Funktionelle Anatomie des Gehörs

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Unterrichtsscript Audiologie und Pädaudiologie
Einige Grundbegriffe der Akustik
Schall = Luftschwingungen, von Schallquellen durch Bewegung erzeugt
Bei Ausbreitung über Luft: Schnelle Änderungen des Luftdrucks, die zu
Schwingungen des Trommelfells führen. Wellenförmige Ausbreitung.
Schall kann sich auch in Flüssigkeiten und in Festkörpern ausbreiten.
Vier Arten von Schallereignissen: Ton, Klang, Geräusch, Knall
Ton: Einfachstes Schallereignis, reine Sinusschwingung
Mathematische Beschreibung von Sinusschwingungen:
 Frequenz f = Anzahl der Schwingungen pro Sekunde [Hertz (Hz)]
o Je niedriger die Frequenz, desto tiefer der Ton
 Wellenlänge λ = Abstand zweier Punkte, die identisch schwingen
[gemessen in Meter (m )].
o Je länger die Wellenlänge, desto tiefer die Frequenz
 Ausbreitungsgeschwindigkeit c abhängig vom Medium, in dem
sich die Welle ausbreitet
o Schallgeschwindigkeit in Luft 330 m/s, in Flüssigkeiten und festen
Körpern 3-5 mal größer
 Schalldruck p [gemessen in Pascal (Pa) oder bar] entspricht der
Amplitude und ist verantwortlich für die Lautstärke. 1 Pa ist gleich
0,01mbar
Klang
=
Überlagerung
der
Grundschwingung
Sinusschwingungen, deren Frequenzen ganzzahlige
Grundfrequenz sind (Obertöne)
mit
weiteren
Vielfache der
Geräusch = Gemisch zahlreicher Töne mit rasch wechselnden Frequenzen
und rasch wechselnden Stärken. Die meisten alltäglichen Schallereignisse
sind Geräusche (Sprache, Rascheln, Kratzen …)
Knall = sehr kurzes, schlagartig einsetzendes Schallereignis mit großer
Amplitude (Militär, Feuerwerk)
Das menschliche Hörvermögen
Schall wird vom Menschen wahrgenommen von 16 Hz bis 20000 Hz. Sehr
hohe und tiefe Töne werden erst bei höheren Schalldruckpegeln gehört als
Töne im mittleren Bereich von 1000 bis 4000 Hz.
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 Das gesunde Gehör kann Schalldruckamplituden von 0,00002 Pa bis
100 Pa als Höreindruck empfinden. Wollte man diese Unterschiede auf
einer analogen Skala zu Papier bringen wollen, wäre ein Audiometerformular von
hier bis Dülmen notwendig. Daher werden Schalldruck- und
Frequenzskala logarithmisch (mathematisch komprimiert) dargestellt.
Die Schallamplitude ist in Dezibel (dB) angegeben. Die Dezibelskala ist
eine Verhältnisskala, der Bezugspunkt ist auf den Anwendungsbereich
angepasst:
Logarithmischer Schalldruckpegel L (dB) = 20 * log (p/p0)
Erhöhung des Schalldrucks um Zehnfaches bedeutet Anstieg um 10 dB
Verschiedene logarithmische Skalen
dB (SPL)= sound pressure level: physikalisch- technische Skala,
p0 =20 μPa (2*10-5)
dB (HL) = Hearing Level = Hörschwelle. 0 dB(HL) entsprechen der
mittleren Hörschwelle junger Hörgesunder in allen Frequenzen.
Relativskala zur übersichtlichen Darstellung: berücksichtigt, dass höhere
und tiefere Frequenzen erst bei höheren absoluten Schalldrücken gehört
werden als mittlere Frequenzen
Audiometrische Schwellen- Definitionen
Hörschwelle: minimale hörbarer Schalldruckpegel
Schmerzsschwelle: bei sehr hohen Druckamplituden (130 bis 140 dB)
Unbehaglichkeitsschwelle: 90 dB. Wird sie längerfristig überschritten,
können Hörschäden auftreten.
Hörfeld: zwischen Hör- und Unbehaglichkeitsschwelle. Innerhalb des
Hörfeldes liegt der Hauptsprachbereich.
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Hören: Anatomische und physiologische Grundbegriffe
Äußeres Ohr:
Aufgaben:
Richtungshören (Ohrmuschel)
frequenzabhängige Schallverstärkung durch Resonanz (Gehörgang),
vor allem die mittleren Frequenzen werden verstärkt
(mechanischer) Schutz des Mittel- und Innenohres
Mittelohr:
Aufgaben:
20-fache
Schallverstärkung
(Trommelfell
Steigbügelfußplatte),
Vorbereitung für Schallübertragung durch Flüssigkeit im Innenohr, dies benötigt
mehr Schallenergie
Druckausgleich (Ohrtrompete): Anpassung an Umgebungsluftdruck
Paukenhöhle:
Trommelfell:
Hohlraum, der Gehörknöchelchen beinhaltet
zarte Membran. Pars tensa, Pars flaccida
4 Quadranten, Umbo = Zentrum
Gehörknöchelchenkette
Hammer: Umbo- Hammergriff– HammerkopfAmboss: Ambosskörper- langer AmbossschenkelSteigbügel: Steigbügelköpfchen- 2 Schenkel- Steigbügelfußplatte
Ohrtrompete
Verbindung vom Boden des Mittelohrs zum Nasenrachenraum
Teils knöchern, teils knorpelig
Öffnung beim Schlucken / Gähnen => Druckausgleich zwischen
Luft im Mittelohr und äußerer Atmosphäre
Trommelfell arbeitet optimal, wenn Druck im Mittelohr =
atmosphärischer Druck: Trommelfell schwingt ungehindert
Gesichtsnerv (N. facialis) läuft durch das Mittelohr
Versorgt mimische Muskulatur
Geschmacksfasern (Chorda tympani), sekretorische Fasern
Muskeln:
M. stapedius inseriert am Stapesköpfchen (N. facialis)
M. tensor tympani inseriert am Hammerhals (N. trigeminus)
beeinflussen
Schallübertragung:
Kontraktion
bei
hohem
Schalldruck versteift Gehörknöchelchenkette und schützt Innenohr
vor zu hohen Schalldrücken
Kontraktion des M. stapedius kann gemessen werden
(Stapediusreflexschwellenmessung): objektive Hörprüfung
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Innenohr (Labyrinth):
= flüssigkeitsgefülltes Gangsystem (Endolymphe) mit Sinneszellen für
Hör- und Gleichgewichtsempfindung, gelagert in Perilymphe
Vorhof + Bogengänge
peripheres Gleichgewichtsorgan
Sinneszellen für Linearbeschleunigung im Vorhof (Sacculus u.
Utriculus)
Sinneszellen für Drehbeschleunigungen (vorderer, hinterer,
lateraler Bogengang)
Schnecke (Kochlea):
2 ½ Windungen, dreigeteiltes Gangsystem:
Scala vestibuli (Perilymphe), Reissner- Membran
Scala media =Ductus cochlearis (Endolymphe), Basilarmembran
Scala tympani (Perilymphe)
Corti- Organ (eigentliches Hörorgan)
in der Scala media (Ductus cochlearis):
Membrana tectoria, äußere (12000) und innere (3000) Haarzellen
Wanderwellentheorie: frequenzabhängiges Schwingungsmaximum
der Basilarmenbran
Schwingung wird auf Haarzellen übertragen, durch das Abknicken
der Sinneshärchen wird dort ein elektrischer Impuls ausgelöst
Haarzellen von Schneckenbasis bis zur Spitze frequenzspezifisch
angeordnet (=Tonotopie)
die Haarzellen für die Entschlüsselung der hohen Frequenzen
sitzen an der Basis der Schnecke, für tiefe Frequenzen an deren
Spitze (Modiolus)
äußere Haarzellen haben Verstärker- und Modulatorfunktion:
 Verstärken geringer Schalldrücke (bis 40 dB): Schwingung
der Basilarmembran wird durch Eigenbewegung der äußeren
Haarzellen verstärkt
 geringere Lautstärken werden nicht gehört, wenn äußere
Haarzellen ausfallen
 Dämpfen hoher Schalldrücke
 Verschaltung
mit
Gegenohr:
auditive
Selektion
(Störgeräuschunterdrückung)
innere Haarzellen: Frequenzanalyse
 werden durch die Bewegung der äußeren Haarzellen bzw.
erst ab 40 dB direkt stimuliert
 Aktivierung der inneren Haarzellen => Aktionspotential
(elektrisches Signal) zur Weiterleitung an den Hörnerv
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Pathophysiologie der Hörstörungen
Häufigkeit: 5-10 frühkindliche Hörstörungen / 1000 Einwohner
1-2 angeborene Hörstörungen > 40dB /1000 Einwohner
Schallleitungsstörung:
äußeres Ohr oder Mittelohr betroffen
Hörverlust für alle Frequenzen etwa gleich groß
Intensität vermindert, Qualität d. Hörens bleibt gleich („ nur leiser“)
Durch Hilfsmittel nahezu vollständig kompensierbar
Schallempfindungsstörung:
Innenohr (>90%)=Defekt des Sinnesorgans; Hörnerv oder Hörbahn
unterschiedliche Beeinträchtigung in verschiedenen (oft hohe)
Frequenzen, vollständiger Ausfall einzelner Bereiche möglich
Veränderungen des kochleären Verstärkers: Verzerrungen,
Entstellungen, Unbehaglichkeiten, eingeschränkte Dynamikbreite
Qualitative Änderung: Sprache wird gehört, z. T. nicht verstanden
Äußeres Ohr
Gehörgangsentzündung
Cerumen obturans
Gehörgangsstenose oder -atresie
Mittelohr
Häufige Ursache für (früh)kindliche Schwerhörigkeit, oft geringgradig
Tubenkatarrh:
gestörter Druckausgleich, Unterdruck im Mittelohr, Trommelfell retrahiert
(=eingezogen), verschlechterte Schallweitergabe
Paukenerguss(Sero-Mucotympanon):
Flüssigkeit im Mittelohr behindert Trommelfellschwingungen
Akute Mittelohrentündung (Otitis media acuta):
Trommelfell entzündlich verdickt, entzündliches Sekret, ggf. Perforation
Chronische Mittelohrentzündung:
Trommelfellperforation, entzündliches Sekret, Umbauprozesse
Verkalkung der Gehörknöchelchenkette (Tympanosklerose)
mit
Cholesteatom (Sonderform d. chronischen Mittelohrentzündung)
Plattenepithel meist aus Gehörgang (z. B. bei Trommelfellperforation) ins
Mittelohr=> chronische Knocheneiterung=> Defekt d. Gehörknöchelchen
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Otosklerose
Stoffwechselstörung => Umbauprozesse, Steigbügelfußplatte verkalkt
am ovalen Fenster, Schallleitungsstörung, Innenohrkomponente möglich
Innenohr
Angeborene Schwerhörigkeiten
z. T. im Rahmen von Syndromen (syndromal)
nicht-syndromale Hörstörungen
wenn bei Geburt bestehend (kongenital), oft autosomal rezessiv
autosomal dominante, X-chromosomale, mitochondriale Vererbung
Erworbene Schwerhörigkeiten
Infektionen:
Erreger: Masern, Mumps, Röteln, Herpes, Toxoplasmose, Zytomegalie
Verlaufsformen: Labyrinthitis, Meningitis, Enzephalitis, Sepsis
Toxische Innenohrschwerhörigkeit
Endogen (im Rahmen einer Entzündung)
Exogen (Medikamente (Cisplatin, Aminoglykosid-Antibiotika, Diuretika,
ASS), Schwermetalle, Alkohol, Tabak, Kokain)
Lärmeinwirkung
Akutes akustisches Trauma = Knalltrauma
chronische Lärmschwerhörigkeit
Commotio/Contusio labyrinthi
Direkte oder indirekte Schädigung i. R. eines Schädel-Hirn-Traumas
M. Meniere: (Tiefton)schwerhörigkeit, Tinnitus, Drehschwindel
Metabolisch (Stoffwechselstörung) z. B. bei Diabetes mellitus
unbekannte Ursache:
Presbyakusis (Schwerhörigkeit im Alter)
Idiopathischer Hörsturz
Erkrankungen des Hörnervens
z. B. Akustikusneurinom (gutartiger Tumor im Kleinhirn-Brücken-Winkel)
Symptomatik ähnlich Hörsturz, ggf. + Schwindel, Tinnitus, Fazialisparese
Zentrale Hörstörungen
z. B. Auditive Verarbeitungs- (Hirnstamm) und Wahrnehmungsstörungen
(höhere Zentren)
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Subjektive und objektive Hörprüfungen
Subjektive Hörprüfungen:
Ergebnis abhängig von Mitarbeit des Patienten und Interpretation des
Untersuchers!
Stimmgabelprüfung nach Weber und Rinne
Hörweitenprüfung für Flüstersprache und Umgangssprache
Freifeldaudiometrie
Reflexaudiometrie bei Neugeborenen
Reaktionsaudiometrie 3.-12. Lebensmonat
Spielaudiometrie bis 3. LJ
Tonschwellenaudiometrie:
für Luftleitung und Knochenleitung ab 3. LJ (ggf. als Spielaudiom.)
Sprachaudiometrie:
Mainzer Kindersprachtest I, II, III
Göttinger Kindersprachtest I, II
Freiburger Sprachtest für Erwachsene (Zahlen und Einsilber)
Überschwellige Hörtests
Objektive Hörprüfungen
Ergebnis im Idealfall unabhängig von der Mitarbeit des Patienten und
der Interpretation des Untersuchers
Otoakustische Emissionen
Tympanometrie
Stapediusreflexschwellenmessung
ERA (Electric Response Audiometry)
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Stimmgabel- und Hörweitenprüfung
Stimmgabelprüfung:
Frequenz 440 Hz (a1)
Luftleitung (LL, Schall über „normalen“ Luftweg übertragen)
Knochenleitung (KL, Schall über Schädelknochen zum Innenohr)
LL im Normalfall 25 dB lauter
Rinne- Test
Beide Ohren einzeln geprüft
vor dem Ohr (Luftleitung) und auf Mastoid (Knochenleitung)
Normal: Ton vor Ohr lauter, LL besser als KL (Rinne positiv)
Weber- Test
Vergleich zwischen beiden Ohren
Stimmgabel auf Scheitelmitte
Normalfall: Ton wird in der Kopfmitte empfunden (Weber median)
Rechts
=>
+
Links
Weber<=
Rinne
Rechts
+
Rechts
<=
+
+
Normales Gehör
Weber median, Rinne bds. positiv
Links
Weber=>
Rinne
-
Mittelohrschwerhörigkeit links
Weber nach links, Rinne links negativ
Links
Weber
Rinne
+
Innenohrschwerhörigkeit links
Weber nach rechts, Rinne bds. positiv
Hörweitenprüfung:
Verständnis von Flüster- und Umgangssprache normaler
Lautstärke in Abhängigkeit von der Entfernung
Vertäubung des Gegenohrs, Prüfung mit viersilbigen Zahlworten
(„vier- und acht-zig“, „zwei-und neun-zig“)
Normal: Hörweite für Flüstersprache mindestens 6m
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Tonschwellenaudiometrie
seitengetrennte Ermittlung der frequenzspezifischen Hörschwelle
Messung Luft- und Knochenleitungsschwelle ermöglicht Zuordnung
Schallleitungs-, Schallempfindungs- u. kombinierte Schwerhörigkeit
Die Tonschwelle beschreibt allerdings nicht alle Funktionen des
Gehörs, nicht erfasst werden u. a. überschwelliges Hören,
Sprachverstehen, Sprachverstehen im Störlärm, dichotisches Hören,
Lautheitsausgleich, Unbehaglichkeit, Geräuschempfindlichkeit
Durchführung
Prüfung üblich mit Pulstönen zwischen 250 (125) und 8000 Hz
Ermittlung, wann Ton eben gehört wird (Tonschwelle). Beginn bei –
5 dB HL, der Schalldruckpegel wird in 5 dB-Schritten erhöht, bis Ton
gehört wird. Mehrfache Kontrolle!
Luft- und Knochenleitungsschwelle werden seitengetrennt bestimmt
─ Luftleitungshörer: Kopfhörer mit Flachmuffen auf Ohrmuschel
─ Knochenleitungshörer: elektrischer Vibrator auf Mastoid
Die Luftleitungskurve wird durchgehend, die Knochenleitungskurve
gestrichelt auf dem Audiogramm eingetragen
Die gemessene Hörschwelle wird in dB HL (Hearing loss) abgelesen
die Knochenleitungsmessung ist so normiert, dass sie nicht
schlechter als die LL sein kann
Überhören und Vertäubung
Problem bei der seitengetrennten Audiometrie: Der Schall wird ab einer
bestimmten Lautstärke über den Schädelknochen (Knochenleitung) auf
das andere, nicht untersuchte Ohr übertragen. Dieses Phänomen wird
als „Überhören“ bezeichnet.
 Bei Luftleitungsmessung wird ab 40 bis 50 dB „überhört“
 Bei Knochenleitungsmessung wird ab 0 bis 15 dB „überhört“
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Um Fehlmessungen durch Überhören zu vermeiden, wird das Gegenohr
gezielt ausgeschaltet, d. h. mit Rauschen „vertäubt“.
Zur Vertäubung beim Tonschwellenaudiogramm verwendet man ein
Schmalbandrauschen. Dies enthält nicht alle Frequenzen, aber die
dem Prüfton benachbarten.
Bei Sprachaudiogrammen wird ein Breitbandrauschen (weißes
Rauschen) verwendet, das alle Messfrequenzen beinhaltet.
Beispiele für typische Tonaudiogramme:
Schallleitungsschwerhörigkeit:
Kennzeichen: Knochenleitung (KL) normal (0 bis 15dB), LL schlechter
a) Trommelfelldefekt: normale Knochenleitung (KL), Luftleitungskurve
(LL) pantonal (über alle Messfrequenzen) 25-30dB abgesenkt
b) Paukenerguss: normale KL, LL vor allem in den höheren
Frequenzen bis zu 40 dB abfallend
c) Steigbügelfixation (Otosklerose): normale KL, LL vor allem in den
tiefen Frequenzen abfallend
d) Mittelohrblock (z. B. Unterbrechung der Gehörknochelchenkette:)
pantonale LL-Störung von 40-50 dB (Kleine Senke in der KL-Kurve bei
2000 Hz messtechnisch bedingt)
Schallempfindungsschwerhörigkeit:
Kennzeichen: Luft- und Knochenleitungskurve laufen (nahezu) identisch
a) Hochtonsenke: z. B. beginnende Lärmschwerhörigkeit bei 4000 Hz
b) Hochtonabfall: Schrägabfall von LL und KL bei 1500 Hz beginnend,
z. B. Schwerhörigkeit im Alter oder chron. Lärmschwerhörigkeit
c) Tieftonsenke: Absenkung von LL und KL im Tieftonbereich (unter
1000 Hz), im Hochtonbereich normal, z. B. M. Meniere
Kombinierte Schwerhörigkeit (Beispiel d)
Kennzeichen: Differenz zwischen LL und KL (Schallleitungsanteil),
pathologische KL (Schallempfindungskomponente)
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Freifeldaudiometrie
Bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern ist eine seitengetrennte
Erfassung der Hörschwelle über Tonaudiometrie mit Kopfhörer nicht
möglich. Hörreaktionen werden im Freifeld (akustisch isolierter Raum mit
Lautsprechern im Halb- oder Vollkreis sowie an der Decke) überprüft.
Zur Beschallung eignen sich Wobbeltöne (frequenzmodulierte Töne)
und Terzrauschen (Schmalbandrauschen), Alltagsgeräusche (Hupen,
Hundebellen, Klingel) und Kinderlieder.
Bei Neugeborenen werden das Aufwachen aus dem Schlaf sowie das
Auslösen von Reflexen (Schreckreflex, Lidreflex) untersucht
(Reflexaudiometrie), bei Säuglingen Reaktionen (Hinwenden zur
Schallquelle= Lokalisation). Im Kleinkindalter (bis 3 Jahren) wird mit
Ablenk- und Spielaudiometrie gearbeitet.
Beispiele für altersgerechte Hörreaktionen:
Neugeborenenperiode bis 4 Monate
Normalhörendes Kind erwacht aus dem Schlaf:
bei 90 dB in lauter Umgebung
bei 50-70 dB in ruhiger Umgebung
3-4 Monate
rudimentäre Kopfbewegung bei 50-60 dB Richtung Schallquelle
4-7 Monate
Lokalisation zur Seite bei 40-50 dB
7-9 Monate
Lokalisation zur Seite direkt und indirekt nach unten bei 30-40 dB
9-13 Monate
Lokalisation direkt zur Seite und nach unten bei 25-35 dB
13-16 Monate
Lokalisation direkt zur Seite und nach unten, indirekt nach oben bei 2530 dB
16-21 Monate
Lokalisation direkt zur Seite, nach unten und oben bei 25-30 dB
21-24 Monate
Lokalisation direkt nach allen Seiten bei 25 dB
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Normale freifeldaudiometrische Schwellen und Lebensalter
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Überschwellige Audiometrie
Die Tonschwelle bildet nur einen Aspekt des Hörvermögens ab. Viele
Erkrankungen des Innenohres und des retrokochleären Systems führen
auch zu verändertem überschwelligen Hören. Ziel überschwelliger
Untersuchungen ist u. a., zwischen Innenohr- und retrokochleärem
Schaden zu unterscheiden. Mit Einführung der Hirnstammaudiometrie
haben diese Tests allerdings an Bedeutung verloren.
Recruitment (syn. Lautheitsausgleich):
Charakteristisch für Innenohrschwerhörigkeit:
Ein überschwelliger leiser Testton wird auf dem kranken Ohr als leiser
wahrgenommen als auf dem gesunden Ohr. Bei weiterer Erhöhung der
Lautstärke wird ein Punkt erreicht, an dem der Ton beidseits als gleich
laut empfunden wird (Lautheitsausgleich).
Erklärung: Äußere Haarzellen verstärken geringe Schallintensitäten und
können hohe Schallintensitäten abschwächen
Bei Innenohrschädigung sind zuerst die äußeren Haarzellen
betroffen
 Hörschwelle heraufgesetzt (Verstärkerfunktion für geringe
Schallintensitäten fällt aus)
 Über 60 dB rascher Lautheitszuwachs
 Bei lautem Pegel Lautheitsausgleich
 Unbehaglichkeitsschwelle oft niedriger als bei Gesunden
(Dämpfung
für
hohe
Schallintensitäten
fehlt)=>
Eingeschränkte Dynamikbreite!
Untersuchung des Lautheitsausgleichs
Fowler- Test, SISI- Test, Lüscher-Test, Langenbeck- Geräuschaudiogramm
Hörermüdung und Adaptation:
Hörermüdung: Bei neuraler oder zentraler Schädigung führt anhaltende
akustische Belastung zu einer Verschlechterung der Hörschwelle
Adaptation: Nachlassende Reaktion auf Dauerreiz => Vorgang am
peripheren Rezeptor (Corti-Organ). In bestimmtem Ausmaß
physiologisch
Untersuchung von Hörermüdung und Adaptation
Carhart-Test, Bekesy- Audiometrie
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Sprachaudiometrie
Untersucht Auswirkungen der Hörstörung auf Verstehen von
Sprache (wichtigste soziale Funktion des Hörvermögens!)
=> Auswirkungen der Hörstörung auf das Alltagsleben
„Gegenkontrolle“ des Tonaudiogramms bei Verdacht
auf
Simulation oder Aggravation (=„Verdeutlichung“ einer Hörstörung )
Grundlage der Begutachtung
Hörgerätekontrollen erfolgen anhand der Sprachaudiometrie
Das Sprachverständnis ist abhängig vom frequenzspezifischen
Hörvermögen: Hier sind Stimmgrundfrequenzen für Männer und Frauen,
Formanten (Oberschwingungen) für Vokale und einige Konsonanten
dargestellt. [s] und [t] liegen im Hochfrequenzbereich und werden bei
Hochtonhörverlust oft nicht richtig gehört.
Prinzip der Sprachaudiometrie:
Fest
definierte
Testwörterreihen
werden
vorgespielt
und
nachgesprochen bzw. auf einer Bildtafel gezeigt. Die Lautstärke wird
über das Audiometer geregelt.
Bei Kindern, ausländischen Patienten und Sprachbehinderten ist der
Wortschatz zu berücksichtigen.
Freiburger Sprachverständlichkeitstest (ab 7-8 Jahren)
10 Gruppen mit je 10 mehrsilbigen Zahlen (Zahlentest)
20 Gruppen mit je 20 einsilbigen Worten (Einsilbertest).
Dieser Test soll die Umgangssprache nachbilden:
Das Zahlenverständnis überprüft den Frequenzbereich bis 2000 Hz, der
Einsilbertest die höheren Frequenzen.
Die Ergebnisse werden in ein Formular eingetragen, hieraus sind
wichtige Vergleichsgrößen ablesbar:
der Hörverlust für Zahlwörter bei einer Verständlichkeit von 50%
Anstieg der Verständlichkeit der Einsilber bei Erhöhung des
Schallpegels
Normalhörende verstehen bei 18 dB 50% der Zahlen
Einsilber werden ab 50 dB verstanden, bei 65 dB sollten 100% der
Einsilber verstanden werden
Der Verständlichkeitsgewinn bei zunehmender Lautstärke kann
Hinweise über die Lokalisation der Hörstörung geben
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Werden weniger als 80% der Einsilber bei 65 dB verstanden, ist
die Voraussetzung (Indikation) für eine Hörgeräteverordnung bei
Erwachsenen erfüllt
Freiburger Sprachverständlichkeitstest. Beispiel: Hörverlust für Zahlen 25 dB,
maximale Einsilberverständlichkeit 100%.
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Sprachaudiometrie bei Kindern
Bei Kindern werden altersspezifische Wörterreihen verwendet. Weiterhin
besteht die Möglichkeit, mit Bildtafeln zu arbeiten.
Mainzer Kindersprachtest (Biesalski u.a. 1974)
(Wortschatz hörender Kinder für 3 Altersgruppen)
Mainzer I: entspricht Wortschatz hörender Kinder unter 4 Jahren
5 Gruppen zu je 10 Wörtern, die sich aus 10 Wörtern bilden
Mainzer II: entspricht Wortschatz hörender Kinder von 4 bis 5 Jahren
5 Gruppen zu je 10 Wörtern, die sich aus 25 Wörtern bilden
Mainzer III: entspricht Wortschatz hörender Kinder von 6 bis 8 Jahren
5 Gruppen zu je 10 Wörtern mit insgesamt 55 Wörtern
Zu den Tests I und II ist Bildmaterial erhältlich.
Göttinger Kindersprachverständnistest (Chilla u. a. 1976)
Test I:
2 bis 4 Jahre und Entwicklungsverzögerung (20 Wörter)
5 Gruppen mit 10 Wörtern; insgesamt 20 Einsilber aus dem
Grundwortschatz eines Kleinkindes
Test II:
5 bis 6 Jahre (100 Wörter)
10 Gruppen mit 10 Einsilbern; insgesamt 50 Einsilber, davon
viele aus dem Freiburger Einsilber Test
Bildmaterial: für jedes Wort ein Blatt mit 4 Bildern zur Auswahl
Oldenburger Kinderreimtest (Hörzentrum Oldenburg 2000)
Geschlossener Test mit Bildmaterial
= Auswahl aus vorgegebenen Antworten
 bei offenen Tests (Mainzer/Göttinger ohne Bilder) keine
Antworten vorgegeben
Geeignet für Kinder von 3-8 Jahren
Prüft Lautwahrnehmung in verschiedenen Positionen zweisilbiger
Wörter mit insgesamt 34 Dreiwortgruppen im Multiple Choice
Verfahren (Bsp.: Beule - Keule - Eule; Tanne - Tasse - Tasche;
Brote - brüte - brate)
Mit und ohne Störgeräusch zur Überprüfung des Anpassungserfolges
bei Hörgeräten verwendet
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Dichotische Hörtests
Überprüfen der Fähigkeit, zwei gleichzeitig dargebotene Schallsignale
mit hohem Informationsgehalt (z.B. Worte) aufzunehmen und getrennt
voneinander zu verarbeiten = „zentrale“ Hörleistung. Bei einigen
neurologischen Erkrankungen beeinträchtigt, auch aufmerksamkeitsund konzentrationsabhängig. Auch Bestandteil einiger Testbatterien zur
AVWS
(auditive
Verarbeitungsund
Wahrnehmungsstörung).
Durchführung über Kopfhörer, erst monaurale Einübung, dann binaurale
Testung. Auffällig, wenn weniger als 60% verstanden werden.
Für Kinder ab 5 Jahren Uttenweiler-Test
rechtes Ohr
der Weihnachtsmann
die Eisenbahn
linkes Ohr
das Schaukelpferd
das Kinderbett
Für Kinder ab 10 Jahren und Erwachsene Feldmann-Test
rechtes Ohr
linkes Ohr
der Pinselstrich
die Eisenbahn
der Kühlschrank
das Patenkind
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Sprachaudiometrie im Störgeräusch
Das Verstehen von sprachlicher Information ist im Alltag oft durch
Nebengeräusche erschwert. Die Fähigkeit des Hörsystems zum
„Herausfiltern““ von nützlicher Information aus Nebengeräuschen (FigurHintergrunderkennung, auditive Selektion) ist eine Leistung der auditiven
Verarbeitung und kann durch die Sprachaudiometrie mit zusätzlichem
Störgeräusch untersucht werden.
Auch Erfolgskontrollen von Hörgeräteversorgungen unter „realistischen“
Bedingungen sollen mit Sprachaudiometrie im Störschall erfolgen. Es
gibt unterschiedliche Testanordnungen, Einsilber- und Satztests mit
verschiedenen Störgeräuschvarianten.
Bei der Überprüfung des Hörgewinns durch eine Hörgeräteversorgung
sollte idealerweise der hierfür konzipierte Oldenburger Kinderreimtest
(OLKI) mit und ohne Störschall angewendet werden.
Zur Untersuchung der auditiven Selektionsleistungen i. R. der AVWSDiagnostik verwendet die Münsterer Variante der Sprachaudiometrie
im Störschall die Beschallung im Freifeld mit Wortreihen von vorne mit
65 dB Lautstärke (je nach Alter der Kinder Göttinger II, ab 9 Jahre
Freiburger) und Störschall (Breitbandrauschen) von 60, 65 und 70 dB
von oben.
Wir erkennen ein Nutzsignal (Sprache) besser, wenn ein vorhandenes
Störsignal (Rauschen) auf beiden Ohren zu hören ist. Dieses kann dann
leichter „ausgeblendet“ werden. Auch diese Fähigkeit kann bei einer
auditiven Selektions-/ Verarbeitungsstörung beeinträchtigt sein und wird
mit dem Binaural intelligibility level discrimination (BILD)-Test
untersucht: Per Kopfhörer gleichzeitig einseitige Gabe von Sprache mit
63 dB Nutzschall und Störschall (Sprachsimulierendes Rauschen) mit 60
dB - Störschall zuerst monaural, dann binaural. Bei binauraler
Störschallgabe sollte eine Verbesserung des Sprachverständnisses von
mindestens 10% erreicht werden.
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Prüfung der Mittelohrfunktion: Impedanzmessung
Das Mittelohr (Trommelfell, Gehörknöchelchen, Ohrtrompete) hat die
Aufgabe, den Schalldruck ca. 20-fach zu verstärken, so dass dieser die
Flüssigkeit im Innenohr zum Schwingen bringen kann. Hierfür muss das
Trommelfell gut schwingen können und das Mittelohr (über eine
funktionierende Ohrtrompete) richtig belüftet sein. Am besten schwingt
das Trommelfell, wenn der Luftdruck in der Paukenhöhle dem
Außendruck (atmosphärischen Druck) entspricht.
Die Trommelfellschwingung untersuchen wir indirekt, indem wir Schall
auf das Trommelfell geben (Lautsprecher) und messen (Mikrofon), wie
viel Schall zurückgeworfen wird. Je beweglicher das Trommelfell, desto
mehr Schall wird weitergeleitet, desto weniger Schall zurückgeworfen.
Bei der Tympanometrie / Impedanzmessung (Impedanz=Widerstand)
wird über eine Druckpumpe und luftdichte Sonde im Gehörgang der
Luftdruck verändert und ermittelt, bei welchem Druck der wenigste Schall
zurückgeworfen wird. Dieser Punkt wird Compliance-Maximum genannt.
Tympanometrie/Messung des Tympanogramms:
Der Gehörgang ist luftdicht mit einer Sonde abgeschlossen, in dieser
sind 3 Öffnungen mit Verbindung zu:
1) Lautsprecher => Sondenton zum Trommelfell (220 Hz)
2) Mikrophon <= misst vom Trommelfell zurückgeworfenen Schall
3) Druckpumpe:
ändert Druck im Gehörgang
Die Messung zeigt, ob das Trommelfell normal arbeitet, die Schwingung
durch Unterdruck in der Paukenhöhle (Tubenkatarrh, Erkältung)
beeinträchtigt ist, Flüssigkeit in der Paukenhöhle (Paukenerguss) die
Schwingung abdämpft oder ob die Gehörknöchelchenkette unterbrochen
und das Trommelfell dadurch abnormal beweglich ist.
Gesundes Ohr: Trommelfell ist bei Normaldruck maximal beweglich,
nimmt großen Teil des Schalls auf (Compliance-Maximum). Schlechte
Beweglichkeit bei Unter- und Überdruck im Gehörgang.
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Bei Tubenfunktionsstörung (a.) ist durch Unterdruck im Mittelohr das
Trommelfell Richtung Mittelohr eingezogen => Trommelfellbeweglichkeit
beeinträchtigt, Schallleitungsstörung. Die Tympanometrie zeigt dies: Bei
Unterdruck im Gehörgang wird das Trommelfell „herausgesaugt“ und
schwingt optimal. Kurvengipfel entsprechend in Bereich des negativen
Drucks verschoben
Bei Paukenerguss (b.) ist die Schwingung durch die Flüssigkeit im
Mittelohr abgedämpft, kein Schwingungsmaximum möglich, Kurve flach
Ist das Trommelfell infolge einer atrophen (dünnen) Narbe oder einer
Unterbrechung der Gehörknöchelchenkette (c.) abnormal beweglich,
dann zeigt das Tympanogramm eine nach oben offene Kurve
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Stapediusreflexschwellenmessung
Der Stapediusreflex ist ein Schutzreflex, der das Innenohr vor hohem
Schalldruck schützt. Aktivierung/Verlauf des Stapediusreflexbogens:
Hoher Schalldruck
=> Afferenz(=Input) über Nervus acusticus
=> oberer Olivenkomplex: „Analyse: Das ist zu laut“
=> Efferenz (=Output) beidseits (ipsi- und kontralateral)
über d. Nuclei faciales auf Nn. stapedii
=> N. stapedius innerviert Musculus stapedius
=> dieser zieht das Steigbügelköpfchen vom ovalen Fenster weg
(weniger Schalldruckübertragung auf das Innenohr)
=> Versteifung der Gehörknöchelchenkette
=> messbare Impedanzänderung (Abb. 15)
messbar mit einer der Tympanometrie ähnlichen Messanordnung:
Messbare Impedanzänderung durch Kontraktion des M. stapedius
Eventueller Unterdruck im Mittelohr muss durch Anlegen eines
Unterdrucks im Gehörgang ausgeglichen werden.
Bei flachem Tympanogramm keine Messung möglich
Reflex kann ab ca. 70 bis ca. max. 100 dB ausgelöst werden
Dieser objektive überschwellige Hörtest ist heute vor allem noch wichtig
für wissenschaftliche oder gutachterliche Fragen.
Interpretation der Ergebnisse:
Normale Reflexschwelle
Normales Gehör oder
Innenohrschwerhörigkeit < 55dB oder
Zentrale SH, Ursache oberhalb des Reflexbogens (sehr selten)
Reflexschwelle erhöht
Auslösung vom mittelohrschwerhörigem Ohr her bis 30dB
Schallleitungs- SH oder
Innenohrschwerhörigkeit >55 dB oder
Beginnende neurale Schwerhörigkeit
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Reflex nicht auslösbar (Problem des auslösenden Ohres)
Vom mittelohrschwerhörigen Ohr her bei > 30dB Schalleitungs-SH
Weit fortgeschrittene Innenohr- Schwerhörigkeit oder
Neurale Schwerhörigkeit
Reflex nicht registrierbar (Problem des registrierenden Ohres)
Fast jede Mittelohrschwerhörigkeit oder
Infratemporale Facialisparese
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Otoakustische Emissionen (OAE)
= Schallaussendungen des Innenohrs, die im Gehörgang über ein
Mikrophon gemessen werden. Vor allem die äußeren Haarzellen
bewegen sich aktiv beim Hörvorgang (kochleärer Verstärker). Hierbei
werden Schallwellen ausgesendet, die über ein Mikrofon im Gehörgang
nachweisbar sind.
Messung: Über eine Messsonde wird Schall zum Ohr gesendet und
gleichzeitig auch der von den Haarzellen ausgesendete Schall
aufgezeichnet. In der Sonde sind ein Miniatur-Mikrofon und MiniaturLautsprecher eingebaut. Ein PC produziert die Reizsignale und zeichnet
die Antworten auf.
SOAE (spontane otoakustische Emissionen)
können spontan ohne akustischen Stimulus aufgezeichnet werden. Bei
ca. 50 % der normal hörenden Erwachsenen nachweisbar. Bei
Innenohrschädigung nicht nachweisbar. Bei Kleinkindern in ca. 70%
nachweisbar, bei Erwachsenen über 50 Jahren in ca. 20%.
TEOAE (transitorisch evozierte OAE)
 kurze akustische Stimulation meist mit Klickreiz: Breitband-Reiz
 Schallantworten (Emissionen) über weite Teile der Basilarmembran
 da hohe Frequenzen an der Basis und tiefe Frequenzen an der Spitze
der Kochlea erkannt werden, sind Emissionen der Schneckenbasis
(hohe Frequenzen) früher nachzuweisen als die der Schneckenspitze
(tiefe Frequenzen)
 Frequenz der Emissionen charakteristisch für Entstehungsort
Entstehung der TEOAE. Der Klickreiz ps(t) löst auf der Basilarmembran eine
Wanderwelle aus, die auf dem Weg bis zur Schneckenspitze die äußeren Haarzellen
hintereinander anregt. Die angeregten Haarzellen erzeugen je nach Standort
Schwingungen in unterschiedlicher Frequenz, Amplitude (zum Helikotrema
abnehmende Steifigkeit der Basilarmembran) und Latenz.
Eigenschaften der TEOAE
bei fast allen jungen Normalhörenden messbar
Inzidenz nimmt mit zunehmendem Alter ab
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Frequenzbereich zwischen 600 und 5000 Hz
ab Innenohrbedingtem Hörverlust > 30 dB keine TEOAE messbar
Auch bei Mittelohrfunktionsstörung oftmals nicht nachweisbar
(„Schall kommt schlechter rein, Emissionen nicht wieder raus“)
Über das gesamte Frequenzspektrum reproduzierbar nachweisbare TEOAE
Klinische Anwendung
 Innenohrfunktionsdiagnostik: Objektivierung oder Ausschluss von
Innenohr-Funktionsstörungen
 Bei Gutachten, V. a. Simulation, Aggravation
 in der Pädaudiologie zur objektiven Diagnostik
 Regelrechte Mittelohrfunktion (Tympanogramm, Ohrmikroskopie)
Voraussetzung für die Verwertbarkeit der Messergebnisse
Neugeborenen-Hörscreening:
Möglichkeit, die Haarzellfunktion des Säuglings zu prüfen
Fehlen der TEOAE Hinweis auf Hörstörung, so ist ein Ausschluss
höhergradiger Innenohr-Hörstörungen möglich
Schnell und zuverlässig am schlafenden Säugling durchführbar
Messfehler durch Fruchtwasser oder Käseschmiere im Gehörgang
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Distorsionsprodukte otoakustischer Emissionen (DPOAE)
Zwei Töne mit ähnlicher Frequenz, gleichzeitig gegeben, führen
zur Bildung von „Kombinationstönen“ mit den Frequenzen f1+f2 ,
f2- f1, 2f1-f2 und 2f2+f1
Diese Töne entstehen als Verzerrungs- (Distorsions)töne durch
Überlappung der Wanderwellen beider Primärfrequenzen
Auch von diesen Distorsionstönen sind otoakustische Emissionen
nachweisbar, wobei die Emissionen der Frequenz 2f1-f2 die
höchste Intensität haben. Diese sind daher auch klinisch relevant.
Die Emission hat nur 1/10 bis 1/15 der Stimulusamplitude
Klinische Anwendung
Bei Normalhörenden i. d. R. zwischen 500 und 8000 Hz messbar
Bei kochleären Hörstörungen bis Hörverlust von 40dB nachweisbar
frequenzspezifische Erfassung kochleärer Hörstörungen
Erfassung regenerativer Prozesse (nach Lärmtrauma, Hörsturz)
Versuch der Schwellenbestimmung mit den extrapolierten
Wachstumsfunktionen der DPOAE als „objektives Audiogramm“
(noch in Entwicklung)
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ERA- Elektrische Reaktionsaudiometrie
Ein Schallreiz führt bei regelrechter Innenohrfunktion zur Auslösung
eines elektrischen Signals von der Kochlea über die Hörbahn bis zum
zentralen Nervensystem. Dieses ist als Spannungsänderung (Potential)
an der Kopfhaut mit Elektroden messbar (ähnlich den Herzströmen beim
EKG). Die Methode zählt zu den objektiven Hörprüfungen.
Durchführung:
Messelektroden werden auf Kopf befestigt (Vertex, Stirn, Mastoid)
Reiz über Kopfhörer z.B. Klick => lautstärkeabhängige Potentiale
(Spannungsschwankungen) der Hörbahn
diese Potentiale werden von den Elektroden gemessen, verstärkt
und mit PC aufgezeichnet
500-2000 Durchläufe, Aufaddieren der Ergebnisse („averaging“)
Potentiale werden aus dem Störrauschen/ EEG herausgefiltert
Auswertung der Potentialkurven nach Spannung und Zeitverhalten
=> Rückschluss auf Funktion der stimulierten Nervenbahn
Störfaktoren: Unruhe, unbequeme Kopflagerung, elektrische Einstreuung
Frühe akustisch evozierte Potentiale (FAEP) syn. BERA (Brainstem
evoked response audiometry), 0 - 10 ms:
sehr zuverlässig ableitbare Potentiale mit geringer Amplitude
im Hörnerv und Hirnstamm generiert
für klinische Praxis größte Bedeutung
wichtig für Kinder: auch im Schlaf oder in Narkose messbar
typische Peaks (Spitzenwerte) nach Jewett von „I“ bis „VI“ benannt
einzelnen Wellen ordnet man bestimmte Orte der Hörbahn zu:
Welle I: Beginn des Nervus cochlearis (z. B. Ganglion Spirale)
Welle V: Lemniscus lateralis, große Amplitude, am zuverlässigsten
nachweisbar
„Königsmethode“ der objektiven Audiometrie:
bis nahe an die Hörschwelle messbar, gute Abschätzung
Allerdings Potentialschwelle nicht identisch mit Hörschwelle
Mittlere Potentiale (MAEP): 10 - 50 ms.
schlecht gegen myogene (Muskel-)Komponenten abgrenzbar
klinisch nicht bedeutsam
Späte (kortikal) akustisch evozierte Potentiale =CERA >100 ms:
Größte Amplitude, durch Bewusstseinszustand stark beeinflusst
schwellennah registrierbar, frequenzspezifisch
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Anwendung: Sprachverständnis- und Wahrnehmungsstörungen
Ursprung: primärer, sekundärer akust. Kortex, Assoziationsfelder
Klick- BERA:
Breitbandreiz, stimuliert gesamte Kochlea, Hörvermögen "im
Ganzen" abgeschätzt, misst v. a. Hörbereich um 2000 Hz
(lautester Frequenzanteil des Klickreizes)
Latenzdiagnostik: Reizweiterleitung des Hörnerven gestört?
die Nervenleitgeschwindigkeit ist bei Hirntumoren im Bereich des
Hörnerven (z. B. Akustikusneurinom) oder neurodegenerativen
Erkrankungen (Multiple Sklerose) herabgesetzt
Mittels Seitenvergleich und anhand von Normwerten kann
abgelesen werden, ob die Reizweiterleitung auffällig verändert ist
Akustikusneurinom: Reizweiterleitung im Seitenvergleich verzögert:
Differenz zwischen Welle I (Beginn des Hörnervs) und Welle V
(Hirnstamm) vergrößert = „verlängerte Interpeaklatenz I-V“
Weitere Erkrankungen mit Latenzdifferenzen: Tumoren der
hinteren Schädelgrube, Neurofibromatose (M. Recklinghausen)
Schädel- Hirn- Traumen
Beispiel Akustikusneurinom: Bei einer Schädigung des Hörnerven ist die Laufzeit
zwischen den Wellen I und V verlängert (links).
Kleinkinder unter 1J. zeigen aufgrund der noch nicht abgeschlossenen
Reifung der Hörbahn um bis zu 1 ms längere Latenzen.
Schwellenbestimmung (objektive Audiometrie) durch BERA:
die Welle V ist bis nahe der subjektiven Hörschwelle nachweisbar
Abschätzung der Hörschwelle durch Untersuchung mit
verschiedenen Pegeln
sinnvoll bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen, bei denen der
Verdacht auch Simulation oder Aggravation besteht
frühe Potentiale = Anfang der Hörbahn, nicht die zentrale Reaktion
Messung bei Erwachsenen und älteren Kindern in Ruhe, bei kleineren
Kindern im Schlaf (ggf. Melatonin-induziert), Sedierung oder Narkose
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Normal liegt die subjektive Hörschwelle ca. 10 dB unterhalb der
objektiven Schwellenreaktion. Bei Klick-Schwelle von 20 dB wäre also
eine Hörschwelle von 2-3 kHz bei 10 dB zu erwarten.
Frequenzspezifische BERA (Notched Noise)
frequenzspezifische Ergebnisse bei Säuglingen und Kleinkindern z.
B. für Hörgeräteversorgung wünschenswert
Durch Rauschen wird die Kochlea „vertäubt“. Das Spektrum des
Rauschens lässt jedoch einen bestimmten Frequenzbereich (notch
= Kerbe) aus
In dieser Kerbe liegende Haarzellen werden mit einem Tonpuls der
entsprechenden Frequenz gereizt werden. So können
frequenzspezifische Reizantworten generiert und abgeleitet
werden
Messung bei (500), 1000, 2000, 4000 Hz üblich
Die Reizantworten sehen anders aus als die Klick-evozierten
Potentiale. Entscheidend ist, ob ein Potential vorhanden ist.
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Folgen kindlicher Hörstörungen für die Sprachentwicklung
Häufigkeit kindlicher Hörstörungen
Frühkindliche Hörstörungen: 0,05-0,1 % der Normalbevölkerung
Geringgradige H. (überwiegend schallleitungsbedingt): 3-4%
4-6% der Neugeborenen = Risikokinder
=>vielfach höhere Wahrscheinlichkeit einer frühkindlichen
Hörstörung (bis 3%!)
Folgen kindlicher Hörstörungen
Mittelohrbedingte (Schallleitungs-)Hörstörungen:
 chronische Paukenergüsse, rekurrente (wiederkehrende) Otitis media
 häufigste Form, Folgen unterschätzt?
 verzögerte Sprachentwicklung? auditive Verarbeitungsstörung?
verzögerter Laut- und Schriftspracherwerb?
 Mögliche operative Maßnahmen: Adenotomie, Parazentese
(Trommelfellschnitt), Paukenröhrcheneinlage
 Langzeiteffekt von Paukenröhrchen auf Sprachentwicklung?
 zumindest Kinder mit verzögerter Sprach- und allgemeiner
Entwicklung profitieren von der Beseitigung des Paukenergusses
Sensorineurale (Schallempfindungs-) Schwerhörigkeit
 unbehandelt
irreversible
Defizite
sprachlicher,
intellektueller und psychosozialer Entwicklung möglich
kognitiver,
Spracherkennung:
Leistung des ausgereiften zentralen Hörsystems
Frühkindliche periphere Hörstörungen behindern Entwicklung der
zentralen Hörbahnstrukturen und neuronalen Vernetzung, deren
Ausbildung nur innerhalb bestimmter Entwicklungsperioden möglich ist
(Phasenspezifität der Plastizität / Hörbahnreifung)
Neuronale Plastizität:
Axonal: Myeliniesierung bis zum 8.- 12. Lebensmonat
Subkortikal: Bahnung: Synaptische Verschaltung, 2.- 4. LJ
Kortikal: Hebb-Zellensembles (Mustererkennung bei gesprochener
Sprache): bis 7./ 8. LJ
Lallperioden
Erste (instinktive) Lallperiode (6. Woche- 6. Monate) ist auch hochgradig
schwerhörigen Kindern vorhanden! Häufig Grund dafür, dass Eltern
einen zunächst vorhandenen Verdacht auf eine Hörstörung nicht
aufrechterhalten!
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Erst in der zweiten (imitativen) Lallperiode (6.-9. Monat) erfolgt eine vom
Grad der Hörstörung abhängige Verzögerung der Sprachentwicklung bis
hin zum Erstummen.
Sprache schwerhöriger Kinder:
Reduktion des aktiven Wortschatzes
Vermeidung komplexer Satzstrukturen
Wegfall von Endsilben und Endkonsonanten
Fehler bei Flexionen und Deklinationen
Artikulationsfehler: audiogene Dyslalie
erste Worte und Mehrwortsätze verzögert
Sprache und Stimme gehörloser und hochgradig schwerhöriger Kinder:
Gestörte Koordination von Atmung und Sprechen:
Sprechen häufig von Atemgeräuschen begleitet
mittlere Sprechstimmlage erhöht, Stimme rau, Modulation
eingeschränkt
temporaler, dynamischer und rhythmischer Akzent gestört
Häufig Lautdehnungen und Rhinophonia clausa- bzw. aperta
Progrediente Hörstörung => regressive Sprachentwicklung bis zum
Erstummen
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Erworbene Hörstörungen
(vor/während/nach der Geburt durch äußere Einwirkung erworben)
Infektionen
1. Zytomegalie (Virus führt zu Riesenzellbildung in entzünd. Gewebe)
Mangel-/Frühgeburt,
Pneumonie,
Hepatitis,
Retinitis,
Mikro-/
Hydrozephalus
90% asymptomatisch, bis 10% davon später progrediente Hörstörung
ca. 12% der beidseitigen Hörstörungen durch Zytomegalie
> 50% Beginn nach 1. LJ
2. Toxoplasmose
Selten (< 1%), Infektion d. Mutter mit Toxoplasma gondii (Einzeller) z. B.
durch rohes Fleisch
Gehirn- und Hirnhautentzündungen, Verkalkungen im Gehirn
Hydrozephalus (Wasserkopf)
Chorioretinitis (Augenentzündung) mit Erblindung
10 -15 %: Hörstörung
3. Neugeboreneninfektionen („Amnioninfektsyndrom“): unklare Erreger
Infektion der Eihöhle/Eihäute/Plazenta während Schwangerschaft/Geburt
Mumps, Masern, Röteln heute (Impfung!) sehr selten
Lues (Syphilis), Windpocken, Herpes simplex
Toxische und teratogene (keimschädigene) Substanzen
Alkoholembryopathien (1-3:1000 Neugeborenen!)
Symptome: breiter Nasenrücken, kurze Lidspalte, schmales Lippenrot,
Mikrozephalie, statomotorische und geistige Retardierung
30%: sensorineurale Hörstörungen, rekurrente Otitis media
Medikamente: ototoxische Antibiotika (v. a. Aminoglycosid-Antibiotika)
fetaler Jodmangel
Vitamin A- Embryopathie: Mikro-/Anotie, Mikrogenie, Herz-, Augenfehlb.
Thalidomid-Embryopathie („Contergan“): Fehlbildungen der Gliedmaßen:
„Robbengliedrigkeit“ (Phokomelie), Gehörgangs, -Mittelohrfehlbildungen
Verletzungen
Verkehrsunfälle, Geburtstrauma, Schädel- Hirn- Trauma (Schädelfraktur,
intrazerebrale Blutung, Hirninfarkt)
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Weitere geburtshilfliche Risiken
Frühgeburtlichkeit (vor 32. SSW), Mangelgeborenes
Neugeborene mit Dystrophiezeichen
Hypoxien (Sauerstoffmangel unter der Geburt)
Peri-, prä- postnatale Ursachen:
Schwangerschaftskomplikationen,
Nabelschnurumschlingung/-abriss,
Plazentainsuffizienz Transfusionssyndrom bei Zwillingen, Blutungen,
AB0-, Rhesus-Inkompatibilität, Anämie, „Schwangerschaftsvergiftung“
(EPH-Gestose) , Peripartale Reanimation
Risikofaktoren bei Neugeborenen
Hörstörungen in der Familie
Infektionen während der Schwangerschaft (intrauterin): Zytomegalie,
Herpes, Amnioninfektsyndrom, Toxoplasmose, Masern, Mumps,
Röteln, Windpocken
Frühgeburt < 32.SSW
Mangelgeborene (< 1500 g)
schwere Gelbsucht (Icterus gravis, Hyperbilirubinämie) mit
Blutaustauschtransfusion
Schädel/Gesichts- (Kraniofaziale) Fehlbildungen
o z. B. Lippen-Kiefer-Gaumenspalten
Meningitis/Sepsis
Ototoxische Medikamente (v. a. Aminoglykosid- Antibiotika)
Risikofaktoren bei Säuglingen und Kleinkindern
(29. Lebenstag bis 2. Lebensjahr):
Anamnese: (Sprach)entwicklung verzögert, Hörfunktion unklar
Meningitis/Sepsis
Mumps, Masern, Röteln
Schädel-Hirn-Trauma
ototoxische Medikamente
Syndrome mit sensorineuralen und/oder mittelohrbedingten
Hörverlust
Häufige Tubenkatarrhe, Paukenergüsse, chronische Otitis media
Zerebrale Bewegungsstörungen
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Genetisch bedingte Hörstörungen
ca. 50- 60% der Schwerhörigkeiten sind genetisch bedingt
European working group on genetic hearing impairment:
genetische Hörstörung sehr wahrscheinlich wenn
Bekannte Faktoren für erworbene Hörstörung ausgeschlossen sind
Schwerhörigkeit in der Familie
Konsanguinität vorliegt (Eltern blutsverwandt)
Syndrom vorliegt
Monosymptomatische Hörstörung:
= Hörstörung einziges Krankheitssymptom, kein Syndrom
Erbgang? Stammbaum!
70-80% autosomal rezessiv, 10-25% autosomal dominant, 2-3% Xchromosomal
Wenn autosomal rezessiv: 50% der Patienten europ. Abstammung
tragen Mutationen im Connexin-26-Gen auf Chromosom 13
 Humangenetische Abklärung
Syndrome
= Hörstörung Bestandteil eines Symptomenkomplexes (mehrere Organe)
30% genetisch bedingter Hörstörungen syndromal, 70% non-syndromal
Waardenburg- Syndrom
2% aller genetisch bedingten Hörstörungen => häufiges Syndrom
Störung der embryonalen Entwicklung von Haut- und Nervenzellen
Sensorineurale Hörstörung
Irisheterochromie (verschieden farbige Augen), graue Haarsträhne,
Dystopia canthorum (veränderter Lidspalt), weitere Symptome
Usher- Syndrom
Sensorineurale Hörstörung, Retinopathia pigmentosa (Erblindung!)
Häufigste Kombination von Augen- und Ohrfehlbildung
Wichtig: Klärung des Sehvermögens, Elektro-Retinogramm (ERG)
Alport- Syndrom
Sensorineuraler Hörverlust und progrediente Nierenerkrankung
(Glomerulonephritis) teilweise Augenbeteiligung
80 % x- chromosomal, 15% autosomal rezessiv
Goldenhar-Syndrom: Dysplasia oculo-auricularis
Hypoplasie/Spaltbildung Gesicht,
Fehlbildung Bindehaut (Dermoid) Unterlid
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Ohrmuscheldysplasie
(ggf. Herzfehler, Uterus- Niere …)
Pierre- Robin- Syndrom:
Mikro-Retrognathie (kleines - rückverlagertes Kinn),
Glossoptose (Zurückfallen der Zunge), evtl. Mikroglossie
Gaumenspalte, ggf. Choanalatresie
Ohrfehlbildungen
Neugeborene: Risiko der Aspiration und Dyspnoe
Pendred- Syndrom
Defekt
Schilddrüsenhormon-Rezeptor
=>
intrazellulärer
Jodmangel => Allgemeine Entwicklungsstörung
Labyrinthfehlbildung (Mondini-Dysplasie)
Häufig Hörverschlechterung nach Minimaltraumen
Therapie: Thyroxinsubstitution
Franceschetti- Syndrom
= Treacher-Collins, Dysostosis mandibulofacialis
Unterlid- Kolobom (=Spalte), antimongoloide Lidachsenstellung
Hypoplasie von Unterkiefer, Jochbogen und Kieferhöhle
Gelegentlich Mikrognathie, Spalten und Ohrdeformitäten
Autosomal dominant, auch sporadisch (Neumutation?)
Mucopolysaccharidosen
Stoffwechselstörung mit Speicherung von Mucopolysacchariden in
verschiedenen Organen führt zu Organdefekten, viele verschiedene
Formen, besonders Typ II (Hunter) führt zur frühen Ertaubung,
Skelettanomalien und geistiger Retardierung
Chromosomenanomalien
Trisomie 21 (M Down):
häufig Schallleitungsstörung: Gehörgangsstenose, chron. Paukenerguss
auch Schallempfindungs- oder kombinierte Hörstörung
Ullrich- Turner-Syndrom (45, XO): gehäuft Schallleitungsstörung, auch
Schallempfindungs- oder kombinierte Hörstörung
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Ursachenabklärung bei Hörstörungen
genetische Hörstörungen, prä-, peri- und postnatale Ursachen möglich,
mehr als 400 Hörstörungssyndrome => Pragmatisches Vorgehen nötig
1. Anamnese: Familienanamnese, Syndrome?, Stammbaum
2. assoziierten Anomalien?: Komplette körperliche Untersuchung
3. Abklärung der häufigsten Ursachen
Connexin 26 bei nicht-syndromaler Hörstörung
Röteln-Titer
der
Mutter
(Mutterpass),
Bilirubinund
Schilddrüsenwerte (Untersuchungsheft d. Kindes)
Virusserologie: Toxoplasmose-, CMV-Titer, ggf. gezielte Therapie
M. Usher: vestibuläre Störung, vor allem in kompletter Dunkelheit,
Pigmentveränderungen der Netzhaut (oft später) => Augenarzt
M. Pendred: Schilddrüsentests
Alport- Syndrom: Harnuntersuchung (assoz. Nierenerkrankung)
4. Abklärung besonders bedrohlicher Krankheitsbilder
EEG: Erhöhte Anfallsbereitschaft?
EKG: Ausschluss Herzrhythmusstörungen
5. ggf. bildgebende Diagnostik: Kernspintomographie, vor allem bei
einseitiger Schwerhörigkeit
bei V. a. knöcherne Beteiligung der Gesichts- /Ohrschädels ggf.
Computertomographie
(sehr
strenge
Indikationsstellung:
Strahlenbelastung für Linse!)
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Hörgeräteversorgung und Rehabilitation bei Kindern
Eine unzureichende Stimulation des auditiven Systems während der
Hörbahnreifung führt zu irreversible Folgen für Hör- Sprachentwicklung,
Kommunikation, emotionale und soziale Entwicklung!
Soll
erste beide Lebensjahre = sensible Phase der Hörbahnreifung
 Diagnose und Hörgeräteversorgung angeborener Hörstörungen
möglichst bis zum 4.–6.Lebensmonat
Ist
Mittleres Alter bei Diagnose gravierender Hörstörung 2 Jahre (BD)
Mittleres Alter bei Hörgeräte- Erstversorgung 36 Monate
bei an Taubheit grenzender SH früher (19 Monate) als bei hochbzw. mittelgradig schwerhörigen Kindern (30 bzw. 50 Monate)
Hörgeräteversorgung erforderlich:
permanente Hörstörungen, die (zu diesem Zeitpunkt) nicht operativ
behandelbar sind
am häufigsten bei Innenohrschwerhörigkeit
bei Schallleitungsstörung temporär, oft im Schulalter OP möglich
Beispiel: u. U. auch bei Paukenergüssen, bei denen aufgrund der
Enge des Gehörgangs keine Paukenröhrcheneinlage möglich ist
Indikation abhängig von
 Art,
Lokalisation,
Schwerhörigkeitsgrad,
Hörschwelle,
Sprachverstehen
 Bei Kindern auch: Alter, weitere Behinderungen, soziales Umfeld
Indikationsgrenzen für Hörgeräteversorgung Erwachsener
von 500 bis 3000 Hz auf besserem Ohr ≥30 dB HV in ≥ 1 Frequenz
bei 65 dB max. 80 % Einsilberverstehen im Sprachaudiogramm
 nicht auf Kinder übertragbar, großzügigere Indikation!
 Bei Kindern kann jede Abweichung vom „normalen“ und „dem Alter
entsprechenden“ Hörvermögen eine Versorgung sinnvoll machen
 Eventuell „entwicklungsbegleitende Versorgung
„Behandlung “
= Hörgeräteanpassung + interdisziplinäre Betreuung: diagnostische,
therapeutische
und
pädagogische
Maßnahmen,
Koordination
Hörfrühförderung, Elternführung und –Beratung, Information über
technische Zusatzausstattung, schulische Maßnahmen, Rehabilitation
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Diagnostik bei Kindern:
subjektive und objektive Tests
Säuglinge und Kleinkinder: Einstellung möglichst nach
frequenzspezifischer Hirnstammaudiometrie
(Notched- NoiseBERA)
Später subjektive Reaktionsaudiometrie und Spielaudiometrie
„Puzzlespiel“ vieler Testergebnisse
ggf. „probatorische Versorgung“, Diagnostik vervollständigen,
Ergebnisse i. S. einer „gleitenden Anpassung“ berücksichtigen
Ziel:
Kommunikationsmöglichkeiten verbessern, Sprache hörbar
machen
Sprache und Umweltgeräusche angenehm verstärken
zu große Lautstärken und Verzerrungen vermeiden
Ausgangspegel frequenzspezifisch an Resthörbereich anpassen
Kriterien: Akzeptanz, veränderte Hörreaktionen, etwaiges Erschrecken,
vermehrtes Lautieren bzw. Fortschritte in der Sprachentwicklung,
Veränderung des gesamten Verhaltens
Begleitende Diagnostik und Behandlung
Ätiologische Diagnostik (Ursachenabklärung)
Über Fördermaßnahmen informieren
Kontakt
mit
Schwerhörigenberatungsstelle:
Hörgerichtete
Frühförderung
Ggf. Entwicklungsdiagnostik und Erheben des Sprachstatus
Ggf. zusätzliche logopädische Behandlung, Ergotherapie,
heilpädagogische Behandlung oder allgemeine Frühförderung
Elternberatung
Wichtig! Mitarbeit, Geduld, Engagement der Eltern entscheidend für
Erfolg der HG-Versorgung!
Auswirkung der Schwerhörigkeit auf Entwicklung des Kindes
Ablauf der Hörgeräteversorgung und Einsatz weiterer möglicher Hilfen
Einweisung in täglichen Umgang mit den Hörgeräten, Beratung über
Zusatzgeräte und Anschlussmöglichkeiten an Radio und Fernsehen
Schwerbehindertengesetz (Versorgungsamt, Feststellung einer
Behinderung)
Aufzeigen
der
Möglichkeit
+
Notwendigkeit
gezielter
Fördermaßnahmen
Hör- Sprach-Förderung: Beratung über häusliche Fördermöglichkeiten
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Eltern müssen Kind in die Welt des Hörens einführen, das heißt:
auf Geräusche aufmerksam machen, deren Bedeutung zeigen,
Höraufmerksamkeit stimulieren, zum Lautieren und Produzieren von
Geräuschen anregen, auf Lautäußerungen des Kindes angemessen
reagieren, Sprache als wichtigstes Verständigungsmittel anbieten
Psychische Belastung der Eltern:
Oft Schuldgefühle: Beratung und Angebot einer familienpsychologischen
Betreuung, damit Hörbehinderung und Hörgeräte akzeptiert werden. Für
Kind wichtig, Hörgeräte selbstbewusst tragen zu können
Permanente Begleitung
Sprachentwicklung und allgemeine Entwicklung regelmäßig überprüfen!
Förderung ausreichend? weitere Fördermaßnahmen einzuleiten?
zusätzliche technische Hilfsmittel?
Hörgerät ausreichend oder Versorgung mit einem CI indiziert?
Folgeversorgung nach üblicherweise frühestens 5 Jahren.
„Versorgung“ nie wirklich abgeschlossen!
Auditive Kommunikationsförderung
Ganzheitlicher Hörerziehungs- und Förderprozess:
Wahrnehmen?
Unterscheiden?
Identifizieren und Erkennen? open set (vorher nicht bekannt) oder
closed set (vorgegebene Antworten)
Lernzielpyramide:
Geräusche>Vokale>Konsonanten>Zahlen>Wörter>Sätze>Sprache>Tele
fon
Hörgerichtete Förderung
Primär Lautsprachlich
Paralleles Lernen von Gebärden reduziert lautsprachliche Fortschritte
o Kontroverse: Unisensorik vs. Multisensorik (+Lippenbild?)
o Einsatz von Lautsprache begleitenden Gebärden, falls bei
alleiniger lautsprachlicher Förderung keine Fortschritte
Hören soll nicht trainiert, sondern zur Selbstverständlichkeit werden
Bestes Hörerziehungsinstrument ist die menschliche Stimme
Deutlich, Mimik und Gestik, rhythmisches und melodisches Sprechen
Rhythmisch-musikalische Erziehung
Motherese Baby Talk
Muttersprachlichreflektierte
Methode:
Doppelrolle/Fangspiel:
Elternteil fängt auf, was Kind sagen will, und versprachlicht es.
Mehrmals sprechen, deutlich und melodisch, Lernen am Vorbild
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Cochlea Implant
Infolge einer Innenohr-Schädigung ertaubte oder hochgradig
schwerhörige Patienten, früh ertaubte oder taub geborene Kleinkinder
sowie nach dem Spracherwerb Ertaubte können mit Cochlea Implant
(CI)
wieder
Sprache
hören
und
verstehen.
Elektrische
Hörnervstimulation ermöglicht direkte Verbindung zur akustischen
Umwelt und
altersgemäße Sprachentwicklung. Bislang einzige
funktionierende Prothese eines Sinnesorganes; weltweit > 40000
Implantierte.
Aufbau: mehrteilige "Innenohrprothese": Empfänger, Stimulator (4) und
Elektroden werden implantiert, Mikrophon und Sprachprozessor(1) sowie
Senderspule (3) außen am Körper getragen.
Sprachprozessor (1) nimmt akustische Signale über Mikrophon auf:
Ton- und Geräuschanalyse, Umwandlung in elektrische Reizmuster, die
über die implantierten Elektroden den Hörnerv (5) stimulieren. Die
Reizmuster werden als Hochfrequenzsignale einer Sendespule (3)
zugeführt. Die Information gelangt drahtlos über induktive Kopplung zum
Implantat mit Empfangsspule sowie der Decodierungs- und
Stimulatorelektronik (4). Der Sprachprozessor enthält die digitale
Reizcodierungselektronik mit zwei bis acht gespeicherten Programmen
und Batterien. Er wird heute meist als HdO- Gerät getragen.
Das Implantat demoduliert die von der Sendespule (3) gesendete
Information und gibt schnelle elektrische Pulse auf die in der Cochlea
liegenden
Elektroden
=>
Stimualtion
des
Hörnerven,
der
Aktionspotentiale erzeugt und an Gehirn weiterleitet. Dort werden die
Signale als Hör- und Klangempfindung wahrgenommen.
Funktionsweise
Direkte elektrische Hörnerven- Stimulation
Akustisches Signal in elektro-neurales Erregungsmuster übersetzt
Hörnerv kann mit unterschiedlichen Reizformen angeregt werden
Voraussetzung: genügend elektrisch erregbare Nervenzellen
Durch Elektrodenlage kann der aktivierte Bereich beeinflusst werden
Ziel: möglichst wenige Nervenfasern (schmales Frequenzband)
aktivieren
Hörempfindungen durch Reizrate und Ort der Stimulation bestimmt
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Reizrate kann bis zu etwa 300 Pulsen pro Sekunde der
Grundfrequenz der menschlichen Stimme zugeordnet werden
Stimulation an verschiedenen Reizorten ruft Empfindungen
vergleichbar der Tonhöhenempfindung Normalhörender hervor
Elektroden geben wie Klaviertasten verschiedene Klangspektren
wieder
Frequenzen hängen von Eindringtiefe des Elektrodenträgers ab
Beispiel Nucleus-Implantat (22 Elektroden, über 17 mm verteilt): bei
Eindringtiefe von 20 mm Frequenzbereich zwischen 0,7und 11 kHz
Audiologische Indikationen bei Erwachsenen und Kindern
Beidseitige überwiegend sensorische Taubheit bis hin zur an Taubheit
grenzenden Schwerhörigkeit.
Funktionstüchtigkeit von Hörbahn und Hörnerv muss angenommen
werden können (anhand v. Voruntersuchungen)
Letztlich ist nicht die Tonaudiometrie, sondern die Sprachperzeption
entscheidend
1. Postlingual ertaubte und resthörige Kinder, Jugendliche und
Erwachsene:
Akut ertaubte Patienten sowie progredient ertaubte, möglichst
frühzeitig
 Ertaubung >10 J.: besondere Anforderungen für Rehabilitation
Patienten mit Restgehör, deren Sprachverstehen nicht ausreichend ist
(Einsilberverstehen im Freiburger Sprachtest unter 40 % - bei
Freifeldmessung mit Hörgeräten)
2. Kinder (Prälingual ertaubt und konnatal gehörlos, auch mit
Resthörigkeit)
möglichst frühzeitige Versorgung (ab 2. LJ) innerhalb d. ersten LJ; bei
konnatal Gehörlosen bis max. 5. LJ
vorherige Beobachtungsphase (Hörgeräteversorgung, Frühförderung
ohne ausreichende Sprachperzeption)
Kontraindikationen:
Fehlende Cochlea, fehlender Hörnerv
Akute und chronische Mittelohrinfektionen (nach Sanierung OP
möglich)
Schwere psychische Erkrankungen
Nicht sichergestellte postoperative Rehabilitation
Therapieresistentes Krampfleiden
Schwere Allgemeinerkrankungen
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Sprachprozessoranpassung
Gut
angepasster
Sprachprozessor
ermöglicht,
vielfältige
Klangeindrücke wahrzunehmen und schneller voneinander
unterscheiden zu lernen.
Hauptziel: für jede aktive Elektrode Hörschwellen und Pegel der
angenehmen Lautheit zu bestimmen. Bei Kindern schwieriger
Anpassung nach abgeschlossener Wundheilung mit PC und spezieller
Software. Ermittlung der minimalen Stromstärken, die Höreindrücke
auslösen (Hörschwelle, Threshold bzw. T-level) und der maximalen
Stromstärken, die noch angenehm laut empfunden werden (Comfort
level bzw. most comfortable level, abgekürzt C-level oder MCL) für alle
verfügbaren Kanäle bei ertaubten Erwachsenen einfach und zuverlässig.
Postoperative Basis- und Folgetherapie
technische
Beratung,
Veränderung
der
Anpassungsdaten,
Dokumentation der Fortschritte (Hör- und Sprachtests)
Besonderheiten bei Kindern
Ziel: Hören im Leben des Kindes verankern, kommunikative und
sprachliche Fähigkeiten entwickeln und verbessern
Voraussetzungen dafür:
Schulung in Handhabung des Sprachprozessors, Erkennen von
Fehlerquellen und ggf. Beseitigung
Elternanleitung zu situationsangemessenen Hörverhalten (Hörtaktik)
Zusammenarbeit CI-Zentren, Frühförderung, Kindergarten, Schulen
und Herstellerfirmen
Jährliche ärztliche und technische Kontrollen an implantierender Klinik
Psychologische Beratung
Ggf. sonderpädagogische Förderung
Hör- und Sprachförderung (siehe Hörgeräteversorgung)
Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen
Definition der DGPP (Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und
Pädaudiologie)
Eine auditive Verarbeitungs- und/oder Wahrnehmungsstörung (AVWS)
liegt vor, wenn zentrale Prozesse des Hörens gestört sind: Analyse und
Integration der in akustischen Signalen enthaltenen Frequenz-, Zeit-,
Intensitäts, - und Phaseninformation, Prozesse der binauralen Interaktion
(z.B. Lokalisation, Lateralisation, Störgeräuschbefreiung).
Ätiologie und Pathogenese
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Dysfunktion der Afferenzen und Efferenzen der Hörbahn
Unklar, ob isoliert Hörbahn betroffen ist oder generelles Defizit vorliegt
Vermutlich einzelne Abschnitte der Hörbahn unterschiedlich betroffen
Symptome
Schulkinder:
Spracherwerbsstörung, schlechte Lernleistung, besonders im
Lese-Rechtschreibbereich,
“Wahrnehmungsfehler“
in
der
Rechtschreibung=> gestörte auditive „Wahrnehmung“ / LRS?
Probleme im Richtungshören oder im Störlärm => gestörte auditive
„Verarbeitung“/ Selektionsstörung
Geräuschempfindlichkeit (Hyperakusis)=> Eigenes Krankheitsbild?
Erwachsene:
Hyperakusis, Geräuschempfindlichkeit, Probleme im Störlärm
Mittel – und Innenohrschäden beeinträchtigen zwar die auditiven
Verarbeitung und Wahrnehmung, führen aber nicht zur AVWS, da
Ursache die Störung des peripheren Sinnesorgans ist.
Verarbeitungsstörung: Hirnstammniveau (z.B. Fehlbildungen, Tumor)
Wahrnehmungsstörung:
primärer
auditorischer
Kortex/
Assoziationszentren
Störung von übergeordneten (nicht spezifisch auditorischen) kognitiven
Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozessen => „symptomatische“
Störung, keine AVWS i. e. S. Beispiel: Aufmerksamkeitsstörung
Diagnose
Achtung: „AVWS“ als „Modediagnose“. Bei Schulproblemen, denen
Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme (ADHS), perzeptive
Dysfunktionen (sensorische Integrationsstörung), Lernstörungen,
kognitive Einschränkungen wie eine Lernbehinderung (IQ<85), aber
auch große Klassen oder pädagogische Schwierigkeiten zugrunde
liegen, wird von Eltern (oder Lehrern) häufig eine „AVWS“ vermutet. Bei
den meisten der Kinder liegt eines der o. g. Störungsbilder zugrunde
(AVWS-Ausschlussdiagnostik). Auch im Kindergartenalter wird häufig
eine AVWS vermutet, obwohl sie nicht vor 5 Jahren Lebensalter
diagnostiziert werden kann.
Diagnostik: ausführliche Anamnese, ohrmikroskopischer Befund sowie
subjektive und objektive Testverfahren, die die verschiedenen Aspekte
der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung überprüfen. Nachweis
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gestörter Prozesse der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung. Das
Münsteraner Untersuchunskonzept beinhaltet:
1. Hördiagnostik
Tonschwellenaudiometrie,
standardisierte Sprachaudiometrie,
Hören im Störschall,
Binaural Intelligentibilty Level Different- Test (BILD)
dichotische Tests,
Hörtests zu basalen Hörverarbeitungsfunktionen wie Zeit- und
Frequenzauflösung (GAP-Detektion),
Richtungshören (Regiometrie)
Otoakustische Emissionen, Suppression der OAE im Störschall
2. Sprachdiagnostik
Auditive Aufmerksamkeit
Tests zur phonologischen Bewusstheit:
o Lautidentifikation (Heidelberger Vorschulscreening/HSET)
o Lautdiskrimination (BLDT)
o Lautsynthese (Untertest Laute verbinden aus dem PET)
o Wortergänzung (Untertest WE aus PET)
Überprüfung der Hörmerkspanne: Auditive Merkfähigkeit für
Zahlen, Silben, Sätze (aus dem PET), sinnfreie Silben (Mottier)
3. Psychologische Testdiagnostik
(nonverbale) Intelligenz
Aufmerksamkeits- und Reaktionstests
Tests zur verbalen Lern- und Merkfähigkeit
Viele Tests sind nicht standardisiert und in ihrer Wertigkeit umstritten.
Zur Bewertung: Gesamtschau der Befunde, der Beobachtungen und der
Anamnese vor dem Hintergrund der allgemeinen kognitiven Fähigkeiten.
Ziel: Defizit möglichst exakt beschreiben, um nähere Hinweise auf
Schwerpunkt (einschließlich Lokalisation) der Dysfunktion zu gewinnen.
Therapie
abhängig von Störungsschwerpunkten:
„Wahrnehmungs“problematik:
„Rest-SES“ (SLI): Diskrimination, Analyse, Synthese, Ergänzung
mit Auswirkung auf phonologische Bewusstheit
phonologisches Kurzzeitgedächtnis!
 Gefahr der (oder bereits manifeste!) LRS
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 Training der phonologischen Bewusstheit, auditive Differenzierung,
Lautidentifikation, Analyse, Synthese
Aber: LRS-Förderung bei Logopädin unter der Diagnose „AVWS“ geht
nicht, ist Aufgabe der Schule.
Verarbeitungs- oder Selektionsstörung
Problem der Figur- Hintergrunderkennung:
vor allem Hören im Störschall beeinträchtigt
 übende Verfahren (Hörtraining)
 Verbesserung der Signalqualität (Sitzplatz im Klassenraum,
Lärmpegel im Unterricht, ggf. raumakustische Maßnahmen, ggf.
FM- Anlage/Hörgeräteversorgung)
AD(H)S, SI, (grenzwertige, d. h. noch regelbeschulte) Lernbehinderung:
Oft Symptome im Bereich auditiven Aufmerksamkeit, Verarbeitung
und Wahrnehmung
 Soweit diagnostisch abzugrenzen und schlechter als allgemeinen
Leistungen, kann Therapie auffälliger Teilleistungen sinnvoll sein
Spezielle Therapiemaßnahmen:
A. Übende Verfahren
Lokalisationsfähigkeit, Lautunterscheidung, Lautidentifikation.
Störungsspezifische Übungen zur Verbesserung von:
Auditorische Vigilanz
Diskrimination von Intensität und Frequenz, Frequenzübergangen
Phonem- und Silbendiskrimination
Lokalisation, Lateralisation
B. Kompensatorische Strategien:
Training übergeordneter/unspezifischer Hirnleistungen oder anderer
Wahrnehmungs- oder Verarbeitungsstrategien
metalinguistisch => effizientere Sprachperzeption
o Erkennung von Kohäsionsstrukturen
o Generieren eines kontextabhängigen Vokabulars
o Segmentierung, Prosodieerkennung
metakognitiv => Aufgabenverständnis, auditorische Aufmerksamkeit,
Identifizieren von Kernaussagen, Hörselbstkontrolle
Sprachreize eingebettet in Störgeräusche
Training der auditiven Merkfähigkeit
C. Verbesserung der Signalqualität
Verbesserung des Signal-Störschall–Verhältnisses
Intensitätserhöhung des an das Ohr kommenden Signals
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o Sitzplatz vorne in der Klasse
o z.B. Verbesserung der Schallreflexion in Schulräumen durch
Anbringen geeigneter Textilien (Teppiche/Vorhänge)
o Verkleinerung der Gruppenstärke im Unterricht
o in Sonderfällen Anpassung von FM- Übertragungsanlagen oder
Hörgeräten. Achtung: Risiko der Innenohrschädigung! =>
strenge Indikationsstellung und exakte Überwachung
Weitere Maßnahmen
Bewusste Artikulation des Lehrers, visuelle Hilfen, Erleichterung von
metakognitiven bzw. metalingusitischen Strategien.
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