Vorlesung VWL II vom 02.11.2009 Messung der Verbraucherpreise Wachstum in der längeren Frist (1) 2.4 die Messung der Verbraucherpreise Inflation: Allgemeiner Anstieg der Verbraucherpreise. sinkende Preise: Deflation Inflation ist ein zentrales Moment der Wirtschaftsentwiclung -- Ziel der Wirtschaftspolitik (Preisniveaustabilität) -- Ihre Messung ist notwendig zum Vergleich der Kaufkraftentwicklung -- wichtig als Orientierungsmaßstab bei Lohnverhandlungen oder im Rahmen von Wertsicherungsklauseln. Verbraucherpreisindex misst die durchschnittliche Presisteigerung aller Waren und Dienstleistungen, die von den privaten Haushalten für Konsumzwecke gekauft werden. Alle Haushaltstypen, Regionen und Güter sollen repräsentativ abgebildet werden. Unterschiede in der Inflationsmessung zwischen Ländern (Europa: HVPI) Berechnung des Wägungsschemas Stichprobenrahmen; Mikrozensus/Zensus Einkommens-und Verbraucherstichprobe (EVS) 60 000 Haushalte schreiben alle fünf Jahre auf, wofür sie ihr Geld ausgeben. Verbrauchssteuerstatistiken, Informationen zu Ausgaben für Tabakwaren und Alkoholische Getränke Laufende Wirtschaftsrechnungen (LWR) 8 000 Haushalte schreiben sehr detailiert auf, wofür sie ihr Geld ausgeben. Weitere Anpassungen: - Nettokonzept - Versicherungen - Inlandskonzept Wägungsschema 2005 und 2000 4% 4% Alkoholische Getränke, Tabakwaren 0% 6% Bekleidung und Schuhe 2000 2005 Nahrungsmittel und alkolholfreie Getränke 10% 10% 0% 14% Verkehr 0% 30% Wohnungsmieten, Haushaltsenergie 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% Schritt 1: Erfassung der Verbrauchsgewohnheiten zur Festlegung des Warenkorbs 4 Hotdogs, 2 Hamburger Jahr 2005 2006 2007 Preis eines Hotdogs €1 €2 €3 Preise und Mengen Preis eines Hamburgers €2 €3 €4 Schritt 3: Berechnung des Preises des Warenkorbs für jedes Jahr Preis des Warenkorbs 2005 (€ 1 pro Hotdog X 4 Hotdogs) + (€ 2 pro Hamburger X 2 Hamburger) = (€ 8 2006 (€ 2 pro Hotdog X 4 Hotdogs) + (€ 3 pro Hamburger X 2 Hamburger) = (€ 14 2007 (€ 3 pro Hotdog X 4 Hotdogs) + (€ 4 pro Hamburger X 2 Hamburger) = (€ 20 = Schritt 4: Auswahl eines Basisjahres (2005) und Berechnung des Verbraucherpreisindex für jedes Jahr Jahr 2005 (€8/€8)*100=100 2006 (€14/€8)*100=175 2007 (€20/€8)*100=250 Schritt 5: Berechnung der Inflationsrate mithilfe des Verbraucherpreisindex Jahr 2006 2007 (175-100)/100*100=75% (250-175)/175*100=43% Probleme bei der Messung der Verbraucherpreise Substitutionseffekte Verbraucherpreisindex is Laspeyres-Index (festes Gewicht im Ausgangsjahr), Subsitiutionseffekt unberücksichtigt Alternative ist Paasche-Index (festes Gewicht des aktuellen Jahrs), dann Wohlfahrtsverluste durch Substitution nicht berücksichtigt, keine aktuellen Daten. Autreten neuer Güter Ähnlich: neue Vertriebsstrukturen Qualitätsänderungen neuer Güter. Insgesamt Überschätzung der Inflation, daher eine positive Zielrate der EZB angemessen Gefühlte Inflation BIP-Deflator vs. VPI BIP-Deflator und VPI messen unterschiediche Güterbündel mit unterschiedlicher Methodik Inländische Produktion vs. Inländischer Konsum Vorjahrespreisbasis (Paasche) vs. festes Basisjahr (Laspeyres) Unterschiede zw. Deflator und VPI besonders, wenn Importpreise stark steigen (Ölpreis). Gefühlte Inflation und Verbraucherpreisentwicklung Langfristiger Zins, Inflationsrate und Realzins in Deutschland 1980–2009 12 10 Prozent Langfristiger Zins 8 6 4 2 0 Inflationsrate Veränderung Vorjahr -2 1980 1983 1986 1989 1992 1995 1998 2001 2004 2007 3. Wachstum der Wirtschaft in der längeren Frist Wachstum der Wirtschaft ist ein relativ neues Phänomen Trotz der kulturellen Errungenschaften früherer Jahrhunderte ist die Steigerung des Lebensstandards breiter Bevölkerungsschichten ein relativ neues Phänomen (etwa ab 18. Jh., seit 1870 beschleunigt) Fragen: Warum wachsen manche Länder schneller? Wie kann man Wachstum stimulieren? Gibt es Grenzen des Wachstums? Messung: Längerfristige Entwicklung des realen BIP pro Kopf (oder je Arbeitsstunde) Kleine Unterschiede in jährlichen Wachstumsraten können über einen längeren Zeitraum große Unterschiede des Wohlfahrtsniveaus erzeugen (Zinseszinsrechnung) Tabelle Die 70er Regel Jährliche Zuwachsrate (in % pro Jahre, die es braucht um das Jahr) Ausgangsniveau zu verdoppeln 1 70 2 35 3 23,3 4 17,5 5 14 6 11,7 7 10 8 8,8 9 7,8 10 7 Internationaler Vergleich des Lebensstandards anhand des realen BIP pro Kopf in Kaufkraftparitäten Tabelle BIP pro Kopf BIP pro Kopf (PPP) im Ländervergleich (2008) Die 10 reichsten Länder Die 10 ärmsten Länder 1 Liechtenstein $ 118 000 220 Zentralafrikan $ 700 ische Republik 2 Katar $ 103 000 221 Niger 3 Luxemburg $ 81 100 222 Sierra Leone $ 700 4 Bermuda $ 69 900 223 Eritrea $ 700 5 Kuwait $ 57 400 224 Guinea Bissau $ 600 6 Jersey $ 57 000 225 Somalia $ 600 7 Norwegen $ 55 200 226 Liberia $ 500 8 Brunei $ 53 100 227 Burundi $ 400 9 Singapur $ 52 000 228 Kongo, Dem. $ 300 Republik 10 USA $ 47 000 229 Simbabwe Nachrichtlich: 34. Deutschland $ 34 800 Quelle: CIA, The World Factbook 2009 $ 700 $ 200 Tabelle: Die Entwicklung des realen BIP pro-Kopf in den Industrieländern 1870 – 2007 US $ in Preisen von 2006 Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate 1870 2007 18702008 18701913 19131955 19551973 19732007 USA 2,93 44,79 1,98 1,8 2,14 2,36 1,82 Kanada 2,43 35,74 1,96 2,24 1,46 2,91 1,74 Vereinigtes 4,71 Königreich 34,58 1,46 1,01 1,12 2,36 1,79 Japan 1,05 33,64 2,53 1,47 1,65 7,87 2,12 Frankreich 2,73 33,55 1,83 1,44 1,41 4,06 1,66 Deutschland 2,71 30,75 1,77 1,59 1,1 4,03 1,64 Italien 2,25 30,02 1,89 1,25 1,43 4,57 1,85 Quelle: R.J. Gordon, Macroeconomics, 2009, S. 323 Tabelle: Veränderungen ausgewählter Länder in der relativen Einkommensposition zu den USA 1960 – 2004 Reales BIP Pro-Kopf – relativ zu den USA (=100) Land 2004 1960 Österreich 78 65 Italien 64 56 Frankreich 72 66 Neuseeland 63 94 Venezuela 20 47 Argentinien 30 61 China 15 3 Hongkong 82 26 Süd-Korea 51 11 Bolivien 8 19 Kamerun 8 15 Mali 3 6 Reiche Länder, die aufgeholt haben Reiche Länder, die zurückgeblieben sind Arme Länder, die aufgeholt haben Arme Länder, die zurückgefallen sind Produktivität und ihre Bestimmungsfaktoren Produktivität: Menge an produzierten Gütern pro Arbeitsstunde. Sie ist die zentrale Determinante des Wachstums (pro Kopf) Beispiel Einpersonengesellschaft (Robinson) Determinanten: Wissen wie es geht, Produktionsmittel (Körbe, Netze, Werkzeug), günstiges Umfeld Allgemein: Sachkapital Humankapital natürliche Ressourcen (Grenze fürs Wachstum?) Produktionsfunktion Anstieg der realen Nahrungsmittelpreise IMF -Index; 2000=100 Real Nominal Quelle: IMF; Bureau of Economic Analysis Produktionsfunktion • Faktoren: Arbeit, Sachkapital, Humankapital, Natürliche Ressourcen, (A: nicht beobachtbare Faktoren, technischer Fortschritt) • Y = A * F (L,K,H,N) • Konstante Skalenerträge • Sinkende Skalenerträge Die Rolle des Staates für das Wirtschaftswachstum Voraussetzungen: bestreitbare Märkte (Wettbewerb), politische Stabilität, Eigentumsrechte, stabiler Geldwert Förderung von Sparen und Investieren Schaffung günstiger Bedingungen für Investoren aus dem Ausland (Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen) Förderung des Freihandels (Exportorientierung in Asien xY = A in *F Lateinamerika) ( xL, xK, xH, xN) vs. Importsubstitution Bevölkerungswachstumspolitik Förderung von Aus- und Fortbildung (positive Externalitäten, Brain Drain Förderung von Gesundheit und Ernährung) Zusammenfassung Es gibt weltweit beträchtliche Unterschiede im Niveau des realen BIP pro Kopf. Die reichen Länder verfügen über einen Lebensstandard, der mehr als das Zehnfache des Lebensstandards der ärmeren Länder beträgt. Infolge unterschiedlich hoher Wachstumsraten verschieben sich die relativen Einkommensniveaus im Zeitablauf beträchtlich Der Lebensstandard eines Landes hängt von seiner Fähigkeit ab, Waren und Dienstleistungen zu produzieren. Entscheidend für den Lebensstandard ist die Produktivität, der Output je geleisteter Arbeitsstunde. Die Produktivität wiederum hängt von der Ausstattung der Arbeitskräfte mit Sachkapital, Humankapital, natürlichen Ressourcen und dem verfügbaren technologischen Wissen ab. Bei der Akkumulation von Sachkapital gilt das Gesetz abnehmender Grenzerträge. Durch eine höhere Sparquote lässt sich das Niveau von Einkommen und Produktivität erhöhen, nicht jedoch die längerfristige Wachstumsrate der genannten Größen. Abnehmende Skalenerträge führen dazu, dass eine Erhöhung des Sachkapitalbestands in ärmeren Ländern zu einem höheren Produktionszuwachs führt. Unter sonst gleichen Bedingungen können die ärmeren Länder rascher wachsen.(Catch-up-Effekt). Zusammenfassung Staatliche Maßnahmen haben einen großen Einfluss auf die längerfristige Wachstumsrate eines Landes. Voraussetzung für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum sind Anreize für die Bürger zum Sparen und Investieren. Dazu bedarf es funktionierender Märkte, der Gewährleistung von Eigentumsrechten, politischer Stabilität und eines stabilen Geldwertes. Als förderlich für das Wirtschaftswachstum haben sich zudem eine Integration in die internationale Arbeitsteilung, ein gut funktionierendes Aus- und Fortbildungssystem, eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sowie eine Kontrolle des Bevölkerungswachstums herausgestellt.