Simultane Messung der Wellenfront und Form der kristallinen

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Simultane Messung der Wellenfront und Form der
kristallinen Linse während der Akkommodation
U. Oberheide, C. Großer, M. Büttner, H. Hoffmann, H. Lubatschowski, ­
St. Altmeyer, G. Gerten
Zusammenfassung
Fragestellung: Korrelation von Änderungen der Wellenfront und der Form der kristallinen Linse bei verschiedenen Akkommodationszuständen des phaken Auges durch simultane Messung mittels eines Aufbaus aus Vorderabschnitts-OCT und Aberrometer.
Methodik: Ein Vorderabschnitts-OCT (SL-OCT, Heidelberg Engineering, Germany)
wurde kollinear in den Strahlengang eines Durchsichtsaberrometers (iTrace, Tracey Technologies, USA) eingekoppelt. Hierdurch können simultan die Wellenfront des Auges und die
geometrischen Parameter (Krümmungsradien, Linsendicke, Vorderkammertiefe) desselben
Auges bestimmt werden. Die Messungen erfolgten an 20 Augen von 10 nicht presbyopen
Patienten (Alter 19 bis 33 Jahre) mit Akkomdationsstimuli entsprechend 0,2 und 4 dpt.
Ergebnis: Aus den OCT-Messungen ergab sich eine Abnahme der Vorderkammertiefe
von 57 µm pro dpt Akkommodationsstimulus. Die Linsendicke nahm um 82 µm pro dpt Akkommodation zu. Dies entspricht 2,11 % Zunahme pro dpt. Die sphärischen Aberrationen
höherer Ordnung verringerten sich um 0,042 µm pro 100 µm Linsendickenänderung.
Schlussfolgerungen: Die erste Messreihe der erstmalig durchgeführten, direkten Korrelation von Wellenfront- und anatomischen Änderungen der kristallinen Linse zeigt eine
sehr gute Übereinstimmung mit den Einzelmessungen der Parameter aus der Literatur.
Neben der Darstellung des Akkommodationsprozesses bietet sich das System auch für zukünftige Messungen bei pseudophaken Patienten mit „akkommodierenden“ Intraokularlinsen zur Überprüfung der Funktionsfähigkeit an.
Einleitung
Die moderne Linsenchirurgie ermöglicht mittlerweile durch den Einsatz multi­
fokaler Intraokularlinsen eine Verbesserung des Nah- und Intermediärvisus der Patienten nach der Operation. Jedoch basieren die zur Verfügung stehenden Techniken
zum größten Teil auf der Nutzung pseudoakkommodativer Effekte und stellen keine
Akkommodation wie im juvenilen Auge zur Verfügung. Insofern stellt eine erfolgreiche Behandlung der Presbyopie nach wie vor eine der großen Herausforderungen
der Augenheilkunde dar. Durch technologische Entwicklungen der vergangenen
­Jahre sowohl im Bereich der Materialien als auch der Lasertechnologien ist das Interesse an Untersuchungen der Veränderungen der kristallinen Linse bei der Akkommodation gestiegen.
Während des Akkommodationsvorganges erfolgt eine Verformung der kristallinen
Linse in eine stärker brechende Form. Aus der Literatur existieren eine Vielzahl von
Untersuchungen, die diese Zunahme der Linsendicke mittels Ultraschall [1] oder
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Linsentechnologie/Diagnostik
Scheimpflug-Aufnahmen [2, 3] nachweisen. Auch über die Änderungen der Refrak­
tion und der Aberrationen des Auges während der Akkommodation existieren Untersuchungen [4, 5]. Jedoch besteht bisher keine Methode zur direkten Korrelation der
optischen mit den anatomischen Änderungen. Entweder erfolgten die Messungen
zur Bildgebung bzw. Refraktion sequenziell oder nutzten das kontralaterale Auge
für einen Akkommodationsstimulus. Um eine solche simultane Messung zu ermöglichen, wurde eine Gerätekombination aus Vorderabschnitts-OCT und Aberrometer
realisiert.
Methoden
Zur simultanen Messung von optischen und anatomischen Änderungen wurden
die Strahlengänge eines Vorderabschnitts-OCTs (Heidelberg Engineering SL-OCT)
und eines Raytracing-Aberrometers (Tracey Technologies iTrace) kollinear kombiniert. Aufgrund der verwandten Messwellenlängen von 785 nm für das Aberrometer­
und 1300 nm für das OCT erfolgte die Einkopplung über einen dichroitischen Strahlteiler. Abbildung 1 zeigt den realisierten experimentellen Aufbau. Aufgrund der begrenzten Messtiefe des OCTs müssen derzeit die Schnittbilder des Vorderabschnitts
Abb. 1: Kombination von Aberrometer und Vorderabschnitts-OCT zur simultanen Messung
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Oberheide et al.: Simultane Messung der Wellenfront und Form der kristallinen Linse …
Ferne
55 cm
25 cm
Abb. 2: OCT-Bilder des Vorderabschnitts bei verschiedenen Abständen des Fixationspunktes und gleichzeitig
gemessene Wellenfrontfehler höherer Ordnung
aus zwei Bildteilen zusammengesetzt werden. Abbildung 2 zeigt OCT-Bilder von drei
Akkommodationszuständen und die simultan gemessenen Aberrationen höherer
Ordnung.
Zur Evaluierung der Änderungen während der Akkommodation wurden 20 Augen
von zehn nicht presbyopen Patienten im Alter zwischen 19 und 33 Jahren vermessen.
Die Patienten waren emmetrop oder konnten mittels Kontaktlinsen auskorrigiert
werden. Um eine verwertbare Aussage über die Änderungen der Aberrometrie sowie
der Form der kristallinen Linse zu erhalten, wurden die Pupillen mit Neosynephrine
erweitert, sodass ein Messdurchmesser von 5 mm und somit auch periphere Bereiche der Linse erreicht werden konnten. In Vergleichsmessungen der Akkommodationsfähigkeit mit und ohne Neosynephrine konnte sichergestellt werden, dass die
Akkommodationsleistung nicht wesentlich beeinflusst wird (Abb. 3).
Ergebnisse
Aus den OCT-Bildern kann die Änderung der Linsendicke über die tatsächlich erzielte Refraktionsänderung ermittelt werden (Abb. 4). Bisherige Messungen konnten
dies nur in Abhängigkeit des dem Patienten zur Verfügung gestellten Stimulus, der
in der Regel durch pseudoakkommodative Effekte 10 bis 20 % höher ausfällt als die
tatsächlich erreichte Akkommodation.
Im Mittel nahm die Linsendicke um 82 ± 3 µm/dpt Akkommodationsleistung zu,
wobei aus Abbildung 4 erkennbar ist, dass die interindividuelle Schwankung vor
allem bei höheren Akkommodationswerten zunimmt. Entsprechend der Zunahme der
Linsendicke kommt es zu einer Abnahme der Vorderkammertiefe um 57 ± 8 µm/dpt.
236
Linsentechnologie/Diagnostik
Linsendicke mit
Neosynephrine [mm]
5,0
4,8
4,6
4,4
4,2
4,0
3,8
3,8
4,0 4,2
4,4 4,6
4,8
Linsendicke ohne Neosynephrine [mm]
5,0
Abb. 3: Vergleich der Linsendicke bei Akkommodation mit und ohne Gabe von Neosynephrine. Grau ohne
­Akkommodationsstimulus, schwarz mit 4 dpt Akkommodationsstimulus
0,35
Änderung Linsendicke [mm]
0,30
0,25
0,20
0,15
0,10
0,05
0,00
–0,05
0,0
0,5
1,0
1,5 2,0 2,5 3,0
Akkomodation [dpt]
3,5
4,0
Abb. 4: Änderung der Linsendicke in Abhängigkeit der erzielten Akkommodation
Dies entspricht bisherigen Veröffentlichungen aus Scheimpflug-Aufnahmen, die eine
Verschiebung des anterioren Linsenpols nach vorne und des posterioren Pols nach
hinten sowie einer Verlagerung des Mittelpunkts nach anterior zeigen. Dies zeigt sich
auch in der entsprechenden Reduzierung der Vorderkammertiefe um –57 ± 8 µm/dpt
(Abb. 5).
Während des Akkommodationsvorganges ändern sich die sphärischen Aberrationen des gesamten Auges Richtung negativer sphärischer Aberrationen. Die
Änderung bei nicht presbyopen Augen liegt bei gemessenen 5 mm Durchmesser
bei 0,038±0,005 µm/dpt. Dies würde bei einer Akkommodation von 4 dpt einer
Abnahme um 0,15 µm entsprechen. Erstmalig können nun auch direkt die Aberra­
Oberheide et al.: Simultane Messung der Wellenfront und Form der kristallinen Linse …
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Änderung VK-Tiefe [mm]
0,1
0,0
–0,1
–0,2
–0,3
0,0
0,5
1,0
1,5 2,0 2,5 3,0
Akkomodation [dpt]
3,5
4,0
Abb. 5: Änderung der Vorderkammertiefe in Abhängigkeit von der erzielten Akkommodation
Änderung Linsendicke [mm]
0,05
0,00
–0,05
–0,10
–0,15
–0,20
0,0
0,5
1,0 1,5 2,0 2,5 3,0
Änderung Linsendicke [mm]
3,5
4,0
Abb. 6: Änderung der sphärischen Aberrationen in Abhängigkeit von der Änderung der Linsendicke
tionsänderungen mit den Änderungen der Linsendicke korreliert werden (Abb. 6).
Es ergibt sich eine Abnahme der sphärischen Aberrationen um 0,423±0,07 µm/mm
Linsendickenänderung.
Ausblick
Die Vermessung der kristallinen Linse während des Akkommodationsvorganges
hat sicherlich zuerst rein akademisches Interesse. Jedoch erfordern neue Intraokularlinsentechnologien für den refraktiven Linsenaustausch durch akkommodative Linsen nach Optik-Shift-Prinzipien oder Formänderungsmechanismen neben subjek-
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Linsentechnologie/Diagnostik
tiven Tests der Lesefähigkeit beim Patienten auch objektive Messmethoden, die den
Funktionsmechanismus bestätigen. Mit dem vorgestellten Messaufbau ließen sich
prinzipiell auch derartige Intraokularlinsen sowohl bezüglich ihrer Positions- bzw.
Formänderung als auch ihrer refraktiven Wirkung untersuchen und evaluieren.
Auch für weitere mögliche Verfahren der Presbyopiebehandlung wie Lens refilling
(Phakoersatz [6]) oder Femtosekundenlaserschnitte in der Linse (Femto-Lento­tomie
[7, 8]) bietet sich die Messmethodik als Nachweisverfahren einer nicht auf pseudo­
akkommodativen Effekten basierenden erfolgreichen Behandlung an.
Literatur
1. Ostrin L, Kasthurirangan S, Win-Hall D, Glasser A: Simultaneous measurements of refraction and A-scan biometry during accommodation in humans. Optom Vis Sci 2006 Sep;83(9):­
657–665
2. Rosales P, Dubbelman M, Marcos S, van der Heijde R: Crystalline lens radii of curvature
from Purkinje and Scheimpflug imaging. J Vis 2006;6(10):1057–1067
3. Hermans EA, Pouwels PJ, Dubbelman M et al.: Constant volume of the human lens and
decrease in surface area of the capsular bag during accommodation: a MRI and Scheimpflug
study. Invest Ophthalmol Vis Sci 2009 Jan;50(1):281–289
4. Win-Hall DM, Glasser A: Objective accommodation measurements in prepresbyopic eyes
using an autorefractor and an aberrometer. J Cataract Refract Surg 2008 May;34(5):774–784
5. Lopez-Gil N, Fernandez-Sanchez V, Legras R et al.: Accommodation-related changes in
monochromatic aberrations of the human eye as a function of age. Invest Ophthalmol Vis Sci
2008 Apr;49(4):1736–1743
6. Nishi O, Nishi K: Accommodation amplitude after lens refilling with injectable silicone by sealing the capsule with a plug in primates. Arch Ophthalmol 1998 Oct;116(10):1358–1361
7. Lubatschowski H, Schumacher S, Fromm M et al.: Femtosecond lentotomy: generating gliding planes inside the crystalline lens to regain accommodation ability. J Biophotonics 2010 Jun;
3(5–6):265–268
8. Gerten G, Ripken T, Breitenfeld P et al.: In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen zur Presbyopiebehandlung mit Femtosekundenlasern. Ophthalmologe 2007 Jan;104(1):40–46
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