Medizinische Aspekte des Cochlea-Implantats SAL-Bulletin Nr. 89 Seite 1 September 1998 Referat von Prof. Dr.med. Rudolf Probst, gehalten an der SAL-Tagung vom 5. Juni 1998 in Zürich Verfasser: Einleitung Professor Dr. Rudolf Probst Die Kochlea hat eine komplexe Aufgabe zu lösen: sie übersetzt akustische Schwingungen in Nervenpotentiale. Die Kenntnisse über den genauen physiologischen Ablauf und das Zusammenspiel dieser Vorgänge hat HNO-Universitätsklinik Kantonsspital 4031 Basel zwar in den letzten 20 Jahren gros se Fortschritte gemacht, trotzdem sind sie noch nicht vollständig bekannt. Um so erstaunlicher ist es, dass es der Medizin, der Wissenschaft und der Technik ebenfalls in den letzten rund 20 Jahren gelungen ist, gerade dieses physikalisch so leistungsfähige Sinnesorgan funktionell zu ersetzten. Dies war nicht zum vornherein zu erwarten. So machten in den 60er Jahren hoch angesehene Physiologen düstere Prognosen zur Zukunft und zu den Möglichkeiten eines prothetischen Ersatzes der Kochlea. Klinische Experimentierfreude, Fortschritte in der Technik und Elektronik und mutige Patienten bewiesen das Gegenteil. Das Resultat ist das Cochlear Implant (CI), wie wir es heute kennen. Die Beiträge anderer Autoren aus unterschiedlichen Berufsgruppen machen klar, dass das CI eine ausgesprochen interdisziplinäre Rehabilitations- oder Habilitationsmassnahme darstellt, bei der diese verschiedenen Berufsgruppen alle entscheidend beitragen. Was sind aber die spezifisch medizinische Aspekte des CI als Reha bilita tionsmassnahme? Die medizinische Seite wird in der Regel vom chirurgisch tätigen Otologen repräsentiert. Er kann vor allem zwei Aspekte einfliessen lassen: die Indikationsstellung und, selbstredend, die Operation. Das Abwägen einer Summe von komplexen Vor- und Nachteilen einer Massnahme, oder anders ausgedrückt von möglichen Risiken gegenüber von voraussehbarem Nutzen, ist eine grundlegende ärztliche Tätigkeit, die vielleicht gerade für chirurgisch tätige Ärzte von besonderer Wichtigkeit ist. Der erste Schritt einer erfolgreichen chirurgischen Massnahme ist die Indikationsstellung, also die Beantwortung der Frage, ob und wann operiert werden soll. Die Durchführung der Operation ist die offensichtlichste ärztliche Tätigkeit beim CI, die in diesem Fall in der Schweiz auf einige bezeichnete Zentren beschränkt ist. Das Vertrauen auf die erfolgreiche Durchführung der Operation, das die Patienten oder die Eltern respektive die Betreuern von Kindern zusammen mit dem gesamten CI-Team dem Arzt entgegen bringen muss, stellt eine wichtige Voraussetzung für das CI als erfolgreiche Rehabilitationsmassnahme dar. Medizinische Aspekte des cochlea-Implantats SAL-Bulletin Nr. 89 Referat von prof. Dr. med. Rudolf Probst September 1998 Seite 2 Indikationsstellung Es sind vor allem zwei Gruppen von Personen, die von einem Cochlear Implant profitieren können: erstens Erwachsene oder Kinder, die durch Unfall oder Krankheit ihr Gehör verlieren und zweitens Kinder, die ohne Gehör geboren werden. Der Hauptunterschied zwischen diesen zwei Gruppen liegt im Spracherwerb. Während die erste Gruppe Sprache durch das Gehör erlernt hat und also die Lautsprache kennt, ist die zweite Gruppe vor einer Implantation nie der üblichen Lautsprache ausgesetzt gewesen. CI nach Ertaubung Auch leistungsfähige Hörgeräte haben bei zunehmender Schwerhörigkeit ihre Grenzen. Falls die Kochlea nicht mehr in der Lage ist, die akustischen Schwingung in bioelektrische Signale umzuwandeln, kann auch die höchste akustische Verstärkung keine Verbesserung der auditiven Kommunikation erreichen. Bei Erwachsenen, seltener beim älteren Kind, kann eine solche Schädigung beiderseits als Endresultat eines progressiven Funktionsverlusts der Kochlea über längere Zeit auftreten. Die Ursachen sind oft unbekannt. Aber auch Schädelfrakturen oder Medikamente können zu einem vollständigen Verlust der Hörfähigkeit führen. Die Diagnose einer Taubheit kann bei diesen Patienten im allgemeinen ohne Schwierigkeiten gesichert werden. Voraussetzung für das CI in solchen Fällen ist ein zumindest teilweise funktionsfähiger Hörnerv. Die Antwort auf elektrische Reize kann beim Medizinische Aspekte des Cochlea-Implantats SAL-Bulletin Nr. 89 Referat von Prof. Dr. med. Rudolf Probst September 1998 Seite 3 Eine Gehörlosigkeit steht fest, falls ein Kind von konventionellen Förderungsmassnahmen einschliesslich korrekter Hörgeräteanpassung lautsprachlich nicht profitiert. Zur Feststellung der Gehörlosigkeit ist deshalb eine enge Zusammenarbeit zwischen den Eltern, den Gehörlosenschulen, den Akustikern und den ärztlichen Spezialisten notwendig. Medizinisch sind vor einer CI-Operation zusätzliche Untersuchungen notwendig. Audiologisch dürfen in objektiven Hörtests und in den verhaltensaudiometrischen Tests keine Reaktionen nachweisbar sein. Für die Indikation und die Operationsplanung sind bildgebende Untersuchungen des Innenohrs und des Hörnervs besonders wichtig. Die moderne Computertomographie und die Magnet-Resonanz-Tomographie erlauben eine differenzierte Darstellung dieser Strukturen. Missbildungen, Verkalkungen der Kochlea und der Verlauf des Hörnervs können mit grosser Sicherheit erkannt werden. Daneben bilden eine medizinische Beurteilung der allgemeinen Operationsfähigkeit, eine neuropädiatrische Untersuchung der allgemeinen Wahrnehmungsfunktionen und Lernfähigkeit sowie eine Beurteilung der sozialen und psychologischen Begleitumstände wichtige Voraussetzungen für eine Indikationssstellung zu einem CI. Frühkindlich erworbene Gehörlosigkeit Erwachsenen getestet werden (sogenannter Promontoriumstest), indem das Mittelohr mit einer Elektrode direkt elektrisch stimuliert wird. Bei funktionstüchtigen Hörnervenfasern kann damit ein Höreindruck erzeugt werden. Diese Untersuchung stellt eine wichtige Hilfe für die Indikation Bei Ertaubung in den ersten Lebensjahren gehen die bereits erworbenen Fähigkeiten der lautsprachlichen Kommunikation relativ schnell wieder verloren. Es bildet sich ein Zustand von funktioneller Gehörlosigkeit wie bei den gehörlos geborenen Kindern. Am häufigsten tritt ein solcher Hörverlust nach einer Hirnhautentzündung auf. Nach einer solchen Erkrankung kann es auch zu einer Verkalkung innerhalb der Kochlea eines CI dar. kommen, die eine regelrechte Implantation erschwert. Bei jedem Verdacht auf frühkindliche Ertaubung, und nach Hirnhautentzündung ganz Bei gehörlos geborenen Kindern muss vor einer Implantation feststehen, besonders, gilt es, die Diagnostik des Gehörs möglichst schnell und gründlich durchzuführen. Eine beginnende Verkalkung kann damit unter dass tatsächlich eine Gehörlosigkeit vorliegt. Die sichere medizinische Umständen erkannt werden und es kann eine frühzeitige Implantation Diagnose einer Gehörlosigkeit ist um so schwieriger, je jünger ein Kind ist. Anderseits ist eine möglichst frühzeitige Implantation von gehörlosen vorgenommen werden. Die anfängliche Zurückhaltung bei der Implantation von verkalkten Kindern grundsätzlich erstrebenswert. Während ertaubte Personen ihr Innenohren wurde in den letzten Jahren allerdings mehr und mehr aufge- Wissen über die Lautsprache durch ein Cochlear Implant wieder anregen geben. Es wurden für die solche Fälle spezielle operative Zugänge ent- und nutzen können, müssen gehörlose Kinder die Lautsprache vollständig neu aufgrund der elektrischen Signale des CI erlernen. Die Aufnah- wickelt und es sind spezielle CI-Anfertigungen vorhanden. CI bei gehörlosen Kindern mefähigkeit des Gehirns und die allgemeine Bereitschaft, Sprache zu erlernen, ist um so grösser, je jünger ein Kind ist. Medizinische Aspekte des Cochlea-Implantats SAL-Bulletin Nr. 89 Referat von Prof. Dr. med. Rudolf Probst September 1998 Seite 4 o o Spezielle Indikationskriterien Besonderheiten bei der Indikation zu einem CI können sich entweder durch anatomische Veränderungen des Innenohrs oder durch allgemeine Umstände ergeben. Die anatomischen Besonderheiten schliessen die bereits erwähnten Verkalkungen nach Hirnhautentzündungen ein sowie angeborene Fehlbildungen des Innenohrs. Solche Fehlbildungen können mit bildgebenden Untersuchungen erkannt werden. Eine anschliessende genaue Klassifikation ist wichtig, da nicht alle Fehlbildungen für ein CI geeignet sind. Heute liegen einige Kenntnisse und Erfahrungen vor, welche Dysplasieformen sich für ein CI eignen und welche nicht. Auch hier wurden in den letzten Jahren technische Fortschritte erzielt und es liegen CI vor, die sich für besondere Fehlbildungen besser eignen als andere. Bei den allgemeinen Besonderheiten sind vor allem Mehrfachbehinderungen erwähnenswert. Die Indikationsstellung kann in solchen Fällen durch die Unsij;.:herheiten der Rehabilitation sehr schwierig sein. Anderseits haben solche Kinder möglicherweise ein CI besonders nötig um überhaupt eine Chance zur Rehabilitation zu haben. Allgemeingültige Richtlinien gibt es für solche Fälle nicht. Eine besonders sorgfältigen Abklärung des Einzelfalles unter Einschluss aller Beteiligten ist hier das einzig gültige Vorgehen. Nur ein Team von verschiedenen Spezialisten kann feststellen, ob die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchführung des CI gegeben sind. Eine Folge der Indikationsausweitung sind die zunehmenden Implantationen bei Kindern mit Mehrfachbehinderungen. Medizinisch ist das Nutzen-Risiko Verhältnis des CI derart günstig, dass der Eingriff im Prinzip bei jedem mehrfachbehinderten und gehörlosen Kind, bei dem keine medizinische Kontraindikationen für die Operation selbst vorliegt, durchführbar ist. Es stellen sich hier mehr Fragen nicht primär medizinischer Art, die Aspekte der Ethik, der wirtschaftlichen Ressourcen oder der Erziehung betreffen. Langsam sammeln sich die Erfahrungen von CI bei solchen Kindern, ohne dass damit bereits gefestigte Antworten vorliegen würden. o o o o operation Bei der Operation selbst wird ein Elektrodenträger in das Innenohr implantiert, der mit einem Empfangsgerät für die elektrischen Impulse verbunden ist. Die Operation wird zum grössten Teil mit Hilfe eines Operationsmikroskops durchgeführt, da die Strukturen des Innenohrs sehr klein sind und dicht beieinander liegen. Medizinische Aspekte des Cochlea-Implantats SAL-Bulletin Nr. 89 Referat von Prof. Dr. med. Rudolf Probst September 1998 Seite 5 Das Empfangsgerät kommt hinter dem Ohr unter die Haut zu liegen. Dazu wird die Haut über dem Knochen eingeschnitten und aufgehoben. Das Empfangsgerät wird fest in ein Bett des Schädelknochens verankert. Es enthält eine Spule und einen Magneten, der eine zweite Spule aussen auf der Haut festhält. Über diese Spulen wird die Energieversorgung des Implantats und die Information übermittelt. Der Empfangsteil enthält also keine Batterie, so dass ein Wechsel der implantierten Teile nicht notwendig ist, ausser bei seltenen Funktionsstörungen. Zur Einführung des Elektrodenträgers in das Innenohr werden die Zellen des Warzenfortsatz aufgebohrt und das Mittelohr von hinten eröffnet. Das Trommelfell und der Gehörgang bleiben so intakt. Der Zugang ist hier hinten durch den Gesichtsnerv begrenzt, dessen Funktion während der Operation dauernd überwacht wird. Die Gefahr für den Gesichtsnerv ist deshalb äusserst klein. In der Gegend des runden Fensters des Innenohrs wird die Kochlea eröffnet und die Elektrode wird durch diese Öffnung eingelegt. Der flexible Elektrodenträger windet sich entlang der Kochlea auf und kann so die verschiedenen Nervenfasern reizen. Nach der Implantation kann die Funktion des Implantats während der Operation überprüft werden. Die elektrischen Reize führen zu einer Kontraktion der kleinen Mittelohrmuskeln, die unter dem Mikroskop beobachtet werden können. Die Haut wird über das Empfangsgerät zurückgeschlagen und zugenäht. Komplikationen während der Operation wie Blutungen oder ungewollte Verletzungen von anderen Strukturen treten sehr selten. Eine Zusammenstellung von 100 Operationen der Universitätskliniken von Basel und Bern bei Kindern unter 14 Jahren ergab keine Komplikationen während der Operation selbst. Auch nach der Operation waren Komplikationen wie Wundheilungsstörungen, Blutergüsse oder Infektionen selten. Ganz allgemein kann gesagt werden, dass das Risiko und die Belastung der Operation bei einem geübten Operationsteam sehr gering ist. Auch technische Komplikationen wie ein Funktionsausfall des Implantats ist selten. 98 Prozent der heutigen Systeme funktionieren nach 6 Jahren ohne Fehler. Die Hospitalisation für die Operation dauert nur wenige Tage. Einige Wochen nach der Operation und nach Heilung der Operationswunde wird der äussere Teil des Cochlear Implants, der Sprachprozessor angepasst. o o Schlussfolgerung Die ertaubte Person lernt häufig recht schnell, die elektrischen Signale mit Hilfe der bereits vorhandenen zentralen Muster als Sprache zu Medizinische Aspekte des cochlea-Implantats SAL-Bulletin Nr. 89 Referat von Prof. Dr. med. Rudolf Probst September 1998 Seite 6 erkennen. Aber auch bei gehörlosen Kindern steht heute fest, dass sie mit dem CI in vielen Fällen die Lautsprache erlernen können. Sie brauchen dafür allerdings in der Regel mehr Zeit, um den gleichen Profit vom CI zu erreichen wie ertaubte Personen. Die bis heute vorliegenden Resultate zeigen aber klar, dass beide Gruppen schlussendlich im vergleichbaren Ausrnass profitieren. Die HNO-Universitätsklinik des Kantonsspitals Basel führt seit 1986 Cochlear Implantationen durch und hat bereits über 90 Implantationen vorgenommen. Eine Nachkontrolle von 282 in der ganzen Schweiz implantierten Personen ergab, dass insgesamt über 90% der Implantierten eine eindeutige Verbesserung ihrer Kommunikationsfähigkeit mit dem CI erfuhren. 75% der Implantierten bezeichneten diese Verbesserung als gut bis sehr gut, die Mehrzahl kann das Telephon benützen, wenn auch oft in begrenztem Rahmen, zum Beispiel nur mit bekannten Personen. Beim Telephonieren hat der CI Träger keine Möglichkeit, gleichzeitig von den Lippen und Gesten abzulesen, was beim Normalgebrauch des CIs wesentlich zum Verständnis beitragen kann. Trotz dieser Erfolge dürfen wir nicht vergessen, dass die Lautsprache nur eines von mehreren Mitteln der Kommunikation darstellt und dass daher das CI nur eine mögliche Form der Rehabilitation von gehörlosen Kindern ist, die zudem vor allem durch einige Gehörlose selbst nicht unbestritten ist. Die Gehörlosen befürchten, dass das CI die Kinder von der Gemeinschaft der Gehörlosen mit ihren eigenen Kommunikationsformen wie die Zeichensprache entfremden kann. Andrerseits heisst diese Entfremdung aber gleichzeitig eine bessere Integration der Kinder in die lautsprachliche Welt. Damit Gehörlose vom CI profitieren können, muss der Entscheid für oder gegen ein CI möglichst früh gefällt werden und in einem Alter, in dem das Kind nicht mitbestimmen kann. Es liegt auf der Hand, dass dieser Entscheid durch die Eltern des gehörlosen Kindes nach gründlicher Information gefällt werden soll. Die Entwicklung des CI geht weiter. Lösungen für offene Fragen und Probleme werden gefunden werden. Schon heute darf die Implantation selbst als standardisierter, risikoarmer und sicherer Eingriff mit ausgesprochen wenig Nebenwirkungen bezeichnet werden. Auch spätere Komplikationen einschliesslich von Funktionsausfällen sind selten. Deshalb darf heute die Indikation für ein CI vom medizinischen Standpunkt aus im allgemeinen grosszügig gestellt werden, da nachteilige o o o o Medizinische Aspekte des Cochlea-Implantats SAL-Bulletin Nr. 89 Referat von Prof. Dr. med. Rudolf Probst September 1998 Seite 5 Das Empfangsgerät kommt hinter dem Ohr unter die Haut zu liegen. Dazu wird die Haut über dem Knochen eingeschnitten und aufgehoben. Das Empfangsgerät wird fest in ein Bett des Schädelknochens verankert. Es enthält eine Spule und einen Magneten, der eine zweite Spule aussen auf der Haut festhält. Über diese Spulen wird die Energieversorgung des Implantats und die Information übermittelt. Der Empfangsteil enthält also keine Batterie, so dass ein Wechsel der implantierten Teile nicht notwendig ist, ausser bei seltenen Funktionsstörungen. Zur Einführung des Elektrodenträgers in das Innenohr werden die Zellen des Warzenfortsatz aufgebohrt und das Mittelohr von hinten eröffnet. Das Trommelfell und der Gehörgang bleiben so intakt. Der Zugang ist hier hinten durch den Gesichtsnerv begrenzt, dessen Funktion während der Operation dauernd überwacht wird. Die Gefahr für den Gesichtsnerv ist deshalb äusserst klein. In der Gegend des runden Fensters des Innenohrs wird die Kochlea eröffnet und die Elektrode wird durch diese Öffnung eingelegt. Der flexible Elektrodenträger windet sich entlang der Kochlea auf und kann so die verschiedenen Nervenfasern reizen. Nach der Implantation kann die Funktion des Implantats während der Operation überprüft werden. Die elektrischen Reize führen zu einer Kontraktion der kleinen Mittelohrmuskeln, die unter dem Mikroskop beobachtet werden können. Die Haut wird über das Empfangsgerät zurückgeschlagen und zugenäht. Komplikationen während der Operation wie Blutungen oder ungewollte Verletzungen von anderen Strukturen treten sehr selten. Eine Zusammenstellung von 100 Operationen der Universitätskliniken von Basel und Bern bei Kindern unter 14 Jahren ergab keine Komplikationen während der Operation selbst. Auch nach der Operation waren Komplikationen wie Wundheilungsstörungen, Blutergüsse oder Infektionen selten. Ganz allgemein kann gesagt werden, dass das Risiko und die Belastung der Operation bei einem geübten Operationsteam sehr gering ist. Auch technische Komplikationen wie ein Funktionsausfall des Implantats ist selten. 98 Prozent der heutigen Systeme funktionieren nach 6 Jahren ohne Fehler. Die Hospitalisation für die Operation dauert nur wenige Tage. Einige Wochen nach der Operation und nach Heilung der Operationswunde wird der äussere Teil des Cochlear Implants, der Sprachprozessor angepasst. medizinische Effekte selten sind und sich sehr häufig ein eindeutiger Profit mit dem CI einstellt. o o Schlussfolgerung Die ertaubte Person lernt häufig recht schnell, die elektrischen Signale mit Hilfe der bereits vorhandenen zentralen Muster als Sprache zu Medizinische Aspekte des Cochlea-Implantats SAL-Bulletin Nr. 89 Referat von Prof. Dr. med. Rudolf Probst September 1998 Seite 6 erkennen. Aber auch bei gehörlosen Kindern steht heute fest, dass sie mit dem CI in vielen Fällen die Lautsprache erlernen können. Sie brauchen dafür allerdings in der Regel mehr Zeit, um den gleichen Profit vom CI zu erreichen wie ertaubte Personen. Die bis heute vorliegenden Resultate zeigen aber klar, dass beide Gruppen schlussendlich im vergleichbaren Ausrnass profitieren. Die HNO-Universitätsklinik des Kantonsspitals Basel führt seit 1986 Cochlear Implantationen durch und hat bereits über 90 Implantationen vorgenommen. Eine Nachkontrolle von 282 in der ganzen Schweiz implantierten Personen ergab, dass insgesamt über 90% der Implantierten eine eindeutige Verbesserung ihrer Kommunikationsfähigkeit mit dem CI erfuhren. 75% der Implantierten bezeichneten diese Verbesserung als gut bis sehr gut, die Mehrzahl kann das Telephon benützen, wenn auch oft in begrenztem Rahmen, zum Beispiel nur mit bekannten Personen. Beim Telephonieren hat der CI Träger keine Möglichkeit, gleichzeitig von den Lippen und Gesten abzulesen, was beim Normalgebrauch des CIs wesentlich zum Verständnis beitragen kann. Trotz dieser Erfolge dürfen wir nicht vergessen, dass die Lautsprache nur eines von mehreren Mitteln der Kommunikation darstellt und dass daher das CI nur eine mögliche Form der Rehabilitation von gehörlosen Kindern ist, die zudem vor allem durch einige Gehörlose selbst nicht unbestritten ist. Die Gehörlosen befürchten, dass das CI die Kinder von der Gemeinschaft der Gehörlosen mit ihren eigenen Kommunikationsformen wie die Zeichensprache entfremden kann. Andrerseits heisst diese Entfremdung aber gleichzeitig eine bessere Integration der Kinder in die lautsprachliche Welt. Damit Gehörlose vom CI profitieren können, muss der Entscheid für oder gegen ein CI möglichst früh gefällt werden und in einem Alter, in dem das Kind nicht mitbestimmen kann. Es liegt auf der Hand, dass dieser Entscheid durch die Eltern des gehörlosen Kindes nach gründlicher Information gefällt werden soll. Die Entwicklung des CI geht weiter. Lösungen für offene Fragen und Probleme werden gefunden werden. Schon heute darf die Implantation selbst als standardisierter, risikoarmer und sicherer Eingriff mit ausgesprochen wenig Nebenwirkungen bezeichnet werden. Auch spätere Komplikationen einschliesslich von Funktionsausfällen sind selten. Deshalb darf heute die Indikation für ein CI vom medizinischen Standpunkt aus im allgemeinen grosszügig gestellt werden, da nachteilige medizinische Effekte selten sind und sich sehr häufig ein eindeutiger Profit mit dem CI einstellt.