Organische Chemie Chemielaboranten Ri 73 1.5. Halogenkohlenwasserstoffe Kohlenwasserstoffe, in denen ein oder mehrere H-Atome durch Halogenatome substituiert sind, bezeichnet man als Halogenkohlenwasserstoffe. Nomenklatur Die Halogensubstituenten werden als PrÄfixe vor den Stammnamen gesetzt. Viele Halogenkohlenwasserstoffe tragen zudem Trivialnamen. Auch die radikofunktionelle Nomenklatur ist in gewissen FÄllen Åblich. Dabei werden die Bezeichnungen aus dem Namen des KWRestes und der Endung des Halogens gebildet. CH3Cl CH2Cl2 CHCl3 CCl4 ClCH2 CH2Cl CH2 CHCl CH2 CH CH2Br Chlormethan Dichlormethan Trichlormethan Tertrachlormethan 1,2-Dichlorethan Chlorethen 3-Brompropen Methylchlorid Methylenchlorid Chloroform Tetrachlorkohlenst. Ethenylchlorid Vinylchlorid Allylbromid I I CH3 CH3 C Cl CH3 CH2Cl 1,1-Diiodbenzen 2-Chlor-2-methylpropan tert. Butylchlorid Chlormethylbenzen Benzylchlorid Eigenschaften Die Halogen-KW sind schwach polare, lipophile FlÅssigkeiten. Chlormethan, Brommethan und Chlorethan sind gasig. Organische Stofflehre Halogenkohlenwasserstoffe Organische Chemie Chemielaboranten Ri 74 Der Siedepunkt der Halogen-KW steigt mit zunehmender Molarer Masse. Die FlÅssigkeiten haben relativ hohe Dichten. Die Verbindungen sind wasserunlÇslich, lÇsen sich aber in den meisten organischen LÇsemit-teln und sind selbst gute LÇsemittel fÅr organische Substanzen. Je mehr Halogenatome ein MolekÅl aufweist, desto schwerer entflammbar ist der Stoff. Ist Chloroform wÄhrend lÄngerer Zeit feuchter Luft und Sonnenlicht ausgesetzt, so bildet sich das Äusserst giftige Phosgen. HandelsÅbliches Chloroform ist mit wenig Ethanol stabilisiert. Der Einsatz von halogenierten KW ist so weit als mÇglich einzuschrÄnken: Sie sind biologisch schwer abbaubar. Ihre DÄmpfe stÅren unter Einwirkung ultravioletter Strahlung das Ozongleichgewicht in den hÅheren Schichten der AtmosphÄre (FCKW). Die Entsorgung von nicht mehr verwendbaren Halogen-KW ist noch nicht zufriedenstellend gelÅst (Verbrennung verursacht sauren Regen, Dioxinbildung etc.). Einige Halogen-KW sind cancerogen und mutagen (Chloroform, Tertrachlorkohlenstoff). Aromatische Halogen-KW sind fettlÅslich und reichern sich Çber die Nahrungskette zu gefÄhrlichen Konzentrationen an (DDT, Dioxine, PCB). Verwendung LÇsemittel: KÅhlmittel/Treibgase: LÇschmittel: Insektizide/Herbizide: Dichlormethan, Trichlormethan Dichlorethan, Chlorbenzen polychlorierte Biphenyle (PCB), Freone (CCl2F2), Frigene (FCl2C-CClF2) Bromchlordifluormethan Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT), DichlorphenoxyessigsÄure Organische Stofflehre Halogenkohlenwasserstoffe Organische Chemie Desinfektionsmittel: Kunststoffe: Alkylierungsreagenzien: Chemielaboranten Ri 75 Hexachlorophen Polyvinylchlorid, Polytetrafluorethan Iodmethan, Bromethan Herstellung Halogenkohlenwasserstoffe kommen in der Natur nicht vor. Sie sind synthetisch leicht zugÄnglich durch Halogenierung von gesÄttigten und ungesÄttigten Kohlenwasserstoffen oder von Alkoholen. Halogenierung von gesÄttigten KW Diese ist nur bei Methan und alkylierten Aromaten wirtschaftlich. Bei hÇheren Alkanen entstehen schwer trennbare Gemische von Stellungsisomeren und verschieden stark halogenierten KW. Die Substituierbarkeit der H-Atome nimmt von den primÄren zu den tertiÄren CAtomen allerdings deutlich zu. Beispiel: Herstellung von Tribrommethan CH4 + 3 Br2 UV CHBr3 + 3 HBr Beispiel: Einfache Chlorierung von Propan CH3 CH2 CH3 + Cl2 UV Cl CH3 CH CH3 + HCl Addition von Halogenen an Alkene Beispiel: Addition von Brom an Propen CH3 CH CH2 + Br2 Br Br CH3 CH CH2 Addition von Halogenwasserstoff an Alkene Die Addition erfolgt gemÄss der Regel nach Markownikow. Beispiel: Addition von Chlorwasserstoff an Propen CH3 CH CH2 + HCl Organische Stofflehre Cl CH3 CH CH3 Halogenkohlenwasserstoffe Organische Chemie Chemielaboranten Ri 76 Substitution der Hydroxygruppe aus Alkoholen Geeignet sind Chlorierungsmittel wie Thionylchlorid SOCl2 und Phosphorpentachlorid PCl5. Beispiel: Herstellung von Chlorethan aus Ethanol mit Thionylchlorid CH3 CH2 OH + SOCl2 CH3 CH2 Cl + SO2 + HCl Beispiel: Chlorierung von Ethanol mit Phosphorpentachlorid CH3 CH2 OH + PCl5 CH3 CH2 Cl + POCl3 + HCl TertiÄre Alkohole reagieren bereits mit Halogenwasserstoff in einer Gleichgewichtsreaktion. Beispiel: Reaktion von 2-Methyl-2-propanol mit Chlorwasserstoff CH3 CH3 C OH + HCl CH3 CH3 CH3 C Cl + H2O CH3 Reaktionen Die Halogenalkane sind reaktionsfÄhig, wobei die ReaktivitÄt von den Iod- zu den Chloralkanen abnimmt. Die wichtigsten Umsetzungen sind Eliminations- und Substitutionsreaktionen sowie Organometallreaktionen. Eliminationsreaktionen Durch Elimination von Halogen oder Halogenwasserstoff entstehen Alkene. Es bilden sich die am stÄrksten substituierten Alkene, also in der Regel nicht die 1-Alkene. Beispiel: Elimination von Brom aus 1,2-Dibromcyclopentan Br Br + Zn + ZnBr2 Beispiel: Elimination von Chlorwasserstoff aus 2-Chlorbutan Cl CH3 CH CH2 CH3 + KOH Organische Stofflehre Alkohol/ CH3 CH CH CH3 + KCl + H2O Halogenkohlenwasserstoffe Organische Chemie Ri Chemielaboranten 77 Wurtz-Reaktion Bringt man Halogenalkane mit metallischem Natrium in Ether zur Reaktion, verbindet sich das Natrium mit dem Halogen zum Halogenid und die Alkylradikale vereinigen sich zu einem Alkan. Auf diese Weise kÇnnen auch Halogenbenzene untereinander oder mit Halogenalkanen verbunden werden (Wurtz-Fittig-Reaktion). Beispiel: Synthese von Octan aus Brombutan 2 C4H9 Br + 2 Na C8H18 + 2 NaBr Beispiel: Herstellung von Cyclohexan aus 1,6-Dibromhexan Br C6H12 Br + 2 Na + 2 NaBr Beispiel: Wurtz-Fittig-Reaktion mit Brombenzen Br 2 + 2 Na + 2 NaBr Substitutionsreaktionen Halogenkohlenwasserstoffe sind vielverwendete Zwischenstufen fÅr Alkohole, Ether, Amine und Nitrile. Beispiel: Herstellung von Ethanol durch Hydrolyse von Bromethan CH3 CH2 Br + NaOH H2O CH3 CH2 OH + NaBr Beispiel: Herstellung von Methylphenylether durch O-Alkylierung von Natriumphenolat O- Na+ O CH3 + CH3 I + NaI Beispiel: Herstellung von Dimethylbenzylamin durch N-Alkylierung von Dimethylamin CH3 CH2 Br + HN CH3 Organische Stofflehre - OH CH2 N CH3 HBr CH3 + Halogenkohlenwasserstoffe Organische Chemie Chemielaboranten Ri 78 Beispiel: Herstellung von Butannitril aus Iodpropan CH3 CH2 CH2 I + KCN CH3 CH2 CH2 CN + KI Metallorganische Verbindungen Halogen-KW reagieren in trockenen, inerten oganischen LÇsemitteln mit nicht allzu reaktiven Metallen zu metallorganischen Verbindungen. Darunter versteht man Substanzen, in denen mehr oder minder stark polare kovalente Bindungen zwischen Kohlenstoff- und Metallatomen auftreten. Ihre ReaktionsfÄhigkeit wÄchst mit zunehmendem Ionencharakter der Bindung. Sie sind z.T. selbstentzÅndlich. Beispiel: Herstellung von Methyllithium CH3 Br + 2 Li CH3 Li + LiBr ReaktionsfÄhige Metalle reagieren sehr heftig mit Halogenalkanen. Ihre metallorganischen Verbindungen werden durch Austauschreaktionen gewonnen. Beispiel: Herstellung von Ethylnatrium aus Ethyllithium CH3 CH2 Li + NaCl CH3 CH2 Na + LiCl Die Addition von Hydriden an Alkene und Alkine fÅhrt in gewissen FÄllen ebenfalls zu metallorganischen verbindungen. Beispiel: Addition von Borhydrid an Ethen BH3 + 3 CH2 CH2 B(CH2 CH3)3 Eine besondere und wichtige Gruppe von metallorganischen Verbindungen sind die Grignard-Verbindungen. Sie bilden sich aus Halogenalkanen und metallischem Magnesium in Ether oder Tetrahydrofuran. Beispiel: Umsetzung von Bromethan mit Magnesium zu Ethylmagnesiumbromid CH3 CH2 Br + Mg CH3 CH2 Mg Br Grignard-Reagenzien sind Äusserst empfindlich gegen Feuchtigkeit, Sauerstoff und Kohlendioxid. Es sind wichtige Reagenzien zur Herstellung von Alkoholen, Aldehyden, Ketonen und CarbonsÄuren. Ihre Reaktionen werden in den entsprechenden Kapiteln ausfÅhrlich behandelt. Organische Stofflehre Halogenkohlenwasserstoffe