1 Fotos: Colt International Baudetail 04 I 10 Sie ist eine echte Visitenkarte, die leuchtend weiße Lamellenfassade des Wissenschaftszentrums in Straubing. Von drei Seiten umschließt die strahlende Hülle aus Glasfaserlamellen den Gebäudekomplex, der im vergangenen Jahr feierlich eingeweiht wurde. Colt International GmbH, Kleve Lamellenfassade umhüllt Wissenschaftszentrum Der Landkreis Straubing-Bogen ist eine von 25 „Bioenergie-Regionen“ in Deutschland. Herzstück ist das Wissenschaftszentrum Straubing. Fünf bayrische Universitäten bündeln in dem modernen Komplex Forschung, Lehre und Wissenstransfer im Bereich der Nutzung und Verwertung nachwachsender Rohstoffe. Colt International hüllte den Solitär in eine Sonnenschutzfassade aus leuchtend weißen Glasfaserlamellen. Schön – und gut für die Energiebilanz des Gebäudes. Im Wissenschaftszentrum Straubing befinden sich auf 2.800 Quadratmetern, verteilt auf vier Stockwerke, fortschrittliche Labors, moderne Büroräume und eine multifunktionale Technikumhalle – beste Arbeitsbedingungen für die Natur-, Ingenieur-, Ökosystem- und Wirtschaftswissenschaftler, die hier eng zusammen arbeiten. Mit dem Architekturbüro Nickl & Partner fand der Bauherr, das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, den geeigneten Partner, gehört doch zur Philosophie der Münchner Architekten das besondere Augenmerk auf die „Angemessenheit der Mittel in Bezug zur Aufgabe“ eines Gebäudes. In Straubing www.deutsches-ingenieurblatt.de war die Verwendung nachwachsender Rohstoffe als Baumaterial im Außen- und Innenbereich ein wichtiges Anliegen. Nickl & Partner setzte deshalb Holz für die Tragkonstruktion und die Bodenbeläge, im Innenausbau und bei der Wärmedämmung ein. Für Wärme im Gebäude sorgt eine Biomassefeuerungsanlage. Die Sonnenschutzfassade aus dem Hause Colt International fügt sich bestens in dieses Gebäudekonzept ein. Die Sonnenschutzanlage besteht aus insgesamt 1.488 Membranlamellen vom Typ Colt Shadotex. Sie sind zwischen 1,75 und 1,60 Meter breit und rund 60 bzw. 75 Zentimeter hoch. Angeordnet in 18 Reihen übereinander legen sie Artikel aus: Deutsches IngenieurBlatt Heft 4 · April 2010 · Seiten 60-61 © 2010 Fachverlag Schiele & Schön GmbH Nr. 6210 sich um das gesamte Gebäude. Der gegen Westen gelegene gläserne Eingangsbereich blieb offen. Insgesamt wurden 1.612 Quadratmeter Fassadenflächen mit Lamellen bestückt. Die Haltekonstruktion, an der die Lamellen befestigt sind, wurde nach der Struktur der Primärfassade ausgerichtet. So entstand ein harmonisches Raster, das den Rhythmus der Gebäudefassade weder von innen nach außen, noch von außen nach innen betrachtet stört oder unterbricht. Ein findiger Wechsel fest stehender und beweglicher Lamellen unterstützt dieses angenehme Gleichmaß: Auf der Südwestseite neben dem Haupteingang und dem dahinter befindlichen Bereich sind alle Lamellen starr fixiert. Etwa zwei Drittel dieser festen Lamellen sind in einem Winkel von 30 Grad zur Horizontalen geöffnet, die anderen sind geschlossen. An allen anderen Gebäudeseiten sind die Lamellen vor den Fensterbändern (etwa zwei Drittel) beweglich. Im Brüstungsbereich unter den Fenstern befinden sich nur fest stehende geschlossene Lamellenelemente. Zwischen der Lamellenhülle und der eigentlichen Gebäudefassade verläuft vor jedem Stockwerk ein etwa 40 Zentimeter breiter 2 Deutsches IngenieurBlatt Baudetail Nach dem Willen der bayrischen Staatsregierung etabliert sich der Landkreis Straubing-Bogen als „Bioenergie-Region“. In diesem Kontext wird aus einem Gebäude ein politisches Statement – und aus einer Sonnenschutzfassade ein exklusiver Baustein einer Imagekampagne. Gitterrostgang für die Reinigung und Wartung von Lamellenanlage und Fassade. Die Lamellen selbst bestehen aus textilen Membranen aus Glasfasergewebe, die stramm auf Aluminiumrahmen aufgespannt sind. Je nach Position und energetischem Bedarf – bezogen auf den Sonnenstand – wurden die Lamellen einzeln oder doppelt bespannt. Colt International führte für das Projekt spezielle Testreihen in einer eigens aufgebauten Musteranlage durch, um in punkto Belastbarkeit der Lamellen auf Nummer Sicher zu gehen. Biaxiale Spannungstest der Lamellengewebe in den Richtungen von „Schuss“ und „Kette“ sicherten schließlich, dass sich die leichtgewichtigen Lamellen auch bei widrigen Wetterverhältnissen nicht verziehen oder wegen Materialermüdung Falten werfen. Am Ende des Produktionsprozesses wurden die textilen Bespannungen der Lamellen achtfach mit Teflon (PTFE) überzogen. Bei Sonneneinstrahlung sorgt diese Beschichtung für eine hohe und gleichmäßig diffuse Streuung des Lichts ins Gebäudeinnere. Das Gewebe wird außerdem wasserundurchlässig und extrem schmutzabweisend. Das A und O jeder Sonnenschutzfassade ist der energetische Abminderungsfaktor. Mit diesem so genannten FC-Wert bezeichnet man den Quotienten der solaren Strahlung, die auf das Schutzsystem auftrifft, und derjenigen Strahlung, die durch den Sonnenschutz hindurch ins Gebäudeinnere gelangt. Der FC-Wert hängt von vielen Einflussfaktoren ab, z. B. der geografische Lage des Gebäudes, der Jahreszeit, der Ausrichtung der Fassaden, der geometrischen Anordnung des Sonnenschutzes sowie von den strahlungstechnischen Kerngrößen der verwendeten Materialien. Strenggenommen variiert dieser Wert sogar mit der Tageszeit, so dass bauphysikalisch üblicherweise repräsentative sommerliche Mittelwerte errechnet und diese auf die sichere Seite hin gerundet werden. In Straubing sollte ein FC-Wert von 0.25 erreicht werden – im Klartext: Die Lamellenanlage sollte dafür sorgen, dass von der tatsächlich auf das Gebäude auftreffenden solaren Strahlung nur mehr ein Viertel ins Gebäudeinnere gelangt. Die Ingenieure von Colt International legten ihren Der FC-Wert der doppelt bespannten Lamellen liegt im Wissenschaftszentrum bei 0.17 bei den beweglichen und bei 0.16 bei den fest stehenden Lamellen, d. h., dass nur noch 16 bis 17 Prozent der Solarstrahlung in das Gebäudeinnere gelangen. Berechnungen kalorische Messungen des IFT Rosenheim zu Grunde und korrigierten diese Daten dann aufgrund der spezifischen Verhältnisse vor Ort. So wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass die Sonnenstrahlen nicht immer senkrecht auf die Lamellen treffen, und dass die Himmelsstrahlung in der Realität nicht immer gleichmäßig verteilt ist. Eine extreme Optimierung des FCWertes weit unter den geforderten Wert konnte erreicht werden, weil dank der Nachführung der beweglichen Lamellen ein mehrfacher Strahlungsdurchgang erfolgt, d. h., die solare Strahlung passiert nicht nur eine, sondern zwei oder mehrere Lamellen, bevor sie auf die Primärfassade trifft. Der FC-Wert bei den doppelt bespannten Lamellen liegt somit im Wissenschaftszentrum sicher bei 0.17 bei den beweglichen und bei 0.16 bei den fest stehenden Lamellen. Konkret heißt dies, dass nur noch 16 bis 17 Prozent der Solarstrahlung eindringen. Das entspricht einer Verbesserung der FC-Werte von rund 40 Prozent – und stellt einen beachtlichen Beitrag zur Energieeffizienz des gesamten Gebäudes dar. Bei der Steuerung der Sonnenschutzanlage legten die Auftraggeber größten Wert auf Flexibilität. Deshalb justierte Colt International die Steuerung der Anlage so, dass mit einem Motor immer nur ein Feld mit vier oder maximal acht Lamellen angesteuert wird – je nach Raumaufteilung im Gebäudeinnern, obwohl es rein technisch auch möglich gewesen wäre, ein ganzes Lamellenband synchron mit einem Motor zu betreiben. Die Motoren für den Antrieb der Lamellen wurden in die Pfosten der Haltekonstruktion integriert. Jeder Motor lässt sich einzeln über Handtaster oder aber zentral über die Gebäudeleittechnik (EIB-Bus) ansteuern. Ab Windstärke acht (Windgeschwindigkeit ab ca. 62 Stundenkilometer) müssen die Lamellen geschlossen werden. Kontakt: Colt International GmbH Ansprechpartner: Wolfgang Egenberger Briener Straße 186, 47533 Kleve Tel.: 02821 / 99 00, Fax: 02821 / 99 02 04 [email protected], www.colt-info.de Die weißen Textillamellen aus dem Hause Colt International schützen die Nutzer des Wissenschaftszentrums vor zu viel Sonneneinstrahlung und nutzen die Sonne bestmöglich als natürlicher und nachhaltiger Energielieferant. Zwischen der Lamellenhülle und der eigentlichen Gebäudefassade verläuft vor jedem Stockwerk ein etwa 40 Zentimeter breiter Gitterrostgang. Er dient zur Reinigung und Wartung von Lamellenanlage und Fassade. www.deutsches-ingenieurblatt.de