Biologische Risiken im Gesundheitswesen Prof. Dr. Elisabeth Presterl MBA Universitätsklinik für Krankenhaushygiene & Infektionskontrolle Gesundheitswesen • Patientenversorgung – Krankenhaus – Rehabilitationszentrum – Langzeitpflegeeinrichtungen – Ambulatorien – Ordination – Ambulanz • Diagnostik (Biologisches Material) – Laboratorien • „Chemie“ • Mikrobiologie • Öffentliche Gesundheit Mikroorganismen • Prionen • Viren • Bakterien – Sporenbildner • Pilze • Einzeller • Helminthen, Insekten aktuelle Beispiele • Creutzfeld-Jakob • Ebola, Zikavirus • Meningokokken, multiresistente Erreger – Bacillus anthracis, Clostridium • Coccidioides immitis • Amöben • Fuchsbandwurm, Läuse Übertragung von Mikroorganismen Infektionsquelle Direkte Übertragung Vehikel Infektionsziel Indirekte Übertragung Schutzmaßnahmen Art der Übertragung • KONTAKT – Blut, Sekretion – Hände – Oberflächen • „Streu-Übertragung – Haut – Diarrhoe, Erbrechen – Tröpfchen • ca. 1,5 m • „AIRBORNE“ • Aerosol, verbleibt länger, „schwebend“ Hygiene und Schutzmaßnahmen • Sollen die Übertragung auf andere Patienten, das Personal (Arbeitsschutz) und der Allgemeinheit verhindern • Welcher Erreger ? – Bakterien oder Viren ? – Infektion oder Besiedelung wo ? • Streuquelle – Husten, Haut, Stuhl, … – Welcher Patient ? • Compliant oder nicht • Mögliche Art der Übertragung, z.B. „airborne“ Infektionsrisiken im Gesundheitswesen • Infektionsquellen – Patienten mit infektiösen Krankheiten • Biologisches Material von diesen Patienten „Laborproben“ – Kontaminierte Umgebung – Kontaminierte Medizinprodukte Maßnahmen • Abstand und Barriere – Isolation(sräume, Schleusen) – Schutz(-kleidung) – Impfungen, Prophylaxe • (Betriebs)Organisation – Public Health – Praxis, Krankenhaus – Ver-, Entsorgung – Abläufe (alle!: medizinisch, supportiv, Besucher) • Asepsis, Antisepsis – Reinigungs- und Desinfektionsplan – Instrumente – Medizinprodukte • INFORMATION & KOMMUNIKATION Jakob-Creutzfeld Erkrankung • Instrumenten-Management – Desinfektion – Einmalprodukte • Schutzmaßnahmen für Personal – Kleidung inkl Handschuhe – „Sicherheitsprodukte“ – Information Sterilisation bei Kontamination mit Prionen • Vorgehen gemäß Richtlinie des Bundesministeriums für Gesundheit (Fassung Januar 2016). • Generell gilt: nicht wieder verwenden • Einweginstrumente • Dampfsterilisation bei 134°C, 18 Minuten 10 11 Übertragung von Mikroorganismen Infektionsquelle Direkte Übertragung Vehikel Infektionsziel Indirekte Übertragung Epidemie, Ausbruch (outbreak) = Auftreten einer Häufung von Infektionen Ziel einer Outbreak Untersuchung: rasche Erkennung der Ursache und Verhinderung weitere Übertragungen. Verzeichnis biologischer Arbeitsstoffe (VBA) Biologische Arbeitsstoffe können einzellige oder mehrzellige Organismen sein. 1. Mikroorganismen • Bakterien (z.B. Staphylokokken, Streptokokken, Tuberkulose-Erreger) • Viren (z.B. Hepatitisviren, Herpesviren) • Humanendoparasiten (z.B. Malaria-Erreger) • Pilze (z.B. Schimmelpilze) 2. Zellkulturen • Künstliche Züchtung/Vermehrung von Zellen 3. Parasiten (z.B. Band- und Spulwürmer) 4. Unkonventionelle Agenzien (z.B. Erreger der Rinderseuche BSE) https://www.arbeitsinspektion.gv.at/AI Biologische Arbeitsstoffe Aufgrund des Infektionsrisikos werden 4 Risikogruppen unterschieden: • Stoffe der Risikogruppe 1 rufen im allgemeinen beim Menschen keine Krankheiten hervor (Methanbakterien, Bifidobakterien in der Molkerei, Essigsäurebakterien) • Stoffe der Risikogruppe 2 können beim Menschen Krankheiten hervorrufen und eine Gefahr für Arbeitnehmer/innen darstellen (Legionellen, Tetanuserreger, Polioviren) • Stoffe der Risikogruppe 3 können beim Menschen schwere Krankheiten hervorrufen und eine ernste Gefahr für Arbeitnehmer/innen darstellen (Tuberkuloseerreger, AIDS-Erreger) • Stoffe der Risikogruppe 4 können beim Menschen schwere Krankheiten hervorrufen und eine ernste Gefahr für Arbeitnehmer/innen darstellen (Ebola-Viren, Lassa-Viren) Die Gefahr einer Verbreitung in der Bevölkerung ist groß, normalerweise ist eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung nicht möglich. Arbeitgeber/innen haben die biologischen Arbeitsstoffe entsprechend ihrem Infektionspotential einer der Risikogruppen zuzuordnen. https://www.arbeitsinspektion.gv.at/AI Wann gilt die Verordnung biologischer Arbeitsstoffe? Ermittlung und Beurteilung der Gefahren bei beabsichtigter Verwendung Dabei ist zu berücksichtigen: 1. die Risikogruppe der biologischen Arbeitsstoffe; 2. Art und Häufigkeit der Tätigkeit; 3. mögliche Infektionswege, z.B. durch Inhalation von Aerosolen oder Staub, durch direkten oder indirekten Haut- oder Schleimhautkontakt, durch Verletzungen oder Bisse, durch orale Aufnahme; 4. die aus der Arbeit der Arbeitnehmer/innen resultierenden möglichen allergieauslösenden oder toxigenen Wirkungen Je nach Risikogruppe müssen Arbeitgeber/innen für die Einhaltung bereichsspezifischer Hygienemaßnahmen sorgen (Expositionsvermeidung, Ausstattung, persönliche Schutzausrüstung, sichere Handhabung) ! Personal protective equipment (PPE) • Schutzausrüstung muss vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden • Primäre Schutzmaßnahmen: Händewaschen, PPE (Kittel, Einmal-Handschuhe, Schutzbrillen, geschlossenes Schuhwerk) • Sekundäre Schutzmaßnahmen: Gebäudeauslegung, Dekontaminationseinrichtung (Autoklav), Belüftungssystem, Schutzanzug (mit Maske & Filteraufsatz, Filtergebläse, gasdicht, PressluftAtmung) Schutzstufen • Die Biostoffverordnung ordnet den vier Risikogruppen vier Schutzstufen zu Orientiert sich nach Risikogruppen Biosafety levels Welche Schutzmaßnahmen sind für jede Risikogruppe notwendig/verpflichtend? Ebola-Versorgung = detaillierter Ebola-Plan mit genauen Ablaufbeschreibungen, Schulungen und Training Ebola-Versorgung • Räumliche Struktur mit Schleusen in ausreichender Größe, Unterdruck, Nasszelle • Ver- und Entsorgung • Laborordnung,Probentransport Basis: Verordnung für biologische Arbeitsstoffe (VbA 1994) Auswahl der Schutzkleidung • Basis: VbA 1998 (TRBA 250/2014) • Risikoabschätzung – – – – Übertragungsweg Zu erwartende Exposition Strukturelle Gegebenheiten (Baulich, organisatorisch) Vorgesehene Arbeiten • Räumliche Voraussetzung (Barriere, Abstand) • Arbeitsablauf • Anforderungen an Material der Schutzkleidung Probentransport • Die Verpackung von Proben mit der Klassifizierung UN 2814 richtet sich nach der Vorschrift P 620 (Verpackungsanweisung) des ADR*. • Die Verpackungen sind mit der UN-Nummer 2814 und der Benennung „Ansteckungsgefährlicher Stoff, gefährlich für Menschen“ zu beschriften. • Für die Klasse 6.2 ist der vorgeschriebene Gefahrzettel (Biohazard-Symbol) anzubringen. *Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße Desinfektion • Umweltlabiles Virus – Reinigung und Desinfektion – Alle von der ÖGHMP oder VAH gelisteten Desinfektionsmittel mit begrenzter Viruzidie sind wirksam • Alkohole, Aldehyde, Sauerstoffabspalter, … – KONZENTRATION UND EINWIRKUNGSDAUER des Herstellers beachten! Entsorgung • Abfall: – Thermische Aufbereitung (Autoklav) – „Infektiöser Abfall“ • Leichen – Versorgung von infektiösen Leichen • In z.B. mit 10%-Aldehyd-Lösung getränkte Tücher wickeln, Leichensack, versiegelter Sarg • Vorzugsweise Kremation Zikavirus • Flavivirus (behülltes RNA-Virus), seit > 40 Jahren bekannt – Afrika, Asien, und nun Amerika • Übertragung – Vektor: Aedes albopictus, Aedes aegypti – Enger Kontakt, Mutter-Fetus, Blutprodukt, sexuell • Erkrankung: – „Virusinfektion“ • Schutzmaßnahmen: – Lab Safety: CDC Klasse 2, WHO Klasse 2, UK Klasse 3 – Inaktivation durch Kaliumpermanganat 0.5%, Temperatur > 60°C, Musso & Gubler, Clin Micro Rev 2016; 29: 489 ff Infektionsübertragung Infektionsquelle Direkte Übertragung Vehikel Infektionsziel Indirekte Übertragung Meningokokken • Meningitis, Sepsis – Waterhouse-Fridrichsen – sept. Schock, Mortalität 80% – „Epidemische Genickstarre“ – SCHUTZ: • Impfungen: Impfung gegen Meningokokken der Gruppen A,C,W135 und Y (MEC-4), Impfung gegen Meningokokken der Gruppe B • Chemoprophylaxe Multiresistente Erreger MRE im Krankenhaus • Carbapenem-resistente Enterobakterien CRE • MRSA, VRE, XDR-TB, … • Maßnahmen: – – – – Screening Isolation Schutzkleidung Umgebungshygiene – adäquate Reinigung und Desinfektion Handschuhe sind kein Universalschutz! “Die 5 Momente für Händehygiene” Flächendesinfektion • Die Reinigung und Desinfektion hat nach dem gültigen bereichsspezifischen Reinigungs- und Desinfektionsplan zu erfolgen • Alle Desinfektionsmittel sind in geschlossenen Gebinden mit korrekter Beschriftung in feuerfesten Kästen aufzubewahren (feuerpolizeiliche Auflagen) • • Zur Wischdesinfektion werden generell Einmaltücher eingesetzt, die nach Gebrauch zu entsorgen sind. Ein Versprühen oder Umfüllen von Desinfektionsmitteln ist nicht zulässig (gekennzeichnete Behälter!) • Die Verwendung von Einmal-Unterlagen ist als Kontaminationsschutz auf einen Arbeitsgang bezogen zeitlich und örtlich begrenzt zu begrenzen. Generell ist aber die Durchführung einer regelmäßigen Wischdesinfektion der Verwendung von Arbeitsunterlagen vorzuziehen. Öffentliche Gesundheit Meldewesen • SEUCHENGEFAHR – Das Epidemiegesetz EpiG 1950 ist ausnahmslos umzusetzen • MELDUNG • ABSONDERUNG • TOTENVERSORGUNG . • …. Basis für Infektionskontrolle • Epidemiegesetz (BGBl. Nr. 186/1950 idgF, BGBl. 76/2008) – Absonderungsverordnung BGBl. Nr. 39/1915 idgF, BGBl. II Nr. 10/2006) – VO über Beförderung von Personen, die mit übertragbaren Krankheiten behaftet oder solcher Krankheiten verdächtig sind • Verordnung für biologische Arbeitsstoffe (VbA 1994) • [TRBA 250; 2014 (Deutschland)] Zusammenfassung Biologische Risiken im Gesundheitswesen • Im Krankenhaus häufiger – Schutzvorhaltung durch – Viele Schutzmaßnahmen – Schulung und Training • Seuchen und Epidemien – Immer möglich – Vorkehrung durch „Seuchenplan“ • Kommunikation – Wissen und Training