FORSCHUNG / ENTWICKLUNG POLYMERE PHARMA / CHEMIE FAHRZEUGBAU ELEKTRO / METALL KERAMIK / GLAS ISOLATIONSMATERIALIEN News, Facts und professionelle Lösungen für die Thermische Analyse Prozess-Sicherheit messbar machen Stephan Knappe, NGB Manager Applications & Services In dieser Ausgabe: Seite 5: Neue Analysegeräte und Seminarserie auf der Achema 2009 Seite 6: DMA - mehr als nur Thermische Analyse! Seite 9: Die Bestimmung der spezifischen Wärme - Grundlagen und Applikation Seite 13: Online-Prüfverfahren in Lackieranlagen mit DEA Seite 16: Veranstaltungshinweise Neue Vertriebsleitung in Nordamerika und Deutschland Abb. 1. Das adiabatische Reaktionskalorimeter mit Druckregelung: APTAC 264 Zum 1. Januar 2009 übernahm der Geschäftsbereich NETZSCH Analysieren & Prüfen die adiabatischen Reaktionskalorimeter der Firma TIAX LLC, Cambridge, MA, USA. TIAX ist seit Jahren ein weltweit bekannter, renommierter Hersteller dieser speziellen Kalorimeter, die unter anderem in der Sicherheitstechnik eingesetzt werden. Für NETZSCH bedeutet dieser Schritt eine Erweiterung des Produktportfolios im Bereich von Sicherheitsanalysen in der chemischen Industrie. Mit dem neuen Produktprogramm ist es möglich, Anwender, die sich mit reaktiven EDITORIAL Fortsetzung Titelseite Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, zuverlässige Geräte für die Thermische Analyse und zur Bestimmung der Thermophysikalischen Eigenschaften sind heute mehr denn je erforderlich, um Materialien eindeutig zu charakterisieren. Dass Geräte von NETZSCH in diesem Bereich seit nahezu 50 Jahren eine wichtige Rolle spielen, zeigen nicht zuletzt die zahlreichen Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Journalen. Allein im letzten Jahr wurden weltweit mehr als 800 Beiträge publiziert, in denen über den Einsatz unserer Geräte bei unterschiedlichsten Anwendungen berichtet wurde. Seit kurzem stellen wir Ihnen hierzu jeden Monat ausgewählte Abstracts auf www.netzschthermal-analysis.com unter “Medien-Download” - “Wissenschaftliche Veröffentlichungen” zur Verfügung. Zusammen mit der ebenfalls bereit gestellten Applikationsliteratur erhalten Sie so einen guten Einblick in die vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten unserer Geräte. In der aktuellen Ausgabe des OnSet haben wir für Sie wieder eine bunte Mischung aus Informationen über Methoden, neue Geräte und Anwendungsbeispiele zusammengestellt. Mit der Themenauswahl hoffen wir, Ihr Interesse wecken zu können. Wenn Sie möchten, dass wir in einer der nächsten Ausgaben ein bestimmtes Thema behandeln oder einen Beitrag über Ihre Arbeit veröffentlichen, kontaktieren Sie mich einfach unter [email protected]. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen auf, um den OnSet noch lesenswerter zu machen. Rolf Preuß Leiter Marketing Festkörpern und Flüssigkeiten beschäftigen, umfassender zu bedienen, sicherheitstechnische Aspekte besser zu verstehen und Einflüsse der Lagerbedingungen auf die Qualität der Endprodukte zu analysieren. Die Produkte sind eng verflochten mit der Thermischen Analyse. Es handelt sich um zwei Typen: Das Accelerating Rate Calorimeter sowie das Automatic Pressure Tracking Adiabatic Calorimeter - APTAC™, das in Abbildung 1 zu sehen ist. Die adiabatischen Reaktionskalorimeter arbeiten gemäß ASTM E 1981. Sie helfen vor allem der chemischen Industrie, Prozesse sicher und effizient zu betreiben. Als äußerst vielseitige Minireaktoren werden thermische und druckabhängige Eigenschaften überwiegend exothermer chemischer Reaktionen gemessen. Die daraus resultierenden Informationen dienen Ingenieuren und Wissenschaftlern, potentielle Risiken zu identifizieren, die bei Fragestellungen zur Prozesssicherheit, Prozessoptimierung, Lagerung und thermischen Stabilität der Chemikalien von Bedeutung sind. Der Einsatz adiabatischer Reaktionskalorimeter ist aber nicht nur auf die chemische Industrie beschränkt. Auch die pharmazeutische Industrie, der Energiebereich sowie Behörden und Laboratorien arbeiten mit den Geräten, um die Reaktionskinetik, die Lagerung und das Transportverhalten verschiedenster Stoffe zu erforschen. Prozessstörungen können somit minimiert, der Beginn des „Durchgehens“ der Reaktion - Thermal Runaway - im Minireaktor gut auf die realen Produktionsvorgänge übertragen werden (Upscaling). Adiabatische Reaktionskalorimeter finden ihren Einsatz auch beim 2 ADIABATISCHE KALORIMETRIE Rührer, automatische Injektionsvorrichtungen sowie Systeme für das Auffangen der gasförmigen Zersetzungsprodukte. Zusammen mit dem patentierten VariPhi™ hat man somit ein Messsystem für verschiedenste Ansprüche und Einsatzbereiche. APTACTM 264 Robustheit und Flexibilität. Es arbeitet von Raumtemperatur bis 500°C bei einem maximalen Druck von 200 bar. Verschiedene Bedienmodi wie HeatWait-Search™, Iso-Fixed™/IsoTrack™ und “Iso-Aging-Techniken“ sind bereits standardmäßig integriert. Erweitert man das Kalorimeter mit der patentierten VariPhi™-Funktion, erhält man DSC-ähnliche Ergebnisse – jedoch für größere Probenvolumina (0,5 ml bis 7 ml). Das derzeit weltweit wohl vielseitigste adiabatische Kalorimeter arbeitet von Raumtemperatur bis 500°C bei einem statischen Druck von bis zu 140 bar. Extrem schnelle Trackingraten von bis zu 400 K/min erlauben auch eine Verfolgung des Druckverlaufs mit bis zu 680 bar/min. Zubehörteile wie Rührer und automatische Injektionsvorrichtungen sind beim APTACTM bereits standardmäßig enthalten. Das APTACTM 264 kann zur thermischen Analyse fester oder flüssiger Chemikalien oder gasförmig/ flüssig-, flüssig/flüssig-, gasförmig /fest- und flüssig/fest-Mischungen eingesetzt werden. Des Weiteren findet es Einsatz bei Prozesssimulationen von Batch- und Semi-BatchReaktionen, Simulation von Brandfällen sowie generell zur Messung spezifischer physikalischer Eigenschaften. Accelerating Rate Calorimeter 254 VariPhiTM-Funktion Das vielseitige, modular aufgebaute adiabatische Kalorimeter kann bereits unterhalb von Raumtemperatur bis 500°C und bei Drücken bis zu 600 bar eingesetzt werden. Neben den standardmäßigen Probenbehältern aus Edelstahl können dünnwandigere und somit leichtere Materialien (z.B. Hastelloy-C, Titan, Tantal, Inconel) verwendet werden. Damit sind maximale Verfolgungsraten von bis zu 200 K/min möglich. Optional erhältlich sind magnetisch gekoppelte Die patentierte VariPhiTM-Funktion ist für das APTACTM 264 selbstverständlich auch erhältlich. VariPhiTM ist ein zusätzlicher, geregelter Gleichstromheizer, der in die Probe eingesetzt wird. Die Software regelt das System und zeichnet die Wärmemenge auf, die direkt von der Probe aufgenommen wird. VariPhiTM ermöglicht die genaue Messung von Wärme, Druck und Probenaktivität. Im ScanningModus kann das VariPhiTM neben exothermen auch endotherme Reaktio- Abb. 2. Heat-Wait-SearchTM-Test für die Testsubstanz 20% DTBP in Toluol Eruieren von Störfällen, bei der Entwicklung von Airbag-Treibsätzen, wieder aufladbaren Batterien sowie in der Erforschung von Antriebssystemen für Raumfahrzeuge und Raketen. Abbildung 2 zeigt beispielhaft den Verlauf der so genannten RunawayTemperatur der Testsubstanz 20% DTBP (Di-tert-Butylperoxid) in Toluol. Neben dem stark exothermen Reaktionsverlauf werden auch die Temperaturänderungsrate und der Druckanstieg dargestellt. Gemessen wurde hier im so genannten Heat-WaitSearchTM-Test bei einem vom Bediener eingesetzten Schwellwert von 0,03 K/min. NETZSCH Analysieren & Prüfen bietet drei verschiedene adiabatische Kalorimeter-Varianten an: Accelerating Rate Calorimeter 244 Das kompakte Einstiegsgerät bietet bereits eine hohe Leistungsfähigkeit, Sicherheit, einfachste Bedienung, ADIABATISCHE KALORIMETRIE Kalorimetertyp 244 254 264 Temperaturbereich RT bis 500°C <RT bis 500°C RT bis 500°C Druckbereich (Standard) 0 bar bis 200 bar 0 bar bis 200 bar 0 bar bis 140 bar Hubvorrichtung Manuell Motor Motor Probenvolumen 0,5 ml bis 7 ml 0,5 ml bis 7 ml 5 ml bis 75 ml Max. Verfolgungsrate 20 K/min 200 K/min 400 K/min Temperaturgenauigkeit 0,1 K 0,1 K 0,1 K VariPhi TM Option Option TM Option Bedienmodi Heat-Wait-Search , konstante Heizrate, isotherm Heat-Wait-Search , konstante Heizrate, isotherm Heat-Wait-Search T M, konstante Heizrate, isotherm, Brandversuch Rührer Option Option Standard Injektion, Reaktionsgasauffang nicht erhältlich nicht erhältlich Standard Druckkompensation nein nein ja Zubehör für Batterietests Basissystem erhältlich weitere Optionen erhältlich weitere Optionen erhältlich niedriger Ф-Faktor ja, druckabhängig ja, druckabängig Optimum 1,05 unabhängig vom Druck Kinetik-Software Option Option Option TM Tab 1. Die wichtigsten Merkmale der drei adiabatischen Reaktionskalorimetertypen nen, sowie die Wärmekapazität der Probe in ähnlicher Form messen, wie es auch in einer konventionellen DSC möglich ist. Allerdings sind hier auch Messungen der spezifischen Wärme bei erhöhtem Druck möglich. Der Anwender kann zudem Messungen bei definiertem F-Faktor vornehmen. Der F-Faktor ist wie folgt definiert: Der F-Faktor ergibt sich aus Masse und Wärmekapazität der Probe (s, Sample) und dem Probenbehälter (B, Bomb) und ist definitionsgemäß immer größer als der Wert 1. VariPhiTM kann dabei den Wärmeeintrag in den Probenbehälter teilweise 4 Sollten wir Ihr Interesse an unseren neuen Lösungen, den adiabatischen Reaktionskalorimetern, geweckt haben, besuchen Sie bitte unsere Homepage www.netzsch-thermal-analysis.com oder kontaktieren Sie Ihren zuständigen Kundenberater. oder vollständig kompensieren. Damit können beispielsweise maximal mögliche Temperaturanstiege in einem realen Reaktor besser simuliert (kleiner F-Faktor) oder überlagerte Reaktionen besser getrennt werden (großer F-Faktor), ohne die Probenbehälter oder die Einwaage zu variieren. Für die chemische Industrie bietet das APTACTM 264 eine bislang unerreichte Genauigkeit hinsichtlich der Reaktivitätsdaten für organische Chemikalien, Petrochemikalien, Agrochemikalien, Feinorganika, Polymere und hochenergetische Sprengstoffe. Tabelle 1 zeigt abschließend die wichtigsten Merkmale der drei adiabatischen Reaktionskalorimetertypen auf. Stephan Knappe Der Autor Stephan Knappe studierte Technische Chemie an der Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule in Nürnberg mit dem Abschluss Dipl.-Ing. (FH). Von 1986 bis 1991 war er als Verfahrens- und Anwendungstechniker auf dem Polyurethanschaumgebiet bei der REHAU AG + Co tätig. 1991 trat er bei der NETZSCHGerätebau GmbH ein und arbeitete zunächst im Applikationslabor. Bis 2002 war er Leiter des Applikationslabors für Polymere und auch Produktmanager für diverse thermoanalytische Messsysteme. Heute ist er weltweit als Manager für die Vertriebs- und Applikationsunterstützung zuständig und leitet den Fachbereich Applications & Services. ACHEMA 2009 Neue Analysegeräte und Seminarserie auf der ACHEMA 2009 Phoenix® mit automatischem Probenwechsler für die UV-Härtung von Lacken, Klebstoffen und Dentalmassen oder die Simultane Thermoanalyse-Apparatur mit gekoppeltem Massenspektrometer STA 449 F1 Jupiter® mit QMS 403 Aeolos® für die umfassende Werkstoffcharakterisierung werden in Halle 6.3, Stand N23O23 vorgestellt. Kompakte Seminare an drei Tagen Das Konzept „Messe plus Seminar“ hat sich bei NETZSCH bewährt und ist bei Teilnehmern sehr beliebt. Daher bieten wir auch zur ACHEMA wieder Seminare an, deren Fokus auf der kompakten Wissensvermittlung liegt. Fünf kostenlose NETZSCH-Anwenderseminare zeigen NETZSCH als kompetenten Partner und Problemlöser für verschiedenste Applikationsgebiete: Die ACHEMA ist weltweit die Leitveranstaltung der chemischen Technik und Prozessindustrie und bringt alle drei Jahre ca. 4.000 Aussteller aus 50 Ländern und über 180.000 Teilnehmer aus 100 Ländern zusammen. Für NETZSCH ist die ACHEMA immer wieder etwas Besonderes. Nur hier erreichen wir in kürzester Zeit Fachleute aus aller Welt, die sich umfassend über neue Lösungen in der Thermischen Analyse informieren wollen. Immer wieder Neues von NETZSCH Die Entwicklung moderner Werkstoffe ist ohne den Einsatz von Geräten zur thermischen Analyse nicht denkbar. Hierzu leisten Analysegeräte von NETZSCH einen großen Beitrag, weil sie einfach zu bedienen sind, präzise Ergebnisse liefern und auch nach vielen Jahren noch zuverlässig und genau arbeiten. Technologisch verbesserte thermoanalytische Messsysteme wie z.B. die einzigartige Photo-DSC 204 F1 12. Mai 2009 13:00 Uhr: “R&D, QA and Failure Analysis on Polymers by Thermoanalytical Techniques” STA 449 F1 Jupiter® Ganz neu im Programm von NETZSCH sind adiabatische Reaktionskalorimeter (siehe Bericht auf der Titelseite), die vor allem in der chemischen Industrie beim Messen thermischer und druckabhängiger exothermer Reaktionen zum Einsatz kommen. 13. Mai 2009 10:00 Uhr: “Thermische Analyse in Chemie, Pharmazie, Kosmetik und Dentaltechnik” 13.30 Uhr: “F&E, QS und Schadensanalyse an Polymerwerkstoffen mit thermoanalytischen Messtechniken” 14. Mai 2009 10:00 Uhr: “Heat Transfer Analysis Using Modern Analytical Instrumentation” 13:30 Uhr: “Adiabatic Reaction Calorimeters for Process Safety and Upscaling” Weitere Informationen und die Anmeldeunterlagen finden Sie unter www.netzsch-thermal-analysis.com im Bereich Aktuelles/Termine - Veranstaltungen. Rolf Preuß Leiter Marketing KLEBSTOFFE DMA - mehr als nur Thermische Analyse! Dr. Markus Meyer NGB Sales Manager DMA steht für Dynamisch-mechanische Analyse und dient zur Bestimmung der viskoelastischen Eigenschaften von Werkstoffen. Es werden Informationen über den Verlauf mechanischer Eigenschaften unter geringer, sinusförmiger, dynamischer Belastung als Funktion der Temperatur, Zeit und/oder der Frequenz erhalten. Zu den Kerngrößen gehören der Speichermodul E´, der Verlustmodul E´´ und der Verlustfaktor tan d. Der Speichermodul repräsentiert die elastischen Eigenschaften eines Materials und stellt die Steifigkeit einer Probe dar. Der Verlustmodul hingegen ist ein Maß für die in Wärme umgewandelte, nicht wiedergewinnbare Schwingungsenergie und spiegelt die viskosen Eigenschaften wider. Der Verlustfaktor tan d ist das Verhältnis von E´´ zu E´ und kennzeichnet die mechanische Dämpfung oder innere Reibung eines Systems. Da die DMA Daten über Temperatureinsatzgrenzen, Steifigkeit und Dämpfung, Fließ- und Relaxationsverhalten, Aufbau und Struktur, Alterung, Aushärtung und Vulkanisation von z.B. Polymeren liefert, ist sie ein effektives Werkzeug in Forschung und Entwicklung. Sie findet jedoch auch Einsatz in der Qualitätskontrolle, Qualitätssicherung und in der Schadensanalyse. Selbstverständlich können mit der DMA 242 C (Abbildung 1) nicht nur Polymerproben, sondern sowohl steife metallische oder keramische Werkstoffe als auch viskose Flüssigkeiten untersucht werden. Bei der Neuentwicklung von Werkstoffen und Werkstoffverbundsystemen stellt sich immer häufiger die Frage nach der optimalen Fügetechnik. Die Klebungen bieten wesent6 Abb. 1. Schemazeichnung DMA 242 C liche Vorteile gegenüber traditionellen Verbindungstechniken, wie z.B. dem Schweißen. Punktförmige Kraftübertragungen sowie mechanische und thermische Schädigungen der Werkstoffe können so verhindert werden. Daher spielt die Charakterisierung von Klebstoffen eine wichtige Abb. 2. Viskoelastische Eigenschaften einer ausgehärteten Klebstoffprobe: Speichermodul E’ (schwarz), Verlustmodul E” (rot) und Verlustfaktor tan d (blau) bei einer Frequenz von 1 Hz, lineare Skalierung KLEBSTOFFE Rolle in der Polymerentwicklung. Abbildung 2 zeigt exemplarisch das Messergebnis einer ausgehärteten, gefüllten Klebstoffprobe im Temperaturbereich von -120°C bis +120°C bei einer Heizrate von 2 K/min. Die Speichermodulkurve (schwarz) weist im Tieftemperaturbereich bei -95°C (extrapolierter Onset) eine b-Phasenumwandlung auf, die mit einer DSCMessung nur sehr schwach detektierbar ist. Die dazu gehörigen Peaks in der Verlustmodulkurve (rot) und in der Verlustfaktorkurve (blau) liegen bei -68°C und -63°C. Der Glasübergang setzt in der E´-Kurve bei 54°C ein. Der Glasübergang kann auch als Peak in der E´´- bzw. in der tan dKurve bei 60°C und 65°C ausgewertet werden. Diese Ergebnisse lassen schließen, dass der Einsatz dieses ausgehärteten Klebstoffs unter 50°C erfolgen sollte. Unterhalb von -50°C steigt der Speichermodul deutlich an, was zu einem Versprödungsbruch führen könnte. Daraus ergibt sich ein Anwendungsbereich von -50°C bis +50°C. Die Einsatzmöglichkeiten der NETZSCH DMA 242 C sind aber nicht auf feste Proben beschränkt. Sowohl für pastöse und pulverförmige Proben als auch für flüssige Substanzen sind speziell entwickelte Probenhalter Abb. 3. DMA-Probenhalter zur Untersuchung der Aushärtung flüssiger Klebersysteme Abb. 4. Aushärteverhalten eines flüssigen Klebstoffsystems bei Raumtemperatur erhältlich, die das Anwendungsspektrum der DMA 242 C deutlich erweitern und so in Bereiche vordringen, die normalerweise von Rheometern abgedeckt werden. Bei der Charakterisierung von Klebstoffen spielt auch die Kinetik der Aushärtung bzw. die Topfzeit eine wichtige Rolle. In Abbildung 3 ist ein Probenhalter zur Untersuchung der Aushärtung von flüssigen Klebstoffsystemen dargestellt. Bei diesen Messungen taucht der kugelförmige Fühlstempel in das mit Klebstoff gefüllte Töpfchen ein. Das in Abbildung 4 dargestellte Messergebnis (isotherm bei 25°C) zeigt nach 140 Minuten einen Anstieg des Speichermoduls (schwarz). Dieser Zeitpunkt kann als Topfzeit angegeben werden. Die Verlustfaktorkurve (blau) weist bei 151 Minuten ein Maximum auf, was dem Anstieg des Speichermoduls zugeordnet werden kann. Selbst nach 500 Minuten (Ende der Messung) steigt der Speichermodul weiter an, was darauf hinweist, dass das System noch nicht vollständig ausgehärtet ist. Die DMA 242 C kann auch mit einem Dielektrischen Analysator (DEA) kombiniert werden, um das Aushärteverhalten reaktiver Harzsysteme zu messen. Durch Modifizierung des DMA-Ofens und Probenhalters gelingt es, UV-Licht-induzierte Härtungen zu untersuchen. Abb. 5. Immersionsbad für DMA-Messungen in flüssigen Medien (Wasser, Öl, Lösungsmittel usw.) KLEBSTOFFE Dr. Markus Meyer Der Autor Abb. 6. Einfluss von Wasser auf die mechanischen Eigenschaften eines PolyurethanKlebstofffilms(1) Ein weiteres Zeichen der Vielseitigkeit der NETZSCH DMA 242 C ist, dass alle Probenhalter in Kombination mit einem Behälter für Immersionsbadmessungen (siehe Abbildung 5) verwendet werden können. Dadurch lassen sich DMA-Messungen in flüssigen Medien wie Wasser, Öl oder anderen organischen Lösemitteln durchführen und somit der Einfluss des Mediums auf den Werkstoff untersuchen. Der Temperaturbereich der DMA wird nur durch den Schmelzpunkt bzw. den Siedepunkt des eingesetzten, flüssigen Mediums begrenzt. Das in Abbildung 6 dargestellte Ergebnis einer Multifrequenz-Messung (1 Hz, 5 Hz, 10 Hz und 50 Hz) liefert die mechanischen Eigenschaften eines Polyurethan-Klebstofffilms im Zugmodus bei einer konstanten Temperatur von 25°C. Wie zu erwarten ist, steigt der Speichermodul mit zunehmender Frequenz von 1 Hz bis 50 Hz an. Zunächst erfolgte die Messung in Luft (0 min bis 150 min). 8 Dr. Markus Meyer wurde 1972 in Selbitz, Oberfranken, geboren. Er studierte Chemie und Biologie für das Lehramt an Gymnasien und wechselte nach dem Staatsexamen zur Chemie. Dort promovierte er auf dem Gebiet der Synthese und Charakterisierung von SilicaGelen im Bereich der physikalischen Chemie. Während dieser Zeit bleibt der Speichermodul konstant. Anschließend wird das Immersionsbad mit Wasser gefüllt. Nach einem kurzen Anstieg des Speichermoduls ist ein deutlicher Abfall in den folgenden 200 Minuten zu erkennen. Danach bleibt der E´Modul wieder nahezu konstant. Der Abfall des Speichermoduls, d.h. das Erweichen der Probe, ist durch die Wasseraufnahme des Polyurethans zu erklären: Weichmachereffekt. Fazit: Durch die große Zahl zur Verfügung stehender Probenhalter und verschiedener Kombinationsmöglichkeiten ist die NETZSCH DMA 242 C das weltweit wohl vielseitigste DMAGerät. Nahezu alle anfallenden Fragestellungen aus dem Bereich der Forschung und Entwicklung, Qualitätssicherung und Schadensanalyse können mit aussagekräftigen und zuverlässigen Ergebnissen beantwortet werden, wie anhand von Beispielen aus dem Bereich Klebstoffe gezeigt wurde. Im Oktober 2003 begann er im Applikationslabor bei NGB, wo er sich hauptsächlich mit DMA und Dilatometrie beschäftigte. Seit Juli 2008 ist er als Sales Manager im Export tätig. Mit freundlicher Genehmigung von AWOK (Arbeitsgruppe Werkstoffund Oberflächentechnik), Technische Universität Kaiserslautern (1) SPEZIFISCHE WÄRME Die Bestimmung der spezifischen Wärme - Grundlagen und Applikation Dr. Gabriele Kaiser Leiterin NGB Applikationslabor & Training Nach DIN 51 007 „ist die spezifische Wärme oder spezifische Wärmekapazität die Wärmemenge, die zur Erhöhung der Temperatur einer Substanz um einen bestimmten Betrag notwendig ist, ohne dass in der Substanz eine Phasenumwandlung 1. Ordnung erfolgt.“ Ihre Einheit ist J/(gK). Die spezifische Wärme (Symbol: c) ist deshalb überall dort von Interesse, wo es um Wärmeleitung, Wärmespeicherung oder die Abschätzung des Energiebedarfs von Prozessen geht. Ein Material mit hoher spezifischer Wärme ändert seine Temperatur bei Erwärmung oder Abkühlung nur langsam, gibt seine Wärme aber auch nur langsam wieder an die Umgebung ab. Wasser besitzt mit einem (Raumtemperatur-) Wert von 4,18 J/gK eine der höchsten spezifischen Wärmen. Daraus erklärt sich z.B. die immense Bedeutung des Wassers für das Klima unserer Erde. Im Sommer speichert das Meerwasser große Wärmemengen und gibt diese dann im Winter wieder ab. Als Folge davon schwanken an den Küsten die jahreszeitlichen Temperaturen deutlich geringer als im Landesinneren. Bei Erhöhung der Temperatur eines Körpers erhöht sich auch dessen Wärmeinhalt: (1) oder anders ausgedrückt mit Q = Wärmemenge und = T Temperatur Die Enthalpie ist definiert als: mit U = innere Energie, p = Druck und V = Volumen (2) oder in differenzierter Form: Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik lautet: mit (W = Volumenarbeit, z.B. thermische Ausdehnung) Daraus ergibt sich (3) und für die Wärmekapazität bei konstantem Druck Für die Wärmekapazität bei konstantem Volumen gilt analog (4) Die spezifische Wärme bezeichnet die auf die Masse bezogene Wärmekapazität: (5) m = Masse Bei Gasen hängt die spezifische Wärme von den äußeren Bedingungen ab. Man unterscheidet zwischen der spezifischen Wärme bei konstantem Druck cp und der spezifischen Wärme bei konstantem Volumen cv. Bei isobaren Prozessen dehnt sich das Gas beim Erwärmen aus, um den Druck konstant zu halten. Dabei wird ein Teil der zugeführten Wärmeenergie in Volumenarbeit umgewandelt. Aus diesem Grund muss bei isobaren Zustandsänderungen stets mehr Wärmeenergie zugeführt werden, um die gleiche Temperaturerhöhung des Gases zu erreichen als bei isochoren Prozessen (d.h. bei konstantem Volumen); cp ist daher immer größer als c v . Innerhalb kleiner Temperaturbereiche und bei hohen Temperaturen kann die spezifische Wärme als konstant angesehen werden. Bei Temperaturänderungen in größerem Umfang trifft dies nicht mehr zu und SPEZIFISCHE WÄRME Nach dem Gleichverteilungsgesetz der Energie kann jedem Freiheitsgrad eine Energie von zugeordnet werden. Bei insgesamt 6 Freiheitsgraden ergibt sich daraus für ein einzelnes Atom eine maximale Energie von ; für den gesamten Feststoff bedeutet dies Legende: k = Stefan-Boltzmann-Konstante = 1,38065504 · 10 -23 J/K R = allgemeine Gaskonstante = 8,314472 J/(K mol) = N A · k N A = Avogadro-Zahl = 6,02214179 ·10 23 mol -1 (gibt die Anzahl der Teilchen in einem Mol an) M = Molmasse die Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme muss berücksichtigt werden. Situation im Festkörper: Besteht ein idealer Festkörper aus einer regelmäßigen Anordnung von Atomen, so kann jedes dieser Atome um seine Ruhelage herum eine Schwingung in x-, y- und z-Richtung ausführen. Die mit dieser Bewegung (Schwingungen) verbundene innere Energie besitzt eine kinetische und eine potentielle Komponente. Davon ausgehend lässt sich für die spezifische Wärme der Zusammenhang ableiten (siehe Kasten). Da der thermische Ausdehnungskoeffizient für viele Festkörper recht klein ist und im Bereich von 10-6 1/K oder 10-5 1/K liegt, unterscheiden sich cp und cv im Festkörper nur wenig. Wert von einer Reihe von kristallinen Verbindungen erreicht. Bei Kristallen von organischen Verbindungen kann es neben Schwingungen jedoch auch zur Rotation von Molekülgruppen kommen, was spezifische Wärmen zur Folge hat, die über dem von Dulong und Petit angegebenen Grenzwert liegen. Gleichung (6) entspricht der 1819 empirisch gefundenen Regel von Dulong-Petit, die für alle festen Stoffe einen festen Zahlenwert vorhersagt, der somit einen Grenzwert bei genügend hoher Temperatur darstellt. Dieser Wert liegt für die molare spezifische Wärme (cv molar) bei 24,9 J/(mol K). In der Tat wird dieser Die Dulong-Petit-Regel ist bei manchen Metallen bereits in der Nähe von Raumtemperatur annähernd erfüllt. So hat Gold laut Literatur bei 25°C eine spezifische Wärme von 0,129 J/gK. Mit einer Atommasse von 196,97 g/mol kommt man umgerechnet auf einen Wert von (gerundet) 25,41 J/(mol K). bzw. (6) Mit abnehmender Temperatur können nicht mehr alle Bewegungen angeregt werden; Freiheitsgrade werden quasi „eingefroren“. Aus diesem Grund nehmen die innere Energie und damit auch die spezifische Wärme einer Substanz beim Abkühlen kontinuierlich ab. Abb. 1. Idealisierte Kurve der spezifischen Wärme, aufgetragen gegen die Temperatur 10 Im Tieftemperaturbereich ist ein überproportionaler Abfall der spezifischen Wärme mit abnehmender SPEZIFISCHE WÄRME Temperatur zu verzeichnen. Dieses Verhalten wird am besten von der Debye-Theorie (T3-Abhängigkeit der spezifischen Wärme) beschrieben. Für T ➝ 0 strebt die spezifische Wärme ebenfalls gegen Null, ohne den absoluten Nullpunkt jedoch zu erreichen (3. Hauptsatz der Thermodynamik). Bestimmungsmethoden und Anwendungen (A) Light- oder Laser-FlashAnalyse (LFA) Hierbei wird die Unterseite einer Probe durch einen Lampenblitz oder einen Laserschuss aufgeheizt und der daraus resultierende Temperaturanstieg auf der Probenoberseite mit einem Infrarotdetektor registriert. Über den Vergleich der Signalhöhen zwischen einer Probe und einer Referenz mit bekannter spezifischer Wärme kann mittels LFA die spezifische Wärme von Festkörpern mit einer Genauigkeit von ± 3 - 7 % mit T = Höhe des Detektorsignals Q = eingestrahlte Laserenergie V = Verstärkungsfaktor = Dichte D = Dicke der Probe bzw. Referenz d = Lochblendendurchmesser bestimmt werden. Als Referenzmaterialien kommen dabei z.B. Pyroceram 9606 oder Al2O3 in Frage. Die spezifische Wärme wird über die oben stehende Beziehung (siehe separate Box) berechnet. Carbon/Carbon-Verbundwerkstoff Kohlefaserverstärkter Grafit, auch als Carbon/Carbon-Verbundwerkstoff bezeichnet, wird vor allem dort eingesetzt, wo geringes Gewicht bei gleichzeitiger chemischer Beständigkeit und/oder hoher Festigkeit bei hohen Temperaturen gefordert wird, so z.B. bei Bremsscheiben in Flugzeugen bzw. Rennwagen oder in chemischen Reaktoren. Die Eigenschaften des Verbundwerkstoffs hängen maßgeblich von der Orientierung der Kohlefasern ab. Um diesen Einfluss zu erfassen, wurde ein Komposit-Material mit der LFA 457 MicroFlash® in zwei Richtungen (in-plane = in der Ebene; thru-plane = senkrecht dazu) untersucht. Das Ergebnis zeigt Abb. 2. Während die Temperaturleitfähigkeiten (rote Symbole) und die Wärmeleitfähigkeiten (blaue Symbole) signifikante Unterschiede zwischen den Orientierungen in-plane (gefüllte Symbole) und thru-plane (offene Symbole) aufweisen, stimmen die berechneten spezifischen Wärmen sehr gut überein. Die cp-Kurve steigt der Theorie entsprechend unabhängig von der Orientierung der Fasern mit zunehmender Temperatur an, und die Werte liegen in einem für Grafitmaterialien typischen Bereich. (B) Dynamische Differenz-Kalorimetrie (DDK, engl.: Differential Scanning Calorimetry, DSC) Abb. 2. Carbon/Carbon-Verbundwerkstoff, in unterschiedlichen Richtungen gemessen mit der LFA 457 MicroFlash® Mit DSC-Geräten lässt sich die spezifische Wärme nicht nur von Feststoffen, sondern auch von Pasten, SPEZIFISCHE WÄRME Flüssigkeiten und sogar von Schmelzen ermitteln. Die Genauigkeit liegt dabei typischerweise bei ± 2,5 %. Jede Bestimmung der spezifischen Wärme mit der DSC setzt sich experimentell aus drei Messungen zusammen: Basislinie, Saphirmessung (als Referenz) und Probenmessung. In die cp-Berechnung gehen die direkten DSC-Signale ein: Die Empfindlichkeitswerte müssen den aktuellen Zustand des Systems widerspiegeln und werden daher im Rahmen des Messzyklus’ aus der Saphirmessung ermittelt. Die Verwendung einer bereits bestehenden Empfindlichkeitskurve empfiehlt sich nicht. Beispiel: Wasser-Glykol-Mischung Kühlmittel im Auto bestehen in der Regel aus höherwertigen Alkoholen, wie z.B. Ethylenglykol oder Glycerin, Wasser sowie Additiven als Korro- sionsschutz und zur Erhöhung der Schmierfähigkeit. Wasser vermag durch seinen höheren cp–Wert viel Wärme abzuführen; der Gefrierpunkt liegt mit 0°C für den Einsatz im Winter jedoch zu hoch. Durch das Zusetzen von Glykolen kann der Gefrierpunkt der Mischung erniedrigt werden. Als Folge davon nimmt die spezifische Wärme der Mischung ab; die Kühlwirkung wird herabgesetzt. Reines Ethylenglykol besitzt bei Raumtemperatur einen cp-Wert von ca. 2,4 J/gK. ergibt sich ein Glykolanteil von ca. 45%. Da der Dampfdruck von Wasser bei ca. 60°C bereits 200 mbar beträgt, handelt es sich in diesem Temperaturbereich strenggenommen nicht mehr um cp. Ausblick: In der nächsten OnSet-Ausgabe möchten wir Ihnen Tipps und Tricks für die erfolgreiche Bestimmung von cp-Werten vorstellen. Abb. 3 zeigt die Ergebnisse der cpBestimmung einer Glykol-WasserMischung mit der DSC 204 F1 Phoenix®. Da sich die spezifische Wärme von Mischungen additiv aus den spezifischen Wärmen der Einzelkomponenten zusammensetzt, kann aus den experimentell ermittelten cpWerten das Verhältnis der Komponenten berechnet werden. Geht man davon aus, dass es sich bei dem vorliegenden Gemisch ausschließlich um Ethylenglykol und Wasser handelt, Dr. Gabriele Kaiser Die Autorin: Dr. Gabriele Kaiser hat in Erlangen Chemie studiert und begann nach Abschluss ihrer Promotion in physikalischer Chemie im September 1991 ihre Tätigkeit bei NETZSCHGerätebau. Als Leiterin der Schulungsabteilung ist sie zuständig für die applikationstechnische Schulung und Beratung von Kunden, Vertriebspartnern und Mitarbeitern. Seit Juli letzten Jahres hat sie außerdem die Leitung des Applikationslabors in Selb inne. Abb 3. cp-Kurve einer Wasser-Glykol-Mischung 12 DIELEKTRISCHE ANALYSE Online-Prüfverfahren in Lackieranlagen mit DEA Norbert Kraus, Thomas Rödel* und Bernd Schade, Organische und Makromolekulare Chemie der Hochschule Merseburg phasenverschoben und hat eine andere Amplitude. Dies hängt von der Ionenmobilität und der Ausrichtung der Dipole ab. Die Dipole im Material versuchen, sich nach dem elektrischen Feld auszurichten (reversible Relaxation) und vorhandene Ionen, die z. B. als Verunreinigungen auftreten, wandern zur Elektrode mit der entgegengesetzten Ladung (irreversibel, Energieverbrauch). Während der Aushärtung eines reaktiven Lacksystems nehmen sowohl die Ionenmobilität (Ionenleitfähigkeit) als auch die Ausrichtung der Dipole im Wechselstromfeld ab. Datenspeicherbox Kammsensoren 2.5 x 1.0 cm Abb. 1. Ein geplantes Einsatzgebiet für die Dielektrische Analyse (DEA) mit Kammsensoren Der Lackierprozess für Kunststoffteile entwickelte sich in den letzten Jahren zu einem teuren und schwer beherrschbaren Fertigungsschritt. Der hohe Kostendruck lässt sich nur über das systematische Erkennen und Nutzen von Rationalisierungschancen abbauen. Insbesondere Technologien zur Fehlererkennung in der Lackieranlage und die damit verbundene Ausschussminderung stehen an der Spitze der Ziele. Trotz aufwändiger Prozessdatenerfassung in der Lackieranlage ist es bis heute nicht möglich, eine Aussage zum Trocknungs- und Härtungsverhalten der Lacke direkt auf der lackierten Oberfläche des Kunststoffbauteils während des Lackierens zu treffen. Deshalb sind die Anforderungen an die Oberflächenqualität nur mit erheblichem Entwicklungs-, Zeit-, und Kostenaufwand zu erfüllen. Die Dielektrische Analyse (DEA) als Online-Methode ist ein einfaches Verfahren mit Einsatzpotential zur Qualitätssicherung, Entwicklung und Prozessverfolgung. Dielektrische Analyse - die Messmethode Die DEA ist eine zerstörungsfreie Methode zur Untersuchung des Verarbeitungs- und Vernetzungsverhaltens sowie der physikalischen und chemischen Struktur von Duromeren und anderen Polymeren durch Messung ihrer dielektrischen Eigenschaften. In einer typischen Messung wird eine Probe in Kontakt mit zwei Elektroden (dielektrischen Sensoren) gebracht, wobei an einer Elektrode eine sinusförmige Spannung (Anregung) angelegt wird. Daraus resultiert ein Stromfluss (Messsignal) an der zweiten Elektrode. Durch den Einfluss der Probe als Dielektrikum ist das Messsignal zum Eingangssignal Abb. 2. A - typische Geometrie eines ineinandergreifenden dielektrischen Sensors B - flexibler 115 µmKammsensor Seit 2007 wird an der Hochschule Merseburg in Kooperation mit der NETZSCH-Gerätebau GmbH und der Karl Wörwag Lack-und Farbenfabrik GmbH & Co.KG an der Entwicklung der Dielektrischen Analyse (DEA) mit Kammsensoren (Abb. 2) für die Einführung als Online-Prüfverfahren gearbeitet. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt. Abbildung 1 zeigt, wie mit den auf den Bauteilen befestigten Kammsensoren in einer Mehrkanalmessung die Lacktrocknung und Härtung vergleichend bestimmt wird. Damit ist die Dielektrische Analyse ein Werkzeug der Qualitätskontrolle und hilft gleichfalls, die Entwicklungszeit neuer Lacksysteme deutlich zu verkürzen. (Ionenviscosität Extinction DIELEKTRISCHE ANALYSE Wellenzahl Abb. 3. Typische DEA-Messkurve (Frequenz 1 Hz) mit 115 µmKammsensor für die Härtung eines 2K-PUR-Klarlacks Unsere Untersuchungen konzentrieren sich zunächst auf die dielektrischen Messungen an 2K-Klarlacken auf PUR-Basis. Die Ionenviskosität wird von der Beweglichkeit der Ionen bestimmt. Ihre Änderung pro Zeiteinheit dient als Maß für die Reaktionsgeschwindigkeit der Härtung und zur Berechnung des Härtungsgrades. DEA- und FTIR-Messungen an 2KPUR-Klarlack Es wurden 2K-PUR-Klarlacke auf Kammsensoren mit einem Elektrodenabstand von D = 25 µm bzw. 115 µm mit Spaltrakel (30 µm – 120 µm; 20 mm/s) appliziert (Abb. 2). Die resultierenden Trockenschichtdicken lagen im Bereich von 20 µm bis 60 µm. Die untersuchten Lacke stammen aus der aktuellen Produktpalette für die Automobilindustrie. Die Proben härteten nach einer Ablüftzeit von 10 min nach einem definierten, praxisrelevanten Temperaturprogramm, während wir die Änderung der Ionenviskosität in Abhängigkeit von der Zeit verfolgten. Als Messgerät diente eine DEA 230/2 Epsilon mit Interface für den mittleren Ionenleitfähigkeitsbereich. Der Messfrequenzbereich beträgt 0,001 14 Abb. 4. Messung der Abnahme der Isocyanat-Konzentration im 2KPUR-Klarlack während der Härtung bei 85°C mit FTIR-Spektroskopie (2267 cm-1) bis 100 kHz. Für die verwendeten 2K-PUR-Lacke wird die Ionenviskosität im Temperaturbereich von 20°C bis 90°C z. B. für die Messfrequenz 1 Hz bestimmt. Abbildung 3 zeigt einen typischen Kurvenverlauf für die Härtung eines 2K-PUR-Klarlacks. Während der Ablüftung steigt die Ionenviskosität mit der Viskosität des Lacks. Nach dem Einbringen in den Ofen sinkt die Ionenviskosität zunächst, da die Viskosität des Lacks mit steigender Temperatur sinkt, bis der Viskositätsanstieg als Folge weiterer Trocknung und beschleunigter Härtung die Ionenviskosität erhöht. Die Aushärtung ist nach einer Messzeit von insgesamt 50 min noch nicht abgeschlossen, da die Ionenviskosität bei konstanten 85°C weiter ansteigt. Unsere ersten Untersuchungen zeigten, dass die DEA für 2K-PUR-Klarlacke reproduzierbare Messkurven mit einer gut auswertbaren Änderung der Ionenviskosität erzeugt. Diese Aussage gilt ohne Einschränkung für Kammsensoren mit 25 µm Elektrodenabstand. Sensoren mit einem Elektrodenabstand von 115 µm verlangen erwartungsgemäß eine konstante Schichtdicke über die gesamte Sensorfläche, da hier der für die Messung relevante Messbereich über die untersuchten Schichtdicken hinausgeht. FTIR-Messungen an 2K-PURKlarlack Um die theoretische Korrelation zwischen der Ionenviskosität und der Härtungsreaktion praktisch nachzuweisen, wurden am härtenden 2KPUR-Lack FTIR-Messungen durchgeführt und sowohl die Abnahme der Isocyanatbande bei 2267 cm-1 als auch die Zunahme der Carbonylbande bei 1720 cm-1 verfolgt (Abb. 4). Aus der Abnahme der Extinktion ergibt sich eine Abnahme der Isocyanatkonzentration um ca. 70 % unter den Standard-Härtungsbedingungen von 40 min bei 85°C. Am Ende ist die Isocyanatbande bei 85°C im untersuchten Klarlack nicht mehr nachweisbar. Parallel zur Abnahme der Isocyanatbande nehmen die Extinktionen der Carbonylbanden bei 1682 cm-1 und 1720 cm-1 zu. Damit kann die Abnahme der Isocyanatbande der Härtungsreaktion zugeordnet werden und ist nicht nur ein Ergebnis der Hydrolyse. DIELEKTRISCHE ANALYSE Isocyanat- und Carbonylbande Abb. 5. Zusammenhang der Änderung von Isocyanat-(2267 cm-1) und Carbonylbande (1720 cm-1) im FTIR-Spektrum eines 2K-PUR-Klarlacks mit der Änderung der Ionenviskosität während der Härtung Die lösemittelhaltigen Lackschichten konnten auf Grund der Klebrigkeit erst ab einer Mindesthärtungszeit von 10 min FTIR-spektroskopisch untersucht werden. Für den untersuchten Bereich ergibt sich eine indirekte Proportionalität zwischen der Ionenviskosität und der Extinktion der gemessenen Isocyanatbande sowie eine direkte Proportionalität mit der Extinktion der gemessenen Carbonylbande (Abb. 5). Verfolgung der Trocknung Die Beweglichkeit der Ionen und Dipole in der Schicht ist nicht nur vom Härtungsgrad der untersuchten Klarlackschichten abhängig. Eine besondere Bedeutung kommt dem Gehalt an Restlösemittel zu. Eine Variation der Ablüftzeit zeigt eine Abnahme des Anstiegs der Ionenviskosität mit zunehmender Ablüftzeit, respektive abnehmendem Gehalt an Restlösemittel (Abb. 6). Nach einer Verweilzeit von ca. 15 min bei einer Härtungstemperatur von 85°C gleicht sich die Ionenviskosität bei allen drei Messungen trotz der stark unterschiedlichen Ablüftzeiten (3 min, 10 min und 30 min) an. Parallel erfolgten thermogravimetrische Untersuchungen mit einer Abb. 6. DEA-Messkurven (Frequenz 1 Hz; 115 µm Kammsensor) für die Härtung eines 2K-PUR-Klarlacks unter Variation der Ablüftzeit Thermo-Mikrowaage TG 209 F1 Iris® (NETZSCH-Gerätebau GmbH). Vergleichsproben mit Nassschichtdicken von 230 µm ± 10 µm bestätigen bei analogen Temperaturprogrammen (variable Ablüftzeit bei 25°C, 45 min bei 85°C) den von der Ablüftzeit abhängigen Restlösemittelgehalt zu Beginn der Aufheizphase. Eine Ablüftzeit von 10 min hat einen Restlösemittelgehalt von über 50 % des Ausgangswertes zu Beginn der Aufheizung zur Folge. Nach 30 min beträgt dieser Wert noch über 20 %. Nach ca. 15 min bei 85°C gleicht sich der Gehalt an Restlösemittel an. Die thermogravimetrische und die dielektrische Analyse zeigen übereinstimmend, dass die DEA-Messkurven auch noch im Anfangsbereich der Härtung von der Schichttrocknung dominiert werden. Bei den thermogravimetrischen Untersuchungen war auch nach der Standard-Härtungszeit von 40 min bei 85°C noch kein Ende der Masseabnahme erreicht. Nach 48 h zeigte sich noch eine Masseabnahme im Bereich von 0,05 % pro Stunde. Es bleibt daher die Frage offen, ob die Zunahme der Ionenviskosität während des Härtungsprozesses durch den weiteren Verlust von Restlösemittel dominiert wird. Prof. Dr. Thomas Rödel *Ansprechpartner Autoren Prof. Dr. Thomas Rödel studierte Chemie an der Universität Bayreuth. Von 1997 bis 2004 war er bei der REHAU AG + Co im Bereich der Entwicklung Automotive tätig. Im Jahr 2004 übernahm er die Professur für Organische und Makromolekulare Chemie der Hochschule Merseburg. Kontakt: Hochschule Merseberg Tel.: 03461 / 46 24 65, E-Mail: [email protected] ALLGEMEIN Eine Gesamtübersicht unserer Veranstaltungen finden Sie unter: www.netzsch-thermal-analysis.com/de/aktuelles/veranstaltungen Veranstaltung Datum Ort A-TESTex 2009 21. - 24.04. Moskau, Russland ACHEMA 2009 11. - 15.05. Frankfurt IVMTTC32 21. - 24.06. Kazimierz Dolny, Polen ECERS 2009 21. - 25.06. Krakau, Polen IRC 2009 29.06. - 02.07. Nürnberg ICCM-17 27. - 31.07. Edinburgh, UK Neue Vertriebsleitung in Nordamerika und Deutschland Thomas Rampke Nordamerika ist für NETZSCH einer der bedeutendsten Märkte und wächst seit Jahren zweistellig. Um das Wachstumstempo beibehalten zu können, wurde der Vertrieb neu strukturiert. Thomas Rampke, seit 18 Jahren im technischen Vertrieb Die Vertriebsleitung für Deutschland wurde zum 1.10.2008 an Dr. Heinz Niedrig übertragen. Herr Dr. Niedrig begann 1984 nach seinem Studium der Physik in Erlangen bei NETZSCHGerätebau als technischer Berater für das Vertriebsgebiet Bayern. In dieser Zeit hat er sich eine hohe fachliche Impressum Herausgeber: NETZSCH-Gerätebau GmbH Wittelsbacherstraße 42 95100 Selb Deutschland Tel.: +49 9287 881-0 Fax: +49 9287 881-505 E-Mail: [email protected] www.netzsch-thermal-analysis.com 16 Redaktion: Dr. Gabriele Kaiser, Dr. Jürgen Blumm, Stephan Knappe, Rolf Preuß, Doris Steidl Konzept & Gestaltung: Dagmar Dittmann Dr. Heinz Niedrig Kompetenz erworben und genießt inner- und außerhalb des Unternehmens große Wertschätzung. Neben seiner Leitungsfunktion wird Herr Dr. Niedrig das Gebiet Bayern nach wie vor direkt betreuen und für Kontinuität sorgen. 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