landen Fertigbaguette oder TK-Pizza auf dem Mittagstisch. Woran liegt es, dass der Nachwuchs vielerorts geregelte Mahlzeiten verschmäht und sich stattdessen am liebsten durchs Leben snackt? Kinder können kaum noch schmecken Der Geschmack für eine gesunde Mischkost lässt sich trainieren. 142 top agrar 5/2000 Verschiedene Beobachtungen weisen darauf hin, dass sich das Geschmacksempfinden der Kinder und Jugendlichen in den letzten Jahren verändert hat. Das bestätigt auch unsere Studie bei einem „Geschmacksunterricht“ an elf Schulen in fünf Bundesländern. Was Kindern schmeckt, hängt davon ab, was zu Hause auf den Tisch kommt. Fotos: ufh (3), CMA (1), Werkbilder (3) Die 10- bis 14-jährigen sollten dabei verschiedene Lebensmittel geschmacklich beschreiben. Den vorherrschend „süßen“ Geschmack von Zucker und Vollmilchschokolade konnten alle Kinder eindeutig benennen. Schwierigkeiten hatten die Schüler allerdings mit der Differenzierung verschiedener Geschmacksnuancen, z. B. bei Käse und Vollkornbrot. Besonders unsicher waren die 9- bis 12-jährigen bei der Einordnung frischer Lebensmittel wie Obst und Salate. Viele Schüler konnten z. B. auch nicht zwischen sauer und salzig unterscheiden. Offenbar können viele Kinder heute geschmacklich nur noch schwer differenzieren. Verantwortlich hierfür – darin sind sich Ernährungsexperten einig – dürfte der allgemeine Ernährungstrend zu Fast Food und Fertigküche sein. Viele Kinder werden von klein auf mit „übersüßen“, „überwürzten“ und aromatisierten (Fertig-)Lebensmitteln versorgt. Das Geschmacksempfinden der Kleinen für die natürlichen Lebensmittel geht dabei verloren. Auf Süß getrimmt Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen: Kinder haben eine natürliche Vorliebe für „süß“, möglicherweise aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem süßen So bringen Sie den Nachwuchs auf den richtigen Geschmack ● Selber kochen lohnt sich bei Babys erster Beikost. Viele Fertigbreis sind gewürzt oder aromatisiert, um den Geschmacksvorlieben Erwachsener zu entsprechen (schauen Sie aufs Etikett!). Das aber ist falsch und unsinnig für das feine Geschmacksempfinden der Kleinsten. Frische Zutaten „naturell“ gekocht bringen die Kleinen auf den richtigen Geschmack. ● Auf Salz und Gewürze sollten Sie im ersten Lebensjahr verzichten. Gleiches gilt für „übermäßiges“ Süßen. Orientieren Sie sich nicht an Ihrem eigenen Geschmack. Kinder haben sehr viel sensiblere Geschmacksnerven. Außerdem werden die Kleinen dadurch schon früh auf eine hohe Würzschwelle trainiert. ● Regelmäßige Mahlzeiten sind wichtig. Sie gliedern besonders für kleinere Kinder den Tag. Gegessen und getrunken wird grundsätzlich am Tisch und nicht im Laufen oder beim Spielen. Kinder lernen dadurch nicht „nebenbei“, sondern bewusst zu essen und außerdem ein Stück Esskultur. ● Am Familientisch sollte es entspannt zugehen. Stress beim Essen schlägt auf den Magen. Außerdem geht es bei den gemeinsamen Mahlzeiten um mehr: Sie sind gerade in unserer hektischen Zeit wichtig, um in der Familie Nähe und Gemeinsamkeit zu erleben. Schulprobleme und Alltagsärger gehören deshalb nicht an den Mittagstisch, sondern werden später geklärt. ● Kinder nie zum Essen zwingen. Essen darf nicht zum Zankapfel in der Familie werden. Eltern, die ihr Bemühen um eine gesunde Kost verbissen verfolgen, erreichen nur dies: gegenteilige Gelüste und einen Machtkampf mit ihren Kindern. ● Essen muss Spaß machen! Und das fängt bei Kindern oft schon bei der Vorbereitung an. Lassen Sie Ihren Nachwuchs mit in die Küche und an den Zur Autorin Selber kochen lohnt sich auch bei Babys erster Beikost! Herd! Auch wenn dabei Spritzer an den Küchenmöbeln landen und anschließend Käse auf dem Fußboden klebt. ● Süßes nie als Trostpflaster verwenden! Wer Essen als Trostpflaster einsetzt, macht sein Kind möglicherweise zum „Frustesser“. Wenn bei Kummer und Aufregung der Appetit versagt, ist dies völlig normal. Bei 30 Prozent der Erwachsenen funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr. Ihnen vergeht bei Stress nicht der Appetit, sondern sie langen mehr zu als gut ist. ● Zuhause für „Feinschmecker“ kochen. Wer regelmäßig mit frischen Zutaten kocht, Gewürze sparsam verwendet und Fertigwürze eher meidet, fördert den „guten Geschmack“ in der Familie. Beste Voraussetzungen dafür, dass die Lieben auf gesunde Kost stehen! ● Das eigene Vorbild – wichtiger als gute Worte …. Professor Dr. Angelika MeierPloeger ist Ernährungswissenschaftlerin an der Fachhochschule Fulda. Besonderes Augenmerk schenkt Sie dem Ess- und Geschmacksverhalten Kinder und Jugendlicher und hat daraus zwei Handbücher zum Thema „Schmecken lernen“ erarbeitet (vgl. Kasten Seite 144). Fruchtwasser im Mutterleib. Wie „süß“ Kinder es später lieben, hängt jedoch allein von ihren Erfahrungen ab. Werden die Kleinen z. B. ständig mit (stark) gesüßten Getränken und Speisen versorgt, wird diese „übermäßige“ Süße zum Maßstab eines „guten Geschmacks“. Wer schon einmal die bekannten „Fruchtzwerge“ probiert hat, weiß, was gemeint ist. Nicht viel anders ist das mit dem eintönigen Geschmack vorgefertigter Lebensmittel. Kinder, die vom Fertigbrei zur Fertigküche gelangen, können einer knackigen Rohkost oder dem mild abgeschmeckten Gemüsegratin geschmacklich oft nichts mehr abgewinnen. Wie wichtig das Thema gesunde Ernährung bei Kindern und Jugendlichen heute ist, verdeutlichen Studien zum Gesundheitszustand unserer Schulkinder. Bereits 11 Prozent der 12- bis 13-jährigen Schüler haben heute ernährungsbedingt Bluthochdruck und überhöhte Cholesterinwerte. Bei den 15- bis 16-jährigen sind es sogar 38 Prozent der Jungen und 47 Prozent der Mädchen. Bedenklich stimmt auch, dass viele Eltern sich offenbar in puncto Ernährung aus der Verantwortung ziehen, wie unsere Befragung von 560 Schülern zum Schulfrühstück ergab. Jeder dritte Schüler zwischen 10 und 14 Jahren bekommt statt eines Pausenbrotes 1 oder 2 Mark in die Hand gedrückt, um sich selbst am Kiosk zu versorgen. Nicht wenigen Pennälern stehen sogar 3 bis 5 Mark für die tägliche top agrar 5/2000 143 top Familie Schulverpflegung zur Verfügung, haben unsere Befragungen ergeben. Hinzu kommen peppige Werbespots, die Kinder vor allem im Fernsehen ansprechen. Bereits 3- bis 4-jährige können heute Markenlogos von Coca-Cola, McDonalds oder Milka erkennen und diese Logos auch den Nahrungsmitteln zuordnen. Kinder sind ein ernst genommener Wirtschaftsfaktor. In Marketingkreisen werden sie denn auch offen als „Kaufmotoren der Familie“ bezeichnet. Sie bestimmen nicht nur, was im Elternhaus auf den Tisch kommt; sie sind darüber hinaus auch Trendsetter im Freundeskreis. Wie aber macht man Kindern zwischen Milchschnitte, Lunchables Packs und Co. heute eine gesunde Ernährung schmackhaft? Kartoffelbrei im Schmecktest: Kinder erkunden mit allen Sinnen. Lassen Sie die Kleinen auf Schmeck-Entdeckung gehen! Aktions-Ideen für Hoftage: Fühlen wie’s schmeckt G esunde Ernährung ist reine Geschmackssache! Das Handbuch „Fühlen wie’s schmeckt“ liefert tolle Ideen, wie man mit Kindern äußerst unterhaltsam auf Geschmackssuche gehen kann. In mehr als 20 Spielen – von der „Gerüche-Küche“ bis zum „PuddingTest“ können sich die Kleinen als echte Geschmacksdetektive betätigen und erfahren dabei, was es mit dem Schmecken auf sich hat: Warum schmeckt zum Beispiel roter Apfelsaft anders als grüner? Oder was hat Riechen mit dem Schmecken zu tun? Die Arbeitsmappe, die sich eigentlich an Erzieherinnen von Kindergärten wendet, ist eine Fundgrube für Direkt- vermarkter und alle, die Aktionen mit Kindern, z. B. bei einem Hoftag oder bei einer Imagekampagne für die Landwirtschaft planen. Bei den Aktionen „Rund ums Essen und Trinken“ kann die Rolle der Landwirtschaft als Produzent gesunder und schmackhafter Lebensmittel verdeutlicht werden. Praktisches Hintergrundwissen, zahlreiche Kopiervorlagen und wichtige Adressen runden das gut gestaltete Handbuch ab. Das 130 Seiten umfassende Ringbuch mit zahlreichen Abbildungen „Fühlen wie’s schmeckt“ (Sinnesschulung für Kinder von 3 bis 6 Jahren) gibt’s für 39,90 DM plus Versandkosten bei Food-Media, Frank Wörner, Im Sandfeld 9, 36093 Künzell, Telefon: (06 61) 9 62 55 75, Fax: (06 61) 9 62 55 76, E-Mail: [email protected] Was hat Riechen mit Schmecken zu tun? Süß-sauer oder doch ein wenig bitter? Geschmacksdedektive im Einsatz: Wo schmeckt man eigentlich? Eine weitere Arbeitsmappe „Fühlen wie’s schmeckt“ zum gleichen Preis wendet sich an Kinder zwischen 6 und 12 Jahren in weiterführenden Schulen. 144 top agrar 5/2000 Den „guten Geschmack“ trainieren Appelle und gute Worte gehen ganz sicher ins Leere! Trotzdem haben Eltern bei der Ernährungserziehung viel in der Hand. Kinder essen das, was ihnen schmeckt. Und ihr Geschmacksempfinden wird ganz entscheidend am Familientisch geprägt (lesen Sie dazu den Kasten auf Seite 143). Unser Essverhalten, so zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, hängt in erster Linie davon ab, was in frühster Jugend auf den Tisch kommt. Konkret: Obst, frisches Gemüse und Vollkornbrot schmecken dem Nachwuchs nur dann, wenn diese Lebensmittel auch regelmäßig von klein auf an auf dem Tisch stehen. Wobei Eltern und Geschwister natürlich ebenso zugreifen müssen! Kinder, die dagegen nur Toastbrot und TK-Pizza kennen, werden sich auch später nicht für eine knackige Rohkost oder ein kräftiges Vollkornbrot erwärmen können. Wer seinem Nachwuchs ein gesundes Essverhalten vermitteln möchte, muss dessen Geschmack für eine abwechslungsreiche Mischkost trainieren. Und dieses Geschmackstraining beginnt bereits mit der ersten Beikost. Nicht an einem aromatisierten Fertigbrei, sondern an den natürlichen Lebensmitteln sollten die Kleinsten ihren sensiblen Geschmack schulen. Essen soll Spaß machen, und der Geschmack muss überzeugen, so lautet die wichtigste Ernährungsregel. Wo Kinder die Vielfalt der Lebensmittel selbst entdecken und schmecken dürfen, können Eltern sicher sein, dass der Nachwuchs trotz Fast Food, Cola und Schokoriegeln eine gesunde Auswahl treffen wird. -ufh-