Entspannung mit Quallen

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Spezialaquarium:
Entspannung mit Quallen
Text und Fotos: Johannes Berns
Die Idee
Eigentlich beschäftige ich mich
überwiegend mit Riffaquarien und
Artenbecken
für
verschiedene
Fischarten, dieses mal aber wollte
ich in ein für mich noch unbekanntes „Terrain“ im Bereich der Spezialaquarien vordringen: Ein Artenbecken für Ohrenquallen aurelia aurita.
Es sollte ein Becken mit ausschließlichem Quallenbesatz werden, in
dem die Tiere artgerecht auf lange
Zeit – das heißt ihren ganzen Lebenszyklus von ca. 6-8 Monaten
lang – leben könnten. Gleichzeitig
sollte dieses Aquarium den Betrachter zu einer ganz besonderen Art der
Entspannung einladen, da es wohl
nur wenige Tiere gibt, die eine
ähnlich mystische Ausstrahlung
haben:
majestätisch schwebend,
geheimnisvoll fluoreszierend und
immer von einer faszinierenden
Ruhe getragen.
Nach ausführlicher Information
über die bisher gemachten Erfahrungen bei der Quallenhaltung in
den Aquarien des Zoo’s Berlin, des
Burger’s Zoo (Niederlande), des
Aqua-Zoo’s Düsseldorf (Löbbeke
Museum) und des Montery-BayAquarium (Kalifornien) entschied
ich mich bezüglich des Besatzes für
Tiere der Tropenform von Aurelia
aurita, der Ohrenqualle.
Die Tiere
Ohrenquallen sind kosmopolitisch.
Sie leben in allen Meeren auf unserer Erde. Je nach Verbreitungsgebiet
erreichen sie ausgewachsen eine
Größe bis zu 40 cm im Durchmesser, wobei einige tropische Populationen deutlich kleiner bleiben.
Auch in der Lebenserwartung unterscheiden sich die Tiere der tropischen Zonen von denen der kälteren
Meere. Während die Ohrenquallen
aus z.B. Nordsee und Ostsee nur
eine Lebenserwartung von 4 bis 6
Monaten haben, werden die tropischen Formen oft bis zu 8 Monaten
alt.
Aurelia aurita gehört zu den bekanntesten Quallenarten. Oft kann
man sie an Stränden angespült als
glitschige, für viele Betrachter ekelerregende gallertartige tote Masse
sehen. Viel anders ist ihr Erscheinungsbild unter Wasser:
Lebenserwartung von 4 bis 8 Monaten haben.
Ohrenqualen ernähren sich in der
Natur von unterschiedlichem, der
Größe der einzelnen Qualle entsprechendem Plankton. Im Gegensatz zu
vielen anderen Quallenarten ist ihre
Nesselwirkung sehr gering und von
der menschlichen Haut fast nicht
wahrnehmbar.
Im Meer bewegen sich Ohrenquallen primär passiv. Sie werden von
der Meeresströmung fortbewegt und
von der immer leicht vorhandenen
vertikalen Aufwärtsströmung in der
„Schwebe“ gehalten. Die sporadisch
eingesetzten
pulsierenden
Schwimmbewegungen reichen ohne
Strömungsunterstützung
alleine
nicht aus, ein Absinken der Tiere
auf den Bodengrund zu verhindern.
Die Aquarienhaltung
Ihr Schirm ist teller- bis glockenförmig, fast transparent, gelegentlich rötlich oder blauviolett gefärbt.
Im Zentrum der Glocke sind 4 rosafarbene huf- oder ohrenförmige
Halbkreise, die Geschlechtsorgane
der Tiere, zu sehen. Am Schirmrand
befinden sich eine Vielzahl kurzer
und feiner Tentakeln. Die Mundarme sind groß, verbreitert und hängen langgestreckt weit über den
„Tellerrand“ hinaus.
Unterlage niederlassen und kleine
Polypen mit Fangarmen bilden.
Diese Scyphopolypen wachsen im
Frühjahr in länglicher Form heran
und stoßen durch eine Querteilung
(Strobolation) nacheinander ringförmige Scheibchen ab, die freischwebend ihr Eigenleben als Meduse bzw. Qualle beginnen.
Ohrenquallen
sind
getrenntgeschlechtlich. Sie vermehren sich in
Form des sogenannten Generationenwechsels. Die von uns als Quallen ( richtig Medusen ) bezeichneten
Tiere sind die geschlechtliche Generation, die weniger bekannten
Scyphopolypen bilden die ungeschlechtliche Generation des Nesseltieres.
schematische Darstellung der Strobolation
junge Scyphopolypen
Aus den Eiern der Ohrenqualle
entstehen kleine Larven, die zunächst frei umherschwimmen, sich
nach ca. 5 bis 8 Tagen auf eine feste
Durchschnittlich entstehen aus
einem Scyphopolypen 10 bis 14
Medusen. Wenn sich die letzte
Meduse gelöst hat, bilden sich erneut Fangarme am Polypen aus und
im nächsten Frühjahr werden wieder Medusen durch Strobolation ins
Wasser entlassen.
Scyphopolypen sind also mehrjährig, während die Medusen nur eine
Die Berücksichtigung der „passiven
Fortbewegung“ ist entscheidend für
eine erfolgreiche Aquarienhaltung,
da die Quallen ohne künstliche
leichte, strudelfreie horizontale und
minimal vertikale Wasserzirkulation
langsam zu Boden sinken und dort
nach kurzer Zeit sterben würden.
Da Ohrenqualen in der Natur ständig Nahrung aufnehmen, muss auch
im Aquarium eine sehr häufige und
intensive Fütterung mit in der
Schwebe gehaltenem Zooplankton
oder Ersatzfutter gewährleistet sein.
Aufgrund der Strömungsverhältnisse, welche die Quallen im Aquarium benötigen, ist der Schwebezustand des Futters jedoch leicht -fast
automatisch- realisiert.
Gefüttert wurden die Tiere anfänglich mehrmals täglich mit Unmengen frisch geschlüpfter
Artemia-Nauplien. Später ergänzten
tiefgefrorene
Bosmidien
und
Cyklops die Artemien. Mit diesem
Futtermix habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht.
Bauphase
Es gibt verschiedene Möglichkeiten
der erfolgreich praktizierten Hälterung von Quallen:
a) große bis riesige sogenannte
„streched Kreisel“ wie z.B. im
Montery-Bay-Aquarium (Kalifornien),
b) große Zylinderbecken oder
c) in normalen rechteckigen, nur
strömungstechnisch umgestalteten Aquarien.
Ein 300 l netto fassendes rahmenloses Glasaquarium wurde mit insgesamt 6 Strömungspumpen für die
horizontale Wasserzirkulation und 2
Topffiltern für eine Bodendurchflutung für die vertikale Zirkulation
bestückt.
Bodendurchflutung im Rohbau
Alle Strömungspumpen sind in der
Durchflussmenge regulierbar, um
die Strömungsverhältnisse im Becken entsprechend der sich verändernden Quallengröße und dem
damit verbundenen Strömungswiderstand verändern zu können.
Die Pumpen sind hinter einer
schwarzen Kunststoffscheibe im für
den Betrachter nicht einsehbaren
Aquarienteil untergebracht, so dass
für die Zuschauer keinerlei Technik
sichtbar ist.
Berührung sehr empfindlich reagierenden Quallen nicht von den Pumpen angesaugt und somit geschädigt
werden können.
Durch unzählige winzige Einlauföffnungen in der Trennscheibe zu
den Pumpen gelang es, den Ansaugstrom im Verhältnis zur Gesamtwasserzirkulation zu minimieren,
damit für die Quallen keine Gefahr
des „angesaugt werden“ besteht.
Luftblasen im Aquarium bilden eine
weitere erhebliche Gefährdung für
die Tiere. Quallen unterscheiden bei
der Nahrungssuche nicht zwischen
Plankton und Luftperle – so kann
Luft in den Verdauungstrakt gelangen und nicht wieder ausgeschieden
werden, zum zweiten können sich
Luftblasen unter dem Quallenschirm sammeln und die Tiere unvermeidlich an die Wasseroberfläche heben, sodass sie hier verenden.
Der notwendige Eiweissabschäumer
muss also korrekt eingestellt und
der Wasserrücklauf absolut blasenfrei sein!
Mit Hilfe von kleinen - der Größe
der Quallen entsprechenden - wassergefüllten Luftballons konnte die
Strömung so lange experimentell
eingestellt werden, bis eine sanfte,
strömungslochfreie Zirkulation im
Aquarium entstand. Später wurde
die Strömung entsprechend des
Wachstums und des daraus veränderten Gewichtes der Quallen nachreguliert.
Die Topffilter sind mit gut eingefahrenem Filtersubstrat aus einem
Biofilter bestückt.
Die Gesamtwasserumwälzung beträgt ca. 2500 Liter/Std., ein besonderes Augenmerk muss also darauf
gelegt werden, dass die auf jede
Als Bodengrund habe ich nach
anfänglichen
strömungstechnisch
unbefriedigenden Versuchen mit
weißem Korallenbruch schließlich
wasserneutralen, schwarzen, abgerundeten Kies in 3 cm Schichthöhe
eingebracht, da dieser den „Schwebeeffekt“ des gesamten Aquariums
optisch wesentlich unterstützt. Außerdem birgt der abgerundete Kies
für die Quallen weniger Verletzungsgefahr als der teilweise doch
scharfe Korallenbruch.
Die Beleuchtung besteht ausschließlich aus 2 Blaulichtleuchtstoffröhren, eine oberhalb des Aquariums,
eine senkrecht an der Seitenscheibe
angebracht.
Blick in die Beleuchtungseinheit
während der Versuchsphase
Beide Lampen sind mittels Reflektoren auf einen sehr kleinen, nur
etwa 10 cm breiten Streuwinkel
eingestellt. Hierdurch entstehen im
Becken sehr unterschiedliche Lichtzonen: dunkle, schattenhafte Bereiche, in denen die Quallen nur schemenhaft zu erkennen sind und helle,
strahlende Zonen, in denen sich die
Quallen den Betrachtern leuchtend
und fluoreszierend darstellen.
Auf eine Heizung kann wegen der
Abstrahlungswärme von Pumpen
und Beleuchtung verzichtet werden. Ein Kühlaggregat ist zur Senkung von eventuell möglichen
Temperaturspitzen
installiert.Als
Wasser wurde alteingefahrenes
Wasser aus einem Riffbecken mit
frisch angesetztem Meerwasser
gemischt. ( 200 Liter / 100 Liter ).
Wasserwerte:
Dichte 1,024,
Nitrit 0,
Nitrat < 20 mg/l.
Wasserwechsel mtl. je 60 l.
wöchentliche Spurenelementzugabe
~ 20 Grad C.,
Zum Autor:
Johannes Berns, 50 Jahre,
Dipl. Sozialarbeiter, Psychotherapeut
seit 33 Jahren Meerwasseraquaristik
Kontakt: [email protected]
(weitere Infos auf
Autor)
Das Ergebnis
„Faszination Aquaristik“ einmal anders
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