Dr.-Ing. G. Strassacker STRASSACKER lautsprechershop.de Kleinsignalverhalten bipolarer Transistoren 1 Theoretische Grundlagen 1.1 Einstellung des Arbeitspunktes Will man einen bipolaren (npn- oder pnp-) Transistor als Spannungs-, Strom- oder Leistungsverstärker einsetzen, so ist zunächst ein dafür geeigneter Arbeitspunkt einzustellen. Bipolare Transistoren benötigen dazu, im Gegensatz zu Feldeffekttransistoren, einen Basisgleichstrom in Durchlaßrichtung der Basis-Emitterdiode. Bild 1: npn- und pnp-Transistor mit Dioden-Äquivalent Dieser, in Verbindung mit der Kollektor-Emitterspannung und dem Kollektor- (gegebenenfalls auch dem Emitter-) Widerstand, bestimmen den Arbeitspunkt. Er ist der Angriffspunkt für die Aussteuerung des Transistors mit Wechselgrößen. Die einfachste Einstellung des Basisgleichstromes erfolgt durch die Stromeinprägung an der Basis-Emitterdiode über einen gegenüber dem Basis-Emitter-Durchlaßwiderstand hochohmigen Vorwiderstand RB . Dazu und für die Kollektor-Emitterspannung UCE wird die Hilfsgleichspannung U0 benötigt. Bild 2: Polung bei npn- und pnp Transistor Bereits in dieser einfachen Schaltung nach Abbildung 2 kann man die Gleichstromverstärkung des Transistors definieren: B = IC /IB (siehe Abbildung 3. Würde man dem günstig gewählten Basisgleichstrom IB noch einen Wechselstrom iB (t) überlagern, so erhielte man auch eine Wechselstromverstärkung: β = îC /îB . Allerdings kann man die Stromverstärkungen nach den einfachsten Schaltungen von Abbildung 2 nicht verwerten. Bild 3: Links: Typischer Verlauf des Kollektorstroms als Funktion des Basisstroms, rechts: Typischer Verlauf der statischen und dynamischen Stromverstärkung bei einem KleinsignalTransistor Man benötigt mindestens noch einen Kollektorwiderstand RC oder einen Emitterwiderstand RE . Hierfür und für alle Folgeschaltungen dieser Anleitung werden nur noch npnTransistoren verwendet: Bild 4: Links: Emitterschaltung mit Kollektorwiderstand, Mitte: Kollektorschaltung mit Emitterwiderstand, rechts: Ausgangskennlinien mit Widerstandsgeraden. Die Widerstandsgerade ergibt sich aus der Maschenregel. Es gilt für die Emitterschaltung für die Kollektorschaltung U0 = IC RC + UCE U0 = IE RE + UCE U0 −1 IC = RC UCE + RC IE = R−1E UCE + RUE0 tanα= ˆ R−1C tanα= ˆ R−1E Grenzfälle IC = 0 : UCE = U0 IE = 0 : UCE = U0 UCE → 0 : IC ≈ ICm UCE → 0 : IE ≈ IEm Da IC ≈ IE ist, gilt die Widerstandsgerade vom Abbildung 4 für beide obigen Fälle. Ihr Schnittpunkt mit der durch IB aktivierten Transistorkennlinie IC (IB ) = f (UCE ) - im Abbildung 4 dicker eingezeichnet - legt den Arbeitspunkt A fest. Er wird nachher, bei Wechselstromaussteuerung auf der Widerstandsgeraden hin- und hergeschoben. Der Arbeitspunkt muß daher im Kennlinienfeld IC = f (UCE ) so plaziert werden, daß die erwünschte Wechselstrom- und Wechselspannungssteuerung möglich ist, ohne daß z.B. harmonische Schwingungen durch Anecken an den Grenzen des Kennlinienfeldes (Abbildung 4: unten bei U0 oder oben, nahe ICm oder IEm ) verzerrt werden. Allerdings ist die Emitterschaltung (Abbildung 4 in dieser einfachen Ausführung wegen der Temperaturdrift der Basis-Emitterdiode von etwa -2mV pro Grad Temperaturerhöhung bei IC = const.) nicht brauchbar. 1.2 Kleinsignalverstärkung von Wechselgrößen qualitativ Unter Kleinsignalverstärkung versteht man eine möglichst formgetreue, also unverzerrte Verstärkung von Signalen. In der Regel handelt es sich um kapazitive Kopplung der einzelnen Stufen, damit ein eingestellter Arbeitspunkt nicht durch die galvanische Kopplung mit Nachbarstufen verändert wird. Aber der nachfolgende Lastwiderstand RL verändert bei Wechselspannungsoder Wechselstromsteuerung die dafür gültige Widerstandsgerade; Beispiel: Emitterschaltung: Bild 5: Mit RL belastete Emitterstufe und zugehörige Ausgangskennlinien Für das gezeichnete Beispiel wäre es besser, den Arbeitspunkt bei etwas größerem Basisstrom anzusiedeln, damit der Wechselstromhub nach oben und unten hin etwa gleich groß ist. Leider erfüllt die Schaltung nach Abbildung 5 noch nicht die Anforderung der Temperaturkonstanz: Bei erhöhter Temperatur erhöht sich zwar nicht der nach Abbildung 5 eingeprägte Basistrom, wohl aber der Stromverstärkungsfaktor, so daß auch der Kollektorstrom (IC = BIB ) größer wird, wodurch sich der Arbeitspunkt temperaturabhängig verschiebt. Diese Schwierigkeit wird durch Stromgegenkopplung weitgehend vermieden (siehe Abbildung 6). Exakt bedeutet diese Stromgegenkopplung: der Ausgangsstrom IC ≈ IE erzeugt am Emitterwiderstand RE eine Gleichspannung, die der Spannung UBO entgegenwirkt, so daß UBE = UBO − URE ist. Bild 6: Stromgegenkopplung Am Eingang des Transistors benötigt man den Basisspannungsteiler RV mit RBO , so daß jeweils bei Si-Transistoren IE RE + 0, 6V ≈ UBO oder: IC ≈ IE ≈ UBO − 0, 6V RE Wirkungsweise: Erhöht sich mit steigender Temperatur IC und IE , so wächst auch IE RE und UBE wird kleiner, falls UBO durch ausreichend niederohmige Widerstände RV , RBO eingeprägt ist. Diese Gegensteuerung nennt man Gegenkopplung. Sie stabilisiert den Arbeitspunkt umso besser, je größer der Stromverstärkungsfaktor B des Transistors ist. Solange RE klein gegenüber RC ist, wird durch RE die Widerstandsgerade für RC kaum beieinflußt. Die Schaltung nach Abbildung 6 ist ein Spannungsverstärker. Durch RE wird nicht nur die Temperaturdrift, sondern auch die Wechselspannungsverstärkung verringert, also gegengekoppelt. Daher ist es oft nötig, RE zwar für die Stabilisierung des Arbeitspunktes, also für Gleichgrößen vorzusehen, ihn aber für Wechselgrößen durch kapazitive Überbrückung unwirksam zu machen: 1 ωCk ≈ 0 1 ωCE ≈ 0 Bild 7: Kapazitive Überbrückung des den Arbeitspunkt stabilisierenden Widerstandes RE zwecks großer Wechselspannungsverstärkung 1.3 Die wichtigsten Parameter Obwohl der Basisstrom IB , iB (t) Steuergröße des bipolaren Transistors ist, wird gelegentlich auch die Spannungssteuerung betrachtet. Dazu wird der (bei FETs gängige) Begriff der Steilheit S verwendet: ∆IC S= ∆UBE UCE =const Die zugehörigen Kennlinien sind in Abbildung 8 dargestellt. Bild 8: Links: Übertragungs-, rechts: Ausgangskennlinienfeld, letzteres mit UBE als Parameter Man erkennt: Die Steilheit S ist keineswegs konstant. Dort wo bei kleinen Spannungen UCE die Ausgangskennlinien abknicken, spricht man von UCESat , der Sättigungsspannung. Der Wechselstrom- oder differentielle Widerstand rCE des Transistors nimmt bei zunehmendem Kollektorstrom ab, so wie die Steigung der Kennlinien, in Abbildung 8 rechts, zunehmen. rCE ist definiert zu: ∆UCE = ∆IC UBE =const rCE Hochohmige Ausgangswiderstände rCE erzielt man demnach dort, wo kleine ∆IC zu großen ∆UCE gehören. Bild 9: Eingangskennlinie eines Silizium-Transistors Der Eingangskennlinie entnimmt man, daß der differentielle oder Wechselstromwiderstand rBE der Basis-Emitterdiode im Durchlaß- (=Aussteuerungs-) Bereich (für Si) viel kleiner ist als der Gleichstromwiderstand RBE = UBE /IB . Die differentielle oder Wechselstromverstärkung β ist definiert zu ∆IC β= ∆IB UCE =const Somit kann man β und rBE auch ausdrücken durch S: β = rBE S und rBE = β β UT = S IC , mit k = 1, 38 wobei UT die Temperaturspannung ist: UT = kT e0 −19 e0 = 1, 6 · 10 C. Bei Zimmertemperatur ist UT ≈ 26mV . · 10−23 J/K und 1.4 Parameter in den Transistorgleichungen Die schon beschriebenen Größen ∆IC , ∆IB , ∆UCE , ∆UBE , aber auch die nachfolgenden Differentiale dIC , dIB , dUCE , dUBE sind sämtlich kleine Änderungen von Wechselgrößen, die man auch durch kleine Amplituden der Wechselspannungen und -Ströme darstellen kann Wir drücken die Transistorströme durch die Spannungen aus (Leitwertform): IB = f (UBE , UCE ) IC = f (UBE , UCE ) Daraus erhält man die vollständigen Differentiale: ∂IB ∂IB dUBE + dUCE ∂UBE ∂UCE ∂IC ∂IC = dUBE + dUCE ∂UBE ∂UCE dIB = dIC Somit sind die Gleichungen des Transistors (in Leitwertform, da die Koeffizienten der Spannungen Leitwerte sind): ∆IB = 1 rBE ∆UBE + Sr ∆UCE ∆IC = S∆UBE + 1 rCE ∆UCE Sr ist die Rückwärtssteilheit. Sie beschreibt die im Transistor wirksame Rückwirkung der Ausgangsspannung auf den Eingangsstrom und wird bei Niederfrequenz, ihrer Kleinheit wegen, oft vernachlässigt. 1.5 Eigenschaften einfacher Schaltungen 1.5.1 Emitterschaltung ohne Gegenkopplung Bild 10: Emitterschaltung Spannungsverstärkung: vu = ∆UCE ∆UBE = −S(RC k rCE ) für RC rCE : vu ≈ −SRC . Da S = IC /UT ist, gilt ebenfalls für RC rCE : vu ≈ −IC RC UT Klein geschriebene Widerstände wie rCE oder rBE sind differentielle oder Wechselstromwiderstände. Man kann die Spannungsverstärkung auch mit den Eingangsgrößen ausdrücken: ∆UCE = −∆IC RC = −∆IB βRC (Die Gleichspannungsquelle habe den Innenwiderstand null, daher ist ∆UCE = ∆IC RC ) ∆UBE = ∆IB rBE so daß vu = ∆UCE −∆IB βRC −βRC = = = −S RC ∆UBE ∆IB rBE rBE Eingangswiderstand der Schaltung nach Abbildung 10: rin = rBE = ∆UBE ∆UBE β = = ∆IB ∆IC /β S Zugehöriger Ausgangswiderstand: rex = RC k rCE = RC rCE ≈ RC f ürRC rCE RC + rCE 1.5.2 Emitterschaltung mit Gegenkopplung Bild 11: Stromgegenkopplung der Emitterschaltung Spannungsverstärkung: vu = ∆Uex −S RC = ∆Uin S RE + 1 + RC /rCE Näherung für starke RC /RE S(RC k rCE ): vu ≈ − Gegenkopplung, d.h. für RC RE Geht RE gegen null, so strebt vu gegen den Wert ohne Gegenkopplun Eingangswiderstand: rin ≈ rBE + βRE meist RE . Die vollständige Schaltung enthält in der Regel auch den Eingangs-Spannungsteiler Rv , RBO siehe Abbildung 6 oder Abbildung 7, so daß der damit resultierende Eingangswiderstand für Wechselgrößen: rin = (Rv k RBO ) k (rBE + βRE )meist βRE ist. (Rv k RB deswegen, weil das obere Ende von RB wechselspannungsmäßig an Nullpotential liegt) Ausgangswiderstand: rex ≈ RC 1.5.3 Kollektorschaltung (Emitterfolger, Impedanzwandler) Bild 12: Emitterfolger, Spannungsverstärkung: vu ≈ 1 exakt: vu = 1 1 + 1/{S(RE k rCE )} Eingangswiderstand für Wechselgrößen: rin = Sβ + βRE ≈ βRE Ausgangswiderstand für Wechselgrößen: rex ≈ RE k ( S1 + RβG ) RG ist der Generator- (Innen-) Widerstand der vorausgehenden Schaltung. Wirkungsweise der Schaltung: > Ist Uin ∼ 0, 6V , dann fließt ein Emitterstrom IE ≈ IC , der an RE die Spannung Uin − UBE = Uex entstehen läßt. Man beachte, daß UBE im Durchlaßbereich der Basis-Emitterdiode (siehe Abbildung 9) fast konstant bleibt! Der um βRE vergrößerte Eingangswiderstand rin ergibt sich wie folgt: ûin = ûBE + îE RE ≈ ûBE + β îB RE daher ûin ≈ rBE + βRE rin = îB Beispiel: IC ≈ IE = 10mA; β = 300; RE = 1kΩ, mA RG = 10kΩ; S = 0, 4 . V Damit erhält man: rin ≈ 300kΩ rex ≈ 34Ω ) rin 8800 ≈ rex 1 Der Quotient zeigt deutlich, daß die Kollektorstufe ein Impedanzwandler ist, also einen hochohmigen Eingangswiderstand in einen niederohmigen Ausgangswiderstand dieser Schaltung transformiert. 1.5.4 Darlington-Schaltung Bild 13: Darlington–Schaltung Reichen Stromverstärkung oder Impedanzumsetzung eines Transistors in Kollektorschaltung nicht aus, so kann eine Schaltung nach Abbildung 13 mit zwei Transistoren und den Ersatzanschlüssen B’, E’, C’ verwendet werden. Stromverstärkung β = β1 β2 Eingangswiderstand rB 0 E 0 ≈ 2rBE1 = 2β1 β2 IUT0 C Ausgangswiderstand rC 0 E 0 ≈ 32 rCE2 Steilheit S 0 = IC 0 /2UT siehe Abbildung 13 Es gibt auch eine Komplementär-Darlingtonstufe bestehend aus einem pnp- und einem npnTransistor: Bild 14: Darlingtonstufe mit npn– und pnp–Transistor Ersatzkennwerte dafür sind: Stromverstärkung β 0 = β1 β2 Eingangswiderstand rin ≈ rBE1 = β 0 UT /IC 0 . Ausgangswiderstand rC 0 E 0 ≈ 21 rCE2 Steilheit S 0 = IC 0 /UT siehe Abbildung 14 1.5.5 Basisschaltung Bild 15: Prinzip der Basisschaltung Kennwerte: Spannungsverstärkung vu = S(RC k rCE ) Eingangswiderstand rin ≈ S1 Ausgangswiderstand rex ≈ RC Stromverstärkung vi ≈ 1 Wirkungsweise der Basisschaltung: Die Eingangsspannung liegt wie bei der Emitterschaltung zwischen Basis und Emitter, daher haben wir hier die gleiche Spannungsverstärkung wie bei der Emitterschaltung, aber ohne deren Phasenumkehr. Hier aber liegt die Basis an Nullpotential, bei der Emitterschaltung jedoch der Emitter. Daher wird die vorausgehende Schaltung (hier der Generator) mit dem gesamten Emitterstrom belastet. Somit ist der Eingangswiderstand um den Faktor β geringer als bei der Emitterschaltung. Betrachtet man den Transistor alleine, ohne Zusatzbeschaltung, so hat er nicht nur den niedrigsten Eingangswiderstand, sondern auch den höchsten Ausgangswiderstand aller drei Grundschaltungen: rCB = β rCE Die Basisschaltung hat ihre Vorteile im Hochfrequenzbereich, wo sie meist verwendet wird. Schaltungsbeispiel einer Basisschaltung Bild 16: Durch CB muß die Basis wechselspannungsmäßig auf Nullpotential liegen. ————————————————————————————————————————Literaturangabe: Auszug aus dem ”Elektrotechnischen Grundlagen-Praktikum” der Universität Karlsruhe, Institut für Theoretische Elektrotechnik und Messtechnik, Verfasser: Dr.-Ing. Gottlieb Strassacker