Ösophagus- und Kardiakarzinom

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
ÜBERSICHTSAUFSATZ
Ösophagus- und Kardiakarzinom
Diagnostik und Therapie
Heinz Pichlmaier, Joachim Michael Müller, Gerhardt Neumann
Aus der Chirurgischen Universitätsklinik Köln-Lindenthal
(Direktor: Professor Dr. Dr. Heinz Pichlmaier) und
dem Radiologischen Institut der Universitätskliniken Köln
(Direktor: Professor Dr. Gerd Friedmann)
Definition
Das Speiseröhrenkarzinom ist in
über 90 Prozent ein epitheliales
Malignom. Sein Differenzierungsgrad hat keinen Einfluß auf die
Prognose (39)*). Der Tumor
wächst bevorzugt intramural. In einem dichten Netz submuköser
und intramuskulärer Lymphgefäße
ohne segmentale Sammelstationen kann sich der Tumor über das
ganze Organ ausbreiten, bevor er
sich im Filter eines Lymphknotens
festsetzt (27). Fernmetastasen finden sich entsprechend dem venösen Abfluß des proximalen und
mittleren Drittels über die V. cava
und des distalen Drittels über die
V. portale bevorzugt in der Lunge
und der Leber.
Kardiakarzinome sind Adenokarzinome, die sich entweder am ösophago-gastrischen Übergang entwickeln und in Richtung auf die
Speiseröhre und den Magen
wachsen oder vom Magen ausgehend auf die Kardia übergreifen.
Wir beschränken unsere Ausführungen auf den erstgenannten
Typ, da er mit dem Plattenepithelkarzinom einige klinische Gemeinsamkeiten wie den Altersgipfel im
6. Dezennium, die Bevorzugung
des männlichen Geschlechts, die
chirurgische Therapie in Form des
abdominothorakalen Vorgehens
und die ungünstige Prognose aufweist (4). Pathogenetisch ist dieses Karzinom aufgrund der Histo-
logie, der meist polypös papillären
Wachstumsform, des frühzeitigen
Befalls regionärer Lymphknoten
und der bevorzugten Metastasierung in die Leber den Magenkarzinomen zuzuordnen.
Diagnostik
Die Tumordiagnose wird aufgrund
der klinischen Symptomatik, der
Röntgenkontrastdarstellung sowie der Endoskopie mit Gewebsentnahme zur histologischen Untersuchung gestellt. Aussagekräftige Laborparameter oder ein spezifischer Tumormarker fehlen.
Symptomatik
Dysphagie, Gewichtsverlust, Regurgitation unverdauter Speisen
und epigastrische Schmerzen sind
die häufigsten Beschwerden, die
den Patienten zum Arzt führen. Sie
sind aufgrund der Dehnbarkeit der
Speiseröhre jedoch nicht Frühsymptome, sondern bereits Zeichen eines fortgeschrittenen Tumorwachstums (4, 7).
Heiserkeit, retrosternale Schmerzen, Rückenschmerzen, bronchopulmonale Sensationen sowie ein
tastbarer abdomineller Tumor
oder derbe Lymphknoten am Hals
weisen darauf hin, daß das Malignom die Organgrenzen bereits
überschritten hat. Dies erklärt den
geringen Anteil früher Karzinom-
Mangels geeigneter Verfahren
zur Frühdiagnostik liegt die 5Jahresüberlebensrate
beim
Ösophagus- und Kardiakarzinoms weiterhin unter 5 Prozent. Neue Therapiekonzepte,
wie die Resektion der Speiseröhre ohne Thorakotomie,
konnten zwar die Klinikletalität senken, aber auch in Kombination mit prä- oder postoperativer Strahlen- und/oder
Chemotherapie die Prognose
bisher nicht verbessern.
stadien am Gesamtkrankengut
und wirft die Frage auf, ob nicht
durch Vorsorgeuntersuchungen
eine Frühdiagnostik möglich wäre. Erfahrungen aus Japan (10)
lassen daran zweifeln, daß der notwendige Aufwand in einem vertretbaren Verhältnis zum Effekt
steht. Bei über 4000 Endoskopien
oder Röntgenkontrastuntersuchungen von Speiseröhre und Magen an Patienten, die als Risikogruppe eingestuft werden mußten,
entdeckte man nur sieben klinisch
asymptomatische Karzinome an
der Speiseröhre und der Kardia.
Aus den oben genannten Gründen
ergibt sich die Forderung, daß insbesondere eine Dysphagie unter
Einsatz aller diagnostischen Möglichkeiten solange abgeklärt werden muß, bis ein Karzinom nachgewiesen oder sicher ausgeschlossen ist.
Röntgenuntersuchung
Die durchleuchtungskontrollierte
Rön tgenkon trastun tersuchung
von Speiseröhre und Kardia in
mehreren Projektionen weist beim
fortgeschrittenen Karzinom eine
nahezu 100prozentige Treffsicherheit auf (Abbildung 1). Lediglich
die Beurteilung des postkrikoidalen Segments kann Probleme bereiten. Auf die Schleimhaut beschränkte Karzinome lassen sich
") Die in Klammern stehenden Ziffern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis des
Sonderdrucks.
Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 1/2 vom 9. Januar 1984 (53)
33
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Ösophagus- und Kardiakarzinom
bei polypoider oder plateauartiger
Form ausreichend gut erkennen
(30). Die flach-oberflächliche
Form zeigt sich unter Durchleuchtung allenfalls als umschriebene
Wandstarre. Eine radiologische
Tumordiagnose ist deshalb beim
Frühkarzinom nur in etwa 70 Prozent der Fälle möglich (19, 28).
Beim intrathorakal gelegenen Karzinom erlaubt die Röntgenuntersuchung Aussagen zur Resektabilität und Prognose. Tumoren bis
zu 4 Zentimeter Länge sind in 85
Prozent auf die Speiseröhre beschränkt (4). Über 8 Zentimeter
Länge weisen sie in 51 Prozent
Fernmetastasen auf (Abbildung 2).
Ist die Speiseröhre im Tumorbereich torquiert (Abbildung 3), findet man sich überschneidende
bzw. parallel verschobene Längs-
achsen, oder besteht eine erhebliche Distanzierung von der Wirbelsäule, scheidet eine Resektion mit
kurativem Ziel aus (2).
Semizirkuläre, polypoide Tumoren
(Abbildung 3) haben eine wesentlich günstigere Prognose als die
als Trichtertyp bezeichneten zirkulären Stenosen (31).
Differentialdiagnostische Schwierigkeiten bereiten vor allem die
Abgrenzung zur Refluxösophagitis mit peptischer Striktur, zur
Achalasie und zur Sklerodermie,
wogegen gutartige Tumoren bzw.
verätzungs- oder bestrahlungsbedingte Veränderungen aufgrund
der Morphologie oder der Anamnese relativ sicher beurteilbar
sind.
Die Computertomographie des
Thorax (Abbildung 4) gestattet eine Abschätzung der Tumorlängsausdehnung durch die Darstellung der Wandverdickung des
Ösophagus.
Dabei wird auch die intramurale
Tumorausbreitung berücksichtigt,
die über die konventionell radiologisch sichtbaren Schleimhautveränderungen hinausgeht.
Der Tumordurchmesser kann
computertomographisch in der
axialen Schnittebene exakt festgestellt werden, so daß eine Tumorausbreitung in das Mediastinum
bereits präoperativ zu erkennen
ist, auch wenn eine wesentliche
Distanzierung des Ösophagus von
der Wirbelsäule konventionell radiologisch noch nicht vorliegt.
Bei breitflächigem Kontakt des
Tumors zu benachbarten Organen
im CT-Schnitt muß an die Möglichkeit einer Infiltration in das betreffende Organ gedacht werden.
Gleichzeitig werden vergrößerte
mediastinale Lymphknoten und
Lungenmetastasen erfaßt, damit
ist auch eine Aussage zur Frage
der lokalen und Fernmetastasierung möglich. In der Strahlentherapie dient die Computertomographie darüber hinaus als Grundlage
der Bestrahlungsplanung.
Endoskopie
Der Endoskopie mit Gewebsentnahme kommt der entscheidende
Anteil bei der Diagnosestellung zu
(13). Dies gilt in besonderem Maße
für das Frühkarzinom (16), das oft
lediglich als Farbveränderung der
Schleimhaut imponiert (Abbildung
5). Nur mit Hilfe der gezielten Gewebsentnahme kann die Dignität
eines verdächtigen Bezirks endgültig beurteilt werden.
Abbildung 1: Das sagitale und seitliche Ösophagogramm zeigt ein Ösophaguskarzinom im mittleren Drittel. Die Achsenabweichung proximal und distal des Tumors
weisen auf ein nicht resezierbares Karzinom hin
34
(54) Heft 1/2 vom 9. Januar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A
Submukös vorwachsende stenosierende Tumoren wölben nicht
selten die normale Schleimhaut so
vor, daß der Tumorbezirk auch mit
dem Kindergastroskop nicht pas-
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Ösophagus- und Kardiakarzinom
Längenausdehnung
bis 4 cm
4-8 cm
über 8 cm
8,7%
33,0%
58,3%
des Primärtumors
Anteil am Krankengut
Tumor lokal begrenzt
iet
tlagah
Tumorinvasion in Nachbarorgane
EZII
ef
Fernmetastasen
ill
r
Angaben in Prozent
Abbildung 2: Invasion und Metastasierung in Abhängigkeit von der Längenausdehnung des Primärtumors bei 408 Patienten mit
ösophagus- und Kardiakarzinom (modifiziert nach 4)
siert werden kann und sich der
gezielten Biopsie entzieht. Verschiedene Autoren (24, 40) verweisen in diesen Fällen auf die Bürsten- oder Punktionszytologie und
geben eine Treffsicherheit bis zu
90 Prozent an. Wir bevorzugen die
endoskopische Bougierung der
Stenose mit anschließender gezielter Biopsie.
Kriterien die eine kurative Resektion weitgehend ausschließen
(Akiyama)
Ergänzende Diagnostik
Die weitere DiagnoStik beim Speiseröhrenkarzinom dient der Therapieplanung.
Wir halten neben Untersuchungen
zur allgemeinen Operabilität lediglich die Röntgenuntersuchung des
Thorax, die Sonographie des Abdomens und bei Karzinomen des
oberen und mittleren Speiseröhrendrittels die Bronchoskopie zum
Ausschluß von Lungen- und intraabdominellen Organmetastasen bzw. einer Infiltration des Tracheo-Bronchialsystems für notwendig, um das chirurgische Vorgehen festlegen zu können.
Die Azygographie zur Beurteilung
der Tumorausdehnung im hinteren Mediastinum, die Mediastinoskopie und die Scalenusbiopsie
können, falls daraus therapeutische Konsequenzen erwartet werden, durch den Einsatz der Computertomographie umgangen werden. Die Knochenszintigraphie sowie die Laparoskopie bleiben Ausnahmefällen vorbehalten.
Torsion
Achsenverschiebung Distanzierung
Hinweise auf die 5-Jahres-Überlebensrate nach Resektion
(Nakayama)
Tumor
Säge
Spirale
Trichter
40%
16%
11%
8%
5-Jahres-Überlebensrate
Abbildung 3: Radiologische Kriterien zur Beurteilung der Resektabilität (2) und der
Prognose nach Resektion (31) beim Ösophaguskarzinom. Semizirkuläre, polypoide
Tumoren haben eine wesentlich günstigere Prognose als die als Trichtertyp bezeichneten zirkulären Stenosen
Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 1/2 vom 9. Januar 1984 (57) 37
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Ösophagus- und Kardiakarzinom
Therapie
Die Therapie des Ösophagus- und
Kardiakarzinoms ist nach Tumorart, Stadium und Lokalisation
differenziert. Allenfalls bei Tumoren, die auf die Schleimhaut
beschränkt sind (Stadium: 1) oder
die Organgrenze nicht überschrit-
ten haben (Stadium: II) kann man
von einer Therapie mit kurativem
Ziel sprechen. Der Anteil beider
Stadien liegt in großen unselektionierten Statistiken unter 25 Prozent. Sind regionale Lymphknoten
befallen (Stadium: III) oder liegen
Organ- bzw. tumorferne Lymphknotenmetastasen (Stadium: IV)
Beim Plattenepithelkarzinom der
Speiseröhre stehen die Strahlentherapie und die chirurgische
Tumorentfernung nicht als konkurrierende, sondern sich ergän-
Chirurgie
Strahlentherapie
83 783
8489
Plattenepithel und Adenokarzinom
Plattenepithelkarzinom der
Speiseröhre
Anzahl der Patienten
Art des Tumors
vor, sinkt die 5-Jahresüberlebensrate deutlich unter 5 Prozent (4,
14, 17, 33).
-
der Speiseröhre und Kardia
gesamtes
Krankengut
(= 100%)
Resektionen
(= 100%)
gesamtes
Krankengut
(= 100%)
„kurative"
Strahlentherapie
(= 100%)
58%
37%
16%
13%
Operabilität
Resektabi I ität
Klinikletalität
58%
39%
13%
29%
Bestrahlung
vorzeitig
abgebrochen
Überlebende n. 1 Jahr
Überlebende n. 2 Jahren
Überlebende n. 5 Jahren
18%
8%
4%
45%
20%
12%
18%
8%
6%
Tabelle 1: Ergebnisse der chirurgischen und strahlentherapeutischen Behandlung des Speiseröhren- und Kardiakarzinoms
(modifiliert nach 14, 15)
Abbildung 4: Computertomogramme des Thorax beim Speiseröhrenkarzinom — A. Fortgeschrittenes Karzinom im oberen
Speiseröhrendrittel mit ausgedehnter Infiltration des Mediastinums (T = Trachea, Pfeile = Tumorausdehnung) — B. Organbegrenzter Tumor (Pfeile) in Höhe des linken Vorhofs (V) mit Befall der paraösophagealen Lymphknoten (Dreieck)
38
(58) Heft 1/2 vom 9. Januar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A
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Ösophagus- und Kardiakarzinom
de Verfahren an erster Stelle im
Therapiekonzept. Das Karzinom
spricht auf eine fraktionierte Megavolttherapie (60-75gy) gut an
(26, 32). Durch die Kombination
mit Radiosensitiesern oder Chemotherapeutika ist ihr Effekt bei
erhöhtem Therapierisiko möglicherweise noch zu steigern (8, 9,
25, 36). Die alleinige Chemotherapie hat bei einer Ansprechrate von
20 Prozent und Remissionen von 2
bis 3 Monaten Dauer nicht den
Nachweis der Wirksamkeit erbracht (18, 22, 38). Bei einer zervikalen Tumorlokalisation ziehen
wir im allgemeinen die Strahlentherapie vor.
Das chirurgische Vorgehen beinhaltet neben der ösophagusresektion und dem Ersatz die Laryngektomie, die partielle Pharyngektomie, die Thyreoidektomie und die
Ausräumung der zervikalen
Lymphknoten. Wir ziehen diesen
ausgedehnten und verstümmelnden Eingriff nur bei jungen Patienten mit Tumoren des Stadiums 1
und ausnahmsweise des Stadiums
II in Betracht. Bei Karzinomen distal der oberen Thoraxapertur halten wir die chirurgische Therapie
für überlegen, vorausgesetzt, die
Kriterien der allgemeinen Operabilität sind erfüllt und es bestehen
keine absoluten Kontraindikationen, die wir jedoch auf eine Infiltration des Tracheo-Bronchialsystems, Organmetastasen oder einen ausgedehnten intraabdominellen Lymphknotenbefall begrenzt sehen.
Aufgrund ihrer Ausbreitungscharakteristik muß bei Karzinomen
caudal des Aortenbogens die
Speiseröhre vom Magen bis zu ihrem zervikalen Segment, bei
Tumoren cranial des Aortenbogens bis zum Pharynx entfernt
werden. Die Passage wird in gleicher Sitzung durch den Magen
wiederhergestellt, der, entsprechend mobilisiert, bevorzugt retrosternal aber auch transpleural
oder subcutan bis zum Pharynx
hochgezogen werden kann (Abbildung 6). Als Alternativverfahren
kommt in der gleichen oder in ei-
Abbildung 5: Resektionspräparat eines Schleimhautkarzinoms der Speiseröhre.
Zufallsbefund bei Endoskopie wegen Ulcus duodeni
Abbildung 6: Möglichkeiten des Speiseröhrenersatzes und der Verlagerung des
Ersatzorgans. A: Transpleuraler Magenhochzug (Kirschner); B: Retrosternale Jejunuminterposition (Roux); C: Subcutane Coloninterposition (Kelling)
Abbildung 7: Möglichkeiten des Ersatzes von Magen und distaler Speiseröhre — A:
Jejunuminterposition (Longmire) — B: Y-förmig ausgeschaltete Jejunumschlinge
(Roux)
Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 1/2 vom 9. Januar 1984 (59) 39
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Ösophagus- und Kardiakarzinom
ner zweiten Sitzung die Rekonstruktion der Speiseröhre durch
ein Dickdarm-, seltener durch ein
Dünndarminterponat in Frage (2,
34).
Wir möchten die Überlegenheit
des chirurgischen Vorgehens einmal mit dem hervorragenden palliativen Effekt von Resektion und
Ersatz begründen. Der Patient
kann bis zum Lebensende meist
ungehindert schlucken. Dies ist
für ihn auch psychologisch von
unschätzbarem Wert. Ferner vermag nur die Resektion den Primärtumor sicher zu eliminieren.
Selbst nach Applikation der vollen
Strahlendosis lassen sich in 90
Prozent der Fälle vitale Tumorzellnester nachweisen (10). Vergleicht
man anhand der beiden größten
Sammelstatistiken (14, 15) beide
Methoden, ist sowohl bezogen auf
das Gesamtkrankengut als auch
auf die „kurativ" bestrahlten bzw.
resezierten Fälle das Ergebnis vergleichbar (Tabelle 1).
Der kritische Punkt in der chirurgischen Statistik ist die hohe Klinikletalität von 29 Prozent. Kann
sie entscheidend gesenkt werden,
ist die chirurgische Therapie eindeutig überlegen. Dies wird deutlich, wenn man das Ergebnis einer
Vergleichsstudie an Patienten mit
Karzinomen unter 5 Zentimeter
Längenausdehnung betrachtet
(5). Bei einer Klinikletalität von 8
Prozent betrug die 5-Jahresüberlebensrate nach Resektion 24 Prozent, nach Bestrahlung 4 Prozent.
Zwei Entwicklungen auf dem chirurgischen Gebiet lassen vermuten, daß die Klinikletalität nach Resektion und Ersatz in Zukunft
deutlich unter 20 Prozent absinken dürfte. Durch die stumpfe Dissektion (12), bei der die Speiseröhre aus dem hinteren Mediastinum
gelöst wird, ohne den Thorax zu
eröffnen, entfällt die Belastung
der Thorakotomie. In unserem eigenen Krankengut haben selbst
Patienten jenseits des 70. Lebensjahres diesen Eingriff gut toleriert.
Durch die Anwendung maschineller Nahtgeräte (35) zur Anastomo40
se zwischen dem Ersatzorgan und
der Speiseröhre oder einer sicheren manuellen Nahttechnik, wie
sie Akiyama (2) angibt, kann die
Anastomoseninsuffizienz, die wesentlich zur hohen Klinikletalität
beitrug (6, 29), erheblich gesenkt
werden.
Ob durch eine Kombination der
Resektion mit einer prä- oder postoperativen Strahlen- und/oder
Chemotherapie der 5-Jahresüberlebensrate erhöht werden kann, ist
weiterhin offen. Man muß annehmen, daß die exzellenten Resultate einiger japanischer Autoren (1,
2, 31) mit 5-Jahresüberlebensraten
bis zu 38 Prozent, die auch einen
großen Teil deutscher Kliniken
veranlaßten, die Kombinationstherapie einzuführen, auf einer Selektion des Krankengutes beruhen
und nicht der Therapiemodalität
zuzuschreiben sind. Die einzige
prospektiv randomisierte Studie
(37) konnte keinen Unterschied in
der Überlebensrate zwischen der
Kombinationstherapie und der alleinigen Resektion nachweisen.
Das Adenokarzinom ist ein weitgehend nicht strahlensensibler Tumor. Seine Chemotherapie kann
zur Zeit nur in Form kontrollierter
Studien bei inoperablen Karzinomen empfohlen werden. Sie erscheint jedoch vielversprechend
(23). Die chirurgische Therapie bei
intrathorakaler Lokalisation entspricht der des Plattenepithelkarzinoms. Beim Kardiakarzinom
muß aus Gründen der Radikalität
die enblock Resektion des Magens mit seinen abhängigen
Lymphbahnen, der distalen Speiseröhre, der Milz und des großen
Netzes erfolgen (21). Zur Wiederherstellung der Passage und Ersatzmagenbildung bevorzugen wir
das Jejunuminterponat nach
Longmire oder die Y-förmige ausgeschaltete Jejunumschlinge
nach Roux (Abbildung 7).
Ist beim Speiseröhren- und Kardiakarzinom die Operabilität oder
Resektabilität nicht gegeben,
müssen Maßnahmen zur Sicherung der Nahrungsaufnahme und
(60) Heft 1/2 vom 9. Januar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A
zur Vermeidung der Speichelaspiration getroffen werden. Die endoskopische Einlage eines Tubus ist
wegen der gegenüber allen anderen Verfahren kurzen Hospitalisierung (3 bis 5 Tage) und geringen
Morbidität und Letalität die Methode der Wahl (3). Eine Umgehung der Tumorstenose mit Magen, Dünndarm- oder Dickdarm ist
bei einer Letalität von bis zu 50
Prozent nur in Ausnahmefällen angezeigt (20). Ernährungsfisteln am
Magen und Dünndarm, die bei einer kompletten Stenose immer mit
einer kollaren Ausleitung der Speiseröhre gekoppelt werden müssen, haben einen ungenügenden
palliativen Effekt, da sie den Patienten täglich mit der Ausweglosigkeit seines Leidens konfrontieren. Schmerzlinderung, psychologische Führung und Sedierung
des Kranken im Endstadium sind
eine Aufgabe, der sich der Arzt
nicht entziehen darf.
Literatur
Akiyama, H.: Surgery for Carcinoma of the
Esophagus, Curr. Probl. in Surg. 17, Chicago,
Year Book Medical Publishers 1978 — Appelqvist, P.; Silvo, J.; Rissanen, P.: The result of
surgery and radiotherapy in the treatment of
small carcioomas of the thoracic oesophagus,
Am. Clin. Research 11 (1979) 184-188 — Daffner, R.; Halber, M. D.; Postlethwaith, R. W.;
Korobkin, M.; Thompson, W. M.: CT of the
esophagus, II. Carcinoma Amer. J. Roentgenol. 133 (1979) 1051 — Erlam, R.; CunhaMelo, J. R.: Oesophageal squamous cell carcinoma: I. A critical review of Surgery, Br. J.
Surg. 67 (1980) 381-390 — Erlam, R.:
Oesophageal squamous cell carcinoma: II. A
critical review of a radiotherapy, Br. J. Surg. 67
(1980) 457-461 — Endo, M.; Kobayashi, S.;
Suzuki, H.; Ta Kemoto, T.; Nakayama, K.: Diagnosis of Early Esophageal Cancer, Endoscopy
2 (1971) 61-66 — Hentek, v.: Combination
chemotherapy of advanced esophageal
cancer with methotrexate, bleomycin, and
diamminedi-chloroplatinum, Proc. Am. Soc.
Cl. Onc. 20 (1979) 400 — Moss, A. A.; Koehler, R.
E.; Margulis, A. R.: Initial accuracy of
esophagogramms in detection of small
esophageal carcinoma, Amer. J. Roentgenol.
127 (1976) 909 — Pearson, J. G.: The present
status and feature potential of radiotherapy in
the management of esophageal cancer,
Cancer 39 (1977) 882 — Pichlmaier, H.; Müller,
J. M.; Wintzer, G.: Ösophagusersatz, Chirurg
49 (1978) 65-71
Anschrift für die Verfasser:
Professor Dr. Dr.
Hein Pichlmaier
Universitätsklinik Köln-Lindenthal
Joseph-Stelzmann-Straße 9
5000 Köln 41
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