10. Supraleitung 1911 durch Kamerlingh Onnes entdeckt (Kältelabor der Universität Leiden), Nobelpreis 1913 10.1. Eigenschaften der Supraleitung 10.1.1 Der elektrische Widerstand geht bei einer kritischen Temperatur TC gegen Null ρ(Supraleiter) ≤ 10-17 ρ (Kupfer), analog: Kupfer Ù Isolator. Widerstandssprung bei Eintritt der SL mind. 14 Zehnerpotenzen. Nachweis: Abklingen von Ringströmen (τ ≅ 100000 Jahre) 179 Bemerkenswert: SL wurde bisher nicht gefunden (T ≥ 0,05 K) bei guten Leitern Li, Na, K oder Cu, Ag, Au. SL sind bei normalen Temperaturen eher schlechte Leiter. Auftreten von SL ist weitverbreitet: 180 Viele Stoffe werden erst unter hohem Druck supraleitend, z.B. Si (6,7 K), Ge (5,4 K), bei anderen nimmt TC ab. 1986 Bednorz und Müller: Hochtemperatur-SL 181 Kristallstruktur von YBa2Cu3O7 182 10.1.2. Ein Supraleiter ist ein perfekter Diamagnet Kühlt man einen SL im Magnetfeld ab, so werden die Flusslinien der magnetischen Induktion N herausgedrängt. Aber: SL ist mehr als nur idealer Leiter! & = 0 sondern auch B = 0, unabhängig vom Weg, auf dem Für SL gilt nicht nur B 183 der Zustand erreicht wurde = „Meissner-Ochsenfeld-Effekt“ (1933) 10.1.3. Unterhalb von TC kann die Supraleitung durch ein Magnetfeld zerstört werden Phasendiagramm: Abhängigkeit der Magnetisierung vom äußeren Magnetfeld: 184 Unterscheidung zwischen SL 1.Art (weiche SL) und SL 2.Art (harte SL) Mischzustand (Wirbelzustand): supraleitende und normalleitende Bereiche nebeneinander, der SL ist von spiralförmigen Flusslinien durchsetzt. RasterkraftAufnahme des Flussgitters in Nb2Se bei 0,1 T und 0,2 K. 185 10.1.4. Existenz einer Energielücke -spezifische Wärme eines SL: Beim Übergang zum SL Zustand tritt keine latente Wärme auf => Übergang 2. Art Diskontinuität im elektronischen Teil der spez. Wärme. Bsp.: Ga Messung im Normalzustand für T < TC im B-Feld (0,02 T > HC) möglich. Normal: C P = 0,596 T + 0,0568 T 3 mJ Mol K SL: C P = 9,5 e −1,9 / T + 0,0568 T 3 C P (Elektronen) ∝ e − ∆ / kT mJ Mol K E g = 2∆ => Anregung über Energielücke! 186 Energielücke am Ferminiveau wird durch Elektron-Elektron-WW verursacht (Ù Energielücke bei Isolatoren: Elektron-Gitter-WW) Bsp.: Sn bei T = 0: ∆0 = Eg/2 = 5,6·10-4 eV Energielücke durch Einstrahlen von e.m. Wellen mit hν ≥ Eg nachgewiesen. Einstrahlen von IR bzw. Mikrowellen => Übergang in normalleitenden Zustand Vergleich von optischen Methoden und Transportmessungen ergibt Exponentialfaktor von -Eg/2kT und nicht -Eg/kT Unterschied der reflektierten Leistung im normalleitenden und SL Zustand 187 188 10.1.6. Isotopieeffekt Sprungtemperatur TC hängt von der Masse der Gitteratome ab. Experimentell erhält man: M α ⋅ TC = const. häufig : α = 0,5 ⇒ Sprungtemperatur hängt von Masse ab ⇒ Elektron-Gitter-WW spielen bei SL eine Rolle! Weiterer Hinweis: Metalle, die schlechte Normalleiter sind, werden supraleitend Schallgeschwindigkeit, Debye-Frequenz, Debyetemperatur ~ M-1/2 ! Isotopieeffekt von Zinn (Gerade: α = -0,5) 189 10.1.7. Flussquantisierung Vermutung: SL ist makroskopisches Quantenphänomen. Falls richtig: Dauerströme in SL Ring sollten nur diskrete Werte annehmen können. Theoretische Voraussage (F. London): magnet. Fluss durch SL Ring kann nur in Vielfachen eines „Flussquants“ ΦL = h/2e = 2 10-11 T cm2 auftreten. Nachweis der Flussquantisierung: Doll und Nähbauer, PRL 7, 51, 1961 Deaver und Fairbanks, PRL, 7, 43, 1961 Pb-Zylinder auf Quarzstäbchen, Abschalten des äußeren B-Felds nach Abkühlen unter TC. Messung des eingefrorenen Flusses aus Drehmoment, welches Messfeld BM senkrecht zur Zylinderachse erzeugt => Ausschlag mit Spiegel und Lichtzeiger auslesen. Resonanzmethode: BM mit bestimmter Frequenz umpolen Ergebnis: ΦL = h/2e „2e“ => Hinweis, dass 2 Elektronen beteiligt sind! 190 10.2. Theorie der Supraleitung BCS-Theorie (Bardeen, Cooper, Schrieffer), Nobelpreis 1972 Grundideen der Theorie: - Welche Art von WW besteht im supraleitenden Zustand zwischen den Elektronen? Isotopieeffekt => Übergangstemperatur hängt von Atommasse ab => Zusammenhang mit Gitterschwingungen! Gitter wird durch Elektronen polarisiert => Anhäufung von positiver Ladung in der Nähe der Elektronen => zweites Elektron „spürt“ diese Polarisation und wird angezogen => anziehende WW zwischen Elektronen! Mechanisches Analogon: 191 Stärke der Polarisation des Gitters hängt von Atommassen ab (=> schwere Isotope schwingen langsamer => Polarisation geringer => TC sinkt). Zweites Elektron fliegt in Polarisationsspur des ersten => Absenkung seiner Energie, weil es das Gitter schon in einem polarisierten Zustand vorfindet. r r Die beiden Elektronen haben entgegengesetzten Impuls: p1 = − p 2 Cooper konnte zeigen, dass eine derartige Korrelation zu einer Absenkung der Gesamtenergie führt. => „Cooper-Paare“ mit entgegengesetzten, gleichgroßen Impulsen und entgegengesetzten Spins: {pr ↑, pr ↓} 1 2 WW ist Austausch-WW: Austausch von (virtuellen) Phononen zwischen Elektronen. Kohärenzlänge des Cooper-Paars = Abstand, über dem Paarkorrelation wirksam ist: 100 –1000 nm, d.h. die mittlere Ausdehnung eines Cooper-Paars: 102 – 103 nm >> mittlerer Abstand zweier Leitungselektronen: 10-1 nm => Cooper-Paare überlappen sehr stark, im Bereich eines Paares liegen 106 – 107 andere Elektronen, die ihrerseits zu Cooper-Paaren korreliert sind. 192 - Alle Cooper-Paare befinden sich im gleichen Quantenzustand Gesamtspin eines Cooper-Paares = 0. Für Paare gilt nicht mehr das Pauli-Prinzip => Cooper-Paare sind keine Fermionen mehr, sondern Bosonen => Bose-Einstein-Statistik, d.h. beliebig viele Paare können einen Zustand besetzen. Bosonen bevorzugen sogar alle denselben Zustand => alle Cooper-Paare haben denselben Impuls und verhalten sich wie ein Teilchen mit p = 0 => makroskopische Besetzung eines einzigen quantenmechanischen Zustands (=> eine Wellenfunktion mit einer Phase beschreibt alle Cooper-Paare) Anlegen einer Spannung beschleunigt Gesamtheit der Cooper-Paare, Impuls für alle Paare gleich. Streuung eines einzelnen Cooper-Paars am Gitter nicht möglich, da dieses CooperPaar dann in einen anderen Zustand (Impulsänderung) übergehen müsste => widerstandsfreier Ladungstransport Zerstörung der Cooper-Paare erst bei höherer Temperatur, mit thermischer Energie > Bindungsenergie der Paarkorrelation (oder Paarbrechung durch Magnetfeld, magnetische Verunreinigungen oder Erreichen der kritischen Stromdichte) => Übergang zu Normalzustand hωD − D ( E F ) V* TC = 1,13 e kB 1 BCS: V* = Konstante, die Stärke der Elektron-Phonon-WW charakterisiert 193 - Elektron-Phonon-WW, die zur Paarbildung führt, erzeugt Energielücke: WW über Phononen führt zu einem sehr schmalen Energiebereich 2∆ (einige 10-3 eV), der für Elektronen verboten ist. Zustände, die im normalleitenden Zustand in dieser Energielücke liegen, sind auf die Ränder zusammengschoben. Für T > 0: teilweise Besetzung von Energien oberhalb von EF + ∆ ⇒ Nur ein kleiner Teil der Leitungselektronen wird durch WW energetisch verändert (Anteil: ~ 10-3). ⇒ Absorption e.m. Strahlung für hυ ≥ 2∆ 1: T = 0; 2: 0 < T < TC 194 10.3. Anwendungen der Supraleitung 195 1. Magnete Nb50Ta50-Legierung mit verschieden großer Unordnung (Probe 2 stärker gestört) Supraleiter 3. Art (BC2 groß, IC groß) => Erzeugung hoher Magnetfelder, Transport hoher 196 Ströme (Materialen: NbTi, Nb3Sn, Nb) Problem: Flusssprünge Abhilfe: Stabilisierung durch a) Aufteilung des Leiters b) Einbettung in NL Matrix 197 Anwendung: - Labormagnete - NMR-Tomografen: Medizin: Kernspinresonanz von H, umgebungssensitiv chemische Analyse - Teilchenbeschleuniger 198 - Blasenkammer: Spur eines hochenergetischen Teilchens wird sichtbar, B-Feld krümmt Bahn der Teilchen (Kraft zw. Spulen: 9000 t, B=3,5 T) 199 - Magnete für Energieumwandlung, z.B. für Kernfusion, kontrolliertes Verschmelzen von D und Tr zu He, dazu T > 100 000 000 K notwendig. Heisses Plasma wird durch inhomogenes B-Feld zusammengehalten. 200 - Magnetische Lagerungen z.B. Magnet. gelagerter Zug (Maglev) <=> Transrapid: resistive Spulen, computergesteuert - Motoren, Generatoren größere B-Felder => kleinere Motoren, für große Anlagen (Pumpen, Schiffsmotoren, Generatoren) 201 2. Bolometer = Strahlungsmesser: Widerstandsänderung des elektrischen Leiters unter Einfluss der Strahlungswärme im FIR (50 µm - 1 mm) und Mikrowellen 3. Wärmeschalter Wärmeleitfähigkeit nimmt im SL Zustand stark ab κNL/ κSL = 5000, einstellen mit BFeld => Wärmeventil für Mischkryo 202 4. Hohlraumresonatoren Geringe HF-Absorption für hω << EG 1) Kavität => kleine Dämpfung des Signals => schmale Breite der Resonanzkurve 2) Linearbeschleuniger => hohe Leistung => weniger Verluste => geringe Totzeiten 5. Tunnelkontakte als Sender und Empfänger von Phononen eU > 2∆ => Tunnelstrom => kontinuierliches Spektrum mit Kante bei hν=eU-2∆ und Rekombinationsphononen bei hν=2∆ 203 6. Speicherelemente durch Flussquantisierung I1 verteilt sich auf Zweige 1 und 2, Kryotron a ist SL => L1 << L2 => I1 durch a. Wird a durch Steuerstrom ISt normalleitend gemacht => SL Strom I1 geht in Zweig 2. Auch nach Abklingen des Steuerstroms (a wieder SL) bleibt I1 in Zweig 2 (Selbstinduktion) Ta: TC = 4,4 K BC = 40 Gauß I1 abschalten => Dauerstrom in Schleife = “1” bzw. “0”, Auslesen durch b. Nb: TC = 9,3 K 204 7. Josephson-Tunneln (B. Josephson 1962) - Gleichstrom-Josephson-Effekt: Ein Gleichstrom fließt durch einen SIS-Kontakt (SLIsolator-SL) , ohne dass ein elektrisches oder magnetisches Feld angelegt wird: J = J 0 sin(θ2 − θ1 ) Wahrscheinlichkeitsamplituden der Cooper-Paare: Ψ1 = n1 eiθ1 , Ψ2 = n 2 eiθ2 - Wechselstrom-Josephson-Effekt: Eine über den SIS-Kontakt angelegte Gleichspannung erzeugt einen oszillierenden Strom durch den Kontakt im Hochfrequenzbereich. J = J 0 sin(θ2 − θ1 − 2eVt / h ) Der Strom oszilliert mit der Frequenz ω = 2eV / h. V = angelegte Gleichspannung => sehr genaue Bestimmung von e / h => Frequenzmessung => sehr genaue Spannungsmessung, Nachweis von Mikrowellen - Makroskopische Quanten-Interferenz: Ein durch einen SL Kreis mit zwei SIS-Kontakten hindurchtretendes, konstantes Magnetfeld bewirkt, dass der maximale Suprastrom Interferenzeffekte als Funktion des Magnetfelds zeigt. Phasendifferenz entlang eines geschlossenen Kreises, der magnet. Fluss Φ umschließt: 2e θ2 − θ1 = Φ h 205 SQUID (Superconducting Quantum Interferometer Device) Gesamtstrom: 2e ⎫ ⎧ J tot = J a + J b = J 0 ⎨sin( ∆θ0 ) + sin( ∆θ0 + Φ ) ⎬ h ⎭ ⎩ sin( πΦ / Φ 0 ) ⎛e ⎞ = 2J 0 sin( ∆θ0 ) cos⎜ Φ ⎟ = 2J 0 cos(πΦ / Φ 0 ) π Φ / Φ h ⎝ ⎠ 0 „Beugung“ am Einzelkontakt Interferenz durch Doppelkontakt => Hochgenaue Messung kleinster Magnetfelder 206 SQUID - Anwendung -Grundlagenforschung - Magnetokardiogramme, Signale der Herztätigkeit <=> Elektrokardiogramm: keine Elektroden - Untersuchung des Gehirns, größere Ortsauflösung als mit EKG - Magnetokardiogramme, Signale der Herztätigkeit 207 Zusammenfassung: -Ein SL hat eine unendliche Leitfähigkeit - Ein SL ist ein perfekter Diamagnet, d.h. die magnetische Induktion B im Innern des SL ist Null (Meissner-Ochsenfeld-Effekt) - Die SL kann durch ein Magnetfeld zerstört werden - Es gibt zwei Arten von SL: SL 1.Art: SL wird zerstört, sobald Magnetfeld einen kritischen Wert H > HC übersteigt. SL 2. Art: im Bereich HC1 < H < HC2 existiert Wirbelzustand - Im SL Zustand trennt eine Energielücke die SL Elektronen von den normalleitenden Elektronen oberhalb der Lücke - Isotopieeffekt: die Sprungtemperatur TC hängt von der Masse der Gitteratome ab r r - Nach der BCS-Theorie wird der SL Zustand von Elektronenpaaren mit {p1 ↑, p 2 ↓} gebildet. Diese Paare verhalten sich wie Bosonen. - Die WW zwischen Elektronen, die zu der Bildung von Cooper-Paaren führt, kann durch den Austausch von (virtuellen) Phononen beschrieben werden 208