Einsatzmöglichkeiten der pflanzlichen Beruhigungsmittel Lavendel

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Einsatzmöglichkeiten
pflanzlicher Beruhigungsmittel
aus Lavendel, Johanniskraut,
Baldrian und Melisse
Inhalt
1.
2.
3.
4.
Allgemeine Einführung Phytotherapie
Phytotherapie bei Angststörungen
Phytotherapie bei Depressionen
Phytotherapie bei Schlafstörungen
Phytotherapie – Glauben oder Wissen?
Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit …
•
•
•
wurden bei zugelassenen Phytopharmaka durch Studien am Menschen
nachgewiesen.
werden bei traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln auf Grund der
langen Anwendung vermutet.
werden bei homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln
aufgrund einer Theorie vom Anfang des letzten Jahrhunderts erwartet.
Was ist ein Phytopharmakon?
•
phyton = griechisch Pflanze,
pharmakon = griechisch Arzneimittel
•
Phytopharmakon
= pflanzliches Arzneimittel
Phytopharmaka (Plural)
•
Phytotherapie
Behandlung mit pflanzlichen Arzneimitteln
nach naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten
•
Wirksame Inhaltsstoffe
Gesamtheit des Extrakts, kein einzelner Bestandteil
Anforderungen an moderne Phytopharmaka
•
Die Anforderungen an Phytopharmaka und „normale“ chemischsynthetische Arzneimittel sind nach dem Arzneimittelgesetz
grundsätzlich gleich.
•
Nachgewiesen werden müssen:
• Qualität
• Wirksamkeit
• Verträglichkeit
• Unbedenklichkeit
Was ist pflanzlich, aber kein Phytopharmakon?
•
Homöopathische Arzneimittel
• Therapieprinzip nach
Samuel Hahnemann (1755-1843)
•
Anthroposophische Arzneimittel
• Therapieprinzip nach
Rudolf Steiner (1861-1925)
•
Nahrungsergänzungsmittel
•
Isolierte Pflanzeninhaltsstoffe
• z.B. Digoxin, Atropin, Morphin
Quelle: http://anthrowiki.at/Rudolf_Steiner
Phytotherapie – Hoher Nutzen für besondere
Patientengruppen
• Wirkmechanistisch bedingte Nebenwirkungen – besonders
schwere – sind in der Regel bei Phytotherapeutika selten, das
Interaktionspotenzial meist gering.
• Interessante Therapieoption für:
• Geriatrische Patienten (Cave: oft unterrepräsentiert
untersucht)
• Chronisch, multimorbide Patienten (Cave: mögliche
Interaktionen berücksichtigen)
• Besonders junge Menschen
• Vermeintlich „Nebenwirkungs-sensitive“ Menschen,
wie z.B. Pat. mit Angststörungen
• Patienten, die große Bedenken gegenüber chemisch
synthetisierten Arzneimitteln haben
• Patienten, bei denen zusätzliche Sedierung nachteilig ist
Einige Einsatzgebiete pflanzlicher
Beruhigungsmittel
•
Angststörungen
•
Depressionen
•
Schlafstörungen
Formen der Angst –
Diagnostisches Spektrum
Krankhafte Angst
Angststörungen
Normale Angst
Bei körperlichen
Erkrankungen
(z.B. Hyperthyreose)
Bei Psychosen /
Depressionen
Gerichtete Angst /
Furcht
Ungerichtete Angst
Anfallsartig
Dauernd
Umgebung
Menschen
Spezifisches
Panikstörung
(F41.0)
Generalisierte
Angststörung
(F41.1)
Agoraphobie
(F40.0)
Sozialphobie
(F40.1)
Spezifische
Phobie
(F40.2)
Subsyndromale
Angststörung
(F41.9)
Diagnosekriterien –
Panikstörung F41.0
A: Wiederholte Panikattacken
• nicht auf spezifische Situation/Objekt bezogen
• treten oft spontan auf
• Episode: intensiv, abrupt, Maximum in wenigen Minuten
B: Panikattacke hat alle folgenden Charakteristika
• einzelne Episode intensiver Angst
• beginnt abrupt
• in wenigen Minuten Maximum
• mind. 4 Angstsymptome
C: Ausschluss anderer Störungen
Diagnosekriterien –
Generalisierte Angststörung (F41.1)
Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen in Bezug auf alltägliche
Ereignisse und Probleme mit folgenden Befunden
• Vegetative Symptome wie
erhöhte Herzfrequenz, Schwitzen, Tremor, Mundtrockenheit
• Symptome in
Thorax oder Abdomen (Atembeschwerden, Beklemmungsgefühl,
Thoraxschmerzen, abdominale Missempfindungen)
• Psychische Symptome
(Schwindel, Derealisation, Angst vor Kontrollverlust, Angst zu sterben)
• Allgemeinsymptome
(Hitzewallungen, Kälteschauer, Parästhesien)
• Symptome der Anspannung
(Muskelverspannung, Ruhelosigkeit, Kloßgefühl)
• Andere unspezifische Symptome
(Schreckhaftigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit,
Einschlafstörungen)
• Zeitkriterium 6 Monate
Praxistipp: Panikstörung versus
Generalisierte Angststörung
Panikstörung (F 41.0)
Generalisierte Angststörung (F 41.1)
Zwischen den Panikattacken
weitgehend angstfreie Intervalle,
allerdings „Angst vor der Angst“
„Frei flottierende Angst“
Starkes Vermeidungsverhalten
Primär beklagtes Symptom nicht Angst,
sondern Schmerzen, Verspannungen
oder Schlafstörungen
Sorgen um sich selber bzw. das Herz,
„zu versterben“ etc…
Mehr Sorgen um die Angehörigen
Sonderform –
Subsyndromale Angststörung
• „Leichtere Form“ der generalisierten Angststörung
von kürzerer Dauer oder geringerer Ausprägung
→ erfüllt daher nicht die ICD10-Kriterien der F41.0 oder F41.1
• Unabhängig von sozialer Struktur und Alter
• ♀ : ♂ = 2:1
• 23 % der Deutschen* entsprechend einer Befragung betroffen und mit
durchaus hohem Leidensdruck assoziiert
Volz et al.: J. Neurol. Neurochir. Psychiatry 12, (2), 162-167.
*TNS Infratest: Juli 2011/60.05.123370.
Generalisierte und subsyndromale Angststörungen kommen in der hausärztlichen
Praxis häufig vor
40
% der Patienten
GAD
n=17.739
35
Angstsyndrome*
30
25
6,8
5,6
7
6,6
6,6
2,7
20
3,1
Durchschnittsalter ca. 36 Jahre
15
10
2,4
20,3
21,1
23,3
23,2
23,3
19,8
19,3
19,5
16-19
20-29
30-39
40-49
50-59
60-69
70-79
80+
5
0
Alter (Jahre)
*Hier Angstsyndrome, welche die ICD 10-Kriterien für eine generalisierte Angststörung
mit Ausnahme der Symptomdauer erfüllen
 subsyndromale Angststörung
Wittchen et al. J Clin Psychiatry. 2002; 63(Suppl 8): 24-34
Molekulare Wirkmechanismen chemischer
Anxiolytika
1. Agonismus am GABAA-Rezeptor
2. Erhöhung des serotonergen Tonus
3. Drosselung von Exzitation (Membranstabilisierung)
5-HT:
Ca+:
GABA:
Na+:
NA:
NET:
SERT:
SSRI:
Serotonin
Calcium
γ-Aminobuttersäure
Natrium
Noradrenalin
Noradrenalintransporter
Serotonintransporter
Selektive SerotoninWiederaufnahmehemmer
Modifiziert nach Müller et al. 2015; Psychopharmakotherapie 22:3-13.
Pflanzliche Therapieoption bei
subsyndromalen Angststörungen
• Lavendelöl
• Zugelassenes pflanzliches Arzneimittel
z.B. Silexan (WS 1265)
• Indikation: Unruhezustände bei ängstlicher Verstimmung
• Pflanze: schmalblättriger Arzneilavendel
(Lavandula angustifolia mill.)
• Verwendete Pflanzenteile:
frisch geerntete Blütenstände
Lavendelöl – Wirkprofil
•
Blockade spannungsabhängiger P/Q-TypCalciumkanäle
•
Keine Affinität zu den
Zielmolekülen anderer
Anxiolytika oder zum
GABAA-Rezeptor
•
•
1.
2.
3.
Die Hemmung der
Calciumkanäle erklärt
die anxiolytische Wirkung
des Lavendelöls
Halbwertszeit (Linalool): ca. 9 Stunden
Schuwald et al., PLoS One, 2013.
Abb.: Modifiziert nach Müller et al. 2015; Psychopharmakotherapie 22:3-13.
Agonismus am GABAA-Rezeptor
Erhöhung des serotonergen Tonus
Drosselung von Exzitation (Membranstabilisierung)
3
2
1
Lavendelöl – Klinische Datenlage
Vergleichbar wirksam wie Paroxetin (20 mg) in
Referenz-kontrollierter Studie
Hamilton Angstskala (HAMA): International anerkanntes Messinstrument zur Erfassung und Verlaufsbeobachtung von Angsterkrankungen; 7 psychische und 7 körperliche Angstsymptome; Fremdbeurteilung
Kasper S et al.: Int.J.Neuropsychopharmacol. 2014;17,(6),859-869, n=539.
Lavendelöl – Klinische Datenlage
Wirksam bei ängstlicher und depressiver Verstimmung, gemischt
Wirkung auf
ängstliche Symptomatik
Hamilton Angstskala (HAMA): International
anerkanntes Messinstrument zur Erfassung und
Verlaufs-beobachtung von Angsterkrankungen;
7 psychische und 7 körperliche Angstsymptome;
Fremdbeurteilung
Wirkung auf
depressive Symptomatik
Montgomery Åsberg Depression
Rating Scale (MADRS):
International anerkanntes Messinstrument
zur Erfassung und Verlaufsbeobachtung
von Depressionen; 10 Items; Fremdbeurteilung
Kasper S. et al.: Eur. Neuropsychopharmacol. 2016; 26, (2), 331-340; n=318.
Lavendelöl – Verträglichkeitsprofil
•
Gut verträglich
• Häufig Aufstoßen,
• Magen-Darm-Beschwerden und
Einnahmetipp:
Reduzierbar durch Einnahme mit dem Essen
• allergische Hautreaktionen.
•
Keine Wechselwirkungen mit Kontrazeptiva oder anderen
Medikamenten
•
Keine Beeinflussung anderer Organfunktionen
•
Keine Hinweise auf Toleranzentwicklung, Missbrauchs- oder
Abhängigkeitspotenzial
•
Keine Sedierung → keine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit bzw. der
Reaktionsfähigkeit
Einige Einsatzgebiete pflanzlicher
Beruhigungsmittel
•
Angststörungen
•
Depressionen
•
Schlafstörungen
Haupt- und Nebenkriterien der depressiven
Episode nach ICD-10
Suizidgedanken /
Suizidale
Handlungen
Negative und
pessimistische
Zukunftsperspektiven
Gefühl von
Schuld und
Wertlosigkeit
Verlust von
Interesse u.
Freude
Depressive
Stimmung
Verminderter
Antrieb
Schlafstörungen
ICD-10, Dilling et al.,1991
Vermindertes
Selbstwertgefühl und
Selbstvertrauen
Appetitminderung
Verminderte
Konzentration und
Aufmerksamkeit
Praxistipp – Zwei-Fragen-Test
Empfehlung S3-Leitlinie zum Screening unipolarer Depression
• Zeitökonomisch
• Sensitivität: 96%
• Spezifität 57%
1.
„Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig
bedrückt oder hoffnungslos?“
2.
„Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an
Dingen, die Sie sonst gerne tun?“
Zweimal Ja  übrige Haupt- und Nebensymptome erfassen
DGPPN: S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression. 2009.
Whooley MA et al.; J Gen Intern Med. 1997.
Löwe B et al; J Psychosom Res 2005.
Depression – multifaktorielles Geschehen
Depressionen
Psychische Faktoren/
Denkmuster
Belastende
Lebensumstände
Erbliche Belastung
(40-50% familiäres Risiko)
Molekulare Wirkmechanismen
chemischer Antidepressiva (SSRI/SNRI)
1. Agonismus am GABAA-Rezeptor
2. Erhöhung des serotonergen Tonus
3. Drosselung von Exzitation (Membranstabilisierung)
3
5-HT:
Ca+:
GABA:
Na+:
NA:
NET:
SERT:
SNRI:
SSRI:
Serotonin
Calcium
γ-Aminobuttersäure
Natrium
Noradrenalin
Noradrenalintransporter
Serotonintransporter
Serotonin-NoradrenalinWiederaufnahmehemmer
Selektive SerotoninWiederaufnahmehemmer
Modifiziert nach Müller et al. 2015; Psychopharmakotherapie 22:3-13.
1
2
Pflanzliche Therapieoption bei leichten bis
mittelschweren Depressionen
• Johanniskraut
• Zugelassenes pflanzliches Arzneimittel
z.B. WS 5570, STW 3-VI, LI 160
• Indikation: leichte bis mittelschwere depressive Episoden
• Pflanze: Hypericum perforatum L.
• Verwendete Pflanzenteile: zur Blütezeit geerntete und schonend
getrocknete oberirdische Teile
Johanniskraut-Extrakt – Wirkprofil
•
Antidepressive Wirkung beruht auf multifaktoriellem
Wirkprofil verschiedener Inhaltsstoffe
•
Hyperforin hat Hauptanteil an
antidepressiver Wirkung:
• Hemmung des Rücktransports
u.a. von Serotonin, Noradrenalin,
Dopamin aus dem synaptischen Spalt
Botenstoffe verbleiben länger im
synaptischen Spalt, können dort
länger wirken
•
Halbwertszeit (Hyperforin): 11,2 Stunden
Johanniskraut-Extrakt – Wirkprofil
Hemmung der Rücktransporter der Botenstoffe Serotonin, Dopamin und
Noradrenalin
1.
2.
3.
Agonismus am GABAA-Rezeptor
Erhöhung des serotonergen Tonus
Drosselung von Exzitation (Membranstabilisierung)
3
5-HT:
Ca+:
GABA:
Na+:
NA:
NET:
SERT:
Serotonin
Calcium
γ-Aminobuttersäure
Natrium
Noradrenalin
Noradrenalintransporter
Serotonintransporter
Modifiziert nach Müller et al. 2015; Psychopharmakotherapie 22:3-13.
1
2
Johanniskraut-Extrakt – S3-Leitlinie
„Unipolare Depression“
Von 30 Fachgesellschaften erarbeitete Leitlinie:
•
Hochwertige Extrakte (wie z.B. WS 5570)
sind als erster Therapieversuch bei leichten
bis mittelschweren Depressionen nach
Leitlinie möglich!
DGPPN, BÄK, KBV, AWMF, AkdÄ, BPtK, BApK, DAGSHG, DEGAM, DGPM, DGPs, DGRW (Hrsg.) für die Leitli-niengruppe Unipolare Depression*. S3Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression - Langfas-sung, 2. Auflage, Version 1, November 2015. Available from:
www.depression.versorgungsleitlinien.de;
Johanniskraut-Extrakt – Klinische Datenlage
Cochrane-Review „St John´s wort for major
depression“
Fazit:
•
Die Analyse bekräftigt Evidenz zugunsten von bestimmten hochwertigen
Johanniskraut-Extrakten.
•
Die Analyse bescheinigt diesen eine äquivalente Wirkung zu SSRIs und
auch zu älteren Antidepressiva – bei geringerem Nebenwirkungsrisiko.
•
Daten gelten ausschließlich für qualitativ hochwertige JohanniskrautExtrakte wie WS 5570 – sie können nicht auf andere Extrakte übertragen
werden. Nur bei hochwertigen Spezialextrakten ist eine verlässliche und
stets gleiche Extraktdosis gewährleistet.
Linde K., Berner M. M., Kriston L., St John’s wort for major depression (Intervention Review). The Cochrane Collaboration, www.cochrane.de
Klinische Datenlage – Beispiel WS 5570
Vergleichbar wirksam wie Paroxetin* – Akuttherapie
in der Referenz-kontrollierten Studie
WS 5570
Hamilton Depressionsskala (HAMD):
International anerkanntes Messinstrument zur Erfassung und Verlaufsbeobachtung von
Depressionen; insgesamt 21 Items – Fremdbeurteilung
Szegedi et al. BMJ 2005, 330, 503-507
Klinische Datenlage – Beispiel WS 5570
Vergleichbar wirksam wie Paroxetin –
Erhaltungstherapie (weitere 4 Monate)
WS 5570
Anghelescu et al. Pharmacopsychiatry 2006, 39, 213-219
Johanniskraut-Extrakt: Bessere Verträglichkeit
als synthetische Antidepressiva
Unerwünschte Ereignisse, Unterschied zu Placebo
Kasper et al. Clinical Pharmacopsychiatry 2010, 25, 204-213.
Johanniskraut-Extrakt – Nebenwirkungen
•
Gut verträglich:
• Sehr selten
• Lichtüberempfindlichkeit
• 1 oder weniger von 10.000 Behandelten entwickeln
eine relevante Lichtüberempfindlichkeit
→ intensive UV-Bestrahlung meiden, geeigneten Sonnenschutz
verwenden, nicht bei bekannter Lichtüberempfindlichkeit
anwenden
• Selten
• Magen-Darm-Beschwerden
• Allergische Reaktionen
• Müdigkeit oder Unruhe
Johanniskraut-Extrakt – Wechselwirkungen
• Wechselwirkungen
•
•
Wie fast alle Antidepressiva führen auch
alle Johanniskrautpräparate zu klinisch relevanten
Wechselwirkungen
•
Induktion von CYP-P450-3A4, -2C9, -2C19 und p-Glykoprotein
•
Cave: hormonelle Empfängnisverhütungsmittel
→ Zusätzliche empfängnisverhütende Maßnahmen anwenden
Daher kontraindiziert bei …
•
Arzneimittel zur Anti-HIV-Behandlung
•
Protease-Hemmstoffe zur Behandlung von Hepatitis-C-Infektionen
•
Immunsuppressiva Ciclosporin und Tacrolimus
•
Irinotecan, Imatinib und andere Zytostatika
•
Warfarin
•
andere Antidepressiva
Wie bei allen Antidepressiva daher Wechselwirkungscheck!
Pflanzliche Arzneimittel: Extrakt ≠ Extrakt
Qualität und Herstellung sind entscheidend
•
Verpflichtung des Apothekers zur Aut-idem-Substitution*
•
Die auszutauschenden Arzneimittel müssen pharmazeutisch äquivalent
sein, d. h.
• denselben Wirkstoff,
• in identischer Wirkstärke,
• in einer „gleichen oder austauschbaren Darreichungsform“
enthalten,
• und eine adäquate pharmazeutische Qualität aufweisen.
*Rahmenvertrag zwischen Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband regelt die Einzelheiten zur Abgabe von Arzneimitteln im Rahmen
der Aut-Idem Substitution (§ 129 SGB V).
Hyperforin-Tagesdosen verschiedener
Johanniskraut-Extrakte
Hyperforin-Tagesdosis (mg)
40
35
30
25
20
15
10
5
0
LI 1601
3 x 300 mg
Berechnet nach Wurglics M. et al., J Am Pharm Assoc 2001; 41: 560-566.
1: Laut Fachinformation Jarsin RX 300, Stand November 2014
2: Laut Fachinformation Laif 900, Stand Oktober 2012
3: Laut Fachinformation Neuroplant, Stand Februar 2016
STW 32
1 x 900 mg
WS 55703
1 x 600 mg
Übersicht rezeptpflichtiger Präparate mit
unterschiedlicher Wirkstoffmenge
Extraktbezeichnung des
Arzneimittels
Extrakt-Menge
pro Tablette
Tagesdosis
STW-3-VI1
900 mg
1x1
WS 55702
600 mg
1x1
LI 1603
300 mg
3x1
Extrakt ≠ Extrakt:
Trotz unterschiedlicher Johanniskrautextrakt-Mengen in einer
Tablette ist die tägliche Einmalgabe ausreichend wirksam,
da in klinischen Studien gezeigt.
1: Laut Fachinformation Laif 900, Stand Oktober 2012
2: Laut Fachinformation Neuroplant, Stand Februar 2016
3: Laut Fachinformation Jarsin RX 300, Stand November 2014
Einige Einsatzgebiete pflanzlicher
Beruhigungsmittel
•
Angststörungen
•
Depressionen
•
Schlafstörungen
Schlafstörungen
Häufigkeit:
•
Schlafstörungen zählen neben Kopfschmerzen
zu den häufigsten psychosomatischen Beschwerden
•
ca. 30% der (nicht akut psychiatrisch erkrankten) Erwachsenen sind
gelegentlich von Schlafstörungen betroffen*
•
10 - 15% der (nicht akut psychiatrisch erkrankten) Erwachsenen leiden
an chronischer Insomnie*
*Doghramji K: Am. J. Manag. Care 2006;12:214-220.
Schlafstörungen – vielfältige Ursachen
• Organisch bedingt
•
•
•
•
M. Parkinson
Delir
Demenz
etc.
• Psychische Störungen
• Depressionen
• Angst- und Unruhezustände
• Hormonell bedingt
• Änderungen des weiblichen
Hormonstatus
• Schilddrüsenhormone
• Medikamente
•
•
•
•
Antidepressiva
Betablocker
Methylphenidat
Antibiotika
(z. B. Chinolone)
• Schilddrüsenhormone
• Indirekt: Diuretika
• Lebensgewohnheiten
•
•
•
•
•
•
falsche Schlafhygiene
Alkohol
Koffein
Nikotin
Fettreiches Essen
Sport am Abend
Schlafstörungen – Therapiemöglichkeiten
•
Verhaltenstherapie / Schlafhygiene
•
Pflanzliche Arzneimittel
z.B. Baldrian, Melisse, Hopfen, Passionsblume
•
Chemisch-synthetische Arzneimittel
z.B. Benzodiazepine, Barbiturate
•
Biogene Arzneimittel
z.B.: Tryptophan, Melatonin
Chemisch-synthetische Schlafmittel –
Häufig problematisch
•
Häufig Induktion einer Abhängigkeit (Benzodiazepine und Z-Substanzen)
•
Hangover: „unangenehme Nachwirkungen von Arzneimitteln“
•
Mit Benzodiazepinen 2 - 4mal mehr Tagesmüdigkeit und Benommenheit
•
Unfallfahrer 60% häufiger Benzodiazepin-Verwender
•
„Bei Menschen über 60 dürften die positiven Wirkungen dieser Arzneimittel
das erhöhte Risiko nicht rechtfertigen, insbesondere wenn der Patient
zusätzliche Risikofaktoren für kognitive oder psychomotorische
unerwünschte Wirkungen hat.“
Pschyrembel® Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2007.
Rapoport MJ et al.: Benzodiazepine use and driving: a meta-analysis. J Clin Psychiatry. 2009 May;70(5):663-73.
Glass J et al.: Sedative hypnotics in older people with insomnia: meta-analysis of risks and benefits. BMJ. 2005 Nov 19;331(7526):1169.
Pflanzliche Therapieoption bei nervös
bedingten Einschlafstörungen
Baldrianwurzel
•
Zugelassenes pflanzliches Arzneimittel
•
Indikation: Unruhezustände und
nervös bedingte Einschlafstörungen
•
Pflanze: Valeriana officinalis L.
•
Verwendete Pflanzenteile:
getrocknete Wurzel
•
Melissenblätter nur
als Kombination
Baldrianwurzel – Wirkprofil
•
Ligand an der beta-3Untereinheit des
GABA-A-Rezeptors
•
Damit ähnlich zu
den Benzodiazepinen,
aber doch differente
Untereinheit
•
•
Trotzdem klinisch
kein Hinweis auf eine
Beeinträchtigung des
Reaktionsvermögens
?
?
Baldrian
Halbwertszeit (Valerensäure):
ca. 46 Stunden
Melisse
Baldrian-Melisse-Extrakt verbessert
Schlafqualität und Tagesbefinden
Randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie, n=66
Dosierung: 2 x tgl. 320 mg Baldrianextrakt + 160 mg Melissenextrakt
Dreßing H et al., Psychopharmakotherapie 1996; 3: 123-130
Baldrian-Melisse-Extrakt –
Kein Einfluss auf Reaktionsgeschwindigkeit
Reaktionszeit (Millisekunden)
Reaktionszeit, Millisekunden
940
920
900
880
860
Baldrian+Melisse
Plazebo
840
820
800
780
760
Tag 0
Tag 14
Tag 21
Randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie, n=54
Dosierung: 2 x tgl. 320 mg Baldrianextrakt + 160 mg Melissenextrakt
Albrecht M et al. Zeitschrift für Allgemeinmedizin 1995; 71: 1215-1225
Baldrian-Melisse-Extrakt – Verträglichkeitsprofil
•
Gut verträglich
• In Einzelfällen Magen-Darm-Beschwerden möglich
•
Keine kognitiven oder psychomotorischen Beeinträchtigungen am Tag
messbar
• Baldrian alleine
• Kombination mit Melisse
•
Kein Abhängigkeitspotenzial
•
Keine Wechselwirkungen
Zusammenfassung
•
Bei Phytotherapeutika spielen die Qualität und
die Herstellung die entscheidende Rolle:
Extrakt ≠ Extrakt.
•
Phytotherapeutika wie Lavendelöl, Johanniskraut-Extrakt
und Baldrian-Extrakt entfalten ihre
Wirkungen über gut identifizierte Mechanismen.
•
Unter der Berücksichtigung der Schwere der Erkrankung erscheint ein
Einsatz bei depressiven und ängstlichen Verstimmungen und bei
Schlafstörungen sinnvoll.
•
Klinische Studien zu den jeweiligen Spezialextrakten zeigen die
Wirksamkeit und Verträglichkeit.
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