Statistische Thermodynamik 1 Phänomenologische Therm

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Statistische Thermodynamik
1 Phänomenologische Therm., Quantenmechanik, Statistische Thermodynamik
In diesem einführenden Kapitel soll etwas zu den Möglichkeiten, Vorzügen und Nachteilen dieser
Theorien gesagt werden.
Phänomenologische Thermodynamik
Wir haben uns bisher in der PC I und im ersten Teil der PC III mit der Phänomenologischen Thermodynamik beschäftigt. Diese Theorie gestattet es, ausgehend von einigen Hauptsätzen ein umfangreiches
theoretisches Gebäude zu entwickeln, das eine sehr effektive Beschreibung vieler Phänomene in der
Natur erlaubt.
Wir wollen noch einmal einige Gleichungen herausgreifen und sie kritisch durchleuchten. Mit Hilfe der
Clausius-Clapeyronschen Gleichung gelang es uns, den Dampfdruck von Flüssigkeiten zu beschreiben.
So konnten wir den Dampfdruck für beliebige Temperaturen vorhersagen, falls ein p,T-Paar und die
Verdampfungsenthalpie bekannt waren. Eine ab initio-Berechnung des Dampfdrucks einer vorgegebenen Flüssigkeit war dagegen nicht möglich. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem MWG. Die
thermodynamische ab initio-Berechnung der Gleichgewichtskonstante eines Systems ist nicht möglich.
Dagegen können wir mit der van't Hoffschen Reaktionsisobaren die Gleichgewichtskonstante bei
beliebigen Temperaturen vorhersagen, falls ein K,T-Wertepaar und die Reaktionsenthalpie bekannt
sind.
Die Unmöglichkeit der Durchführung von ab initio-Berechnungen ist sicher ein erheblicher Nachteil
der Phänomenologischen Thermodynamik. Auf der anderen Seite ist es ein gewaltiger Vorteil der
Phänomenologischen Thermodynamik, dass ihre Anwendung unabhängig von der Kenntnis des
Aufbaus der untersuchten Materie funktioniert. So könnte die Materie auch aus anderen Teilchen mit
anderen Wechselwirkungen als in unserem Universum aufgebaut sein, ohne dass sich die Gleichungen
der Phänomenologischen Thermodynamik ändern würden. Was sich ändern würde, wären nur die
Werte der Variablen in den Gleichungen.
Quantenmechanik
Um die Quantenmechanik anwenden zu können, ist die Kenntnis der das System aufbauenden Teilchen
samt ihren Wechselwirkungen notwendig. Dann ist es möglich, die Schrödinger-Gleichung des
Systems
(1.1)
zu formulieren, in deren Hamiltonoperator H die Operatoren für die kinetischen Energien und die
Wechselwirkungen der Teilchen stehen. Für ein makroskopisches System führt dieses zu einer
Gleichung mit .1023 kinetischen Energietermen und o1023 Wechselwirkungstermen. Die Lösung einer
derartigen Gleichung ist i. a. nicht möglich.
In einigen Fällen - z. B. für ein ideales Gas - kann die Komplexität des Problems drastisch reduziert
werden. Dazu wird vorausgesetzt, dass die aus den elementaren Bausteinen der Materie gebildeten
Atome bzw. Moleküle nicht mehr untereinander wechselwirken, d. h.
(1.2)
wobei i über die Atome/Moleküle läuft. Wir wollen weiterhin annehmen, dass
(1.3)
d. h. die Schrödinger-Gleichung des Atoms/Moleküls, lösbar oder in guter Näherung lösbar sei. Dann
ergibt sich die Gesamtenergie mit
(1.4)
- 46 und die Gesamtwellenfunktion ist eine Funktion der Ri.
Ist die Berechnung der Eigenschaften eines idealen Gases damit gelöst? Zur Diskussion dieser Frage
wollen wir ein Gedankenexperiment mit 100 nicht unterscheidbaren und nicht wechselwirkenden
Oszillatoren durchführen. Für die Energieniveaus jedes (harmonischen) Oszillators möge
(1.5)
gelten.
Fall 1: Die im System der Oszillatoren befindliche Energie möge gerade dem Zustand entsprechen,
in dem sich alle Oszillatoren im Grundzustand befinden. Das Problem ist damit gelöst, da die
Gesamtwellenfunktion bekannt ist und alle Observablen mit Hilfe der quantenmechanischen
Methoden daraus berechenbar sind.
Fall 2: Die im System befindliche Energie möge gerade 1 h< über dem Grundzustand betragen. Man
könnte vielleicht noch die Frage stellen, welcher Oszillator gerade dieses h< aufweist. Da die
Oszillatoren aber ununterscheidbar sind und die Gesamtwellenfunktion so konstruiert werden
muss, dass die Oszillatoren in ihr ununterscheidbar sind, ist diese Frage ohne Belang. Auch
dieses Problem ist damit gelöst.
Fall 3: Die Systemenergie möge 100 h< betragen, wobei die Energieskala von jetzt ab aus Gründen
einer übersichtlicheren Beschreibung vom Grundzustand aus gerechnet wird. In diesem
Beispiel können wir quantenmechanisch und experimentell mehrere Fälle unterscheiden.
a) 100 Oszillatoren mit 1 h<
b) 99 Oszillatoren mit 0 h<, 1 Oszillator mit 100 h<
c) 50 Oszillatoren mit 0 h<, 50 Oszillatoren mit 2 h<
d) ..........
Die Gesamtwellenfunktionen dieser Systeme unterscheiden sich. In der Quantenmechanik
wird das Auftreten mehrerer Wellenfunktionen zu einem Energieniveau als Entartung
bezeichnet. Große Systeme mit großen Inneren Energien weisen riesige Entartungszahlen auf.
Die Quantenmechanik kann keine Aussage zu der Frage machen, welche Wellenfunktion in
einem entarteten System auftritt oder mit welcher Wahrscheinlichkeit sie auftritt. Die oben
aufgeführten, unterschiedlichen quantenmechanischen Zustände des Systems führen zu
unterschiedlichen Eigenschaften. So würden sich z. B. die mittleren Abstände in den Oszillatoren für den Fall eines anharmonischen Potenzials ändern. Die Quantenmechanik ist
offensichtlich mit der Berechnung von Systemeigenschaften in Systemen mit großen Entartungszahlen überfordert.
Eine zweite Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass i. a. gar nicht die Energie eines Systems festgelegt
wird wie in den oben diskutierten Fällen, sondern die Temperatur. Die Quantenmechanik kennt die
Temperatur als Variable nicht und kann daher mit dieser Vorgabe nichts anfangen.
Statistische Thermodynamik
Die Statistische Thermodynamik schafft nun einen Ausweg aus diesem Dilemma. Die Statistische
Thermodynamik setzt voraus, dass die quantenmechanische Lösung des Problems auf mikroskopischer
Ebene bekannt ist - z. B. Teilchen im Kasten, Rotatoren, Oszillatoren. Dann wird eine Annahme über
die Häufigkeit des Auftretens der einzelnen Wellenfunktionen gemacht und schließlich mit statistischen Methoden die daraus resultierenden Systemeigenschaften berechnet.
Gegenüber der Phänomenologischen Thermodynamik hat dieses Vorgehen einen großen Vorteil. Ist
die quantenmechanische Lösung des mikroskopischen Problems bekannt und besteht das System aus
einer genügend großen Anzahl von Teilchen, so liefert die Statistische Thermodynamik exakte
Absolutberechnungen der Systemeigenschaften. Der Zusatz "exakt" ist weitgehend korrekt, obwohl
die Quantenmechanik gewisse Variable nur innerhalb der Unschärferelation anzugeben gestattet. Für
makroskopische Systeme ist jedoch die so hervorgerufene Unschärfe vernachlässigbar klein. Weiter-
- 47 hin unterliegen statistische Verfahren Schwankungen. Legt man es darauf an, so kann man in kleinen
Systemen Schwankungen beobachten. Beispielsweise schwankt die Teilchenzahl in einem offenen
System mit festgelegtem p, V, T. Der Begriff exakt ist daher im Zusammenhang mit einer genügend
großen Teilchenzahl zu sehen; genauer gesagt: Die Statistische Thermodynamik liefert exakte
Ergebnisse für den Fall Teilchenzahl 6 4.
Auf der anderen Seite weist die Statistische Thermodynamik eine Reihe gravierender Nachteile
gegenüber der Phänomenologischen Thermodynamik auf. Ist die quantenmechanische Lösung des
betreffenden Problems auf mikroskopischer Ebene nicht bekannt, so lässt sich mit der Statistischen
Thermodynamik wenig anfangen. Dieses ist z. B. der Fall für fast alle Berechnungen in flüssigen
Systemen. Die quantenmechanische Lösung des Gesamtsystems ist aus den oben diskutierten Gründen
nicht zugänglich. Der bei den Gasen beschreitbare Weg über die Zerlegung des Systems in nicht
wechselwirkende Teilchen ist nicht möglich, da die Wechselwirkung der Teilchen untereinander bei
weitem zu groß sind. Zur Thermodynamik flüssiger Systeme kann daher die Statistische Thermodynamik vergleichsweise wenig aussagen.
Bei Festkörpern ist die Lage für die Statistische Thermodynamik günstiger wegen der hohen Symmetrie der Festkörper. Im Gegensatz zu den Flüssigkeiten lässt sich hier wegen der hohen Translationssymmetrie des Problems die Gesamtwellenfunktion des Systems für viele Zwecke mit ausreichender
Genauigkeit berechnen. Die Statistische Thermodynamik erlaubt dann die Berechnung der interessierenden thermodynamischen Größen.
Zum Schluß dieses Kapitels soll noch etwas zur Abgrenzung des Vorlesungsstoffs bemerkt werden.
Bei der Phänomenologischen Thermodynamik gibt es zwei große Gebiete: die bereits behandelte
Phänomenologische Thermodynamik der Gleichgewichtszustände und die Phänomenologische
Thermodynamik der irreversiblen Prozesse. Entsprechende Analoga gibt es auch im Bereich der
Statistischen Thermodynamik. Während die Statistische Thermodynamik der Gleichgewichtszustände
heute eine gut entwickelte Theorie darstelle, ist die Statistische Thermodynamik der irreversiblen
Prozesse heute noch Gegenstand der Forschung (Prigogine u. a.). Aus Zeitgründen und wegen der
Komplexität der Theorie der irreversiblen Prozesse wird auf eine Darstellung dieses Teils vollständig
verzichtet.
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2 Gesamtheiten
Für die folgende Diskussion wollen wir folgende Begriffe verwenden.
Teilchen
Unter einem Teilchen wollen wir ein Atom, ein Molekül, einen Spin, einen Oszillator oder ähnliches
verstehen. Der innere Aufbau der Teilchen interessiert die Statistische Thermodynamik nicht. Bekannt
sein müssen dagegen die Energieniveaus (z. B. Rotationsniveaus), die ein derartiges Teilchen aufweist.
System
Der Systembegriff stimmt mit dem bereits in der PC I verwendeten überein. Ein System enthält i. a.
viele Teilchen. Wir werden jedoch später bei der Berechnung der Zustandssummen auch durchaus
Systeme, die nur aus einem Teilchen bestehen, zulassen. Die Systeme werden durch ihre thermodynamischen Variablen charakterisiert, z. B.
- Teilchenzahl N
- Energie
E
- Volumen V
Das stimmt mit dem Beschreibungsverfahren in der PC I weitgehend überein, da die Teilchenzahl und
die Stoffmenge über einen konstanten Faktor zusammenhängen und sonst nur S gegen E ausgetauscht
ist. Obwohl das System nun thermodynamisch festgelegt ist, ist es die Gesamtwellenfunktion des
Systems nicht. So sagt die Angabe
- N = 100
- E = 500 h<
- V = 1 dm3
für ein System aus Oszillatoren nichts über die vorliegende Wellenfunktion aus.
Gesamtheit
Unter einer Gesamtheit oder einem Ensemble versteht man eine große Anzahl von Systemen, die
miteinander in einer noch zu beschreibenden Weise gekoppelt werden. Die auf den ersten Blick
vielleicht etwas merkwürdig anmutende Konstruktion, die zu einer Erhöhung der Komplexität führt,
wobei das einzelne System schon genügend komplex ist, stammt vom Großmeister der Thermodynamik, J. W. Gibbs, und bringt folgenden Vorteil mit sich. Eine Gesamtheit kann man in einem
Gedankenexperiment beliebig vergrößern und damit
die Grundforderung der Statistik nach Teilchenzahl 6
4 erfüllen. Diese Möglichkeit wird uns weiterhin später bei einer Vereinfachung gute Dienste leisten (siehe
Kap. 4, Verwendung der Stirlingschen Näherungsformel).
Gibbs hat drei verschiedene Typen von Ensembles
eingeführt, von denen wir zwei benutzen werden.
Mikrokanonische Gesamtheit
Wir stellen M Systeme zu einer Gesamtheit zusammen. Die Wände, welche die einzelnen Systeme voneinander trennen sind sowohl energie- als auch materieundurchlässig. In der Sprache der Phänomenologischen Thermodynamik könnte man daher auch sagen:
Ein mikrokanonisches Ensemble ist eine Ansammlung
von isolierten Systemen. Die einzelnen Systeme sind
durch N, E und V definiert, die für alle Systeme über- Abb. 26 Mikrokanonisches Ensemble
einstimmen sollen. Es gilt für die Gesamtheit:
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(2.1)
Kanonische Gesamtheit
Der einzige Unterschied zum mikrokanonischen Ensemble besteht darin, dass die einzelnen Systeme durch N, T
und V definiert werden. Die Wände sollen wärmedurchlässig und materieundurchlässig sein (geschlossene Systeme). Die Herstellung des Ensembles geschieht wie
folgt. Die einzelnen Systeme oder auch alle zusammen
werden in Kontakt mit einem genügend großen Wärmereservoir der Temperatur T gebracht und der Temperaturausgleich abgewartet. Dann werden die M Systeme
zum Ensemble zusammengestellt. Dabei bilden für jedes
System die restlichen M - 1 Systeme das Wärmereservoir. Dann wird das ganze Systeme durch eine wärmeun- Abb. 27 Kanonisches Ensemble
durchlässige (adiabatische) Hülle umschlossen. Es gilt:
(2.2)
Im Gegensatz zum mikrokanonischen Ensemble kann jetzt die Energie Ei der einzelnen Systeme
schwanken. Die Energie EG des Gesamtsystems ist dagegen durch die adiabatische Hülle, das
festgelegte Volumen und die Materieundurchlässigkeit der Wände der Systeme fixiert.
Große kanonische Gesamtheit
Dieser Ensembletyp enthält wärme- und materiedurchlässige Wände um die einzelnen Systeme. Für
die uns interessierenden Probleme ist dieser Typ von geringerem Interesse.
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3 Postulate
Die bisher per definitionem eingeführten Begriffe unterliegen keinem Zweifel, ob sie richtig oder
falsch sind; sie könnten allenfalls unpraktisch sein.
Wie alle anderen Theorien (Phänomenologische Thermodynamik, Quantenmechanik, Elektrodynamik
(Maxwell-Gleichungen), Mechanik (Newtonsche Axiome), Mathematik) kommt die Statistische
Thermodynamik nicht ohne unbewiesene Postulate aus. Unter einem Postulat versteht man nichts
anderes als unter einem Axiom oder einem Hauptsatz. Diese Begriffe haben die gleiche Bedeutung;
es haben sich einfach innerhalb der verschiedenen Zweige der Wissenschaft unterschiedliche Bezeichnungen entwickelt.
Die Statistische Thermodynamik benötigt zwei Postulate, zu deren Verständnis einige Vorbemerkungen notwendig sind.
Zuerst konstruieren wir ein mikrokanonisches
Ensemble, indem wir jeden mit der Bedingung
E = const. verträglichen quantenmechanischen
Zustand Ri berechnen und diese Zustände als
mögliche Zustände für unseren thermodynamisch
definierten Zustand geordnet nach einer willkürlich festgelegten Indizierung i in die Systemzellen
hineinschreiben. Wir wollen jeden möglichen
Zustand nur einmal aufführen. Wie wird sich ein
thermodynamisch definiertes, reales System als
Funktion der Zeit verhalten? Es wird sich z. B.
eine gewisse Zeit in R3 aufhalten, dann nach R17
springen usw. Sieht man dieses Ensemble als
möglichen Zustandsraum für ein reales System
an, so bewegt sich das System auf einer Bahn
durch diesen Raum. Im Experiment wird man nun
den Verlauf dieser Bahn sicherlich nicht zeitlich
Abb. 28 Mikrokanonisches Ensemble mit quan- auflösen können. So weiß man z. B. bei einem
Gas, dass sich bei fast jedem Stoß Drehimpuls
tenmechanischen Zuständen
(Rotationsenergie) und translatorischer Impuls
(kinetische Energie) ändern. Die Gesamtstoßfrequenz in einem Gas liegt nun so hoch, dass an eine zeitaufgelöste Messung der Einzelimpulse nicht
zu denken ist. Messtechnisch sind nur zeitliche Mittelwerte zugänglich. So kann z. B. in einem
Molekularstrahl die Geschwindigkeitsverteilung gemessen werden. Die Berechnung dieser Mittelwerte
mit der Theorie wäre möglich, wenn man wüßte, wie lange sich das reale System in den einzelnen
quantenmechanischen Zuständen aufhält, oder wenn man wüßte, wie der zeitliche Mittelwert der
interessierenden Variablen mit dem Ensemblemittelwert zusammenhängt.
Diese Lücke schließen nun die beiden Postulate der Statistischen Thermodynamik.
Postulat I
Das zeitliche Mittel einer Variablen eines thermodynamischen Systems stimmt mit dem Ensemblemittelwert für diese Variable überein, wenn die das System definierenden thermodynamischen Größen
mit denen der Systeme des Ensembles übereinstimmen und die Systemzahl gegen unendlich geht.
Oder in Kurzfassung: Zeitmittel = Gesamtheitsmittel
Für den Begriff Gesamtheitsmittel wird auch manchmal "Scharmittel" verwendet.
Postulat II
In einem mikrokanonischen Ensemble treten die mit N, E und V verträglichen quantenmechanischen
Zustände mit gleicher Häufigkeit auf.
- 51 Das kleinste, vollständige mikrokanonische Ensemble enthält also jeden quantenmechanischen
Zustand gerade einmal. Es ist jedoch erlaubt, alle Zustände mehrfach aufzuführen und damit der
Forderung nach M 6 4 Genüge zu tun.
Postulat II ist auch als "Prinzip der gleichen a priori-Wahrscheinlichkeit" bekannt. "a priori" ist ein
Begriff aus der Erkenntnis-Theorie und charakterisiert eine Behauptung, die nicht durch ein Experiment belegt werden kann, sondern von vornherein als wahr angenommen wird. Dagegen ist eine
Behauptung "a posteriori" nach Durchführung eines Experiments.
Aus den Postulaten I und II folgt: Ein thermodynamisch definiertes System verbringt über lange Zeiten
gemittelt gleiche Zeiten in den einzelnen quantenmechanischen Zuständen. Dieser Satz ist auch unter
dem Namen Ergodenhypothese bekannt. Eine Ergode ist die Bahn eines Systems im Phasenraum.
Ob die beiden Postulate der Statistischen Thermodynamik wahr sind, ist nicht nachgewiesen und wird
sich wohl auch nicht nachweisen lassen. Z. Z. ist jedoch kein Experiment bekannt, das diesen
Postulaten widerspricht.
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4 Boltzmannverteilung
Die Boltzmannverteilung beschreibt die Energieverteilung in einem System mit (quantenmechanisch)
vorgegebenen Energieniveaus bei vorgegebener Temperatur. Zur Berechnung der Energieverteilung
wird wie folgt vorgegangen. Statt einzelne Teilchen in einem System werden wir zuerst Systeme in
einem Ensemble betrachten und später nur noch ein Teilchen pro System zulassen. Mit einem
mikrokanonischen Ensemble werden wir die Berechnung nicht durchführen können, da dann die
Systemenergien Ei festliegen würden. Das richtige Ensemble für diese Berechnung ist sicher das
kanonische. In diesem Ensemble dürfen wir die Temperatur festlegen, und die Energie Ei der einzelnen
Systeme schwankt. Wir werden dann später nur noch ein Teilchen pro System der Berechnung
zugrunde legen und damit den zeitlichen Mittelwert für die Energieverteilung in einem System mit N
Teilchen finden. Bei dieser Berechnung geht leider die Temperatur verloren, da nur noch die Energie
EG der Gesamtheit festliegt. Die Temperatur werden wir daher anderweitig bestimmen müssen.
Eine Schwierigkeit besteht darin, dass die Aussage des Postulats II nur für ein mikrokanonisches
Ensemble gilt. Für das zu verwendende kanonische Ensemble steht uns leider keine Aussage über die
Häufigkeit des Auftretens der quantenmechanischen Zustände zur Verfügung. Diese Schwierigkeit
wird wie folgt überwunden. Im kanonischen Ensemble ist wegen der Konstruktion der Wände und
wegen der adiabatischen Hülle die Energie konstant. Wir dürfen daher das ganze Ensemble als System
eines größeren mikrokanonischen Ensembles betrachten. Um Verwechslungen bei diesem schwierigen
Schritt zu vermeiden, wollen wir das jetzt als System betrachtete kanonische Ensemble als Supersystem bezeichnen.
Abb. 29 Ensemble mit einem Supersystem
Abb. 29 zeigt ein Supersystem mit seiner Wellenfunktion RSS. Die verschiedenen Supersysteme
entstehen durch Vertauschung der Wellenfunktionen R1, R2, . . . aus der jetzt ins Auge gefassten
Verteilung der Wellenfunktionen. Jede dieser
Vertauschungen ergibt eine unterschiedliche Wellenfunktion RSS und damit ein neues Supersystem.
Jedes dieser durch Vertauschungen entstandenen
Supersysteme tritt im mikrokanonischen Ensemble der Supersysteme mit gleicher Häufigkeit auf.
Die Anzahl dieser möglichen Wellenfunktionen
wollen wir zählen und das Ergebnis, die thermodynamische Wahrscheinlichkeit, mit W bezeichnen.
Dazu soll folgendes Beispiel diskutiert werden. Die Energieverteilung auf
1*R4 mit 1*E4
2*R3 mit 2*E3
3*R2 mit 3*E2
4*R1 mit 4*E1
sei mit der Energie EG = 1*E4 + 2*E3 + 3*E2 + 4*E1 des Supersystems mit M = 10 Systemen verträglich. Zwei der vielen möglichen Wellenfunktionen des Supersystems sind
R4
R3
R3
R2
R2
R3
R4
R3
R2
R2
R2
R1
R1
R1
R1
R2
R1
R1
R1
R1
Insgesamt gibt es 12 600 verschiedene Wellenfunktionen des Supersystems, wie in einem der folgenden Beispiele gezeigt werden wird.
- 53 Sind alle System-Ri verschieden, so gibt es M! unterscheidbare Anordnungsmöglichkeiten (Zahl der
Permutationen von M Elementen ohne Wiederholungen). Falls M1 Systeme mit gleichem R1 vorhanden sind, muss obiges Ergebnis durch die Zahl der Anordnungsmöglichkeiten von M1 Systemen , d.
h. durch M1!, geteilt werden. Im nächsten Schritt lassen wir für alle i Mi Systeme mit gleichem Ri zu.
Dies führt zu folgendem Ergebnis
(4.1)
Neben dieser Gleichung gibt es zwei weitere Bedingungen, die erfüllt sein müssen:
(4.2)
Beachten Sie bitte, dass dieses die drei ersten ordentlichen Gleichungen dieses Teils des Skripts sind.
Die Gleichungsdichte nimmt von jetzt an jedoch exponentiell zu.
Die Gl. (4.1) und (4.2) bilden die Basis der Ableitung der Boltzmannverteilung. Wenn Sie diese
Gleichungen mit denen in einfacheren Lehrbüchern vergleichen, werden Sie feststellen, dass die
Unterschiede gering sind. Hier sind die Mi Systemzahlen, die im Gedankenexperiment beliebig groß
gemacht werden können, dort sind es Besetzungszahlen, die oft sehr klein (n1) sind.
Das korrekte weitere Vorgehen zur Berechnung von Mi = f(Ei) wäre das folgende. Man müsste für alle
mit Gl. (4.2) verträglichen Verteilungen W berechnen und über alle Verteilungen mit W gewichtet
mitteln und damit die mittleren Mi ausrechnen. Diese Verfahren wurde von Darwin und Fowler unter
anderem mit Hilfe der Theorie komplexer Funktionen durchgeführt. Wir wollen ein sehr viel einfacheres Verfahren anwenden, das für M 6 4 zum gleichen Ergebnis führt.
Von den oben aufgeführten Verteilungen wollen wir nur die Verteilung berücksichtigen, welche die
größte thermodynamische Wahrscheinlichkeit aufweist. Alle anderen Verteilungen werden vernachlässigt. Dass dieses Verfahren mit seiner anscheinend groben Näherung zum richtigen Ergebnis
führt, hat folgenden Grund. Alle Verteilungen, die wesentlich von der wahrscheinlichsten abweichen,
weisen eine im Verhältnis zur häufigsten äußerst geringe thermodynamische Wahrscheinlichkeit auf.
Alle Verteilungen, die große thermodynamische Wahrscheinlichkeiten aufweisen, sind der wahrscheinlichsten sehr ähnlich.
Dieses soll an zwei Beispielen erläutert werden.
1) Das betrachtete System möge einen Oszillator pro System aufweisen. Die Gesamtsystemzahl M soll
10 und die Gesamtenergie EG soll 20 h< über dem Grundzustand betragen. Wir untersuchen jetzt
einige mit dieser thermodynamischen Festlegung verträgliche quantenmechanische Zustände.
Verteilung 1: Jedes der 10 Systeme weise die
Energie E2 = 2 h< auf. Nach (4.1) ergibt sich
W = 10!/10! = 1. Die 10! im Nenner entsteht dadurch, dass nur ein Niveau (i = 2) mit 10 Systemen besetzt ist.
Verteilung 2: Ein System weise 20 h< auf. Für
diesen Fall ist W = 10!/(1! 9!) = 10. Die 9! entsteht
dadurch, dass sich 9 Systeme im Grundzustand
befinden.
Verteilung 3: Als letzte Verteilung wollen wir die
nebenstehende Verteilung untersuchen, die der
endgültigen nahekommt.
Die thermodynamische Wahrscheinlichkeit beträgt:
Mi
Ei/h<
Mi* Ei/h<
1
4
4
2
3
6
3
2
6
4
1
4
E = 10
E = 20
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Die drei untersuchten Verteilungen sind in Abb. 30
noch einmal dargestellt. Die thermodynamische
Wahrscheinlichkeit von Verteilung 3 ist somit erheblich größer als die der anderen. Dieses hängt damit
zusammen, dass in dieser Verteilung viele unterschiedliche Niveaus besetzt sind und deswegen die
Mi! im Nenner klein sind. Die endgültige Verteilung
wird sich daher über eine möglichst große Zahl von
Niveaus erstrecken. Da die Gesamtenergie festliegt,
werden die energetisch tiefer liegenden Niveaus Abb. 30 Drei verschiedene Verteilungen
höhere Besetzungszahlen aufweisen.
2) Im zweiten Beispiel soll ein einfaches System mit zwei Zuständen R1 und R2 gleicher Energie E1
untersucht und W für die wahrscheinlichste sowie ähnliche Verteilungen bei großen Systemzahlen
berechnet werden. Die Systemzahl soll 2M und die Gesamtenergie EG gerade 2ME1 betragen. Also z.
B.
- M=
100: 200 Systeme mit 200 E1
- M = 1 000: 2000 Systeme mit 2000 E1
- M = 10 000: 20000 Systeme mit 20000 E1
Die wahrscheinlichste Verteilung ist in allen Fällen
M Systeme in R1 und M Systeme in R2
Wir wollen nun das Verhältnis V der thermodynamischen Wahrscheinlichkeit für eine Verteilung, die
) mehr Systeme in R1 und dementsprechend ) weniger in R2 aufweist, zur wahrscheinlichsten
ausrechnen.
(4.3)
) soll immer 1 % von M betragen. Für den Fall 2M = 200 ergibt sich daher
Für große M gelingt die Berechnung nach zwei Verfahren:
1) Durch Kürzen der Fakultäten entsteht
(4.4)
2) Die Fakultäten werden mit der Stirlingschen Näherungsformel (siehe Anhang 14.2) berechnet.
(4.5)
Die Berechnung von V ergibt
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M
V
100
0,99
1 000
0,90
10 000
0,37
100 000
0,000 05
1 000 000
4@10-44
Einige Werte für V = f(M) sind in der nebenstehenden Tabelle aufgeführt. Aus dieser Berechnung folgt, dass die alleinige Berücksichtigung
der wahrscheinlichsten Verteilung für alle makroskopischen Systeme ausreichend ist. Weiterhin
konnte gezeigt werden, dass die Darwin-FowlerMethode für große Systeme zum gleichen Ergebnis führt.
Wir werden daher die Mi so bestimmen, dass unter Beachtung der Nebenbedingungen (4.2) die
thermodynamische Wahrscheinlichkeit nach (4.1) maximal wird. Das Verfahren der Wahl zur Lösung
dieses Variationsproblems ist die bereits in der PC I benutzte Lagrangesche Multiplikatormethode.
Anstelle von W werden wir ln W maximal machen; das ist zulässig und macht die Berechnung bei
zwei Schritten (Differenziation von W und Anwendung der Stirlingschen Näherungsformel) einfacher.
Zuerst wird das totale Differenzial von ln W gebildet.
(4.6)
Die Abhängigkeit von M ist dabei nicht berücksichtigt, da wegen der Nebenbedingung dM = 0 gilt. Für
die wahrscheinlichste Verteilung muss nun gelten
(4.7)
oder
(4.8)
Wären alle Mi völlig unabhängig voneinander variierbar, so würde daraus MlnW/MMi = 0 folgen. Diese
Unabhängigkeit liegt nun wegen der Nebenbedingungen (4.2) nicht vor. Im Lagrangeschen Multiplikatorverfahren werden die Nebenbedingungen als Differenziale geschrieben und mit den Lagrangeschen
Multiplikatoren multipliziert zur Hauptbedingung addiert.
(4.9)
Die Bedingungsgleichung für ein Extremum von W ist daher:
(4.10)
wobei " und $ die unbekannten Lagrangeschen Multiplikatoren sind. Einige Umstellungen ergeben:
(4.11)
(4.12)
Bei der Differenziation wird die Stirlingsche Näherungsformel verwendet
(4.13)
- 56 (4.14)
(Verwendet man in (4.13) die erste Nebenbedingung von Gl. (4.2), so bleibt in (4.14) eine 1 stehen,
die gegen ln Mi vernachlässigt werden kann). Aus Gl. (4.12) wird daher
(4.15)
(4.16)
Der nächste Schritt ist die Bestimmung von " aus der ersten Nebenbedingung (4.2).
(4.17)
(4.18)
Schwieriger ist die Bestimmung von $. $ muss die Dimension einer reziproken Energie aufweisen.
Weiterhin muss in $ die bei unserer Berechnung verlorengegangene Temperatur enthalten sein. Da
hohe Temperaturen die Mi bei hohen Ei begünstigen sollen, erwarten wir
(4.19)
Um diese Gleichung dimensionsmäßig richtig zu machen, nehmen wir
(4.20)
an, wobei k die Boltzmannkonstante mit dem Wert 1,3806@10-23 J/K ist. Später werden wir diese
Annahme genauer durch einen Vergleich eines aus der Statistischen Thermodynamik gewonnen
Ergebnisses mit experimentellen Daten begründen können. Diese Schwierigkeit wird immer noch
durch das alte Problem hervorgerufen: Die Quantenmechanik kennt die Temperatur nicht, und die
bisher durchgeführten Berechnungen mit der Statistischen Mechanik können daran auch nichts ändern.
Um bereits jetzt zu den endgültigen Formeln zu gelangen, wollen wir die Annahme (4.20) benutzen
und erhalten damit die Verteilung der Energien Ei in einem kanonischen Ensemble
(4.21)
Wegen der zentralen Bedeutung dieser Gleichung sollen die eingehenden Größen noch einmal
beschrieben werden:
- M: Systemzahl
- Mi: Zahl der Systeme mit der Wellenfunktion Ri.
Die Wellenfunktion wird auch als Zustand i bezeichnet.
Zum Zustand i gehört die Energie Ei.
- Ei: Energie des Zustands i.
- E: Die Summe läuft über die Zustände i, nicht über die Energien.
Eine andere Möglichkeit der Darstellung besteht darin, die Summe über die Energieniveaus Ej laufen
zu lassen. Ist das Energieniveau Ej gj-fach entartet, d. h. gibt es zu diesem Niveau gj linear unabhängige Ri, so muss bei einer Summenbildung über die Energien gj als Faktor in der Verteilung
berücksichtigt werden.
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(4.22)
- i läuft in Gl. (4.21) über die Zustände
- j läuft in Gl. (4.22) über die Energien
Die Gl. (4.21) und (4.22) gelten auch für den Fall eines Teilchens pro System. Es ist dann einfacher,
die Vorstellung des Supersystems fallen zu lassen und es als normales System mit N = M Teilchen zu
betrachten. Die Systemenergien Ei und Ej werden dann zu den Teilchenenergien gi und gj und die
Systemzahlen Mi und Mj werden zu den Teilchenzahlen Ni und Nj. Die entsprechenden Gleichungen
werden als Boltzmannverteilungen bezeichnet.
(4.23)
In der Boltzmannverteilung lässt sich die Summe im Nenner entfernen, wenn die Besetzungszahlen
zweier Zustände - z. B. eines beliebigen Zustands mit dem Grundzustand - miteinander verglichen
werden. Dazu werden die Gl. (4.23) geteilt durch die Boltzmannverteilung für den Zustand i bzw. j
= 0. Es entsteht:
(4.24)
Gl. (4.24) darf auch für den Fall einer kontinuierlichen Energieverteilung benutzt werden. Wegen
des Fehlens diskreter Niveaus stellen die Nj dann
die Besetzungszahlen innerhalb eines gewissen
Energiebereichs dg dar (siehe dazu auch das weiter unten behandelte Beispiel). Abb. 31 zeigt einige Verteilungen für den kontinuierlichen Fall ohne
Entartung und go = 0. Neben dem exponentiellen
Abfall der Besetzung höherer Niveaus bei konstanter Temperatur erkennt man den starken Einfluss der Temperatur auf die Besetzung höherer
Niveaus.
Wir wollen uns zwei Anwendungen der Boltzmannverteilung ansehen.
1) Es ist die barometrische Höhenformel bei kon- Abb. 31 Boltzmannverteilung
stanter Temperatur aus der Boltzmannverteilung
herzuleiten.
Die Luftmoleküle befinden sich im Gravitationsfeld der Erde. Ihr Potenzial relativ zur Erdoberfläche
ist:
(4.25)
Die Anwendung von Gl. (4.24) ergibt
(4.26)
- 58 Nh ist die Teilchenzahl innerhalb einer gewissen Höhendifferenz dh. Bezieht man die Teilchenzahlen
zusätzlich auf die Fläche dx@dy, so gehen sie in die Teilchendichten 1N über. Da die Teilchendichten
bei konstanter Temperatur den Drücken proportional sind, gilt schließlich
(4.27)
Das ist die barometrische Höhenformel.
2) Es ist der Besetzungsunterschied der beiden Kernspinniveaus eines Protons im Magnetfeld eines
100 MHz-Kernresonanzspektrometers zu berechnen. Dieser Besetzungsunterschied ist für die
Funktion eines Kernresonanzspektrometers von zentraler Wichtigkeit, da bei einer Gleichbesetzung
der Niveaus bei Einstrahlung der elektromagnetischen Welle genausoviel Absorptions- wie Emissionsprozesse stattfinden würden, d. h. in diesem Fall wäre keine Detektion der Resonanz möglich.
Die Empfindlichkeit eines Kernresonanzspektrometers ist dem Besetzungsunterschied direkt proportional.
Der Energieunterschied der beiden Niveaus ist h< mit < = 100 MHz, d. h. g1 - g0 = 6,626@10!26J. g1
und g0 sollen 1 sein. Gl. (4.24) ergibt daher bei 300 K
Der relative Besetzungsunterschied beträgt daher nur etwa 10-5. Er ist proportional zur Messfreqenz
und damit zur Magnetfeldstärke. Ein 600 MHz-Spektrometer ergibt daher bei sonst gleichen Bedingungen die 6-fache Empfindlichkeit.
- 59 -
5 Thermodynamische Zustandsgrößen, Zustandssummen
5.1 Innere Energie und Zustandssumme
Die Energieverteilung (4.21) erlaubt nun die Berechnung der mittleren Energie eines Systems in
einfacher Weise. Für die berechnete Energie wollen wir U als Symbol benutzen, da wir uns nur mit
den in der Inneren Energie enthaltenen Termen beschäftigen werden. Für die mittlere Energie eines
Systems finden wir
(5.1.1)
Im Prinzip könnte man die Gleichung so stehen lassen. Diese Form ist jedoch wegen der zwei
Summen unpraktisch. So wird z. B. die Berechnung der Molwärmen durch eine Differenziation nach
T sehr aufwändig. Zur Vereinfachung wird die Zustandssumme Z eingeführt:
i läuft über die Zustände
j läuft über die Energieniveaus
(5.1.2)
(5.1.3)
Diese Zustandssummen haben keine direkte physikalische Bedeutung; sie sind ein Hilfsmittel, um die
folgenden Gleichungen einfacher schreiben zu können. Später werden wir jedoch sehen, dass ein
relativ enger Zusammenhang zwischen Z und der Freien Energie besteht (siehe Kap. 5.4). Zur
Darstellung der Inneren Energie mit der Zustandssumme berechnen wir
(5.1.4)
Mit (5.1.1) folgt daraus
(5.1.5)
Der Vorteil der Verwendung der Zustandssumme besteht darin, dass die Gl. für die Innere Energie nur
noch eine Summe enthält. Die dafür eingekaufte Differenziation ist unproblematisch. cL lässt sich
einfach durch eine weitere Differenziation berechnen.
5.2 Systemzustandssummen, Teilchenzustandssummen
Die oben eingeführte Zustandssumme "Groß-Z" stellt die Zustandssumme für ein System dar (Systemzustandssumme), da die Ei Systemenergien sind. Bekannt sind aus der Quantenmechanik nur die
Teilchenzustandssummen "Klein-z"
(5.2.1)
wobei die gi die Teilchenenergien darstellen und i über die Teilchenzustände und j über die Teilchenniveaus läuft. Im folgenden wird der Zusammenhang zwischen Z und z hergeleitet.
a) Unterscheidbare Teilchen
Unterscheidbare Teilchen findet man z. B. bei Atomen oder Molekülen in einem Kristall, da diese
anhand ihrer Position unterscheidbar sind. Wir nehmen nun an, dass die Teilchen entweder nicht
miteinander wechselwirken sollen, was in einem Kristall kaum möglich ist, oder dass die Wechsel-
- 60 wirkung der Teilchen mit ihrer Umgebung durch ein gleiches, mittleres Potenzial, das von der
Umgebung herrührt, beschrieben werden kann. Für diese Fälle gelten die Gl. (1.1) bis (1.4), wobei die
Umgebung im Hamiltonoperator des Teilchens als Potenzial auftritt. Für die weitere Diskussion
wollen wir zwei identische, aber unterscheidbare Teilchen 1 und 2 betrachten, die jeweils zwei
Zustände 1 und 2 aufweisen sollen. Insgesamt entstehen die unten aufgeführten, vier Systemzustände.
Der erste Index bezieht sich auf die Teilchen, der zweite auf die Zustände.
Systemeigenschaften
Teilcheneigenschaften
Teilchen 1
Teilchen 2
g
R
E
R11
R21
g1
R11 @ R21
g11 + g21
R12
R22
g2
R11 @ R22
g11 + g22
R12 @ R21
g12 + g21
R12 @ R22
g12 + g22
Die Systemzustandssumme ist:
(5.2.2)
Der letzte Gleichungsteil resultiert aus der Gleichartigkeit der Teilchen. Für N unterscheidbare
Teilchen gilt analog
(5.2.3)
Es könnten Zweifel an der Formel bezüglich der Teilchenzahlabhängigkeit mit der Potenz N entstehen.
Es gilt U % N, da aber U = f(ln Z) ist, ergibt Gl. (5.2.3) die richtige Abhängigkeit von der Teilchenzahl.
b) Ununterscheidbare Teilchen
Dieser Fall liegt z. B. bei Atomen in der Gasphase vor und ist leider schwieriger zu durchschauen. Wir
betrachten dazu N identische Teilchen 1, 2, 3, . . . mit den Energieniveaus g11, g12, . . ., g21, g22, . . . . und
nehmen zuerst noch einmal an, dass die Teilchen unterscheidbar sind. Dann gilt:
(5.2.4)
wobei k, l, m, . . . über alle Zustände laufen. Gl. (5.2.4) entspricht Gl. (5.2.2) als Summe geschrieben.
Die Ununterscheidbarkeit bewirkt nun folgendes. Die Quantenmechanik verlangt, dass die Wellenfunktion des Systems (in einer Determinante) so geschrieben werden muss, dass sie bei einer Teilchenvertauschung bis auf einen möglichen Vorzeichenwechsel erhalten bleibt (siehe dazu auch Kap. 13.1
mit genauerer Information). Daher müssen alle Terme in der Vielfachsumme der ersten Zeile von
(5.2.4) gestrichen werden, die sich nur durch Teilchenvertauschungen unterscheiden, d. h. z. B.
g1,k;g2,l; . . . und g2,k;g1,l; . . . . .
Diese stellen im Sinne der Quantenmechanik keine unterschiedlichen Wellenfunktionen dar. Wenn
- 61 alle k, l, m, . . . verschieden sind, sind das insgesamt N! Vertauschungen, d. h. zN ist durch N! zu teilen.
Dieses Verfahren bewirkt jedoch einen Fehler, da auch Terme von der Form
g11;g21;g31; . . . .
und ähnliche auftreten, die es (in diesem Fall) nur einmal gibt und an denen daher nichts zu streichen
ist. Nun beschreibt dieser Zustand eine Mehrfachbesetzung, d. h. alle Teilchen (bzw. mehrere
Teilchen) befinden sich im gleichen Zustand. Für die uns interessierenden Teilchen in der Gasphase
ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens solcher Zustände vernachlässigbar klein, da die Zahl der
erreichbaren Translationsniveaus (gi . kT) immer riesig im Verhältnis zur Teilchenzahl ist (siehe Kap.
6). Wir machen daher keinen großen Fehler, wenn auch diese Terme durch N! geteilt werden. Wir
werden im Kap. 13 sehen, dass die Boltzmannverteilung sowieso nur für den Fall geringer Besetzungsdichten gilt, die aber i. a. vorliegen.
Für den Fall der ununterscheidbaren Teilchen gilt daher unter den genannten Bedingungen
(5.2.5)
5.3 Entropie
Im folgenden soll der Zusammenhang zwischen der Zustandssumme und den weiteren Zustandsgrößen
hergeleitet werden. Der einfachste Weg besteht darin, zuerst den Zusammenhang mit der Entropie
herzuleiten und dann aus U und S die Freie Energie zu berechnen, deren Ableitung nach dem Volumen
den Druck ergibt. Die restlichen Zustandsgrößen sind dann einfach zugänglich.
Der Zusammenhang zwischen U und S ist durch die GFF gegeben. Bei Konstanthaltung von V, ni, . .
gilt
(5.3.1)
Zur Berechnung von dU/T wird wie folgt vorgegangen
(5.3.2)
oder
(5.3.3)
Da alle Variablen außer T voraussetzungsgemäß konstant gehalten werden, darf der letzte Term wie
folgt umgeformt werden:
(5.3.4)
Daraus folgt
(5.3.5)
(5.3.6)
wobei die Integrationskonstante Null gesetzt wurde. Dieses ist eine willkürliche Setzung, da eine
Differenzialgleichung für die Entropie diese immer nur bis auf ein konstantes Glied ergeben kann!
- 62 Bei der Behandlung der Entropie in der Phänomenologischen Thermodynamik hatten wir die Entropie
für einen idealen Kristall bei 0 K Null gesetzt. Dieses muss aus Konsistenzgründen mit dem nach Gl.
(5.3.6) berechneten Wert übereinstimmen. Dazu ist der Grenzwert von (5.3.6) für T 6 0 zu bilden. In
z entfallen alle Terme mit höheren j außer go, da der Exponent bei höheren j nach -4 geht. Es verbleibt:
(5.3.7)
und
(5.3.8)
und daher
(5.3.9)
Gibt es keine Entartung des tiefsten Niveaus, so ergibt sich auch hier S = 0.
Das oben vorgestellte Verfahren zur Berechnung der Entropie benutzte weitgehend die Phänomenologische Thermodynamik. Umgekehrt ist es möglich, weitgehend in der Statistischen Thermodynamik
zu bleiben und erst zum Schluß die Phänomenologische Thermodynamik zu verwenden. Obwohl die
Durchführung der Rechnung etwas schwieriger ist, soll sie durchgeführt werden, da dabei zwei
wichtige Formeln anfallen. Bei der Herleitung spielt das Verhältnis Pi der Zahl der Systeme in einem
Zustand i zur Gesamtzahl eine wichtige Rolle.
(5.3.10)
Durch Logarithmieren folgt:
(5.3.11)
Gl. (5.1.1) wird jetzt in der Form
(5.3.12)
geschrieben. Das Differenzial von U wird damit
(5.3.13)
Mit (5.3.11) folgt daraus
(5.3.14)
Der letzte Term der ersten Summe verschwindet wegen GdPi = 0. Weiterhin wird der letzte Term
wegen der Unabhängigkeit von Ei von T als alleinige Funktion von V geschrieben.
(5.3.15)
Durch Vergleich mit der GFF finden wir:
(5.3.16)
wobei man die letzten beiden Gleichungen am einfachsten von hinten her ableitet. Durch Integration
folgt schließlich:
(5.3.17)
wobei die Integrationskonstante Null gesetzt worden ist, da nach unserer Konvention bei einem nicht
- 63 entarteten, tiefsten Niveau bei T = 0 mit P1 = 1 S = 0 entstehen muss. Der nächste Schritt ist die
nochmalige Verwendung von (5.3.11)
(5.3.18)
(5.3.19)
Es entsteht die bereits bekannte Gleichung.
Gl. (5.3.17) bildet die Ausgangsgleichung für die Herleitung der schon aus der PC I bekannten
Gleichung
(5.3.20)
Zur Herleitung dieser Gleichung gehen wir etwas unorthodox von ihr aus (jeder Schritt ist auch
rückwärts ausführbar).
(5.3.21)
Schreibt man in (5.3.17) die Pi aus
(5.3.22)
und berücksichtigt, dass (5.3.21) für ein Supersystem und (5.3.22) für ein System gilt, so ist (5.3.20)
nachgewiesen.
Gl. (5.3.20) wird meistens anders gesehen. Im kanonischen Ensemble ist die Gesamtenergie EG eine
Konstante. Die unterschiedlichen quantenmechanischen Zustände dieses Supersystems sind nichts
anderes als die Entartung dieses Systems auf dem Energieniveau EG. W kann daher auch als Entartung
eines Systems mit gegebener Energie gesehen werden.
Gl. (5.3.20) geht auf Boltzmann zurück; explizit wurde sie jedoch von ihm nicht angegeben. Sie wurde
ihm auf seinen Grabstein auf dem Zentralfriedhof in Wien gemeißelt, wo er unweit von Beethoven,
Brahms, Mozart, Schubert und J. Strauss 1906 beerdigt wurde.
Nachdem jetzt die Entropie phänomenologisch und statistisch eingehend behandelt wurde, soll noch
einmal das Problem der Nullpunktsentropie kurz diskutiert werden. Alle Gleichungen, mit denen die
Entropie absolut berechnet werden kann, sind die Lösungen von Differenzialgleichungen (die GFF,
dQrev/T, (5.3.1) - (5.3.5), (5.3.16) - (5.3.17) und damit auch (5.3.20)). Die Lösungen dieser Differenzialgleichungen enthalten eine frei wählbare Konstante - die Nullpunktsentropie. Die in der PC I
beschriebenen Messungen und die Form von (5.3.20) legen es nahe, die Entropie eines idealen
Kristalls bei 0 K Null zu setzen, ein "Muss" ist dieses jedoch nicht.
5.4 Andere Zustandsgrößen
Aus der Inneren Energie und der Entropie ist direkt die Freie Energie zugänglich
(5.4.1)
(5.4.2)
Die Zustandssumme ist also ein Maß für F/kT.
- 64 Wegen
(5.4.3)
folgt mit (5.4.2)
(5.4.4)
Für die Größen H und G wird das Produkt pV benötigt.
(5.4.5)
Damit wird G:
(5.4.6)
und H
(5.4.7)
(5.4.8)
Als letzte Größe wollen wir das chemische Potenzial berechnen. Wir hatten bei der Berechnung von
Z aus z bisher angenommen, dass die Systeme aus einer Teilchensorte bestehen. Die Gleichungen zur
Berechnung der Zustandsgrößen aus Z bleiben auch für Mischungen richtig; der Zusammenhang
zwischen Z und z muss jedoch für Mischungen modifiziert werden.
Das chemische Potenzial für eine reine Substanz stimmt mit der Freien Enthalpie für 1 mol überein.
Für diesen Fall ist also das chemische Potenzial ohne Schwierigkeiten zu berechnen. Als nächstes
wollen wir uns den Zusammenhang zwischen Z und z für eine Mischung idealer Gase, d. h. nicht
wechselwirkender Teilchen, ansehen. Das Analogon zu Gl. (5.2.4) enthält dann im Exponenten beide
Teilchensorten a und b
(5.4.9)
Für den Fall der Ununterscheidbarkeit der Teilchen innerhalb jeder Sorte ist noch durch die Fakultät
der entsprechenden Teilchenzahl zu teilen:
(5.4.10)
Zur Berechnung des chemischen Potenzials dieser Mischung geht man am besten von der Freien
Enthalpie aus, da in diesem Fall bei der Ableitung die Definitionsgrößen des thermodynamischen
Systems V und T konstant gehalten werden. Zusätzlich weist die Freie Energie den einfachsten
Zusammenhang mit Z auf.
- 65 -
(5.4.11)
Im Gegensatz zur Phänomenologischen Thermodynamik ist es in der Statistischen Thermodynamik
üblich, das chemische Potenzial auf ein Teilchen und nicht auf 1 mol zu beziehen. Beide Größen
hängen über die Avogadrosche Konstante als Faktor zusammen.
(5.4.12)
(5.4.13)
Diese Gleichung wird bei der Berechnung von Gleichgewichtskonstanten für das MWG benutzt
werden.
- 66 -
6 Translationszustandssumme für ideale Gase
Die Berechnung der Translationszustandssumme gibt uns die Möglichkeit, die thermodynamischen
Daten eines einatomigen, idealen Gases, d. h. z. B. für die Edelgase, zu berechnen. Aus der Quantenmechanik sind die Energieniveaus eines Teilchens der Masse m in einem rechtwinkligen Kasten mit
unendlich hohen Potenzialwänden bekannt.
(6.1)
wobei a, b und c die Kastenlängen in x-, y- bzw. z-Richtung sind. Die Quantenzahlen nx, ny und nz
dürfen die Werte 1, 2, 3, . . . annehmen. Die Zustandssumme z ist daher
(6.2)
Die Summen dürfen durch Integrale ersetzt werden, falls die Änderungen der Summanden zwischen
zwei nx-Werten klein sind. Dazu untersuchen wir folgendes Beispiel: 1 mol Argon bei 273 K in einem
Kubus von 1 m Kantenlänge. Gl. (6.1) geht dann über in
(6.3)
Aus der Phänomenologischen Thermodynamik wissen wir, dass die mittlere Teilchenenergie bei 3/2
kT liegt, d. h. das mittlere n2 beträgt nach (6.3)
(6.4)
(6.5)
Das mittlere n beträgt daher 4,8@1010. Das Verhältnis Q zweier aufeinander folgender Summanden
wächst mit n und beträgt beim mittleren n
(6.6)
Wir dürfen daher statt der Summation eine Integration durchführen. Als untere Integralgrenze darf 0
benutzt werden. Der Integrand ist dort 1; die nächsten nx ergeben jedoch auch eine 1, so dass die
zusätzliche 1 einen vernachlässigbaren Fehler bewirkt (implizit ist dieses auch bereits in der Abschätzung mit Gl. (6.6) enthalten).
(6.7)
Das erste Integral wird durch die Substitution
- 67 -
(6.8)
gelöst
(6.9)
Insgesamt entsteht daher
(6.10)
Die System-Translationszustandssumme für 1 mol ununterscheidbarer Teilchen beträgt daher
(6.11)
Für die Berechnung der Zustandsgrößen benötigen wir ln Z
(6.12)
wobei die Stirlingsche Näherungsformel verwendet wurde. Eine Umrechnung ergibt
(6.13)
Für die Ableitung nach T darf dieses umgeschrieben werden in
(6.14)
(6.15)
(6.16)
(6.17)
Dieses Ergebnis stimmt nach PC I, Kap. 9.1.1 mit den experimentellen Beobachtungen überein. Daher
dürfen wir jetzt mit Einschränkungen feststellen, dass die Annahme $ = 1/kT korrekt war. Auf etwas
sicheren Beinen als Nachweis für diese Annahme steht folgende Argumentation. Das Produkt pV
wurde bereits in Gl. (5.4.5) als Funktion von Z berechnet. Mit Z gemäß Gl. (6.13) und NA = N erhält
man
(6.18)
und schließlich
- 68 (6.19)
d. h. die ideale Gasgleichung. Wir rechtfertigen daher die Annahme $ = 1/kT durch Reproduktion der
Definitionsgleichung für die gasthermometrische Temperatur.
Als nächstes wollen wir die Entropie berechnen.
(6.20)
(6.21)
Das ist die Gleichung von Sackur und Tetrode. Sie gestattet die Berechnung der Entropie von
Edelgasen mit hoher Genauigkeit. Dazu soll folgendes Beispiel gerechnet werden: 1 mol Argon bei 1
atm und 25 C. Argon ist weitgehend ein Reinelement (99,6 % 40Ar), so dass keine Probleme durch die
unterschiedlichen Isotope zu befürchten sind. Für m wird die mittlere Atommasse verwandt.
Dieses ist bis zur letzten Stelle der Wert, den wir im Tabellenanhang von PC I für Argon finden. Das
ist kein Zufall; mit großer Wahrscheinlichkeit wurde der Tabellenwert für Argon auch gerechnet.
Offensichtlich ist es aber möglich, mit Hilfe der Sackur-Tetrode-Gleichung die Entropie eines idealen,
einatomigen Gases mit der Genauigkeit der eingehenden Naturkonstanten zu berechnen.
Um die Naturkonstanten nicht immer einsetzen zu müssen, soll die Sackur-Tetrode-Gleichung
entsprechend umgeformt werden. Dazu wird in Gl. (6.21) V mit Hilfe der idealen Gasgleichung
entfernt
(6.22)
(6.23)
M ist die molare Masse in g/mol
T ist die absolute Temperatur in K
p ist der Druck in atm
Das Argonbeispiel ergibt
Als letzter Punkt der Entropiediskussion soll die Abhängigkeit der Entropie von der Stoffmenge
untersucht werden. Wird Gl. (6.20), 1. Zeile nicht für 1 mol in V sondern für n mol in nV hergeleitet,
so ist das Glied 3R/2 mit n zu multiplizieren und der Vorfaktor vor dem Logarithmus kNA ist auch mit
n zu multiplizieren; innerhalb des Logarithmus hebt sich die Stoffmengenabhängigkeit heraus. Die
- 69 Entropie ist daher korrekt proportional zu Stoffmenge.
Wäre dagegen die Division durch N! in Gl. (5.2.5) nicht eingeführt worden, so würde der Nenner NA
im Logarithmus fehlen. Dieses würde dazu führen, dass bei einer Systemverdopplung, d. h. 2n in 2V,
ein zusätzlicher Faktor 2 im Logarithmus entstünde. Genau diese Schwierigkeit hat zu der Argumentation mit der Ununterscheidbarkeit der Teilchen geführt.
Mischt man dagegen zwei unterschiedliche ideale Gase 1 und 2, so gilt nach Gl. (5.4.10) für die
Mischung
(6.24)
wobei sich z1,m auf die Mischung bezieht; z1 dagegen auf das ungemischte System. Mit (5.3.5) und
U = U1 + U2 folgt daraus:
(6.25)
Die Mischungsentropie ist der nichtadditive Anteil der Entropie
(6.26)
Für 1 mol der Mischung finden wir mit
(6.27)
das bereits aus der Phänomenologischen Thermodynamik bekannte Ergebnis (I 12.2.4). Der Übergang
auf eine beliebig große Anzahl von Mischungskomponenten ist hier leicht zu überblicken.
Schließlich wollen wir noch die im Kap. 5.2 benutzte Annahme untersuchen, dass bei einem Gas unter
den üblichen Bedingungen immer sehr viel mehr "erreichbare" Niveaus vorhanden sind als Teilchen.
Wir schreiben Gl. (6.3) für die Translationsniveaus in einem Kubus etwas um:
(6.28)
nx, ny und nz werden jetzt in einem Oktanten eines nx, ny, nz-Koordinatensystems als Punkte mit
ganzzahligen nx, ny und nz aufgetragen (siehe auch die entsprechende Abb. in Kap. 10.2). Alle Punkte
in diesem Oktanten mit Ausnahme der Seitenflächen wegen nx, ny, nz … 0 stellen daher Energieniveaus
dar. Die Punkte bilden ein Gitter. Jeder Gitterwürfel weist ein Volumen von 1 auf. Für eine vorgegebene Energiegrenze gmax ergibt daher das Volumen des Kugeloktanten mit dem Radius R
(6.29)
die Zahl aller Energieniveaus mit g # gmax. Die Zahl Ng dieser Niveaus ist daher
(6.30)
Setzt man jetzt gmax . 3kT/2, so folgt
- 70 (6.31)
Für 1 mol Argon bei 273 K in 1 m3 finden wir
Diese Zahl ist groß im Vergleich zur Avogadroschen Konstante. Selbst bei höheren Drücken und
tiefen Temperaturen ist dieses immer noch der Fall. Bei tiefen Temperaturen stellt dann auch der
Dampfdruck eine Obergrenze für den Druck dar. Schließlich gelten die hergeleiteten Gleichungen
sowieso nur für ideale Gase.
- 71 -
7 Rotationszustandssumme für ideale Gase
7.1 Allgemeines
Wir betrachten die mit der Quantenmechanik berechenbaren Energieniveaus eines vielatomigen
Moleküls in einer idealen Gasphase, d. h. ohne zwischenmolekulare Wechselwirkungen. An und für
sich hätten wir die Schrödinger-Gleichung für dieses Molekül zu formulieren und zu lösen. Auch
dieses Problem ist - obwohl einfacher als ein System mit vielen Atomen bzw. Molekülen - sehr
komplex. Die Quantenmechanik und experimentelle Ergebnisse zeigen, dass das Molekül eine Reihe
von Energieniveaus aufweist, die unterschiedlichen Bewegungsformen des Gesamtmoleküls, der
Kerne und der Elektronen zugeordnet werden können. Die Translationsniveaus liegen so dicht, dass
die Translationsübergänge )gtrans unter den üblichen experimentellen Bedingungen nicht aufgelöst
werden können. Die Rotationsübergänge )grot lassen sich mit elektromagnetischer Strahlung im
Mikrowellenbereich (8 . 0,2 mm) anregen, Schwingungsübergänge )gvib mit 8 . 5 :m und die
elektronische Anregung liegt bei etwa 0,1 - 500 nm. Schließlich gibt es noch die mit der Quantenmechanik nicht beschreibbaren Kernübergänge bei 8 . 0,1 pm.
Die Struktur der Schrödinger Gleichung erlaubt nun i. a. eine Separation dieser Bewegungsformen. Z.
B. wird der Translationsanteil separiert, indem die Schrödinger-Gleichung in Schwerpunktskoordinaten geschrieben wird und die Bewegung des Molekülschwerpunkts als Bewegung eines Massepunkts
in einem Potenzialkasten betrachtet wird. Diese Separation ist immer möglich, wenn der Potenzialkasten wesentlich größer als die Moleküldimension ist. Dieses führt zu der bereits beschriebenen
Behandlung der Translationszustandssumme. Im nächsten Schritt schreibt man die Schrödingergleichung in einem mit dem Molekül rotierenden Koordinatensystem auf. Die Molekülrotation führt zu
den Rotationsniveaus und wird quantenmechanisch als Rotation eines starren Körpers behandelt.
Diese Separation kann zu Fehlern führen, wenn bei "weichen" Molekülen die Rotation zu einer
Vergrößerung des Trägheitsmoments führt (Zentrifugaldistorsion). Der letzte Schritt ist die Separation
der Kern- und Elektronenbewegungen (Born-Oppenheimer-Näherung). Es wird angenommen, dass
sich die Elektronen aufgrund ihrer geringeren Masse erheblich schneller bewegen als die Kerne. Man
löst daher die Schrödinger-Gleichung für fixierte Kerne. Bei den Molekülschwingungen treten die so
berechneten Energien als Potenziale auf, welche die rücktreibenden Kräfte bei einer Molekülschwingung bewirken. Diese Separation kann bei Molekülen mit sehr niedrig liegenden elektronischen
Anregungsniveaus Schwierigkeiten machen. Hoch angeregte Molekülschwingungen können auch
Veränderungen der Molekülgeometrie ergeben, wodurch die Separation der Rotationsanteile dann
verhindert wird.
In der Sprache der Quantenmechanik bedeutet die Separation eine Auftrennung des Hamiltonoperators
entsprechend
(7.1.1)
und damit
(7.1.2)
Diese Additivität der Energieniveaus führt zu den charakteristischen Gasphasenspektren der Moleküle,
in denen auf jeder elektronischen Anregungsbande - falls nicht durch ein Verbot unterdrückt zusätzlich die Schwingungsniveaus aufgesetzt sind ("Schwingungsprogression"), auf die noch - bei
genügend kleinen Molekülen beobachtbar - die Rotationsniveaus aufgesetzt sind.
Die Additivität der Energieniveaus nach Gl. (7.1.2) führt zu einer drastischen Vereinfachung der
Zustandssumme komplexer Moleküle
(7.1.3)
- 72 (7.1.4)
d. h. wir müssen nicht die sehr komplexe Zustandssumme über die Gesamtenergie des Moleküls
berechnen, sondern dürfen diese Berechnung in separierter Form durchführen.
Für die Systemzustandssumme gilt:
(7.1.5)
Der N!-Term wird üblicherweise zur Translationszustandssumme geschlagen und ist auch dort bereits
im vorherigen Kapitel verrechnet worden.
7.2 Lineare Moleküle
Für linear aufgebaute Moleküle sind die Rotationsniveaus quantenmechanisch relativ einfach zu
berechnen.
(7.2.1)
I ist das Trägheitsmoment für die Rotation um die Normale zur Moleküllängsachse und J die Rotationsquantenzahl mit den erlaubten Werten 0, 1, 2, . . . Jeder Rotationszustand ist (2J + 1)-fach
entartet, da es zu jedem J 2J+1 (m = -J, -(J-1), . . . . ,(J-1), J) linear unabhängige Wellenfunktionen
gibt, die man als unterschiedliche Richtungen der Rotationsachse im Raum ansehen kann. Daher gilt
für die Rotationszustandssumme:
(7.2.2)
Zur Abkürzung führen wir die charakteristische Temperatur 1 ein:
(7.2.3)
(7.2.4)
J läuft über die ganzen Zahlen von 0 bis 4, falls dem nicht Verbote entgegenstehen.
Um die Berechnungen nicht unnötig zu komplizieren, wollen wir uns zuerst auf zweiatomige
Moleküle beschränken.
7.2.1 Heteronukleare zweiatomige Moleküle
Für heteronukleare zweiatomige Moleküle AB gibt es keine Einschränkung für die Rotationsquantenzahlen. Da die Summe in (7.2.4) nicht geschlossen angegeben werden kann, müssen wir als
nächstes die Frage diskutieren, ob wie bei der Translation die Summe durch ein Integral ersetzt werden
darf. Dieses hängt vom Verhältnis der Temperatur zur charakteristischen Temperatur ab, die für einige
Moleküle in der untenstehenden Tabelle aufgeführt ist. Wir benötigen zrot bei einer bestimmten
Temperatur (nicht etwa ein Integral von 0 bis 4) und müssen daher wie bei der Translation feststellen,
wie groß die Änderung der einzelnen Summanden bei dieser Temperatur ist. Wir untersuchen
folgenden Fall: 1 = 2,73 K und T = 273 K. Die Summanden sind:
- 73 -
Molekül
1/K
J
f(J)
HD
65,6
0
1
OH
27
1
2,94
HF
30
2
4,71
HBr
12,1
3
6,21
NO
2,4
4
7,37
CO
2,8
5
8,15
6
8,54
7
8,56
8
8,27
9
7,72
10
6,99
Die nebenstehende Tabelle zeigt die Summanden in Abhängigkeit von J. Die Verhältnisse liegen hier
längst nicht mehr so günstig wie bei der Translation. Die großen Summanden bleiben etwa konstant.
Bei den Summanden für kleine J ist die Änderung zwar groß, sie tragen aber wenig zur Summe bei.
Weiterhin hebt sich durch die unterschiedlichen Krümmungen ein Teil der Fehler heraus. Wir ersetzen
daher bei genügend hohen T/1 die Summe durch das Integral
(7.2.1.1)
Das Integral wird mit der Substitution
(7.2.1.2)
gelöst.
(7.2.1.3)
Für 1 mol finden wir für die Innere Energie
(7.2.1.4)
(7.2.1.5)
und für die Molwärme
(7.2.1.6)
Bei niedrigeren T/1-Werten kann eine Reihenentwicklung für die Zustandssumme anstelle von Gl.
- 74 (7.2.1.3) verwendet werden. Da die Herleitung langwierig ist, wird das Ergebnis ohne Nachweis
angegeben:
(7.2.1.7)
d. h. bei 1/T = 0,01 beträgt der Fehler von zrot nur 0,3 %.
Bei Gasen mit hohen charakteristischen Temperaturen darf bei tiefen Temperaturen weder
(7.2.1.3) noch (7.2.1.7) verwendet werden, sondern es ist (7.2.4) direkt zu verwenden. Die
zweifache Ableitung des ln Z zur Berechnung von
cL ist leider relativ aufwändig. Abb. 32 zeigt einige Messwerte und die berechnete Kurve für HD,
wobei die Übereinstimmung sehr gut ist. Insbesondere ist das Auftreten eines Maximums in der
Nähe der charakteristischen Temperatur bemerkenswert.
Auch ohne Formeln sieht man den Grund für den
Abfall des rotatorischen Anteils bei tiefen Temperaturen schnell ein. Ist 1 groß und T klein, so ist
Abb. 32 Rotationsanteil der Molwärme von HD der Exponent in (7.2.4) für J … 0 eine negative
große Zahl. Der Anteil dieser Summanden in Z
bei tiefen Temperaturen
verschwindet daher. Es verbleibt nur der Term
mit J = 0, der für den Faktor vor dem Exponentialglied 1 und im Exponenten 0 ergibt. Daher ist zrot = 1
und liefert nach (7.1.5) keinen Beitrag für die Gesamtzustandssumme und die Molwärme.
7.2.2 Homonukleare zweiatomige Moleküle
Die Behandlung der homonuklearen, zweiatomigen Moleküle ist erheblich schwieriger, da nicht alle
Rotationsquantenzahlen erlaubt sind. Nach den Ausführungen über die Separierbarkeit des Hamiltonoperators kann die Wellenfunktion des Moleküls in ein Produkt der Form
(7.2.2.1)
zerlegt werden, wobei REl. den elektronischen Anteil der Wellenfunktion enthält und alle anderen Teile
der Wellenfunktion (Translationsfunktion, Rotationsfunktion, Schwingungsfunktion, Kernspinfunktion) in RKern integriert sind. Eine Kernvertauschung beeinflusst nun die Rotations- und die
Kernspinfunktion und führt zu einer Auswahlregel für die Rotationsquantenzahlen (nur gerade oder
nur ungerade). Zusätzlich wird der Fall dadurch kompliziert, dass z. B. für das Wasserstoffmolekül
zwei Sorten mit unterschiedlichem Gesamtkernspin (ortho- und para-Wasserstoff) existieren.
Da wir hier nicht zu Spezialisten für die Eigenschaften homonuklearer, zweiatomiger Moleküle bei
tiefen Temperaturen werden wollen, soll hier nur das Ergebnis dieser Überlegungen für hohe Temperaturen mitgeteilt werden (näheres z. B. bei Eucken, Lehrbuch der chemischen Physik, Band II,1, Kap.
IV). Das in Gl. (7.2.1.3) aufgeführte Ergebnis für die Rotationszustandssumme ist für den homonuklearen Fall durch zwei Faktoren zu modifizieren.
1) Liegt eine Entartung durch unterschiedliche Kernspinfunktionen vor, so ist dieses als Faktor gK in
der Zustandssumme zu berücksichtigen. Dieses ist auch ohne eine große Theorie einsichtig und
entspricht einfach dem gj in (5.2.1). So ist z. B. beim H2 gK = 4 wegen "", "$ ± $", $$ und beim 16O2
gilt gK = 1 wegen I = 0. In (7.2.1.3) ist der Anteil der Kernspinfunktion nicht enthalten. Soll dieser
Anteil in die Rotationszustandssumme integriert werden, so ist auch diese mit gK zu multiplizieren.
2) Wegen des Verbots der geraden bzw. ungeraden Rotationsquantenzahlen in Abhängigkeit von der
Symmetrie der Kernspinfunktion ist die Rotationszustandssumme durch die Symmetriezahl F zu
- 75 teilen.
Für hohe Temperaturen gilt daher
(7.2.2.2)
F gibt die Anzahl der Kernvertauschungsmöglichkeiten durch Molekülrotationen an. Da nun bei
heteronuklearen Systemen F = 1 und bei homonuklearen F = 2 gilt, darf (7.2.2.2) anstelle von (7.2.1.3)
für beide Fälle benutzt werden.
Bei der Berechnung der thermodynamischen Größen u und cL gehen nur die Ableitungen des Logarithmus von Z ein. gK und F beeinflussen daher diese beiden Größen nicht. Die Entropie wird jedoch
wegen des Gliedes ln Z geändert. Für 1 mol gasförmiger Rotatoren ist R ln gK/F zu addieren. Im
Kristall bei 0 K bleibt nun die Entartung durch gK erhalten. Üblicherweise wird jedoch die Entropie
der kristallinen Substanzen bei 0 K Null gesetzt, d. h. die experimentellen Werte enthalten das Glied
R ln gK nicht. Wir werden daher auch in der Theorie dieses Glied fallenlassen. Nur bei Kernumwandlungen werden dadurch Probleme entstehen.
Die allgemeinen Gleichungen für den rotatorischen Anteil für u, cL und s eines zweiatomigen Moleküls sind daher bei genügend hohen Temperaturen
(7.2.2.3)
(7.2.2.4)
(7.2.2.5)
(7.2.2.6)
Diese Gleichungen lassen sich auch für den allgemeinen Fall der linearen Moleküle aus folgenden
Gründen verwenden. Ist das Molekül unsymmetrisch aufgebaut (HCN), so gibt es keine Auswahlregel
für J. Daher gelten (7.2.2.3) - (7.2.2.6) mit F = 1. Im Falle symmetrisch aufgebauter linearer Moleküle
(HCCH) gelten die gleichen Auswahlregeln für die Rotationsquantenzahlen wie für die zweiatomigen
Moleküle. Daher gelten auch hier (7.2.2.3) - (7.2.2.6) mit F = 2.
Als Beispiel soll die Entropie von Stickstoff bei 25 C und 1 atm berechnet werden. Stickstoff eignet
sich für eine derartige Berechnung besonders gut, da wegen der hochfrequenten Streckschwingung des
N2 der vibratorische Anteil zur Entropie besonders klein ist. Stickstoff ist weitgehend ein Reinelement
(99,63 % 14N), so dass weder beim translatorischen noch beim rotatorischen Anteil bei Verwendung
mittlerer Massen Schwierigkeiten zu befürchten sind. Der translatorische Anteil ist nach (6.23)
und der rotatorischen Anteil wird mit
- 76 -
Die Entropie des Stickstoffs sollte daher insgesamt s = 191,44 J K-1 mol-1 betragen. Aus dem Tabellenanhang zur PC I entnimmt man s = 191,50 J K-1 mol-1, d. h. auch in diesem Fall ist die Übereinstimmung sehr gut.
7.3 Nichtlineare Moleküle
Hier sollen die Zustandssummen nichtlinearer Moleküle mit drei unterschiedlichen Trägheitsmomenten untersucht werden. Leider ist die Schrödinger-Gleichung für die Rotation entsprechender
starrer Körper nicht lösbar. Dagegen ist die Rotationsenergie eines starren Körpers mit drei verschiedenen Trägheitsmomenten im Rahmen der klassischen Mechanik einfach darstellbar:
(7.3.1)
wobei IA, IB und IC die drei Hauptträgheitsmomente des Körpers und TA, TB und TC die Winkelgeschwindigkeiten um die Achsen der Hauptträgheitsrichtungen sind.
Auch für die Zustandssumme gibt es ein Analogon in der klassischen Mechanik, das Zustandsintegral
der klassischen Mechanik. Da eine Diskussion dieses Zustandsintegrals die Kenntnis der Hamiltonfunktion voraussetzt, soll hier nur das Endergebnis für gK = 1 angegeben werden.
(7.3.2)
Vergleicht man diesen Ausdruck mit dem für zwei gleiche Trägheitsmomente gültigen Ausdruck (7.2.2.2) unter Verwendung
von (7.2.3), so stellt (7.3.2) nur eine Erweiterung auf drei unterMolekül
F
schiedliche Trägheitsmomente mit einem neu dazugekommenen
Faktor B½ dar. F hat die bereits bekannte Bedeutung: Es stellt
HCl
1
die Zahl der durch Molekülrotationen möglichen VertauschunN2
2
gen dar (siehe nebenstehende Tabelle). Beim NH3 sind es die
Rotationen um die 3-zählige Achse. Beim CH4 ist die BerechH2O
2
nung schwieriger. Die Zahl aller möglichen Vertauschungen der
NH3
3
H wäre 4!. Dabei werden dann aber auch Vertauschungen gezählt, die sich nicht durch Rotationen allein erreichen lassen, da
C6H6
12
das Molekül spiegelverkehrt entsteht. Es sind daher alle VertauCH4
12
schungen zu streichen, die durch eine Spiegelung entstehen. Das
korrekte Ergebnis ist daher 4!/2. Beim Benzol entsteht die 12
durch die 6- und eine der 2-zähligen Achsen.
Der Übergang von der quantenmechanischen Zustandssumme
zum klassischen Zustandsintegral ist nur dann erlaubt, wenn T/1
genügend groß ist, wobei 1 das für den nichtlinearen Fall gültige Analogon zu (7.2.3) darstellt.
(7.3.3)
Die obige Bedingung T o 1 ist üblicherweise erfüllt. Die Moleküle müssen aus mindestens drei
Atomen bestehen, die nicht nur Wasserstoffatome sein können. Die hoch liegenden Siedepunkte
werden eine Messung bei sehr tiefen Temperaturen verhindern. Wegen der großen Trägheitsmomente
wird 1 klein sein. Gl. (7.3.2) darf daher bei allen, real existierenden Gasen angewendet werden.
Der rotatorische Anteil für die Innere Energie beträgt daher
- 77 -
(7.3.4)
(7.3.5)
(7.3.6)
Dieses stimmt mit dem bereits aus der PC I bekannten Rezept überein: Jeder molekulare Freiheitsgrad
ergibt für cL einen Anteil von R/2.
Der rotatorische Anteil zur Entropie ergibt sich nach (5.3.5) zu
(7.3.7)
(7.3.8)
Als Beispiel soll die Entropie von SO2 unter Standardbedingungen (1 atm, 25 C) berechnet werden.
Bezüglich der Isotopenreinheit liegen die Verhältnisse beim SO2 ungünstiger als bei den vorstehenden
Verbindungen (95,00 %32S, 4,22 % 34S und 0,78 % 33S). Da erfahrungsgemäß die Verwendung
mittlerer Massen zu guten Ergebnissen führt und sonst die Rechnung sehr aufwändig werden würde,
soll hier mit mittleren Massen gerechnet werden. Der Translationsbeitrag ist nach (6.23)
Für die Berechnung des Rotationsbeitrages werden die Hauptträgheitsmomente benötigt. In Abb. 33 sind die Geometrie des
SO2-Moleküls und die Hauptträgheitsachsen angegeben. Die Lage
der Hauptträgheitsachse B fällt mit der 2-zähligen Achse des
Moleküls zusammen. Die beiden anderen Achsen müssen in den
Spiegelebenen des Moleküls liegen und durch den Schwerpunkt
gehen. Da die molaren Massen von S und O2 fast übereinstimAbb. 33 Geometrie des SO2-Mo- men, liegt der Schwerpunkt fast genau auf der Mitte der Höhe der
O-O-Verbindungslinie nach S. Die genaue Berechnung der Trägleküls
heitsmomente Gmiri2 ergibt mit der mittleren Molmasse:
IA = 1,386@10-46; IB = 8,143@10-46; IC = 9,529@10-46 kg m2
Damit wird der Rotationsbeitrag:
- 78 Die Gesamtentropie sollte daher
betragen. Im Tabellenanhang zur PC I findet man jedoch 248,10 J K-1mol-1 für SO2. Diese Differenz
ist weitgehend auf den noch nicht berücksichtigten Anteil der Molekülschwingungen zurückzuführen
(siehe nächstes Kapitel).
- 79 -
8 Schwingungszustandssumme für ideale Gase
8.1 Zweiatomige Moleküle
In einem zweiatomigen Molekül gibt es nur eine mögliche Schwingung. Die quantenmechanische
Behandlung der harmonischen Schwingung führt zu folgenden Energieniveaus:
(8.1.1)
n ist die Schwingungsquantenzahl, < ist die klassische Schwingungsfrequenz (und gleichzeitig die
Frequenz des absorbierten Lichts bei einem Übergang mit )n = 1). Bei Schwingungen mit kleinen
Schwingungsquantenzahlen kann i. a. davon ausgegangen werden, dass die Schwingung harmonisch
ist, d. h. dass die rücktreibende Kraft proportional zur Auslenkung aus der Gleichgewichtslage ist. Bei
höher angeregten Schwingungen ist dieses i. a. nicht mehr der Fall. Anstelle von (8.1.1) müssen dann
Ausdrücke mit höheren Potenzen von n verwendet werden. Der ' dient nur dazu, die so eingeführten
g'-Werte von später eingeführten g-Werten mit einem verschobenen Energieskalennullpunkt zu
unterscheiden. Die Zustandssumme ist daher
(8.1.2)
Unser bisher angewendetes Verfahren, die Summe durch ein Integral zu ersetzen, ist hier nicht mehr
erlaubt. Für eine Schwingung mit einer Absorptionswellenlänge von 8 = 5 :m wird
Zwei aufeinander folgende Glieder der Summe verhalten sich wie 1 : e-9,6. Die Verwendung der
Integration ist in diesem Fall auch unnötig, da die Reihensumme dieser unendlichen geometrischen
Reihe mit dem Quotienten q = exp(-h</kT) leicht berechnet werden kann.
(8.1.3)
An dieser Stelle ist eine Diskussion der Energieskala, auf der g gemessen wird, notwendig. Welche
Aussage macht eigentlich Gl. (6.16)? Damit ist offensichtlich nicht die gesamte Innere Energie des
einatomigen, idealen Gases gemeint, sondern - wie der Index zeigt - nur der translatorische Anteil. Die
entsprechende Entropiegleichung (6.21) ist aber offensichtlich vollständig, wie durch den Vergleich
mit dem Experiment festgestellt worden war und wie die Diskussion zu Gl. (8.1.18) zeigt.
Die Energieniveaus g sind auf einer für alle Atome bzw. Moleküle gemeinsamen Energieskala zu
messen, über deren Nullpunkt jetzt befunden werden soll. Eine Wahl wäre: Dem Vakuum wird die
Energie g = 0 zugeordnet. 1) Es werden die Elementarteilchen erzeugt. 2) Die Atomkerne werden
gebildet. 3) Die isolierten Atome bzw. Moleküle bei 0 K werden gebildet. 4) Den Atomen bzw.
Molekülen werden die translatorischen Energien usw. zugefügt. Dieses Verfahren hat den schwerwiegenden Nachteil, dass der Schritt 2) heute mit keiner Theorie mit ausreichender Genauigkeit
zugänglich ist.
Erheblich günstiger ist es, den Energieskalennullpunkt g = 0 wie folgt zu definieren: Die Atomkerne
und die Elektronen befinden sich isoliert bei 0 K. Daraus werden isolierte Atome bzw. Moleküle bei
0 K gebildet, welche die Nullpunktsenergie für die Schwingung oder die Schwingungen aufweisen.
Die bei diesem Schritt auftretenden Energieänderungen go sind prinzipiell mit quantenmechanischen
Methoden berechenbar. Es ist nun zu untersuchen, welche Auswirkung diese Definition des Skalennullpunkts auf die Gleichungen der Statistischen Thermodynamik hat. Anstelle von (7.1.2) gilt daher
(8.1.4)
- 80 Weiter verfahren wird entsprechend (7.1.3ff)
(8.1.5)
(8.1.6)
Bei ztrans ist der Skalennullpunkt das nicht erlaubte Niveau mit nx = ny = nz = 0, bei zrot ist es das mit
J = 0. Bei zvib ist die Lage anders, da wir die Schwingungsnullpunktsenergie - verabredungsgemäß und
nur deswegen - bereits in go berücksichtigt haben. Wir definieren daher ohne den Strich
(8.1.7)
(8.1.8)
wobei das heute übliche Symbol für die neu eingeführte Größe
(8.1.9)
leider schlecht gewählt wurde.
Die Innere Energie wird daher ohne den elektronischen Term
(8.1.10)
Den ersten Term werden wir zukünftig mit uo bezeichnen. Er stellt die quantenmechanisch berechenbare Energie eines Mols isolierter Moleküle mit der Schwingungsnullpunktsenergie bei 0 K
bezogen auf die isolierten Atomkerne und Elektronen bei 0 K dar. Wenn man beachtet, dass x von T
abhängt, ergibt der letzte Term :
(8.1.11)
(8.1.12)
Für die Innere Energie finden wir daher
(8.1.13)
- 81 -
(8.1.14)
An dieser Gleichung kann man sehr schön das "Auftauen" eines Schwingungsfreiheitsgrades sehen.
Ist x >> 1, d. h. h< >> kT, so wird der Exponentialterm sehr groß und der Beitrag der Schwingung zur
Inneren Energie wird sehr klein. Ist umgekehrt x << 1, d. h. h< << kT, so darf der Exponentialterm in
eine Reihe entwickelt werden, die nach dem ersten Glied abgebrochen wird.
(8.1.15)
d. h. der Schwingungsfreiheitsgrad ergibt den vollen Beitrag von RT zur Inneren Energie.
Als nächstes soll die Molwärme berechnet werden.
(8.1.16)
(8.1.17)
Für x 6 0 findet man wie erwartet cL = 7/2@R.
Bei der Entropie spielt die Verschiebung des Skalennullpunkts der g keine Rolle, da in
(8.1.18)
im 1. Term ein uo/T dazukommt, im hinteren Term jedoch wegen kNAgo/kT = uo/T wieder abgezogen
wird. Wir müssen also nur den durch die Schwingung hervorgerufenen Anteil zu den bereits bekannten Gleichungen addieren.
(8.1.19)
(8.1.20)
Beispiele sollen zu den zweiatomigen Molekülen nicht gerechnet werden. Entweder ist der Beitrag
sehr klein, wie bei H2, N2 oder CO; bei anderen Molekülen wie I2 oder Cl2 machen sich Nichtidealitäten störend bemerkbar.
8.2 Mehratomige Moleküle
In der Quantenmechanik wird die Schwingung eines Moleküls in Normalschwingungen aufgespalten,
d. h. der Hamiltonoperator wird in Operatoren für die einzelnen Normalschwingungen zerlegt.
Dementsprechend ist die Schwingungsenergie die Summe der Normalschwingungsenergien.
Auch die klassische Mechanik kennt den Begriff der Normalschwingung. Jede Schwingung eines
Moleküls muss als Überlagerung der Normalschwingungen eines Moleküls darstellbar sein. Keine
Normalschwingung darf als Überlagerung anderer Normalschwingungen darstellbar sein. Die Zahl nN
der Normalschwingungen ist mit einem einfachen Verfahren bestimmbar. Die Summe der translatorischen und rotatorischen Freiheitsgrade muss zusammen mit der Zahl der Normalschwingungen
gerade die Zahl der Freiheitsgrade der das Molekül aufbauenden Atome ergeben, d. h. 3 nA, wobei nA
die Zahl der Atome im Molekül ist. Daher gilt für lineare Moleküle
(8.2.1)
- 82 und für nichtlineare Moleküle
(8.2.2)
Für ein zweiatomiges Molekül gilt daher nN = 1, d. h. es gibt eine Normalschwingung - die Streckschwingung - des Moleküls. Bei nichtlinearen dreiatomigen Molekülen gibt es drei Normalschwingungen: eine symmetrische und eine antisymmetrische Streckschwingung und eine Biegeschwingung
(siehe Berechnungen am SO2 weiter unten). Bei linearen dreiatomigen Molekülen muss es vier
Normalschwingungen geben. Auf den ersten Blick sieht man die drei Normalschwingungen des
vorigen Beispiels. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Biegeschwingung aus folgendem Grund
doppelt zu zählen ist. Legt man das Molekül in die x-Achse eines Koordinatensystems und bezeichnet
neben den Streckschwingungen diejenige Biegeschwingung, bei der das Molekül in y-Richtung
deformiert wird, als Normalschwingung, so lässt sich die entsprechende Biegeschwingung in zRichtung mit den angeführten Normalschwingungen nicht darstellen. Es gibt daher zwei entartete
Biegeschwingungen mit senkrecht aufeinander stehenden Schwingungsrichtungen und natürlich
gleicher Schwingungsfrequenz. Die Berechnung der statistischen und thermodynamischen Größen
erfolgt nach der bereits mehrfach durchgeführten Prozedur.
(8.2.3)
(8.2.4)
(8.2.5)
(8.2.6)
Zwei Beispiele sollen vorgerechnet werden.
1. SO2
Beim SO2-Molekül gibt es folgende Normalschwingungen:
Abb. 34 Normalschwingungen des SO2-Moleküls
Die folgende Tabelle enthält die Berechnung des Schwingungsanteils. Die Frequenz < und die Wellenzahl < = 1/8 hängen über c< = < zusammen. Die Summe der Schwingungsentropien beträgt daher
S = 2,866 J/K mol. Für die gesamte Entropie finden wir daher
- 83 -
</cm-1
h</kT
svib/JK-1mol-1
Das Experiment ergibt 248,11 J/K mol. Die
1151,4
5,5626
0,210
Übereinstimmung ist hervorragend, obwohl
SO2 sicher nicht vollständig ideales Verhalten
517,7
2,5011
2,5682
zeigt und Fehler bei der Vernachlässigung der
Isotopenzusammensetzung begangen worden
1361,8
6,5791
0,088
sind.
Zum letzten Punkt ist folgendes zu bemerken.
Die unterschiedlichen Isotope ergeben unterschiedliche Beiträge zur Entropie. I. a. stellt jedoch die Verwendung von mittleren molaren Massen
beim Translations- und Rotationsbeitrag und die Verwendung mittlerer Frequenzen beim
Schwingungsbeitrag eine gute Näherung dar.
2. CO2
Als zweites Beispiel soll die Entropie und die Molwärme von CO2 als linearem, dreitatomigen
Molekül bei 25 C und 1 atm berechnet werden. Hier soll auch das Vorliegen unterschiedlicher Isotope
korrekt berücksichtigt werden. Schließlich tritt bei der Berechnung des Schwingungsbeitrages eine
Besonderheit auf.
Natürliches CO2 ist eine komplexe Mischung von Molekülisotopen. Beim Sauerstoff überwiegt jedoch
das Isotop 16O so stark (99,7 %), dass die durch die anderen Isotope bewirkten Abweichungen
vernachlässigbar sind. Beim Kohlenstoff beträgt der Gehalt an 13C 1,11 %. Dieses soll bei der
Berechnung berücksichtigt werden. Dabei ist die Frage zu beantworten, wie sich eine Isotopenmischung auf die Entropie bzw. die Molwärme auswirkt. Die Mischungsentropie wird nicht berücksichtigt, da das Material, an dem die experimentelle Bestimmung durchgeführt wird, sowohl bei 0 K
als auch bei der Standardtemperatur gemischt vorliegt und die Entropie bei 0 K Null gesetzt wird. Wir
haben daher die Entropien von 12CO2 und 13CO2 zu berechnen und entsprechend dem Gehalt der
natürlichen Mischung zu mitteln.
Die Berechnung der Translationsanteile erfolgt nach Gl. (6.23). Zur Unterscheidung der Isotope wird
die Massenzahl des Kohlenstoffs als Index angefügt.
Translatorischer Anteil:
Rotatorischer Anteil:
Da das Kohlenstoffatom bei einer Drehung um die Querachse ruht, ist das Trägheitsmoment unabhängig von der Kohlenstoffmasse. Der C-O-Abstand beträgt 115,98 pm.
Schwingungsanteil:
Das CO2-Molekül weist drei Normalschwingungen auf, von denen die Biegeschwingung entartet ist.
- 84 Für das 12CO2-Molekül findet man folgende Wellenzahlen:
Abb. 35 Normalschwingungen des CO2-Moleküls
Die symmetrische Streckschwingung ist im Ramanspektrum bei etwa 1340 cm-1 zu erwarten und fällt
damit relativ genau mit der 1. Oberschwingung der Biegeschwingung (2< = 1334,6 cm-1) zusammen.
In solchen Fällen entstehen durch Wechselwirkungen - die Separierbarkeit in die Normalschwingungen ist dann aufgehoben - zwei weiter auseinander liegende Schwingungsniveaus. Durch diese sog.
Fermiresonanz entstehen beim CO2 zwei Linien bei 1388,3 und 1285,5 cm-1 (siehe Herzberg). An und
für sich müssten für derartige Fälle die Zustandssummen für den Schwingungsanteil modifiziert
werden. Dieses führt jedoch zu großen Schwierigkeiten, da dann die Bildung der Reihensumme nicht
mehr in einfacher Weise möglich ist. Sehr viel einfacher durchführbar ist folgendes Verfahren. Die
Schwingungen bei 1340 cm-1 werden sowieso nicht viel zur Entropie beitragen (siehe weiter unten).
Daher ist es erlaubt, Gl. (8.2.6) mit fiktiven, aber einigermaßen korrekten Werten für die symmetrische
Streckschwingung und die Biegeschwingung zu verwenden. Bei der Biegeschwingung ist es die 1.
Oberschwingung mit 2<, die in die geometrische Reihe passt. Bei der Streckschwingung soll der
Mittelwert der beiden Fermiresonanzen, d. h. 1337 cm-1 verwendet werden.
Die Schwingungsfrequenzen des 13CO2-Moleküls lassen sich aus denen des 12CO2-Moleküls, für die
sie zur Verfügung stehen (siehe oben), relativ einfach berechnen. Die symmetrische Streckschwingung
wird durch die Masse des Kohlenstoffatoms nicht beeinflusst. Bei den beiden anderen Schwingungen
wird wie folgt verfahren. In erster Näherung ändert sich bei beiden Schwingungen der O-O-Abstand
nicht. Die beiden Sauerstoffatome dürfen daher zu einem Pseudo-O2-Atom in der Mitte zwischen
ihnen zusammengefasst werden. Die Änderung der Schwingungsfrequenzen dieses pseudo-zweiatomigen Moleküls lässt sich über die Veränderung der reduzierten Masse
(8.2.7)
berechnen. Bei gleicher Kraftkonstante gilt
(8.2.8)
wobei :12 = 8,7273 und :13 = 9,2461 g/mol (in molaren Einheiten) beträgt.
- 85 Tab. 8.2.1 Schwingungszustandssumme für 12CO2 (oben) und 13CO2 (unten)
-
</cm-1
x
S/R
Faktor
x2 exp x /(1 - exp x)2
1337,0
6,4548
0,0117
1
0,0657
2349,3
11,3421
0,0001
1
0,0015
667,3
3,2216
0,1746
2
0,4491
G = 0,3610
E = 0,9654
1337,0
6,4548
0,0117
1
0,0657
2282,4
11,0191
0,0002
1
0,0020
648,3
3,1299
0,1878
2
0,4683
E = 0,3875
E = 1,0043
Die Gesamtentropien für die Isotope betragen daher:
Die mittlere Entropie beträgt daher:
Der experimentelle Wert von 213,69 J/K mol aus dem Anhang zur PC I befindet sich damit in bester
Übereinstimmung.
Weiterhin soll die Molwärme cL für CO2 bei der Standardtemperatur berechnet werden. Nach Gl.
(8.1.17) gilt für den translatorischen und rotatorischen Anteil unabhängig von der Masse des Kohlenstoffatoms
(8.2.9)
Der Schwingungsanteil muss nach
(8.2.10)
für die Isotope getrennt berechnet werden (siehe Tab. 8.2.1). Der gesamte Schwingungsanteil beträgt
daher
Die gesamte Molwärme sollte daher
betragen. Der experimentelle Wert von 28,82 J/K mol stimmt damit sehr gut überein. Das Fazit der
Berechnungen am SO2 und CO2 muss wohl das folgende sein: Ist die Gasphase von einfach aufgebauten Molekülen weitgehend ideal, so führt die Berechnung der Entropie, der Molwärme und - anzunehmenderweise - der Funktionen u - uo usw. zu Ergebnissen, deren Genauigkeit dem Experiment
nicht nachsteht.
- 86 -
9. Statistische Thermodynamik größerer Moleküle
Die bisherige Diskussion hat sich mit der Untersuchung der einfachsten Fälle beschäftigt. Zwei häufig
auftretende Probleme sollen hier wenigstens erwähnt werden.
Abb. 36 Energieniveaus für die Rotation einer Methylgruppe
Viele Moleküle weisen Schwingungen
bzw. Rotationen um eine Einfachbindung auf (z. B. organische Moleküle
mit einer Methylgruppe). Bei tiefen
Temperaturen liegt eine (anharmonische) Schwingung in einem flachen
periodischen Potenzial vor (schematische Abb. 36). Bei mittleren Temperaturen erfolgt eine gehinderte Rotation und bei hohen Temperaturen eine
weitgehend freie Rotation. Von der
Theorie her einfach zugänglich sind
die Fälle bei tiefen Temperaturen
(harmonische Schwingung) und bei
hohen Temperaturen. Im letzteren Fall
wird eine Rotation um eine Achse angesetzt. Ohne detaillierte Theorie sieht
man, dass dieses einem molekularen
Freiheitsgrad entspricht und daher bei
u und cL zu einem Term ½RT bzw. ½R führt.
Anregungszustände des Elektronensystems brauchen i. a. im Bereich normaler Temperaturen nicht
berücksichtigt zu werden. So ergibt ein Anregungszustand, der mit Licht von 500 nm erreicht werden
kann, entsprechend der Rechnung am Anfang von Kap. 8.1 bei Raumtemperatur eine Besetzungswahrscheinlichkeit von 1:e-96, d. h. die Zustandssumme besteht nur aus dem ersten Glied. Es gibt jedoch
Moleküle, die aufgrund ihrer Elektronenstruktur sehr niedrig liegende Anregungszustände aufweisen.
So ist z. B. beim NO durch seine ungerade Elektronenzahl der tiefste Zustand 2A1/2 (2: Multiplizität
mit S = ½, A: Bahndrehimpuls um die Molekülachse mit 7 = 1, ½: Gesamtdrehimpuls J = ½) Teil
eines Dubletts. Der obere Dublettzustand 2A3/2 liegt in der Energie nur so wenig darüber, dass seine
Anregung bereits bei 50 K deutlich bemerkbar ist. Die ausführliche Rechnung zeigt, dass ein Maximum der Molwärme cL bei ca 70 K entstehen sollte. Leider ist dieser Temperaturbereich wegen der
Kondensation des NO nicht zugänglich. Die bei höheren Temperaturen gemessenen Werte zeigen
jedoch deutlich den von der Theorie geforderten Anstieg mit abnehmender Temperatur.
Schließlich sollen noch die Grenzen der Statistischen Thermodynamik bei der Berechnung der
thermodynamischen Größen aufgezeigt werden. Für viele der bereits diskutierten Probleme, wie
Anharmonizität, Zentrifugaldistorsion, Nichtidealität, gibt es Möglichkeiten, dies durch entsprechende
Erweiterungen der Theorie angenähert zu berücksichtigen. Unlösbar wird jedoch das Problem, wenn
die Moleküle zu kompliziert aufgebaut sind. Als Beispiel soll das noch vergleichsweise einfach
aufgebaute n-Hexan-Molekül diskutiert werden. Dieses Molekül weist 3@20 - 6 = 54 Normalschwingungen auf! Diese liegen teilweise im langwelligen Bereich, so dass es im Bereich zwischen 3 und 10
:m zu einer unentwirrbaren Anhäufung von Grundschwingungen, Oberschwingungen, Kombinationsschwingungen und Fermiresonanzen im IR- und Ramanspektrum kommt. Es sind daher weder die
Frequenzen der Normalschwingungen bestimmbar, noch darf man die oben angegebenen Gleichungen
wegen der Fermiresonanzen verwenden. Die teilweise langwelligen Schwingungen ergeben große
Beiträge zur Zustandssumme, so dass grobe Näherungen zwecks Vereinfachung nicht erlaubt sind.
- 87 -
10 Kristalline Festkörper
Nach der ausführlichen Besprechung der Gase sollen jetzt die kristallinen Festkörper behandelt
werden. Wir wollen uns auf die Untersuchung der aus Elementen aufgebauten kristallinen Festkörper
beschränken; eine Ausweitung auf andere Festkörper ist in einfacher Weise möglich.
Festkörper unterscheiden sich von den Gasen dadurch, dass
1) keine Translationsfreiheitsgrade und
2) keine Rotationsfreiheitsgrade im mikroskopischen Bereich vorhanden sind sowie
3) die Atome aufgrund ihrer Ortskoordinaten unterscheidbar sind.
Von den 3N Translationsfreiheitsgraden der isolierten Atome verbleiben 3 Translations- und 3
Rotationsfreiheitsgrade des gesamten Kristalls. Bei Vernachlässigung dieser 6 Freiheitsgrade muss der
Kristall daher 3N Normalschwingungen aufweisen. Die Aufgabe der Statistischen Thermodynamik ist
es nun, die Frequenzen dieser 3N Normalschwingungen herauszufinden und daraus die Zustandssumme sowie die thermodynamischen Funktionen zu berechnen.
An dieser Stelle taucht wieder die Frage auf, wie der Nullpunkt der Energieskala, auf der die Schwingungsenergien angegeben werden sollen, festzulegen ist. Entsprechend dem im Kap. 8 angewandten
Verfahren bezeichnen wir den Zustand mit g = 0, bei dem die Atomkerne und Elektronen sich isoliert
bei 0 K befinden. Aufgabe der Quantenmechanik ist es, aus diesen Elementarteilchen die Atome (bzw.
Moleküle) zu bilden und sie bei 0 K zu einem Kristall zusammenzusetzen. Diese Energie wollen wir
mit go für ein Teilchen bzw. mit uo für 1 mol des Kristalls bezeichnen. Die Nullpunktsenergien für die
Normalschwingungen wollen wir in diesem Fall nicht in go integrieren, da die Feststellung der
Normalschwingungen und ihrer Frequenzen quantenmechanisch nicht ohne weiteres möglich ist und
ein wesentlicher Teil des statistischen Problems ist.
10.1 Einsteinsche Theorie
Ein einfaches Modell zur Berechnung der Zustandssumme wurde von Einstein vorgeschlagen. Die
wesentlichen Annahmen des Modells sind:
1) Die Schwingungen sind harmonisch.
2) Die Normalschwingungen erfolgen alle mit der gleichen Frequenz. Dies könnte man sich so
vorstellen, dass jedes Atom in drei aufeinander senkrechten stehenden Richtungen gegen den restlichen, ruhenden Kristall schwingen kann. Ist der Kristall isotrop, so sollten die Schwingungen in den
unterschiedlichen Richtungen mit gleicher Frequenz erfolgen.
Man sieht ein, dass insbesondere die Annahme 2) mit starken Mängeln behaftet ist. Die Kritik soll
jedoch bis zur Diskussion des Debyeschen Modells verschoben werden.
Mit obigen Annahmen und Gl. (8.1.2) gilt für eine Schwingung:
(10.1.1)
Für die drei Normalschwingungen eines Atoms gilt
(10.1.2)
und für die 3NA unabhängigen Normalschwingungen eines Mols Atome gilt
(10.1.3)
Wegen der Unterscheidbarkeit der Atome entfällt hier im Vergleich zu den Gasen die Division durch
NA!. Die Summation ergibt wie in Kap. 8
- 88 -
(10.1.4)
Ähnlich wie bei der Rotation und nicht wie bei der Schwingung von Molekülen in der Gasphase mit
x = h</kT - der einzige Grund dafür ist, dass es alle so machen - wird eine charakteristische Temperatur 1 eingeführt.
(10.1.5)
(10.1.6)
Zum Vergleich mit dem Experiment eignet sich besonders die Molwärme cL mit ihrem komplexen
Verlauf in Abhängigkeit von der Temperatur (Kap. I 9.1.2).
(10.1.7)
(10.1.8)
wobei - wie oben bereits definiert - die Energie des Kristalls bei 0 K ohne Schwingungsenergie mit uo
bezeichnet wurde. Die Molwärme wird durch eine weitere Differenziation erhalten.
(10.1.9)
(10.1.10)
Zuerst soll die Vorhersage bei hohen Temperaturen überprüft werden. Mit
(10.1.11)
entsprechend der Definition bei den Schwingungen der Moleküle in der Gasphase folgt
(10.1.12)
Es ist jetzt der Grenzwert dieses für x 6 0 unbestimmten Ausdrucks zu untersuchen. Ohne das
Verfahren von Bernoulli/L'Hospital bemühen zu müssen, wird die Exponentialfunktion im Nenner in
eine Reihe entwickelt und nach dem zweiten Glied abgebrochen. Für den Quotienten folgt damit 1 und
insgesamt
(10.1.13)
d. h. die Einsteinsche Theorie sagt korrekt die Dulong-Petitsche Regel (I 9.1.2.1) voraus.
Bei tiefen Temperaturen, d. h. für x 6 4, ist der Ausdruck von der Form 4/4. Man darf dann die 1 im
Nenner streichen und erhält
- 89 (10.1.14)
Das stimmt nicht mit den Experiment überein, da bei tiefen Temperaturen die Molwärme mit T 3 gehen
sollte (Debyesches T 3-Gesetz, Kap. I 9.1.2). Offensichtlich treffen die Annahmen, die zu dieser
Theorie führten, nicht zu.
10.2 Debyesche Theorie
Der wesentliche Fehler der Einsteinschen Theorie ist die Annahme einer einzigen Schwingungsfrequenz. Das führt zu einer einfachen Theorie, die deswegen auch hier vorgeführt wurde. IRspektroskopische und andere Untersuchungen zeigen jedoch, dass es ein ganzes Spektrum solcher
Schwingungen gibt. Im langwelligen Teil gibt es Schwingungen des gesamten Kristalls. Diese liefern
den wesentlichen Beitrag bei tiefen Temperaturen, da nur sie bei tiefen Temperaturen angeregt werden
können. Abb. 37 zeigt die drei langsamsten Moden. Diese Schwingungen muss man sich auf drei
Dimensionen ausgedehnt vorstellen. Die Frequenz wächst mit der Zahl der Knoten. Eine obere
Grenze für diese Frequenz ist dadurch gegeben,
dass in einer Dimension die Knotenzahl der
Atomzahl entspricht, d. h. die Atome schwingen
gerade gegenphasig. Später werden wir jedoch die
obere Grenzfrequenz als anpaßbaren Parameter
einführen.
Abb. 37 Schwingungen eines langen Quaders
Sind die Schwingungen des Kristalls unabhängig
voneinander, so darf man
(10.2.1)
ansetzen, wobei der Index l über die Schwingungen läuft und nl die Schwingungsquantenzahlen der
Niveaus der Schwingung l darstellen. ,o ist die gesamte Energie des Kristalls mit ruhenden Atomen.
Für diejenigen, die Schwierigkeiten mit dieser Formel haben, sei noch folgendes angemerkt. Man
stelle sich den Kristall als schwingungsfähiges, großes Molekül vor; die verschiedenen l entsprechen
dann den einzelnen Normalschwingungen und die nl entsprechen den normalen Schwingungsquantenzahlen und sind damit ein Maß für die Amplituden der Schwingungen. Die Zustandssumme
Z wird
(10.2.2)
wobei in den ersten beiden Zeilen die Summe über die nl eine Kurzschreibweise für die Vielfachsumme über alle n1, n2, . . , nl darstellt. Der letzte Teil der Gleichung ist im Prinzip die Quintessenz der
bereits öfter gefundenen Regel: Können die Energieterme separiert werden, so dürfen die Zustandssummen als Produkte dieser separierten Teile geschrieben werden. Weiterhin wird go durch uo ersetzt.
(10.2.3)
Analog zu Gl. (8.1.3) folgt
- 90 -
(10.2.4)
Der schwierigste Teil der Debyeschen Theorie besteht darin, festzustellen, wie viel derartiger
Schwingungen es innerhalb eines gewissen Frequenzintervalls gibt. Dazu wird der Kristall als
schwingungsfähiges Kontinuum aufgefasst. Die Schwingungen in einem Kontinuum werden durch die
als Wellengleichung bezeichnete Differenzialgleichung
(10.2.5)
beschrieben. L ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle in diesem Kontinuum und w ist die
Auslenkung aus der Gleichgewichtslage. Die Funktion w(x, y, z, t), welche die Auslenkung in
Abhängigkeit von Ort und Zeit beschreibt, kann bei der Form der Differenzialgleichung und den
Randbedingungen in ein Produkt von drei unabhängigen Funktionen der Form w(x, t) usw. zerlegt
werden. Die für diese Funktion gültige Differenzialgleichung ist
(10.2.6)
Für ein Quader mit den Längen a, b, und c mit
fest eingespannten Enden ist die Lösung in einer
Dimension:
(10.2.7)
Dieses lässt sich durch das weiter unten beschriebene Einsetzen von (10.2.7) in die Differenzialgleichung zeigen.
Die feste Einspannung der Quaderenden macht
die mathematische Formulierung der Lösung einfacher und übersichtlicher. Die nx sind ganze Zahlen 1, 2, 3,...... Durch Einsetzen der Lösung in die
Differenzialgleichung findet man:
Abb. 38 Drei Lösungen der Schwingungsgleichungen für einen langen Quader
(10.2.8)
Daher gilt folgende Bedingung für die Frequenzen:
(10.2.9)
Durch Multiplikation mit den entsprechenden Funktionen in y- und z-Richtung ergibt sich die Lösung
für den dreidimensionalen Fall:
(10.2.10)
mit der (10.2.9) entsprechenden Bedingung
- 91 -
(10.2.11)
Für einen würfelförmigen Kristall mit der Kantenlänge a gilt:
(10.2.12)
Wie bei der Berechnung der Zahl der Translationsniveaus in einem Gas werden die nx, ny und
nz in einem entsprechenden Koordinatensystem
dargestellt (siehe nebenstehende Abb. für zwei
Dimensionen) und es wird eine Kugel mit dem
Radius R eingezeichnet.
(10.2.13)
Die Zahl der zulässigen Schwingungen innerhalb
einer Kugelschale mit dem Radius R und der Dicke dR entspricht dem Volumen dieser Kugelschale in einem Oktanten und beträgt daher:
(10.2.14)
Abb. 39 Zur Berechnung der Zahl der Translationsniveaus
Zur Umrechnung des Radius auf die Frequenz
wird die Wurzel aus (10.2.13) gezogen und
differenziert
(10.2.15)
Aus (10.2.14) wird daher
(10.2.16)
Die Zahl der zulässigen Schwingungen wird nun durch die Dichtefunktion g(<) beschrieben.
(10.2.17)
Die vielleicht einschränkend erscheinende Berechnung in einem Würfel kann mit viel Mathematik auf
andere Formen erweitert werden. Die entsprechende Berechnung in einem Quader ist z. B. in ähnlicher
Weise möglich, indem das Analogon zu (10.2.13) anstelle von (10.2.12) aus (10.2.11) hergeleitet wird.
Anstelle eines Kugeloktanten entsteht dann ein Ellipsoidoktant. Die Durchrechnung führt auch in
diesem Fall zu (10.2.17). Weiterhin sieht man, dass g(<) proportional zum Volumen ist. Man darf
daher ein gegebenes, unregelmäßig begrenztes Volumen in kleinere Würfel oder Quader aufteilen und
kommt dann so zu unregelmäßig begrenzten Körpern.
In einem Festkörper können sich sowohl Longitudinal- als auch Transversalwellen ausbreiten, letztere
sogar mit zwei aufeinander senkrecht stehenden Schwingungsrichtungen. Dies entspricht völlig den
möglichen Normalschwingungen eines mehratomigen, linearen Moleküls, wo die Longitudinal-
- 92 schwingungen den Streckschwingungen und die doppelt zu zählenden Transversalschwingungen den
entarteten Biegeschwingungen entsprechen. Die schematische Darstellung der niederfrequenten
Moden am Anfang dieses Kapitels gibt nur eine dieser drei Moden wieder. Wie sehen die anderen aus?
Die Frequenzdichte (10.2.17) ist daher noch mit einem Faktor 3 zu multiplizieren.
(10.2.18)
Aus dieser Gleichung soll noch die Fortpflanzungsgeschwindigkeit L der Welle eliminiert und durch
die maximale Frequenz <max ersetzt werden. Dies gelingt durch Integration der vorstehenden Gleichung
(10.2.19)
Daraus folgt für 1 mol
(10.2.20)
so dass die endgültige Gleichung
(10.2.21)
lautet.
Die Summe in Gl. (10.2.4) wird jetzt durch ein Integral ersetzt. Dieses ist erlaubt, da der Summend
sich beim Übergang von einer Schwingungsmode zur nächsten kaum ändert, wie die folgende
Rechnung zeigt.
(10.2.22)
wobei die Wurzel aus Gl. (10.2.9) verwendet wurde. Für die Änderung folgt daher
(10.2.23)
mit L = 5000 m/s und a = 0,01 m. Da nun nicht mehr über Quantenzahlen, sondern über Frequenzen
integriert wird, muss der Integrand noch mit der Zustandsdichte der erlaubten Schwingungen entsprechend Gl. (10.2.21) multipliziert werden. Das ergibt:
(10.2.24)
Auch für die Debyesche Theorie sollen die Molwärmen berechnet werden. Dieses ist leider mit einer
Reihe langwieriger mathematischer Operationen verbunden, die daher in den Anhang 14.3 verbannt
worden sind. Das Ergebnis ist:
(10.2.25)
- 93 mit
(10.2.26)
Wie bei der Einsteinschen Theorie soll der Grenzwert für hohe und niedrige Temperaturen untersucht
werden.
Da bei hohen Temperaturen 1max/T klein ist, darf der Nenner des letzten Terms in eine Reihe entwickelt und nach dem 2. Glied abgebrochen werden. Der letzte Term ergibt daher eine 1. Der vordere
Term wird wie folgt berechnet. Wegen der kleinen Werte der oberen Integralgrenze liegt die Integrationsvariable immer bei kleinen Werten. Daher darf auch hier die Exponentialfunktion entwickelt
und nach dem 2. Glied abgebrochen werden, so dass der Integrand nur noch x2 enthält und das Integral
(1max/T)3/3 ergibt. Insgesamt entsteht daher der korrekte Wert
(10.2.27)
Bei niedrigen Temperaturen verschwindet der letzte Term wegen des Exponentialausdrucks im
Nenner. Beim Integral darf die obere Grenze durch 4 ersetzt werden, da 1max/T sehr große Werte
annimmt und der Integrand bei großen Werten der Variablen klein wird, d. h. die Beiträge des
Integrals zwischen 1max/T und 4 können vernachlässigt werden. Es verbleibt daher:
(10.2.28)
Das Integral ergibt B 4/15, so dass insgesamt
(10.2.29)
entsteht. Das ist das Debyesche T 3-Gesetz. Es
stimmt gut mit den experimentellen Beobachtungen überein. Im Bereich mittlerer Temperaturen
stimmt das Ergebnis der Debyeschen Theorie (siehe Abb. 40) trotz des - wie auch bei tiefen Temperaturen - für jedes Element frei anpaßbaren Parameters 1max nur befriedigend bis mangelhaft mit
den experimentellen Beobachtungen überein. Die
Debyesche Theorie stimmt deswegen im Bereich
tiefer Temperaturen mit dem Experiment so gut
überein, weil der Ansatz für die Schwingungsfrequenzdichte im Bereich niedriger Frequenzen
weitgehend korrekt ist. Die niedrigen Frequenzen
sind eben die wichtigen Frequenzen für die Molwärmen bei tiefen Temperaturen. Der Grenzwert
bei hohen Temperaturen stimmt unabhängig vom
Ansatz für die Frequenzdichte, da sowieso alle Abb. 40 Verlauf der Molwärme cV nach der
Schwingungen angeregt sind. Schwierig ist der Debyeschen Theorie
Bereich der mittleren Temperaturen. Aus der Abbildung ist das nicht zu erkennen, da 1max dort angepasst wurde. Passt man dagegen so an, dass die
Werte bei tiefen Temperaturen stimmen, so entstehen große Fehler im Bereich mittlerer Temperaturen.
Das Experiment zeigt, dass der Ansatz für die hohen Frequenzen nicht korrekt ist. So beobachtet man
in den IR- und Ramanspektren scharfe Frequenzen im Hochfrequenzbereich. Von der Theorie her ist
die Behandlung des Kristalls als Kontinuum bei hohen Frequenzen nicht korrekt. Exaktere Theorien
- 94 behandeln den Kristall als ein Gitter von Massenpunkten, die durch ein harmonisches Potenzial
gekoppelt sind. Das System gekoppelter Differenzialgleichungen für die Bewegung der Massenpunkte
wird genähert gelöst. Das Ergebnis ist eine etwas höhere Frequenzdichte bei hohen Frequenzen im
Vergleich zum Debyeschen Ansatz.
- 95 -
11 Chemisches Gleichgewicht
Die folgende Behandlung beschränkt sich aus naheliegenden Gründen auf die Gasphase.
Da das chemische Potenzial bereits im Kap. 5.4 berechnet wurde, gelingt der schnellste Zugang zum
MWG über die Gleichgewichtsbedingung
(11.1)
aus. Einsetzen von (5.4.13) ergibt
(11.2)
Daraus folgt:
(11.3)
(11.4)
(11.5)
Das ist das MWG aus statistisch thermodynamischer Sicht. Zur weiteren Behandlung wollen wir, wie
am Anfang von Kap. 8 beschrieben, bei den zi den go-Wert herausziehen, d. h. analog zu Gl. (8.1.6)
(11.6)
ansetzen, wobei der elektronische Term fallengelassen wurde. Eingesetzt in (11.5) ergibt sich:
(11.7)
(11.8)
wobei )go die "Reaktionsenergie" für einen molekularen (nicht molaren!) Formelumsatz bei 0 K unter
Einschluß der Nullpunktsschwingungen darstellt. Diese Größe kann die Statistische Thermodynamik
nicht zur Verfügung stellen; sie muss quantenmechanisch berechnet werden oder aus anderen Quellen
stammen. Gl. (11.8) stellt den einfachsten, noch allgemein gültigen Ausdruck für das MWG dar. Die
weitere Behandlung ist systemspezifisch.
Als Beispiel soll die Isotopenaustauschreaktion H2 + D2 W 2HD behandelt werden. Die Gleichgewichtskonstante soll bei 383 K berechnet werden, da für diese Temperatur die Gleichgewichtskonstante experimentell bestimmt wurde.
Für diese Reaktion ist )g0 = 0, wenn die Energieniveaus für alle Komponenten vom Minimum des
Potenzialtopfs, d. h. im Gegensatz zur obigen Beschreibung, mit ½h< gerechnet werden. Es gilt dann:
- 96 -
(11.9)
Da bei der Berechnung wegen der Ähnlichkeit der Moleküle viele Größen herausfallen, werden am
einfachsten nicht die z'-Werte vollständig berechnet, sondern es wird gleich der Quotient entsprechend
dem letzten Teil von (11.9) für die einzelnen Energieformen berechnet. Für den translatorischen
Quotienten Qtrans gilt
(11.10)
Beim rotatorischen Quotienten verbleibt von (7.2.2.2) nur der Nenner F1, d. h.
(11.11)
Die Abstände in I = :r2 fallen mit sehr großer Genauigkeit heraus
(11.12)
Für den Schwingungsanteil muss (8.1.3) benutzt werden, da vom Potenzialminimum aus gerechnet
werden muss.
(11.13)
-
Für HD gilt < = 3770 cm-1. Der Nenner wird daher
Zusätzlich heben sich die Nenner für die einzelnen Reaktanden noch weitgehend gegenseitig weg. Sie
werden daher vernachlässigt und es folgt:
(11.14)
Weiterhin gilt
(11.15)
Jetzt kommt das große Finale
- 97 -
(11.16)
Mit ausreichender Genauigkeit darf man mD = 2mH setzen.
(11.17)
Einsetzen der Konstanten ergibt
(11.18)
Experimentell findet man 3,50. Wahrscheinlich ist in diesem Fall dem theoretischen Ergebnis sogar
der Vorzug zu geben.
Nur wenige Berechnungen von Gleichgewichtskonstanten laufen so glatt wie dieses Beispiel. Vielfach
lassen sich nur schwer Werte für )go finden. In einigen Fällen, z. B. bei der Dimerisierung von
Metalldämpfen in der Gasphase, ist die Berechnung aus spektroskopischen Daten möglich.
- 98 -
12 Theorie des Übergangszustandes
In der PC II, Kap. 14.2 war die Theorie des Übergangszustandes mit Hilfe der Phänomenologischen
Thermodynamik behandelt worden. Dabei hatte sich gezeigt, dass die Argumentation an einigen
Stellen nicht sehr schlüssig war. Da die Statistische Thermodynamik eine sehr viel elegantere
Behandlung des Problems erlaubt, soll der statistisch-thermodynamische Weg zu den Gleichungen für
die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante vorgeführt werden, der aus zwei Teilen besteht:
1) Der Herleitung eines Ausdrucks für die Geschwindigkeit des Zerfalls des Übergangskomplexes und
2) der Bestimmung der Konzentration des Übergangskomplexes
Die Reaktionsgleichung ist
(12.1)
Zu Punkt 1)
Der Potenzialverlauf für die Reaktion in
Abhängigkeit von der Reaktionskoordinate ist in Abb. 41 schematisch gezeigt.
Zuerst ist die Geschwindigkeit der Bewegung des Komplexes auf der Reaktionskoordinate zu berechnen. Dieses
wird ähnlich wie bei der Berechnung
der translatorischen Geschwindigkeit
von Teilchen in der Gasphase vorgenommen, indem der Ausdruck
Abb. 41 Verlauf der Energie in der Nähe des Übergangszustandes
(12.2)
gebildet wird. L‡ ist keine "normale" Geschwindigkeit, sondern die Geschwindigkeit auf der Reaktionskoordinate, die sowohl die Knüpfung als auch Auflösung von Bindungen bei der Reaktion
umfasst. Die Masse m‡ des Übergangskomplex-Aggregats wird später herausfallen. Die einzige
Annahme für den Ansatz (12.2) ist, dass die kinetische Energie sich in der Form m‡L‡2/2 schreiben
lässt und der Boltzmannstatistik gehorcht. Das Integral ergibt nach dem bekannten Verfahren
(12.3)
Zu Punkt 2) Wir definieren einen "Stabilitätsbereich" * für den Komplex und finden damit die
Lebensdauer
- 99 (12.4)
Auch * wird später herausfallen. Als Reaktionsgeschwindigkeit r wollen wir die pro Volumen und
Zeit zum Produkt umgesetzten Stoffmenge definieren. Das ergibt
(12.5)
Der Faktor ½ resultiert aus folgender Überlegung. Der Übergangskomplex auf dem höchsten Punkt
des Potenzials sieht das nach beiden Seiten in gleicher Weise abfallende, in erster Näherung parabolische Potenzial. Die Wahrscheinlichkeit des Zerfalls in die Produkte und Edukte sollte daher gleich
sein, so dass für jede Zerfallsrichtung gerade der in Gl. (12.5) angegebene Wert entsteht. cAB‡ wird als
Konzentration des Übergangskomplexes im Gleichgewicht A + B W AB‡ berechnet, d. h. es wird die
Annahme verwandt, dass die Einstellungsgeschwindigkeit des Gleichgewichts genügend groß ist.
(12.6)
und daher
(12.7)
Als nächstes ist die (einheitenbehaftete) Gleichgewichtskonstante Kc' zu berechnen. Nach (11.8) gilt
(12.8)
und nach (I 16.1.14)
(12.9)
so dass
(12.10)
folgt. Dieser Ausdruck wird jetzt mit dem reaktionskinetischen Ansatz
(12.11)
verglichen
(12.12)
Die Zustandssumme z'AB für den Komplex im Übergangszustand spalten wir nun in zwei Teile auf: In
einen Teil für die Bewegung in der Reaktionskoordinatenrichtung z'R und den Rest z‡'AB. Der erste Teil
entspricht der Schwingung in Reaktionsrichtung. Da diese Schwingung zum Zerfall des Komplexes
führt, wird sie durch eine Translation in Richtung der Reaktionskoordinate ersetzt. Die restlichen
- 100 Freiheitsgrade werden in z‡'AB zusammengefasst.
(12.13)
z'R ist die Zustandssumme für eine durch die Länge * eingeschränkte Translation. Verwandt wird
hierfür in grober Näherung die Zustandssumme für die eindimensionale Translation eines Teilchens
in einem Kastenpotenzial, d. h. mit unendlich hohen Wänden an den Kastenenden und nicht mit einem
stark abfallenden Potenzial. Nach Gl. (6.9) beträgt die Zustandssumme
(12.14)
Insgesamt entsteht daher
(12.15)
(12.16)
Im Vergleich zur phänomenologischen Herleitung in der PC II stellen wir fest, dass der dort mit einer
nur sehr undurchsichtigen Argumentation eingeführte Faktor kT/h sich hier zwanglos ergibt. Das
Produkt der Zustandssummen und des Exponentialausdrucks entspricht im wesentlichen der Gleichgewichtskonstante, wobei aber in z‡'AB der Schwingungsfreiheitsgrad in Zerfallsrichtung des Komplexes fehlt.
Der Vorteil der hier vorgestellten Gleichung besteht darin, dass die rechte Seite im Prinzip explizit
berechenbar ist, wobei für )go natürlich die Quantenmechanik zu Hilfe genommen werden muss. In
einfachen Fällen (z. B. H2 + D W HD + H) ist der Rechenaufwand noch vergleichsweise gering, da
viele Terme herausfallen und im angeführten Beispiel sogar der Exponentialterm.
Ein sehr einfaches Beispiel soll durchgerechnet werden: Die Reaktion von zwei "strukturlosen"
Partikeln A und B. Darunter sollen Partikel verstanden werden, die keine Trägheitsmomente und
Schwingungen aufweisen, d. h. z. B. Atome. Die Zustandssummen der Partikel sind:
(12.17)
Rotations- und Schwingungszustandssummen brauchen für die strukturlosen Partikeln nicht berücksichtigt zu werden. Im Übergangskomplex muss dagegen die Rotationszustandssumme berücksichtigt
werden; die Schwingungszustandssumme entfällt entsprechend der obigen Festsetzung. Man findet
gemäß Gl. (7.2.1.3)
(12.18)
(12.19)
wobei dAB der Abstand der Molekülschwerpunkte A, B im Übergangskomplex und FAB der Stoßquerschnitt sind. Insgesamt ergibt sich daher
- 101 -
(12.20)
(12.21)
oder in der Schreibweise der PC II
(12.22)
Es ergibt sich also die Gleichung der einfachen Stoßtheorie, d. h. die Theorie des Übergangszustandes
liegt nicht vollständig daneben.
Rechnungen an nur wenig komplizierteren Reaktionen werden leider sehr viel aufwändiger und lassen
sich nur noch mit Abschätzungen durchführen. Ein Beispiel ist die bereits angesprochene, sehr
einfache Reaktion H2 + D W H@@@@@H@@@@@D W H + HD. Für die Translations- und Rotationszustandssummen von H2, D und HHD lassen sich exakte Ausdrücke oder gute Näherungen finden. )go
verschwindet. Auch die Schwingungszustandssumme von H2 ist einfach berechenbar. Schwierig wird
aber die Berechnung der Schwingungszustandssumme von HHD. Die asymmetrische Streckschwingung entfällt zwar, da sie auf der Reaktionskoordinate verläuft. Es verbleiben aber noch die symmetrische Streckschwingung und die beiden entarteten Biegeschwingungen, für die quantenmechanische
Rechnungen ausgeführt oder Näherungen verwendet werden müssen. Die Frequenzen dieser Schwingungen gehen direkt in die Aktivierungsenergie ein und beeinflussen das Ergebnis stark, so dass die
Verwendung grober Näherungen nicht zulässig ist.
- 102 -
13 Quantenstatistiken
13.1 Grundlagen
Die im Kap. 4 durchgeführte Herleitung der Boltzmannverteilung berücksichtigte quantenmechanische
Forderungen an die Eigenschaften der Wellenfunktionen des untersuchten Systems nicht. Dieses soll
hier nachgeholt werden. Die offensichtlichen Erfolge der Boltzmannverteilung zeigen, dass sie nicht
grundsätzlich falsch sein kann; die folgende Diskussion wird sich eher damit befassen, die Grenzen
ihrer Gültigkeit abzustecken und etwas Neues für die Bereiche zu finden, in denen sie versagt.
Eine Reihe von Experimenten zeigt, dass man den Elementarteilchen einen Eigendrehimpuls oder
Spin zuordnen muss. In der Quantenmechanik wird angenommen, dass die Drehimpulskomponente
eines derartigen Spins bezüglich einer vorgegebenen Richtung msGh beträgt, wobei hG = h/2B bedeutet
und "h quer" ausgesprochen wird, und ms die Werte -s, -s+1, . . ., s-1, s annehmen kann. In Kurzform
sagt man auch: der Spin eines Elementarteilchens betrage s (oft ½) und meint damit die in einer
Richtung maximal beobachtbare Komponente in Einheiten hG. Die folgende Tabelle enthält einige
Angaben zu den hier interessierenden Elementarteilchen.
Elementarteilchen
Spin
Boson/Fermion
Ladung
Ruhemasse/kg
Elektron
½
F
-e
9,109 389@10-31
Proton
½
F
+e
1,672 623@10-27
Neutron
½
F
0
1,674 928@10-27
Photon
1
B
0
0
Der Spin der Atomkerne ergibt sich aus einer algebraischen Addition/Subtraktion der Spins der
Protonen und Neutronen im Kern. Die folgende Tabelle enthält einige Daten dazu.
Kern
Spin
Boson/Fermion
Natürliches Vorkommen in %
1
H
½
F
99,985
2
H
1
B
0,015
3
He
½
F
0,0001
4
He
0
B
99,9999
12
C
0
B
98,89
13
C
½
F
1,108
14
N
1
B
99,635
15
N
½
F
0,365
16
O
0
B
99,76
17
O
5/2
F
0,038
Na
3/2
F
100,00
23
35
Cl
3/2
F
75,40
37
Cl
3/2
F
24,60
- 103 Die Teilchen mit einem halbzahligen Spin werden als Fermionen und die mit einem ganzzahligen als
Bosonen bezeichnet. Daraus folgt, dass Kerne mit gerader Massenzahl grundsätzlich Bosonen und
solche mit ungerader Massenzahl Fermionen sein müssen.
Schließlich werden die Kerne und Elektronen zu Atomen bzw. Molekülen zusammengesetzt. Bei den
leichteren Elementen erhält man durch algebraische Addition/Subtraktion der Elektronenspins den
Gesamtelektronenspin, der mit dem Kernspin zu einem Gesamtspin zusammengefasst wird. Wegen
der algebraischen Addition/Subtraktion gilt auch hier: Atome und Moleküle mit gerader Elementarteilchenzahl sind Bosonen; solche mit ungerader Zahl Fermionen. Beispielsweise ist 1H2 in allen Zuständen ein Boson. Dies gilt sowohl für die verschiedenen Kernspinfunktionen (ortho-H2: I = 1, paraH2: I = 0), als auch für die verschiedenen Elektronenspinfunktionen (Singuletts mit S = 0, Tripletts mit
S = 1).
Die Unterscheidung in Bosonen und Fermionen ist wichtig, da die Quantenmechanik eine unterschiedliche Konstruktion der Gesamtwellenfunktion für ein System aus mehreren Teilchen vorschreibt. Der Hamilton-Operator des Systems der N Teilchen möge in die Operatoren der einzelnen
Teilchen separabel sein, zu denen die Wellenfunktionen
R1(1), R2(2), R3(3), . . . .
gehören mögen, wobei der Index verschiedene Wellenfunktionen anzeigt und die Zahl in der Klammer
die Teilchen unterschiedet.
Die Vorschrift für die Konstruktion der Wellenfunktion eines Vielteilchensystems aus Fermionen lässt
sich nicht der Quantenmechanik entnehmen. Pauli hat gezeigt, dass diese Vorschrift eine Folge der
Quantenfeldtheorie ist. Das Ergebnis ist:
(13.1.1)
wobei P der Permutationsoperator ist, der zwei Teilchen vertauscht. P< bedeutet eine <-fache Permutation, wobei Rückpermutationen nicht erlaubt sind. Die Summation ist über alle möglichen Permutationen zu erstrecken und jeder Term ist mit einem Vorzeichen entsprechend (-1)< zu versehen. Gl.
(13.1.1) ist nichts anderes als eine kompakte Schreibweise für die vielleicht eher bekannte Determinante
(13.1.2)
Eine Determinante - wie auch sofort an Gl. (13.1.1) erkennbar - hat folgende Eigenschaft: Stimmen
zwei der Wellenfunktionen überein (z. B. R1 und R2), so verschwindet die Determinante wegen der
Übereinstimmung von zwei Spalten, d. h. diese Wellenfunktion stellt keine Lösung des Problems dar.
Dieses ist nichts anderes als die Aussage des Pauliprinzips.
Für Bosonen gilt nun:
(13.1.3)
d. h. es fehlt nur der Vorzeichenwechsel im Vergleich zur Wellenfunktion für die Fermionen. Man
sagt daher auch: Wellenfunktionen für Bosonen müssen symmetrisch bezüglich einer Teilchenvertauschung sein, während sie für die Fermionen antisymmetrisch sein müssen. Im Unterschied zu den
Fermionen ist es für Bosonen durchaus erlaubt, ein Niveau mehrfach zu besetzen.
Wie wirkt sich nun die Unterschiedlichkeit der Wellenfunktionen auf die Statistische Thermodynamik
aus? Bei der Berechnung der Systemzustandssummen in der Gasphase in Kap. 5.2 hatte es Schwierig-
- 104 keiten bei der Division durch N! gegeben. Es musste angenommen werden, dass sehr viel mehr
besetzbare Niveaus als Teilchen vorhanden sind, so dass Mehrfachbesetzungen eines Niveaus eine
untergeordnete Rolle spielen. Bei Mehrfachbesetzungen führt daher die Anwendung der Boltzmannverteilung zu falschen Ergebnissen. Gerade unter diesen Bedingungen unterscheiden sich auch die
Wellenfunktionen für Fermionen und Bosonen, wobei bei den ersteren die Mehrfachbesetzung eben
nicht erlaubt ist. Dieses führt z. B. dazu, dass die Sackur-Tetrode-Gleichung in der Form (6.21), d. h.
noch ohne Verwendung der idealen Gasgleichung, für T 6 0 zu dem unsinnigen Ergebnis S = -4 führt!
An diesem Fehler führt auch die Argumentation nicht vorbei, dass die meisten Substanzen dort
kristallin sind. Helium ist bei 0 K durchaus gasförmig.
Vor der eigentlichen Herleitung der Quantenstatistiken für Fermionen bzw. Bosonen sollten wir noch
einmal die Herleitung der Energieverteilung (4.21) bzw. (4.22) in einem kanonischen Ensemble und
die der Boltzmannverteilung (4.23) rekapitulieren. Zuerst wurden die Verteilungen (4.21) und (4.22)
für ein kanonisches Ensemble hergeleitet. Dabei wurde ein Ensemble makroskopischer Systeme mit
der Möglichkeit des Wärmeaustauschs vorausgesetzt. Die einzelnen Systeme wurden als unterscheidbar angenommen. Dieses ist für makroskopische Systeme durchaus sinnvoll. Falsch ist nun der
Übergang zur Boltzmannverteilung durch Annahme eines Teilchens pro System, da die Teilchen nicht
mehr unterscheidbar sind! Die Boltzmannverteilung ergibt dann Ni Teilchen auf einem (nicht entarteten) Energieniveau mit der Energie gi im Widerspruch zu den Aussagen des Pauliprinzips für
Fermionen.
Der Fehler bei der Herleitung der Boltzmannverteilung besteht in dem grundsätzlich falschen
Abzählverfahren: Alle Teilchen einer Sorte sind ununterscheidbar. Es kommt also nicht darauf an,
welche Teilchen sich in den einzelnen Zuständen befinden, sondern nur darauf an, wie viel Teilchen
sich in den einzelnen Zuständen befinden. Die unterschiedlichen Verteilungen für Fermionen bzw.
Bosonen werden dann durch die nicht erlaubten bzw. erlaubten Mehrfachbesetzungen bewirkt. In der
Boltzmannstatistik wurde die Ununterscheidbarkeit der Teilchen zwar später wegen offensichtlicher
Fehler der sonst entstehenden Gleichungen eingeführt (Kap. 5.2, Fall b); diese Einführung erfolgt aber
erheblich zu spät.
Der schnellste und mathematisch unkomplizierteste Weg zu den Analoga zur Boltzmannverteilung für
Fermionen und Bosonen besteht in einem grundsätzlich anderen Vorgehen als bei der Herleitung der
Boltzmannverteilung. Leider muss dabei eine Schwierigkeit mit etwas mageren Argumenten umgangen werden.
13.2 Fermi-Dirac-Statistik
Die Fermi-Dirac-Statistik (FD-Statistik) ist die nach ihren Entdeckern benannte Statistik für Fermionen.
Im Gegensatz zum Vorgehen bei der Boltzmannstatistik betrachten wir hier nur ein System aus N
Teilchen. Das System möge die Energieniveaus gj mit der Entartung gj aufweisen. Es soll die thermodynamische Wahrscheinlichkeit W für
die Verteilung der Fermionen auf die
Niveaus berechnet werden, d. h. die
Zahl der unterscheidbaren RealisieFunktion
1
2
3
4
rungsmöglichkeiten bei gegebener
Realisierung 1
x
x
Teilchenzahl und Gesamtenergie.
Als Beispiel betrachten wir das EnerRealisierung 2
x
x
gieniveau g1, das vierfach entartet sein
Realisierung 3
x
x
soll (g1 = 4) und verteilen N1 = 2 Fermionen darüber. Die nicht unterscheid
Realisierung 4
x
x
baren Teilchen & daher wurden auch
Realisierung 5
x
x
keine Nummern sondern Kreuze verwendet & können auf 6 erkennbar
Realisierung 6
x
x
unterschiedliche Arten auf die 4 Funktionen des entarteten Niveaus verteilt
- 105 werden. Für die allgemeine Berechnung wird die Gleichung für die Zahl der Kombinationen von gj
Elementen zur Nj-ten Klasse herangezogen.
(13.2.1)
wobei der vordere Teil dieser Gleichung die Definition der linken Seite der Gleichung darstellt, die "gj
über Nj" gelesen wird. Aus dem letzten Teil der Gleichung, die aus dem mittleren Teil durch Erweiterung mit (gj - Nj)! entsteht, kann man auch die Gültigkeit für dieses Problem erkennen: Es ist die
Zahl der möglichen Permutationen von gj zu berechnen (gj!). Dabei sind die Permutationen Nj! der Nj
besetzten Niveaus und die der freien Niveaus ((gj - Nj)!) zu streichen, da zwischen diesen nicht mehr
unterschieden werden kann. Für alle Niveaus gilt daher:
(13.2.2)
Der weitere Gang der Berechnung erfolgt wie bei der Herleitung der Gleichung für das kanonische
Ensemble. Die oben angekündigte Schwierigkeit besteht darin, dass bei der Berechnung die Stirlingsche Näherungsformel verwendet werden muss. Da die gj oft klein sind und Nj nur zwischen 0 und gj
schwanken kann, ist die Verwendung der nur für sehr große Zahlen gültigen Stirlingschen Näherungsformel an und für sich unzulässig. Das Argument für die doch erfolgende Verwendung ist das
folgende: Bei allen Gasen (Translationsniveaus), Elektronen in Metallen und Photonen (die beiden
letzteren Systeme sollen später genauer diskutiert werden) ist die Niveaudichte so extrem hoch, dass
viele Niveaus zu einem fiktiven Niveau mit einem gj-Wert zusammengefasst werden dürfen, für das
dann gj und Nj entsprechend größer sind. Nach erfolgter Berechnung wird diese Zusammenfassung
wieder rückgängig gemacht.
Es folgt die eigentliche Durchrechnung, wobei auf die Kommentare zur Rechnung in Kap. 4 verwiesen
wird.
(13.2.3)
(13.2.4)
Die Nebenbedingungen
(13.2.5)
(13.2.6)
werden dazuaddiert und das Extremum gesucht
(13.2.7)
(13.2.8)
(13.2.9)
- 106 -
(13.2.10)
(13.2.11)
(13.2.12)
(13.2.13)
Wie in Kap. 4 darf $ durch 1/kT ersetzt werden
(13.2.14)
Der zweite Lagrangesche Multiplikator kann hier nun nicht mehr so einfach wie in Kap. 4 mit der
Gesamtteilchenzahl in Verbindung gebracht werden. Es ist einfacher " durch das chemische Potenzial
auszudrücken. Dazu wird von der allgemein gültigen Gl. (5.3.20) in Differenzialschreibweise
ausgegangen
(13.2.15)
dlnW wird aus der Extremalbedingung und den etwas anders formulierten Nebenbedingungen (13.2.5
und 13.2.6)
;
(13.2.16, 13.2.17)
gewonnen
(13.2.18)
oder
(13.2.19)
Das chemische Potenzial ist nun
(13.2.20)
Damit folgt
(13.2.21)
Das chemische Potenzial der Fermionen ist keine Konstante für ein bestimmtes System, sondern hängt
von den äußeren Bedingungen ab (siehe z. B. Gl. (13.2.1.9)). Die endgültige Form der Fermi-DiracVerteilung lautet daher
(13.2.22)
Wären wir dagegen von unterscheidbaren Teilchen ausgegangen, die keiner Einschränkung bei der
Niveaubesetzung unterliegen, so lautete die Ausgangsgleichung
- 107 -
(13.2.23)
Diese Gleichung kommt wie folgt zustande: N! stellt die Zahl der Anordnungsmöglichkeiten von N
unterscheidbaren Teilchen dar. gjNj gibt die Zahl der Variationen von gj Elementen zur Nj-ten Klasse
mit Wiederholungen an. Dieses soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: gj sei 3 und Nj sei 2. Die
Nummern in der Tabelle stellen die unterscheidbaren Teilchen dar.
Funktion
1
Realisierung 1
1,2
Realisierung 2
1
Realisierung 3
1
Realisierung 4
2
2
2
2
1
Realisierung 5
1,2
Realisierung 6
1
Realisierung 7
Realisierung 8
Realisierung 9
3
2
2
1
2
1
1,2
Es gibt daher 32 = 9 Realisierungsmöglichkeiten. Die Realisierungen mit den Besetzungen 1,2
enthalten die erlaubten Mehrfachbesetzungen; sie entsprechen den Wiederholungen der gj Elemente.
Man sieht nun relativ einfach, dass der Term gjNj in Ordnung ist, da jedes dazukommende Teilchen
auf die gj Funktionen gesetzt werden kann und dadurch eine Multiplikation mit gj bewirkt. Schließlich
ist noch durch die Permutationen der Nj zu teilen, da diese in N! und gjNj enthalten sind. Rechnet man
diese Statistik bis zum Ende durch (siehe Anhang 14.4), so folgt
(13.2.24)
Das entspricht der Boltzmannverteilung (4.23), wenn hier noch " durch die Gesamtteilchenzahl
ausgedrückt wird.
Der in Kap. 4 benutzte Ansatz für das kanonische Ensemble entspricht bei Betrachtung eines Systems
ohne Entartung
(13.2.25)
Die Entartung wurde dann später in Gl. (4.22) bzw. (4.23) eingeführt. Das in Kap. 4 verwendete
Verfahren ist einfacher; es wurde hier nicht angewendet, da bei der entsprechenden Herleitung der
Fermi-Dirac- und Bose-Einstein-Statistik die Entartung von Anfang an berücksichtigt werden muss.
Der Unterschied zwischen den Gl. (13.2.14) und (13.2.24) besteht im Fehlen der 1 im Nenner. Die
beiden Gleichungen gehen ineinander über für genügend große Werte von exp((gj - :)/kT), d. h. bei
kleinen Besetzungsdichten. Dieses ist der Fall bei kleinen Dichten und hohen Temperaturen. Die
Boltzmannstatistik stellt daher den Grenzfall der FD-Statistik für geringe Besetzungsdichten dar.
- 108 13.2.1 Leitungselektronen in Metallen
Als Beispiel für eine Anwendung der FD-Statistik sollen die Leitungselektronen in Metallen untersucht werden. Sie können mit gewissen
Einschränkungen als freies Elektronengas,
das der FD-Statistik unterliegt, behandelt
werden.
a) Sehr tiefe Temperaturen
Hier spielt das Vorzeichen von gj - : eine
wesentliche Rolle
gj < : ergibt Nj = gj
gj > : ergibt Nj = 0
In Abb. 42 ist die entsprechende Funktion
gezeigt. Alle Niveaus bis gj = : sind gefüllt.
Die darüber liegenden Niveaus sind nicht
besetzt. Die Grenzenergie wird als Fermikante oder Ferminiveau bezeichnet.
Hätten wir dagegen die Boltzmannstatistik
angewendet, so würden sich bei tiefen Temperaturen fast alle Elektronen in den tiefsten Niveaus befinden, d. h. es läge eine Exponentialfunktion mit einem sehr steilen Abfall in gj-Richtung vor. Das Pauliprinzip verhindert die
Mehrfachbesetzung bei tiefen Temperaturen, so dass es auch bei tieferen Temperaturen Elektronen in
höheren Niveaus geben muss.
b) Mittlere Temperaturen
An der Stelle gj = : wird Nj = gj/2, d. h. die dort befindlichen Niveaus sind bei allen Temperaturen
hälftig besetzt. Rechts und links von dieser Energie beginnt in Abhängigkeit von der Temperatur eine
mehr oder weniger starke Verschleifung des bei tiefen Temperaturen beobachteten Sprunges.
c) Hohe Temperaturen
Nj = gj/2 bei gj = : bleibt erhalten. Die Besetzung erstreckt sich jedoch zu sehr viel höheren Niveaus.
Die Kurvenform nähert sich der der Boltzmannstatistik, wobei der Kurventeil gj < : jedoch immer
anders verläuft.
Die unterschiedliche Verteilung der Elektronen auf die Energieniveaus in Abhängigkeit von der
Temperatur muss zu einem Beitrag für die Molwärme bei Metallen führen. Dieses ist auch der Fall
und wird insbesondere bei tiefen Temperaturen experimentell beobachtet. Die experimentelle
Schwierigkeit besteht darin, den Elektronenanteil von der "normalen" Molwärme abzutrennen.
Zur Berechnung der Molwärme des Elektronengases dürfen wir nicht die Gl. des Kap. 5 benutzen, da
sie alle auf der Berechnung der Inneren Energie mit der Boltzmannverteilung beruhen. Das korrekte
Verfahren besteht in einem analogen Vorgehen wie in Kap. 5 (Gl. (5.1.1)) unter Verwendung der Gl.
(13.2.22) für die FD-Statistik. Die Innere Energie wird
Abb. 42 Verteilung der Elektronen in Metallen nach
der FD-Statistik
(13.2.1.1)
wobei j über alle Niveaus laufen soll. Das chemische Potenzial der Elektronen wird mit Hilfe der
Gleichung
(13.2.1.2)
aus der Zahl der Elektronen N bestimmt. Wegen der dicht liegenden Niveaus dürfen die Summen
durch Integrale ersetzt werden.
- 109 -
(13.2.1.3)
(13.2.1.4)
wobei D(g) die Zustandsdichte der Niveaus beim Niveau g beschreibt und der Faktor 2 vor den
Integralen durch die Doppelbesetzung der Niveaus mit s = ±½ bewirkt wird.
Die Berechnung des Integrals (13.2.1.3) ist leider sehr aufwändig (siehe z. B. Reif, Statistische Physik
und Theorie der Wärme, Kap. Leitungselektronen in Metallen). Die Berechnung unter Verwendung
von (13.2.1.4) ergibt
(13.2.1.5)
wobei der Index o sich auf T = 0 K bezieht, d. h. Uo ist die Innere Energie der Elektronen bei 0 K und
D(:o) ist die Zustandsdichte der Elektronen beim Ferminiveau bei 0 K. Die Abhängigkeit der Inneren
Energie von der Zahl der Elektronen steckt in Uo und D(:o).
Zur Berechnung der Energie des Ferminiveaus bei 0 K betrachten wir das Elektronengas als ein
System von freien Teilchen in einem Kasten. Die Zahl der Niveaus bis zu einer Energie , war bereits
in Kap. 6 in Gl. (6.30) berechnet worden. Diese Gleichung wird mit einem Faktor 2 für die beiden
Spineinstellungen übernommen.
(13.2.1.6)
Bei T = 0 K sind die Niveaus bis zum Ferminiveau mit den N Elektronen besetzt
(13.2.1.7)
(13.2.1.8)
Die Energie des Ferminiveaus ergibt sich daher zu
(13.2.1.9)
und hängt von der Elektronendichte N/V ab. Für Kupfer findet man bei 0 K mit D • 9000 kg/m3
Rechnet man das mit :o = kT in eine Temperatur, die Fermi-Temperatur TF, um, so findet man
TF = 82000 K!! Selbst bei 0 K sind daher wegen des Pauli-Prinzips die Energieniveaus bis zu einer
82000 K entsprechenden Höhe vollständig besetzt. Die zusätzlichen 300 K bei Raumtemperatur
führen dementsprechend nur zu einer geringfügigen Änderung in der Verteilung.
Die Zustandsdichte D(g) - nicht zu verwechseln mit der Energiedichte D bei der Planckschen Formel wird aus Gleichung (13.2.1.6) durch Bildung des Differenzials berechnet, wobei der Faktor 2 für die
Spins entfällt.
- 110 (13.2.1.10)
Die Zahl dN der Niveaus zwischen g und g + dg beträgt:
(13.2.1.11)
oder
(13.2.1.12)
Die Zustandsdichte bei :o ist daher
(13.2.1.13)
Schließlich wird noch das Volumen mit (13.2.1.9) eliminiert
(13.2.1.14)
(13.2.1.15)
(13.2.1.16)
Damit wird die Innere Energie
(13.2.1.17)
(13.2.1.18)
und die Molwärme ergibt sich zu
(13.2.1.19)
Die Boltzmannstatistik hätte dagegen den erheblich größeren Wert von 3R/2 vorhergesagt, der im
Gegensatz zu Gl. (13.2.1.19) nicht von der Temperatur abhängt.
Die gesamte Molwärme von Metallen unter Einschluß des Debyeschen T 3-Gesetzes beträgt daher bei
tiefen Temperaturen
(13.2.1.20)
- 111 Zur experimentellen Überprüfung dieses Ausdrucks wird cL /T gegen T 2 aufgetragen (siehe
Abb. 43). Es ergibt sich mit guter Genauigkeit
eine Gerade, deren Achsenabschnitt die Konstante a ergibt.
Während die lineare Abhängigkeit cL % T für die
Molwärme des Elektronengases offensichtlich gut
zutrifft, gibt es deutliche Differenzen zwischen
den experimentell ermittelten Werten für a und
den nach Gl. (13.2.1.19/20) berechneten. Dies
hängt damit zusammen, dass die Temperaturabhängigkeit durch die FD-Statistik hereinkommt,
während die Konstante durch die Zustandsdichte
bei :o bestimmt wird. In diese Konstante geht
daher die Vernachlässigung der interelektronischen Wechselwirkung der Leitungselektronen
Abb. 43 Verlauf der Molwärme cV von Metallen und der Wechselwirkung der Elektronen mit den
Atomrümpfen ein.
bei tiefen Temperaturen
13.3 Bose-Einstein-Statistik
Die Bose-Einstein-Statistik (BE-Statistik) ist die nach ihren Entdeckern benannte Statistik für
Bosonen. In Gegensatz zur FD-Statistik darf hier ein Niveau von beliebig vielen Teilchen besetzt
werden. Im Gegensatz zu den Teilchen, die für die Boltzmannstatistik postuliert werden (Teilchen, die
der Boltzmannstatistik gehorchen, gibt es in der Natur streng genommen nicht. Es gibt nur Fermionen
und Bosonen!), sind sie jedoch nicht unterscheidbar. Diese Idee wurde erstmalig von dem Inder Bose
formuliert. Die Aufstellung der Gleichung für die thermodynamische Wahrscheinlichkeit bei Bosonen
ist merkbar schwieriger als für die bereits diskutierten Statistiken.
Gesucht ist die Zahl der Möglichkeiten, Nj ununterscheidbare Teilchen auf gj Funktionen zu verteilen.
Einige Beispiele für den Fall gj = 4 und Nj = 10 sind im folgenden aufgeführt.
Real. 1
Real. 2
Real. 3
Funktion 1
Funktion 2
Funktion 3
Funktion 4
xxx
xx
x
xx
xxx
xx
xxxx
xx
xx
x
xxx
xxxxx
oder anders dargestellt
Realisierung 1
Realisierung 2
Realisierung 3
xxx*xx*xxxx*x
xx*xxx*xx*xxx
x*xx*xx*xxxxx
Man betrachtet jetzt die Teilchen und die Wände als Objekte und fragt nach der Zahl der Möglichkeiten, gj - 1 Wände in einer Menge von Nj + gj - 1 Objekten anzuordnen. Das ist genau der bereits bei
der FD-Statistik in Gl. (13.2.1), letzter Gleichungsteil oder Gl. (13.2.2) diskutierte Fall.
(13.3.1)
Insgesamt gibt es Nj + gj - 1 Objekte mit den Permutationen (Nj + gj - 1)!. Davon sind die Permutationen der nicht unterscheidbaren Teilchen Nj und die der nicht unterscheidbaren Wände gj - 1 zu
streichen. Nach den Ausführungen bei der FD-Statistik kann dafür auch
- 112 -
(13.3.2)
geschrieben werden. In einigen Büchern werden Sie auch diese Form der Gleichung finden. Die
eigentliche Herleitung der Gleichung für die BE-Statistik verläuft wie bei der FD-Statistik und ist im
Anhang 14.4 durchgeführt. Das Ergebnis ist:
(13.3.3)
Auch für die BE-Statistik gilt das bei der FD-Statistik Gesagte: Sie geht in die Boltzmannstatistik bei
geringen Besetzungsdichten über. Die untenstehende Abb. zeigt den Verlauf zusammen mit dem der
anderen Statistiken. Es gilt immer:
(13.3.4)
Die Boltzmann-Besetzungsdichten werden von den Dichten der Quantenstatistiken eingeschlossen. Die Gleichungen für
die einzelnen Statistiken gehen bei großen
Werten von (gj - :)/kT alle ineinander
über.
Abb. 44 Vergleich der verschiedenen Statistiken
13.3.1 Strahlungsfeld, Emission und Absorption
Als Beispiel für eine Anwendung der BE-Statistik sollen Photonen in einem Behälter mit dem
Volumen V untersucht werden. Die Wände des Behälters sollen keine Wärme aufnehmen oder
abgeben. Die Energie des Photonengases ist daher konstant. Die Photonen wirken nicht miteinander
wechsel bei den hier in Frage kommenden Energien. Das Ergebnis dieser Berechnung sollte daher
weitgehend exakt sein. Die Photonen weisen einen Spin von 1 auf und müssen daher mit der BEStatistik behandelt werden.
Die erste Frage, die wir zu untersuchen haben, ist die nach dem chemischen Potenzial der Photonen.
Die Gesamtenergie ist zwar fest; ihre Zahl ist es jedoch nicht, da man aus einem Photon mehrere mit
entsprechend geringerer Energie herstellen kann. Es gibt daher eine "Photonenreaktion":
(13.3.1.1)
wobei die Photonen wegen der Ununterscheidbarkeit nicht indiziert sind. Auch bei der Behandlung der
Elektronen im Metall mit der FD-Statistik gab es nur ununterscheidbare Elektronen mit einem
einheitlichen chemischen Potenzial. Für die obige Gleichgewichtsreaktion gilt:
- 113 (13.3.1.2)
d. h. das chemische Potenzial der Elektronen beträgt Null. Eine andere, etwas elegantere Sicht ist die
folgende. Da die Photonenzahl nicht konstant ist, gibt es die Nebenbedingung dN = 0 bei der Herleitung der BE-Statistik für die Photonen nicht. Dementsprechend wird der Lagrangesche Multiplikator
" nicht benötigt, so dass das chemische Potenzial in der Endgleichung überhaupt nicht auftritt.
Die BE-Gleichung für den vorliegenden Fall wird daher:
(13.3.1.3)
Die Energien ,j entsprechen den Photonenenergien h<. Die erlaubten Werte für die Frequenzen < kann
man mit dem gleichen Formalismus berechnen wie die Schwingungen in einem Kristall in Kap. 10.2.
Die Photonen sind eine kurzwellige elektromagnetische Strahlung. Es bilden sich daher stehende
elektromagnetische Wellen in dem Behälter aus, die bezüglich der Berechnung der Frequenzdichte mit
dem gleichen Formalismus wie die mechanischen Schwingungen in einem Kristall behandelt werden
dürfen. Ähnlich wie bei den Schwingungen in einem Kristall ist von Gl. (10.2.17) ausgehend eine
Multiplikation mit dem Faktor 2 durchzuführen, um die beiden unabhängigen Polarisationsrichtungen
zu berücksichtigen. Weiterhin wird die Geschwindigkeit L durch die Lichtgeschwindigkeit c ersetzt.
(13.3.1.4)
Man beachte: Zur Berechnung der Frequenzdichte haben wir das Photonengas auf die Translationsniveaus des Behältervolumens gesetzt. Zur Berechnung der Photonenenergie muss jedoch die Energie
h< des Photons verwandt werden!
Als nächstes wird diese Dichtefunktion in die BE-Statistik eingesetzt.
(13.3.1.5)
Weiterhin soll die Energiedichte berechnet werden.
(13.3.1.6)
(13.3.1.7)
Das ist die berühmte Plancksche Strahlungsformel für die Energiedichte in einem Hohlraum! Sie gibt
in der hier dargestellten Form und in Abb. 45 die Energiedichte pro Frequenzintervall an. Andere
Darstellungen ergeben die Energiedichte pro Wellenlängenintervall oder die Photonendichte (siehe
(13.3.1.5)). Dies führt zu Verschiebungen des Maximums. Hohe Temperaturen ergeben eine Bevorzugung der hohen Frequenzen bzw. kurzen Wellenlängen. Dies führt zu einer Verschiebung des
Maximums zu hohen Frequenzen (Wiensches Verschiebungsgesetz) und zu einer stark erhöhten
Gesamtenergiedichte (Stefan-Boltzmannsches Gesetz) mit steigender Temperatur. Letzteres soll
hergeleitet werden.
- 114 -
Abb. 45 Energiedichte nach der Planckschen Strahlungsformel
(13.3.1.8)
Mit der Substitution
(13.3.1.9)
lässt sich das Integral überführen in:
(13.3.1.10)
(13.3.1.11)
Das ist das Stefan-Boltzmannsche Gesetz. Die Gesamtstrahlungsdichte nimmt mit der 4. Potenz der
Temperatur zu.
Die an der Gefäßwandung reflektierten oder absorbierten Photonen üben einen Druck auf die Wand
aus, den sogenannten Strahlungsdruck. Die Berechnung dieses Drucks erfolgt mit Gl. (13.3.1.11).
(13.3.1.12)
Wobei cV jetzt volumenbezogen ist! Als nächstes wird die Entropie berechnet.
(13.3.1.13)
- 115 (13.3.1.14)
(13.3.1.15)
Nun gilt für eine reine Komponente
(13.3.1.16)
d. h. mit Hilfe der beiden letzten Gleichungen kann der Druck berechnet werden.
(13.3.1.17)
oder
(13.3.1.18)
Vergleicht man das mit dem Druck eines idealen, einatomigen Gases, so findet man
(13.3.1.19)
(13.3.1.20)
Die Drücke des Photonengases und eines idealen, einatomigen Gases sind daher bei gleicher Energiedichte vergleichbar. Wegen der unterschiedlichen Abhängigkeit der Energiedichte von der Temperatur
nimmt der Strahlungsdruck mit steigender Temperatur erheblich stärker zu als der Druck des idealen
Gases. Für 106 K ergibt sich für den Strahlungsdruck folgender Wert:
(13.3.1.21)
(13.3.1.22)
Beobachtbar ist der Strahlungsdruck bei Kometenschweifen, die aus vom Kometen abdampfenden
Gasen bestehen. Sie werden durch den Druck der von der Sonne ausgehenden Strahlung in die
sonnenabgewandte Richtung getrieben. Bei Sternen, wie z. B. unserer Sonne mit Temperaturen von
einigen 107 K im Inneren, wird ein Teil des Drucks im Sterninneren, der ein Kollabieren des Sterns
verhindert, durch den Strahlungsdruck aufgebracht.
Um die aus einer kleinen Öffnung im Hohlraum oder von einer schwarzen Fläche emittierte Strahlung
zu berechnen, wird wie folgt vorgegangen. Nach den Überlegungen bei der Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung ist die Stoßzahl auf die Einheitsfläche
(13.3.1.23)
Diese Gleichung wenden wir jetzt auf die Photonen an. Die Photonendichte 1N wird aus der Energiedichte durch Division durch h< erhalten oder direkt aus (13.3.1.5). Da wir aber später aus ZW die
emittierte Strahlung berechnen wollen, ist anschließend wieder mit h< zu multiplizieren. Es verbleibt
daher nur der Faktor L6 /4 = c/4, d. h. für die in den Halbraum emittierte Strahlung
(Energie/(Fläche@Zeit)) gilt:
- 116 -
(13.3.1.24)
und das Integral über die gesamte Strahlung beträgt
(13.3.1.25)
Die Thermodynamik reguliert noch eine Reihe weiterer Dinge bei der Strahlung. Nicht alle Körper
sind schwarz, d. h. absorbieren die Strahlung vollständig. Es wird daher der Absorptionsgrad A und
der Reflexionsgrad R definiert
(13.3.1.26)
(13.3.1.27)
wobei Io die einfallende, IA die absorbierte und IR die reflektierte Strahlungsintensität darstellen. Stellt
man nun zwei gleich große Flächen mit unterschiedlichen Temperaturen gegenüber, wobei freie
Öffnungen zwischen den Flächen durch ideale Spiegel verschlossen werden und die gesamte Apparatur von der Umgebung isoliert wird, so muss nach dem 2. Hauptsatz ein Ausgleich der Temperaturen
erfolgen. Im Gleichgewichtszustand ist die Energiebilanz der Flächen
Fläche
Emittierte Str.
Absorbierte Str.
Reflektierte Str.
Gesamte abgegebene Str.
1
Q1
Q2A1
Q2(1 - A1)
Q1 + Q2(1 - A1)
2
Q2
Q1A2
Q1(1 - A2)
Q2 + Q1(1 - A2)
Im Gleichgewicht muss daher
(13.3.1.28)
gelten. Oder
(13.3.1.29)
d. h. für alle Körper ist bei gegebener Temperatur das Verhältnis von emittierter zu absorbierter
Strahlung eine Konstante. Ist die Fläche 2 eine schwarze Fläche, so ist A2 = 1, und es gilt: Das
Verhältnis von emittierter zu absorbierter Strahlung entspricht der bei gleicher Temperatur vom
schwarzen Körper emittierten Strahlung. Das ist das Kirchhoffsche Gesetz.
Ein weiteres Problem ist die Emission und Absorption von Strahlung in Systemen mit diskreten
Energieniveaus (Einstein, 1917). Wie nehmen ein System mit zwei Energieniveaus g1 und g2 an und
fragen nach der Zahl der Übergänge zwischen den Niveaus in Gegenwart eines Strahlungsfeldes,
dessen Photonen den Übergang zwischen 1 und 2 energetisch gerade ermöglichen. Die Zahl der
Absorptionsprozesse von 1 nach 2 ist proportional zur Energiedichte D(<) ("Lichtintensität") und zur
Teilchenzahl N1 in 1.
- 117 -
(13.3.1.30)
wobei der Proportionalitätskoeffizient B12 als EinsteinKoeffizient bezeichnet wird. Ähnlich gilt für den Übergang von 2 nach 1
(13.3.1.31)
Diese Vorgänge werden als induzierte Emissionen beAbb. 46 Zwei Energieniveaus mit Beset- zeichnet. Bei der induzierten Emission erfolgt die Emiszungen
sion von Strahlung kohärent, d. h. phasengleich, zum
vorhandenen Strahlungsfeld. Dieses Verhalten lässt sich
in einfacher Weise als Emission von Strahlung eines im Strahlungsfeld phasengleich schwingenden
Emitters verstehen. Für die Funktion eines Lasers ist diese Eigenschaft von zentraler Wichtigkeit.
Neben der induzierten Emission gibt es noch die spontane Emission, die unabhängig vom Strahlungsfeld erfolgt und daher auch nicht kohärent ist (kohärent wozu bei D = 0?). Der entsprechende Koeffizient der spontanen Emission wird mit A21 bezeichnet.
(13.3.1.32)
Zusammengefasst ergibt sich auf N2 bezogen
(13.3.1.33)
Im Gleichgewicht muss daher gelten:
(13.3.1.34)
Das Verhältnis N2/N1 lässt sich mit der Boltzmannstatistik berechnen (die Anwendung der Quantenstatistik ist unnötig).
(13.3.1.35)
wobei < die für den Übergang notwendige Frequenz der Strahlung darstellt. Daraus folgt:
(13.3.1.36)
Die Gleichung wird nach D aufgelöst und mit der Planckschen Strahlungsformel verglichen.
(13.3.1.37)
(13.3.1.38)
Der Vergleich mit (13.3.1.7) ergibt
(13.3.1.39)
Wir stellen daher fest: Die Einstein-Koeffizienten für induzierte Emission und Absorption sind gleich.
Der erste Teil von (13.3.1.39) gestattet, des Verhältnis der Koeffizienten der spontanen zur induzierten Emission zu berechnen. Die Absolutwerte der Koeffizienten können mit Hilfe der Statistischen
- 118 Thermodynamik nicht berechnet werden.; hierzu muss die Quantenmechanik bemüht werden.
13.3.2 Superfluidität von Helium
Nach der langen Ausführung über das Strahlungsfeld soll noch kurz über ein weiteres Phänomen berichtet werden, das bei Bosonen beobachtet wird. Kühlt man 4He ab, so geht es
bei 4,2 K in den flüssigen Zustand über. Eine
Überführung in den festen Zustand ist bis 0 K
bei 1 bar nicht möglich und gelingt nur bei
höheren Drücken. Helium bleibt daher unter
Normaldruck bis 0 K flüssig. Bei 2,2 K wird
jedoch eine weitere Umwandlung beobachtet,
wobei die Umwandlung selbst als auch die
entstehende Tieftemperaturphase außergewöhnliche Eigenschaften aufweisen.
Untersucht man Helium in diesem Temperaturbereich kalorimetrisch (siehe Abb. 47), so
stellt man einen starken Anstieg der Molwärme
cL in der Nähe dieser Umwandlung fest, die
nach der Form der Kurve auch 8-Umwandlung
genannt wird. Die kalorimetrische UntersuAbb. 47 Molwärme von Helium bei tiefen Tempe- chung mit sehr viel höherer Temperaturauflöraturen
sung in den :K-Bereich hinein zeigt, dass diese Umwandlung keine Umwandlungsenthalpie
aufweist. Die Umwandlung erfolgt sozusagen kontinuierlich im Verlauf einiger K; daher auch die
Bezeichnung "kontinuierliche Umwandlung".
Wodurch unterscheiden sich nun die Hochtemperaturphase He-I und die Tieftemperaturphase He!II?
Die He-I-Phase ist ein sich normal verhaltendes flüssiges Helium. Die Untersuchung von He-II ergab
dagegen eine Reihe außergewöhnlicher Eigenschaften, an deren erster Stelle die Superfluidität zu
nennen ist. Versucht man die Viskosität von He-II in einem Kapillarviskosimeter zu messen, so findet
man den Wert Null. Sorgfältige Messungen ergaben, dass die Viskosität des flüssigen He-II mindestens 1011-fach kleiner als die des gasförmigen Heliums oberhalb des Siedepunkts ist. Wird He-II in
einem torusförmigen Gefäß zum Strömen gebracht, so klingt diese Strömung selbst nach Tagen nicht
in messbarer Weise ab. Dieses Phänomen stellt daher ein mechanisches Analogon zum Stromfluss in
einer supraleitenden Spule dar.
Die Erklärung für dieses Phänomen ist in der sog. Bose-Kondensation des Heliums unterhalb 2,2 K
zu suchen. 4He-Atome sind Bosonen und unterliegen daher der Bose-Einstein-Statistik. Bei genügend
tiefen Temperaturen ist es daher möglich, eine makroskopische He-Menge in einem quantenmechanischen Niveau unterzubringen. Das ist die Bose-Kondensation. Die Berechnung ergibt, dass die BoseKondensation aus dem Gas heraus erst bei sehr viel tieferen Temperaturen erfolgen sollte; die durch
die Kondensation bei 4,2 K erfolgende Dichtevergrößerung bringt die Bose-Kondensations-Temperatur dann auf 2,2 K. Fließendes superfluides Helium ist daher Helium in einem quantenmechanischen
Translationszustand.
Dass die Dinge jedoch nicht ganz so einfach sind, zeigt ein Experiment zur Untersuchung der
Viskosität in einem Rotationsviskosimeter. Hier findet man normale Viskositätswerte. Zur Erklärung
dieser Eigenschaft stellte Tisza das Zweiflüssigkeitsmodell auf. He-II stellt eine Mischung "normalen"
Heliums und Bose-kondensierten Heliums dar. Das "normale" Helium kann man auch als Anregungszustände des Bose-kondensierten Heliums ansehen. Der Anteil des "normalen" Heliums nimmt mit
abnehmender Temperatur bis 0 K auf den Wert 0 ab. Das Strömungsexperiment im Kapillarviskosimeter bzw. im Torus sieht nur das Bose-kondensierte Helium, unbeeinflusst und ohne Impulsübertrag
- 119 vom normalen Helium.
Neben vielen anderen außergewöhnlichen Eigenschaften zeigt auch die Wärmeleitfähigkeit ein
bemerkenswertes Verhalten. Sie wird bei He-II sehr groß; nicht unendlich groß, aber immerhin 100fach größer als die von Kupfer! Dieses führt zu einer besonderen Form des Siedens von He-II.
Normale Flüssigkeiten sieden unter Blasenbildung. Bei He-II ist die Wärmeleitfähigkeit so groß, dass
die Wärme von der Wärmeeintragstelle so schnell abgeführt wird, dass die Temperatur überall
homogen bleibt. Unter diesen Bedingungen erfolgt der Übergang in die Gasphase von der Oberfläche
aus, da dort der Druck wegen des verschwindenden hydrostatischen Drucks am geringsten ist. He-II
siedet daher ohne jegliche Blasenbildung von der Oberfläche aus.
- 120 -
14 Anhänge
14.1 Werte einiger Naturkonstanten
Bezeichnung
Symbol
Wert
Avogadrosche Konstante
NA
6,022 137@1023 mol-1
Boltzmann-Konstante
k
1,380 658@10-23 J/K
Elementarladung
e
1,602 177@10-19 C
Faraday-Konstante
F
9,648 531@104 C/mol
Ruhemasse des Elektrons
me
9,109 389@10-31 kg
Gaskonstante
R
8,314 510 J/K mol
Dielektrizitätskonstante des Vakuums
go
8,854 188@10-12 As/Vm
Plancksche Wirkungskonstante
h
6,626 075@10-34 J s
Vakuumlichtgeschwindigkeit
c
299 792 458 m/s
Nullpunkt der Celsiusskala
273,15 K
Standardtemperatur
25 C; 298,15 K
Standarddruck
1 atm; 1,013 25@105 Pa
- 121 14.2 Stirlingsche Näherungsformel
Die Fakultäten großer Zahlen lassen sich mit der Stirlingschen Näherungsformel berechnen, die sich
wie folgt herleiten lässt. Für große Werte von N kann man den Differenzialquotienten von ln N! dem
entsprechenden Differenzenquotienten mit )N = 1 gleichsetzen.
(14.2.1)
(14.2.2)
Eine bestimmte Integration ergibt:
(14.2.3)
Wird die Integration links ausgeführt und rechts die 1 gestrichen, so resultiert die Stirlingsche
Näherungsformel
(14.2.4)
Die Stirlingsche Näherungsformel konvergiert schlecht - die nächsten Glieder in der Reihenentwicklung sind ½lnN und ½ln(2B) - und gilt daher nur für sehr große N. Da sie in der Statistischen Thermodynamik öfter verwendet wird, sollen in der folgenden Tabelle einige Zahlenwerte zum Vergleich
gegenübergestellt werden. )rel stellt die Differenz zwischen dem korrekten Wert von ln N! und dem
nach der Stirlingschen Formeln berechneten bezogen auf den korrekten Wert dar ((Spalte 2 - Spalte
3)/Spalte 2). Die Tabelle zeigt die schlechte Annäherung mit wachsendem N.
N
ln N!
N ln N - N
N ln N - N + ½ln N
N ln N - N +
½ln N + ½ln (2B)
)rel
100
0
-1
-1
-0.1
-
101
15,1
13,0
14,2
15,1
0,14
102
363,7
360,5
362,8
363,7
0,009
103
5 912,1
5 907,7
5 911,2
5 912,1
0,000 7
104
82 108,9
82 103,4
82 108,0
82 108,9
0,000 07
Weiterhin könnten noch Zweifel entstehen, ob der Vergleich der Logarithmen der Funktion korrekt ist.
Für den Vergleich der Logarithmen spricht, dass die thermodynamischen Größen logarithmisch mit
der thermodynamischen Wahrscheinlichkeit zusammenhängen, z. B. S = k lnW (siehe Kap. 5.3). Da
die Zahl der Systeme eines Ensembles in einem Gedankenexperiment beliebig groß gemacht werden
kann, ist die Verwendung der besseren Näherungen unnötig.
- 122 14.3 Berechnung der Molwärme cL aus der Zustandssumme entsprechend der Debyeschen Theorie
Die Zustandssumme ist nach Gl. (10.2.24)
(14.3.1)
Daraus soll jetzt die Innere Energie berechnet werden.
(14.3.2)
Die Differenziation nach T darf in das Integral hineingezogen werden.
(14.3.3)
Daher gilt:
(14.3.4)
Wie bereits bei anderen Gelegenheiten wird für die Integration mit
(14.3.5)
substituiert. An der oberen Integralgrenze gilt:
(14.3.6)
gesetzt wurde. Weiterhin gilt:
(14.3.7)
so dass das folgende Integral entsteht:
- 123 -
(14.3.8)
(14.3.9)
Durch Differenziation nach T wird cL gewonnen.
(14.3.10)
wobei die Regeln für die Differenziation eines Integrals nach der oberen Integralgrenze verwendet
wurden. Es entsteht dabei der Integrand an der oberen Integralgrenze. Falls die obere Integralgrenze
nicht direkt die Variable ist, nach der abgeleitet werden soll, ist noch mit der Ableitung der oberen
Integralgrenze nach dieser Variablen zu multiplizieren. Mit einigen Umstellungen findet man für die
Molwärme:
(14.3.11)
- 124 14.4 Herleitung der Boltzmann- und Bose-Einstein-Statistik
Boltzmannstatistik
Die thermodynamische Wahrscheinlichkeit für ein System, das der Boltzmannstatistik gehorcht, ist in
Kap. 13.2 hergeleitet worden.
(14.4.1)
Die Herleitung der Boltzmannstatistik erfolgt ähnlich wie die in Kap. 12.2 angegebene Herleitung der
FD-Statistik.
(14.4.2)
(14.4.3)
Nebenbedingungen:
(14.4.4)
(14.4.5)
(14.4.6)
(14.4.7)
(14.4.8)
Bose-Einstein-Statistik
Die thermodynamische Wahrscheinlichkeit für ein System, das der Boltzmannstatistik gehorcht, ist in
Kap. 13.2 hergeleitet worden.
(14.4.9)
Wegen der Ähnlichkeit zur vorstehenden Ableitung erfolgt die weitere Herleitung ohne Kommentar.
(14.4.10)
(14.4.11)
(14.4.12)
(14.4.13)
- 125 -
(14.4.14)
(14.4.15)
Die 1 im Zähler wird jetzt gegen Nj + gj vernachlässigt (siehe dazu auch die Diskussion zu Gl.
(13.2.3).
(14.4.16)
(14.4.17)
(14.4.18)
(14.4.19)
(14.4.20)
(14.4.21)
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