Universität Stuttgart im Sommersemester 2014 Bachelorarbeit Adiabatische Zustandsvertauschung bei exzeptionellen Punkten in Resonanzspektren Eingereicht von: Marcel Klett 13. August 2014 Prüfer: Apl. Prof. Dr. Jörg Main 1. Institut für Theoretische Physik Universität Stuttgart Pfaffenwaldring 57, 70550 Stuttgart Inhaltsverzeichnis I. Motivation 1 II. Grundlagen 1. Nichthermitesche Quantensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahrscheinlichkeitsentwicklung in nichthermiteschen Quantensystemen 3. Beispiel für einen exzeptionellen Punkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Adiabatisches Verhalten eines nichthermiteschen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 4 5 7 III. Zeitentwicklung in einem nichthermiteschen System: Ein 2 × 2-Matrixmodell 13 IV. 5 × 5-Matrixmodell mit Störung 1. Einführung des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitentwicklung und adiabatische Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 17 18 V. Exzeptionelle Punkte in Resonanzspektren des Wasserstoffatoms 1. Das Wasserstoffproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hamiltonoperator und Matrixdarstellung . . . . . . . . . . . . . 3. Numerische Lösung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zeitentwicklung der Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Betrachtung umliegender Resonanzen . . . . . . . . . . . . . . 6. Adiabatische Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vergleich des 5 × 5-Matrixmodells mit dem Wasserstoffproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 27 28 29 30 32 35 41 VII. Zusammenfassung 43 A. Hartree-Einheiten 45 B. Lösung des ungestörten Wasserstoffatoms 47 C. Beispiele einiger exzeptioneller Punkte 51 Literatur 61 iii I. Motivation Von einem exzeptionellen Punkt n-ter Ordnung spricht man, wenn eine n-fache Entartung von Eigenwerten und deren Eigenzuständen beim Einstellen dafür geeigneter äußerer physikalischer Parameter auftritt. In der Physik – speziell im Gebiet der Quantenmechanik – kann dies nur auftreten, wenn der zu betrachtende Hamiltonoperator nichthermitesch ist, was komplexe Energieeigenwerte zu Folge hat. Da die Energie eine reelle, messbare Größe ist, erfordert der Imaginärteil der Energie eine sinnvolle Interpretation. Aus der Zeitentwicklung der Wahrscheinlichkeit lässt sich ableiten, dass der Energieimaginärteil als Zerfallsrate eines Zustandes verstanden werden kann. Ein System, das einen dissipativen Effekt aufzeigt – auch offenes Quantensystem genannt – lässt sich daher gut durch die nichthermitesche Quantenmechanik beschreiben [1]. Ein Beispiel eines solchen offenen Quantensystems ist das Wasserstoffatom in gekreuzten Feldern. Dabei liegen externe elektrische und magnetische Felder an. Ein großer Vorteil dieses Quantensystems ist die einfache experimentelle Zugänglichkeit. Diese Arbeit dient in erster Linie der Untersuchung der Zeitentwicklung des Wasserstoffatoms in gekreuzten Feldern. Als Vorbereitung werden zwei fiktive Systeme betrachtet, deren Hamiltonoperatoren eine komplex symmetrische Matrixstruktur aufweisen und für bestimmte Parameter einen exzeptionellen Punkt besitzen. In der Gegenwart von exzeptionellen Punkten treten häufig überraschend erscheinende Effekte auf. Umrundet man z.B. einen exzeptionellen Punkt im Parameterraum, stellt man fest, dass die Resonanzen, die mit ihm verknüpft sind, nicht zu ihrem Ausgangspunkt in der komplexen Energieebene zurückkehren, sondern miteinander vertauschen [1]. Uzdin und andere [2] sowie Berry und Uzdin [3] haben gezeigt, dass dieses adiabatische Vertauschen allerdings nicht für die Zeitentwicklung tatsächlich besetzter Resonanzen auftritt. Nur einer der Zustände verhält sich entsprechend der adiabatischen Erwartung [4]. Es gibt Vorschläge, diesen Effekt für Anwendungen wie z.B. das kontrollierte Besetzen von Zuständen [2, 5, 6] auszunutzen. In diesen Betrachtungen wurden die beteiligten Resonanzen am exzeptionellen Punkt jedoch immer als isoliert von allen anderen angesehen. Dies ist in physikalischen Systemen oft nicht der Fall. Lefebvre und andere haben gezeigt, dass Resonanzen in der Umgebung das Vertauschungsverhalten maßgeblich beeinflussen können [7]. In dieser Arbeit soll das systematisch untersucht werden. Das Wasserstoffatom in gekreuzten Feldern eignet sich besonders dafür, da es relativ einfach mit exakt numerischen Methoden zugänglich ist und eine große Zahl an exzeptionellen Punkten in diesem System bekannt sind [8], die unterschiedliche Umgebungen (Nähe anderer Resonanzen) besitzen. Im ersten System – einem 2 × 2-Matrixmodell – liegt der Fokus hauptsächlich auf einem grundlegenden Verständnis eines nichthermiteschen Systems. Dazu wird ein zeitabhängiger Wellenfunktionsansatz angewendet, um die zeitabhängige Schrödingergleichung exakt zu lösen und somit Informationen über die Zeitentwicklung der Zustände zu extrahieren. Zusätzlich wird das Ergebnis dieser Zeitentwicklung mit einer adiabatischen Näherung verglichen, die alle Projektionen auf unterschiedliche Eigenzustände vernachlässigt. Im zweiten Beispielmodell wird der Hamiltonoperator durch eine komplex symmetrische 5 × 5Matrix beschrieben, die in den ersten zwei Komponenten das zuvor verwendete 2 × 2-Matrixmodell enthält und damit auch exzeptionelle Punkte aufzeigt. Dabei werden ganz bewusst Störparameter eingebaut, die eine Kopplung der Zustände des exzeptionellen Punktes mit den umliegenden Resonanzen bewirkt. Die Zeitentwicklung des Systems wird dahingehend untersucht, inwiefern 1 die Kopplungen die Zeitentwicklung der Resonanzen, die zum exzeptionellen Punkt gehören, beeinflussen. Um diesen Störeffekt quantifizieren zu können, wird eine Zeitentwicklung berechnet, die nur die Zustände des exzeptionellen Punktes enthält und eine Zeitentwicklung, die alle Zustände mit einbezieht. Am Ende wird der Betrag der Differenz dieser beiden Ergebnisse gebildet, um einen Grad der Abweichung zu erhalten. Außerdem wird für den Fall eines bestimmten Radius eine dreifache Vertauschung von Resonanzen in einer Form, die einem exzeptionellen Punkt dritter Ordnung ähnelt, erzeugt und deren Zeitentwicklung untersucht. Das physikalisch relevante System in dieser Arbeit ist das Wasserstoffatom in gekreuzten elektrischen und magnetischen Feldern. Dazu wird der Hamiltonoperator des Systems angegeben und eine Möglichkeit das Problem numerisch zu lösen beschrieben. Neben einer kurzen Diskussion eines Energiespektrums des Systems und der Angabe einiger exzeptioneller Punkte liegt, wie in den Beispielmodellen, das Hauptaugenmerk auf der Zeitentwicklung der Zustände. Für eine verschiedene Anzahl von umliegenden Resonanzen wird die Zeitentwicklung eines exzeptionellen Punktes berechnet und mit der Zeitentwicklung verglichen, die nur die beiden zum exzeptionellen Punkt gehörenden Resonanzen enthält. Aus den Kenntnissen der Matrixmodelle über das adiabatische Verhalten eines Systems, wird eine Vorhersage über das Verhalten des Wasserstoffproblems getätigt und diese Vermutung untersucht. Zuletzt wird eine Erklärung für das adiabatische Verhalten eines Systems gegeben und es wird auf die Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen eingegangen. Der letzte Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit dem Vergleich der Matrixmodelle mit dem Wasserstoffatom. 2 II. Grundlagen 1. Nichthermitesche Quantensysteme In der hermiteschen Quantenmechanik existiert zu jedem Eigenwert λi ein Eigenzustand |i i, der die Orthonormalitätsbedingung hi | ji = δi,j (2.1) erfüllt. In der nichthermiteschen Quantenmechanik wird das System durch einen Hamiltonoperator beschrieben, der keine Hermitizität aufweist. Die Forderung H (t) = H † (t) (2.2) ist damit hinfällig. Im Allgemeinen besitzt ein nichthermitescher Operator Eigenwerte, die komplex sind. Die nichthermitesche Quantenmechanik ist eine gute Möglichkeit, zerfallende Resonanzen in offenen Quantensystemen zu beschreiben. Um dies zu ermöglichen, ergreifen wir den einfachsten Ansatz zur Beschreibung einer Wellenfunktion, welche einen exponentiellen Abfall enthält, ψ(t) = e−iE t/h̄ ψ(t0 ) (2.3) mit der Energie E , die nun jedoch einen Real- und einen Imaginärteil enthalten kann, also die folgende Form annimmt E = E− iΓ . 2 (2.4) Der Realteil spiegelt dabei die Energie E wider, der Imaginärteil hingegen eine Zerfallsrate Γ. Einsetzen von (2.4) in (2.3) ergibt für die Wellenfunktion den Ansatz Γ |ψ(t)i = e−iEt/h̄ · e− 2h̄ t |ψ(t0 )i . (2.5) Die Zeitentwicklung aus (2.5) ist nicht normerhaltend | |ψ(t)i |2 = e−Γt/h̄ | |ψ(t0 )i |2 . (2.6) Ist Γ – respektive der Imaginärteil der Energie – größer Null, so ergibt sich ein exponentieller Anstieg der Wahrscheinlichkeitsdichte in (2.6). Ein negativer Imaginärteil der Energie führt hingegen auf einen exponentiellen Abfall der Wahrscheinlichkeitsdichte. Da die Wahrscheinlichkeit nicht mehr normerhaltend ist, muss das Messwahrscheinlichkeitspostulat der hermiteschen Quantenmechanik überarbeitet werden. Das Postulat besagt, dass die Wahrscheinlichkeit P, eine Wellenfunktion |ψi im Zustand |ni vorzufinden, gleich dem Betragsquadrat der Projektion der Wellenfunktion auf den Eigenzustand n ist. P = |hn | ψi|2 . (2.7) 3 2. Wahrscheinlichkeitsentwicklung in nichthermiteschen Quantensystemen In [9] ist ein Ausdruck für die Wahrscheinlichkeit, ein nichthermitesches System im Zustand n anzutreffen, gegeben durch Pn = hχn | ψi hψ̃ | ξ n i . hψ̃ | ψi hχn | ξ n i (2.8) Vorausgesetzt wurde dabei, dass hχn | der linksseitige Eigenvektor zum Eigenwert n ist und analog |ξ n i der rechtsseitige. Ist die Relation hψ(t = 0) | ψ(t = 0)i = 1 erfüllt und bilden die hξ n | und |χn i eine Biorthonormalsbasis, so vereinfacht sich die Wahrscheinlichkeitsbestimmung zu Pn = hξ n | ψi hψ̃ | χn i . (2.9) Ist der Zustand |ψi in seiner Entwicklung nach den Basiszuständen |χn i bekannt |ψi = ∑ cn |χn i , (2.10) n so lautet nach [9] der dazu duale Zustand hψ̃| = ∑ c∗n hξ n | (2.11) n und man erhält für die Wahrscheinlichkeit Pn = hξ n | ψi hψ̃ | χn i = ∑ ck c∗` hξ n | χk i hξ ` | χn i k,` (2.12) = | c n |2 Das entspricht damit dem Messwahrscheinlichkeitspostulat (2.7) aus der hermiteschen Quantenmechanik. 2. Wahrscheinlichkeitsentwicklung in nichthermiteschen Quantensystemen Mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung lässt sich direkt aus der Forderung eines nichthermiteschen Hamiltonoperators ein dissipativer Effekt herauslesen. Dazu betrachten wir zuerst die dimensionslose Schrödingergleichung i∂t |ψi = H |ψi (2.13) und erhalten nach der Anwendung auf einen Vektor links des Operators und anschließender hermitescher Konjugation −i∂t hφ| = hφ| H , † i∂t |φi = H |φi . (2.14) (2.15) Für nichthermitesche Hamiltonoperatoren ergibt sich damit eine Schrödingergleichung für rechtsseitige Eigenvektoren |ψi und eine für linksseitigen Eigenvektoren |φi. Satz 2.1. Im Falle einer komplex symmetrischen Matrix, d.h. H T = H, haben die links- und rechtsseitigen Eigenvektoren die gleichen Komponenten 4 II. Grundlagen Beweis. hφ| H = λ hφ| , (hφ| H )T = (λ hφ|)T , H |φ∗ i = λ |φ∗ i aber auch H |ψi = λ |ψi , also |ψi = hφ|T . Es wird nun die Zeitentwicklung der Wahrscheinlichkeit betrachtet. Dazu berechnen wir die Zeitableitung des Dichteoperators ∂t $ = ∂t (|ψi hψ|) = |∂t ψi hψ| + |ψi h∂t ψ| = −i H | ψ i h ψ | + i | ψ i h ψ | H † (2.16) ∗ = i( E − E ) | ψ i h ψ | = 2 Im( E) |ψi hψ| . Dabei wurde h̄ = 1 angenommen. Es ergibt sich eine Differentialgleichung erster Ordnung für die Wahrscheinlichkeit, $̇ = 2 Im( E) $ , (2.17) die sich unter der Annahme eines zeitunabhängigen Energieeigenwertes E trivial lösen lässt, $(t) = $0 e2 Im(E) t . (2.18) Für physikalische Systeme, die einen Zerfall beschreiben, ergibt sich stets ein negativer Imaginärteil der Energie. Unter dieser Voraussetzung ergibt sich in (2.18) ein exponentieller Abfall der Wahrscheinlichkeit. Da (2.18) stets positive Werte liefert und die Kontinuitätsgleichung ∂t $ + div j = 0 (2.19) erfüllt sein muss, kann dies als ein Wahrscheinlichkeitsstrom j aus dem betrachteten System interpretiert werden. 3. Beispiel für einen exzeptionellen Punkt Im Grunde lässt sich jedes offene Quantensystem mit Hilfe der nichthermiteschen Quantenmechanik beschreiben. Von einem offenen Quantensystem ist immer dann die Rede, sofern Teilchen aus einem betrachteten System entweichen können (siehe Abbildung 2.1). Ein bekanntes Gegenbeispiel zu einem offenen Quantensystem ist das Wasserstoffatom, dort existieren für negative Energien nur gebundene Zustände und alle Teilchen sind lokalisiert (links in Abbildung 2.1). In einem offenen Quantensystem können Resonanzzustände existieren. Ein Beispiel dafür ist das Hinzufügen eines externen elektrischen Feldes zum Wasserstoffatom. Über einen Tunnelprozess sind alle Energieniveaus mit der Umgebung verbunden (rechte Abbildung in 2.1). Für diese Resonanzustände bringt die 5 3. Beispiel für einen exzeptionellen Punkt E E x x V ( x, y, z) V ( x, y, z) A b b i l du n g 2 . 1 . : Energieschema des Coulombpotentials V ∝ 1/r im Wasserstoffatom projiziert auf die kartesische x-Achse. Links ist zu sehen, dass nur gebundene Zustände existieren. Im Fall eines dazugeschalteten elektrischen Feldes besitzt das Potential die Form V ∝ 1/r + x und erlaubt den Elektronen, durch Ausnutzung des in der Quantenmechanik existierenden »Tunneleffekts«, das Verlassen der Potentialbarriere mit einer bestimmten Transmissionswahrscheinlichkeit. Das Auftreten einer solchen Transmission macht das Wasserstoffatom im elektrischen Feld zu einem offenen Quantensystem, welches sich gut durch die nichthermitesche Quantenmechanik beschreiben lässt. Lösung der Schrödingergleichung in einer nichthermiteschen Beschreibung Eigenwerte hervor, die sowohl einen Imaginär- als auch einen Realteil besitzen. Ein einfaches Modellbeispiel für ein offenes Quantensystem, das durch einen nichthermiteschen Hamiltonoperator [8] beschrieben wird, lautet M(κ ) = 1 κ κ −1 . (2.20) Dabei gilt κ ∈ C und für die Eigenwerte λi respektive deren zugehörigen Eigenvektoren vi findet man p −κ √ , λ1 = + 1 + κ 2 v1 = 1 − 1 + κ2 (2.21) p −κ 2 √ λ2 = − 1 + κ v2 = . 1 + 1 + κ2 Für κ = ±i gilt: λ1 = λ2 und v1 = v2 . Durch diese bestimmte Wahl des Parameters κ fallen die zwei Eigenwerte und ihre zugehörigen Eigenzustände zusammen und man spricht von einem exzeptionellen Punkt. Dieser kann nur in nichthermiteschen Quantensystemen auftreten. Beim Umrunden eines Kreises, der einen expzeptionellen Punkt einschließt, vertauschen die Eigenwerte. Dies ist von entscheidender Bedeutung, denn intuitiv erwartet man am Anfang des Kreises den gleichen Zustand wie am Endpunkt eines Durchlaufes. Um im Beispiel (2.20) einen exzeptionellen Punkt umrunden zu können, setzen wir κ = i + r · eiϕ , (2.22) was einen Kreis mit Radius r um den Punkt (0, i) in der imaginären Ebene beschreibt, sofern der Winkel ϕ die Werte 0 . . . 2π durchläuft. Durch Einsetzen von κ in die Eigenwerte (2.21) und Entwicklung nach kleinen Radien r ergibt sich gemäß [8] 6 0 0 -0.2 -0.2 -0.4 -0.4 Im(E) Im(κ ) II. Grundlagen -0.6 -0.8 -1 E1 E2 -0.6 -0.8 -0.4 -0.2 0 Re(κ ) 0.2 -1 0.4 -0.4 -0.2 0 Re(E) 0.2 0.4 A b b i l du n g 2 . 2 . : Verhalten der Energieeigenwerte aus (3.4) für ein Umrunden eines exzeptionellen Punktes. Dabei wurde der Radius r = 0.1 gewählt und somit sichergestellt, dass sich nur ein exzeptioneller Punkt innerhalb des Kreises befindet. Beide Eigenwerte vollführen hierbei einen Halbkreis, sodass Anfang- und Endzustand am Ende des Kreises vertauschen. E1 ∝ ei(π/4+ ϕ/2) , E2 ∝ e i(5π/4+ ϕ/2) (2.23a) . (2.23b) In erster Näherung um den exzeptionellen Punkt geht der Winkel mit einer Gewichtung von 1/2 ein. Ein Durchlauf von ϕ = 0 . . . 2π bewirkt eine maximale Änderung von π, was einem halben Kreis entspricht. Dieses Verhalten ist in Abbildung 2.2 dargestellt. 4. Adiabatisches Verhalten eines nichthermiteschen Systems In [10] wird vorgeschlagen, die Adiabatizität eines Moleküls, welches unter dem Einfluss eines Laser steht, daran zu messen, die Kernwellenfunktion des Moleküls zum Anfangs- und Endzeitpunkt einer Umrundung eines exzeptionellen Punktes im Parameterraum zu messen (vgl. Abschnitt 3). Die Kernwellenfunktion befindet sich entweder im Zustand | ai, ihrem anfänglichen Zustand, oder sie befindet sich in einem Zustand |bi. Für gebundene Zustände und einer adiabatischen Variation der Laserparameter (z.B. Intensität und Wellenlänge), die den Hamiltonoperator und damit die Eigenzustände beeinflussen, ist nach der Umrundung eines Kreises im Parameterraum die Wellenfunktion wieder im selben Zustand wie zum Zeitpunkt t = 0. In Systemen, welche dissipative Effekte zeigen, wie das Wasserstoffatom in gekreuzten Feldern oder auch Moleküle [2, 11], kann die Umrundung eines Kreises im Parameterraum zu einer Zustandsänderung führen. Grundlage ist dabei, dass die Parameter einen engen Kreis um einen exzeptionellen Punkt beschreiben. Für Moleküle kann dadurch eine Änderung des Vibrationszustandes des Kerns auftreten. Angenommen, der Kern startet im Zustand |ν0 i, so befindet er sich am Ende des Laserpuls im Zustand |ν1 i. 7 4. Adiabatisches Verhalten eines nichthermiteschen Systems |e1 (0)i |e2 (0)i t=T t=0 Abbildung 2.3.: Schematische Illustration der Zeitentwicklung von Zustand |e1 i zu Zustand |e2 i und vice versa. Dabei spiegelt die blaue Farbe den Endpunkt des Kreises im Parameterraum dar und entspricht damit der Zeit t = T. Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung, dass die Zustände nur zu den Zeitpunkten t = 0 und t = T verglichen werden können. Im Wasserstoffatom in gekreuzten statischen elektrischen und magnetischen Feldern lässt sich diese Situation dahingehend vergleichen, dass ein Elektron anfangs im Zustand |e1 i ist und am Ende der Umrundung eines Kreises im Parameterraum sich im Zustand |e2 i befindet. In dieser Arbeit wird stets ein Wellenfunktionsansatz in der »zero«-Basis verwendet, um die Schrödingergleichung zu lösen. Die Wellenfunktion, die einen exzeptionellen Punkt beschreibt, lautet in der »zero«-Basis |ψ(t)i = a1 (t) |e1 (t = 0)i + a2 (t) |e2 (t = 0)i . (2.24) Da die Wellenfunktion lediglich Zustände zum Zeitpunkt t = 0 beachtet, wird die Namenwahl der »zero«-Basis verständlich. Durch diesen Ansatz lässt sich eine Zustandsveränderung mit Hilfe der Koeffizienten | ai (t)|2 ausdrücken. Da der Hamiltonoperator des Wasserstoffatoms in elektrischen und magnetischen Feldern ein komplex symmetrischer Operator ist, lässt sich die Wahrscheinlichkeit das System in einem Zustand |ei i aufzufinden nach (2.9) berechnen. Für die Umrundung eines exzeptionellen Punktes, wird im Beispielmodell (2.20) der Parameter ϕ verändert. Im Wasserstoffatom wird der variable Parameter die Zeit t sein, wobei ein Kreis in der Zeit T umrundet wird. Nach der Umrundung des exzeptionellen Punktes, das heißt für eine Zeit t = T, haben sich die Zustände, wie in Abbildung 2.3 dargestellt, bis auf eine Phase gerade vertauscht, was bedeutet |e1 (t = T )i ∝ |e2 (t = 0)i , |e2 (t = T )i ∝ |e1 (t = 0)i . (2.25) Falls das Elektron sich anfangs im Zustand |e1 i befindet, erhalten wir damit nach (2.12) die Wahrscheinlichkeiten 2 P(0) = |he1 (0) | ψ(0)i| = | a1 (0)|2 = 1 , (2.26a) 2 2 P( T ) = |he1 ( T ) | ψ( T )i| = | a1 ( T )|2 = |he2 (0) | ψ( T )i| = | a2 (0)|2 = 0 , (2.26b) sofern eine Zustandsvertauschung – und damit ein adiabatisches Verhalten, auch adiabatischer Zustandsflip genannt – existiert. Um eine Aussage über die Adiabatizität des Systems treffen zu können, wird eine adiabatische Näherung nach [4], αi,ad (t) = e−i 8 R Ei dt , (2.27) II. Grundlagen für die Zeitentwicklung verwendet. Dabei ist zu beachten, dass diese Näherung in einer instantanen Eigenbasis [4] also einer Basis, bei der die Eigenvektoren |vi (t)i des jeweils aktuellen Hamiltonoperators verwendet werden, angeben ist. Diese instantane Basis ist durch die Basistransformation ∑ hwi (t) | ψ(t)i |vi (t)i (2.28) i =1,2 mit der »zero«-Basis (2.24) verbunden. Wobei hwi (t)| der duale Zustand zu |vi (t)i ist. Die zugehörige Wellenfunktion in der instantanen Basis [4] lautet damit |ψinst i ≡ α1 (t) |v1 (t)i + α2 (t) |v2 (t)i , (2.29) wobei die Koeffizienten α1 (t) und α2 (t) aus der »zero «-Basis bestimmt werden. α1 (t) = a1 (t) hw1 (t) | v1 (0)i + a2 (t) hw1 (t) | v2 (0)i (2.30a) α2 (t) = a1 (t) hw2 (t) | v1 (0)i + a2 (t) hw2 (t) | v2 (0)i (2.30b) Um eine Aussage über die Adiabatizität des Systems treffen zu können, ist es sinnvoll, die normierte Zeitentwicklung zu betrachten, in der nur die Koeffizienten des exzeptionellen Punktes vorzufinden sind, | ãi |2 = | a i |2 ∑2j=1 | a j |2 i = 1, 2 . (2.31) Damit lässt sich die Aussage | ãi (0)|2 = 1 → | ãi ( T )|2 = 0 , | ã j (0)|2 = 0 → | ã j ( T )|2 = 1 (2.32) schnell verifizieren. Dabei ist ai der Koeffizient, der dem Anfangszustand des Elektrons zugeordnet wird und a j der Koeffizient, dessen Zustand ebenso wie ai am exzeptionellen Punkt beteiligt ist. In der tatsächlichen Zeitentwicklung eines solchen Systems stellt sich heraus, dass ein adiabatisches Verhalten nur für bestimmte Anfangsbedingungen erfüllt werden kann. Dabei ist der Imaginärteil des Energieeigenwertes entlang der Bahn im Parameterraum ausschlaggebend. Um eine Adiabatizität zu erreichen, muss anfangs der Zustand des exzeptionellen Punktes besetzt sein, der beim Umrunden des Kreises die längste Zeit einen langsameren Zerfall aufweist. Da im Wasserstoffatom in gekreuzten Feldern stets Energieimaginärteile auftreten die negativ sind, bestimmt der Betrag des Energieimaginärteils die Zerfallsrate. Zur Illustration eines besonders einfachen und anschaulichen Beispiels stellen die Eigenwerte E1 und E2 die Imaginärteile der Energien dar und es soll gelten | E1 (0 < t < T )| > | E2 (0 < t < T )| . (2.33) Die zugehörigen Eigenzustände seien |v1 i respektive |v2 i. Wir wollen nun die Wahrscheinlichkeit angeben, einen Populationstausch während einer Umrundung vorzufinden. Dazu verwenden wir die Wahrscheinlichkeitsbestimmung eines nichthermiteschen Systems nach (2.9). Ein Populationstausch vom Zustand i in den Zustand j wird beim Verändern der Eigenzustände verursacht, wenn die Projektion w j (t) vi (t + ∆t) (2.34) nichtverschwindende Beiträge enthält. Eine Entwicklung für kleine Zeiten ∆t ergibt für den Eigenzustand |vi (t + ∆t)i = |vi (t)i + |∂t vi (t)i ∆t . (2.35) 9 4. Adiabatisches Verhalten eines nichthermiteschen Systems Um die Wahrscheinlichkeit eines Populationstausches zu bestimmen, wird die zeitliche Ableitung des Eigenzustands benötigt. Da die Zeitableitung der Eigenzustände gesucht ist, können wir die Eigenwertgleichung H (t) |vi (t)i = Ei (t) |vi (t)i , (2.36) ebenfalls für kleine Zeiten entwickeln und so die gewünschte Information der Zeitableitung des Eigenzustandes extrahieren. H (t + ∆t) |vi (t + ∆t)i = Ei (t + ∆t) |vi (t + ∆t)i [ H (t) + ∂t H (t)∆t] · [|vi (t)i + |∂t vi (t)i ∆t] = [ Ei (t) + ∂t Ei (t)∆t] · [|vi (t)i + |∂t vi (t)i ∆t] [ H (t) − Ei (t)] |∂t vi (t)i ∆t = [∂t Ei (t) − ∂t H (t)] |vi (t)i ∆t + O [∆t]2 (2.37) Aus einem Koeffizientenvergleich von (2.37) und der zusätzlichen Bedingung hwi (t) | ∂t vi (t)i = 0 , (2.38) also der Forderung, dass sich die Norm der Einheitsvektoren |vi i nicht ändert, folgt für komplex symmetrische Matrizen ein Gleichungssystem der Form " Ei (t)1 − H |vi (t)i |vi (t)iT 0 # ∂t |vi (t)i ∂t H |vi (t)i , · = 0 ∂t Ei (t) (2.39) das uns als Nebenprodukt die Ableitung der Energieeigenwerte liefert, die jedoch keinen sinnvollen Nutzen haben. Mit diesen Vorbetrachtungen kann die eigentliche Frage angegangen werden. Wenn man im Zustand |v1 (t)i startet, d.h. a1 (0) = 1, kann es nach (2.34) durch nichtadiabatische Effekte zufällig einen Übergang in den Zustand |v2 (t)i geben. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Übergang sehr klein ist, so ist durch die viel größere Zerfallsrate des Eigenwertes E1 (es gilt weiterhin Gleichung (2.33)) am Ende des Kreises die Wahrscheinlichkeit, im Zustand |v2 i und damit im Eigenwert E2 zu landen viel höher. Für einen exzeptionellen Punkt gilt jedoch die Relation E1 (0) = E2 ( T ) (2.40) und somit ist für diese Anfangsbedingung kein adiabatischer Zustandsflip möglich [12]. Schematisch ist dieses Verhalten in Abbildung 2.4 dargestellt. Für den Fall, dass man im Eigenwert E2 startet, der den kleineren Betrag des Imaginärteils besitzt, lässt sich die Argumentation umdrehen. Ein Übergang vom Zustand |v2 (t)i nach |v1 (t + ∆t)i ist sehr unwahrscheinlich und selbst wenn dieser stattfindet, so ist die Besetzung von |v1 i am Ende des Kreisdurchlaufs nahezu komplett zerfallen. Für den Zeitpunkt t = T befindet sich das System im Zustand |v2 ( T )i = |v1 (0)i und man erreicht einen adiabatischen Flip und damit einen Populationstausch, wobei dieser Ausdruck mit Vorsicht zu genießen ist, da immer ein Wahrscheinlichkeitsverlust durch dissipative Effekte vorliegt. 10 II. Grundlagen Re( E) 0.05 P = 80 E1 (0) P=5 1 0.0 E2 (0) P = 95 Zerfall P = 20 Im( E) A b b i l du n g 2 . 4 . : Illustration für ein nichtadiabatisches Verhalten eines Systems. Dabei ist die gesamte Population des System im Anfangszustand E1 (0). Der Kreis wird gegen den Uhrzeigersinn durchlaufen. Alle Zahlen sind fiktive Werte und geben Wahrscheinlichkeiten an. Die Variable P gibt die Gesamtwahrscheinlichkeit an, das System im jeweiligen Zustand aufzufinden, beinhaltet also dissipative Effekte. Durch die gestrichelten blauen Linien sollen Übergangswahrscheinlichkeiten dargestellt werden. Im ersten Beispiel (schwarze Punkte, dunkelblaue Linie), ist der ursprüngliche, adiabatisch fortgesetzte Zustand noch zu 95% besetzt. Nichtadiabatische Übergänge haben zu einer 5%-igen Besetzungswahrscheinlichkeit des 2. Zustands geführt. Da der Eigenwert E1 (t) stets einen betragsmäßig größeren Imaginärteil als E2 besitzt, zerfällt der dazugehörige Zustand sehr viel schneller. Dieser dissipative Effekt muss in die Betrachtung miteinbezogen werden, denn auch wenn die Übergangswahrscheinlichkeit von E1 (t) → E2 (t) während des Umlaufs sehr gering ist, so ist die Wahrscheinlichkeit, am Ende des Kreises in E2 ( T ) respektive E1 (0) zu landen viel größer als in E2 (0). Im zweiten Beispiel (graue Punkte, hellblaue Linie), hat sich das Verhältnis bereits zugunsten des zweiten Zustands verschoben, der nun zu 80% besetzt ist. Der Anfangs- und Endzustand stimmen überein und es fand kein adiabatischer Zustandsflip statt. Ein nicht adiabatisches Verhalten ist damit allein auf die Dissipativität des Systems zurückzuführen. 11 III. Zeitentwicklung in einem nichthermiteschen System: Ein 2 × 2-Matrixmodell Gehen wir von einem Zwei-Niveau-System aus, welches durch den Hamiltonoperator κ 1 − 2i H (κ ) = κ −1 − 2i gegeben ist. Die Energieeigenwerte bzw. Eigenzustände lauten ähnlich wie in (2.21) i p −κ 2 √ v1 = , E1 = − + 1 + κ , 1 − 1 + κ2 2 i p −κ 2 √ E2 = − − 1 + κ , v2 = . 1 + 1 + κ2 2 (3.1) (3.2) Im Folgenden legen wir den Parameter κ so fest, dass er den exzeptionellen Punkt mit einem Radius r im Parameterraum umrundet, das heißt κ = i + r · eiϕ . Die Variable ϕ beschreibt den genauen Punkt im Parameterraum. In unserem Fall wird diese Variable an die Zeit gekoppelt, sodass ein Kreis im Parameterraum mit einer bestimmten Zeit T durchlaufen wird. 2π κ = i + r · ei T t Unser Hamiltonoperator aus (3.1) ist damit ein zeitabhängiger Operator. ! 2π 1 − 2i i + r · ei T t H (t) = 2π −1 − 2i i + r · ei T t (3.3) (3.4) Unser Interesse besteht nun darin, die zeitliche Entwicklung dieses Systems zu betrachten, dies geschieht über die Schrödingergleichung. Für die Wellenfunktionen betrachten wir einen Ansatz in der »zero«-Basis. |ψ(t)i = a1 (t) |v1 (0)i + a2 (t) |v2 (0)i (3.5) Dabei sind |v1 (0)i respektive |v2 (0)i die Eigenzustände des Systems zum Zeitpunkt t = 0. Da (3.4) komplex symmetrisch ist, gilt für die linksseitigen Eigenvektoren hwi | wi v j = δij (3.6) h wi | = | v i i T , Mit Hilfe der Orthonormalitätsrelation aus (3.6), lässt sich die Schrödingergleichung so umformen, dass man Auskunft über die Entwicklungskoeffizienten (a1 (t),a2 (t)) erhält. ih̄ ∂t |ψi = H (t) |ψi ih̄ [ ȧ1 (t) |v1 (0)i + ȧ2 (t) |v2 (0)i] = H (t) [ a1 (t) |v1 (0)i + a2 (t) |v2 (0)i] (3.7) Durch Multiplikation mit hw1 | respektive hw2 | ergibt sich i ȧ1 (t) = − [ a1 (t) hw1 (0) | H (t) | v1 (0)i + a2 (t) hw1 (0) | H (t) | v2 (0)i] , h̄ i ȧ2 (t) = − [ a1 (t) hw2 (0) | H (t) | v1 (0)i + a2 (t) hw2 (0) | H (t) | v2 (0)i] . h̄ (3.8) 13 Anfangszustand: a1 (0) = 1 1 10−2 10−4 10−6 10−8 10−10 10−12 0.8 | ãi |2 | a i |2 Anfangszustand: a1 (0) = 1 100 a1 ( t ) a2 ( t ) 0 5 10 Zeit t 15 0.6 a1 ( t ) a2 ( t ) 0.4 0.2 0 20 0 1 10−2 0.8 10−4 0.6 a1 (t) 0.4 a2 (t) 10−6 a1 ( t ) a2 ( t ) 10−8 10−10 0 5 10 Zeit t 15 10 15 Zeit t [a.u.] 20 Anfangszustand: a2 (0) = 1 100 | ãi |2 | a i |2 Anfangszustand: a2 (0) = 1 5 0.2 0 20 0 5 10 Zeit t 15 20 A b b i l du n g 3 . 1 . : Zeitentwicklung nach (3.8) der Wahrscheinlichkeit des Systems (3.4) für eine Kreisumrundungszeit von T = 20 und r = 0.1. Da die beiden Energieeigenwerte zu jeder Zeit t stets einen negativen Imaginärteil besitzen (vgl. (3.2)), bleibt die Gesamtwahrscheinlichkeit nicht konstant auf 1, sondern zerfällt exponentiell. Um den Effekt des Zerfalls auszublenden, wurde in der rechten Spalte jeweils eine normierte Wahrscheinlichkeit der Form P(t) = | a1 (t)|2 / | a1 (t)|2 + | a2 (t)|2 benutzt. Zu erkennen ist, dass eine Zustandsvertauschung in der »zero«-Basis nur für a2 (0) = 1 am Ende des Kreises vorliegt. Die Entwicklungskoeffizienten erfüllen dabei eine gekoppelte Differentialgleichung 1. Ordnung, welche sich problemlos mit Hilfe des Runge-Kutta-Algorithmus numerisch lösen lässt. Wählen wir den Parameter, der unsere Umrundungsdauer im Parameterraum beschreibt (in unserem Fall T) groß gegenüber den Zeitdauern t des inneren Systems, zum Beispiel der Wellenfunktion ψ(t), so erwartet man ein adiabatisches Verhalten in der Zeitentwicklung (vergleiche Abschnitt 4 aus Kapitel II). Für ein Zwei-Niveau-System mit den Koeffizienten a1 (t) und a2 (t) und der Anfangsbedingung a1 (0) = α1,ad (0) = 1 lautet die adiabatische Näherung nach (2.27) α1,ad (t) = e−i R E1 dt , α2,ad (t) = 0 . (3.9) Um die Theorie aus Abschnitt 4 Kapitel II zu bestätigen, muss die zeitabhängige Schrödingergleichung exakt gelöst werden. Sowohl die normierte als auch die unnormierte Zeitentwicklung der Koeffizienten a1 (t) respektive a2 (t) nach (3.8) sind in Abbildung 3.1 vorzufinden. Dabei ist das dissipative Verhalten des Systems zu erkennen, denn die Wahrscheinlichkeit für die unnormierte Zeitentwicklung der beiden Koeffizienten zerfällt exponentiell. Durch die Normierung nach (2.31), lässt sich der dissipative Effekt ausblenden. Damit ist eine einfach Aussage, ob die Bedingung eines adiabatischen Verhaltens nach (2.32) erfüllt ist, möglich. Der Vergleich der numerisch exakten Lösungen und der adiabatischen Näherung aus (2.27) (Abbildung 3.2) zeigt auf, dass sich unser Beispielmodell nicht immer adiabatisch verhält, vielmehr wird die Aussage aus [12] noch einmal bekräftigt, dass nur die adiabatische Näherung des Zustandes mit dem kleineren Imaginärteil der Energie aus (3.2) mit der exakten Lösung vergleichbar ist. Da wir die »zero«-Basis verwenden, müssen wir beachten, dass die adiabatische Näherung in 14 III. Zeitentwicklung in einem nichthermiteschen System: Ein 2 × 2-Matrixmodell Anfangszustand: a2 (0) = 1 Wahrscheinlichkeit Wahrscheinlichkeit Anfangszustand: a1 (0) = 1 100 10−4 10−8 a1 ( t ) a2 ( t ) a1,ad (t) 10−12 0 5 10 Zeit t 15 20 100 10−4 a1 ( t ) a2 ( t ) a2,ad (t) 10−8 10−12 0 5 10 Zeit t 15 20 A b b i l du n g 3 . 2 . : Zeitentwicklung im Vergleich mit der adiabatischen Näherung. Erkennbar ist, dass sich das System nur im Anfangszustand a2 (0) = 1 adiabatisch verhält. Dabei wurden die Koeffizienten a1 (t) und a2 (t) in der »zero«-Basis nach (3.8) berechnet. Der Koeffizient a2,ad (t) der adiabatischen Näherung folgt hingegen der instantanen Basis aus (2.27). Die Parameter sind wiederum T = 10 und r = 0.1. Anfangszustand: a1 (0) = 1 Anfangszustand: a2 (0) = 1 100 10−5 10−40 | a i |2 | a i |2 10−20 a1 ( t ) a2 ( t ) a1,ad (t) 10−60 0 20 40 60 80 Umrundungszeit T 10−10 10−15 a1 ( t ) a2 ( t ) a2,ad (t) 10−20 10−25 100 0 20 40 60 80 Umrundungszeit T 100 A b b i l du n g 3 . 3 . : Wahrscheinlichkeit, einen Zustand nach Umrundung eines Kreises vorzufinden. Für verschiedene Umrundungszeiten wurde der Radius konstant auf r = 0.2 gesetzt. einer instantanen Eigenbasis (2.29) gegeben ist, welche nach Verwendung von (2.30a) und (2.30b) aus der »zero«-Basis bestimmt werden kann. Wir werden im Folgenden auf diesen Basiswechsel verzichten und das adiabatische Verhalten des Systems damit verifizieren, dass die adiabatische Näherung zu den Zeitpunkten t = 0 und t = T mit einer der numerischen Lösungen übereinstimmt. Änderungen des Umrundungsparameters T beeinflussen die adiabatische Näherung (Abbildung 3.3) nicht. Für nichtadiabatische Bedingungen, also solche, die nicht mit der adiabatischen Näherung übereinstimmen, findet man nur in den Bereichen kleiner Umrundungszeiten eine Übereinstimmung, für steigende Umrundungszeit jedoch starke Abweichungen zur exakten Lösung des Problems. Liegen Anfangsbedingungen vor, die ein adiabatisches System beschreiben, so ist diese Eigenschaft unabhängig vom Parameter T, was im Allgemeinen nicht klar ist, denn wie in Abschnitt 4 in Kapitel II angesprochen, verhelfen dissipative Effekte das Zustandekommen eines adiabatischen Zustandflips, d.h. es muss eine gewisse Zeit vergehen, damit der Effekt auftreten kann. Für kurze Umrundungszeiten T ist der dissipative Effekt vernachlässigbar klein, so dass die Adiabatizität des Systems ihre Ursache in den Projektionen nach (2.34) hat. Ebenso führt die Variation des Radius bei fester Umrundungszeit zu keinerlei Abweichungen der adiabatischen Näherung. Eine Besonderheit liegt jedoch darin, dass für vorliegenden Anfangsbedingungen, welche für große Radien keine Übereinstimmung mit der adiabatischen Näherung zeigen, für kleine Radien eine exakte Übereinstimmung liefern. Es muss bei der Veränderung des Radius beachtet werden, dass bei einer zu großen Wahl des Radius die Eigenwerte aus (3.2) einen positiven 15 Anfangszustand: a1 (0) = 1 Anfangszustand: a2 (0) = 1 100 10−8 | a i |2 | a i |2 10−4 a1 ( t ) a2 ( t ) a1,ad (t) 10−12 10−16 0 0.3 0.6 Radius r 10−4 a1 ( t ) a2 ( t ) a2,ad (t) 10−8 0.9 0 0.3 0.6 Radius r 0.9 A b b i l du n g 3 . 4 . : Wahrscheinlichkeit, einen Zustand nach Umrundung eines Kreises vorzufinden. Für verschiedene Radien wurde die Umrundungszeit konstant auf T = 20 gesetzt. Für einen Wert von r = 0.9 ist der Imaginärteil der Eigenwerte, welcher durch den Radius bestimmt wird, größer als 1/2 und führt damit auf Wahrscheinlichkeiten die größer als 1 sind. Imaginärteil enthalten. Dieser bedeutet im physikalischen Sinne eine Wahrscheinlichkeitszunahme und erklärt das Zustandekommen von Wahrscheinlichkeiten in Abbildung 3.4, die über 1 liegen. 16 IV. 5 × 5-Matrixmodell mit Störung In diesem Abschnitt wird untersucht, inwiefern eine Störung durch benachbarte Resonanzen das Vertauschungsverhalten der Eigenwerte um einen exzeptionellen Punkt beeinflusst. Die Störung ist dabei vom Parameter, welcher den Kreis um den exzeptionellen Punkt beschreibt, abhängig. Dazu werden wiederum die Wahrscheinlichkeiten betrachtet und somit die zeitabhängige Schrödingergleichung in der »zero«-Basis gelöst. 1. Einführung des Modells Der Hamiltonoperator lautet fortan 1 i + κ s1 κ 0 s2 κ i + κ −1 0 s3 κ 0 H ( s1 , s2 , s3 ) = s1 κ 0 2 0 0 . 0 s3 κ 0 3 0 s2 κ 0 0 0 4 (4.1) Dabei ist 2π κ = r e−i T t (4.2) und die si sind Störparameter, die wir im Folgenden genauer diskutieren werden. Wie eine Rechnung zeigt, besitzen die Eigenwerte von H die Abhängigkeit E1 (s1 , s2 , s3 , κ ) , E2 (s1 , s2 , s3 , κ ) , E3 (s1 , s2 , s3 , κ ) , E4 (s1 , s2 , s3 , κ ) , E5 (s1 , s2 , s3 , κ ) (4.3) und sind damit alle von den Störparametern, als auch vom Kreis κ, der umrundet wird, abhängig. Für s1 = s2 = s3 = 0 erhalten wir die Matrix 1 i+κ 0 0 0 i + κ −1 0 0 0 H (0, 0, 0) = 0 (4.4) 0 2 0 0 , 0 0 0 3 0 0 0 0 0 4 welche in den ersten beiden Komponenten dem 2 × 2-Problem entspricht, das bereits behandelt wurde. Für diesen Fall ergibt sich ein Umrunden des exzeptionellen Punktes im Parameterraum, während die nicht beteiligten Energieeigenwerte konstant bleiben (siehe Abbildung 4.1). Dreht man die Störung auf, zum Beispiel s1 , so rückt ein Energieeigenwert näher an den exzeptionellen Punkt und führt zu einer Kopplung , siehe Abbildung 4.1. Inwieweit diese Störung Einfluss auf den exzeptionellen Punkt nimmt, soll durch die Betrachtung des zweidimensionalen Unterraums der beiden Eigenzustände, die den exzeptionellen Punkt enthalten, erfolgen. 17 2. Zeitentwicklung und adiabatische Näherung s1 = s2 = s3 = 0 s1 = 3 0.6 0.6 s2 = s3 = 0 0.1 0 0.3 Im( E) Im( E) 0.3 0 E1 E2 E3 E4 E5 -0.3 -0.6 -2 -1 0 1 2 Re( E) -0.1 1.9 2 2.1 0 E1 E2 E3 E4 E5 -0.3 3 4 -0.6 -2 -1 0 1 2 Re( E) 3 4 Abbildung 4.1.: Eigenwerte des Modells (4.1) für einen Kreis der Form (4.2) für den Radius r = 0.1. Für den Fall einer nicht existierenden Störung ist das Verhalten des 2 × 2-Systems erkennbar, die drei restlichen Eigenwerte bleiben dabei zu jeder Zeit konstant (links). Durch Anlegen einer Störung s1 = 3 lässt sich bereits erkennen, wie das Untersystem des exzeptionellen Punktes gestört wird (rechts). 2. Zeitentwicklung und adiabatische Näherung Die Schrödingergleichung führt durch den Ansatz der »zero«-Basis auf die gekoppelten Differentialgleichungen 5 ȧk (t) + ∑ i a j (t) wk (0) H (t) v j (0) = 0 , k = 1...5 . (4.5) j =1 Dabei beschreiben die Indizes 1 respektive 2 Komponenten, die dem exzeptionellen Punkt zugeordnet werden. Der in Gedanken vom Rest des Systems separierte Unterraum des exzeptionellen Punktes ist also beschrieben durch 2 ḃk (t) + ∑ i b j (t) wk (0) H (t) v j (0) = 0 , k = 1, 2 . (4.6) j =1 Um das Verhalten der Störung genauer untersuchen zu können, geben wir die Koeffizienten im Folgenden normiert an. | a i |2 | a1 |2 + | a2 |2 + | a3 |2 + | a4 |2 + | a5 |2 | bi | 2 |b̃i |2 = |b1 |2 + |b2 |2 | ãi |2 = (4.7a) (4.7b) Durch diese Darstellung vermeiden wir Wahrscheinlichkeiten, die über die Eins hinausragen. Da es sich um ein Beispielmodell handelt – und damit keinen physikalischen Bezug aufzeigt – stört es nicht, dass der Imaginärteil der Eigenwerte größer als Null sein kann und somit das System einen Wahrscheinlichkeitsgewinn im Verlauf der Zeit aufweisen kann. Für den Fall, dass keine Störung anliegt, stimmt die Lösung der Koeffizienten bi und damit die des Unterraums exakt mit der Lösung des Gesamtsystems überein. Liegt jedoch eine Störung an, so weicht die genäherte Lösung von der 18 IV. 5 × 5-Matrixmodell mit Störung s1 = s2 = s3 = 0 1 | a i |2 0.8 0.6 0.4 0.2 0 0 2 4 6 8 10 8 10 Zeit t s1 = s2 = s3 = 2 1 | a i |2 0.8 0.6 0.4 0.2 0 0 2 4 6 Zeit t a1 a2 a3 a4 a5 b1 b2 Abbildung 4.2.: Normierte Zeitentwicklung mit Unterraumnäherung. In der oberen Abbildung existiert keine Störung s1 = s2 = s3 = 0 und die Punkte der Näherung (4.6) zeigen eine exakte Übereinstimmung mit der Zeitentwicklung des gesamten Systems. In der unteren Abbildung liegt die Störung s1 = s2 = s3 = 2 an, die daraus resultierende Näherung weicht deutlich von der exakten Lösung ab. exakten Lösung ab (Abbildung 4.2). Dies ist ein reiner Effekt der Zeitentwicklung, denn für dieses Matrixmodell wurde sichergestellt, dass die Zustände |v1 (0)i und |v2 (0)i den gesamten Zeitraum abdecken, d.h. die Zustände |v1 (t)i und |v2 (t)i zeigen während einer Kreisumrundung stets sehr gute Übereinstimmung mit den Zuständen zum Zeitpunkt t = 0. Variiert man die Störungen einzeln (Abbildung 4.3), so gilt für die Abweichung des ersten Koeffizienten (a1 (t)) stets, dass die Abweichung am Ende eines Kreises für die kleinste Störung den minimal Wert aufweist. Allgemein ist die Abweichung am Ende des Kreises für alle betrachteten Fälle vernachlässigbar klein. Erkennbar ist jedoch auch, dass die Störparameter immense Auswirkungen auf den exzeptionellen Punkt während der Umkreisung im Parameterraum haben können. So kommt es in allen behandelten Fällen zu einer Abweichung des zweidimensionalen Unterraums von der tatsächlichen Lösung von bis zu 75%. Ein Maß für die Abweichung erhält man durch die Differenz zwischen der vollständigen und der Unterraumslösung, abs | ãi |2 − |b̃i |2 , i = 1, 2 , (4.8) 19 2. Zeitentwicklung und adiabatische Näherung s1 6 = 0 s2 = s3 = 0 1 1 0.75 0.75 0.5 0.5 0.25 0.25 0 0 2 4 6 Zeit t 8 10 s2 6 = 0 0 1 0.75 0.75 0.5 0.5 0.25 0.25 0 2 4 6 Zeit t 8 10 s3 6 = 0 0 1 0.75 0.75 0.5 0.5 0.25 0.25 0 2 4 6 Zeit t 8 10 si = 0.50 si = 1.00 4 6 Zeit t 8 10 0 2 4 6 Zeit t 8 10 4 6 Zeit t 8 10 s1 = s2 = 0 1 0 2 s1 = s3 = 0 1 0 0 0 0 2 si = 1.50 si = 2.00 A b b i l du n g 4 . 3 . : Abweichung der Näherungslösung von der gesamten Lösung nach (4.8) für Störungen, die nur eine Kopplung betrifft, das heißt zwei der drei Störparameter sind jeweils 0,2 während ein Parameter variiert wird . In der 2 aufgetragen. In der rechten Spalte die linken Spalte ist jeweils die Abweichung des ersten Koeffizienten abs | ã | − | b̃ | 1 1 Abweichung abs | ã2 |2 − |b̃2 |2 . 20 IV. 5 × 5-Matrixmodell mit Störung s1 = 1 s2 = s3 = 0 2 1.5 1 Im( E) 0.5 0 -0.5 -1 E1 E2 E3 E4 E5 -1.5 -2 -2 -1 0 1 Re( E) 2 3 4 A b b i l du n g 4 . 4 . : Umrundung eines Kreises mit Radius r = 1. Da keine Störungen s2 und s3 in Modell (4.1) vorliegen, verändert die Variation des Radius nichts an den Eigenwerten E4 und E5 . Der Eigenwert E3 hingegen bildet mit E1 und E2 eine Dreierpermutation. Diese Struktur, die an einen exzeptionellen Punkt 3. Ordnung erinnert, entsteht durch das gleichzeitige Umrunden von 2 exzeptionellen Punkten. mit den Koeffizienten ãi und b̃i aus (4.7a) + (4.7b). Die Variation des Radius hat signifikante Auswirkungen auf die Eigenwertspektren. So kann es bei genügend großen Radien dazu kommen, dass die Struktur des exzeptionelle Punkt 2. Ordnung verloren geht und eine Art 3. Ordnung entsteht. Ein exzeptioneller Punkt 3. Ordnung liegt jedoch nicht exakt vor, sondern es werden zwei exzeptionelle Punkte so umrundet, dass insgesamt drei Resonanzen vertauschen. Eine der drei Resonanzen ist mit beiden exzeptionellen Punkten verknüpft. Da die Kopplungsstärken eine Abhängigkeit ∝ si · r aufweisen, muss unterschieden werden, ob der Radius oder die Störung erhöht wird. Eine Variation der Störparameter kann ebenfalls dazu führen, dass eine Dreifachvertauschung stattfindet. Da wir keinen Bezug zu den Größen der Parameter s1 , s2 und s3 haben, begrenzen wir die Störungen im Folgenden auf den Maximalwert von si = 5. Für den Extremfall s1 = s2 = s3 = 5 sind die Eigenwertspektren in Abbildung 4.5 zu sehen. Da auch für eine maximale Kopplung keine Dreifachvertauschung auftritt, wird diese im Folgenden Beispiel durch die Variation des Radius r erreicht. Für die Umrundung eines Kreises im Parameterraum, mit Radius r = 1 , T = 10 und einer angelegten Störung s1 = 1, ist die Zeitentwicklung in Abbildung 4.6 dargestellt. Da der Radius so groß gewählt wurde, dass zwei exzeptionelle Punkte umrundet werden, stellt sich eine Dreifachvertauschung zwischen den Eigenwerten E1 , E2 und E3 ein. Die Dimension des Unterraums einer approximativen Lösung muss mit der Anzahl, der an der Vertauschung beteiligten Eigenwerte übereinstimmen. In diesem Fall also 3 ċk (t) + ∑ i c j (t) v j (0) H (t) v j (0) = 0 , k = 1, 2, 3 . (4.9) j =1 Je nach Größe des Radius muss unterschieden werden, wie groß der Unterraum der Näherungslösung 21 2. Zeitentwicklung und adiabatische Näherung s1 = 5 s2 = 5 s3 = 5 0.6 0.4 Im( E) 0.2 0 -0.2 E1 E2 E3 E4 E5 -0.4 -0.6 -0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 Re( E) 3 3.5 4 4.5 Abbildung 4.5.: Umrundung eines Kreises mit Radius r = 0.1 im Modell (4.1), wobei starke Kopplungen s1 = s2 = s3 = 5 verwendet werden. Erkennbar ist die Erhaltung des exzeptionellen Punktes 2. Ordnung. Durch die starken Kopplungen wird die ellipsenförmige Umrundungsstruktur des exzeptionellen Punktes aus Abbildung 4.1 gebrochen und es entsteht eine Spiralstruktur, ähnlich wie in Abbildung 4.4 sein muss. Für große Störungen zeigt jedoch auch die Näherung (4.9), wie in Abbildung 4.6 zu erkennen, starke Abweichungen. Im Folgenden wird der Radius auf r = 0.1 gesetzt und die Umrundungsdauer auf T = 10. Es liegt die Situation eines exzeptionellen Punktes 2. Ordnung vor, zudem werden die Störparameter s2 und s3 auf 0 gesetzt und nur der Parameter s1 verändert, was auf Ergebnisse führt, die in der ersten Zeile in Abbildung 4.3 aufgetragen sind. Die Eigenwerte für diesen Fall lauten ϕ 9 E1 = ei 2 +i 4 π r1/2 + O r3/2 , ϕ 5 E2 = ei 2 +i 4 π r1/2 − O r3/2 , 3 (4.10) E3 = 2 + s21 r2 ei2ϕ + O r5/2 , 4 E4 = 3 , E5 = 4 . Der Eigenwert E3 besitzt für kleine r eine quadratische Ordnung in der Kopplung rs1 . Zudem 22 IV. 5 × 5-Matrixmodell mit Störung s2 = s3 = 0 s1 = 1 | a i |2 | a i |2 s1 = 1 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0 0 2 a1 a2 4 6 Zeit t a3 a4 a5 b1 8 10 b2 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0 0 2 a1 a2 0 a1 a2 2 4 6 Zeit t a3 a4 a5 b1 a5 c1 8 10 c2 c2 s1 = s2 = s3 = 1 | a i |2 | a i |2 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0 4 6 Zeit t a3 a4 s1 = s2 = s3 = 1 s2 = s3 = 0 8 10 b2 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0 0 a1 a2 2 4 6 Zeit t a3 a4 a5 c1 8 10 c2 c2 A b b i l du n g 4 . 6 . : Umrundung eines Kreises im Modell (4.1) mit r = 1, T = 10 und verschiedenen Kopplungen. Durch Wahl des Radius r = 1 fallen zwei exzeptionelle Punkte in den Einflussbereich und es entsteht eine Dreifachvertauschung. Es stehen sich dabei jeweils die zwei- (linke Spalte) bzw. dreidimensionale (rechte Spalte) Näherung im Vergleich gegenüber. Der zweidimensionale Unterraum ist bei einer anliegenden Störung s1 6= 0 bereits fehlerhaft. Die Näherung eines Unterraums, der alle drei beteiligten Eigenvektoren beinhaltet, zeigt hingegen eine gute Übereinstimmung mit der exakten Lösung (obere Zeile). Liegen Störungen vor, die alle Eigenwerte beeinträchtigt, so ergeben sich auch mit der dreidimensionalen Näherung Abweichungen (untere Zeile). enthält der nicht zum exzeptionellen Punkt gehörende Eigenwert den Anteil ei2ϕ (mit ϕ = 2π T t) und durchläuft daher einen Kreis doppelt so schnell wie die Parameter. Mit anderen Worten, während die beiden Resonanzen E1 und E2 , die zum exzeptionellen Punkt gehören, einen Kreis durchlaufen, zeigt der dritte Eigenwert E3 im gleichen Zeitraum zwei Umrundungen. Ganz ähnlich lässt sich die Spiralform in Abbildung 4.4 damit erklären, dass dort der Eigenwert E3 in guter Näherung durch i E3 ∝ ae− 3 ϕ + be−i2ϕ (4.11) beschrieben wird. Dabei sind a und b Koeffizienten, die den Radius angeben. Durch den Koeffizienten b wird der Radius des zweifach durchlaufenden vollen Kreises beschrieben. Die Spiralform entsteht dabei durch den ersten Term in (4.11), dieser beschreibt eine überlagerte Kreisbewegung, die, gegeben durch den Exponenten − 3i ϕ, rückwärts einen drittel Kreis in der Zeit t = T durchläuft. Eine Störung beeinflusst, wie wir gesehen haben, maßgeblich eine Näherung, die aus einem Unterraum aufgebaut ist, deren Dimension der Ordnung des exzeptionellen Punktes entspricht. Im Folgenden soll diskutiert werden, ob eine adiabatische Näherung auch dann sinnvoll ist, wenn eine Störung anliegt. Dazu betrachten wir nur den Anfangszustand eines Zustands, der zu einem exzeptionellen Punktes 2. Ordnung gehört und der im ungestörten Fall der adiabatischen Näherung gehorcht. Dies ist in diesem Beispiel verbunden mit der Anfangsbedingung a1 (t = 0) = 1. Außerdem liegt nur eine Störung s1 an und der Kreisumrundungsparamter ist T = 10. Da in der adiabatischen 23 2. Zeitentwicklung und adiabatische Näherung Näherung nach (2.27) nur der Eigenwert eingeht, der wiederum abhängig von κ und s1 ist und damit von allen veränderlichen Parametern des Systems, zeigt die adiabatische Näherung auch für anliegende Störungen Übereinstimmung zur exakten Lösung. Dies gilt jedoch nur für Anfangsbedingungen, die auch schon für einen ungestörten Fall s1 = s2 = s3 = 0 eine adiabatische Näherung gewährleisten. Da die adiabatische Näherung nicht sinnvoll normiert werden kann, ist nur die unnormierte Zeitentwicklung aussagekräftig. Die Übereinstimmung der adiabatischen Näherung wird dabei verifiziert, indem die Näherung ai,ad mit der exakten Lösung einer der Koeffizienten a j zur Zeit t = 0 und T = 10 übereinstimmt. Nur zum Anfangs und Endpunkt des Kreises ist der Koeffizient der adiabatischen Näherung vergleichbar mit einem der Koeffizienten aus der »zero«-Basis. Ein adiabatisches Verhalten fordert die Vertauschung der Wahrscheinlichkeiten | a1 |2 und | a2 |2 in der »zero«-Basis nach (2.32). Die Ergebnisse aus Abbildung 4.7 bestätigen die Vermutung, dass es nur für einen Anfangszustand zu einem adiabatischen Verhalten kommt. Aus dem Energiespektrum in Abbildung 4.1 lässt sich die Theorie aus [12] bestätigen, nach der das System in dem Anfangszustand des exzeptionellen Punktes präpariert sein muss, der den kleinsten Imaginärteil aufweist. Es wird an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass das Beispielmodell kein physikalisches Äquivalent besitzt. Da die Eigenwerte daher zum Teil einen positiven Imaginärteil aufweisen, kommt es für die Betragsquadrate der Koeffizienten, die hier immer als Wahrscheinlichkeit bezeichnet werden, zu Werten, die weit über 1 liegen und damit eine Wahrscheinlichkeit von über 100% bedeuten würden. In physikalischen nichthermiteschen Systemen tauchen, abgesehen von bewusst eingebauten Gewinnanteilen durch Zufluss von Wahrscheinlichkeitsdichte aus einem Reservoir, nur (Energie)-Eigenwerte mit negativem Imaginärteil auf, sodass dort dieses Problem nicht auftritt. Es gibt damit in physikalischen nichthermiteschen Systemen nur Zustände, welche zerfallen und damit – auch bei einer normierten Betrachtung vieler Resonanzen – keine Wahrscheinlichkeit über eins aufweisen. 24 IV. 5 × 5-Matrixmodell mit Störung (b) s1 = s2 = s3 = 0 100 100 1 1 | a i |2 | a i |2 (a) a1 a2 a3 0.01 0 2 4 a4 a5 a ad 6 8 s1 = s2 = s3 = 5 0.01 10 0 2 4 Zeit t (d) s1 = s2 = s3 = 0 100 100 1 1 | a i |2 | a i |2 (c) 6 8 10 8 10 Zeit t 0.01 s1 = s2 = s3 = 5 0.01 0 2 4 6 Zeit t 8 10 0 2 4 6 Zeit t A b b i l du n g 4 . 7 . : Zeitentwicklung der Koeffizienten für die Umrundung eines Kreises mit Radius r = 0.1 und einer Umrundungsdauer von T = 10 im Modell (4.1) . Für die Fälle (a) und (b) gilt der Anfangszustand a1 (0) = 1, für die Fälle (c) und (d) befindet sich das System im Anfangszustand a2 (0) = 1. Zusätzlich ist die adiabatische Näherung mit eingetragen. Anliegende Störungen beeinflussen die Genauigkeit der adiabatischen Näherung nicht. Dabei ist zu beachten, dass die adiabatische Näherung für den Endzeitpunkt T = 10 wichtig ist. Stimmt die adiabatische Näherung mit dem Koeffizienten der »zero«-Basis überein, der anfänglich nicht besetzt ist, so handelt es sich um einen adiabatischen Zustandsflip. Die Bedingung (2.34) ist nur dann erfüllt, falls das System im Anfangszustand a1 (0) = 1 vorliegt und bestätigt damit die Theorie, bei der nur ein adiabatisches Verhalten vorkommt, falls derjenige Eigenzustand zum Anfangszeitpunkt besetzt ist, der den betragsmäßig kleinsten Imaginärteil besitzt. 25 V. Exzeptionelle Punkte in Resonanzspektren des Wasserstoffatoms Im Folgenden wird die Theorie der exzeptionellen Punkte anhand des Wasserstoffproblemes diskutiert. Dazu werden gekreuzte Felder angelegt und damit Resonanzen erzeugt, welche einen Zerfall aufzeigen. Untersucht wird hauptsächlich, inwieweit eine Näherung gerechtfertigt ist, in der nur die Resonanzen des exzeptionellen Punktes in der Zeitentwicklung berücksichtigt werden. Bezogen auf ein Matrixmodell stellt sich also die Frage, wie gut ein zweidimensionaler Unterraum das ganze System beschreibt. 1. Das Wasserstoffproblem Die Wechselwirkung zwischen Proton und Elektron im Wasserstoffatom ist durch das CoulombPotential gegeben. Dieses lautet in cgs-Einheiten V (r ) = − e2 . r (5.1) Dabei ist e die Elementarladung und r der radiale Abstand vom Ursprung in sphärischen Koordinaten. Eingesetzt in die stationäre Schrödingergleichung, H |ψi = E |ψi , ergibt dies in der Ortsdarstellung die Gleichung ! h̄2 e2 − ∆− ψ(r, ϑ, ϕ) = E ψ(r, ϑ, ϕ) . 2m r (5.2) (5.3) Lösungen von (5.3) sind Wellenfunktionen, die aus einem Radialteil Rn,` (r ), respektive aus einem Winkelanteil Y`m (ϑ, ϕ) – den sog. Kugelflächenfunktionen – aufgebaut sind. ψ(r, ϑ, ϕ) = Rn,` (r ) Y`m (ϑ, ϕ) (5.4) Aus der Kenntnis der Wellenfunktion (5.4) lassen sich die Energieniveaus des Wasserstoffatoms durch Einsetzen in (5.3) ableiten (siehe Anhang B). En = − e4 m 2h̄2 n2 (5.5) Da für die Hauptquantenzahl n ∈ N+ gilt, ist das Energiespektrum diskret. Durch Aufnahme eines Photons der Energie ∆E = En0 − En = h̄ω (5.6) kommt es im Wasserstoffatom zum Übergang n → n0 . Die Eigenzustände (5.4) sind gebundene Zustände. Das reine Wasserstoffproblem ist damit kein offenes Quantensystem, da das Elektron in jedem Niveau E < 0 lokalisiert ist. 27 2. Hamiltonoperator und Matrixdarstellung 2. Hamiltonoperator und Matrixdarstellung Der Hamiltonoperator des Wasserstoffatoms in gekreuzten statischen Feldern wird nach [3] durch H= p2 1 1 1 − + γ L z + γ2 x 2 + y2 + f x 2 r 2 8 (5.7) mit dem Impuls des Elektrons p, dem Drehimpuls in z-Richtung Lz und den Feldstärken γ und f beschrieben. Es wurden hierbei relativistische Korrekturen vernachlässigt und atomare HartreeEinheiten verwendet. Das elektrische Feld liegt in x-Richtung an und wird durch die Feldstärke f charakterisiert, das Magnetfeld der Stärke γ zeigt in die z-Richtung. Es ist dabei vorteilhaft, semiparabolische Koordinaten der Form [3] µ= 1√ r+z, b ν= 1√ r−z b ϕ = arctan y x r= , q x 2 + y2 + z2 (5.8) einzuführen. Um die Resonanzen dieses Systems numerisch zu bestimmen, bietet sich die Methode der komplexen Rotation an [8]. Im Folgenden wird durch b2 = |b|2 eiϑ (5.9) eine komplexe Rotation beschrieben. Diese überführt den Ortsvektor in die komplexe Ebene r → eiϑ r (5.10) und führt durch Einsetzen in 5.7 auf die Gleichung 1 −2H0 + |b|4 eiϑ γ µ2 + ν2 i∂ ϕ − |b|8 ei4ϑ γ2 µ2 ν2 4 6 i3ϑ −2| b | e i f µ, ν(µ + ν ) cos( ϕ) + 4|b| e + (µ + ν ) · e−i2ϑ ψ 2 2 2 iϑ 2 2 = 2|b|4 E(µ2 + ν2 )ψ (5.11) mit der Abkürzung H0 = − 1 1 ∆ µ + ∆ ν + ( µ2 + ν2 ) 2 2 (5.12) und dem Laplace-Operator ∆α = 1 1 ∂α α ∂α + 2 ∂2ϕ α α α = µ, ν . (5.13) In (5.12) lässt sich die Struktur eines zweidimensionalen harmonischen Oszillators erkennen. Der verbleibende Winkelanteil in (5.13) ist der Azimutalwinkel und wird mit dem Drehimpulsoperator Lz beschrieben, der als Eigenwert die Quantenzahl m enthält. Eine geeignete Basis ist damit gegeben durch nµ , m ⊗ |nν , mi = nν , nµ , m . (5.14) Die Vektoren nµ , m und |nν , mi sind jeweils Eigenzustände der Operatoren N = a1† a1 + a2† a2 (5.15a) L = (q1 p2 − q2 p1 ) = i a1 a2† − a1† a2 28 (5.15b) V. Exzeptionelle Punkte in Resonanzspektren des Wasserstoffatoms 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 γ 0.002335 0.002575 0.002752 0.0030152 0.003045 0.0030460 0.0037915 0.004604 0.004714 0.00483 0.00529 0.00537 0.005388 0.00572 0.00611 0.00615 0.00776 f 0.0001177 0.000117114 0.0001298 0.0001231 0.0001332 0.000127302 0.0001535 0.0002177 0.00021529 0.000213 0.0002011 0.000214 0.0002619 0.000256 0.000256 0.000265 0.000301 Re( E) −0.01767 −0.015067 −0.015714 −0.01209 −0.015812 −0.017624 −0.01240 −0.022135 −0.01394 −0.01255 −0.0150 −0.01884 −0.02360 −0.01984 −0.01593 −0.0158 −0.0179 Im( E) −0.000103 −0.0000823 −0.00022637 −0.000099 −0.0001896 −0.000087 −0.000164 −0.00006878 −0.00010 −0.00030 −0.000136 −0.0000679 −0.00015 −0.000258 −0.00024 −0.000374 −0.000756 Ta b e l l e 5 . 1 . : Parameter γ und f für die exzeptionelle Punkte gefunden werden können [8]. Alle Parameter sind in Hartree-Einheiten angegeben. mit den bekannten Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren des eindimensionalen, dimensionslosen harmonischen Oszillators H = a† a + 1 . 2 (5.16) Die Matrixdarstellung von (5.11) ist eine nichthermitesche Schrödingergleichung der Form A(γ, f )ψ = 2b4 ECψ (5.17) mit einer komplex symmetrischen Matrix A(γ, f ) und einer reell symmetrischen, positiv definiten Matrix C. In der Schrödingergleichung (5.11) gehen die Parameter γ und f ein. Diese können variiert werden, sodass ein Kreis im Parameterraum umrundet werden kann. Dazu wählen wir die Magnetfeldstäkre γ bzw. die elektrische Feldstärke f zu γ( ϕ)= γ0 1 + r cos( ϕ) , (5.18a) f ( ϕ) = f 0 1 + r cos( ϕ) . (5.18b) Nach [8] existieren exzeptionelle Punkte für bestimmte Parameter γ und f . Diese sind in Tabelle 5.1 aufgelistet. 3. Numerische Lösung des Problems Ziel ist es, die Schrödingergleichung (5.17) für verschiedene Parameterpaare γ und f zu lösen, um damit Resonanzzustände zu erhalten. Die Matrizen A respektive C werden dabei nach Gleichung (5.11) aufgebaut. Dazu werden bis zu 17000 verschiedene Zustände nν , nµ , m benutzt, welche die Bedingung nµ + nν > m (5.19) 29 4. Zeitentwicklung der Zustände erfüllen. Das so entstehende Eigenwertproblem wird dann mit Hilfe des Arnoldi-Algorithmus gelöst, dadurch erhält man die Energieeigenwerte und die dazugehörigen Eigenvektoren. Für die Zeitentwicklung des Systems in der »zero«-Basis wird dieser Vorgang nur ein einziges Mal benötigt und zwar zum Zeitpunkt t = 0, denn nur diese Eigenvektoren gehen in die Berechnung ein (s.u. (5.24)). Durch die Wahl dieser Basis wird bei der numerischen Berechnung viel Zeit eingespart, denn man vermeidet die Diagonalisierung einer Matrix mit 17000 Basiszuständen, um deren Eigenwerte bzw. Eigenzustände für jeden Zeitpunkt t zu berechnen. Will man die Ergebnisse der »zero«-Basis jedoch mit einer adiabatischen Näherung vergleichen, so muss die Matrix zu jedem Zeitpunkt diagonalisiert werden, denn in die adiabatische Näherung, αi,ad (t) = αi (0)e−i Rt 0 Ei (t) dt , (5.20) geht explizit der Eigenwert Ei (t) ein. Dies ist der Hauptgrund, dass in dieser Arbeit eine adiabatische Näherung meist nur für kleine Zeiten zu sehen ist. Der Ausdruck klein ist dabei relativ zu betrachten und entspricht einer Zeitgrößenordnung von t ∝ 10−13 s was einer Zeitgröße von t ∝ 104 in HartreeEinheiten entspricht. 4. Zeitentwicklung der Zustände Der Zerfall eines Zustands wird durch die Relation Γ = −2 Im( E) (5.21) beschrieben und ist vom Imaginärteil eines Energieeigenwertes abhängig. Je kleiner der Imaginärteil ist, desto langsamer zerfällt ein Zustand. Im Folgenden werden Resonanzumgebungen betrachtet. Dabei wird unter der Berücksichtigung von n Resonanzen eine Zeitentwicklung verstanden, die neben dem am exzeptionellen Punkt beteiligten Resonanzen, ausgehend vom Punkt (γ0 , f 0 ), die zum Anfangszeitpunkt t = 0 im Energieraum n − 2 nächstgelegenen Resonanzen, miteinbezieht. Die Berechnung der Zeitentwicklung wird wiederum in der »zero«-Basis vollzogen. Um einen Vergleich dieser Basis im Wasserstoffatom mit einer instantanen Eigenbasis angeben zu können, berechnen wir den Übergang der Koeffizienten nach (2.28). Beispielhaft wollen wir n umliegende Resonanzen betrachten und den Koeffizienten a1 (t) aus der »zero«-Basis mit dem Koeffizienten α(t) (vgl. (2.30a)) aus der instantanen Basis vergleichen. Dabei stehen die Koeffizienten durch die Relation n ∑ αi ( t ) = ai (t) hw1 (t) | vi (0)i (5.22) i =1 in Verbindung. Ergeben die Projektionen ∑ hw1 (t) | vi (0)i (5.23) i in der Summe den Wert eins, so können wir für die gesamte Zeitdauer den Koeffizienten der »zero«Basis die gewünschte Bedeutung zumessen, da sie für alle Zeiten t den Unterraum, in dem sich die Eigenzustände bewegen, vollständig enthalten. Für zwei der Energiespektren aus der linken Seite von Abbildung 5.5 wurde (5.23) exemplarisch für 20 Zeitpunkte und einer verschiedenen Anzahl von Resonanzen bestimmt. Das Ergebnis aus Abbildung 5.1 zeigt, dass die Summe der Projektionen nahe um den Wert eins liegen. Es können dabei auch Werte der Projektionen auftreten, die größer als eins sind. Dies ist ein Indiz dafür, dass die Abweichungen aus der komplexen Rotation (5.9) stammen. Da die Zunahme an Resonanzen nur eine marginale Verbesserung zeigt, kann die Abweichung nicht auf 30 V. Exzeptionelle Punkte in Resonanzspektren des Wasserstoffatoms ∑5i=1 | hv1 (t) | vi (0)i |2 1.01 n = 15 n=5 n=3 1 0.99 0 25000 50000 Zeit t 75000 100000 ∑5i=1 | hv1 (t) | vi (0)i |2 1.01 1 0.99 0.98 0.97 n = 15 n=5 n=3 0.96 0.95 0 25000 50000 Zeit t 75000 100000 Abbildung 5.1.: Angabe der Projektionen nach (5.22) für n Resonanzen. Im oberen Fall ist der Radius nach (5.18a) und (5.18b) r = 0.01, wohingegen im unteren Fall der Radius r = 0.05 betrachtet wird. Die Energiespektren beider Fälle sind auf der linken Seite in Abbildung 5.5 zu sehen. Liegen die Punkte auf der schwarzen Linie, so ist zu diesem Zeitpunkt der Koeffizient a1 (t) aus der »zero«-Basis gut zur Beschreibung des gesuchten Unterraums geeignet. Erkennbar ist, dass in beiden Fällen die Projektionen für 5 und 15 umliegende Resonanzen nahezu gleich ist. Die Abweichung zur schwarzen Linie ist daher sehr wahrscheinlich auf einen rein numerischen Effekt zurückzuführen und nicht auf die Basiswahl. die Basiswahl zurückgeführt werden. Vielmehr ist die Endlichkeit des Matrixaufbaus nach (5.14) die Folge der Abweichungen. Für eine unendliche Anzahl an Eigenzuständen und damit einer unendlich großen Matrix könnte das Auftreten einer Abweichung theoretisch bereinigt werden, in der Praxis wird es jedoch zu einer Abweichung kommen, die unter anderem vom Radius abhängt. Ein kleiner Radius (obere Abbildung in 5.1) hat eine Abweichung zufolge, die ohne Bedenken ignoriert werden kann. Durch die Erhöhung des Radius (untere Abbildung in 5.1) entsteht eine Abweichung des Unterraums von bis zu 5%. In der »zero«-Basis ergeben sich die gekoppelten Differentialgleichungen 1. Ordnung: n ȧk + ∑ i a j w k (0) H ( t ) v j (0) = 0 , k = 1...n (5.24) j =1 Dabei beschreibt n die Anzahl der Resonanzen, die in die Berechnung eingehen. Für eine Betrachtung eines reinen exzeptionellen Punktes 2. Ordnung ist n = 2. Das Betragsquadrat der Koeffizienten | a j (t)|2 wird im Folgenden als Wahrscheinlichkeit tituliert. Dabei wird zwischen unnormierter und 31 5. Betrachtung umliegender Resonanzen normierter Wahrscheinlichkeit unterschieden. Die normierte Wahrscheinlichkeit lautet | ãk |2 = | a k |2 n ∑ j =1 | a j | 2 k = 1...n , (5.25) Da die Zustände einen Zerfall der Form 1 a j (t) ∝ e 2 −Γ j t (5.26) aufzeigen, geht die gesamte Population für Zeiten t → ∞ im normierten Fall in den Zustand, der den kleinsten Imaginärteil aufweist. Als Beispiel dient der exzeptionelle Punkt 13 aus Tabelle 5.1, dessen Resonanzspektren für einen Parameterkreis (5.18a) respektive (5.18b) mit γ0 = 0.00539, f 0 = 0.0002619 und r = 0.01 in Abbildung 5.2 zu sehen ist. Exemplarisch ist die Zeitentwicklung für die zwei Zustände des exzeptionellen Punktes in Abbildung 5.3 dargestellt. Für eine Zeit von t = 105 sind die Zustände bereits nahezu zerfallen. Für den Fall mehrerer Resonanzen ist die normierte Zeitentwicklung nicht immer aussagekräftig, denn dort kann der dissipative Effekt dazu führen, dass ein am exzeptionellen Punkt unbeteiligter Zustand kaum zerfällt, der des exzeptionellen Punktes jedoch gravierend schneller. Die normierte Zeitentwicklung würde für diesen Fall einen Populationstausch vorzeigen, der jedoch nicht mit der adiabatischen Näherung 2.27 verträglich ist [4, 13]. 5. Betrachtung umliegender Resonanzen In diesem Abschnitt soll der Einfluss umliegender Resonanzen betrachtet werden. Dazu werden die n energetisch nächsten Energieeigenwerte in der Umgebung der Feldstärkeparameter f 0 und γ0 in die Berechnung der Zeitentwicklung aus Gleichung (5.24) miteinbezogen. Führt die Berechnung der Zeitentwicklung für einen alleinstehenden exzeptionellen Punkt (n = 2) auf dieselben Ergebnisse wie für eine Zeitentwicklung mit n Zuständen, so kann die Kopplung dieser Zustände vernachlässigt werden. Da in der Berechnung Hartree-Einheiten verwendet werden, weisen die Zeitskalen in den Abbildungen große Zahlenwerte auf. So entspricht eine Zeit der Größenordnung von 109 in den Abbildungen gerade einmal der realen Zeit von 10 ns. In Abbildung 5.4 ist die Zeitentwicklung für die Umrundung des exzeptionellen Punktes 13 aus Tabelle 5.1 unter Berücksichtigung von insgesamt vier Resonanzen dargestellt. Das heißt es wurden nicht nur die zwei Zustände propagiert die zum exzeptionellen Punkt gehören, sondern auch noch zwei umliegende Resonanzen. In der normierten Darstellung überschreitet der Koeffizient | a4 |2 ab einer gewissen Zeit die Wahrscheinlichkeit beider Koeffizienten | a1 |2 und | a2 |2 , die zum exzeptionellen Punkt gehören. Dies ist die Folge eines dissipativen Effektes, bei dem der Zustand zum Koeffizienten a4 sichtbar langsamer zerfällt, als die Zustände des exzeptionellen Punktes. Im nicht normierten Fall in Abbildung 5.4 ist dies gut zu erkennen. Dabei ist auffällig, dass der Koeffizient | a3 |2 nahezu konstant bleibt und damit nicht zerfällt. Es muss sich also um einen nahezu gebundenen Zustand handeln. In Abbildung 5.2 sind die Energiespektren für die Zeitentwicklung aus Abbildung 5.4 aufgezeigt. Die Farben der Resonanzen stimmen mit denen der Koeffizienten aus Abbildung 5.4 für die Zeit t = 0 überein. Es wird nun untersucht, inwiefern die alleinige Betrachtung der Koeffizienten des exzeptionellen Punktes gerechtfertigt ist. Dabei wird jeweils die Zeitentwicklung mit den zwei Koeffizienten des exzeptionellen Punktes mit der Zeitentwicklung der nächsten n Resonanzen verglichen. Die nächsten Resonanzen beziehen sich dabei auf den Ursprung ( f 0 , γ0 ) des Kreises im Parameterraum. Im Folgenden sollen die Koeffizienten bi die Zeitentwicklung des Falles beschreiben, in dem nur der exzeptionelle Punkt in die Berechnung eingeht. Durch Bildung der Differenz abs | ai |2 − |bi |2 , i = 1, 2 , (5.27) 32 V. Exzeptionelle Punkte in Resonanzspektren des Wasserstoffatoms a) 0 Im( E) -0.0001 -0.0002 -0.0003 -0.0238 -0.0237 -0.0236 Re( E) -0.0235 -0.0234 b) 0 Im( E) -0.001 -0.002 -0.003 -0.027 -0.026 -0.025 -0.024 -0.023 -0.022 Re( E) A b b i l du n g 5 . 2 . : Energiespektrum für die Parameter γ0 = 0.00539, f 0 = 0.0002619 und einem Radius von r = 0.01. In a) sind die Eigenwerte zu sehen, welche dem exzeptionellen Punkt angehören. In b) sind zudem die 8 nächstliegenden Resonanzen aufgezeigt. Dabei liegen vier Resonanzen vor, deren Imaginärteil nahezu 0 ist. 33 5. Betrachtung umliegender Resonanzen a) 1 0.8 | a i |2 0.001 | a i |2 1 a1 a2 1e-06 a1 a2 0.4 0.2 1e-09 0 b) 1 50000 100000 150000 200000 Zeit t 1e-06 0 0 50000 100000 150000 200000 Zeit t 1 a1 a2 0.8 | a i |2 0.001 | a i |2 0.6 0.6 a1 a2 0.4 0.2 1e-09 0 50000 100000 150000 200000 Zeit t 0 0 50000 100000 150000 200000 Zeit t A b b i l du n g 5 . 3 . : Zeitentwicklung der Koeffizienten, welche den exzeptionellen Punkt im Energiespektrum aus Abbildung 5.2 beschreiben. Links ist jeweils die unnormierte Zeitentwicklung in der »zero«-Basis zu sehen. Rechts ist die normierte Darstellung vorzufinden. Die obere Zeile weist die Anfangsbedingung a1 (0) = 1 auf, die untere Zeile a2 (0) = 1. Ein adiabatischer Zustandsflip wird nur für den Fall der Anfangsbedingung a2 (0) = 1 beobachtet. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit eines adiabatischen Flips jedoch auch für diesen Fall nicht immer gegeben, da die normierte Wahrscheinlichkeit am Ende des Kreises nicht exakt die Bedingung | a1 ( T )|2 = 1 erfüllt, vielmehr liegt die Wahrscheinlichkeit etwas unter diesem Wert. erhalten wir wie in (4.8) eine Abweichung zwischen der approximativen und der vollen Lösung. Zu beachten ist jedoch, dass auch die Betrachtung der umliegenden n Resonanzen im Grunde eine Näherung widerspiegelt, da es im Wasserstoffatom in gekreuzten Feldern unendlich viele Resonanzen gibt. In Abbildung 5.5 ist die Abweichung für eine Resonanzanzahl von n = 3, 5, 10, 15 für verschiedene Radien des 13. exzeptionellen Punktes aus Tabelle 5.1 aufgezeigt. Die Energiespektren zeigen aus Gründen der Übersichtlichkeit jeweils nur die fünf naheliegenden Resonanzen. Eine erste Auffälligkeit ist der ansteigende Maximalwert der Abweichung für eine Erhöhung des Radius. Im Fall eines Radius r = 0.01 sind die Resonanzen im Energieraum sichtbar auseinanderzuhalten. Der Überlapp der Zustände sollte erwartungsgemäß klein ausfallen. So ist der Überlapp mit der nächstgelegenen Resonanz vernachlässigbar klein und erst die Betrachtung von 5 Resonanzen ergibt eine Abweichung der Größenordnung 10−4 . Für den Fall eines Radius von r = 0.05 erreicht die viert-nächstgelegene Resonanz den Bereich der Resonanzen des exzeptionellen Punktes im Energieraum und schneidet deren Bahnkurve sogar. Ein Überlapp der Zustände des exzeptionellen Punktes und dieser Resonanz sollte dem Überlapp zu allen anderen umliegenden Resonanzen überlegen sein. Dieses erwartete Verhalten ist in der Abweichung zu erkennen. Dort ist der Wert der Abweichung einer Lösung mit 3 Resonanzen vernachlässigbar klein, jedoch liegt der Wert einer Fünf-Resonanzlösung einige Größenordnungen darüber und ist keinesfalls mehr vernachlässigbar. Durch das Miteinbeziehen der viert-nächstgelegenen Resonanz hat man den größten Störfaktor beachtet, denn die Betrachtung weiterer umliegender Resonanzen verändert den absoluten Wert der Abweichung nur marginal. Dabei 34 V. Exzeptionelle Punkte in Resonanzspektren des Wasserstoffatoms 1 0.001 1e-06 0.8 | a i |2 | a i |2 1 | a1 |2 | a2 |2 | a3 |2 | a4 |2 1e-09 1e-12 1e-15 0.6 0.4 0.2 0 40000 80000 Zeit t [ a.u.] 120000 0 0 40000 80000 Zeit t [ a.u.] 120000 Abbildung 5.4.: Wahrscheinlichkeit, einen Zustand vorzufinden, aufgetragen in der »zero«-Basis über die Zeit. Links ist die Zeitentwicklung der Koeffizienten des exzeptionellen Punktes und zwei umliegender Resonanzen im Wasserstoffatom für die Parameter γ0 = 0.00539, f 0 = 0.0002619 und einem Radius von r = 0.02 zu sehen. Rechts ist dieselbe Situation in normierter Form dargestellt. liefert ein Radius von r = 0.08 dieselben Aussagen, lediglich der maximal Wert der Abweichung erreicht einen Wert, der ein bis zwei Größenordnungen höher liegt als für einen Radius von r = 0.05. Für den Fall des 13. exzeptionellen Punkt aus Tabelle 5.1 lässt sich, wie wir gerade gesehen haben, am Resonanzspektrum erkennen, dass die zum Anfangszeitpunkt viert weitest entfernte Resonanz den größten Einfluss auf den exzeptionellen Punkt einbringt und für wachsende Radien immer näher an die Energieeigenwerte des exzeptionellen Punktes rückt und diesen für gewisse Werte sogar schneidet. Eine starke Abweichung der Form (5.27) heißt zugleich ein nicht vernachlässigbarer Anteil der Projektionen der Eigenzustände des exzeptionellen Punktes auf die umliegenden Resonanzzustände während des Durchlaufs des Parameterkreises n ∑ w j (t) vi (t + ∆t) i = 1, 2 . (5.28) j =3 Eine verallgemeinerte Aussage über das Verhalten eines beliebigen exzeptionellen Punktes lässt sich nicht treffen, sodass ein jeder eine eigene Untersuchung erfordert, um herauszufinden, welche Resonanzzustände den größten Überlapp mit den Zuständen des exzeptionellen Punktes besitzen. Für die enge Umrundung eines exzeptionellen Punktes – also die Wahl eines kleinen Radius – wird erwartet, dass die Abweichungen (5.27) klein ausfallen, sodass eine zweidimensionale Näherungslösung des exzeptionellen Punktes ein gutes Ergebnis liefert. 6. Adiabatische Näherung Wir wollen nun das in Abschnitt 4 angesprochene adiabatische Verhalten eines nichthermiteschen Systems für das Wasserstoffatom untersuchen. Ein großer Vorteil der Kenntnis, wann ein adiabatisches Verhalten zu erwarten ist, besteht darin, dass die Zeitentwicklung eines nichthermiteschen Systems mit Hilfe eines Eigenwertes beschrieben werden kann. Dazu ist lediglich das Wissen von Nöten, welcher der beiden Eigenwerte des exzeptionellen Punktes, integriert über die Zeit eines Durchlaufes, den größeren Imaginärteil besitzt. In Abbildung 5.3 ist nach der in Abschnitt 4 aufgestellten Theorie ein adiabatisches Verhalten zu erwarten, falls die Anfangsbedingung a2 (0) = 1 vorliegt. Das zugehörige Energiespektrum in Abbildung 5.2 zeigt auf, dass der Eigenwert (grün) zum zugehörigen Koeffizienten a2 (t) einen 35 6. Adiabatische Näherung r = 0.01 100 abs | a1 |2 − |b1 |2 Im E 10−4 0.0 −1.0 −2.0 −3.0 −4.0 −5.0 −0.026 −0.024 Re E 10−4 10−8 10−12 10−16 −0.022 0 50 000 Zeit t [a.u.] 100 000 0 50 000 Zeit t [a.u.] 100 000 0 50 000 Zeit t [a.u.] 100 000 r = 0.05 100 abs | a1 |2 − |b1 |2 Im E 10−4 0.0 −3.0 −6.0 −9.0 −0.026 −0.024 Re E 10−4 10−8 10−12 −0.022 r = 0.08 100 abs | a1 |2 − |b1 |2 Im E 10−4 0.0 −2.0 −4.0 −6.0 −8.0 −0.026 −0.024 Re E Resonanz 1 Resonanz 2 Resonanz 3 Resonanz 4 Resonanz 5 −0.022 10−4 10−8 10−12 n = 10 n = 15 n=3 n=5 A b b i l du n g 5 . 5 . : Rechts: Abweichung des Koeffizienten |b1 |2 nach (5.27) unter Beachtung von n Resonanzen beim Umrunden des 13. exzeptionellen Punktes aus Tabelle 5.1 für verschiedene Radien. Links sind jeweils die Energiespektren des betrachteten Falls dargestellt. 36 V. Exzeptionelle Punkte in Resonanzspektren des Wasserstoffatoms a2 (0) = 1 100 10−3 10−6 10−9 10−12 a1 a2 0 a3 a4 a1,ad 25 000 Zeit t [ a.u] 50 000 a2 (0) = 1 100 10−3 10−6 10−9 10−12 a1 0 a2 a3 25 000 Zeit t [ a.u] a4 a2,ad 50 000 A b b i l du n g 5 . 6 . : Zeitentwicklung des 13. exzeptionellen Punkt aus Tabelle 5.1 für vier Resonanzen mit adiabatischer Näherung. Zu sehen sind die zwei unterschiedlichen Anfangsbesetzungen der Zustände, die den exzeptionellen Punkt beschreiben. Dabei zeigt die Anfangsbedingung a1 (0) = 0 erwartungsgemäß starke Abweichungen zwischen adiabatischer Näherung und exakter Lösung. Für den Fall a2 (0) = 0 stimmt der Verlauf der adiabatische Näherung mit der exakten Lösung überein. Durch nichtverschwindende Projektionen der Form (2.34), die in der adiabatischen Näherung vernachlässigt werden, entsteht jedoch eine Abweichung. betragsmäßig kleineren Energieimaginärteil als der Eigenwert (rot), der dem Koeffizienten a1 (t) zugeteilt wird, besitzt. Allein die Energiespektren liefern damit Auskunft darüber, welche Anfangsbedingungen für einen adiabatischen Flip vorliegen müssen. In den numerischen Ergebnissen aus Abbildung 5.6 lässt sich die Theorie nicht vollständig bestätigen. Dass die adiabatische Näherung für den Anfangswert a2 (0) = 0 am Endzeitpunkt t = T nicht mit einer der exakten Lösungen übereinstimmt, ist jedoch auf den Einfluss umliegender Resonanzen zurückzuführen. Der Einfluss umliegender Resonanzen auf die adiabatische Näherung wird im Folgenden diskutiert. Ein adiabatisches Verhalten fordert einen Populationstausch nach (2.32). Betrachtet man das Energiespektrum in Abbildung 5.7, so befindet sich nahe des exzeptionellen Punktes ein fast gebundener Zustand, dieser zeigt nahezu keinen Zerfall auf und somit muss sich für große Zeiten t → ∞ die Population in diesem Zustand befinden, sofern der Überlapp nach (2.34) nichtverschwindend ist. Ein verschwindender Überlapp bedeutet in diesem Sinne ein orthogonaler Unterraum dieser Resonanz bezüglich der Zustände, die den exzeptionellen Punkt beschreiben. Sind jedoch Übergänge vom exzeptionellen Punkt in diese Resonanz möglich, so findet kein adiabatischer Zustandsflip statt, denn die größte Wahrscheinlichkeit das System zum Zeitpunkt t = T aufzufinden, besitzt der nahezu gebundene Zustand. 37 6. Adiabatische Näherung Damit existieren zwei Prozesse, die vom Zerfall der einzelnen Zustände abhängen können. Zum einen kann ein adiabatischer Zustandsflip nur durch dissipative Effekte auftreten, indem ein Zustand des exzeptionellen Punktes schneller zerfällt als der andere, zum anderen zerfallen die Zustände des exzeptionellen Punktes schneller als eine umliegende Resonanz und es kann durch nichtverschwindende Übergangswahrscheinlichkeiten ein Übergang in diese Resonanz stattfinden. Für eine Zeit von T = 5 · 1010 [ a.u.] ist die adiabatische Näherung in Abbildung 5.6 für die Gesamtanzahl von vier Resonanzen dargestellt. Zu erkennen ist, dass zum Endzeitpunkt der Umrundung der Koeffizient des nahezu gebunden Zustands | a3 (t)|2 eine kleinere Wahrscheinlichkeit aufzeigt, als die zum exzeptionellen Punkt gehörenden Koeffizienten | a1 (t)|2 respektive | a2 (t)|2 . Dennoch zeigt das numerische Ergebnis der adiabatischen Näherung für die Anfangsbedingung a2 (0) = 1 eine Abweichung zur exakten Zeitentwicklung. Nach Abschnitt 4 in Kapitel II würde man jedoch ein komplett adiabatisches Verhalten des Systems erwarten, denn die Wahrscheinlichkeiten der Koeffizienten des exzeptionellen Punktes dominieren. Das Problem dieser Theorie hat den Ursprung in der Missachtung umliegender Störungen. Nach (2.34) sind für nichtverschwindende Projektionen hv3 (t) | vi (t + ∆t)i i = 1, 2 , (5.29) Übergänge vom exzeptionellen Punkt in umliegende Resonanzen möglich. Die adiabatische Näherung nach (2.27) besteht jedoch gerade darin, Überlappe der Form (5.29) zu vernachlässigen, was zur Abweichung der adiabatischen Näherung in Abbildung 5.6 für den Anfangszustand a2 (0) = 1 führt. 38 V. Exzeptionelle Punkte in Resonanzspektren des Wasserstoffatoms 0 λ1 λ2 λ3 λ4 -0.0005 0 -2e-11 -4e-11 -0.024 -0.0238 -0.0236 Im( E) -0.001 -0.0015 -0.002 -0.0025 -0.024 -0.023 Re( E) Abbil du n g 5 . 7 . : Energiespektren für die Umrundung eines Kreises mit dem Ursprung ( f 0 , γ0 ) = (0.00539, 0.0002619) und einem Radius von r = 0.02. Dabei beziehen sich die Energieeigenwerte λ1 und λ2 auf den exzeptionellen Punkt. Durch die Vergrößerung des Eigenwertes λ3 lässt sich feststellen, dass dessen Imaginärteil nahezu Null ist. Ein Imaginärteil von Null bedeutet im physikalischen Sinn, dass der Zustand zu diesem Eigenwert kaum zerfällt und es sich somit um einen nahezu gebundenen Zustand handelt. 39 VI. Vergleich des 5 × 5-Matrixmodells mit dem Wasserstoffproblem Die gewählte 5 × 5-Matrix aus Kapitel IV besitzt, abgesehen vom Auftreten komplexer Eigenwerte und der Existenz von exzeptionellen Punkten, keinerlei Eigenschaften eines bekannten physikalischen Systems. Daher fällt es schwer, eine Interpretation der Störparameter si zu tätigen. Eine Kopplung führt zu nichtverschwindenden Projektionen der Eigenzustände des exzeptionellen Punktes auf umliegende Resonanzen. Gleiches gilt für das Wasserstoffatom in gekreuzten Feldern. Bezieht man umliegende Resonanzen mit ein, so bricht die zweidimensionale Unterraumslösung des exzeptionellen Punktes zusammen. Die Abweichung, sowohl im Beispielmodell als auch im Wasserstoffatom, ist dabei von der Größe des Radius, mit dem der Kreis im Parameterraum durchlaufen wird, abhängig. Im Matrixmodell hängt die Kopplung der Zustände sowohl von Störparametern als auch vom Radius ab. Für das Wasserstoffatom ergibt sich mit dem Radius nur ein Kopplungsparameter. Dabei muss in beiden Fällen der Radius mit Sorgfalt gewählt werden. Einerseits nimmt die Genauigkeit eines zweidimensionalen Lösungsansatzes ab, andererseits kann durch die Vergrößerung des Radius ein exzeptioneller Punkt 3. Ordnung entstehen. Dabei handelt es sich um die Umkreisung zweier exzeptioneller Punkte 2. Ordnung und es entsteht eine Dreifachvertauschung der Eigenwerte. Für das 5 × 5-Matrixmodell wurde dieser Fall behandelt, für das Wasserstoffproblem hingegen wird in dieser Arbeit nur darauf verwiesen, das dieser Effekt bekannt ist [8] und in einer parallel angefertigten Bachelorarbeit untersucht wird [14]. Tritt eine Dreifachvertauschung der Eigenwerte auf, so ist ein Lösungsansatz, der lediglich zwei Zustände in die Rechnung einbezieht, hinfällig. Die Anzahl der Zustände in der Näherungslösung muss immer gleich der Anzahl der Eigenwerte sein, die einen exzeptionellen Punkt beschreiben. In allen Fällen ist ein adiabatisches Verhalten nur für einen bestimmten Anfangswert erkennbar. Im Matrixmodell kann es dabei zu einem positiven Imaginärteil des Eigenwertes kommen, dennoch kann die Erklärung des adiabatischen Verhaltens beim Wasserstoffatom übernommen werden, denn es zählt nur der relative Unterschied zwischen Im( E1 ) und Im( E2 ). Durch das Auftreten positiver Imaginärteile erfährt ein Zustand eine Zunahme der Wahrscheinlichkeit. In Abbildung 4.1 tritt sogar der Extremfall auf, dass ein Eigenwert einen Zerfall und ein Eigenzustand ein Wahrscheinlichkeitsgewinn aufzeigt. Für diesen Fall wird sich der Anfangswert a1 (0) = 1 adiabatisch verhalten, da der zugehörige Energieeigenwert den größeren Imaginärteil aufbringt. Selbst ein starker Überlapp hv1 (t) | v2 (t + ∆t)i würde dieses Verhalten nicht ändern, denn der dissipative Effekt des Zustands |v2 (t)i würde überwiegen. Der Vorteil dieses nichtphysikalischen Matrixmodells, besteht darin, einen Effekt zu erzeugen, der in der Praxis nicht kontrolliert werden kann und damit die Theorie des adiabatischen Verhaltens verifiziert. Ein adiabatisches Verhalten ist zudem unabhängig von den umliegenden Störungen. Sowohl eine Erhöhung der Kopplungsparameter si im Matrixmodell als auch eine Betrachtung mehrerer Resonanzen in der Zeitentwicklung des Wasserstoffatoms, hatte keinen gravierenden Einfluss auf das adiabatische Verhalten, sodass für eine reine Überprüfung der Adiabatizität eines Systems ohne Bedenken ein Lösungsansatz herangezogen werden kann, welcher nur die Zustände des exzeptionellen Punktes beinhaltet. 41 VII. Zusammenfassung Das Hauptanliegen dieser Arbeit war, die Adiabatizität eines physikalischen Systems – des Wasserstoffatoms in gekreuzten elektrischen und magnetischen Feldern – bei der Umrundung exzeptioneller Punkte im Parameterraum zu untersuchen. Dazu wurde die Schrödingergleichung (5.17) in der «zero-Basis» (5.24) numerisch gelöst und mit der adiabatischen Näherung aus (5.20) verglichen. Durch die Betrachtung umliegender Resonanzen in der Zeitentwicklung (5.24) wurde neben der adiabatischen Näherung auch eine zweidimensionale Näherungslösung, die nur den exzeptionellen Punkt beinhaltet, auf ihre Genauigkeit überprüft. Für die Zeitentwicklung wurde die Abweichung nach (5.27) für den 13. exzeptionellen Punkt aus Tabelle 5.1 untersucht. Um einen Vergleich des Wasserstoffatoms in gekreuzten Feldern mit anderen nichthermiteschen Systemen aufzustellen, wurden Beispielmodelle betrachtet, die keinen physikalischen Ursprung besitzen. Damit lassen sich die Hauptaussagen und Theorien des physikalischen Problems bestätigen. Die Matrixmodelle dienten hierbei hauptsächlich zur Einführung in die Theorie der exzeptionellen Punkte und der nichthermiteschen Zeitentwicklung in der »zero«-Basis. Das Ergebnis dieser Arbeit liegt in der Vorhersage, wann sich ein System adiabatisch verhält. Detaillierter gesprochen, kann aus dem Energiespektrum in ausreichend übersichtlichen Situationen die Anfangsbedingung herausgelesen werden, für die ein adiabatischer Zustandsflip nach (2.32) stattfindet. Dazu muss das System in dem Anfangszustand präpariert sein, der integriert über den Kreisdurchlauf, den größten Energieimaginärteil und einen nichtverschwindenden Überlapp mit umliegenden Resonanzen nach (2.34), aufweist. Ein adiabatisches Verhalten zeigt sich dabei beeinflusst von umliegenden Resonanzen, die als Störungen angesehen werden können, sodass die Theorie eines adiabatischen Zustandflips nur dann vollständige Übereinstimmung mit den numerischen Ergebnissen liefert, sofern man sich auf die reine Betrachtung eines exzeptionellen Punktes – also die Vernachlässigung aller umliegender Resonanzen – beschränkt. Für große Zeiten T kann die Anzahl umliegender Resonanzen die Zeitentwicklung der einzelnen Koeffizienten beeinflussen. Dabei zeigt die Zeitentwicklung für kleine Radien eine Übereinstimmung der approximativen Lösung, die aus den zwei Koeffizienten des exzeptionellen Punktes aufgebaut ist, mit der Lösung, welche Koeffizienten aus umliegenden Resonanzen in die Zeitentwicklung miteinbezieht. Durch eine Erhöhung des Radius steigt jedoch die Abweichung und eine zweidimensionale Lösung lässt sich nicht mehr rechtfertigen, sodass die Zerfallsrate umliegender Resonanzen dazu führen kann, dass sich ein System, was anfänglich in einem Zustand des exzeptionellen Punktes präpariert war, nach der Umrundung eines Kreises im Parameterraum in einem Resonanzzustand befindet, der nicht mit dem exzeptionellen Punkt verknüpft ist. Der Endzustand ist neben der anfänglichen Präparation des Systems stark davon abhängig, wie groß man die Umrundungszeit wählt. Dabei ist es essentiell, zu erwähnen, dass für Zeiten T = 10 ps bereits die Dissipativität der umliegenden Resonanzen überwiegt (Abbildung 5.3) und somit ein adiabatischer Zustandsflip im Wasserstoffatom in statischen elektrischen und magnetischen Feldern nicht experimentell auftreten wird. In näherer Zukunft liefert das Gebiet der exzeptionellen Punkte in Quantensystemen viele neue Untersuchungsmöglichkeiten. Im Wasserstoffatom in gekreuzten Feldern ist das genaue Verhalten unübersichtlicher Energiespektren noch nicht verstanden. Dafür wären weitere Rechnungen, die aber über den Umfang einer Bachelorarbeit hinausgehen, nötig. Interessant wäre es zudem, die Umrun- 43 dungszeit dahingehend zu untersuchen, inwiefern eine große Umrundungszeit die Adiabatizität durch dissipative Effekte umliegender Resonanzen beeinflusst. Dazu müssten bessere numerische Methoden zur adiabatischen Zeitentwicklung hervorgebracht werden. Experimentell sind die adiabatischen Effekte des Wasserstoffatoms in gekreuzten Feldern durch die kleinen Feldstärken nicht zugänglich. Für Exzitonen in Halbleitern kann ein Hamiltonoperator niedergeschrieben werden, der die gleiche Form wie das Wasserstoffatom aufweist. Da es Halbleiter mit großer Permitivität, zum Beispiel Kupfer(I)oxid Cu2 O gibt, treten exzeptionelle Punkte für Energien auf, die einen experimentellen Zugang bieten könnten [15]. 44 A. Hartree-Einheiten Die Hartree-Einheiten werden durch vier grundlegende Naturkonstanten beschrieben: • Die Masse des Elektrons: me . • Die Ladung eines Elektrons: e. • Der Planck-Konstante: h̄ = h 2π . • Die Längenskala des Bohr’schen Radius: a0 = Physikalische Größe Drehimpuls Elektrisches Feld Energie Impuls Ladung Länge Magnetische Flussdichte Masse Zeit 4πε 0 h̄2 . m e e2 Hartree-Einheiten h̄ = h/(2π ) Eh /(ea0 ) Eh = α 2 m e c 2 p = h̄/a0 e a0 = 4πε 0 h̄2 /(me e2 ) h̄/(ea20 ) me t = h̄/Eh Wert in SI-Einheiten 1.054 571 628(53) · 10−34 J s 5.142 206 32(13) · 1011 V m−1 4.359 743 98(22) · 10−18 J 1.992 851 565(99) · 10−24 kg m s−1 1.601 764 87(40) · 10−19 C 0.529 177 208 59(36) · 10−10 m 2.350 517 382(59) · 105 T 9.109 382 15(45) · 10−31 kg 2.418 884 326 505(16) · 10−17 s Ta b elle A.1.: Überblick Hartree-Einheiten und ihr Komplementär in SI-Einheiten 45 B. Lösung des ungestörten Wasserstoffatoms Das Wasserstoffatom ist in der Quantenmechanik wie das Keplerproblem in der klassischen Mechanik anzusehen. Bei dieser Betrachtung wird die relativistische Korrektur missachtet, zudem wird auch der Spin der einzelnen Teilchen ignoriert. Dies dient lediglich zur Vereinfachung des Problems. Dabei lautet die stationäre Schrödingergleichung in cgs Einheiten p2 e2 − |ψi = E |ψi 2m r (B.1) mit dem Impuls p, der Ladung e und der Masse m des Elektrons. Aus der klassischen Mechanik ist bekannt, dass für ein Zentralpotential ein effektives Potential eingeführt werden kann, welches den Drehimpuls enthält. Um dies auch im Wasserstoffatom zu erreichen, betrachten wir den Drehimpulsoperator [16] L2 = 3 ∑ L2i = ε ijk x j pk ε irs xr ps (B.2) i =1 = x j pk x j pk − x j pk xk p j 2 2 2 = x p − ( x · p) + ih̄x · p . (B.3) (B.4) Umgeformt nach dem Impuls ergibt sich p2 = i 1 2 r 2 h 2 2 2 L − r ∂ + r ∂ r r r2 h̄2 (B.5) wobei die Relation x·p = h̄ r∂r , i (B.6) verwendet wurde. Eingesetzt in die stationäre Schrödingergleichung (B.1), ergibt sich in Ortsdarstellung eine Gleichung, die ihren gesamten Winkelanteil im Drehimpulsoperator L2 bündelt. " # 2 2 h̄2 2 L e − ∂2r + ∂r + − ψ(r, ϑ, ϕ) = Eψ(r, ϑ, ϕ) (B.7) 2m r 2mr2 r Da die Eigenfunktionen des Drehimpulsoperators bekannt sind, kann ein Separationsansatz der Form ψ(r, ϑ, ϕ) = R(r )Y`m (ϑ, ϕ) (B.8) angewandt werden. Dabei sind die Kugelflächenfunktionen durch die zugeordneten Legendrepolynome P`m (z) und einigen Normierungsfaktoren über die Relation s 1 2` + 1 (` − m)! Y`m (ϑ, ϕ) = √ P`,m (cos ϑ ) eimϕ (B.9) 2 (` + m ) ! 2π 47 festgelegt. Durch Einsetzen von (B.8) in (B.7) und der Relation R(r ) = u(r )/r, ergibt sich eine Bestimmungsgleichung für den Radialteil. " # h̄2 2 h̄2 `(` + 1) e2 − u(r ) = Eu(r ) (B.10) − ∂r + 2m 2mr2 r Durch Einführung dimensionsloser Größen der Form s V $0 =− , | E| $ mit $0 = 2m e2 , | E| h̄ ergibt sich eine Differentialgleichung 2. Ordnung für $ `(` + 1) $0 2 + ∂$ − u($) = 0 . $2 $ (B.11) (B.12) Um diese nichtlineare Differentialgleichung zu lösen, benutzen wir den Ansatz u($) = $`+1 e−$ w($) (B.13) $∂2$ w + 2(` + 1 − $)∂$ w + ($0 − 2(` + 1))w = 0 . (B.14) und erhalten durch Einsetzen in (B.12) Dabei setzen wir für die Funktion w($) einen Potenzreihenansatz in (B.14) ein. Dieser lautet ∞ w($) = ∑ ak $k (B.15) k =0 und führt durch Einsetzen in (B.14) auf die Relation ∞ ∑ h i ak k(k − 1)$k−1 + 2(` + 1)k$k−1 − 2k$k + [$0 − 2(` + 1)]$k = 0 . (B.16) k =0 Dabei müssen die Koeffizient für jede der Potenz von $ Null ergeben. Aus dieser Forderung lässt sich eine Rekursionsgleichung aufstellen 0 = [k (k + 1) + 2(` + 1)(k + 1)] ak+1 + [$0 − 2(` + 1) − 2k ] ak 0 a k +1 = 2( k + ` + 1) − $0 a (k + 1)(k + 2` + 2) k (B.17) Für k → ∞ ergibt sich ein Quotient ak+1 /ak 2 a k +1 ⇒ ak k (B.18) und verhält sich somit wie eine Exponentialreihe e2$ . Denn für diese gilt e2$ = ∞ ∑ k =0 ∞ (2$)k = ∑ bk $ k k! k =0 (B.19) und somit für zwei aufeinanderfolgenden Koeffizienten der Potenzreihe 2k +1 k! 2 = . k k+1 2 ( k + 1) ! 48 (B.20) B. Lösung des ungestörten Wasserstoffatoms Für große k ergeben die Quotienten der Koeffizienten aus (B.18) und (B.20) die gleichen Werte, was auf eine Abhängigkeit der Funktion w($) ∝ e2$ führt und damit u(r ) ∝ er . Die Radialwellenfunktion divergiert somit für r → ∞. Es muss für die Rekursionsbedingung aus (B.17) eine Abbruchbedingung geben, sodass a N +1 = a N +2 = · · · = 0 gilt. Setzen wir diese Forderung in (B.17) ein, erhalten wir eine Relation für die Variable $0 $0 = 2( N + ` + 1) ⇒ E=− 2me4 $20 h̄2 =− me4 2h̄2 ( N + ` + 1)2 . (B.21) Durch Einführen einer Hauptquantenzahl n = N + ` + 1 ergeben sich die Bindungsenergien im Wasserstoffatom E=− me4 2h̄2 n2 . (B.22) Durch Verwendung der Relation n = N + ` + 1 in der Differentialgleichung aus (B.14) lassen sich die Radialwellenfunktionen ableiten. Diese beinhalten die zugeordneten Laguerre-Polynome Lba und lauten 1/2 ` 4( n − ` − 1) ! 2r 2r −r/(na) 2`+1 R n ` (r ) = − e Ln+` . (B.23) 3 4 3 na na 4n a0 [(n + `)!] Dabei ist a0 = h̄2 /(me2 ) der Bohr-Radius. 49 C. Beispiele einiger exzeptioneller Punkte Nach Kapitel V wurde die Schrödingergleichung (5.17) numerisch gelöst. Dabei wurde zur Sichtung von exzeptionellen Punkten die Matrix mit Eigenzuständen multipliziert, die eine maximale Oszillatorquantenzahl nµ + nν = 30 aufweisen. Der Koeffizient |b|2 aus (5.17) enthält dabei den Wert 2. Es werden dann die Parameter γ und f gesucht, für die ein exzeptioneller Punkt auftritt. Ist dieser gefunden, wird ein Kreis der Form (5.18a) respektive (5.18b) mit Radius r durchlaufen. Einige Werte für exzeptionelle Punkte sind in Tabelle C.1 zu finden. Die Abbildungen C.1 und C.2 zeigen die Energiespektren für diese gewählten Parameter. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 γ0 f0 ReE ImE Radius r 0.00256 0.00272 0.00310 0.00314 0.00289 0.00376 0.00460 0.00434 0.00487 0.00529 0.00537 0.00539 0.00572 0.00611 0.00615 0.00776 0.000119 0.000117 0.000122 0.000131 0.000131 0.000152 0.000217 0.000225 0.000223 0.000201 0.000214 0.000262 0.000256 0.000256 0.000265 0.000301 −0.0176 −0.0150 −0.0121 −0.0157 −0.0156 −0.0124 −0.0221 −0.0245 −0.0121 −0.0148 −0.0188 −0.0236 −0.0198 −0.0159 −0.0158 −0.0179 −0.000135 −0.000100 −0.000100 −0.000151 −0.000251 −0.000152 −0.000068 −0.000089 −0.000700 −0.000134 −0.000067 −0.000150 −0.000257 −0.000242 −0.000374 −0.000756 0.01 0.01 0.01 0.01 0.01 0.01 0.01 0.01 0.01 0.02 0.01 0.01 0.02 0.01 0.01 0.01 Tabelle C.1.: Übersicht der verwendeten Parameter für die Abbildungen C.1 und C.2. Dabei sind alle Werte in HartreeEinheiten angegeben. Die jeweilige Nummerierung gibt dabei an, um welchen exzeptionellen Punkt es sich in Abbildung C.1 bzw. C.2 handelt. 51 EP 1 EP 2 0 Im E Im E 0 −0.0001 −0.0002 −0.018 −0.0176 Re E −0.0172 −0.0001 −0.0002 −0.0152 EP 3 EP 4 −0.0001 Im E Im E 0 −0.0001 −0.0002 −0.0003 −0.016 −0.012 Re E EP 5 EP 6 −0.0001 0 −0.0002 −0.0001 −0.0003 −0.0156 Re E −0.0152 −0.0002 −0.0003 −0.0128 EP 7 −0.0124 Re E −0.012 EP 8 0 0 Im E Im E −0.0156 Re E Im E Im E −0.0002 −0.0124 −0.0004 −0.016 −0.0148 Re E −0.0001 −0.0002 −0.0224 −0.022 Re E −0.0001 −0.0002 −0.0224 −0.022 Re E A b b i l du n g C . 1 . : Energiespektren für die Umrundung einiger exzeptioneller Punkte für das Wasserstoffatom in gekreuzten Feldern. Die jeweilige Stärke der Felder und der Radius des Kreises im Parameterraum sind Tabelle C.1 zu entnehmen. 52 C. Beispiele einiger exzeptioneller Punkte EP 10 0 Im E Im E EP 9 −0.0003 −0.0004 −0.0005 −0.0006 −0.0007 −0.0008 −0.0124 −0.012 Re E −0.0116 −0.0001 −0.0002 −0.0003 −0.0156−0.0152−0.0148−0.0144 Re E EP 11 EP 12 0 Im E Im E 0 −0.0001 −0.0002 −0.0192 −0.0188 Re E −0.0184 −0.0001 −0.0002 −0.0003 −0.024 EP 13 −0.0001 Im E Im E −0.0002 −0.0003 −0.0004 −0.02 Re E −0.0196 −0.0002 −0.0003 −0.0004 −0.0164 EP 15 −0.0156 0 −0.0003 Im E Im E −0.016 Re E EP 16 −0.0002 −0.0004 −0.0005 −0.016 −0.0232 EP 14 −0.0001 −0.0005 −0.0204 −0.0236 Re E −0.0156 Re E −0.0152 −0.0001 −0.0184 −0.018 Re E −0.0176 A b b i l du n g C . 2 . : Energiespektren für die Umrundung einiger exzeptioneller Punkte für das Wasserstoffatom in gekreuzten Feldern. Die jeweilige Stärke der Felder und der Radius des Kreises im Parameterraum sind Tabelle C.1 zu entnehmen. 53 Erklärung Ich erkläre, • dass ich diese Bachelorarbeit selbständig verfasst habe, • dass ich keine anderen als die angegebenen Quellen benutzt und alle wörtlich oder sinngemäß aus anderen Werken übernommenen Aussagen als solche gekennzeichnet habe, • dass die eingereichte Arbeit weder vollständig noch in wesentlichen Teilen Gegenstand eines anderen Prüfungsverfahrens gewesen ist, • dass ich die Arbeit weder vollständig noch in Teilen bereits veröffentlicht habe, es sei denn, der Prüfungsausschuss hat die Veröffentlichung vorher genehmigt • und dass der Inhalt des elektronischen Exemplars mit dem des Druckexemplars übereinstimmt. Stuttgart, 13.08.2014 Marcel Klett 55 Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die diese Bachelorarbeit ermöglicht haben. Zuerst möchte ich mich bei Apl. Prof. Dr. Jörg Main bedanken, der den Prüfungsvorsitz dieser Arbeit übernommen hat. Darüber hinaus gilt mein Dank Prof. Dr. rer. nat. Günter Wunner, der es mir ermöglicht hat, meine Bachelorarbeit am 1. Institut für Theoretische Physik zu schreiben. Besonders danken möchte ich Dr. Holger Cartarius, der jederzeit ein offenes Ohr für Fragen hatte und mein Thema betreut hat. Ein Dank geht auch an meinen Bürokollegen Jan Schnabel, mit dem es die reine Freude war, ein Büro zu teilen. Zudem ist er der allerbesteste Bürokollege. Außerdem geht hier ein Dank an Henri Menke, der mir stets behilflich war, sofern Fragen zur Numerik aufkamen. Zuletzt danke ich allen Mitarbeitern des 1. Instituts für Theoretische Physik für eine tolle Arbeitsatmosphäre und unzählige unterhaltsame Gespräche in der Kaffeerunde. 57 Abbildungsverzeichnis 2.1 2.2 2.3 2.4 3.1 3.2 3.3 3.4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 Energieschema im feldfreien Wasserstoffatom und im Wasserstoffatom im elektrischen Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhalten der Energieeigenwerte im 2 × 2-Matrixmodell bei der Umrundung eines exzeptionellen Punktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Illustration einer Zeitentwicklung von zwei Zuständen, die zu einem exzeptionellen Punkt gehören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Illustration für ein nichtadiabatisches Verhalten eines Systems . . . . . . . . . . . . . . 8 11 Zeitentwicklung nach (3.8) der Wahrscheinlichkeit des Systems (3.4) für eine Umrundungszeit von T = 20 und r = 0.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitentwicklung mit adiabatische Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitentwicklung für konstanten Radius und variabler Umrundungszeit . . . . . . . . Zeitentwicklung für konstante Umrundungsdauer und variablen Radius . . . . . . . 14 15 15 16 Eigenwerte des 5 × 5-Modells (4.1) für einen Kreis im Parameterraum für einen ungestörten und einen gestörten Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normierte Zeitentwicklung mit Unterraumnäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichung der Näherungslösung von der gesamten Lösung nach (4.8) für Störungen, die nur eine Kopplung betrifft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umrundung eines Kreises mit großen Radius und anliegender Störung der Form s1 = 1, s2 = s3 = 0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energiespektren für die Umrundung eines Kreises mit Radius r = 0.1 im Modell (4.1), wobei starke Kopplungen s1 = s2 = s3 = 5 verwendet werden. . . . . . . . . . . . . . Zeitentwicklung des Systems für eine Dreifachvertauschung und eine anliegende Störung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitentwicklung mit adiabatischer Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich der Koeffizienten aus »zero«- und instantaner Basis . . . . . . . . . . . . . . Energiespektrum für die Parameter γ0 = 0.00539, f 0 = 0.0002619 und einen Radius von r = 0.01 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normierte und unnormierte Zeitentwicklung der Resonanzen eines exzeptionellen Punktes im Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitentwicklung für vier Resonanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichung der Näherungslösung für verschiedene Resonanzen . . . . . . . . . . . . Adiabatische Näherung für die Betrachtung vier umliegender Resonanzen . . . . . . Energiespektren der vier energetisch naheliegenden Resonanzen für die Parameter ( f 0 , γ0 ) = (0.00539, 0.0002619) und einem Radius von r = 0.02. . . . . . . . . . . . . . C.1 Energiespektren einiger exzeptioneller Punkte I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C.2 Energiespektren einiger exzeptioneller Punkte II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 7 18 19 20 21 22 23 25 31 33 34 35 36 37 39 52 53 59 Tabellenverzeichnis Übersicht der Parameter γ und f , für die ein exzeptioneller Punkt gefunden werden kann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 A.1 Überblick Hartree-Einheiten und ihr Komplementär in SI-Einheiten . . . . . . . . . . 45 C.1 Übersicht einiger exzeptioneller Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5.1 60 Literatur [1] N. Moiseyev. Non-Hermitian Quantum Mechanics. Cambridge: Cambridge University Press, 2011. [2] R. Lefebvre u. a. „Resonance Coalescence in Molecular Photodissociation“. Phys. Rev. Lett. 103 (2009), S. 123003. [3] H. Cartarius, J. Main und G. Wunner. „Exceptional points in the spectra of atoms in external fields“. Phys. Rev. A 79.5 (2009), S. 053408. [4] R. Uzdin, A. Mailybaev und N. 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