Neues über Pertussis und Pertussis-Impfstoffe

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M E D I Z I N
ZUR FORTBILDUNG
Burkhard Schneeweiß1
Heinz-Josef Schmitt2
Carl Heinz Wirsing von König3
Burghard Stück4
Neues über Pertussis und
Pertussis-Impfstoffe
ordetella pertussis ist ein kleines, bekapseltes, kokkoides
gramnegatives Stäbchenbakterium. Es produziert eine
Reihe von Pathogenitäts- und Virulenzfaktoren (Tabelle 1), welche für
das Haften an den Zielzellen, für das
Umgehen der Wirtsabwehr und für
die daraus resultierende Pathogenese
des Keuchhustens verantwortlich
sind.
Nach einer Infektion mit Bordetella pertussis kommt es bei Klein- und Schulkindern zu einer stadienhaft verlaufenden
Krankheit mit charakteristischen Hustenanfällen. Bei jungen Säuglingen
können Apnoe-Anfälle und plötzlicher
Kindstod einzige Krankheitsmanifestation sein, bei Erwachsenen findet man
meist nur einen unspezifischen, über
Wochen persistierenden Husten. Im
frühen Kindesalter sind Komplikationen
besonders häufig und teilweise gravierend. Da eine wirksame Therapie fehlt,
kommt der aktiven Immunisierung ein
besonders hoher Stellenwert zu.
B
Epidemiologie
Die WHO schätzt die Zahl der
jährlichen Erkrankungsfälle weltweit auf rund 40 Millionen, die Zahl
der Todesfälle auf rund 500 000.
Nach einer Untersuchung erkrankten im Jahr 1994 in der Bundesrepublik Deutschland mehr als 100 000
Kindern unter sieben Jahren an Pertussis (17). Es wurden rund 5 bis 10
Todesfälle pro Jahr gemeldet – allerdings dürfte die Dunkelziffer wesentlich höher liegen. Studien vom
linken Niederrhein (21) belegen eine jährliche Inzidenz von etwa fünf
bis sechs Prozent in den ersten sechs
Lebensjahren. In den neuen Bundesländern war über viele Jahre hinweg konsequent gegen Pertussis
geimpft worden, weswegen dort
1989 insgesamt nur 94 Pertussisfälle
registriert wurden (Inzidenz 0,1 je
100 000 Einwohner) (7).
Spätestens 20 Jahre nach der ersten Infektion und/oder nach Impfung gegen Pertussis ist der Mensch
wieder voll für eine Infektion mit B.
pertussis empfänglich (5, 28). Neuere Arbeiten belegen tatsächlich, daß
Erwachsene häufig an Pertussis erkranken und daß sie ein wichtiges
Reservoir für den Erreger darstellen
(18, 19, 25, 28). Diese Beobachtungen erklären die Forderung, auch
Erwachsenen regelmäßig BoosterDosen eines Pertussis-Impfstoffes zu
applizieren. Ziel ist neben dem Individualschutz vor allem auch der
Schutz junger (noch ungeimpfter)
Säuglinge und die Reduktion der Er-
regerausbreitung in Gemeinschaftseinrichtungen (Krankenhäuser, Altenheime, Betriebe).
Pertussisimpfstoffe
Ganzkeimimpfstoffe
Die ersten erfolgreichen Impfversuche gegen Pertussis gehen auf
die 20er Jahre unseres Jahrhunderts
zurück. Frisch angezüchtete B. pertussis-Bakterien wurden inaktiviert
und in toto verimpft (daher der Name
„Ganzkeimimpfstoff“, Pg). Ganzkeimimpfstoffe werden meist in Kombination mit Diphtherie- und Tetanustoxoiden appliziert (DTPg). Die
Applikation von DTPg ist häufig mit
Fieber (seltene Folge: Fieberkrämp1
Abteilung Kinderheilkunde (Direktor: Prof.
Dr. med. Burkhard Schneeweiß), Krankenhaus im Friedrichshain, Berlin
2 Klinik für Allgemeine Pädiatrie (Direktor:
Prof. Dr. J. Schaub) der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel
3 Institut für Hygiene und Laboratoriumsmedizin (Leiter: Priv.-Doz. Dr. med. Carl Heinz
Wirsing von König), Klinikum Krefeld
4 Deutsches Grünes Kreuz (Präsident: Prof. Dr.
med. Burghard Stück), Marburg
A-3270 (56) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 49, 6. Dezember 1996
fe) und lokalen Reaktionen wie Rötung, Schwellung und Schmerz an der
Injektionsstelle verbunden. Ein weiterer Nachteil ist die fehlende „Kontrollierbarkeit“.
Es gibt keinen im Impfstoff meßbaren Bestandteil, der mit Protektion
korreliert (23). Es kann daher nicht
überraschen, wenn in neueren Studien DTPg-Impfstoffe – je nach Hersteller – eine Wirksamkeit zwischen
36 und 97 Prozent hatten (8, 9, 20).
Azelluläre Pertussis-Impfstoffe
Azelluläre Pertussis-Impfstoffe
(Pa oder DTPa) bestehen nicht mehr
aus ganzen Zellen von B. pertussis,
sondern entweder aus zellfreien Extrakten (T-Typ-Impfstoffe, benannt
nach dem japanischen Hersteller Takeda) oder aber aus hochgereinigten
einzelnen Komponenten des Erregers
(B-Typ-Impfstoffe, benannt nach
dem japanischen Hersteller Biken).
Als Komponenten für Pertussis-Impfstoffe sind PT, FHA, PRN und Agglutinogene verfügbar (Tabelle 1).
Verträglichkeit
Allen DTPa-Impfstoffen kann
man eine ausgezeichnete Verträglichkeit bescheinigen. In einer doppelblind randomisierten Studie wurde
Fieber im Rahmen der Grundimmunisierung von Säuglingen mit DTPa
nicht häufiger beobachtet als bei Verwendung von DT alleine (6, 8). Größere lokale Reaktionen (> 20 mm)
kommen nur noch bei weniger als einem Prozent aller Impflinge vor. Die
Rate lokaler Nebenwirkungen steigt
zwar mit der Applikation weiterer
Impfdosen kontinuierlich an, überschreitet aber nicht zwei Prozent und
liegt damit weit unterhalb der lokalen Nebenwirkungsrate von DTPg.
Hohes Fieber (höher als 39,5 Grad
Celsius) nach DTPa-Applikation zur
Grundimmunisierung wurde nur noch
bei 0,5 Prozent aller Säuglinge beobachtet. Hypotonhyporeaktive Ereignisse wurden seltener nach DTPa
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als nach DTPg beschrieben1. Weiterhin ist die Gabe von DTPa nicht mit einem gehäuften Auftreten von Fieberkrämpfen oder von Krämpfen assoziiert gewesen (6).
Schutz vor Pertussis
Die durch DTPa induzierten Antikörper gegen B. pertussis korrelieren
nicht mit einem Schutz vor Erkrankung. Belege für eine protektive Wirkung von DTPa können ausschließlich
Japanische
Erfahrungen
In Japan wurden DTPa-Impfstoffe seit 1981 routinemäßig eingesetzt, allerdings erst bei Kindern im
dritten Lebensjahr. Die Inzidenz der
Pertussis sank mittelfristig, allerdings
erlaubten diese epidemiologischen
Daten keinen Rückschluß auf die
Wirksamkeit von DTPa im frühen
Säuglingsalter. Weiterhin wurden in
Japan rund ein halbes Dutzend ver-
Tabelle 1
Pathogenitäts- und Virulenzfaktoren von Bordetella pertussis
Name
(Synonyma)
Abkürzung
Struktur
Funktion
Filamentöses
Hämagglutinin
FHA
Adhäsionsprotein an
der Zelloberfläche;
wird auch sezerniert
Adhäsion an zilienbewehrten Epithelien
zusammen mit PT
Pertactin
(69kDa OMP)
PRN
Membranprotein
Adhäsionsfaktor
Fimbrien
AGGL
Zellwand-assoziierte
Adhäsionspili
(Proteine)
Adhäsionsfaktoren;
Einteilung in Serotypen
durch AGGL 2 und
AGGL 3
Pertussistoxin
(Lymphocytosispromoting-factor)
PT
(LPF)
Hexamer aus fünf
Polypeptiden nach dem
A-B-Modell bakterieller
Toxine
ADP-Ribosylierung
von G-Proteinen;
dadurch Lymphozytose,
Zellschädigung, Insulinfreisetzung etc. Adhäsion
zusammen mit FHA
Adenylatzyklasetoxin
ACT
Proteotoxin
mit Enzymwirkung
Intoxikation von Effektorzelle der Wirtsabwehr
(z. B. Granulozyten) durch
intrazelluläres cAMP
Tracheales Zytotoxin TCT
kleinmolekulares
Glykopeptid
Ziliostase
Hitzelabiles Toxin
Proteotoxin
unbekannt; wahrscheinlich Spasmen der glatten
Muskulatur
Lipooligosaccharid
HLT
LOS
wie Endotoxine
aus klinischen Studien kommen, in denen die Häufigkeit von Pertussis bei
Geimpften und bei Ungeimpften dokumentiert und daraus die Wirksamkeit von DTPa berechnet wird.
1
Hejbel H, Vortrag auf dem „International
Symposium on Pertussis Vaccine Trials“, Rom,
30. Oktober bis 1. November 1995
Pyrogen, Zytokinfreisetzung (auch Agglutinogen)
schiedener DTPa-Impfstoffe eingesetzt, so daß sich zwar summarisch eine Protektion durch DTPa belegen
ließ, Schutzraten für ein einzelnes
Produkt aber nicht angegeben werden konnten. Es gab auch einige kleinere, im wesentlichen retrospektive
Studien, die eine Wirksamkeit von
A-3272 (58) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 49, 6. Dezember 1996
DTPa belegten (2, 3, 10, 11, 15). Die
Erfahrungen waren aber insgesamt
nicht ausreichend, um in westlichen
Industrienationen eine Zulassung eines DTPa-Impfstoffes für Säuglinge
zu ermöglichen.
Erste schwedische Studie
Ende der achtziger Jahre wurde
in Schweden eine erste kontrollierte
Studie mit DTPa durchgeführt. Kinder im Alter von 5 bis 11 Monaten erhielten in doppelblind randomisierter
Form zwei Dosen eines Zwei-Komponenten-Impfstoffes (JNIH-6: PT;
FHA), einen MonokomponentenImpfstoff (JNIH-7: PT) oder aber
Plazebo (DT). Nach der Entblindung
fand sich eine Wirksamkeit2 von 69
Prozent (95 Prozent KI 47 bis 82 Prozent) für den Zwei-KomponentenImpfstoff und von 54 Prozent (95
Prozent KI 26 bis 72 Prozent) für den
Ein-Komponenten-Impfstoff
(1).
Diese Schutzraten wurden als zu
niedrig angesehen, so daß auch aus
dieser Studie keine Zulassung von
DTPa resultierte. Die Probanden
wurden dann in ungeblindeter Weise
weiter beobachtet. Drei Jahre später
fanden sich deutlich höhere Protektionsraten (je nach Definition von
„Pertussis“ von 77 bis 92 Prozent für
den Zwei-Komponenten- und von 65
bis 79 Prozent für den Ein-Komponenten-Impfstoff) (24). Aufgrund
der beschriebenen Erfahrungen
(Japan; Schweden) erfolgte in westlichen Ländern zunächst eine Zulassung von DTPa-Impfstoffen für Booster-Impfungen wie auch für eine
Grundimmunisierung gegen Keuchhusten ab dem zweiten Lebensjahr.
Neue Wirksamkeitsstudien
Um die Wissenslücke über die
Protektionsrate von DTPa-Impfstoffen im frühen Säuglingsalter zu
schließen, wurden seit Anfang der
neunziger Jahre weltweit sieben
große Wirksamkeitsstudien mit acht
verschiedenen
DTPa-Impfstoffen
durchgeführt (Tabelle 2a). Amerika2 Fall-Definition Pertussis ist wie folgt angegeben: positive Kultur und Husten für wenigstens 30 Tage
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ZUR FORTBILDUNG
nische Zulassungsbehörden hatten
als Zielvorgaben eine Wirksamkeit
von wenigstens 80 Prozent gefordert,
wobei das 95-Prozent-Konfidenzin-
Weise beobachtet, wie häufig DTPaoder DT-geimpfte Kinder nach intensivem häuslichem Kontakt zu einem
Patienten mit „typischer Pertussis“
Tabelle 2a
Zusammensetzung der DTPa-Impfstoffe in den beschriebenen Wirksamkeitsstudien
(soweit nicht anders vermerkt, Angaben in mg)
Vakzine
Handelsname in
Deutschland
PT
A) DTPa-3
Infanrix®
25
25
8
0
25 Lf
10 Lf
B) DTPa-1
-
40
0
0
0
25 Lf
7 Lf
C) DTPa-2
-
25
25
0
0
25 Lf
10 Lf
D) DTPa-5
-
10
10
3
5 2)
25 Lf
10 Lf
E) DTPa-3
-
5 4)
2,5
2,5
0
15 Lf
10 Lf
F) DTPa-2
Pa-Vaccinol® 1)
Pac-Mérieux® 1)
23,4
23,4
0
0
G) DTPa-2
-
25
25
0
0
H) DTPa-4
Acel-P® 1)
3,2
34,4
1,6
0,8 3)
1)
2)
3)
4)
PRN
AGGL
D
6,7 Lf
T
5 Lf
30 IU
40 IU
9 LF
5 Lf
in Deutschland nur ohne DT-Anteil auf dem Markt
enthält die Agglutinogene 2, 3
enthält Agglutinogen 2
rekombinant detoxifiziert
tervall kleiner als 20 Prozent sein sollte und als untere Grenze 68 Prozent
nicht unterschreiten durfte. In allen
Studien wurde die WHO-Definition
von Keuchhusten verwendet3. Nachfolgend werden die wesentlichen
Aspekte der einzelnen Studien in
Reihenfolge des Bekanntwerdens
der Ergebnisse kurz dargestellt (Tabelle 2b).
Studie Mainz
Rund 22 000 Kinder waren mit
einem DTPa-Impfstoff vom B-Typ
mit drei Pertussis-Komponenten (Infanrix®) im Alter von drei, vier und
fünf Monaten geimpft worden (20).
Es wurde in prospektiver, geblindeter
3 Wenigstens 21 Tage anfallsweiser Husten plus
mikrobiologische Dokumentation der Infektion
durch entweder positive Kultur oder aber
100prozentigen Titeranstieg (IgG oder IgA) gegen PT oder FHA im ELISA (27).
4
FHA
In der Studie wurde DTPa-KombinationsImpfstoff verwendet; unter den angeführten
Handelsnamen zugelassene Präparate enthalten
dagegen keine Diphtherie- und Tetanustoxoide.
ren Beobachtungszeit von rund 18
Monaten wurde die Wirksamkeit im
zweiten Lebensjahr mit 71 Prozent
berechnet. Im ersten Lebensjahr
(nach zwei Dosen) betrug die Wirksamkeit 55 Prozent.
Studie München
Mehr als 12 000 Kinder wurden
mit einem DTPa-Impfstoff vom BTyp mit zwei Pertussis-Komponenten
im Alter von etwa 2, 4, 6 Monaten
geimpft (Pac-Mérieux®; Pa-Vaccinol®)4. Das Vorkommen von Pertussis-Fällen wurde prospektiv und ungeblindet registriert. Für jeden „Fall“
wurden vier „gematchte Kontrollen“
identifiziert. Nach statistischer Aufarbeitung der Daten (Univarianzanalyse; logistische Regression) errechnete
sich für Kultur-positive Fälle mit wenigstens 21 Tage andauerndem, anfallsweisem Husten eine DTPa-Wirksamkeit von 93 Prozent. Für DTPg errechnete sich eine Wirksamkeit von
96 Prozent.
Studie Stockholm
selber an Keuchhusten erkrankten.
Die Protektionsrate von DTPa lag
bei 88,7 Prozent. Bei den wenigen
Kindern, die trotz DTPa-Impfung
Husten entwickelten, dauerte dieser
signifikant kürzer als bei ungeimpften Kindern (17 versus 35 Tage). Diese Studie war die erste, die zur Zulassung eines azellulären DTPa für
Säuglinge in einem Land außerhalb
Japans führte (April 1995). Für den
in Deutschland meist verwendeten
DTPg (DPT-Impfstoff Behring) wurde eine Wirksamkeit von 97 Prozent
ermittelt.
Studie Göteborg
In dieser plazebokontrollierten,
doppelblind randomisierten Studie
erhielten 1 670 Säuglinge im Alter von
3, 5 und 12 (!) Monaten einen DTPaImpfstoff vom B-Typ, dessen Pertussis-Komponente nur aus PT bestand,
während die 1 665 Kinder der Kontrollgruppe mit DT-Impfstoff vakziniert wurden (26). Nach einer mittle-
Rund 9 500 Säuglinge erhielten
im Rahmen dieser doppelblind randomisierten Studie entweder einen
DTPa-Impfstoff mit zwei PertussisKomponenten, einen DTPa mit fünf
Pertussis-Komponenten, DTPg (amerikanischer Hersteller) oder aber
DT (Plazebo). Nach einer Beobachtungszeit von rund zwei Jahren
ergab sich für den Zwei-Komponenten-Impfstoff eine Wirksamkeit von
58 Prozent, für den Fünf-Komponenten-Impfstoff von 85 Prozent und für
den Ganzkeim-Impfstoff von 48 Prozent (9).
Studie Rom
In prospektiver, doppelblind randomisierter Weise erhielten mehr als
14 000 Säuglinge entweder einen
Drei-Komponenten-DTPa mit rekombinant hergestelltem PT, einen
Drei-Komponenten-DTPa mit konventionell detoxifiziertem PT oder
DTPg eines amerikanischen Herstellers oder aber DT. Nach einer mittle-
Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 49, 6. Dezember 1996 (61) A-3273
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ZUR FORTBILDUNG
ren Beobachtungszeit von 17 Monaten ergab sich für beide Drei-Komponenten-Impfstoffe eine identische
Wirksamkeit (84 Prozent), während
DTPg nur eine Wirksamkeit von 36
Prozent hatte (8).
reicht. Da die Studienbedingungen
nicht vergleichbar waren, können
die jeweils erzielten Schutzraten
aber nicht direkt miteinander vergli-
weiß lediglich, daß Agglutinogene in
Impfstoffen, die PT, FHA und PRN
enthalten,
keinen
zusätzlichen
Schutzeffekt bewirken und daß re-
Tabelle 2b
Wirksamkeitsdaten aus neueren klinischen Studien mit verschiedenen DTPa-Impfstoffen
Studie Senegal
(Niakhar)
Im Senegal wurden mehr als
4 000 Kinder in doppelblind randomisierter Weise entweder mit einem
Zwei-Komponenten-Impfstoff vom
B-Typ oder mit DTPg geimpft. Das
Design unterschied sich von den übrigen Studien dadurch, daß zunächst
nur die relative Wirksamkeit von DTPa und DTPg errechnet wurde.
Gleichzeitig wurde eine Haushaltskontaktstudie durchgeführt, in der
das Auftreten von Pertussis auch bei
ungeimpften Kindern erfaßt wurde.
Diese zweite Studie diente dann der
Ermittlung der absoluten VakzineWirksamkeit. Diese lag für DTPa bei
86 Prozent, für DTPg bei 96 Prozent.
Ort
Design
Mainz
ImpfKompostoff laut nenten
Tabelle 2a
(%)
95%
Vakzine
Konfidenz
Wirksamk. Intervall
prospektive
3, 4, 5
geblindete Haushalts-Kontaktstudie
A)
DTPa-3
DTPg
88
97
76; 94
82; 99
Göteborg
doppelblind,
randomisiert
3, 5, 12
B)
DTPa-1
71 1)
63; 78
Stockholm
doppelblind,
randomisiert
2, 4, 6
C)
D)
DTPa-2
DTPa-5
DTPg
58
85
48
46; 64
79; 88
36; 57
Rom
doppelblind,
randomisiert
2, 4, 6
A)
E)
DTPa-3
DTParecPT-3
DTPg
84
76; 89
84
36
76; 90
14; 52
80 2)
93 3)
95 2)
96 3)
63; 89
63; 99
81; 99
71; 100
München
Fall-KontrollStudie
Impfzeitpunkt
(Monate)
2, 4, 6
F)
DTPg
Studie Erlangen
Mehr als 10 000 Kinder erhielten
in doppelblind randomisierter Weise
entweder einen DTPa vom T-Typ
(Acel-P)3 oder aber einen DTPg der
Firma Lederle. Gleichzeitig wurden
Kinder ungeblindet (offen) mit DT
(ohne Pertussis-Anteil) geimpft.
Nach statistischer Aufarbeitung errechnete sich für DTPa eine Wirksamkeit von 80 Prozent und für DTPg
von 89 Prozent.
DTPa-2
Senegal
doppelblind,
randomisiert
und kombiniert
mit einer Haushalts-KontaktStudie
2, 4, 6
G)
DTPa-2
DTPg
85
96
71-93
87-99
Erlangen
doppelblind,
2, 4, 6
randomisiert mit
offenem DT-Arm
H)
DTPa,
T-Typ
DTPg
80
89
75; 84
85; 91
1)
55% (95% CI 12-78%) im ersten Lebensjahr, zwischen zweiter und dritter Dosis
jeglicher Husten für wenigstens 21 Tage plus positive Kultur
3) Kultur-positive Fälle mit wenigstens 21 Tagen anfallsweisem Husten
DTPa = Diphtherie, Tetanus und azelluläre Pertussis-Vakzine
DTPg = Diphtherie, Tetanus und Pertussis-Ganzkeim-Vakzine
DTPa-1 = DTPa-Vakzine mit PT als einziger Pertussis-Komponente
DTPa-2 = DTPa-Vakzine mit zwei Pertussis-Komponenten, PT und FHA
DTPa-3 = DTPa-Vakzine mit drei Pertussis-Komponenten, PT, FHA und PRN
DTPa-5 = DTPa-Vakzine mit fünf Pertussis-Komponenten, PT, FHA, PRN und Agglutinogene 2,3
DTParecPT-3 = DTPa-Vakzine mit drei Pertussis-Komponenten, wobei PT gentechnisch
hergestellt wurde.
2)
Kommentar
Mit verschiedenen Methoden,
unter verschiedenen Bedingungen
und in verschiedenen Populationen
konnte zweifelsfrei nachgewiesen
werden, daß azelluläre PertussisImpfstoffe nach Applikation im
Säuglingsalter eine ausgezeichnete
Protektion vermitteln. Lediglich
zwei der untersuchten KandidatVakzinen (ein MonokomponentenImpfstoff und ein Zwei-Komponenten-Impfstoff) haben die Zielvorgaben für die Wirksamkeit nicht er-
chen werden. „Der beste“ DTPaImpfstoff konnte daher nicht identifiziert werden, und die „optimale
Zusammensetzung“ von DTPa-Impfstoffen bleibt weiterhin unklar. Man
A-3274 (62) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 49, 6. Dezember 1996
kombinantes PT und „klassisch detoxifiziertes“ PT die gleiche Wirksamkeit haben. Die überraschend
große Divergenz der Wirksamkeit
von Zwei-Komponenten-Impfstof-
M E D I Z I N
ZUR FORTBILDUNG
fen (Studie München 93 Prozent;
Studie Stockholm 58 Prozent) ist mit
Unterschieden in der Impfstoffherstellung und insbesondere mit der
Tabelle 3
Möglichkeiten der Gabe von D, T, Pa, Hib und
Hepatitis B im ersten und zweiten Lebensjahr
nach STIKO-Plan*)
Grundimmunisierung Dosis 1
und 3; BoosterImpfung im
2. Lebensjahr
Grundimmunisierung
Dosis 2
1
DTPa plus Hib DTPa plus Hib
plus Hepatitis B
2
Pa plus DT-Hib DT-Hib plus Pa
plus Hepatitis B
3
DT plus Pa
DT plus Pa
plus Hib
plus Hepatitis B
DTPa: Infanrix®
Pa:
Pac Mérieux®
Pa-Vaccinol®
Acel-P® (derzeit ab
15. Lebensmonat)
*) Bei Gabe von Kombinationen
(DTPa; DT-Hib) sind drei Dosen
von Hib empfohlen
Detoxifizierung der Pertussis-Komponenten sowie mit Unterschieden
im Studiendesign begründet worden.
Das schlechte Abschneiden von
DTPg in Italien und in Schweden
war eine große Überraschung, war
man doch davon ausgegangen, daß
Ganzkeimimpfstoffe allgemein eine
Wirksamkeit von 80 bis 90 Prozent haben.
Es bleibt festzuhalten, daß es
weniger wirksame (Studien in Italien
und Schweden) und gut wirksame
DTPg-Impfstoffe
(Studien
in
Deutschland und Senegal) gibt. Dies
ist ein weiteres, wichtiges Argument
für DTPa-Impfstoffe: Da nicht bekannt ist, welches Prinzip in Ganzkeimimpfstoffen tatsächlich Protektion verleiht, und da sich vielleicht
sogar einzelne Produktions-Chargen
voneinander unterscheiden, sollten
DTPa-Impfstoffe bevorzugt werden,
deren Zusammensetzung gut kontrollierbar und reproduzierbar ist.
Verfügbare DTPa
in Deutschland
Wie beschrieben, unterscheiden
sich die einzelnen DTPa-Impfstoffe
biochemisch wie auch immunologisch. Sie sind daher grundsätzlich
nicht untereinander austauschbar.
Daher sollte zur Grundimmunisierung im Säuglingsalter wie auch zur
Booster-Dosis im zweiten Lebensjahr
stets das gleiche Präparat verwendet
werden. In Deutschland sind einige
der DTPa-Impfstoffe, die in den oben
beschriebenen Studien verwendet
wurden, nicht zulassungsfähig, weil
ihre D- und T-Komponenten nicht der
europäischen Pharmakopoe entsprechen. Die Hersteller haben vielmehr
für die jeweiligen azellulären Pertussis-Anteile – ohne DT – eine Zulassung erhalten (Pa-Impfstoffe). Diese
Präparate (Tabelle 2a) dürfen nicht
ohne ausdrückliche Genehmigung
des Herstellers in der Fachinformation mit DT- oder Hib-Impfstoffen gemischt werden.
Die Ständige Impfkommission am
Robert Koch-Institut (STIKO) empfiehlt die Grundimmunisierung aller
Säuglinge mit drei Dosen von
DTP (DTPa oder DTPg) ab der
vollendeten achten Lebenswoche und
die Gabe einer vierten Dosis ab dem
Alter von 13 Monaten. Die Gefahr einer „Überimmunisierung“ durch vier
DT-Gaben mit der Booster-Dosis im
zweiten Lebensjahr existiert dabei
nicht. Im Gegenteil: Im Vergleich zum
DTPg-Impfstoff scheinen die nach
DTPa-Impfung beobachteten Antikörperkonzentrationen gegen Tetanusund Diphtherie-Toxoid nach nur dreimaliger Impfung in den beiden ersten
Lebensjahren eher zu niedrig zu sein (6,
12, 16). Für die Grundimmunisierung
im Säuglingsalter kann man somit heute zwischen den in Tabelle 3 dargestellten Möglichkeiten auswählen.
Kombinations-Impfstoffe DTPa
für Erwachsene wie auch DTPa-Hib
und DTPa-Hib-Hepatitis B für Säuglinge und Kleinkinder werden dringend benötigt. Sie sind wichtigste Voraussetzung für die Vereinfachung des
Impfplanes (dreimal eine Injektion
der Kombination DTPa-Hib plus Hepatitis B).
So ließen sich die beiden größten
und am weitesten verbreiteten ImpfFehler vermeiden (13): daß Impfungen nicht oder aber zu spät gegeben
werden, etwa weil man dem Patienten
mehrere Injektionen im Rahmen eines Arztbesuches nicht zumuten
möchte.
(Kurz vor Drucklegung dieses Artikels wurde ein Kombinationsimpfstoff Infanrix® DTPa + Hib in Deutschland zugelassen (Infanrix-Hib®). Für
die Grundimmunisierung im Säuglingsalter sind drei Dosen anzuwenden,
gefolgt von einer Booster-Dosis am
Anfang des zweiten Lebensjahres.)
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1996; 93: A-3270–3276
[Heft 49]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf
das Literaturverzeichnis im Sonderdruck,
anzufordern über die Verfasser.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Heinz-Josef Schmitt
Pädiatrische Infektiologie
Klinik für Allgemeine Pädiatrie der
Christian-Albrechts-Universität
Schwanenweg 20
24105 Kiel
Diskussionsbeiträge
Zuschriften zu Beiträgen im medizinisch-wissenschaftlichen Teil – ausgenommen Editorials, Kongreßberichte und Zeitschriftenreferate – können
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DÄ/MWR
A-3276 (64) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 49, 6. Dezember 1996
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