Einsatzmöglichkeiten pflanzlicher Beruhigungsmittel aus Lavendel, Johanniskraut, Baldrian und Melisse Inhalt 1. 2. 3. 4. Allgemeine Einführung Phytotherapie Phytotherapie bei Angststörungen Phytotherapie bei Depressionen Phytotherapie bei Schlafstörungen Phytotherapie – Glauben oder Wissen? Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit … • • • wurden bei zugelassenen Phytopharmaka durch Studien am Menschen nachgewiesen. werden bei traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln auf Grund der langen Anwendung vermutet. werden bei homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln aufgrund einer Theorie vom Anfang des letzten Jahrhunderts erwartet. Was ist ein Phytopharmakon? • phyton = griechisch Pflanze, pharmakon = griechisch Arzneimittel • Phytopharmakon = pflanzliches Arzneimittel Phytopharmaka (Plural) • Phytotherapie Behandlung mit pflanzlichen Arzneimitteln nach naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten • Wirksame Inhaltsstoffe Gesamtheit des Extrakts, kein einzelner Bestandteil Anforderungen an moderne Phytopharmaka • Die Anforderungen an Phytopharmaka und „normale“ chemischsynthetische Arzneimittel sind nach dem Arzneimittelgesetz grundsätzlich gleich. • Nachgewiesen werden müssen: • Qualität • Wirksamkeit • Verträglichkeit • Unbedenklichkeit Was ist pflanzlich, aber kein Phytopharmakon? • Homöopathische Arzneimittel • Therapieprinzip nach Samuel Hahnemann (1755-1843) • Anthroposophische Arzneimittel • Therapieprinzip nach Rudolf Steiner (1861-1925) • Nahrungsergänzungsmittel • Isolierte Pflanzeninhaltsstoffe • z.B. Digoxin, Atropin, Morphin Quelle: http://anthrowiki.at/Rudolf_Steiner Phytotherapie – Hoher Nutzen für besondere Patientengruppen • Wirkmechanistisch bedingte Nebenwirkungen – besonders schwere – sind in der Regel bei Phytotherapeutika selten, das Interaktionspotenzial meist gering. • Interessante Therapieoption für: • Geriatrische Patienten (Cave: oft unterrepräsentiert untersucht) • Chronisch, multimorbide Patienten (Cave: mögliche Interaktionen berücksichtigen) • Besonders junge Menschen • Vermeintlich „Nebenwirkungs-sensitive“ Menschen, wie z.B. Pat. mit Angststörungen • Patienten, die große Bedenken gegenüber chemisch synthetisierten Arzneimitteln haben • Patienten, bei denen zusätzliche Sedierung nachteilig ist Einige Einsatzgebiete pflanzlicher Beruhigungsmittel • Angststörungen • Depressionen • Schlafstörungen Formen der Angst – Diagnostisches Spektrum Krankhafte Angst Angststörungen Normale Angst Bei körperlichen Erkrankungen (z.B. Hyperthyreose) Bei Psychosen / Depressionen Gerichtete Angst / Furcht Ungerichtete Angst Anfallsartig Dauernd Umgebung Menschen Spezifisches Panikstörung (F41.0) Generalisierte Angststörung (F41.1) Agoraphobie (F40.0) Sozialphobie (F40.1) Spezifische Phobie (F40.2) Subsyndromale Angststörung (F41.9) Diagnosekriterien – Panikstörung F41.0 A: Wiederholte Panikattacken • nicht auf spezifische Situation/Objekt bezogen • treten oft spontan auf • Episode: intensiv, abrupt, Maximum in wenigen Minuten B: Panikattacke hat alle folgenden Charakteristika • einzelne Episode intensiver Angst • beginnt abrupt • in wenigen Minuten Maximum • mind. 4 Angstsymptome C: Ausschluss anderer Störungen Diagnosekriterien – Generalisierte Angststörung (F41.1) Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen in Bezug auf alltägliche Ereignisse und Probleme mit folgenden Befunden • Vegetative Symptome wie erhöhte Herzfrequenz, Schwitzen, Tremor, Mundtrockenheit • Symptome in Thorax oder Abdomen (Atembeschwerden, Beklemmungsgefühl, Thoraxschmerzen, abdominale Missempfindungen) • Psychische Symptome (Schwindel, Derealisation, Angst vor Kontrollverlust, Angst zu sterben) • Allgemeinsymptome (Hitzewallungen, Kälteschauer, Parästhesien) • Symptome der Anspannung (Muskelverspannung, Ruhelosigkeit, Kloßgefühl) • Andere unspezifische Symptome (Schreckhaftigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit, Einschlafstörungen) • Zeitkriterium 6 Monate Praxistipp: Panikstörung versus Generalisierte Angststörung Panikstörung (F 41.0) Generalisierte Angststörung (F 41.1) Zwischen den Panikattacken weitgehend angstfreie Intervalle, allerdings „Angst vor der Angst“ „Frei flottierende Angst“ Starkes Vermeidungsverhalten Primär beklagtes Symptom nicht Angst, sondern Schmerzen, Verspannungen oder Schlafstörungen Sorgen um sich selber bzw. das Herz, „zu versterben“ etc… Mehr Sorgen um die Angehörigen Sonderform – Subsyndromale Angststörung • „Leichtere Form“ der generalisierten Angststörung von kürzerer Dauer oder geringerer Ausprägung → erfüllt daher nicht die ICD10-Kriterien der F41.0 oder F41.1 • Unabhängig von sozialer Struktur und Alter • ♀ : ♂ = 2:1 • 23 % der Deutschen* entsprechend einer Befragung betroffen und mit durchaus hohem Leidensdruck assoziiert Volz et al.: J. Neurol. Neurochir. Psychiatry 12, (2), 162-167. *TNS Infratest: Juli 2011/60.05.123370. Generalisierte und subsyndromale Angststörungen kommen in der hausärztlichen Praxis häufig vor 40 % der Patienten GAD n=17.739 35 Angstsyndrome* 30 25 6,8 5,6 7 6,6 6,6 2,7 20 3,1 Durchschnittsalter ca. 36 Jahre 15 10 2,4 20,3 21,1 23,3 23,2 23,3 19,8 19,3 19,5 16-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80+ 5 0 Alter (Jahre) *Hier Angstsyndrome, welche die ICD 10-Kriterien für eine generalisierte Angststörung mit Ausnahme der Symptomdauer erfüllen subsyndromale Angststörung Wittchen et al. J Clin Psychiatry. 2002; 63(Suppl 8): 24-34 Molekulare Wirkmechanismen chemischer Anxiolytika 1. Agonismus am GABAA-Rezeptor 2. Erhöhung des serotonergen Tonus 3. Drosselung von Exzitation (Membranstabilisierung) 5-HT: Ca+: GABA: Na+: NA: NET: SERT: SSRI: Serotonin Calcium γ-Aminobuttersäure Natrium Noradrenalin Noradrenalintransporter Serotonintransporter Selektive SerotoninWiederaufnahmehemmer Modifiziert nach Müller et al. 2015; Psychopharmakotherapie 22:3-13. Pflanzliche Therapieoption bei subsyndromalen Angststörungen • Lavendelöl • Zugelassenes pflanzliches Arzneimittel z.B. Silexan (WS 1265) • Indikation: Unruhezustände bei ängstlicher Verstimmung • Pflanze: schmalblättriger Arzneilavendel (Lavandula angustifolia mill.) • Verwendete Pflanzenteile: frisch geerntete Blütenstände Lavendelöl – Wirkprofil • Blockade spannungsabhängiger P/Q-TypCalciumkanäle • Keine Affinität zu den Zielmolekülen anderer Anxiolytika oder zum GABAA-Rezeptor • • 1. 2. 3. Die Hemmung der Calciumkanäle erklärt die anxiolytische Wirkung des Lavendelöls Halbwertszeit (Linalool): ca. 9 Stunden Schuwald et al., PLoS One, 2013. Abb.: Modifiziert nach Müller et al. 2015; Psychopharmakotherapie 22:3-13. Agonismus am GABAA-Rezeptor Erhöhung des serotonergen Tonus Drosselung von Exzitation (Membranstabilisierung) 3 2 1 Lavendelöl – Klinische Datenlage Vergleichbar wirksam wie Paroxetin (20 mg) in Referenz-kontrollierter Studie Hamilton Angstskala (HAMA): International anerkanntes Messinstrument zur Erfassung und Verlaufsbeobachtung von Angsterkrankungen; 7 psychische und 7 körperliche Angstsymptome; Fremdbeurteilung Kasper S et al.: Int.J.Neuropsychopharmacol. 2014;17,(6),859-869, n=539. Lavendelöl – Klinische Datenlage Wirksam bei ängstlicher und depressiver Verstimmung, gemischt Wirkung auf ängstliche Symptomatik Hamilton Angstskala (HAMA): International anerkanntes Messinstrument zur Erfassung und Verlaufs-beobachtung von Angsterkrankungen; 7 psychische und 7 körperliche Angstsymptome; Fremdbeurteilung Wirkung auf depressive Symptomatik Montgomery Åsberg Depression Rating Scale (MADRS): International anerkanntes Messinstrument zur Erfassung und Verlaufsbeobachtung von Depressionen; 10 Items; Fremdbeurteilung Kasper S. et al.: Eur. Neuropsychopharmacol. 2016; 26, (2), 331-340; n=318. Lavendelöl – Verträglichkeitsprofil • Gut verträglich • Häufig Aufstoßen, • Magen-Darm-Beschwerden und Einnahmetipp: Reduzierbar durch Einnahme mit dem Essen • allergische Hautreaktionen. • Keine Wechselwirkungen mit Kontrazeptiva oder anderen Medikamenten • Keine Beeinflussung anderer Organfunktionen • Keine Hinweise auf Toleranzentwicklung, Missbrauchs- oder Abhängigkeitspotenzial • Keine Sedierung → keine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit bzw. der Reaktionsfähigkeit Einige Einsatzgebiete pflanzlicher Beruhigungsmittel • Angststörungen • Depressionen • Schlafstörungen Haupt- und Nebenkriterien der depressiven Episode nach ICD-10 Suizidgedanken / Suizidale Handlungen Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven Gefühl von Schuld und Wertlosigkeit Verlust von Interesse u. Freude Depressive Stimmung Verminderter Antrieb Schlafstörungen ICD-10, Dilling et al.,1991 Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen Appetitminderung Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit Praxistipp – Zwei-Fragen-Test Empfehlung S3-Leitlinie zum Screening unipolarer Depression • Zeitökonomisch • Sensitivität: 96% • Spezifität 57% 1. „Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig bedrückt oder hoffnungslos?“ 2. „Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?“ Zweimal Ja übrige Haupt- und Nebensymptome erfassen DGPPN: S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression. 2009. Whooley MA et al.; J Gen Intern Med. 1997. Löwe B et al; J Psychosom Res 2005. Depression – multifaktorielles Geschehen Depressionen Psychische Faktoren/ Denkmuster Belastende Lebensumstände Erbliche Belastung (40-50% familiäres Risiko) Molekulare Wirkmechanismen chemischer Antidepressiva (SSRI/SNRI) 1. Agonismus am GABAA-Rezeptor 2. Erhöhung des serotonergen Tonus 3. Drosselung von Exzitation (Membranstabilisierung) 3 5-HT: Ca+: GABA: Na+: NA: NET: SERT: SNRI: SSRI: Serotonin Calcium γ-Aminobuttersäure Natrium Noradrenalin Noradrenalintransporter Serotonintransporter Serotonin-NoradrenalinWiederaufnahmehemmer Selektive SerotoninWiederaufnahmehemmer Modifiziert nach Müller et al. 2015; Psychopharmakotherapie 22:3-13. 1 2 Pflanzliche Therapieoption bei leichten bis mittelschweren Depressionen • Johanniskraut • Zugelassenes pflanzliches Arzneimittel z.B. WS 5570, STW 3-VI, LI 160 • Indikation: leichte bis mittelschwere depressive Episoden • Pflanze: Hypericum perforatum L. • Verwendete Pflanzenteile: zur Blütezeit geerntete und schonend getrocknete oberirdische Teile Johanniskraut-Extrakt – Wirkprofil • Antidepressive Wirkung beruht auf multifaktoriellem Wirkprofil verschiedener Inhaltsstoffe • Hyperforin hat Hauptanteil an antidepressiver Wirkung: • Hemmung des Rücktransports u.a. von Serotonin, Noradrenalin, Dopamin aus dem synaptischen Spalt Botenstoffe verbleiben länger im synaptischen Spalt, können dort länger wirken • Halbwertszeit (Hyperforin): 11,2 Stunden Johanniskraut-Extrakt – Wirkprofil Hemmung der Rücktransporter der Botenstoffe Serotonin, Dopamin und Noradrenalin 1. 2. 3. Agonismus am GABAA-Rezeptor Erhöhung des serotonergen Tonus Drosselung von Exzitation (Membranstabilisierung) 3 5-HT: Ca+: GABA: Na+: NA: NET: SERT: Serotonin Calcium γ-Aminobuttersäure Natrium Noradrenalin Noradrenalintransporter Serotonintransporter Modifiziert nach Müller et al. 2015; Psychopharmakotherapie 22:3-13. 1 2 Johanniskraut-Extrakt – S3-Leitlinie „Unipolare Depression“ Von 30 Fachgesellschaften erarbeitete Leitlinie: • Hochwertige Extrakte (wie z.B. WS 5570) sind als erster Therapieversuch bei leichten bis mittelschweren Depressionen nach Leitlinie möglich! DGPPN, BÄK, KBV, AWMF, AkdÄ, BPtK, BApK, DAGSHG, DEGAM, DGPM, DGPs, DGRW (Hrsg.) für die Leitli-niengruppe Unipolare Depression*. S3Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression - Langfas-sung, 2. Auflage, Version 1, November 2015. Available from: www.depression.versorgungsleitlinien.de; Johanniskraut-Extrakt – Klinische Datenlage Cochrane-Review „St John´s wort for major depression“ Fazit: • Die Analyse bekräftigt Evidenz zugunsten von bestimmten hochwertigen Johanniskraut-Extrakten. • Die Analyse bescheinigt diesen eine äquivalente Wirkung zu SSRIs und auch zu älteren Antidepressiva – bei geringerem Nebenwirkungsrisiko. • Daten gelten ausschließlich für qualitativ hochwertige JohanniskrautExtrakte wie WS 5570 – sie können nicht auf andere Extrakte übertragen werden. Nur bei hochwertigen Spezialextrakten ist eine verlässliche und stets gleiche Extraktdosis gewährleistet. Linde K., Berner M. M., Kriston L., St John’s wort for major depression (Intervention Review). The Cochrane Collaboration, www.cochrane.de Klinische Datenlage – Beispiel WS 5570 Vergleichbar wirksam wie Paroxetin* – Akuttherapie in der Referenz-kontrollierten Studie WS 5570 Hamilton Depressionsskala (HAMD): International anerkanntes Messinstrument zur Erfassung und Verlaufsbeobachtung von Depressionen; insgesamt 21 Items – Fremdbeurteilung Szegedi et al. BMJ 2005, 330, 503-507 Klinische Datenlage – Beispiel WS 5570 Vergleichbar wirksam wie Paroxetin – Erhaltungstherapie (weitere 4 Monate) WS 5570 Anghelescu et al. Pharmacopsychiatry 2006, 39, 213-219 Johanniskraut-Extrakt: Bessere Verträglichkeit als synthetische Antidepressiva Unerwünschte Ereignisse, Unterschied zu Placebo Kasper et al. Clinical Pharmacopsychiatry 2010, 25, 204-213. Johanniskraut-Extrakt – Nebenwirkungen • Gut verträglich: • Sehr selten • Lichtüberempfindlichkeit • 1 oder weniger von 10.000 Behandelten entwickeln eine relevante Lichtüberempfindlichkeit → intensive UV-Bestrahlung meiden, geeigneten Sonnenschutz verwenden, nicht bei bekannter Lichtüberempfindlichkeit anwenden • Selten • Magen-Darm-Beschwerden • Allergische Reaktionen • Müdigkeit oder Unruhe Johanniskraut-Extrakt – Wechselwirkungen • Wechselwirkungen • • Wie fast alle Antidepressiva führen auch alle Johanniskrautpräparate zu klinisch relevanten Wechselwirkungen • Induktion von CYP-P450-3A4, -2C9, -2C19 und p-Glykoprotein • Cave: hormonelle Empfängnisverhütungsmittel → Zusätzliche empfängnisverhütende Maßnahmen anwenden Daher kontraindiziert bei … • Arzneimittel zur Anti-HIV-Behandlung • Protease-Hemmstoffe zur Behandlung von Hepatitis-C-Infektionen • Immunsuppressiva Ciclosporin und Tacrolimus • Irinotecan, Imatinib und andere Zytostatika • Warfarin • andere Antidepressiva Wie bei allen Antidepressiva daher Wechselwirkungscheck! Pflanzliche Arzneimittel: Extrakt ≠ Extrakt Qualität und Herstellung sind entscheidend • Verpflichtung des Apothekers zur Aut-idem-Substitution* • Die auszutauschenden Arzneimittel müssen pharmazeutisch äquivalent sein, d. h. • denselben Wirkstoff, • in identischer Wirkstärke, • in einer „gleichen oder austauschbaren Darreichungsform“ enthalten, • und eine adäquate pharmazeutische Qualität aufweisen. *Rahmenvertrag zwischen Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband regelt die Einzelheiten zur Abgabe von Arzneimitteln im Rahmen der Aut-Idem Substitution (§ 129 SGB V). Hyperforin-Tagesdosen verschiedener Johanniskraut-Extrakte Hyperforin-Tagesdosis (mg) 40 35 30 25 20 15 10 5 0 LI 1601 3 x 300 mg Berechnet nach Wurglics M. et al., J Am Pharm Assoc 2001; 41: 560-566. 1: Laut Fachinformation Jarsin RX 300, Stand November 2014 2: Laut Fachinformation Laif 900, Stand Oktober 2012 3: Laut Fachinformation Neuroplant, Stand Februar 2016 STW 32 1 x 900 mg WS 55703 1 x 600 mg Übersicht rezeptpflichtiger Präparate mit unterschiedlicher Wirkstoffmenge Extraktbezeichnung des Arzneimittels Extrakt-Menge pro Tablette Tagesdosis STW-3-VI1 900 mg 1x1 WS 55702 600 mg 1x1 LI 1603 300 mg 3x1 Extrakt ≠ Extrakt: Trotz unterschiedlicher Johanniskrautextrakt-Mengen in einer Tablette ist die tägliche Einmalgabe ausreichend wirksam, da in klinischen Studien gezeigt. 1: Laut Fachinformation Laif 900, Stand Oktober 2012 2: Laut Fachinformation Neuroplant, Stand Februar 2016 3: Laut Fachinformation Jarsin RX 300, Stand November 2014 Einige Einsatzgebiete pflanzlicher Beruhigungsmittel • Angststörungen • Depressionen • Schlafstörungen Schlafstörungen Häufigkeit: • Schlafstörungen zählen neben Kopfschmerzen zu den häufigsten psychosomatischen Beschwerden • ca. 30% der (nicht akut psychiatrisch erkrankten) Erwachsenen sind gelegentlich von Schlafstörungen betroffen* • 10 - 15% der (nicht akut psychiatrisch erkrankten) Erwachsenen leiden an chronischer Insomnie* *Doghramji K: Am. J. Manag. Care 2006;12:214-220. Schlafstörungen – vielfältige Ursachen • Organisch bedingt • • • • M. Parkinson Delir Demenz etc. • Psychische Störungen • Depressionen • Angst- und Unruhezustände • Hormonell bedingt • Änderungen des weiblichen Hormonstatus • Schilddrüsenhormone • Medikamente • • • • Antidepressiva Betablocker Methylphenidat Antibiotika (z. B. Chinolone) • Schilddrüsenhormone • Indirekt: Diuretika • Lebensgewohnheiten • • • • • • falsche Schlafhygiene Alkohol Koffein Nikotin Fettreiches Essen Sport am Abend Schlafstörungen – Therapiemöglichkeiten • Verhaltenstherapie / Schlafhygiene • Pflanzliche Arzneimittel z.B. Baldrian, Melisse, Hopfen, Passionsblume • Chemisch-synthetische Arzneimittel z.B. Benzodiazepine, Barbiturate • Biogene Arzneimittel z.B.: Tryptophan, Melatonin Chemisch-synthetische Schlafmittel – Häufig problematisch • Häufig Induktion einer Abhängigkeit (Benzodiazepine und Z-Substanzen) • Hangover: „unangenehme Nachwirkungen von Arzneimitteln“ • Mit Benzodiazepinen 2 - 4mal mehr Tagesmüdigkeit und Benommenheit • Unfallfahrer 60% häufiger Benzodiazepin-Verwender • „Bei Menschen über 60 dürften die positiven Wirkungen dieser Arzneimittel das erhöhte Risiko nicht rechtfertigen, insbesondere wenn der Patient zusätzliche Risikofaktoren für kognitive oder psychomotorische unerwünschte Wirkungen hat.“ Pschyrembel® Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2007. Rapoport MJ et al.: Benzodiazepine use and driving: a meta-analysis. J Clin Psychiatry. 2009 May;70(5):663-73. Glass J et al.: Sedative hypnotics in older people with insomnia: meta-analysis of risks and benefits. BMJ. 2005 Nov 19;331(7526):1169. Pflanzliche Therapieoption bei nervös bedingten Einschlafstörungen Baldrianwurzel • Zugelassenes pflanzliches Arzneimittel • Indikation: Unruhezustände und nervös bedingte Einschlafstörungen • Pflanze: Valeriana officinalis L. • Verwendete Pflanzenteile: getrocknete Wurzel • Melissenblätter nur als Kombination Baldrianwurzel – Wirkprofil • Ligand an der beta-3Untereinheit des GABA-A-Rezeptors • Damit ähnlich zu den Benzodiazepinen, aber doch differente Untereinheit • • Trotzdem klinisch kein Hinweis auf eine Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens ? ? Baldrian Halbwertszeit (Valerensäure): ca. 46 Stunden Melisse Baldrian-Melisse-Extrakt verbessert Schlafqualität und Tagesbefinden Randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie, n=66 Dosierung: 2 x tgl. 320 mg Baldrianextrakt + 160 mg Melissenextrakt Dreßing H et al., Psychopharmakotherapie 1996; 3: 123-130 Baldrian-Melisse-Extrakt – Kein Einfluss auf Reaktionsgeschwindigkeit Reaktionszeit (Millisekunden) Reaktionszeit, Millisekunden 940 920 900 880 860 Baldrian+Melisse Plazebo 840 820 800 780 760 Tag 0 Tag 14 Tag 21 Randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie, n=54 Dosierung: 2 x tgl. 320 mg Baldrianextrakt + 160 mg Melissenextrakt Albrecht M et al. Zeitschrift für Allgemeinmedizin 1995; 71: 1215-1225 Baldrian-Melisse-Extrakt – Verträglichkeitsprofil • Gut verträglich • In Einzelfällen Magen-Darm-Beschwerden möglich • Keine kognitiven oder psychomotorischen Beeinträchtigungen am Tag messbar • Baldrian alleine • Kombination mit Melisse • Kein Abhängigkeitspotenzial • Keine Wechselwirkungen Zusammenfassung • Bei Phytotherapeutika spielen die Qualität und die Herstellung die entscheidende Rolle: Extrakt ≠ Extrakt. • Phytotherapeutika wie Lavendelöl, Johanniskraut-Extrakt und Baldrian-Extrakt entfalten ihre Wirkungen über gut identifizierte Mechanismen. • Unter der Berücksichtigung der Schwere der Erkrankung erscheint ein Einsatz bei depressiven und ängstlichen Verstimmungen und bei Schlafstörungen sinnvoll. • Klinische Studien zu den jeweiligen Spezialextrakten zeigen die Wirksamkeit und Verträglichkeit.