Dresden, November 2015 Kurzstudie Klimawandel in Sachsen – aktuelle Entwicklungen von Dipl.-Met. Wilfried Küchler Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung...........................................................................................2 1 Treibhausgase – Hauptursache der globalen Erwärmung............................4 2 Aktueller Sachstand zum globalen und regionalen Klimawandel.................6 2.1 Globaler Klimawandel.............................................................................6 2.2 Klimawandel in Deutschland...................................................................8 2.3 Klimawandel in Sachsen.........................................................................8 3 Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation in Europa.......................10 3.1 Veränderungen des Jetstream.............................................................10 3.2 Veränderungen der Häufigkeiten der Großwetterlagen.......................10 4 Wetter- und Witterungsextreme in Sachsen...............................................15 4.1 Wetter- und Witterungsextreme im Klimawandel.................................15 4.2 Witterungsrekorde in Sachsen.............................................................15 4.3 Rekord-Hitze im Hochsommer 2015....................................................17 4.4 Der spektakuläre Winter 2013/14 in Europa........................................18 4.5 Das Rekordhochwasser Ende Mai/Anfang Juni 2013..........................19 4.6 Kann es auch in Zukunft noch zu Kälte-Rekorden kommen?..............20 4.7 Der extrem kalte März 2013.................................................................20 5 Klimaindizes zur Beurteilung des Trends der Extreme in Sachsen............23 5.1 Temperaturbezogene Klimaindizes......................................................23 5.2 Niederschlagsbezogene Klimaindizes..................................................26 Verwendete Begriffe und Abkürzungen..........................................................28 Literaturverzeichnis........................................................................................30 Zusammenfassung Gegenwärtig wird an der Erdoberfläche eine globale, regional unterschiedliche und schubweise verlaufende Erwärmung beobachtet. Man erkennt drei Phasen der Temperaturtrends: eine frühe Erwärmungsphase bis etwa 1940, eine nachfolgende Stagnation bis in die 1970er Jahre und seitdem einen neuen ungebrochenen Erwärmungstrend. Eine Pause des globalen oder auch nordhemisphärischen* Temperaturanstieges hat es nicht gegeben. Als beunruhigend erscheint nicht allein das Ausmaß, sondern vor allem die Geschwindigkeit, mit der sich der Klimawandel in der Gegenwart vollzieht. Global konnte das Jahr 2014 als das wärmste Jahr seit Vorliegen der Messdaten im Jahr 1880 eingeordnet werden. Das Jahr 2014 hat sich nicht nur global, sondern auch in Deutschland und in Sachsen als das wärmste je gemessene Jahr erwiesen. Inzwischen deutet sich möglicherweise ein neuer Rekordwert für das Jahr 2015 an. Das erste Halbjahr 2015 war global und nordhemisphärisch das bislang jeweils mit Abstand wärmste Halbjahr seit Vorliegen der Datenreihen. Der langfristige Erwärmungstrend tritt im laufenden Jahr 2015 auch nordhemisphärisch in den Vordergrund. Die bis Oktober 2015 berechneten aktuellen 10-jährigen oder auch 30-jährigen gleitenden Mittelwerte haben die höchsten Niveaus seit Beginn der instrumentellen Aufzeichnungen erreicht. Die Eigenschaften der atmosphärischen Zirkulation werden dominant geprägt von der horizontalen Temperaturdifferenz zwischen Äquator und Pol. Infolge des weit überdurchschnittlichen und durch Rückkopplungseffekte verstärkten Temperaturanstieges in der Arktis hat diese Temperaturdifferenz in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen. Der Jetstream*, welcher die Abfolge und Ausprägung von Hoch- und Tiefdrucksystemen in den mittleren nördlichen Breiten steuert, verändert(e) seine Eigenschaften und wird inzwischen durch eine vergrößerte Amplitude (er ufert also stärker nach Norden beziehungsweise Süden aus) sowie eine Tendenz zur Verlangsamung des Fortschreitens der Wellen geprägt. Das gilt besonders für den Herbst und Winter, macht sich aber auch im Sommer bereits öfter bemerkbar. Hierdurch können sich häufiger die Westströmung blockierende Wetterlagen (z. B. sogenannte Omega-Lagen*) ausbilden. Diese weichen teils über Wochen kaum von der Stelle. Viele Arten von Extremwetter werden durch diese stabilen Bedingungen verursacht. Damit sind auch in Sachsen die Voraussetzungen für länger andauernde und damit schwerwiegendere Extremereignisse als bisher (Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen) gegeben. Auch eine detaillierte Analyse der Großwetterlagen* Mitteleuropas liefert Anhaltspunkte für eine sich verändernde großräumige Zirkulation auf der Nordhalbkugel im letzten Jahrzehnt. So haben die Trog-Wetterlagen*, die mit den Ausbuchtungen des Jetstream nach Süden (Tröge) im Zusammenhang stehen, signifikant zugenommen. Die Beurteilung der Veränderung der Extremereignisse setzt voraus, dass a priori klar definiert wird, was genau unter dem Begriff „extrem“ verstanden werden soll. Es sollte immer zwischen Witterungsextremen und Wetterextremen differenziert werden. Witterungsextreme (zeitlicher Bezug z. B. Monate oder Jahreszeiten) treten viel großräumiger auf und lassen sich in der Summe eher in Verbindung mit dem Klimawandel bringen als Wetterextreme, die einen Bezug etwa zu Stunden- oder Tageswerten der Klimaparameter haben. Das neue Konzept der Klimaindizes der Meteorologischen Weltorganisation WMO orientiert auf sogenannte „Moderate Extreme“*, die definitionsgemäß nicht, wie die diesen gegenüber stehenden Randextreme, nur im Abstand von Jahren, Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten vorkommen, sondern in der Regel für zuverlässige statistische Auswertungen ausreichend häufig pro Jahr in Erscheinung treten. Alle von der WMO empfohlenen Indizes wurden für sechs sächsische Wetterstationen (Leipzig-Holzhausen, Plauen, Chemnitz, Fichtelberg, Dresden und Görlitz) berechnet. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 2 von 30 Besonders augenfällig sind ein stark ausgeprägter Rückgang der „Kalten Nächte“* und eine deutliche Zunahme der „Warmen Nächte“* sowie der „Warmen Tage“* in den vergangenen 30 Jahren. Die nahezu in allen Regionen der Welt beobachtete Abnahme der „Kalten Nächte“ ist mit Blick auf die globale Erwärmung eines der bemerkenswertesten Klimasignale der Gegenwart. Eine deutliche Zunahme der Starkniederschläge (Tagessummen größer als 10 mm) ist lediglich für den Raum Leipzig zu konstatieren. Trotz globaler Erwärmung kann es lokal und vorübergehend zu Kälteextremen kommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch noch jahreszeitliche Kälterekorde auftreten werden, ist allerdings heute bereits außerordentlich gering aufgrund der generell und großräumig ansteigenden Lufttemperaturen in allen Jahreszeiten (Warming Background*). Mit der Studie wird ein erster Versuch unternommen, insbesondere für den sächsischen Raum einige außergewöhnliche Extreme aus jüngster Zeit auch im Kontext mit nordhemisphärischen und europäischen Entwicklungen zu betrachten. Seit der Jahrtausendwende sind in den mittleren Breiten der Nordhemisphäre – also auch in weiten Teilen Europas – außergewöhnliche Witterungsereignisse in zunehmendem Maße zu beobachten. Über die Ursachen wird derzeit eine intensive wissenschaftliche Debatte geführt. Die beobachteten monatlichen und jahreszeitlichen Wärme- oder Hitzeextreme in Sachsen können in jüngster Zeit nicht mehr allein auf größere Häufigkeiten von Großwetterlagen, die a priori eine zu warme Witterung mit sich bringen, zurückgeführt werden. Eine zunehmende Bedeutung gewannen seit der Jahrtausendwende nordhemisphärische Hot Spots*, die als globales Hintergrundsignal der stattfindenden Erwärmung betrachtet werden können. Das Zusammenwirken von globaler (nordhemisphärischer) Erwärmung, dem Auftreten und der Andauer typischer Zirkulationsmuster in Europa und letztendlich auch dem Zufall wird in der nahen Zukunft die entscheidende Rolle für das Auftreten von Witterungsextremen und Witterungsrekorden der Lufttemperatur in Sachsen spielen. Für den Klimaparameter Niederschlag sind die Zusammenhänge allerdings weit komplexer, und Niederschlagsextreme zeigen eine viel stärkere lokale Prägung als die Temperaturextreme. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 3 von 30 1 Treibhausgase – Hauptursache der globalen Erwärmung Verursacht wird die Klimaerwärmung vorwiegend durch Treibhausgase, die aus der Verbrennung fossiler Energieträger zur Deckung des Energiebedarfes der menschlichen Gesellschaft stammen. Eine Rückschau in die Erdgeschichte, um Millionen oder gar hunderte von Millionen Jahren, führt zu der Feststellung, dass sich das Klima der Erde von Natur aus zwischen extremer Kälte und Hitze bewegte, sodass die Entwicklung einer menschlichen Zivilisation kaum denkbar gewesen wäre. Neben astronomischen Einflüssen wie Erdbahnänderungen, Änderungen der Sonnenhelligkeit etc. üben die Treibhausgase (THG*) maßgeblichen Einfluss auf Klimaschwankungen aus. Mit Beginn der verstärkten Industrialisierung ab etwa 1850 stieg die Konzentration des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Atmosphäre von rund 280 ppmV* um etwa 43 % auf gegenwärtig 400 ppmV an. In den letzten 800.000 Jahren betrug die CO 2-Konzentration nie über 300 ppmV, während der Eiszeiten sank die Konzentration sogar in den Bereich von 180–210 ppmV. In den vergangenen 15 Jahren stieg die CO 2-Konzentration jährlich um etwa 2 ppmV. Leider kann kein Rückgang der CO2-Emissionen vermeldet werden. Im Jahr 2014 wurden mindestens 32,6 Mrd. t CO 2 in die Atmosphäre emittiert. Waren in der Vergangenheit die klassischen Industrieländer die Emissionsspitzenreiter, so hat längst die Verlagerung Richtung China sowie in die sogenannten Schwellenländer stattgefunden. Wenn es der Weltgemeinschaft nicht gelingt, die THG-Emissionen entscheidend zu reduzieren, wird die globale Erwärmung nicht aufzuhalten sein. CO2 ist sicher, wegen der riesigen Emissionsmengen, als das wichtigste THG einzuordnen. Neben CO2 zeichnen sich zwei weitere THG durch ihre Klimaschädlichkeit aus: Methan (CH4) und Distickstoffoxid (N2O), auch als Lachgas bekannt. CH4 verfügt gegenüber CO2 über den Wirkungsfaktor 21 und N2O sogar über den Wirkungsfaktor 310. Aufgrund erdgeschichtlicher CO2-Konzentrationen und daraus resultierender Temperaturen kann die Wirksamkeit von CO 2 bezüglich der heutigen und künftigen Erderwärmung (Klimasensitivität) abgeschätzt werden. Bei einer Verdoppelung der vorindustriellen CO2-Konzentration in der Atmosphäre – auf 560 ppmV – würde die Temperatur um rund 3 °C zunehmen. Für den Klimaschutz ist entscheidend, dass aufgrund der riesigen Emissionsmengen zunächst der Ausstoß des CO2 verringert wird, noch vor allen anderen THG. Für den Meeresschutz ist die Verringerung des CO2Ausstoßes doppelt wichtig: Zum einen um die globale Erwärmung und damit die Erwärmung der Meere und zum anderen um die Versauerung der Meere zu begrenzen. Die globale Erwärmung führt in zunehmendem Maße zu Wetterextremen aller Art, steigendem Meeresspiegel, schmelzenden Eisschilden und Gletschern, Versteppungen etc. Mit dem immer wärmeren Klima kommt es auch zum Auftauen Jahrtausende alter Permafrostböden in Sibirien, Alaska und Kanada, in dessen Ergebnis das viel stärkere THG Methan freigesetzt wird. Dieser Auftauprozess hat nachweisbar bereits begonnen. Sollte es nicht gelingen, den globalen Temperaturanstieg zu begrenzen, dann könnte der CH4-Gehalt in der Atmosphäre um ein Vielfaches ansteigen, mit der Wirkung, dass die bereits stattfindende Erwärmung sich in erheblichem Maße verstärkt und weiter beschleunigt. Es steht außer Frage, dass auch die natürlichen Faktoren, wie Sonnenstrahlung, Wolkenbildung, Vulkanausbrüche, Meeresströmungen, Eisbedeckungen etc. die globale Lufttemperatur beeinflussen. Doch in den letzten Jahrzehnten bestimmten die anthropogen verursachten zusätzlichen Treibhausgase, die aus Energiewandlung, Industrie, Verkehr, Landwirtschaft, Brandrodungen und Haushalten stammen, den Trend für die steigende Globaltemperatur. Noch nie in der jüngeren Erdgeschichte ist der Treibhauseffekt der Erdatmosphäre so hoch gewesen wie heute und, was noch folgenreicher ist, noch nie nahm er so rasch zu. Aus dieser veränderten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 4 von 30 Zusammensetzung der Atmosphäre folgt die heute dominierende Störung des globalen Klimasystems. Natürliche Klimaschwankungen werden also vom menschlichen Einfluss immer stärker überlagert. Das Klimasystem reagiert allerdings nur mit einiger Verzögerung auf den Treibhausgasanstieg, sodass die heute sichtbaren Veränderungen bereits vor einigen Jahrzehnten angestoßen worden sind. Der globale Klimawandel ist somit längst Realität. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 5 von 30 2 Aktueller Sachstand zum globalen und regionalen Klimawandel 2.1 Globaler Klimawandel Die seit vielen Jahrzehnten weltweit gesammelten Klimadaten erlauben heute eine zuverlässige Beurteilung der globalen Klimaentwicklung anhand der bodennahen Lufttemperatur seit der Mitte des 19. Jh. Die Befunde sind eindeutig: Nach ausgeprägt niedrigen Temperaturen bis in das 20. Jh. hinein hat sich das globale Klima seither unter Schwankungen erwärmt, besonders deutlich seit etwa 1980. Gegenwärtig wird an der Erdoberfläche eine globale, regional unterschiedliche und schubweise verlaufende Erwärmung beobachtet. Man erkennt drei Phasen der globalen Temperaturtrends: eine frühe Erwärmungsphase bis etwa 1940, eine nachfolgende Stagnation bis in die 70er Jahre und seitdem einen neuen ungebrochenen Erwärmungstrend. Eine „Pause“ des globalen oder auch des nordhemisphärischen Temperaturanstieges hat es auch aus statistischer Sicht nicht gegeben. Abb. 2-1. Trend der Jahresmittelwerte der globalen Anomalien der Lufttemperatur im Zeitraum 1880–2014; a) positive Anomalien (rot); b) negative Anomalien (blau); Datenquelle: NASA Goddard Institute for Space Studies In Abb. 2-1 ist der Gang der auf den von der NASA verwendeten Referenzzeitraum* 1951–1980 bezogenen jährlichen Anomalien der global gemittelten Lufttemperatur von 1880–2014 dargestellt (Basis: Datenreihe NASA/GISS*). Es ist zu erkennen, dass die Kurve unter Schwankungen vom Beginn bis zum Ende der 1930er Jahre immer unter der Nulllinie verläuft. Das globale Klima war in dieser Zeit also einige Zehntel Grad kühler als im Referenzzeitraum. Seit dem ersten Jahrzehnt des 20. Jh. ist ein Anstieg der Lufttemperatur erkennbar. Die Erwärmung erreichte in den 1940er Jahren einen ersten Höhepunkt. Nach Jahren mit Schwankungen um ein niedrigeres BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 6 von 30 Niveau stieg die Temperatur seit den 1970er Jahren an, wobei sich die Abweichungen seit 1979 nur noch im positiven Bereich bewegen. Die bisher höchste Anomalie* wurde 2014 erreicht und damit der bisherige Rekord aus dem Jahre 2010 eingestellt. Man muss hinzufügen, dass das Jahr 2014 weder ein El-Nino- noch ein El-Nina-Jahr gewesen ist und die Rekordmarke somit gewissermaßen El-Nino-neutral zustande gekommen ist. Zwischen 1880 und 2014 hat sich die globale Lufttemperatur um 0,89 °C erhöht. Das letzte Jahrzehnt (2001–2010) war mit erheblichem Abstand das wärmste seit Beginn der Messungen und sogar noch um 0,22 °C wärmer als die weltweit im Mittel zuvor wärmsten 1990er Jahre. Besonders markant fiel die Erwärmung in der Arktis aus, wo sie im jährlichen Mittel mehr als doppelt so hoch ist wie im globalen Durchschnitt (z. B. stieg die Lufttemperatur in Danmarkshavn im Osten Grönlands seit 1961 um 2,2 °C an – gegenüber einem globalen Trend im gleichen Zeitraum von 0,86 °C). Betrachtet man Perioden kleiner als etwa 10–20 Jahre, so können Kurzzeit-Variationen (infolge natürlicher Schwankungen) den anthropogenen Erwärmungstrend zeitweise mehr als kompensieren. Kurzzeit-Variabilität wird primär zurückgeführt auf ENSO*, die Sonnenvariabilität* (vor allem der 11-Jahres-Zyklus) und die Vulkanaktivität. Der langfristige Erwärmungstrend kann durch diese Faktoren allerdings nicht signifikant beeinflusst werden. Als Zeitspanne für zuverlässige Aussagen über die Entwicklung der globalen Temperatur sollten mindestens etwa 30 Jahre zugrunde gelegt werden. Global konnte das Jahr 2014 als das wärmste Jahr seit Vorliegen der Messdaten im Jahr 1880 bestimmt werden. Jedes einzelne Jahr unseres neuen Jahrhunderts (2001–2014) gehört zu den 15 global und nordhemisphärisch wärmsten Jahren seit Beginn der instrumentellen Messungen (NASA/GISS). Inzwischen deutet sich ein neuer Rekordwert für das Jahr 2015 an. Das erste Halbjahr 2015 war global und nordhemisphärisch das bislang jeweils mit Abstand wärmste Halbjahr seit Vorliegen der Datenreihen. Diese Entwicklung hat sich bis September fortgesetzt. Abb. 2-2. Globale und regionale Trends der Lufttemperatur im Zeitraum 1961–2014 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 7 von 30 2.2 Klimawandel in Deutschland Zwischen 1961 und 2014 (in der Studie verwendete Auswerteperiode) haben sich in Deutschland die Jahresmittelwerte der Lufttemperatur um 1,65 °C erhöht (Abb. 2-2 [Seite 7] und Abb. 2-3). Die Erwärmungsrate liegt damit weit über dem globalen Trend. Auch in Deutschland manifestierte sich das vergangene Jahrzehnt als das wärmste seit Beginn der instrumentellen Messungen im Jahr 1761; jedoch dichter gefolgt von den 1990er Jahren als im globalen Durchschnitt. Mit 10,3 °C war das Jahr 2014 das wärmste Jahr in Deutschland seit 1761 und sogar um 0,4°C wärmer als die bislang gemeinsam führenden Jahre 2000 und 2007. Abb. 2-3. Trend der jährlichen Anomalien der Lufttemperatur in Deutschland im Zeitraum 1761– 2014; a) positive Anomalien (rot); b) negative Anomalien (blau); Datenbasis: Wikipedia 2.3 Klimawandel in Sachsen Im Zeitraum 1961–2014 stiegen die Jahresmitteltemperaturen in Dresden um 1,41 °C an (Abb. 2-4). Die Erwärmungsrate liegt damit deutlich unter dem deutschen Trend. Abb. 2-2 vermittelt zugleich, inwieweit die jahreszeitlichen Veränderungen zu dieser Differenz beigetragen haben. Man sieht, dass die Abweichungen im Herbst dabei die wichtigste Rolle gespielt haben. Mit 10,9 °C konnte das Jahr 2014 auch in Dresden als das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen verzeichnet werden und übertraf dabei immerhin das bislang allein führende Jahr 2000 noch um 0,3 °C. In Abb. 2-4 ist der Gang der auf den Referenzzeitraum 1961– 1990 bezogenen jährlichen Anomalien der Lufttemperatur in Dresden 1917–2014 dargestellt. Man erkennt, dass die Schwankungen von Jahr zu Jahr noch stärker zum Ausdruck kommen als bei über größere Räume gemittelten Zeitreihen der Lufttemperatur (z. B. bei der globalen Temperaturreihe). BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 8 von 30 Abb. 2-4. Trend der jährlichen Anomalien der Lufttemperatur in Dresden im Zeitraum 1917–2014; a) positive Anomalien (rot); b) negative Anomalien (blau); Datenbasis: DWD*/Hoy BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 9 von 30 3 Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation in Europa 3.1 Veränderungen des Jetstream Die atmosphärische Zirkulation entsteht im Wesentlichen durch die unterschiedlich starke Erwärmung der Erde am Äquator und an den Polen. Der für die mittleren nördlichen Breiten relevante Polarfront-Jetstream (auch als Strahlstrom bezeichnet) ist ein starker, schmaler (Wind-)Strom in der Troposphäre und wird verursacht von den starken Temperaturunterschieden zwischen subpolaren und subtropischen Luftmassen. Dessen Zentrum liegt in etwa 10 km Höhe. Der Jetstream bildet Wellen aus, die teilweise weit nach Norden oder Süden ausbuchten können und so zum Temperaturausgleich zwischen dem Polargebiet und den südlichen Breiten beitragen. Die Wellentäler werden als „Tröge“, die Wellenberge auch als „Rücken“ bezeichnet. Die Intensität der atmosphärischen Zirkulation wird dominant geprägt von horizontaler Temperaturdifferenz zwischen Äquator und Pol. Infolge des überdurchschnittlichen und durch Rückkopplungseffekte verstärkten Temperaturanstieges in der Arktis hat diese Temperaturdifferenz in den vergangenen drei Jahrzehnten deutlich abgenommen. Insbesondere im Sommer hat sich demzufolge die atmosphärische Zirkulation in der Nordhemisphäre abgeschwächt. Die Wechselwirkungen zwischen Eisverbreitung und Klima sind sehr komplex und enthalten mehrere Rückkopplungseffekte. Der gegenwärtig beobachtete Rückzug der Eisgrenze in der Arktis führt notwendigerweise auch zu Verlagerungen der Zugbahnen der Tiefdruckgebiete im Westwindgürtel der Nordhalbkugel und zu Veränderungen der großräumigen Luftdruckverteilung. Die subtropische Hochdruckzone (Hadley-Zelle) verschiebt sich dabei allmählich in Richtung Pol. Schon geringe Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation können die Verteilung von Niederschlägen und Temperaturverhältnissen in bestimmten Regionen merkbar modifizieren. Der Jetstream, welcher die Abfolge und Ausprägung von Hoch- und Tiefdrucksystemen in den mittleren nördlichen Breiten steuert, verändert(e) seine Eigenschaften und wird inzwischen durch eine vergrößerte Amplitude (er ufert also stärker nach Norden beziehungsweise Süden aus) sowie eine Tendenz zur Verlangsamung des Fortschreitens der Wellen geprägt. Das gilt besonders für den Herbst und Winter, macht sich aber auch im Sommer bereits öfter bemerkbar. Hierdurch können sich häufiger blockierende Wetterlagen (z. B. sogenannte Omega-Lagen) ausbilden. Diese weichen teils über Wochen kaum von der Stelle. Viele Arten von Extremwetter werden durch diese stabilen Bedingungen verursacht. Hält diese Entwicklung an, so sind auch in Sachsen die Voraussetzungen für länger andauernde und damit schwerwiegendere Extremereignisse als bisher (Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen) gegeben. 3.2 Veränderungen der Häufigkeiten der Großwetterlagen Atmosphärische Zirkulationsprozesse sind mit dem Begriff der Großwetterlagen verbunden. Zirkulationsveränderungen ziehen auch Änderungen der Häufigkeitsverteilung der europäischen Großwetterlagen nach sich. Auf derartige Änderungen reagieren die klimatologischen Charakteristiken eines Ortes oder einer Region sehr empfindlich (und teilweise sogar gegenläufig). Eine Großwetterlage ist definiert durch die mittlere Luftdruckverteilung in Meereshöhe und der mittleren Troposphäre in einem großen Gebiet (etwa von der Größe Europas) über den Zeitraum von einigen Tagen. Die Großwetterlage bestimmt den Charakter eines Witterungsabschnittes. Für Europa wurden 29 Großwetterlagen definiert. Sie liegen für jeden Tag seit 1880 vor. Auch eine detaillierte Analyse der Großwetterlagen Mitteleuropas liefert erste Anhaltspunkte für eine sich verändernde großräumige Zirkulation auf der Nordhalbkugel im letzten Jahrzehnt. So haben die Trogwetterlagen, die mit den Ausbuchtungen des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 10 von 30 Jetstream nach Süden (Tröge) im Zusammenhang stehen, signifikant zugenommen (Abb. 3-1). Abb. 3-1. Entwicklung der jährlichen Häufigkeiten der Trog-Wetterlagen (Trog Mitteleuropa [TrM] und Trog Westeuropa [TrW]) im Zeitraum 1880–2014 (grün); LOESS-geglättete Trendkurve (rot) mit 95-%-Vertrauensbereich (grau) Dies gilt auch für die zyklonalen* Südwestlagen*, die in den vergangenen Jahren immer häufiger in Erscheinung treten (Abb. 3-2) und damit die Witterung in Sachsen stark beeinflussen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 11 von 30 Abb. 3-2. Entwicklung der jährlichen Häufigkeiten der zyklonalen Südwest-Wetterlagen (SWz) in Mitteleuropa im Zeitraum 1880–2014 (grün); LOESS-geglättete Trendkurve (rot) mit 95-%Vertrauensbereich (grau) Zunahmen zeigt aus statistischer Sicht auch die Großwetterlage Hochdruckbrücke Mitteleuropa* (Abb. 3-3). Ihre mittlerweile starke Präsenz beispielsweise im April führte zu veränderten Temperatur- und Niederschlagscharakteristiken in diesem Monat. Häufigere Wärme- und Trockenepisoden waren die Folge und führen bereits zu negativen Auswirkungen u. a. in Land- und Forstwirtschaft. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 12 von 30 Abb. 3-3. Entwicklung der jährlichen Häufigkeiten der Großwetterlage Hochdruckbrücke Mitteleuropa (BM) im Zeitraum 1880–2014 (grün); LOESS-geglättete Trendkurve (rot) mit 95-%Vertrauensbereich (grau) Die auffälligsten Veränderungen der Häufigkeiten von Großwetterlagen in den einzelnen Monaten und Jahreszeiten, die insbesondere auch für Sachsen von großer Bedeutung sind, werden nachfolgend stichpunktartig skizziert: Trog Mitteleuropa (TrM) generelle Zunahme (Ausnahme Oktober und November) Südwest zyklonal (SWz) Zunahme besonders im Sommerhalbjahr Nordwest zyklonal (NWz) Abnahme im Sommerhalbjahr und Zunahme im Winterhalbjahr Hochdruckbrücke (BM) Zunahme vor allem im Frühjahr Hoch Mitteleuropa (HM) Markante Abnahme im Herbst (auch im Juli, August und Februar), Zunahmen im April, Januar und Dezember Mit welchen Konsequenzen für Sachsen sind diese gegenwärtigen Veränderungen der aufgeführten Großwetterlagen aus heutiger Sicht primär verbunden?: Trog Mitteleuropa (TrM) höhere Wahrscheinlichkeit für Hochwassersituationen im Osten Sachsens Südwest zyklonal (SWz) höhere Wahrscheinlichkeit für Hitzeepisoden und Starkregen im Sommer Nordwest zyklonal (NWz) Abnahme kühler und niederschlagsreicher Witterungsabschnitte im Sommer Hochdruckbrücke (BM) Zunahme sehr warmer und trockener Witterung im Frühjahr, besonders im April (Abb.3-4); seltener typisches Aprilwetter; häufigere Trockenperioden Hoch Mitteleuropa (HM) selteneres Auftreten des bekannten sonnigen und warmen „Altweibersommers“ BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 13 von 30 3-4. Differenz der Niederschlagshöhen zwischen den Zeiträumen 2001–2010 und 1961–1990 (gültiger Referenzzeitraum) in Sachsen; verbreitet sind Rückgänge um 20 bis 40 % zu erkennen; Datenquelle: www.rekis.org BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 14 von 30 4 Wetter- und Witterungsextreme in Sachsen 4.1 Wetter- und Witterungsextreme im Klimawandel Wetter und Klima sind nicht dasselbe. Wetter ist das aktuelle Geschehen in der Atmosphäre, nämlich der Zustand von meteorologischen Parametern wie Temperatur, Niederschlag, Windstärke und Bewölkung. Das Klima ist erst einmal eine statistische Größe. Wird untersucht, ob und wie sich das Klima verändert, werden die Durchschnittswerte des Wetters über einen längeren Zeitraum hinweg betrachtet. Klima ist sozusagen das durchschnittliche Wetter. Es geht zunächst darum, langfristige Trends der Klimaparameter zu untersuchen. Ein Extremereignis, wie beispielsweise ein Hochwasserereignis oder ein besonders heißer Sommer, ist längst kein Beleg für einen Klimawandel. Aber die Häufung von Extremereignissen, die Zunahme ihrer Intensität oder insbesondere auch die Veränderung der Charakteristiken der Extremereignisse gegenüber den bekannten „normalen“ Eigenschaften können in der Zusammenschau durchaus als Symptome des Klimawandels gewertet werden. Seit der Jahrtausendwende sind in den mittleren Breiten der Nordhemisphäre zunehmend derartige Witterungsereignisse zu beobachten. Über die konkreten Ursachen wird derzeitig eine intensive wissenschaftliche Debatte geführt. Es sollte zunächst klar zwischen Witterungsextremen und Wetterextremen getrennt werden. Witterungsextreme (zeitlicher Bezug z. B. Monate oder Jahreszeiten) treten viel großräumiger auf und lassen sich in der Summe eher in Verbindung mit dem Klimawandel bringen als Wetterextreme, die einen Bezug etwa zu Stunden- oder Tageswerten der Klimaparameter haben. Die sogenannten Randextreme sind seltene Wetterextreme, die beispielsweise nur einmal in zehn oder 100 Jahren auftreten. „Moderate Extreme“ kann man typischerweise einige Male jedes Jahr beobachten und erlauben viel besser als Randextreme die Beantwortung spezifischer Fragestellungen zum Klimawandel in einer Region. „Moderate Extreme“ wurden von der Meteorologischen Weltorganisation (WMO) in Form von Klimaindizes definiert – einige ausgewählte Beispiele sind in die vorliegende Studie integriert worden. Bei der näheren Betrachtung der Klimadatenreihen lässt sich erkennen, dass der typische Wechsel wärmerer und kühlerer Jahre infolge natürlicher und zufälliger Schwankungen umso stärker in Erscheinung tritt, je kleiner der räumliche Maßstab gewählt wird (global → regional → lokal). Die Abbildungen des Trends der Lufttemperatur zeigen darüber hinaus, dass die Schwankungen auf einem immer höheren Temperaturniveau erfolgen. Kalte Winter erreichen bereits heute infolge der nordhemisphärischen Erwärmung (Warming Background) in Deutschland in der Regel nicht mehr das niedrige Niveau wie noch vor 50 bis 100 Jahren. Andererseits nimmt die Wahrscheinlichkeit sehr warmer Sommermonate deutlich zu. 4.2 Witterungsrekorde in Sachsen In Sachsen konnte der bislang wärmste Sommer im Jahr 1992 beobachtet werden. Der allgemein in Deutschland geltende Rekordsommer 2003 rangiert hier nur auf Rang 2. Der Osten Deutschlands hatte im Sommer 2003 generell nicht so unter der Hitze zu leiden wie der Westen und Süden Deutschlands. Ganz andere räumliche Zuordnungen sind für den Sommer 1992 zutreffend. Hier waren im Deutschland-Vergleich Sachsen und Südbrandenburg am stärksten betroffen. Wärmerekordmarken für die weiteren Jahreszeiten setzten der Herbst 2006, der Winter 2006/2007 und das Frühjahr 2007. Aktuell kann festgestellt werden, dass sich das Jahr 2014 global, in Deutschland und auch in Sachsen als das wärmste je gemessene Jahr erwiesen hat. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 15 von 30 Die beobachteten monatlichen und jahreszeitlichen Wärme- oder Hitzeextreme in Sachsen können in jüngster Zeit nicht mehr allein auf größere Häufigkeiten von Großwetterlagen, die a priori eine zu warme Witterung mit sich bringen, zurückgeführt werden. So haben für die Ausprägung solcher Extreme in Deutschland seit der Jahrtausendwende nordhemisphärische Hot Spots als globales Hintergrundsignal der Erwärmung vermutlich eine wichtige Rolle gespielt. Diese Hot Spots sind Episoden, in denen die mittlere Lufttemperatur der Nordhemisphäre über mehrere Monate hinweg auffällige Spitzenwerte aufweist. Für jeden Monat fortlaufend gebildete 12Monatsmittelwerte der Lufttemperatur in der Nordhemisphäre machen diese ausgeprägten Wärmeepisoden oder Hot Spots in der Nordhemisphäre sichtbar, die aus den Tabellen und Darstellungen der üblichen monatlichen und jahreszeitlichen Mittelwerte in der Regel nicht erkennbar sind (Abb. 4-1). Abb. 4-1. Gleitende 12-Monatsmittelwerte der Lufttemperatur-Anomalien in der Nordhemisphäre für den Zeitraum 01/2005–10/2015 (der letzte eingetragene Gleitmittelwert bezieht sich auf die zwölf Monate von 11/2014 bis 10/2015 und stellt mit +1,06 °C zugleich den bisherigen Rekordwert dar); für das Kalenderjahr 2014 (Monate 01/2014 bis 12/2014) beträgt die Anomalie vergleichsweise „nur“ +0,91 °C; das Maximum des früheren Hot Spots“im Jahr 2006 liegt bei +0,9 °C (05/2006 bis 04/2007); Die deutschen und zugleich auch sächsischen Jahreszeitenrekorde Herbst 2006, Winter 2006/07 und Frühjahr 2007 lassen sich nur erklären, wenn der bis dahin stärkste nordhemisphärische Hot Spot neben den Wetterlagen auch mit in Betracht gezogen wird. Der Rekordherbst 2006 fällt hinsichtlich der positiven Temperaturanomalien völlig aus dem bisherigen Spektrum der Beobachtungen heraus. Hier hatten ganz besonders warme Südwestwetterlagen auf das ohnehin bereits hohe Temperaturniveau noch draufgesattelt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 16 von 30 Nachfolgend wird ein erster Versuch unternommen, insbesondere für den sächsischen Raum einige außergewöhnliche Extreme in jüngster Zeit auch im Kontext mit nordhemisphärischen und europäischen Entwicklungen zu betrachten. 4.3 Rekord-Hitze im Hochsommer 2015 Beispielhaft für Sachsen kann der vergangene Hochsommer (Monate Juli und August) 2015 in Dresden in Betracht gezogen werden, der die bisherigen Spitzenreiter – die Hochsommer der Jahre 1994 und 1992 – mit einem Mittelwert von 21,4 °C sogar noch um 0,5 °C übertroffen hat (Abb. 4-2). Der neue Rekord bezieht sich auf den Messzeitraum 1917–2015. Der Hochsommer 2015 brachte 24 Hitzetage (Bezeichnung für Tage, an denen die Tageshöchsttemperatur 30 °C erreicht oder übersteigt) und übertraf damit deutlich die Jahre 2006 und 1994 (je 19 Tage). Gleichzeitig resultierte auch noch ein Rekord an Wüstentagen (Bezeichnung für Tage, an denen die Tageshöchsttemperatur 35 °C erreicht oder übersteigt) mit 6 Tagen (1994 waren es 3 Tage). Der August 2015 war im östlichen Deutschland verbreitet der heißeste August seit Beginn der Aufzeichnungen. In Dresden-Klotzsche konnte mit einer mittleren Augusttemperatur von 22,0 °C der bislang höchste Augustwert (Jahr 1992: 21,7 °C) überboten werden. Mit 12 Hitzetagen wurde auch die bisherige Rekordmarke für die Anzahl der Hitzetage pro Monat aus dem Jahr 1992 (10 heiße Tage) übertroffen (Bezug: Messreihe ab 1961). Die Rekordhitze in weiten Teilen Mitteleuropas im Sommer 2015 weist Bezüge zu aktuell beobachteten neuen nordhemisphärischen Rekordwerten der Lufttemperatur auf. Abb. 4-2. Trend der Mittelwerte der Lufttemperatur im Hochsommer in Dresden-Klotzsche im Zeitraum 1960–2015; eingetragen ist der neue Rekordwert (21,4 °C/Jahr 2015) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 17 von 30 4.4 Der spektakuläre Winter 2013/14 in Europa Gleich vorweg sei erwähnt, dass es sich hier nicht um einen sehr kalten oder gar schneereichen Winter in Sachsen handelte. Dieser Winter ist aus meteorologischer Sicht besonders interessant, weil er geprägt war von einem Zusammenspiel ganz winteruntypischer Charakteristiken. Der Winter 2013/14 erwies sich in Sachsen als sehr mild, trocken, schneearm und sonnig – eine in dieser Jahreszeit äußerst ungewöhnliche Konstellation. In der Regel sind milde Winter auch feucht und durch das Vorherrschen von Westwetterlagen geprägt. Abb. 4-3 lässt erkennen, dass antizyklonale* und zyklonale Westwetterlagen (Wa und Wz) in dem betrachteten Winter jedoch keine wesentliche Rolle gespielt haben. Abb. 4-3. Häufigkeiten der Großwetterlagen in Mitteleuropa im Winter 2013/14; Abkürzungen der Namen der 29 Großwetterlagen sind auf der x-Achse aufgetragen (z. B. Wa (Westlage antizyklonal), SWz (Südwestlage zyklonal), Hoch Mitteleuropa (HM), Trog Mitteleuropa (TrM)) Bei Betrachtung der Verteilung der Großwetterlagen für diesen Zeitabschnitt in Abb. 4-3 fällt eine sehr ungewöhnliche Häufung von Südwestlagen (mit 40 % aller Wintertage übrigens ein neuer Rekord an Südwestlagen im Winter) auf, die im Zusammenhang mit einem lang anhaltenden untypischen Zirkulationsmuster über Westeuropa gesehen werden muss. Das sehr beständige Muster des Jetstream über dem Nordatlantik sorgte für den sehr milden und trockenen Winter in Mitteleuropa und auf der anderen Seite zu wiederholt schweren Stürmen und anhaltenden Regenfällen und Überschwemmungen in weiten Teilen Englands. Mit außerordentlicher Konstanz hielt sich über Wochen eine straffe Westströmung über dem Nordatlantik, die erst über Westeuropa scharf nach Norden geführt wurde. Bei diesem meridionalen Zirkulationsmuster konnten mit einer vorwiegend südlichen Höhenströmung von Nordafrika bis nach Nordskandinavien immer wieder recht milde und trockene Luftmassen nach Mitteleuropa geführt werden. Frontensysteme wirkten sich hauptsächlich im Westen Deutschlands aus, während ihre BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 18 von 30 Wetteraktivität nach Osten hin erheblich abnahm. Insgesamt war die ungewöhnlich lange Andauer des beschriebenen Musters des Jetstream (in Deutschland verbunden mit einer vorherrschenden Südwestströmung) verantwortlich für die außergewöhnlichen und gegensätzlichen Witterungsepisoden in Sachsen und in England. 4.5 Das Rekordhochwasser Ende Mai/Anfang Juni 2013 Ende Mai 2013 bahnte sich entlang der Elbe und der Donau eine noch größere Flut als im August 2002 an. Wasserstände, wie sie streckenweise noch niemals zuvor gemessen wurden, sorgten für Schäden in Milliardenhöhe. Bereits mit Beginn der 3. Maidekade bildete sich eine Troglage (Trog Mitteleuropa) aus, aus der später ein räumlich weit ausgedehnter Tiefdruckkomplex über Mitteleuropa hervorging, welcher bis Anfang Juni wetterbestimmend blieb. Flankiert wurde dieser mächtige Trog durch ein ortsfestes Nordmeer-Hoch, das zeitgleich in Nordskandinavien für eine für diese Jahreszeit ungewöhnliche Hitzewelle sorgte, sowie im Westen von hohem Luftdruck über dem Ostatlantik. Es handelte sich in der Gesamtschau um eine die Westwindzirkulation blockierende, weit ausgedehnte Omega-Lage in Europa. In dem Tiefdruckkomplex selbst sorgten um den Kern kreisende kleine Tiefs und Höhentiefs immer wieder für stärkere Niederschläge, die in der Summe über mehrere Tage zu dem Hochwasser in weiten Teilen Mitteleuropas führten (Abb. 4-4). Abb. 4-4. Hochwasser an der Elbe in Radebeul am 6. Juni 2013; Foto: Küchler Insofern ist dieses Ereignis aus meteorologischer Sicht auch anders zu bewerten als das Augusthochwasser 2002, für das eine typische sogenannte Vb-Wetterlage* verantwortlich gemacht werden konnte. Das über einen relativ langen Zeitraum sehr stabile Zirkulationsmuster Ende Mai/Anfang Juni 2013 passt insofern auch eher zum Bild sich insgesamt wandelnder Zirkulationsverhältnisse in der Nordhemisphäre als das in diesem Kontext zu Unrecht im Mittelpunkt stehende Hochwasser im August 2002. Bemerkenswert ist auch der Sachverhalt, dass es sich in beiden Fällen um Sommer-Hochwasser handelte. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 19 von 30 4.6 Kann es auch in Zukunft noch zu Kälte-Rekorden kommen? Trotz globaler Erwärmung kann und wird es sicher lokal und vorübergehend zu Kälteextremen kommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch noch jahreszeitliche Kälterekorde auftreten werden, ist allerdings außerordentlich gering aufgrund der generell und großräumig weiter ansteigenden Lufttemperaturen in allen Jahreszeiten (Warming Background). Die durch natürliche Einflussfaktoren und den Zufall bedingte Streuung der Mittelwerte der Lufttemperatur in der betrachteten Jahreszeit bleibt weitgehend erhalten – das gut erkennbare Auf und Ab der einzelnen Werte erfolgt aber inzwischen auf einem immer höheren Niveau. Tiefe Ausschläge nach unten erreichen also auch nicht mehr solche Minima wie noch Jahrzehnte oder Jahrhunderte zuvor. Wird das Zeitfenster auf eine monatliche Basis verkleinert, dann erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Rekorde. Hier kann es bei einer zufallsbedingten Abfolge sehr kalter Großwetterlagen durchaus zu Überraschungen kommen. Der März 2013 lieferte ein Paradebeispiel hierfür. Er soll hier näher betrachtet werden. 4.7 Der extrem kalte März 2013 Nachdem es zu Beginn des März schon einige sonnige und milde Frühlingstage gegeben hatte, geriet Deutschland am Südrand eines kräftigen Hochs über Skandinavien in den Zustrom teilweise sehr kalter Luftmassen. Vor allem die im März sehr kalten Großwetterlagen Hnz (Hoch Nordmeer zyklonal) und HNa (Hoch Nordmeer antizyklonal) spielten hierbei die Hauptrolle (Abb. 4-5). Abb. 4-5. Mittlere Lufttemperatur-Anomalien der Großwetterlagen in Mitteleuropa für den Monat März im Zeitraum 1961–2014; Abkürzungen der Namen der 29 Großwetterlagen sind auf der xAchse aufgetragen (z. B. HNa (Hoch Nordmeer antizyklonal); NEz (Nordostlage zyklonal); Hoch Mitteleuropa (HM); Trog Mitteleuropa (TrM)) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 20 von 30 Diese bescherten vor allem dem Norden und Osten eine winterliche Witterung mit Dauerfrost und geschlossener Schneedecke. Im Raum Dresden erwies sich der März 2013 mit einer Mitteltemperatur von -1,1 °C als der kälteste seit Vorliegen der Messungen im Jahre 1917 (Abb. 4-6). Das Monatsmittel lag mit -1,1 °C noch niedriger als die Durchschnittstemperaturen des vorangegangenen Januar und Februar. Damit wurden in der Dresdner Reihe die bisher kältesten Märzmonate seit 1917 (1987 und 1958 mit -0,8 °C) noch unterboten. Im 18. und im 19. Jahrhundert gab es aber zwei noch wesentlich kältere Märzmonate in Deutschland (1785 und 1845 mit Monatsmittelwerten von jeweils -3,7 °C). Die höchsten negativen Abweichungen vom Referenzwert konnten in den Bundesländern Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt beobachtet werden. Im Tiefland Sachsens lagen die negativen Abweichungen zwischen -5,2 und -5,9 °C. Abb. 4-6. Trend der Monatsmittelwerte der Lufttemperatur im Monat März in Dresden-Klotzsche im Zeitraum 1960–2015; eingetragen wurde der Mittelwert der Lufttemperatur im März 2015 Die nachfolgende Abbildung (Abb. 4-7) verdeutlicht die für den Monat März charakteristischen mittleren Temperaturanomalien für jede der 29 Großwetterlagen. Großwetterlagen mit vorherrschenden Luftströmungen aus Nordost zeigen die stärksten negativen Abweichungen vom Referenzwert. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 21 von 30 Abb. 4-7. Mittlere Lufttemperatur-Anomalien der Großwetterlagen in Mitteleuropa für den Monat März im Zeitraum 1961–2014; positive Anomalien (rot), negative Anomalien (blau); Abkürzungen der Namen der 29 Großwetterlagen sind auf der x-Achse aufgetragen (z. B. HNa (Hoch Nordmeer antizyklonal), NEz (Nordostlage zyklonal), Hoch Mitteleuropa (HM), Trog Mitteleuropa (TrM)) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 22 von 30 5 Klimaindizes zur Beurteilung des Trends der Extreme in Sachsen Die von der Meteorologischen Weltorganisation (WMO) empfohlenen Klimaindizes sollen der Beurteilung der vielfältigen Aspekte eines sich wandelnden globalen Klimas und der damit verknüpften Veränderungen der Intensität, Häufigkeit und Dauer der Temperaturund Niederschlagsereignisse dienen. Sie ermöglichen Aussagen über die Entwicklung der „Moderaten Extreme“, die pro Jahreszeit oder Jahr in der Regel einige Male auftreten können und somit eine robustere Datengrundlage für statistische Kenngrößen und Trends liefern als die seltenen Randextreme (am äußersten Rand der statistischen Verteilung), die eben dann auch einmal viele Jahre hintereinander nicht auftreten. Die Indizes sind bislang ausschließlich für Temperatur- und Niederschlagsdaten entwickelt worden. 5.1 Temperaturbezogene Klimaindizes Nachfolgend werden wichtige temperaturbezogene Klimaindizes für Sachsen kurz skizziert: Insgesamt nimmt die Anzahl der Sommertage* zu (Beispiel in Abb. 5-1). Abb. 5-1. Trend der Sommertage (Anzahl der Tage mit einem Temperaturmaximum größer oder gleich 25 °C/Klimaindex „SU25“) an der Station Leipzig-Holzhausen im Zeitraum 1951–2015 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 23 von 30 Frosttage* nehmen bei großer Streubreite unverkennbar ab (Beispiel in Abb. 5-2). Abb. 5-2. Trend der Frosttage (Anzahl der Tage mit einem Temperaturminimum kleiner oder gleich 0 °C/Klimaindex „FD0“) an der Station Fichtelberg im Zeitraum 1916–2014 Ein Vergleich der statistischen Verteilungsformen für die Zeiträume 1991–2014 und 1916– 1990 vermittelt, welch drastischen Veränderungen sich seit 1990 vollzogen haben (Abb. 5-3). BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 24 von 30 Abb. 5-3. Verteilungsanpassung der Anzahl der Frosttage an die Extremwertverteilung (GEV) für die DWD-Station Fichtelberg; Zeitraum 1916–1990 (blau) und Zeitraum 1991–2014 (rot) Bei den Eistagen* wird der insgesamt abnehmende Trend durch eine hohe Variabilität von Jahr zu Jahr (interannuelle Variabilität) geprägt. Ein deutlicher positiver Trend ist für die Länge der Vegetationsperiode kennzeichnend. Besonders augenfällig sind ein stark ausgeprägter Rückgang der „Kalten Nächte“ (Abb. 54) und Zunahmen der „Warmen Nächte“ sowie der „Warmen Tage“ in den vergangenen 30 Jahren. Diese Trends stehen im Einklang mit weltweit beobachteten Tendenzen und Trends. Die weltweit dominierende Zunahme der „Kalten Nächte“ ist mit Blick auf die globale Erwärmung eines der bemerkenswertesten Klimasignale der Gegenwart. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 25 von 30 Abb. 5-4. Trend der „Kalten Nächte“ (Klimaindizes TN10p) pro Jahr an der Klimastation Fichtelberg im Zeitraum 1916–2014 „Warme Tage“ zeigen bei größerer Varianz seit den 80er Jahren einen deutlichen Anstieg, „Kalte Tage“* weisen einen weit weniger deutlichen Abwärtstrend auf als die „Kalten Nächte“. Die Dauer von Wärmeepisoden zeigt einen positiven Trend, die Dauer der Kälteepisoden nimmt ab. 5.2 Niederschlagsbezogene Klimaindizes Für den Klimaparameter Niederschlag sind die Zusammenhänge weit komplexer und erfahren auch in Sachsen eine viel stärkere lokale Prägung als die Temperaturextreme. Bei den niederschlagsbezogenen Klimaindizes können im Gegensatz zu den temperaturbezogenen Klimaindizes in den vergangenen 30 Jahren in Sachsen an fast allen hier in der Studie betrachteten Stationen (Plauen, Fichtelberg, Leipzig-Holzhausen, Chemnitz, Dresden-Klotzsche, Görlitz) keine signifikanten Veränderungen festgestellt werden. Abweichend hiervon zeichnen sich unverkennbar Trends niederschlagsbezogener Klimaindizes für den Leipziger Raum ab. Hier haben die Niederschläge insgesamt zugenommen. Das trifft auch die Starkniederschläge (hier Tagessummen > 10 mm) zu (Abb. 5-5). Anzeichen für häufigere Starkniederschläge sind an einigen Stationen zu erkennen. Versuch einer Erklärung: Südwest-Wetterlagen haben drastisch zugenommen und prägen demzufolge auch immer mehr die Niederschlagsverhältnisse in Sachsen. Bei vorherrschender Südwestströmung geraten weite Teile Sachsens in den Lee-Bereich des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 26 von 30 Erzgebirges und erhalten insgesamt nur vergleichsweise wenig Niederschlag. Der Nordwesten Sachsens – einschließlich Raum Leipzig – wird von diesem Lee-Effekt nicht berührt. Abb. 5-5. Trend der Starkniederschlagstage (hier Anzahl der Tage mit > 10 mm Niederschlag/Klimaindex R10mm) an der Station Leipzig-Holzhausen im Zeitraum 1951–2014 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 27 von 30 Verwendete Begriffe und Abkürzungen DWD → Deutscher Wetterdienst Eistage → Tage mit einem Tagesmaximum der Lufttemperatur kleiner als 0 °C ENSO → Der Begriff „El Niño/Southern Oscillation" (ENSO) bezeichnet ein gekoppeltes Zirkulationssystem von Ozean und Atmosphäre im tropischen Pazifik. El Niño steht dabei für die ozeanischen Zusammenhänge, während Southern Oscillation (Südliche Oszillation) sich auf die atmosphärischen Prozesse bezieht. ENSO trägt wesentlich zur kurzfristigen Klimavariabilität (Kurzzeit-Variationen) bei. Frosttage → Tage mit einem Tagesminimum der Lufttemperatur kleiner als 0 °C Großwetterlage → Eine Großwetterlage ist ein bestimmter atmosphärischer Zustand, der in seiner charakteristischen Strömungsanordnung mehrere Tage (mindestens drei Tage) im Wesentlichen gleich bleibt. Die Einteilung der Großwetterlagen erfolgt nach der Äußerungssituation (West, Südwest etc.) sowie nach der Lage der Aktionszentren (Hochs und Tiefs) in der Atmosphäre. Für Mitteleuropa wurden 29 Großwetterlagen definiert. Hochdruckbrücke Mitteleuropa → Abk. HB → Zwischen einem nördlich bis nordöstlich der Azoren liegenden Subtropenhoch und einem osteuropäischen Hoch besteht über Mitteleuropa hinweg eine brückenförmige Verbindung. Hot Spot → Als Hot Spots werden hier Episoden bezeichnet, in denen die mittlere Lufttemperatur der Nordhemisphäre über mehrere Monate hinweg auffällige Spitzenwerte aufweist. Jetstream → Ein Jetstream (auch Strahlstrom) ist ein starker, schmaler (Wind-)Strom in der Troposphäre und wird verursacht von den starken Temperaturunterschieden zwischen subpolaren und subtropischen Luftmassen. „Kalte Nächte“ → Tage mit einem Tagesminimum der Lufttemperatur kleiner als das 10. Perzentil* aller Tagesminima im Referenzzeitraum 1961–1990 „Kalte Tage“ → Tage mit einem Tagesmaximum der Lufttemperatur kleiner als das 10. Perzentil aller Tagesmaxima im Referenzzeitraum 1961–1990 „Moderate Extreme“ → gemäßigte Extreme; keine Orientierung ausschließlich auf die Spitzen- oder Rekordwerte (Randextreme) NASA/GISS → Nationale Aeronautik- und Raumfahrtbehörde der USA (National Aeronautics and Space Administration); Goddard Institute for Space Studies (GISS); stellt die globalen Datenreihen der Lufttemperatur auch via Internet (http://data.giss.nasa.gov/gistemp/) zur Verfügung Nordhemisphäre → auch: Nordhalbkugel; der sich nördlich des Äquators befindliche Teil der Erde Omega-Lage → Die Omega-Lage wird durch ein kräftiges Hochdruckgebiet am Boden und in der Höhe charakterisiert, das sowohl auf seiner Westflanke als auch an seiner Ostflanke von Höhentiefs flankiert wird. Die Form des Druckgebildes erinnert an den griechischen Buchstaben . Diese Luftdruckkonstellation wird durch die besondere Eigenschaft geprägt, über relativ lange Zeit sehr stabil zu sein. Im Einflussbereich dieses speziellen Zirkulationsmusters wird die typische Westwindzirkulation unterbunden. Sie stellt also ein spezielles Luftdruckmuster dar und wird nicht den 29 Großwetterlagen zugeordnet. ppm v → Abk. für parts per million → Volumenmischungsverhältnisse werden durch ein nachgestelltes v gekennzeichnet Referenzperioden/Anomalien → Klimatologische Referenzperioden umfassen in der Regel 30 Jahre, damit die statistischen Kenngrößen der verschiedenen klimatologischen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 28 von 30 Parameter mit ausreichender Genauigkeit bestimmt werden können. Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hat den Zeitraum 1961–1990 als z. Z. gültige internationale klimatologische Referenzperiode festgelegt. Die NASA legt abweichend hiervon den 30jährigen Bezugszeitraum 1951–1980 zugrunde. Anomalien stellen die Abweichung der Messwerte oder Mittelwerte vom langjährigen Mittelwert (meist Mittelwerte der Referenzperiode) dar. Sommertage → Tage mit einem Tagesmaximum der Lufttemperatur größer als 25 °C Sonnenvariabilität → Die Sonneneinstrahlung unterliegt Schwankungen, die auch mit der Sonnenfleckenaktivität zusammenhängen. So bedeutet eine hohe Sonnenfleckenzahl eine Zunahme der Sonneneinstrahlung. Modellberechnungen ergaben, dass Sonnenvariabilität allein nicht für den beobachteten Temperaturanstieg der letzten 100 Jahre verantwortlich gemacht werden kann. Hier spielen die Treibhausgase eine weit größere Rolle. Südwest-Wetterlagen → Abk.SW → Am Ostrand einer vom Seegebiet nördlich der Azoren bis in das südliche Nordmeer verlaufenden Frontalzone werden warme Luftmassen aus Südwesten nach Mitteleuropa geführt. THG → Abk. für Triebhausgas(e) Trog-Wetterlagen → Abk. TrM (Trog Mitteleuropa), TrW (Trog Westeuropa) → Trogförmig erstreckt sich tiefer Luftdruck sowohl am Boden als auch in der Höhe vom Nordmeer bzw. Nordskandinavien nach Süden. Flankiert werden diese Tröge von hohem Luftdruck im Osten und zugleich im Westen. In Sachsen führt die Großwetterlage TrM in allen Jahreszeiten zu relativ kalter Witterung. Diese Großwetterlage ist meist verantwortlich für ausgeprägte Hochwassersituationen in Sachsen. Vb-Wetterlagen → Nordostzugbahnen von Genuatiefs über Adria und Donauraum, die oft zu heftigen Niederschlägen vor allem in Ostsachsen und den östlich und südlich angrenzenden Regionen führen. Sie sind keine der bekannten 29 Großwetterlagen. Der Begriff orientiert auf eine bestimmte Zugbahn (Zugbahn 5b) von Tiefs über Mitteleuropa. „Warme Nächte“ → Tage mit einem Tagesminimum der Lufttemperatur größer als das 90.Perzentil aller Tagesminima im Referenzzeitraum 1961–1990 „Warme Tage“ → Tage mit einem Tagesmaximum der Lufttemperatur größer als das 90.Perzentil aller Tagesmaxima im Referenzzeitraum 1961–1990 Warming Background → Hintergrundsignal der globalen (hier nordhemisphärischen) Erwärmung. Infolge des mit der globalen Erwärmung verbundenen insgesamt erhöhten Temperaturniveaus treten beispielsweise bei gleicher Großwetterlage heute im Mittel höhere Temperaturen auf als noch vor beispielsweise 50 Jahren. Besonders ausgeprägt tritt dieser Effekt bei sogenannten Hot Spots in Erscheinung. Zyklonale (antizyklonale) Wetterlagen → Abk. z bzw. a (z. B. SWz oder SWa) → Sie werden durch Krümmung der Isobaren, also der Linien gleichen Luftdruckes, um ein Tiefdruckgebiet (Hochdruckgebiet) gekennzeichnet. Zyklonale Wetterlagen führen im Mittel zu bedeutend höheren Niederschlägen als antizyklonale Wetterlagen. Perzentile → Das 10. Perzentil (90. Perzentil) ist der Wert, unterhalb dessen sich 10 % (90 %) aller Werte der betrachteten Datenreihe befinden. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 29 von 30 Literaturverzeichnis Alexander L.V, Zhang, X. et al. (2006): Global observed changes in daily climate extremes of temperature and precipitation. Journal of Geophysical Research, Vol. 111 Record-breaking temperatures reveal a warming climate. Europhys Lett 92:30008 Böhm R. (2012): Changes of regional climate variability in central Europe during the past 250 years. The European Physical Journal Plus 127/5, 54 CO2-Konzentration: Mauna Loa Observatory co2now.org/Current-CO2/CO2-Now/weekly-data-atmospheric-co2.html. Graßl H. (2009): Was stimmt – Klimawandel – Die wichtigsten Antworten. Verlag Herder, ISBN 3451058995 Klein Tank A.M.G. and Können G.P. (2003): Trend indices of daily temperature and precipitation extremes in Europe. 1946-99, J.Clim., 16,3665-3680 Matschullat J. (2010): Klimawandel – Klimaschwindel?. Interdisziplinäres Ökologisches Zentrum. TU Bergakademie Freiberg Rahmstorf S. and Coumou D. (2011): Increase of extreme events in a warming world Potsdam. Institute for Climate Impact Research, Potsdam Rahmstorf S. and Schellnhuber H.-J. (2007): Der Klimawandel. Verlag Herder; Auflage 1 (21.0ktober 2007). Rapp J. (2000): Konzeption, Problematik und Ergebnisse klimatologischer Trendanalysen für Europa und Deutschland. Berichte des Deutschen Wetterdienstes 212, Eigenverlag, Offenbach (M) Rapp J. und Schönwiese Ch. (1996): Atlas der Niederschlags- und Temperaturtrends in Deutschland 1891–1990. Frankfurter Geowissenschaftliche Arbeiten, Serie B, Meteorologie und Geophysik Wergen G. and Krug J. (2010): Record-breaking temperatures reveal a warming climate. Europhys Lett 92:30008 Ziesing H.-J.: Weltweite CO2-Emissionen 2014: Hoffnungsschimmer auf Trendwende verstärken sich – aber noch keine Entwarnung; Energiewirtschaftliche Tagesfragen 65. Jg. (2015) Heft 9, S. 56 - 69, etv Energieverlag GmbH Essen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ● Februar 2016 Seite 30 von 30