Skript: Logik I - Universität Düsseldorf: Philosophie

Werbung
1
LOGIK I:
EINFÜHRUNG IN DIE AUSSAGEN- UND PRÄDIKATENLOGIK
GERHARD SCHURZ
SKRIPTUM
Zum Basisseminar Logik I an der Uni Düsseldorf
Basierend auf der Vorversionen von 1996 an der Uni Salzburg
Wesentlich überarbeitete Fassung
(Schreibfehler können nicht ausgeschlossen werden.
Meldungen solcher an [email protected] werden mit Dank entgegengenommen)
2
INHALTSVERZEICHNIS
Die mit * bezeichneten Kapitel werden nicht behandelt (oder nur gestreift)
TEIL A: AUSSAGENLOGIK
1. Allgemeine Grundlagen
1.1 Ziele der Logik - 1.2 Gültigkeit von Schlüssen und logische Form - 1.3 Zusammenhang von gültigen Schlüssen und logisch wahren (allgemeingültigen) Aussagen - 1.4 Extensionale versus intensionale Satzoperatoren - Aussagenlogik, Modallogik, Prädikatenlogik - 1.5 Satz, Aussage, Aussageform, Aussageschema - 1.6 Logische Sprache, Syntax,
und Semantik. Logische Methoden und Komplexität - 1.7 Semantische Grundannahmen
der klassischen (Aussagen)Logik. Historischer Kurzexkurs - *1.8 Deduktive Logik versus
andere Bedeutungen von "logisch" - 1.8.1 Analytische Wahrheit - 1.8.2 Induktive und unsichere "Logik" - 1.8.3 "Logik" im Alltag - 1.9 Praktische Anwendungen und Nutzen der
Logik
2. Junktoren und ihre Wahrheitstafeln
2.1 Die wichtigsten Junktoren der Aussagenlogik - 2.2 Zusammenhang der Junktoren mit
den entsprechenden Verknüpfungsbegriffen der natürlichen Sprache - 2.3 Die Wahrheitstafel definierter Junktoren und deren Definition - 2.4 Kombinatorik der Wahrheitstafeln
und Wahrheitswertfunktionen
3. Aussagenlogische Sprache
3.1. Beliebig komplexe Aussagen und Schemabuchstaben - 3.2. Die Sprache der Aussagenlogik - 3.3. Konstruktionsbaum und Klammerung - 3.4 Teilaussagen, und ihre charakteristischen Junktoren
4. Aussagenlogische Semantik I: Die Wahrheitstafelmethode
4.1 Bestimmung der Wahrheitswerte komplexer Aussagen - 4.2 Die Wahrheitstafelmethode: Logisch wahre, logisch falsche und kontingente Aussagen. Gültige und ungültige Schlüsse - 4.3. Aussage- und Schluß-Schemata. Uniforme Einsetzung und Substitution - 4.4 Exkurs: Objektsprache und Metasprache - 4.5 Vereinfachungen der Wahrheitstafelmethode - 4.6 Die kombinatorische Explosion der Wahrheitstafelmethode. Entscheidbarkeit und Komplexität
5. Aussagenlogische Semantik II: Die Reductio ad Absurdum Methode
6. Repräsentierung natürlichsprachiger Sätze und Argumente
6.1 Arten natürlichsprachiger Sätze und *Arten und Rekonstruktionstiefe von Logiken 6.2 Repräsentierung in der Aussagenlogik
7. Wichtige aussagenlogische Schlüsse, Theoreme und Metatheoreme
8. Deduktive Methode
8.1 Das aussagenlogische System des natürlichen Schließens S - *8.2 Korrektheit, Vollständigkeit, Entscheidbarkeit, Ökonomie und Beweisheuristik. Andere Kalkülarten *8.3 Der aussagenlogische Äquivalenzkalkül Ä
3
TEIL B. PRÄDIKATENLOGIK
9. Grundlagen der Prädikatenlogik
10. Die Sprache der Prädikatenlogik (1. Stufe)
11. Repräsentierung in der Prädikatenlogik
12. Semantik der Prädikatenlogik
12.1 Sprachphilosophie: Extension und Intension, *12.2 Exkurs in die mengentheoretischeSemantik der PL
13. Deduktive Methode in der Prädikatenlogik
14. Weitere logische Wahrheiten und Beweismethoden in der PL
14.1 Logische Wahrheiten  *14.2 Der prädikatenlogische Äquivalenzkalkül
ÜBUNGEN
4
TEIL A: AUSSAGENLOGIK
1. Allgemeine Grundlagen
1.1 Ziele der Logik
Argumentieren bzw. schlußfolgern heißt, aus der angenommenen Wahrheit gewisser Sätze - der Prämissen - auf die Wahrheit eines anderen Satzes - der
Konklusion - zu schließen. Einen solchen Schluß schreiben wir in folgende
Form:
Prämisse 1
Prämisse 2
.
.
Prämisse n
Conclusion
z.B. (Schluß mit 2 Prämissen):
Wenn es regnet, ist die Straße naß
Es regnet
Also ist die Straße naß
Primär verfolgt die Logik zwei Ziele:
1. Herausfinden, wann ein solcher Schluß gültig ist. Alle gültigen Schlüsse angeben können.
2. Damit zusammenhängend: alle logisch wahren oder (gleichbedeutend) allgemeingültigen Sätze angeben können.
Wir charakterisieren die Gültigkeit von Schlüssen vorläufig wie folgt:
Ein Schluß ist gültig, wenn folgendes notwendig (also unter allen denkmöglichen Umständen) zutrifft: Immer dann, wenn alle Prämissen wahr sind, ist
auch die Conclusion wahr.
Anders formuliert: Ein Schluß ist gültig, wenn folgendes unmöglich ist (also
unter keinen denkmöglichen Umständen zutrifft): Alle Prämissen sind wahr,
aber die Conclusion falsch.
Die Gültigkeit eines Schlusses hängt also nicht davon ab, ob alle Prämissen
wahr sind - es gibt auch gültige Schlüsse, bei denen falsche Prämissen benutzt
wurden. Die Gültigkeit besagt nur: Wenn alle Prämissen wahr wären, müßte
mit Sicherheit auch die Conclusion wahr sein (z.B.: "Gedankenexperiment:
wenn ich größer wäre als 2m, wäre meine Hälfte mit Sicherheit größer als
1m"). Man wird fragen: wozu dient mir ein gültiges Argument, wenn ich nicht
5
weiß, ob die Prämissen wahr sind? Dazu siehe Kap. 1.9. Man kann Erkenntnisse über die Gültigkeit von Argumenten nicht nur dann anwenden, wenn man
die Wahrheit der Prämissen kennt - obwohl das natürlich ein wichtigster und
vielleicht der wichtigste Anwendungsfall ist. Jedenfalls muß man die Erkenntnis der Gültigkeit eines Argumentes von der Erkenntnis der Wahrheit seiner
Prämissen klar unterscheiden -- ersteres ist eine logische Frage, letzteres ist
eine empirische Frage, ersteres entscheidet der Logiker, letzteres entscheidet
der empirische Wissenschaftler.
Man sagt auch: logisch gültige Schüsse sind wahrheitserhaltend: sie erhalten
die Wahrheit der Prämissen und übertragen diese auf die Konklusion.
Beispiele:
(1) Wenn es regnet, ist die Straße naß
Es regnet
Also ist die Straße naß
(1) ist ein gültiger Schluß, egal ob die Prämissen wahr oder falsch sind, also
ob es tatsächlich regnet oder nicht, und auch unabhängig davon ob wir uns in
einem Tunnel befinden während es regnet. Regnet es nicht, ist die zweite Prämisse falsch; regnet es und wir befinden uns in einem Tunnel, ist die erste
Prämisse falsch. Sind aber beide Prämissen wahr, dann ist notwendigerweise
die Stasse nass.
(2) Wenn es regnet, ist die Straße naß
Die Straße ist naß
Also regnet es
(2) ist ein ungültiger Schluß, auch wenn "zufälligerweise" beide Prämissen und
die Conclusion wahr sind. Denn das ist nicht notwendig so: beispielsweise
könnte die Straße von einem Straßenreinigungsgerät naßgespritzt worden sein,
während die Sonne schien, also es nicht regnete.
1.2 Gültigkeit von Schlüssen und logische Form
Die Definition der Gültigkeit eines Schlusses im Abschnitt 1.3.1. war etwas
vage und unexakt, weil nicht klar ist, was mit "notwendig" hier genau gemeint
ist. Es ist hierbei natürlich nur eine sehr enge Art von Notwendigkeit gemeint,
nämlich aussagenlogische Notwendigkeit, welche wir später noch exakt de-
6
finieren werden. Vorläufig aber können wir uns die Art von Notwendigkeit,
um die es hier geht, durch bloße Betrachtung der logischen Form von Schlüssen klarmachen:
Dass Schluß (1) notwendig von wahren Prämissen zu wahrer Conclusion führt,
liegt an seiner logischen Form: jeder Schluß, der dieselbe Form wie (1) hat,
muß ebenfalls gültig sein.
Schlüsse mit der logischen Form wie (1) sind z.B.:
(1') Wenn es regnet, brennt die Erde.
Es regnet.
(Also:) Die Erde brennt.
(1") Wenn ich auf den Knopf drücke, geht das Radio an.
Ich drücke auf den Knopf.
(Also:) Das Radio geht an.
In einer denkbaren Welt, in der die Prämissen von (1') tatsächlich wahr wären
(z.B. in einer, wo die Erde aus Natrium besteht, das im Verein mit Wasser
flammenwerfend reagiert und wo es gerade regnet), wäre notwendigerweise
auch die Conclusio wahr. Die Ungültigkeit von (2) hingegen erkennt man daran, dass es Schlüsse von derselben Form wie (2) gibt, wo alle Prämissen wahr
sind, die Conclusio aber falsch. Z.B.:
(2')
Wenn ein Fahrschein 5 Cent kostet,
dann kostet er gewiß nicht mehr als mein Haus
Ein Fahrschein kostet gewiß nicht mehr als mein Haus
Also kostet ein Fahrschein 5 Cent
Um die logische Form eines Schlusses herauszufinden, muß man - generell gesprochen - den Schluß in zwei Arten von Bestandteilen zerlegen: seine inhaltlichen und seine logischen Bestandteile. Die inhaltlichen Bestandteile sind in
der Aussagenlogik die elementaren Aussagen, also die nicht weiter zerlegbaren
Aussagen wie "Es regnet", "Die Straße ist naß" im Beispiel (1). Die logischen
Bestandteile sind in der Aussagenlogik die logischen Verknüpfungsausdrücke,
sie heißen auch Junktoren oder Konnektive oder (wahrheitsfunktionale) Satzoperatoren - wie das "wenn - dann" im Beispiel (1). Eine analoge Unterscheidung gilt aber auch für erweiterte Logiksysteme, wie die Prädikatenlogik oder
die Modallogik. Generell unterscheidet man in einer logischen Sprache zwischen den nichtlogischen Symbolen oder Begriffen - jene Symbole oder Be-
7
griffe, die Inhalte oder "Dinge" der Realität bezeichnen - und den logischen
Symbolen oder Begriffen - jenen Symbolen, die rein logisch-struktureller Natur
sind und sozusagen mit der logischen Form der Sprache zu tun haben.
Die logische Form eines Schlusses erhält man ganz allgemein, indem man alle
nichtlogischen Begriffe bzw. Bestandteile durch Platzhalter respektive Variablen ersetzt. In der Aussagenlogik heißt das, man erhält die logische Form, indem man die elementaren Aussagen durch Aussagenvariable (Symbole für
atomare Aussagen) ersetzt, für die wir kurz p, q, r, ... schreiben.
Für das "wenn - dann" schreibt man auch einen Pfeil  (- und sagt dazu: "(materiale) Implikation").
Damit lautet die logische Form von (1):
(1*)
pq
p
q
(1*) heißt auch: Modus Ponens
Die Gültigkeit von (1*) gemäß unserer ursprünglichen Definition in Kap. 1.2
besagt nun präzise folgendes: Welche Aussage ich für die Variable p und welche ich für q auch immer einsetze - es wird in keiner möglichen Einsetzung der
Fall auftreten, dass beide Prämissen wahr sind, aber die Conclusion dennoch
falsch ist.
Z.B.: Einsetzung:
p - Es regnet
q - Die Straße ist naß
führt zu Schluß 1.
Einsetzung:
p - Es regnet
q - Die Erde brennt
führt zu Schluß 1'.
Einsetzung
p - Ich drücke auf den Knopf
q - Das Radio geht an
führt zu Schluß 1".
Merke: Alle Übersetzungen zwischen Zeichen der logischen Sprache X und
natursprachlichen Sätzen (...) werden wir in Zukunft durch einen Strich andeuten, also:
X - (...)
lies: X bedeutet (...)
Natürlich muß ich für p an jeder Stelle denselben Satz einsetzen; und ebenso
für q. -- Also z.B.
8
Wenn es regnet, ist die Straße naß
Es schneit
Die Straße ist naß
ist keine korrekte Einsetzung von
p q
p
q
sondern vielmehr eine Einsetzung von
p q
r
q
Die logische Form von Schluß (2) lautet:
(2*) p q
q
p
Die Ungültigkeit von (2*) erkennt man eben daran, dass es Einsetzungen gibt,
bei denen alle Prämissen wahr werden, die Conclusio aber falsch wird. Z.B.
die Einsetzung von (2'):
p = ein Fahrschein kostet 5 Cent
q = ein Fahrschein kostet gewiß nicht mehr als mein Haus
(- Tatsächlich kostet ein Fahrschein, sagen wir, 100 Cent.)
Freilich kann es auch bei ungültigen Schlußformen Einsetzungen geben, die
alle Prämissen wahr machen und die Conclusio wahr machen, z.B. im obigen
Beispiel (2*), p = ein Fahrschein kostet 100 Cent, q = wie oben. Aber das genügt nicht für die Gültigkeit eines Schlusses. Es darf keine einzige Einsetzung
geben, die die Prämissen wahr macht, aber die Conclusion falsch macht. Nur
dann ist mit Sicherheit gewährleistet, dass ein solcher Schluß uns nie in die Irre
führen wird. Und nur dann eben wollen wir ihn logisch gültig oder kurz: gültig
nennen.
Damit gelangen wir zu folgender präzisen Definition:
Eine Schlußform ist gültig g.d.w. (= genau dann, wenn)
- in allen jenen Einsetzungen dieser Schlußform, worin alle
Prämissen wahr sind, auch die Conclusion wahr ist,
(bzw. gleichbedeutend:)
- es keine Einsetzung dieser Schlußform
gibt, bei der alle Prämissen wahr sind, die Conclusion aber falsch ist.
9
Und:
Ein Schluß ist gültig gdw. seine Schlußform
gültig ist. D.h., ist ein Schluß gültig, so sind automatisch alle Schlüsse von seiner Form gültig.
Diese Definition hat drei charakteristische Merkmale:
1. Sie ist allgemein, d.h. sie gilt für alle Logiken, nicht nur für die Aussagenlogik. Der Unterschied ist nur, dass in anderen Logiken andere nichtlogische
und logische Symbole hinzukommen.
2. Dass die Gültigkeit eines Schlusses nur von seiner logischen Form abhängt
und also bestehen bleibt, wenn man seine nichtlogischen Begriffe bzw. Bestandteile durch Variablen ersetzt, drückt in anderen Worten aus, dass die Gültigkeit eines Schlusses nur von der Bedeutung der in ihm vorkommenden logischen Begriffe (Symbole) abhängt:
Die logische Gültigkeit eines Schlusses hängt, ebenso wie die logische Wahrheit einer Aussage, nur von der Bedeutung seiner logischen Symbole ab.
Genau deshalb ist die logische Gültigkeit bzw. logische Wahrheit unabhängig
von der Beschaffenheit der wirklichen Welt, ja sogar unabhängig von dem
nichtlogischen Begriffsrepertoir der natürlichen Sprache.
3. Die Definition liefert uns eine Methode, einen Schluß als ungültig zu erweisen, denn hierfür genügt es, ein Gegenbeispiel zu finden, d.h. ein Beispiel wo
alle Prämissen wahr aber die Konklusion falsch. Sie liefert uns aber keine Methode, Schlüsse als gültig zu beweisen, denn es ist unmöglich, alle - unendlich
vielen - Einsetzungsmöglichkeiten von natursprachlichen Elementarsätzen zu
durchlaufen. -- Daher ist auch diese Definition noch nicht die entgültige, exakt
logische Definition. Statt natursprachliche Sätze für die Aussagevariablen einzusetzen, setzt man etwas anderes ein - in der Aussagenlogik Wahrheitswerte,
in der Prädikatenlogik Mengen und Individuen, in der Modallogik mögliche
Welten Mengen. Diese Definitionen sind aber logikspezfisch. Die allgemeine,
für alle Logiksysteme geltende Definition kann nur in obiger Form gegeben
werden.
Aufgrund einer spezifischen Eigenschaft der Junktoren bzw. Satzoperatoren der Aussagenlogik (im engeren Sinn), nämlich aufgrund ihrer Wahrheitswertfunktionalität, genügt es in der Aussagenlogik, alle möglichen Wahrheitswerte - alle Kombinationen von wahr/falsch - für die Aussagenvariablen einzusetzen; man muß nicht alle möglichen natursprachlichen Elementarsätze ein-
10
setzen. Dazu kommen wir nun.
1.3 Zusammenhang von gültigen Schlüssen und logisch wahren (allgemeingültigen) Aussagen
Ziel der Logik ist es nicht nur, alle gültigen Schlüsse herauszufinden, sondern
wie wir sagten auch, alle logisch wahren Sätze herauszufinden. Zwischen beiden besteht ein einfacher Zusammenhang. Die Struktur von Schlüssen läßt sich
nämlich immer in die Form eines Wenn - dann - Satzes kleiden: man setze einfach nach dem "wenn" die Konjunktion (Undverknüpfung) aller Prämissen und
nach dem "dann" die Conclusion.
So entspricht dem Schluß
(3)
Wenn es regnet, ist die Straße naß
Es regnet
Die Straße ist naßder komplexe Wenn - dann - Satz (die umständliche
Grammatik darf den Logiker nicht stören):
(3') Wenn gegeben ist: (Wenn es regnet, ist die Straße naß,
und: es regnet), dann ist die Straße naß.
Bzw. der Schlußform
(4)
p q
p
q
entspricht die Aussageform
(4') ((p q) und p) q
wobei die Klammern zeigen, was jeweils zusammengehört.
So wie es in Schluß (4) unmöglich ist, dass die Prämissen (p q) und p wahr,
aber die Conclusion q falsch ist, so ist es bei der zugeordneten Wenn - dann Aussage (4') unmöglich, dass das Vorderglied bzw. Wenn-Glied ((p q) und
p) wahr ist, aber das Hinterglied bzw. Dann-Glied q falsch ist. Wir nennen eine
solche Wenn - dann - Aussage logisch wahr oder allgemeingültig. Jedem gültigen Schluß entspricht daher eine zugeordnete logisch wahre Wenn - dann Aussage. Es gibt noch andere Beispiele logisch wahrer Aussagen, die nicht in
dieser Weise gültigen Schlüssen entsprechen, z.B. "p oder nicht p".
Generell können wir die logische Wahrheit von Aussagen analog wie bei
Schlüssen so definieren:
11
Eine Aussageform ist logisch wahr g.d.w. (= genau dann,
wenn) jede ihrer Einsetzungen wahr ist.
Und:
Eine Aussage ist logisch wahr gdw. ihre Aussageform
logisch wahr ist. D.h., ist eine Aussage logisch wahr,
so sind automatisch alle Aussagen ihrer Form logisch wahr.
1.4 Extensionale versus intensionale Satzoperatoren - Aussagenlogik, Modallogik, Prädikatenlogik
Wir unterscheiden zwischen Aussagenlogik im engeren Sinn, kurz einfach
Aussagenlogik, und Aussagenlogik im erweiterten Sinn, womit wir die intensionale Aussagenlogik bzw. verallgemeinert-modale Aussagenlogik meinen.
Die logischen Symbole der Aussagenlogik im erweiterten Sinn sind Satzoperatoren. Das sind, von ihrer grammatischen Kategorie her, Operatoren, die
angewandt auf einen oder mehrere Sätze wieder einen Satz ergeben. Es gibt
ein- und mehrstellige Satzoperatoren. Z.B. ist "nicht" ein einstelliger Satzoperator, der angewandt auf einen Satz p den Satz nicht p, oder es ist nicht der
Fall, dass p, ergibt. Ebenso ist notwendig ein Satzoperator, der angewandt auf
einen Satz p den Satz "es ist notwendig, dass p" (kurz: notwendig p) ergibt.
"Und" ist ein zweistelliger Satzoperator, der angewandt auf zwei Sätze p, q
den Satz "p und q" ergibt. In Funktionalschreibweise könnte man auch
nicht(p), oder und(p,q) schreiben.
Ein Satzoperator ist also eine bestimmte Art einer Funktion. Generell gesagt ist eine Funktion eine allgemeine Zuordnungsvorschrift, die in Anwendung auf eine oder mehrere Entitäten eines bestimmten Typs wieder eine Entität eines bestimmen Typs erzeugt. Die Entitäten, auf die eine Funktion angewandt wird, nennt man ihre Argumente. Eine einstellige Funktion hat ein Argument, eine n-stellige hat n Argumente. Ein n-stelliger Satzoperator erzeugt
in Anwendung auf n Sätze wieder einen Satz; seine Argumente sind also Sätze. Analog in der Arithmetik ist"+" eine Funktion, die in Anwendung auf zwei
Zahlen x und y wieder eine Zahl, nämlich die Zahl "x+y". Der Ausdruck, der
nach Anwendung einer Funktion auf ihre Argumente entsteht, nennen wir die
Anwendung der Funktion, oder den Funktionsterm. Die Anwendung des nichtSatzoperators ist ein Satz der Form "nicht p", die Anwendung des undOperator ein Satz der Form "p und q", usw.
Die Satzoperatoren der Aussagenlogik (im engeren Sinn) haben eine ganz
besondere Eigenschaft: sie sind wahrheitswertfunktional. Man sagt auch, sie
sind extensional. Das ist folgende Eigenschaft:
12
Ein Satzoperator ist wahrheitswertfunktional bzw. extensional, wenn der
Wahrheitswert seiner Anwendung immer und eindeutig durch die Wahrheitswerte seiner Argumente bestimmt ist.
Wahrheitswerte gibt es - zumindest in der klassischen Logik - nur zwei:
"wahr"und "falsch": ein Satz ist entweder wahr oder falsch. Zum Beispiel ist
"nicht" ganz offensichtlich extensional: ein Satz der Form "nicht p" ist wahr
genau dann wenn (g.d.w.) p falsch ist, und er ist falsch g.d.w. p wahr ist. Ebenso ist "und" offenbar extensional, denn "p und q" ist nur dann wahr, wenn sowohl p wie auch q wahr sind, und andernfalls falsch. "Nicht" und "Und" sind
extensional: weiß ich die Wahrheitswerte ihrer Argumente, so kann ich daraus
- unabhängig davon, was ihre Argumentsätze bedeuten - auf die Wahrheit der
Sättigung, der komplexen bzw. zusammengesetzten Aussage schließen.
Nur wenige Satzoperatoren sind extensional. Viele sind nicht extensional man nennt sie dann intensional. Ein Beispiel ist der einstellige Satzoperator
"notwendig". Ob ein Satz der Form "notwendig p" wahr ist, hängt nicht nur davon ab, ob p tatsächlich wahr ist, sondern hängt von der spezifischen Bedeutung von p ab, aus der erst hervorgeht, ob die Wahrheit von p wirklich durch
irgendeine Art von "Notwendigkeit" zustandekam oder nicht. Beispiel:
Gras ist grün
wahr
Notwendigerweise ist das Gras grün
falsch
2+2 = 4
wahr
Notwendigerweise gilt 2 + 2 = 4
wahr
Der erste Satz ist "empirisch" wahr, aber nicht notwendig; der zweite Satz ist
nicht nur tatsächlich wahr, seine Wahrheit gilt auch mit (mathematischer)
Notwendigkeit. Generell zeigt man die Nichtextensionalität eines Satzoperator
O indem man zwei Bespiele von natursprachlichen Sätzen N1, N2 findet, derart, dass N1 und N2 denselben Wahrheitswert haben (z.B. beide wahr), aber
ON1 und ON2 verschiedene Wahrheitswerte haben (z.B. erster wahr, zweiter
falsch).
Es gibt noch viele andere Arten von Satzoperatoren, die intensional sind.
Beispielsweise "es ist möglich dass", "es ist wertvoll, dass", "es ist wahrscheinlich, dass", usw. Mit intensionalen Satzoperatoren beschäftigt sich die intensionale Aussagenlogik bzw. die verallgemeinerte Modallogig. Die Modallogik
entstand ursprünglich als eine intensionale Logik der Satzoperatoren "notwendig", "möglich", "unmöglich", der sogenannten alethischen Satzoperato-
13
ren; mit Modallogik im engeren Sinne meint man die alethische Modallogik.
Später wurde aber die Modallogik und spezielle ihre Semantik auf so gut wie
alle anderen Arten von intensionalen Satzoperatoren erweitert - weswegen man
hier von verallgemeinerter Modallogik spricht. Die "Semantik" der Modallogik
- also das, was hier der Aussagevariablen zugeordnet wird - geht natürlich über
bloße Wahrheitswerte hinaus: hier werden den Aussagevariablen Mengen von
möglichen Welten zugeordnet, nämlich jene Welten, in denen die Aussagevariablen wahr sind.
Im folgenden beschäftigen wir uns nur mit Aussagenlogik im engen Sinne,
kurz Aussagenlogik. Extensionale Satzoperatoren nennen wir auch Junktoren.
Die Elementarsätze der Aussagenlogik sind jene Sätze, die - wie man sagt wahrheitswertfunktional unzerlegbar sind. S. hierzu auch Kap. 6.1.
Die Wahrheitswertfunktionalität der aussagenlogischen Junktoren ermöglicht, wie wir bereits andeuteten, ein besonders einfaches Verfahren, die logische Gültigkeit von Schlüssen bzw. logische Wahrheit von Aussagen zu ermitteln: statt den Aussagevariablen alle möglichen natursprachlichen Sätze zuzuordnen, brauchen wir ihnen nur alle möglichen Kombinationen der beiden
Wahrheitswerte wahr/falsch zuzuordnen - dies ist die Wahrheitstafelmethode,
die wir im nächsten Kapitel besprechen.
Die Prädikatenlogik, die wir später behandeln, zerlegt elementare Aussagen in noch kleinere Bestandteile: in Individuenbezeichnungen (Eigennamen),
Prädikate (Eigenschafts- oder Artbezeichnungen, Relationen). Als neue logische Zeichen kommen sogenannte Quantoren ("für alle" und "für mindestens
ein") hinzu. Z.B. zerlegt die Prädikatenlogik die elementare Aussage "Sokrates
ist sterblich" in die Bestandteile
a - Sokrates (die Individuenbezeichnung)
F - sterblich (die Eigenschaftsbezeichnung)
und schreibt die Aussage in die logische Form:
Fa.
Oder die elementare Aussage "Alle Menschen sind sterblich" wird zerlegt in:
M - Mensch
S - sterblich
und geschrieben als:
x(Mx Sx)
lies: für alle x gilt: wenn x ein Mensch ist, so ist x sterblich ( ist der Allquantor).
Wir behandeln die Prädikatenlogik in Teil B.
14
1.5 Satz, Aussage, Aussageform, Aussageschema
Unter einer Aussage verstehen wir ganz allgemein einen Satz, der eine deskriptive Behauptung macht und wahr oder falsch sein kann. In der natürlichen
Sprache ist die Unterscheidung zwischen "Satz" und "Aussage" wichtig (Kap.
6). In der Logik, speziell der Aussagenlogik, interessieren wir uns nur für Aussagesätze - hier verwenden wir die Begriffe "Satz" und "Aussage" gleichbedeutend.
Nicht nur das - in der Logik interessieren uns nie konkrete natürlichsprachige Aussagen, sondern nur die zugrundeliegenden Aussageformen, worin die
elementaren Aussagen durch Aussagevariable ersetzt wurden. Ebenso interessieren uns nicht konkreten Schlüsse, sondern nur die zugrundeliegenden
Schlußformen. Daher sagen wir in im folgenden einfach "Aussage" und
"Schluß", wenn wir es mit einer Aussageform oder Schlußform zu tun haben.
Vereinfachung der Sprechweise in der Logik: Wir verwenden die Begriffe
"Satz", "Aussage" und Aussageform" in gleicher Bedeutung, ebenso die Begriffe "Schluß" und "Schlußform". Eine diesbezügliche Unterscheidung wird nur
nötig, wenn wir logische Sprachen mit natürlichen Sprachen vergleichen.
So nennen wir beispielsweise pq einen Satz bzw. eine Aussage. In der
Logik wird eine andere Unterscheidung wichtig werden, die zwischen Aussage
und Aussageschema. Wir verwenden A, B, C, ... als sogenannte Schemabuchstaben, sie stehen für beliebige, nicht nur für elementare Aussagesätze. AB
nennen wir ein Aussageschema (Satzschema). Der Unterschied ist hier der,
dass in pq p und q immer nur für elementare Aussagesätze stehen dürfen,
während in AB A und B für beliebige, also auch komplexe Aussagesätze
stehen dürfen. Analoges gilt für die Unterscheidung Schluß und Schlußschema.
Näheres in Kap. 2 und 4.3.
1.6 Logische Sprache, Syntax, und Semantik. Logische Methoden und Komplexität
Um ein logisches System aufzubauen, muß in einem ersten Schritt einmal die
logische Sprache genau definiert werden. Erst wenn das getan ist, kann man
nach exakten Methoden der Auffindung von gültigen Schlüssen und logisch
wahren Aussagen fragen. Diese Methoden zerfallen in zwei Hauptarten: die
semantischen Methoden und die syntaktischen Methoden.
Generell versteht man in der Sprachphilosophie und Sprachwissenschaft
unter der Semantik jene Disziplin, die die Bedeutung und/oder den Weltbezug
15
sprachlicher Ausdrücke behandelt. Die Syntax ist dagegen jene Disziplin, die
von Bedeutungen abstrahiert und nur die grammatische oder logische Form
von sprachlichen Ausdrücken untersucht. Analoges gilt für die logische Semantik und logische Syntax. In ersterer wird den Aussagen bzw. ihren Bestandteilen etwas zugeordnet, das für deren logisch relevante Bedeutung steht, in der
letzeren untersucht man nur die logischen Formeigenschaften von Aussagen
und die damit verbundenen logischen Regeln.
Die Unterscheidung zwischen logischer Syntax und logischer Semantik ist
für alle Logiken grundlegend. Speziell in der Semantik der Aussagenlogik ordnet man den Aussagenvariablen Wahrheitswerte zu - nämlich "wahr" oder
"falsch", und sucht nach einem Weg, um alle Möglichkeiten solcher Wahrheitswertzuordnungen überschauen zu können, um so herauszufinden, ob ein
Schluß gültig bzw. eine Aussage logisch wahr ist. Man nennt dies die Wahrheitstafelmethode - die einfachste semantische Methode der Aussagenlogik.
Man beachte, dass der oben definierte Begriff der logischen Gültigkeit und der
logischen Wahrheit selbst ein semantischer Begriff ist, da er mit Wahrheitswerten operiert.
Die wichtigste syntaktische Methode der Logik ist die deduktive Methode.
Hier sucht man nach einigen grundlegenden Regeln des logischen Schließens,
auf die alle logischen Schlüsse bzw. logisch wahren Sätze zurückgeführt werden können. Diese Regeln orientieren sich allein an der logischen Form von
Aussagen - sie lauten etwa: "wenn p q und wenn p behauptet werden darf,
darf auch q behauptet werden".
Da man bei der deduktiven Methode den Aussagen nichts zuordnet, sondern nur ihre Form betrachtet, ist die deduktive Methode eine syntaktische Methode. Natürlich will man, dass die semantischen Methoden zur Findung gültiger Schlüsse und die syntaktisch-deduktiven Methoden letztlich zum selben
Ergebnis führen - was man durch sogenannte Korrektheits- und Vollständigkeitsbeweise ausdrückt. Dass diese verschiedenen Methoden zum selben Ergebnis führen, heißt aber nicht, dass sie überflüssig sind. Eine wichtige Eigenschaft von logischen Methoden ist ihre Komplexität. (Die Komplexitätstheorie
ist insbesondere in der Künstlichen Intelligenzforschung und Computerlogik
entwickelt worden.) Darunter versteht man ganz allgemein den Berechnungsaufwand, bzw. die Anzahl elementarer Schritte und damit die Rechenzeit - die
nötig ist, um mit einer solchen Methode für gegebene Schlüsse herauszufinden,
ob sie gültig sind oder nicht. Hinsichtlich ihrer Komplexität können sich nun
im Ergebnis äquivalente Methoden für verschiedene Anwendungsbereiche gewaltig unterscheiden! Wir werden solche Beispiele bald kennenlernen. Eben
deshalb braucht man verschiedene (wenn im Ergebnis auch Äquivalente) Methoden.
16
Auch der oben erwähnte erste Schritt, nämlich die Definition der logischen
Sprache, gehört auch zum rein syntaktischen Bereich der Logik. Wir werden in
den folgenden Kapiteln so vorgehen: zuerst definieren wir die logische Sprache (Syntax), dann führen wir die semantischen Methoden ein (Semantik), und
dann entwickeln wir die deduktive Methode (wieder Syntax).
1.7 Semantische Grundannahmen der klassischen (Aussagen)Logik. Historischer Kurzexkurs
Die semantische Grundannahme der sogenannten klassischen Logik (Aussagen-, Prädikaten- und Modallogik) ist sehr einfach:
Jede Aussage ist entweder wahr oder falsch (Prinzip der Zweiwertigkeit)
Man kann dieses Zweiwertigkeitsprinzip auch in zwei Teilprinzipien aufspalten:
-- Jede Aussage ist wahr oder falsch, einen "dritten" Wahrheitswert gibt es
nicht (Prinzip des ausgeschlossenen Dritten, formal: A oder nicht-A)
-- keine Aussage ist zugleich wahr und falsch (Nichtwiderspruchsprinzip, formal nicht(A und nicht-A).
Beide die Prinzipien gehen auf Aristoteles zurück. Bereits Aristoteles hatte eine Logik entwickelt, die sogenannte Syllogistik, auf die wir im Abschn. über
Prädikatenlogik kurz eingehen. Interessanterweise hat sich die Logik seit Aristoteles bis Anfang des 20. Jahrhunderts kaum verändert. Es gab in der
Spätscholastik des Mittelalters eine Weiterentwicklung, sie aber keinen entscheidenden Durchbruch bewirkte. Der Durchbruch zur sogenannten modernen
Logik fand erst im 20. Jahrhundert statt. Ein Pionier der Aussagenlogik, im
Gewande der Mengenalgebra, war George Boole. Die Grundlagen der Prädikatenlogik wurden teilweise von Charles Sanders Peirce, voralledem aber von
Gottlob Frege entwickelt. Bertrand Russell hat sie dann weiter perfektioniert,
auch Wittgenstein hatte daran einen Anteil. Die logische Semantik geht auf den
polnischen Logiker Alfred Tarski zurück (30er Jahre). Seit damals hat die mathematische Logik sich enorm schnell weiterentwickelt. Die schon erwähnte
Modallogik geht auf Carnap und Lewis zurück und wurde in den 50ern von
Saul Kripke und Jakkao Hintikka formal ausgebaut. Man müßte hier noch viele
weiteren Namen nennen.
Im Zuge dieser jüngeren Entwicklungen entstanden auch sogenannte nichtklassische Logiken - voralledem sogenannte mehrwertige Logiken, die mehr
als zwei Wahrheitswerte annehmen (oder die sogenannte "intuitionistische"
17
Logik).
Das philosophische Hauptargument zugunsten der Annahme der Zweiwertigkeit ist folgendes. Die Begriffe "wahr" und "falsch" haben nichts mit unseren epistemischen Einstellungen zu tun, sondern sind ontologischer Natur.
Dass ein Satz wahr ist, soll also keineswegs heißen, dass wir uns seiner sicher
sind, oder dass wir ihn definitiv verifiziert haben; ebenso dass er falsch ist, soll
davon unabhängig sein, ob wir wissen oder glauben, dass er falsch ist. Beispielsweise, der Satz
"Am Meeresgrund liegt ein zwischen 0,10 und 0,11 kg wiegender Diamant"
ist entweder wahr oder falsch, obwohl es unwahrscheinlich ist, dass jemals irgendwer dies herausfinden wird, weil niemand den ganzen Meeresgrund nach
einem Diamanten absuchen kann. Dennoch ist der Satz entweder wahr oder
falsch, das liegt ganz einfach daran, dass die Realität bestimmt ist, entweder so
oder so ist. Die einzige Annahme, die das Zweiwertigkeitsprinzip also macht,
ist die Bestimmtheit der Realität.
Nur wenn man diese bezweifelt, hat man einen philosophischen Grund,
eine mehrwertige Logik anzunehmen, die z.B. neben den Wahrheitswerten
"wahr" und "falsch" auch noch den dritten Wert "unbestimmt" zuläßt. Tatsächlich haben einige Logiker aufgrund der sogenannten "Unbestimmtheit" in der
Quantenmechanik argumentiert, vielleicht sei die Realität in gewissen Eigenschaften doch einfach schlicht unbestimmt. Diesbezüglich gibt es Pro- und
Kontra-Meinungen, auf die wir hier nicht eingehen. Dennoch gibt es ein davon
unabhängiges Argument, das zeigt, dass selbst wenn man mehrwertige Logiken zuläßt, die klassische zweiwertige Logik eine Priorität genießt: man kann
nämlich mehrwertige Sätze metasprachlich derart übersetzen, dass sie zweiwertig werden. Z.B. mag der Satz "dort befindet sich genau ein Elektron" weder wahr, noch falsch, sondern schlicht unbestimmt sein -- dennoch ist dann
der Satz "Dass sich dort ein Elektron befindet, ist unbestimmt (bzw. hat den
Wahrheitswert ' Unbestimmt')" wider ein Satz, der nur entweder wahr oder
falsch sein kann. Man kann diese Tatsache auch in Form eines Theorems darstellen, demzufolge alle endlichwertigen Logiken durch eine Übersetzungsfunktion in eine zweiwertige Logik übersetzbar sind.
In der klassische Aussagenlogik kommt zum Prinzip der Zweiwertigkeit
noch ein zweites Prinzip hinzu, das wir schon besprochen haben: die Wahrheitsfunktionalität bzw. Extensionalität ihrer Satzoperatoren.
Setzt die zweiwertige Logik eine bestimmte Erkenntnistheorie oder Metaphysik der Wahrheit voraus, wie z.B. die den ontologischen Realismus oder
die Korrespondenztheorie der Wahrheit? (s. VL Erkenntnistheorie). Nein: alles
18
was man braucht ist die Zweiwertigkeit und Extensionalität dies ist in der Tat
alles an semantischen Grundlagen, auf denen die Aussagenlogik letztlich ruht.
Daher kann man aussagenlogische Prinzipien auch auf präskriptive Sätze, z.B.
Normen anwenden, die nicht im empirisch-deskriptiven Sinn wahr oder falsch
sind, sondern richtig "normativ wahr) oder "unrichtig ("normativ falsch").
1.8 Deduktive Logik versus andere Bedeutungen von "logisch"
1.8.1 Analytische Wahrheit
Identifiziert man logische Gültigkeit mit Denknotwendigkeit - so wie das in
der Philosophie früher üblich war und leider teilweise heute noch getan wird so gelangt man zu einem weiteren und zugleich ungenaueren Bereich dessen,
was zur "Logik" zählt. Z.B. wird dann auch ein Schluß wie
(5) Dies da ist rund
Also ist dies da nicht viereckig
als "logisch" gültig angesehen. Der Schluß ist allerdings aussagenlogisch ungültig, denn seine Form ist
p
p - dies da ist rund
Nicht q
q - dies da ist viereckig.
M.a.W., es gibt Einsetzungen, die die Prämisse wahr und die Conclusion falsch
machen, z.B. : p - die Sonne ist gelb, q - die Sonne leuchtet.
Die "Denknotwendigkeit" des Schlusses (5) kommt dadurch zustande, dass
es bereits aus der Bedeutung der Begriffe "rund" und "eckig" folgt, dass etwas
rundes nicht eckig sein kann. Die Begriffe "rund" und "viereckig" sind einfach
so definiert, dass etwas Rundes nicht etwas Viereckiges sein kann. Jedoch
handelt es sich bei "rund" und "eckig" um nichtlogische Begriffe. Analog zu
(5) gilt die Wahrheit des Satzes
(5') Wenn etwas rund ist, dann ist es nicht eckig
schon allein aufgrund unseren Bedeutungskonventionen für "rund" und "eckig".
Generell nennt man Sätze, deren Wahrheit bereits aus der Bedeutung der
in ihnen enthaltenen Begriffe folgt, analytisch wahre Sätze. Ihre Wahrheit
folgt aus den Bedeutungspostulaten für die in ihnen enthaltenen Begriffe, und
gilt somit unabhängig von der Beschaffenheit der wirklichen Welt. Analog
sprechen wir von analytisch gültigen Schlüssen.
Sätze, die wahr aber nicht analytisch wahr sind, deren Wahrheit also vom
der Beschaffenheit der realen Welt und nicht nur von der Beschaffenheit der
"Sprache" abhängt, nennt man auch synthetisch wahr. Die Unterscheidung geht
auf Kant zurück.
19
Analytisch wahre Sätze zerfallen nun in zwei Unterklassen, die logisch
wahren und die extralogisch wahren Sätze. Die Wahrheit logisch wahrer Sätze folgt schon allein aus der Bedeutung der in ihnen enthaltenen logischen
Begriffe, ist also eine Sache der logischen Form. Die Wahrheit extralogischanalytisch wahrer Sätze hängt dagegen von spezifischen Definitionen und Bedeutungskonventionen für spezifische nichtlogische Begriffe ab. Sie ist nicht
eine Sache der logischen Form. Da Bedeutungskonventionen für nichtlogische
Begriffe in der natürlichen Sprache festgelegt werden, sind sie nicht immer
eindeutig und klar - worauf insbesondere Quine hingewiesen hat - weshalb
auch die extralogische analytische Wahrheit nicht immer eindeutig feststeht.
Die Bedeutung logischer Begriffe wird dagegen durch die logische Semantik
präzise definiert und ermöglich eine mathematisch präzise Feststellung dessen,
was logisch wahr bzw. gültig ist. Wir verstehen unter Logik nur "echte" logische Wahrheit, nicht extralogisch analytische Wahrheit.
Diese Abgrenzung logisch - extralogisch-analytisch beruht auf der zwischen
logischen und nichtlogischen Begriffen. Nichtlogische Begriffe bezeichnen
Dinge bzw. Bestandteile der Realität. Logische Begriffe haben dagegen rein
logisch-strukturelle Funktion; "und", "oder" und "alle" bezeichnen keiner realen Entitäten, sondern logische Operationen.
Einteilung von Satzarten:
Wahrheitswert logisch determiniert
analytisch
W.wert durch extralogische B.postulate determiniert
synthetisch
niert.
W.wert weder durch Logik noch B.postulate determi-
1.8.2 Induktive und unsichere "Logik"
Logik in unserem "engeren" Sinn heißt auch präziser deduktive Logik. Charakteristikum von gültigen Schlüssen der deduktiven Logik ist es, dass sie mit
Sicherheit gelten, das heißt: sind alle Prämissen war, so ist mit Sicherheit, in
allen möglichen Situationen oder Welten, auch die Konklusion wahr. Analoges
gilt für die logisch wahren Sätze.
Im Alltag wie in der Wissenschaft machen wir dagegen auch oft von
Schlüssen Gebrauch, die nicht mit Sicherheit, sondern nur mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit oder "Plausibilität" gelten. M.a.W., es gibt neben sicheren deduktiven Schlüssen auch unsichere Schlüsse. Paradebeispiel
hierfür sind die sogenannten induktiven Schlüsse. Es gibt drei Arten von induktiven bzw. probabilistischen Schlüssen:
20
Induktiver Voraussageschluß:
Alle bisher beobachteten Raben waren schwarz
====================================
Daher sind (wahrscheinlich) auch zukünftig beobachtete Raben schwarz
Induktiver Verallgemeinerungsschluß:
Alle bisher beobachteten Raben waren schwarz
====================================
Daher sind (wahrscheinlich) alle Raben schwarz
"Induktiver" bzw. probabilistischer Spezialiserungsschluß:
95% aller Vögel können fliegen
====================================
Daher kann (mit Glaubenswahrscheinlichkeit 95%) auch dieser Vogel fliegen.
All drei Schlüsse erhalten die Wahrheit nicht mit Sicherheit, sondern nur mit
"Wahrscheinlichkeit". Was das jeweils genau heißt, bzw. ob man dies tatsächlich rational begründen oder beweisen kann, ist Thema eines eigenen Bereichs
der Forschung, auf das hier nicht eingegangen wird. (Bekanntlich hat David
Hume die rationale Begründbarkeit induktiven Schließens als erster fundamental bezweifelt.) Während induktive Voraussage- und Verallgemeinerungsschlüsse sowohl bei deterministischen Zusammenhängen (alle As sind Bs) wie
bei statistischen Zusammenhängen (95%, aller As sind Bs), kommen induktive
Spezialisierungsschlüsse nur in statistischen Zusammenhängen vor. Probabilistische Spezialisierungsschlüsse werden in qualitativer Weise in der sogenannten nichtmonotonen Logik behandelt. Induktive Schlüsse werden oft in
Systemen sogenannter induktiver Logik zusammengefaßt. Es wurde aber bezweifelt, ob man induktive Schlußsysteme überhaupt "Logiken" nennen sollte.
Eine weitere logisch ungültige und sehr unsichere Schlußart sind abduktive
Schlüsse von der Wirkung auf die Ursache, auch "Schluß auf die beste Erklärung" genannt. Ein Beispiel: Hier im Sand ist eine Fußspur, Menschen die im
Sand gehen hinterlassen solche Fußspuren // Also ging hier vermutlich ein
Mensch".
Wir beschäftigen uns in dieser Vorlesung nur mit deduktiver Logik. Induktive "Logik" und abduktives Schließen wird u.a. in der VL Wissenschaftstheorie behandelt.
1.8.3 "Logik" im Alltag
Im Alltag findet man häufig auch Schlüsse wie
(6) Du hast bei +10oC im Teich gebadet
21
Also hast du dich erkältet.
als "logisch". Das hat noch weniger mit "Logik" in unserem Sinne zu tun. Hier
liegt die Korrektheit des Schlusses ja offenbar an einem physikalischen Naturgesetz - nämlich "(fast) jeder Mensch, der bei +1OoC in einem Teich badet,
wird sich erkälten". Dieses Naturgesetz ist empirisch wahr, aber natürlich keineswegs notwendig wahr - man könnte sich durchaus eine mögliche Welt vorstellen, in der dies anders wäre: z.B. wenn die Menschen mit einer dicken Fettschicht unter der Haut ausgestattet wären, wie etwa Wale, die sich bei +1OoC
ja auch nicht verkühlen. - Wenn man allerdings das Naturgesetz zu den Prämissen hinzufügt, so wird aus (6) tatsächlich ein prädikatenlogisch gültiger
Schluß, nämlich
(6') Für alle x gilt: wenn x ein Mensch ist, der bei +1OoC im Teich badet, wird
er sich erkälten.
Du bist ein Mensch, der bei +1OoC im Teich gebadet hat
Also wirst du dich erkälten.
Es ist für unser Argumentieren charakteristisch, dass wir Prämissen, die uns
selbstverständlich erscheinen, einfach weglassen. Daher meinen wir im praktischen (alltäglichen) Argumentieren mit "logischer Korrektheit" etwa folgendes: wenn wir die von uns angeführten Prämissen eines vorgetragenen Arguments mit einer Reihe weiterer, selbstverständlicher Prämissen anreichern, so
erhalten wir tatsächlich einen Schluß, der in unserem (engen) Sinne logisch
gültig ist. Eine wichtige Teilaufgabe des logischen Formalisierens bzw. Rekonstruierens natürlichsprachiger Argumente besteht daher darin, implizite
verschwiegene Prämissen, die entweder selbstverständlich sind, oder aber die
verschwiegen wurden weil sie "ideologischer Natur" sind, ans Licht zu bringen
(s. auch Kap. 6).
1.9 Praktische Anwendungen und Nutzen der Logik
a) Anwendungen der Logik in der Philosophie: Das interessiert uns hier natürlich am meisten.
- a1) Logische Präzisierung bzw. Formalisierung von natursprachlichen Sätzen, z.B. Thesen der Philosophie oder Hypothesen der Wissenschaft. Dies
dient zunächst dazu, die logische Form eines Satzes zu erkennen. Von dieser
Form hängen unter anderem viele wissenschaftstheoretischen Fragen ab - z.B.
handelt es sich bei diesem Satz um eine Singuläraussage oder um eine Allaussage?, usw. (s.-> Prädikatenlogik). Oder, um eine "kategorische" es-ist-soAussage, oder um eine wenn-dann-Aussage. Oder gar, implizit, um eine Wertaussage, usw. Um dies zu erkennen, ist Übung im logischen Präzisieren und
Formalisieren unerläßlich.
22
- a2) Präzisierung bzw. Formalisierung von natursprachlichen Argumenten
bzw. Schlüssen. Dazu ist es nicht nur nötig, die Prämissen und die Konklusion
des Arguments zu präzisieren bzw. formalisieren. Sondern zunächst einmal, zu
erkennen, was alles als Prämisse fungiert, und voralledem wie vorhin erwähnt,
verschwiegene Prämissen zu erkennen und ans Licht zu holen. Man nennt dieses verfahren auch logische Rekonstruktion.
- a3) Hauptziel - die Überprüfung der Gültigkeit eines (vermeintlichen) natursprachlichen Argumentes. Erst wenn das Argument formalisiert oder zumindest logisch Präzisiert wurde, ist dies möglich.
- a4) Hat man ein Argument als gültig erwiesen, so kann man diese Erkenntnis der Gültigkeit in zweierlei Weise auswerten. Man erinnere sich, dass die
Gültigkeit ja noch nichts über die Wahrheitswerte der Prämissen besagt. Die
folgenden zwei Punkte sind besonderes wichtig für die Wissenschaftstheorie.
- a4.1) Wahrheitstransfer von Prämissen auf Konklusion - Voraussage, Erklärung, Bestätigung: Ist man sich der Wahrheit der Prämissen sicher, so kann
man daraus (mit mindestens gleicher Sicherheit) schließen, dass auch die Konklusion wahr ist. Wenn man vorher (bevor man das Argument als gültig erkannt hat), nur die Wahrheit der Prämissen weiß, und die der Konklusion erst
hinterher erschließt, spricht man von Voraussage. Wenn man vorher schon die
Konklusion als wahr weiß, und hinterher passende und als wahr akzeptierbare
Prämissen findet, die die Konklusion logisch implizieren, spricht man von Erklärung. Wenn in den Prämissen ein hypothetischer Satz (z.B. ein theoretisches Gesetz) vorkommt, dessen Wahrheit man sich nicht sicher ist, und man
daraus eine Voraussage ableitet, die sich hinterher durch Beobachtung tatsächlich als wahr erweist, so gilt dies zugleich als eine Bestätigung der hypothetischen Prämisse. Ebenso kann man Erklärungen als ex-post Bestätigungen von
hypothetischen Prämissen auffassen - allerdings ist ihre Bestätigungskraft
schwächer als die echter zutreffender Voraussagen.
- a4.2) Rücktransfer der Falschheit der Konklusion auf die Falschheit der
Prämissengesamtheit - Falsifikation und Schwächung: Die Gültigkeit eines
Schlusses besagt aber auch, dass wenn die Konklusion falsch ist, dann nicht
alle Prämissen zugleich wahr gewesen sein können, mindestens eine Prämisse
muß dann falsch gewesen sein. M.a.W., die Prämissengesamtheit, die Konjunktion aller Prämissen, muß falsch sein. Dies ermöglicht es, die Gültigkeit
eines Schlusses auch dann auszuwerten, wenn man vorher nichts über den
Wahrheitswert der Prämissen wußte, nämlich dann, wenn man erfährt, dass die
Konklusion falsch ist. Man kann daraus schließen, dass mit Sicherheit die
Konjunktion aller Prämissen falsch ist. Man nennt dies auch Falsifikation (ein
Kernbegriff der Popperschen Wissenschaftstheorie): die Konjunktion der Prämissen ist definitiv falsch. Weiß man zusätzlich mit Sicherheit, dass die eine
23
von sagen wir zwei Prämissen wahr ist, so kann man aus der Falschheit der
Konklusion weiters schließen, dass die erste Prämisse mit Sicherheit falsch ist
- auch das nennt man Falsifikation. Falls man aber keine der Prämissen mit
Sicherheit als wahr weiß, so kann man nur schließen, dass die unsicherste der
Prämissen vermutlich am ehesten falsch ist - man nennt dies auch Schwächung.
Hier ist ein Beispiel:
Prämisse 1: Astrologische Zwillinge haben gleichen Charakter
Prämisse 2: Personen A, B, C... sind astrologische Zwillinge
Konklusion: Personen A, B, C ... haben gleichen Charakter.
Diese Voraussage ist eine bekannte Konsequenz der Astrologie . Astrologische
Zwilling, das sind Personen, die im selben Kreissaal in derselben Minute geboren worden sind, müßten sich in ihren Charaktereigenschaften gleichen. Wer
an die Astrologie glaubt, wird auch an diese Voraussage glauben. Tatsächlich
hatte man eine Studie über astrologische Zwillinge durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass sie in ihren Charaktereigenschaften nicht weniger voneinander
abwichen als beliebige andere Personenstichproben. Damit ist die Konklusion
des Arguments als falsch erwiesen, zugleich ist Prämisse 2 ein empirisch feststellbarer Satz, der als wahr bekannt ist. Dadurch ist die hypothetische Prämisse, Prämisse 1 , falsifiziert.
b) Logik als Grundlage der Mathematik: Prädikatenlogik (1. Stufe) und Mengenlehre gehören ganz eng zusammen. Letztere ist die Semantik der ersteren.
Umgekehrt liefert erstere den Darstellungsrahmen der letzteren. Die moderne
formalisierte Mengenlehre ist eine sogenannte "Theorie 1. Stufe", d.h. die
mengentheoretischen Axiome sind zwar nicht auf die der Prädikatenlogik reduzierbar (so wie das der sogenannte "Logizismus" nach Frege versuchte),
aber sie werden innerhalb der Prädikatenlogik behandelt. Insofern ist Logik
eine wesentliche Grundlage der Mengenlehre. Die Mengenlehre ist ihrerseits
aber Grundlage der gesamten Mathematik. Daher ist Logik eine wesentliche
Grundlage der gesamten Mathematik. Jeder mathematische Beweis ist, wenn
man ihn formalisiert, auf einen logischen Beweis aus logischen Axiomen und
Regeln plus mengentheoretischen Eigenaxiomen und Definitionen zurückführbar.
c) Logik als eine Grundlage der Computerwissenschaft und künstlichen Intelligenzforschung: Auch hier erweist sich Logik als grundlegend. Es gibt ganze
Programmiersprachen, die direkt auf Fragmente der Prädikatenlogik beruhen,
24
z.B. PROLOG (Programming in Logic). Logikprogrammierungen, maschinelles deduktives Beweisen, regelbasierte Expertensysteme, nichtmonotone Logik - alles neue Gebiete der Computerwissenschaft und künstlichen Intelligenzforschung, die auf Logik basieren. Die Computerwissenschaft hat in
die traditionelle Logik auch ein wichtiges neues Element angebracht. die bereits erwähnte Komplexitätstheorie.
25
2. Junktoren und ihre Wahrheitstafeln
Um Fragen der Gültigkeit bzw. logischen Wahrheit zu beantworten, wir müssen den Wahrheitswert komplexer Aussagen in Abhängigkeit von den Wahrheits- werten der Aussagevariablen eindeutig bestimmen. Dies tun wir, indem
wir zunächst für jeden Junktor seine sogenannte Wahrheitstafel festlegen.
2.1 Die wichtigsten Junktoren der Aussagenlogik :
Name
natursprachliches
Symbol
andere gebräuchl.
Anwendung
Äquivalent
Symbole
_________________________________________________________________________
1. Negation
nicht

~
p
2. Konjunktion
und

&
p q
3. Disjunktion
einschließendes oder 
p q
4. (materiale)
Implikation


wenn - dann
p q
1. Ist ein einstelliger Junktor, weil er nur eine Aussagevariable als Argumentstelle hat. 2. - 4. sind zweistellige Junktoren. Diese vier Junktoren bilden die
logischen Basissymbole unserer Aussagenlogik.
Weitere wichtige Junktoren (in unserem System "definierte Junktoren"):
5. Alternation
entweder-oder
(ausschließendes oder
6. Äquivalenz
genau dann, wenn
7. (nor)
weder-noch
 

hat kein eigenständiges Symbol
 q
p
pq
p   q
Diese drei Junktoren, sowie auch noch weitere, lassen sich Mithilfe unserer
vier obigen Grundjunktoren definieren. In unserem System handelt es sich also
um definierte Junktoren.
Die Wahrheitstafeln:
Negation:
p
p
w f
f w
Konjunktion:
Die Negation einer Aussage hat
den gegenteiligen Wahrheitswert.
26
pq
w
f
f
f
Die Konjunktion zweier Aussagen ist nur wahr, wenn
beide wahr sind, ansonsten
falsch.
Disjunktion:
p
q
w w
w f
f w
f f
pq
w
w
w
f
Die Disjunktion zweier Aussagen
ist nur falsch, wenn beide falsch
sind, ansonsten wahr.
Implikation:
p
q
w w
w f
f w
f f
p q
w
f
w
w
Die Implikation zwischen zwei
Aussagen ist nur falsch, wenn
das Vorderglied wahr und das
Hinterglied falsch ist; ansonsten
ist sie wahr.
p
w
w
f
f
q
w
f
w
f
2.2 Zusammenhang der Junktoren mit den entsprechenden Verknüpfungsbegriffen der natürlichen Sprache:
Die Negation stimmt ziemlich gut mit dem natursprachlichen "nicht" überein.
Sehen wir einen Satz wie
"Peter ist nicht verheiratet"
als wahr an, so meinen wir damit eben, dass der Satz
"Peter ist verheiratet"
falsch ist; und sehen wir umgekehrt "Peter ist verheiratet" als wahr an, so automatisch "Peter ist nicht verheiratet" als falsch.
Auch die Konjunktion stimmt recht gut mit dem natursprachlichen "und" überein. Dass der Satz
"Fritz und Franz sind Fußballer"
wahr ist, bedeutet eben, dass sowohl der Satz "Fritz ist Fußballer" wie der Satz
"Franz ist Fußballer" wahr sind. Wäre umgekehrt einer von beiden - von Fritz
oder Franz - kein Fußballer, so wäre auch die Konjunktion "Fritz und Franz
sind Fußballer" als falsch anzusehen.
Allerdings kann das "und" der natürlichen Sprach auch etwas Stärkeres als eine
bloße logische Konjunktion ausdrücken. Sage ich z.B.
27
"er fiel hin und brach sich das Bein"
so drückt das "und" gleichzeitig eine zeitliche Aufeinanderfolge aus: erst fiel er
hin, und dann, als Folge davon, brach er sich das Bein. Es wäre z.B. nicht
sinnvoll zu sagen "er brach sich das Bein und fiel hin", obwohl vom Standpunkt der logischen Konjunktion "p  q" und "q  p" genau dasselbe aussagen.
Die Disjunktion entspricht dem "einschließenden oder" der natürlichen Sprache: entweder p oder q oder beides. Sie ist in Äußerungen gegeben wie
"Voraussetzung für diesen Job ist einen Diplomzeugnis in Physik oder
Chemie"
- die Voraussetzung ist auch dann als erfüllt anzusehen, wenn jemand beides
hat. Meistens aber verwenden wir das "oder" in der natürlichen Sprache als
"ausschließendes oder" bzw. "entweder - oder": entweder p oder q, aber nicht
beides zusammen. Z.B. in Sätzen wie
"nach dem Essen sollst du ruhn, oder tausend Schritte tun"
Der Grund, warum das einschließende Oder als Grundjunktor in der Logik beliebter ist, liegt darin, dass es einfacheren Gesetzen gehorcht als das ausschließende oder. Letzteres kann mittels ersterem, Konjunktion und Negation
definiert werden.
Die (materiale) Implikation ist viel schwächer als das "wenn - dann" der natürlichen Sprache. In natursprachlichen Wenn - dann - Sätzen nehmen wir
nämlich immer einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Vorderglied
und dem Hinterglied an. Z.B. ist der Zusammenhang in
"wenn das Wasser 100oC hat, dann kocht es"
ein kausaler Ursache-Wirkungs-Zusammenhang; oder in
"wenn du das Barometer fällt, dann wird ein Sturm aufziehen"
ein begründender Grund-Folge-Zusammenhang.
Der Grund, warum die materiale Implikation AB keinen inhaltlichen Zusammenhang zwischen Sachverhalt A und Sachverhalt B wiedergeben kann,
ist, dass solche inhaltlichen Zusammenhängen immer intensionaler, nicht
wahrheitswertfunktionaler, Natur sind. Die Frage, ob A Ursache für Wirkung
B ist, hängt nicht von den Wahrheitswerten von A und B ab. Die materiale Implikation der Aussagenlogik muß dagegen ein wahrheitswertfunktionales logisches Symbol sein. Daher legt man die Wahrheitstafel der Implikation gemäß
folgender Idee fest: Definitiv falsifiziert kann man A B nur dann ansehen,
wenn das Vorderglied A wahr ist, das Hinterglied B jedoch falsch ist. Man
entscheidet sich hier, nur in diesem Fall die Implikation als falsch anzusehen.
In allen anderen Fällen - also auch dann, wenn das Vorderglied falsch ist und
das Zutreffen von A B eigentlich gar nicht überprüft werden kann - soll die
28
Implikation dagegen wahr sein.
Dies führt eben dazu, dass die Implikation auch dann wahr sein kann, wenn
kein inhaltlicher Zusammenhang gegeben ist; z.B. ist
"Wenn die Sonne rund ist, ist das Gras grün"
wahr, weil Vorder- und Hinterglied wahr sind; und sowohl
"Wenn die Sonne viereckig ist, ist 2 mal 2 4"
als auch
"Wenn die Sonne viereckig ist, ist 2 mal 2 5"
sind wahr, weil das Vorderglied jeweils falsch ist.
Alle diese drei "wenn - dann" Aussagen würden wir in der natürlichen Sprache
als sinnlos empfinden, eben weil kein inhaltlicher Zusammenhang besteht.
Wenn also eine materiale Implikation wahr ist, heißt das noch nicht unbedingt
(obwohl es sein kann), dass die entsprechende natursprachliche Wenn-dannAussage einen Sinn ergibt. Umgekehrt aber gilt: wenn eine materiale Implikation falsch ist, ist auch die entsprechende natursprachliche Wenn-dannAussage eindeutig falsch.
Es gibt noch einen tieferen Sinn Definition der (materialen) Implikation.
Man sieht ihn, wenn man sich die Definition gültiger Schlüsse bzw. logisch
wahrer Wenn-dann-Sätze von Kap. 1.2 vor Augen hält. Ein Satz "wenn A,
dann B" ist logisch wahr, wenn es keine mögliche Wahrheitswertzuordnung
(bzw. Einsetzung, wie wir in Kap. 1.2 sagten) gibt, die das Vorderglied A wahr
macht und das Hinterglied B falsch macht. Und in Analogie dazu nennen wir
den Satz "wenn A, dann B" bzgl. einer bestimmten Wahrheitswertzuordnung
wahr ganz einfach dann, wenn diese Zuordnung nicht A wahr und zugleich B
falsch macht. Dadurch ergibt sich folgender einfacher Zusammenhang: Ein
Satz "wenn A, dann B" ist logisch wahr g.d.w. (genau dann, wenn) er von allen
möglichen Wahrheitswertzuordnungen wahr gemacht wird. Dieses Theorem ist
für den logischen Zusammenhang von gültigen Schlüssen und logisch wahren
Sätzen fundamental. Ein Beispiel wäre der logisch wahre Wenn-dann Satz
pq  p und der ihm entsprechende Schluss "p, q /daher: pq".
Dass die Aussagenlogik extensionale Junktoren als Grundlage annimmt, heißt
nicht, dass sie die komplizierteren natursprachlichen Verknüpfungswörter der
natürlichen Sprache beiseite schiebt. Vielmehr können die letzteren innerhalb
erweiterter Logiksysteme rekonstruiert werden. Eine Theorie des natursprachlichen Wenn-Danns, die voralledem von den Empiristen vertreten wurde, besagt, dass der inhaltliche Zusammenhang in einem Wenn-Dann immer
auf eine dahinterliegende Regelmäßigkeit der Verknüpfung, also auf einen Allsatz zurückgeht. Damit kann man das inhaltliche Wenn-Dann in der Prädikatenlogik so wiedergeben. Stehe a für ein Individuum und F und G für zwei Ei-
29
genschaften. Dann ist das kausale Wenn -Dann
"wenn a die Eigenschaft F hat, hat es auch die Eigenschaft G"
wahr, wenn der Allsatz
"Für alle x: wenn x F ist, ist x G"
wahr ist. Wir führen hier also das inhaltliche Wenn-Dann also auf prädikatenlogische Allsätze zurück - ein Vorgeschmack dafür, was "logisches Rekonstruieren" bzw. "logisches Explizieren" heißt. Allerdings hat auch diese prädikatenlogische bzw. extensionale Rekonstruktion des Wenn-Danns gewisse Mängel. Eine noch stärkere, nämlich intensionale Rekonstruktion wurde in der
Modallogik vorgeschlagen, hier nimmt man an, dass beim inhaltlichen WennDann der Zusammenhang eine gewisse Notwendigkeit besitzen müßte. Mit
als dem logischen Symbol für "notwendig" gibt man damit
"wenn a die Eigenschaft F hat, hat es auch die Eigenschaft G"
durch
(Fa Ga) notwendigerweise ist a ein F, wenn a ein G ist
oder aber, gar noch stärker, durch
x(Fx  Gx)
notwendigerweise sind alle Fs auch Gs
wieder.
Wie Sie bemerkt haben, können die natursprachlichen Verknüpfungs- wörter
grammatisch an unterschiedlichen Stellen stehen, ohne an der logischen Bedeutung etwas zu ändern: z.B. sind
"Fritz und Franz sind Fußballer"
und
"Fritz ist Fußballer und Franz ist Fußballer"
gleichbedeutend. Generell ist die natürliche Grammatik viel flexibler und toleranter als die logische, viele grammatischen Unterschiede, etwa Aktiv- Passiv-Transformationen
"Anna schlägt Hans"
"Hans wird von Anna geschlagen"
sind logisch ganz unerheblich, die beiden Sätze drücken also logisch dieselbe
atomare Aussage aus.
Wenn wir also einen natursprachlichen Satz logisch darstellen wollen,
müssen wir erst seine logische Form und Gliederung herausfinden, d.h. wir
müssen herausfinden, was seine elementaren Aussagen sind und welche logische Zusammensetzung sich hinter seiner natursprachlichen Grammatik verbirgt. Dieses Verfahren nennt man das logische Repräsentieren eines natursprachlichen Satzes. Dies ist kein theoretisch eindeutig bestimmtes, sondern
ein interpretatives Verfahren - weil eben die natürliche Sprache nicht immer
eindeutig ist - welches in der Praxis dann aber dennoch zumeist zu relativ ein-
30
deutigen Ergebnissen führt. S. hierzu Kap. 6.
2.3 Die Wahrheitstafel definierter Junktoren und deren Definition:
Entweder - Oder:
p
q
p  q
w w
f
w f
w
f w
w
f f
f
Äquivalenz:
p
q
w w
w f
f w
f f
pq
w
f
f
w
Definition: (p  q)
(f)
(w)
(f)
(f)
Definition: (p q)
(w)
(f)
(w)
(w)
Weder - Noch:
p
q
weder p noch q
w w
f
w f
f
f w
f
f f
w

f
w
w
f
(q  p)
(f)
(f)
(w)
(f)
 (q p)
w (w)
f
(w)
f
(f)
w (w)
Definition: p
(f)
(f)
(w)
(w)

f
f
f
w
q
(f)
(w)
(f)
(w)
Dass ein solches Zeichen definiert ist, heißt übrigens, dass wir es als Abkürzung ansehen. Z.B. sehen wir in unserem System
"p q"
als Abkürzung für
(p  q) q  p)
an.
2.4 Kombinatorik der Wahrheitstafeln und Wahrheitswertfunktionen
Wie schaut allgemein der linke Teil der Wahrheitstafel für mehr als zwei
Aussagevariablen aus? D.h., wieviel Möglichkeiten gibt es, n Variablen Wahrheitswerte w,f zuzuordnen. Bei 1 Variable sind es 2, bei 2 Variablen 4, bei 3
Variablen 8, bei n Variablen sind es allgemein 2n Möglichkeiten. Hier ist die
Tafel der möglichen Wahrheitswertzuordnungen für 3 Variablen (der "linke"
Teil der Wahrheitstafel) angeführt.
p
q
r
31
w
w
w
w
f
f
f
f
w
w
f
f
w
w
f
f
w
f
w
f
w
f
w
f
Wir variieren von rechts nach links, d.h. ändert zuerst die ganz rechten Variablen von w nach f ab, erst wenn wir alle Möglichkeiten durch sind, ändern wie
die um eine Stelle weiter links stehende Variable von w nach f ab. Wir nennen
die möglichen Wahrheitswertzuordnungen auf Wahrheitswertzeilen. Man sieht
an der 8er Tafel für 3 Variablen deutlich, wie sich die kleineren Tafeln darin
wiederfinden. Z.B. finden sich in der 8er Tafel für p, q ,r zweimal die 4er Tafel
für q und r, einmal für wahr, das andere mal für p falsch. Umgekehrt findet
sich in der 4er Tafel für q, r zweimal die (triviale) 2er Tafel für r, einmal für q
wahr, dann für q falsch. Würde man also noch eine vierte Variable hinzunehmen, sagen wir t, so könnten wir t ganz links hinschreiben und dieselbe 8er
Tafel einmal für t wahr, da andere Mal für t falsch durchspielen.
Man kann weitergehend überlegen, wieviel mögliche verschiedene) zweistellige Junktoren es gibt: soviele, wie es Möglichkeiten gibt, den 4 Wahrheitskombinationen
w w
w f
jeweils die Wahrheitswerte w
oder
f
w f
f f
zuzuordnen. Es sind dies 24 = 16 Möglichkeiten.
Das läßt sich verallgemeinern. Es gibt 2m mögliche Zuordnungen von 2
Wahrheitswerten zu m Wahrheitswertzeilen. Und für n Aussagevariablen gibt
es, wie wir sahen, 2n Wahrheitswertzeilen. Also gibt es 2(2n) n-stellige Junktoren. Das ist eine sehr hohe, sogenannte superexponentielle Zahl.
Für n= 1 sind es 4, für n=2 sind es 16, für n = 3 sind es 256, für n = 4 65.536.
Genau soviele n-stellige Junktoren der Aussagenlogik gibt es jeweils. Ein kleines Beispiel für die sogenannte kombinatorische Explosion.
Glücklicherweise lassen sich aber fast alle n-stelligen Junktoren lassen durch
einige wenige 2stellige definieren. Eine Menge von Junktoren, auf die sich
alle anderen zurückführen lassen, nennt man eine vollständige Junktorenbasis.
32
Man kann zeigen, dass z.B. {, }, {, }, {, }, vollständige Junktorenbasen sind - und selbstverständlich auch jede Obermenge davon. , , , }
ist die Basis, die wir zugrundelegen, weil das am praktischsten ist -- wählt man
nämlich eine kleinere Basis von Grundzeichen, so werden dadurch alle Aussagen länger, geradezu enorm umständlich lang. Die Reduktion von Grundzeichen erkauft man sich also in einer Aufblähung der Länge von Sätzen. (Es ist
sogar möglich, mit nur einem speziell festgelegtem Junktor, der sogenannten
Shefferschen Stückverknüpfung, alles andere zu definieren.) In diesem Fall ist
diese kombinatorische Explosion also wieder vollständig reduzierbar - ein Beispiel für Komplexitätsreduktion. Das ist aber bei weitem nicht immer so in der
Logik - oft haben wir kombinatorische Explosion, ohne dass es Möglichkeiten
gibt, die fast-unendliche Vielfalt auf einfache Weise zu überschauen.
33
3. Aussagenlogische Sprache
3.1. Beliebig komplexe Aussagen und Schemabuchstaben
Wenn man die Verknüpfung von Aussagevariablen durch die besprochenen
Junktoren wiederholt anwendet, kommt man so zu immer komplexer werdenden Aussagen:
pq
(p  q) (r  s)
(p  q)  r
(p1  (p2 q))  (r1 r2)
((p  q)  r)
usw. Die Klammern dabei sind sehr wichtig - sie geben an, worauf sich die jeweilige Junktoren beziehen. Z.B. bezieht sich das "" in "(p  q)" auf die
komplexe Aussage “(p  q)", im Gegensatz zu "p  q", wo sich das "" bloß
auf p bezieht. - Wir werden dies noch präzisieren.
Wir wollen im folgenden häufig nicht nur über einzelne und bestimmte, sondern über beliebige solche komplexen Aussagen Behauptungen aufstellen. Dazu bedienen wir uns der bereist erwähnten Methode der Schemabuchstaben.
Schemabuchstaben A, B, C, ... sollen für beliebige (beliebig komplexe) Aussagen stehen. Die aus Schemabuchstaben mithilfe logischer Symbole gebildeten
Ausdrücke nennen wir Aussageschemata (analog Schlußschemata). Wenn wir
beispielsweise behaupten
"Aus (A  B) folgt A"
so wollen wir damit sagen, dass diese Behauptung wahr ist, egal welche Aussagen wir auch immer für A und B einsetzen - es müssen nicht nur elementare,
es können auch komplexe Aussagen sein. Wir können auch sagen, Schemabuchstaben sind Variablen 2. Ordnung. So wie wir für die Aussage- variable
beliebige elementare natursprachliche Sätze einsetzen können, können wir für
Schemabuchstaben beliebige Aussagen, gebildet aus Aussagevariablen und
Junktoren, einsetzen.
Wir haben im vorigen Kapitel die Wahrheitstafeln der Junktoren nur für ihre
Anwendung auf einzelne Aussagevariablen eingeführt. Wir wenden diese
Wahrheitstafeln ebenso auch auf Aussageschemata an. Zum Beispiel schreiben
die Wahrheitstafel der Konjunktion also
A
w
w
f
f
B
w
f
w
f
(A  B)
w
f
f
f
34
Mit dieser allgemeinen Form der Wahrheitstafel meinen wir klarerweise dies:
Welche Form die für A und B eingesetzten Aussagen auch immer haben - so ist
der Wahrheitswert ihrer Konjunktion (A  B) durch die Wahrheitswerte von A
und B gemäß der Wahrheitstafel eindeutig festgelegt. Analog führen wir dies
für die weiteren Junktoren durch.
3.2. Die Sprache der Aussagenlogik (Logische Grammatik)
Wir gehen nun daran, die aussagenlogische Sprache exakt zu definieren - wir
konstruieren eine 'mathematisch exakte Sprache'. Die Definition einer Sprache
umfaßt - wie auch in der natürlichen Sprache:
1. die Festlegung des Grundvokabulars (Wörterbuchs oder Alphabets) und
2. die Festlegung ihrer grammatikalischen Regeln oder Formregeln.
Das Alphabet legt die Grundzeichen (die kleinsten bedeutungstragenden Zeichen) der Sprache fest. Die Formregeln legen fest, wie aus elementaren Aussagen komplexe gebildet werden können.
3.2.1. Alphabet
Es besteht aus:
a) Aussagevariablen: p, q, r, ...
(auch indiziert: p1, p2, ...)
b) Junktoren: , , ,  (Definiert: ,  )
c) Hilfszeichen: Klammern (, )
Nichtlogische Symbole
Logische Symbole
a) nennt man auch das nichtlogische Vokabular, b) das logische Vokabular. c)
die Hilfszeichen (man kann mit etwas anderen Formregeln als unten auch ohne
Klammern auskommen und spricht dann von "polnischer Notation). Den Elementen des Alphabets entsprechen in der natürlichen Sprache nicht etwa Buchstaben, sondern Worte - d.h., unser Begriff des "Alphabets" meint das "Wörterbuch" (und nicht etwa umgangssprachlich Alphabet genannte "A B C...").
3.2.2. Formregeln: Sie legen fest, was eine wohlgeformte Aussage, kurz: Aussage ist.
(a) Jede Aussagevariable ist eine Aussage.
(b) Ist A eine Aussage, dann ist auch A eine Aussage.
(c) Sind A und B Aussagen, dann ist auch (A  B) eine Aussage.
(d) Sind A und B Aussagen, dann ist auch (A  B) eine Aussage.
(e) Sind A und B Aussagen, dann ist auch (A B) eine Aussage.
((f) Sonst nichts  d.h., nur solche Zeichenreihen, die sich mithilfe der Regeln
(a) - (e) bilden lassen, sind Aussagen.)
35
Man sieht, dass wir die Regeln (b) - (e) mittels Schemabuchstaben formulierten. Dadurch können wir diese Regeln beliebig oft hintereinander anwenden
und gelangen so zu beliebig komplexen Aussagen. Starten wir beispielsweise,
gemäß Regel (a), mit den Aussagevariablen p und q, so können wir daraus z.B.
gemäß Regel (c) (p  q) bilden, aus (p  q) und p z.B. gemäß (d) ((p  q)  p),
oder gemäß (e) (p (p  q)), usw. Regel (f) legt fest, dass nur Zeichenreihen,
die gemäß wiederholter Anwendung dieser Regeln gebildet wurden, als Aussage zugelassen sind. Andere Zeichenreihen sind ungrammatisch und sinnlos
(ohne mögliche Bedeutung).
Z.B. sind
p
oder
(p )  q
oder
(p ) q  q
solch ungrammatischen bzw. nicht wohlgeformte Zeichenreihen. Eine analog
nicht wohlgeformte Zeichenreihe der natürlichen Sprache wäre: "wenn Peter
kommt Franz schläft und" - was soll das schon heißen?
Die Formregeln (a) - (f) sind Beispiel einer sogenannten rekursiven Definition.
D.h., die Menge aller Aussagen wird definiert als all das (b-e) und nur das (f),
was sich durch beliebig oft wiederholte Anwendung gewisser Regeln auf eine
gewisse Ausgangsmenge, die Aussagevariablen (a), erzeugen läßt. Es gibt eine Startregel (a) und iterative Regeln (b-e). Die Regel (f) wird bei rekursiven
Definitionen meist automatisch angenommen und nicht extra hinzugeschrieben.- Ein einfaches natursprachliches Beispiel einer rekursiven Definition von
"Mensch" wäre etwa
"Adam und Eva waren Menschen"
"Ist A von Menschen gezeugt, so ist A ein Mensch"
(vorausgesetzt, die biblische Schöpfungsgeschichte stimmt). Das Gegenteil
einer rekursiven Definition ist die Explizitdefinition in einem Schritt, etwa
"Menschen sind vernunftbegabte Lebewesen"
3.3. Konstruktionsbaum (oder Konstruktionsbaum) und Klammerung
Wie man eine gegebene Aussage mithilfe der Formregeln (a) - (e) aus Aussage- variablen konstruiert, läßt sich graphisch mithilfe ihres Konstruktionsbaumes ver- deutlichen. Beispielsweise hat die Aussage ((p  q)  r) folgenden
Konstruktionsbaum:
36
a
p
a
q
c
(p  q)
a
r
b
r
d
((p  q)   r)
Wir zeichnen den Konstruktionsbaum einer Aussage also, indem wir (von
oben be- ginnend, nach unten fortsetzend) jede Anwendung einer Formregel
graphisch darstellen, durch einen nach unten führenden Ast bei einer einstelligen Formregel, bzw. einer nach unten schließenden Verzweigung bei einer
zweistelligen Formregel; die Bezeichnung der Formregel (a - e) schreiben wie
hinzu. Formregel a ist ohne Prämisse; wir schreiben ihre Bezeichnung einfach
zu den Variablen hinzu.
Der Konstruktionsbaum ist nichts anderes als die bildliche Darstellung der
grammatischen Konstruktion der Aussage - man sieht, wie die Aussage aus
ihren sogenannten Teilaussagen sukzessive aufgebaut ist. Wir gehen nach der
Methide von innen nach außen vor: wir beginnen also von oben her kommend
mit den Aussagevariablen der gegebenen Aussage und führen schrittweise die
immer komplexer werdenden Teilaussagen der Aussage ein, bis wir bei der
Aussage selbst angelangt sind.
Andere Beispiele:
((p q) p)
a
p
a
q
e
(p q)
e
((p q) p)
b
 ((p q)  p)
a
p
37
(p  (q  q))
a
p
a
q
a
q
b
b
p
q
b
d
(q  q)
p
d
(p  (q  q)
Ungrammatische Zeichenreihen zeichnen sich dadurch aus, dass sich für sie
kein Konstruktionsbaum zeichnen läßt.
Die grammatische Struktur einer Aussage, so wie sie im Konstruktionsbaum deut- lich wird, ist natürlich bereits an der Klammerung der Aussage ablesbar. Die Klammern in einer Aussage legen eindeutig fest, auf welche Teilaussagen sich ein Junktor jeweils bezieht. - Die Klammerung wurde bereits
durch die Formregeln festgelegt: das "" bezieht sich jeweils auf den unmittelbar folgenden Ausdruck, und um einen Ausdruck "A" wird keine Klammer herum gesetzt. Dagegen werden um alle mit zweistelligen Junktoren gebildete Ausdrücke Klammern geschrieben, also "(A  B)" etc. M.a.W., das
"" bindet stärker als "", "" und "". Man vergleiche hierzu die beiden
Aussageschemata: (A  B)
und (A  B)
Links bezieht sich das "" direkt auf das "A" (es bindet vor dem ""),
während das "" sich auf "A" und "B" bezieht. Rechts wird durch die
Klammer deutlich gemacht, dass sich das "" auf den ganzen Ausdruck "(A 
B)" bezieht, während sich das "" auf "A" und "B" bezieht. Die Konstruktionsbaume (für A: setze p und für B: setze q):
a
p
a
q
b
p
a
p
a
q
c
(p  q)
c
(p  q)
b
(p  q)
38
Ersparnis äußerer Klammern: Wir führen unsere erste Klammerersparniskonvention ein: Äußere Klammern dürfen weggelassen werden. D.h. statt (p q)
dürfen wir einfach p q schreiben, statt ((AB)C) einfach (AB)C.
Beachte: dies ist keine Regel sondern eine bloße Konvention. In Konstruktionsbäumen gilt die Konvention natürlich nur für die ganz unten stehende Gesamtaussage, nicht für die einzelnen Teilaussagen. Anders gesprochen, haben
die äußere Klammer weggelassen, so dürfen wir keine weitere Konstruktionsregel darauf anwenden.
3.4 Teilaussagen, und ihre charakteristischen Junktoren
Als Grundlage der semantischen Methoden der Aussagenlogik benötigen wir
weiters ein genaues Verständnis der folgenden Begriffe:
1. Eine Zeichenreihe ist eine beliebige Aneinanderreihung von Zeichen des
Alphabets von links nach rechts. Beispiele: (i) pq), (ii) pq, usw.
2. Eine Aussage ist eine solche Zeichenreihe, die gemäß Formregeln (a) - (e)
gebildet ist.
3. Eine Teilzeichenreihe einer Zeichenreihe ist (irgend) ein Teilstück dieser
Zeichenreihe. Z.B. enthält ist "q", "q)" Teilzeichenreihe "q)", usw..
4. Eine Teilaussage einer Aussage ist eine solche Teilzeichenreihe, die selber
eine Aussage . Z.B. ist "(pq)", aber auch z.B. "p", Teilaussage von (i).
Jede Aussage enthält eine ganze Menge von Teilaussagen, einschließlich der
unechten Teilaussage - nämlich sie selbst. Die kleinsten Teilaussagen sind die
Aussagevariablen. Wie wir sagten, erkennen wir alle Teilaussagen einer Aussage an ihrem Konstruktionsbaum. Betrachten wir folgendes Beispiel:
((p q) p)
a
p
a
q
e
(p q)
e
((p q) p)
b
 ((p q)  p)
a
p
39
Wir können alle Teilaussagen einer Aussage aber auch in der Aussage selbst
wiederfinden. Hier sind sie durch Striche eingezeichnet.
((p q) p)
Es gilt aber noch mehr. Zwar "überlagern" sich die Teilaussagen einer Aussage. Doch jede Teilaussage ist eindeutig durch ein Zeichen der Gesamtaussage
bestimt. Aussagevariablen sind durch sich selbst bestimmt. Die anderen Teilaussagen sind durch ihren charakteristischen bzw. äußersten Junktor eindeutig bestimmt. Der charakteristische (äußerste) Junktor einer Aussage ist jener Junktor, durch dessen Anwendung auf ein oder zwei Teilaussagen die Aussage direkt gebildet ist. M.a.W., der charakteristische Junktor entspricht dem
letzten Schritt im Konstruktionsbaum. In folgenden Aussagen ist der charakteristische Junktor jeweils unterstrichen:
((p q) p)
((p  q)  (r s))
(p ((r  p)  (q  p)))
(p  q)
s
Die charakteristischen Junktoren der Teilaussagen von ((p q) p) sind
folgende (angedeutet durch den Pfeil):
((p q) p)
Analog:
((p  q)  (r s))
s
Dies ist ein fundamentales Theorem der logischen Grammatik: jedes Zeichen
bzw. elementare Symbol einer Aussage kennzeichnet genau eine Teilaussage
(entweder eine Variable, oder der charakteristische Junktor einer Teilaussage). Dadurch findet sich die gesamte "Information" eines Konstruktionsbaums
in der Aussage selbst wieder. Davon machen man alle semantischen Methoden
der Aussagenlogik Gebrauch; insbesondere die Wahrheitstafelmethode.
40
4. Aussagenlogische Semantik I: Die Wahrheitstafelmethode
4.1 Bestimmung der Wahrheitswerte komplexer Aussagen
Um den Wahrheitswert einer Aussage bei gegebenen Wahrheitswerten ihrer
Aussagevariablen zu bestimmen, gehen wir folgendermaßen vor: Wir bestimmen gemäß den Wahrheitstafeln die Wahrheitswerte ihrer Teilaussagen, wobei
wir sukzessive von den kleinsten zu immer größeren Teilaussagen voranschreiten, bis wir bei der gesamten Aussage angelangt sind. Wir schreiben die so ermittelten Wahrheitswerte der Teilaussagen unter die charakteristischen Junktoren dieser Teilaussagen - die diesen Teilaussagen ja eineindeutig entsprechen; bei den Variablen shreiben wir die Wahrheitswerte einfach unter die Variablen selbst. Damit können wir nun den Wahrheitswert einer Gesamtaussage
sehr platzsparend, nämlich in einer Zeile, in Abhängigkeit von den gegebenen
Wahrheitswerten ihrer Variablen bestimmen. Den Wahrheitswert der Gesamtaussage unterstreichen wir.
Einige Beispiele:
1) Gegeben: p wahr, q falsch. Gesucht: Wahrheitswert von ((p q) p)
p q ((p q)  p)
w f f w f f w w
Also: Die Gesamtaussage ist falsch.
2) Geg.: p falsch, q falsch. Ges.: ((p q) p)
p q ((p  q)  p)
f f f w f w f f f
3) Geg.: p: w, q: w, r: f, s: f. Ges.: (p  q)  (r s)
p q r s
(p  q)  (r s)
w wf f
w w w w f f w f
4) Geg.: p: f, q: w, r: w, s: f. Ges.: wie in 3)
p q r s
(p  q)  ( r s)
f wwf
f f w w w w f f
5) Geg.: s: f. Ges.: s
s s
f w f w f w f
41
4.2 Die Wahrheitstafelmethode: Logisch wahre, logisch falsche und kontingente Aussagen. Gültige und ungültige Schlüsse
Damit haben wir bereits eine erste Methode um festzustellen, ob eine gegebene
Aussage logisch wahr ist, logisch falsch ist oder kontingent ist (d.h. weder logisch wahr noch logisch falsch). Wie bei den Wahrheitstafeln schreiben wir
links alle möglichen Wahrheitswertkombinationen der Aussagevariablen, die
in der Aussage vorkommen, an. Wir bestimmen dann rechts den Wahrheitswert der Gesamtaussage. Erhält die Gesamtaussage in allen möglichen Wahrheitswertkombinationen der Aussagevariablen den Wahrheitswert wahr, so ist
sie logisch wahr.
Wir nennen die Wahrheitswertkombinationen auch Wahrheitswertzeilen;
Wahrheitswertzeilen stellen "kleine" mögliche Welten dar - beschränkt auf die
Elementarsachverhalte, die die Aussagevariablen wiedergeben. Bereits die
Wahrheitstafeln entsprechen als dem Gedanken, dass eine Aussage logisch
wahr ist, wenn sie in allen logisch möglichen Welten wahr ist. Mögliche Welten entsprechen weiters auch (möglichen) Modellen, d.h. die sogenannten semantischen Modelle der Aussagenlogik sind nichts anderes als Wahrheitswertzeilen.
Erhält eine Aussage immer den Wahrheitswert falsch, so ist sie logisch
falsch. Erhält sie manchmal den Wahrheitswert wahr und manchmal falsch, so
ist sie kontingent.
Einige Beispiele:
p
q
(p q)  (q p)
w
w
w w w w w w w
w
f
f
f
w
f
w f f f f w w
f w w f w f f
f w f w f w f
p
p  p
w
f
ww f w
f ww f
p
p  p
w
f
wf fw
f f wf
kontingent
logisch wahr
logisch falsch
Beom nächsten Beispiel beachte man: man kann sich bei der Entwicklung der
Wahrheitstafel zeilenweise vorarbeiten, oder auch spaltenweise (was im nächs-
42
ten Beispiel vermutlich übersichtlicher ist):
p
w
w
w
w
f
f
f
f
q
w
w
f
f
w
w
f
f
r
w
f
w
f
w
f
w
f
((p q)  (q r)) (p r)
w
w
w
w
f
f
f
f
w
w
f
f
w
w
w
w
w
w
f
f
w
w
f
f
w w w w
f w f f
f f w w
f f w f
w w w w
f w f f
w f w w
w f w f
w
w
w
w
w
w
w
w
logisch wahr
ww w
w f f
ww w
w f f
f w w
f w f
f w w
f w f
Es gibt etliche weitere logische Statusbezeichnungen von Aussagen. Logisch
wahre Aussagen heißen auch allgemeingültig. Logisch wahre Aussagen der
Aussagenlogik nennt man Tautologien. Logisch falsche Aussagen heißen auch
Kontradiktionen, denn sie sind widersprüchlich. Eine Aussage heißt erfüllbar
oder konsistent, wenn sie nicht kontradiktorisch ist, d.h. wenn sie entweder
kontingent oder logisch wahr ist. Den Begriff "konsistent" verwendet man
auch häufig für Aussagenmengen und nennt eine Aussagenmenge konsistent
gdw. es eine Wahrheitswertbelegung der Aussagevariablen gibt, die alle Aussagen der Menge wahr macht. Aussagen heißen logisch determiniert, wenn ihr
Wahrheitswert durch die Logik bestimmt ist, also wenn sie entweder logisch
wahr oder logisch falsch sind. Kontingente Aussagen heißen auch logisch indeterminiert. - Wir fassen diese Begriffe wie folgt zusammen:
Logisch wahr
Logisch
determiniert
Konsistent
Kontingent =
Logisch
indeterminiert
Logisch falsch (widersprüchlich)
Bei Schlüssen gibt es nur zwei logische Statusbezeichnungen: entweder gültig,
oder ungültig. Wir können mit dieser Methode ebenso die Gültigkeit von
Schlüssen herausfinden. Wieder schreiben wir links alle möglichen Wahrheitswertzeilen für alle jene Aussagevariablen an, die in den Prämissen oder
der Conclusio des Schlusses vorkommen. Rechts schreiben wir - hintereinander - Prämissen und Conclusio an. Wir bestimmen dann für jede Zeile die
Wahrheitswerte der Prämissen und der Conclusio. Wenn niemals (in keiner
Zeile) der Fall eintritt, dass alle Prämissen wahr sind, die Conclusio aber falsch
43
ist, so ist der Schluß gültig. Wi geben in diesem Fall der entsprechenden Zeile
ein Häkchen. Tritt dagegen eine widerlegende Zeile auf, d.h. eine Zeile, wo
unter allen Prämissen w steht, aber unter der Konklusion f, so geben wir dieser
Zeile ein Minus - der Schluß ist dann ungültig. Wir führen für Schlüsse im folgenden die platzsparende Zeilennotation P , ..., P . . . C ein; die drei Punkte
1
n
stehen für "folgt aus", bzw. "also". Ist P1, ..., Pn . . . C ein gültiger Schluß, so
sagt man auch: C ist logisch folgerbar, bzw. ist eine logische Folgerung aus P1,
..., Pn.
Beispiele:
1) Der Schluß: p q
p
q
bzw.
p q, p . . . q
p
q
p  q
p
q
w
w
w w w
w
w

w
f
w f
f
w
f

f
f
w
f
f w w
f w w
f
f
w 
f 
gültig
Bezeichnung:
Modus Ponens
2) Der Schluß: p q, q . . . p
p
q
p q
q
p
w
w
f
f
w
f
w
f
w
w
f
f
w
f
w
f
w
w
f
f
w
f
w
w
w
f
w
f




................. diese Zeile macht
den Schluß ungültig
3) Der Schluß: p  q . . . p  q
p
q
p q
pq
w
w
f
f
w
f
w
f
ww
w f
f f
f f
ww
ww
f w
f f
w
f
w
f
w
f
w
f
gültig




44
4) Der Schluß: p  q . . . p  q
p
q
pq
pq
w
w
f
f
w
f
w
f
ww
ww
f w
f f
www
wf f
f f w
f f f
w
f
w
f
ungültig




4.3. Aussage- und Schluß-Schemata. Uniforme Einsetzung und Substitution
Dieselbe Methode läßt sich auf Aussageschemata oder Schlußschemata anwenden, worin wir statt den Aussagevariablen Schemabuchstaben benutzen.
Wir bestimmen einfach die Wahrheitswerte des Aussagenschemas (Schlußschemas) für alle möglichen Wahrheitswertkombinationen der Schemabuchstaben. Beispiele:
1) A  A ist ein logisch wahres Aussageschema:
A
A  A
w
f
w w f w
f ww f
2) A  A ist ein logisch falsches Aussageschema:
A (A  A)
w
f
w f f w
f f w f
3) (A B) , A . . . B
A
B
w
w
f
f
w
f
w
f
ist ein gültiges Schlußschema
(A B)
w
w
f
f
w w
f
f
w w
w f
A
B
w
w
f
f
w
f 
w 
f 
Dass ein Aussageschema logisch wahr ist, bedeutet folgendes: welche Aussagen ich auch immer für die Schemabuchstaben einsetze, werde ich eine logisch
wahre Aussage erhalten. Die Behauptung der logischen Wahrheit eines Aussageschema ist daher bereits ein kleines sogenanntes "Metatheorem", wir behaupten damit im Grunde die logische Wahrheit von unendlich vielen struk-
45
turgleichen Aussagen der logischen Sprache.
Unter einer uniformen Einsetzung in ein Aussagenschema verstehen wir
die Aussage, die daraus entsteht, wenn wir die Schemabuchstaben durch Aussagen ersetzen. Dabei dürfen wir auch verschiedene Schemabuchstaben durch
gleiche Aussagen ersetzen, niemals aber gleiche Schemabuchstaben an verschiedenen Vorkommnissen durch verschiedene Aussagen ersetzen. Einige
Beispiele:
Schema: A  A
(p  p)
(p q)  (p q))
(r  r)
usw.
Einsetzung:
A: p
A: (p q)
A: r
Analog für Schlüsse:
(A B)
A
B
Einsetzung:
(p q)
p
q
A: p
B: q
((p q) (r s))
(p q)
(r s)
A: (p q)
B: (r s)
(p p)
p
p
A: p
B: p
Jedoch ist
(p q)
r
q
(A B)
keine Einsetzung vonA
B
Die Prüfung, ob eine gegebene Aussage eine Einsetzung eines gegebenen Aussageschemas ist, nennt man in der Computer-Logik Pattern Matching. Pattern
46
Matching ist auch für die Beherrschung der deduktiven Methode sehr wichtig.
Hier eine Übung: " ------" bedeutet hier "ist Einsetzung von":
Aussagen
Aussageschemata
(pq)  (pq)
p(qp))
r s
p (q(rs))
(pq)(rs)
A
AB
A B)
A B
A B
Man finde die zugeordneten Einsetzungsfunktionen.
Gesetzes der uniformen Einsetzung:
Logische Wahrheit, logische Falschheit und Gültigkeit bleibt unter uniformer
Einsetzung erhalten (d.h. aus einem L-wahren Aussageschema wird eine Lwahre Aussage, aus einem L-falschen Aussageschema eine L-falsche Aussage,
und aus einem L-gültigen Schlußschema ein gültiger Schluß).
Jedoch bleibt weder Kontingenz noch Ungültigkeit dabei immer erhalten.
Den Grund hierfür sieht man so. Für ein Schema stellt man die Wahrheitswertkombinationen ja auf, indem man den Schemabuchstaben w oder f zuweist. Welche Aussagen man aber immer für die Schemabuchstaben einsetzt,
sie können immer nur w oder f sein. Daher sind in den Wahrheitswertmöglichkeiten für die Schemabuchstaben immer auch alle Wahrheitswertmöglichkeiten für die sich daraus möglicherweise ergebenen Aussagen enthalten. Andererseits kann es sehr wohl passieren, dass ich für verschiedene Schemabuchstaben, sagen wir A und B, gleiche Aussagen einsetzte oder aber zwei
Aussagen, die voneinander logisch abhängig sind, wie z.B. p und p. In diesem Fall hat die entsprechende Aussage weniger Wahrheitswertmöglichkeiten
als das Aussageschema. Kurz gesagt, beim Übergang von Schema zu Aussage
fallen höchstens einige Wahrheitswertzeilen weg, nie kommen welche zu. Daraus ergibt sich obiges Gesetz direkt. Denn L-wahr heißt, dass alle Zeilen den
Wert w haben; fallen einige Zeilen weg, so bleiben dennoch alle übrigbleibenden Zeilen L-wahr. Analog für L-Falschheit und Gültigkeit. Bei einem kontingenten Schema kann es jedoch passieren, dass beim Übergang von Schema zur
Aussage genau die Zeile wegfällt, die das Schema kontingent macht, die resultierende Aussage ist dann wahr - Kontingenz bleibt also nicht erhalten. Analog
bleibt Ungültigkeit nicht erhalten.
47
Beispiel: A B ist kontingent, die Einsetzung für A: p und B: p führt zu p
p und ist logisch wahr. Ebenso führt die Einsetzung A: pq und B: pq zu
dem logisch wahren Satz (pq) (pq).
Generell gilt: Kontingenz bzw. Ungültigkeit bleibt nicht erhalten, wenn
Schemabuchstaben durch voneinander logisch abhängige (und im Extremfall
identische) Aussagen ersetzt werden. Wir sprechen dann von semantisch homomorpher (im Extremfall von synaktisch homomorpher) Einsetzung. Kontingenz bzw. Ungültigkeit bleibt nur in jenen Einsetzungen erhalten, worin die
Aussagen, die für die Schemabuchstaben eingesetzt werden, voneinander
paarweise logisch unabhängig sind. Man spricht dann von semantisch isomoprher Einsetzung. Diese liegt insbesondere dann vor, wenn die Schemabuchstaben durch eineindeutig zugeordneten Aussagevariablen ersetzt werden
(der Fall der syntaktisach isomorphen Einsetzung).
Man kann auch direkt in Aussagen (statt Aussageschemata) die Aussagevariablen durch (beliebige) Aussagen einsetzen. Solche Einsetzungen nennt man
uniforme Substitutionen. Man sagt, man substituiert beliebige Aussagen für die
Aussagevariablen. Die Aussage, die nach solcher Einsetzung entsteht, nennt
man Substitutionsresultat. Ein Beispiel:
Aussage:
((p q)  p) q
Substitutionsresutat:
(((p (q  r))  p) (q  r)
((((q  s) (p r))  (q  s)) (p r))
Einsetzung:
p: p,
q: (q  r)
p: (q  s), q: (p r)
Daraus ergibt sich ganz analog das sogenannte Gesetz der uniformen Substitution, welches wieder besagt, dass L-Wahrheit, L-Falschheit und Gültigkeit,
nicht aber Kontingenz und Ungültigkeit unter uniformer Substitution erhalten
bleiben.
Ein viel speziellerer Begriff als die Substitution ist die Gestaltgleichheit
(oder der syntaktischen Isomorphie) von Aussagen. Man nennt zwei Aussagen
gestaltgleich wenn sie durch eineindeutige Umbenennung der Aussagevariablen auseinander hervorgehen. Z.B. sind pq, und rp und rs, oder p(qp)
und q(rq) und s(ts), miteinander gestaltgleich oder syntaktisch isomorph.
4.4 Exkurs: Objektsprache und Metasprache
Die aussagenlogische Sprache, so wie wir sie in Kap. 3 definierten, ist unsere Objektsprache. Tatsächlich sprechen wir aber in einer Metasprache, mittels derer wir über die aussagenlogische Objektsprache (bzw. über Objektspra-
48
chen aussagenlogischen Typs) sprechen und deren Gesetzmäßigkeiten untersuchen. Sätze wie "aus p  q folgt q" sind Sätze unserer Metasprache. Unsere
Metasprache ist ebenfalls "mathematisch genau", da wir mit Vokabeln der Logik wie "folgt aus", "logisch wahr", etc. operieren, die von genau festgelegter
Bedeutung sind. Unsere Metasprache ist eine logische Metasprache - sie enthält zwar viele natursprachliche Vokabeln, ist jedoch im Prinzip auch mathematisch formulierbar; mithilfe der gewöhnlichen Mengenlehre. Man sagt auch,
die Metasprache enthalte die Logik 'informell', während die Objektsprache die
Formalisierung der Logik darstellt. Die Unterscheidung zwischen Objekt- und
Metasprache geht auf Tarski zurück.
Der größte Teil logischer Betrachtungen vollzieht sich also in der Metasprache. Auch Schemabuchstaben A, B ... gehören eigentlich zur Metasprache.
Wenn wir sagen "(A  A) ist logisch wahr", drücken wir den metasprachlichen Satz aus: "jede objektsprachliche Aussage, die Einsetzung dieses Schemas ist, ist logisch wahr". Genau genommen müßte man, wenn man in einer
metasprachlichen Aussage objektsprachliche Aussagen bzw. Zeichen erwähnt,
Anführungszeichen verwenden. Man müßte also sagen: "aus "p  q" folgt "q""
statt "aus p  q folgt q". Da aber aus dem Kontext klar ist, dass p  q bzw. q
zur Objektsprache gehören, verzichtet man in der Logik auf die umständliche
Verwendung von Anführungszeichen.
4.5 Vereinfachungen der Wahrheitstafelmethode
4.6.1. Vereinfachungen innerhalb einer Zeile:
(a) Unter die einzelnen Aussagevariablen (der zu bestimmenden Aussagen)
brauchen wir die Wahrheitswerte nicht mehr hinschreiben - sie stehen ja schon
links - sondern nur unter die Teilaussagen.
Also z.B.:
p q
p  q
w
w
f
f
w
f
w
f
f
f
w
w
f
f
w
f
(b) Ist bei einer Konjunktion ein Glied falsch, so ist die ganze Konjunktion
falsch; also braucht das zweite Glied nicht mehr bestimmt zu werden.
Also z.B.:
p q
p  ((p q) q)
f
...
f
49
Analog:
(c) Ist bei einer Disjunktion ein Glied wahr, so die ganze Disjunktion wahr;
also braucht das zweite Glied nicht mehr bestimmt zu werden.
Also z.B.:
p q r
p  (q (r  p)
w ... ...
w
(d) Ist bei einer Implikation das Vorderglied falsch oder das Hinterglied wahr,
so ist die ganze Implikation wahr; also braucht der Wahrheitswert des jeweils
anderen Gliedes nicht mehr bestimmt werden.
Also z.B.:
p q r
p ((q  r) (r p)  (r  p)
f ... ...
w
Hinweis: Schritte (b), (c) und (d) funktionieren auch, wenn wir es statt "p" und
"q" (usw.) mit komplexen Aussagen "A", "B"( usw.) zu tun haben, die an mehreren Stellen der Gesamtaussage bzw. des gesamten Argumentes vorkommen.
Im folgenden Beipsiel wird der Wahrheitswert von "(pq)" als f und dadurch
der von "(pqs" als f und die Implikation als w bestimmt (ohne den Wahrheitswert von p und s zu kennen):
p q 
 f ...
((pqs)  (pq)
f f
f
w
f f
4.6.2. Weglassung von Zeilen
(a) Um zu zeigen, dass eine Aussage kontingent ist, genügt es, zwei Zeilen der
Wahrheitstafel zu finden, von denen die eine die Aussage wahr macht und die
andere die Aussage falsch macht. Dann können wir bereits aufhören.
Z.B.:
p q r
(p  q) (r  q)
w w w
w w w
also kontingent
w w f
w f f
Um zu zeigen, dass eine Aussage logisch wahr oder logisch falsch ist, muß
man allerdings alle Zeilen anführen.
(b) Um zu zeigen, dass ein Schluß ungültig ist, genügt es, eine Zeile zu finden
bzw. anzuschreiben, die alle Prämissen des Schlusses wahr und die Conclusion
falsch macht.
50
(c) Um herauszufinden, ob ein Schluß mit mehr als einer Prämisse gültig ist
oder nicht, ist das folgende Vorgehen ab wenigsten aufwendig: Man ermittle
zuerst den Wahrheitswert der Conclusio für alle Zeilen. Dann muß man nur
noch den Wahrheitswert der Prämissen für jene Zeilen ermitteln, die die Conclusio falsch machen. Dabei geht man bei den Prämissen von links nach rechts
vor. Schon wenn in einer Zeile eine Prämisse falsch ist, breche man die Zeile
ab und gehe zur nächsten Zeile über, die die Conclusio falsch macht. Wenn bei
diesem Verfahren einmal eine Zeile gewonnen wird, die alle Prämissen wahr
und die Conclusio falsch macht, ist der Schluß ungültig, andernfalls gültig.
(Falls der Schluss nur eine Pärmisse hat, ist es egal, ob man zuerst den Wahrheitswert der Prämissen oder den der Konklusion bestimmt.)
Z.B.:
p
w
w
w
w
f
f
f
f
q
w
w
f
f
w
w
f
f
r
w
f
w
f
w
f
w
f
p q
q r
w
f
f
p r
w 
f 
w 
f 
w 
w 
w 
w 
also gültig
4.6 Die kombinatorische Explosion der Wahrheitstafelmethode. Entscheidbarkeit und Komplexität
Bei einer Aussage oder einem Schluß mit n verschiedenen Aussagevariablen
benötigen mit eine Wahrheitstafel mit 2n Zeilen. Das ist eine exponentielle
Funktion; solche sind immer explosiv - d.h. sie werden bei wachsenden n
enorm schnell größer.
n
2n
4
16
7
128
10
1024
20
1.048.576
Trotz obiger Vereinfachungen wird die Wahrheitstafelmethode bereits bei
mehr als 5 Aussagevariablen praktisch unhandlich für einen Menschen, und
bei mehr als 10 Aussagevariablen praktisch unhandlich auch für einen Computer.
51
Die Wahrheitstafelmethode ist eine sogenannte Entscheidungsmethode,
d.h. ein Algorithmus (= eine maschinell exakte, im Prinzip in binäre Arithmetik
übersetzbare Vorschrift), die nach einer endlichen Anzahl von Rechenschritten
stehenbleibt und eine korrekte Antwort der Form "ja" (z.B. gültig) oder "nein"
(z.B. ungültig) liefert. Noch vor mehreren Jahrzehnten war man in der mathematischen Logik primär daran interessiert war, herauszufinden, ob eine gewisse Logik entscheidbar ist oder nicht, d.h. ob für eine gegebene Logik eine
Entscheidungsmethode existiert oder nicht. Die Aussagenlogik ist entscheidbar, das zeigt ja schon die Wahrheitstafelmethode. Dagegen ist die volle Prädikatenlogik - wie zuerst Gödel bewiesen hat - nicht mehr entscheidbar.
In den letzten Jahrzehnten hat sich insbesondere durch Computerwissenschaft und künstliche Intelligenzforschung das Frageinteresse jedoch gewandelt. Ein Entscheidungsalgorithmus wie die Wahrheitstafel, der kombinatorisch explosiv (d.h. exponentiell) ist, nutzt für kompliziertere Fragestellungen
wenig. Die viel wichtigere Frage ist, ob auch ein Entscheidungsalgorithmus
existiert, der nicht kombinatorisch explosiv ist. Man nennt dies "traktable"
(handhabbar). Solche Fragen sind Gegenstand der Komplexitätstheorie. Wonach man sucht, sind heuristische Verfahren, mit denen man zumindest in den
meisten Fällen in viel kürzerer Zeit zum Ergebnis kommt. Genau das existiert
nun in der aussagenlogischen Semantik - die sogenannte reductio ad absurdum
Methode - und wir stellen dieses Verfahren nun vor. Es gelingt damit, in den
meisten Fällen die Gültigkeit bzw- Ungültigkeit eines Schlusses (analog, den
logischen Status von Sätzen) in nur einer oder in zumindest nur einigen wenigen Zeilen herauszufinden, auch wenn der fragliche Schluß 10 Aussagevariablen oder mehr enthält. Nur ganz selten, in den sogenannten schlimmsten Fällen
("worst case behavior") kann es vorkommen, dass man genauso viele Zeilen
braucht wie die Wahrheitstafeln - aber solche Fälle sind kaum bekannt, und im
übrigen ist die Frage der geringsten worst case Komplexität sogar im Fall der
Aussagenlogik noch ein ungelöstes Problem  das sogenannte P = NP Problem.
52
5. Aussagenlogische Semantik II: Reductio ad absurdum Methode
Die Reductio ad Absurdum Methode ist zunächst eine generelle Methode, die
nicht nur in der aussagenlogischen Semantik verwendet wird, sondern in anderer Gestalt auch beim deduktiven Beweisen. Ihr Grundgedanke ist der beweis mithilfe der Annahme des Gegenteils:
Um einen Satz S als logisch wahr zu beweisen, nimmt man zunächst das Gegenteil an, also dass möglicherweise S falsch ist, also eine falsche Wahrheitswertzeile hat, und versucht, daraus einen logischen Widerspruch abzuleiten.
Gelingt dies, so ist damit gezeigt, dass S unmöglich falsch sein kann  was
nichts anderes bedeutet, als dass S logisch wahr ist.
Um aus gewissen Prämissen Präm eine Konklusion Kon zu beweisen, nimm
man zunächst an, dass der Schluss möglicherweise ungültig ist, also eine
Wahrheitswertzeile besitze, die alle Prämissen wahr aber die Konklusion
falsch macht, und versucht, daraus einen logischen Widerspruch herzuleiten.
Gelingt dies, so ist damit gezeigt, dass unmöglich alle Prämissen wahr und
Konklusion falsch sein können  was aber nichts anderes bedeutet, als dass der
Schluß logisch gültig ist.
Man nennt solche reductio-ad-absurdum Beweise auch indirekte Beweise, weil
dabei das Beweisziel nicht direkt gefunden bzw. "konstruiert" wird, sondern
nur indirekt gezeigt wird, dass das Gegenteil zu einem Widerspruch führt. Es
handelt sich dabei um eine der wichtigsten Beweismethoden der klassischen
Logik. (Es gibt allerdings auch Logiken, die versuchen, ohne diese Beweismethode auszukommen - die intuitionistische und konstruktivistische Logik.)
Um dieses Verfahren nun für die aussagenlogische Semantik fruchtbar zu machen, benötigen wir eine zweite Methode - wir nennen sie die umgekehrte
Wahrheitswertbestimmung. Die Grundidee ist: um herauszufinden, ob eine
Aussage logisch wahr ist oder nicht, nehmen wir eine Wahrheitseertzeile an,
die die Gesamtaussage falsch macht. Wir versuchen dann, davon ausgehend
die Wahrheitswerte ihrer Teilaussagen zu bestimmen. Im Gegensatz zur Warheitstafelmethode, die von innen nach außen vorgeht, gehen wir hier also jedenfalls zunächst von außen nach innen vor. Wir tragen also unter den charakteristischen Junktor der Gesamtaussage den Wahrheitswert f ein und sehen,
welche Teilaussagen hinsichtlich ihres Wahrheitswertes durch diese Annahme
zwingend determiniert sind. Haben wir eine solche Teilaussage gefunden, so
tragen wir den für sie resultierenden Wahrheitswert unter ihren charakteristi-
53
schen Junktor. Nun sehen wir nach weiteren Teilaussagen, deren Wahrheitswert durch die bisher eingetragenen Wahrheitswerte zwingend festgelegt ist
und tragen diesen wieder an die entsprechende Stelle ein (äußerster Junktor),
usw. Wir gehen schrittweise von außen nach innen, also von komplexeren zu
immer einfacheren Teilaussagen vor. (Dabei können wir noch weitere Bestimmungsschritte vornehmen die gleich erläutert werden.) Wenn wir Glück
haben, kommen wir damit bis zu den einzelnen Aussagevariablen der Gesamtaussage, d.h. die Wahrheitswerte aller Teilaussagen sind durch die Annahme,
dass die Gesamtaussage falsch ist, zwingend bestimmt gewesen. Wir sagen
dann, die entsprechende Zeile ist wahrheitswertdeterminiert. In diesem Fall gilt
nun folgendes:
- Ist in einer wahrheitswertdeterminierten Zeile ein Widerspruch hinsichtlich
der Wahrheitswerte enthalten, so ist die betreffende Gesamtaussage logisch
wahr. Dabei enthält eine Zeile einen Widerspruch hinsichtlich ihrer Wahrheitswerte, wenn entweder ein- und die- selbe Aussagevariable an einer Stelle
w, an einer anderen f erhält, oder wenn der Wahrheitswert einer Teilaussage
mit den Wahrheitswerten der Teilaussagen dieser Teilaussage nicht zusammenstimmt, d.h. im Widerspruch zur Wahrheitstafel des entsprechenden Junktors steht. Wir kennzeichnen Widersprüche jeweils durch einen Kreis - entweder um die Aussagevariablen, oder um den charakteristischen Junktor der entsprechenden Teilaussage, und machen das Widerspruchszeichen
hinzu.
- Erhält man eine Zeile ohne Widerspruch - die eine korrekte bzw. konsistente
Zeile einer Wahrheitstafel bilden würde - so ist die betreffende Gesamtaussage
nicht logisch wahr (denn die Annahme ihrer Falschheit ist logisch möglich).
Wir haben dann sozusagen mit nur einer Zeile Aufwand ein Zeile gefunden,
die die Aussage falsch macht.
- Im Resultat wissen wir, ob die Aussage logisch wahr ist oder nicht. Ist sie
nicht logisch wahr, so ist noch in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Aussage nun kontingent ist oder logisch falsch -- dazu siehe weiter unten. -- Dasselbe Verfahren läßt sich natürlich auch wieder für Aussageschemata durchführen.
Beispiel:
Für die Aussage (p q) ((p  r) q) soll die L-Wahrheit (logische Wahrheit) geprüft werden. Dazu werden zunächst die einzelnen Schritte angeführt:
54
(p q)  ((p  r) q)
Schritt 1
Schritt 2:
Schritt 3:
Schritt 4:
Schritt 5:
w
w
w
w w f
f
f
f
f
f
f
w
f
www f
www f
f
f
f
Annahme
Außen nach Innen 
Außen nach Innen 
Außen nach Innen 
Übertragen: p, q
Im Schritt 5 wurden die Wahrheitswerte von p und q von rechts nach links
übertragen. Die Teilaussage mit eingekreistem Hauptjunktor enthält einen Widerspruch: wenn p w und q f ist, kann p q unmöglich w sein. Daher ist die
Gesamtaussage logisch wahr.
Man beachte, dass die Schritte ab Schritt 3 auch anders hätten gewählt werden
können. Wir hätten zuerst den Wahrheitswert von q übertragen können, und
dann auch die Konjunktion bestimmt. der Widerspruch würde sich dann an anderer Stelle manifestieren. Man sagt auch, die Methode ist "nichtdeterministich". Natürlich bleibt das Ergebnis immer dasselbe, denn die Methode ist
ja korrekt - wenn ein Widerspruch auftritt, dann tritt er immer auf, egal in welcher Reihenfolge die Operationen ausgeführt werden; er kann sich aber an anderer Stelle manifestieren.
Andere Reihenfolge:
(p q)  ((p  r) q)
Schritt 1:
Schritt 2:
Schritt 3:
Schritt 4:
Schritt 5: f
Schritt 6: f
f
w
f
w
f
w
w f
f
w
w f
f
w
w f
f www
f
f f
f f
f f
f f
q übertragen
p links bestimmen
Von außen nach innen: 
Der Widerspruch manifestiert sich nun darin, dass p an den zwei verschiedenen eingekreisten Stellen einen verschiedenen Wahrheitswert erhält.
Wir tragen nun im nächsten Schritt (damit das Verfahren handlich wird) die
ermittelten Wahrheitswerte alle in eine Zeile ein:
w
(p q)  ((p  r) q)
logisch wahr
w f
f
w w w f fbzw.: (p q)  ((p  r) q)
f w f
f
w w w f fAn einem solchen Ergebnis ist zwar nicht mehr unmittelbar ersichtlich, in welcher Reihenfolge vorgegangen wurde, aber das ist kein Nachteil das Verfahren soll ja möglichst schnell sein -- und jedenfalls läßt sich leicht
ermitteln, ob richtig vorgegangen wurde, d.h. ob es einen zwingenden Bestimmungsweg gibt, der zu diesem Ergebnis führt.
Weitere Beispiele:
(---> Übertragung)
55
(p q) (r p)
f w w
f
w f f
nicht logisch wahr
(konsistente Zeile für p = f, q = w, r = w,
die die Aussage falsch macht)
Beachte: Wenn wir eine konsistente Zeile gefunden haben, so ist damit zunächst nur gezeigt, dass die Aussage nicht L-wahr ist. Ob sie nun kontingent
oder L-falsch ist, müssen wir durch eine zweite Anwendung der reductio ad
absurdum Methode herausfinden, und angewandt auf die Annahme die Aussage sei möglicherweise wahr; dies wird weiter unten vorgeführt.
Nächstes Beispiel:
(p q) (p (q  r))
ww f
f
w f
f f f
logisch wahr
Obwohl wir bei dieser Methode insgesamt "von außen nach innen" schließen,
können wir zwischendurch auch andere Schritte vornehmen, z.B. Übertragen,
oder z.B. von innen nach außen schließen. Bzw. allgemeiner, wir "schlachten"
die Wahrheitstafeln in jeder erdenklichen Weise aus. Wir verwenden bei diesem Verfahren folgende semantische Schlußschritte, wobei "A", "B" für Aussagevariablen oder für komplexe Teilformeln stehen:
1) Von außen nach innen. Das können wir in folgenden Fällen tun:
A B
A  B
A B
A
B
f
f
w
w
f
w
f
f
f
w
w
f
w
Wenn dagegen eine Implikation wahr, eine Disjunktion wahr, oder eine Konjunktion falsch ist, können wir nicht von außen nach innen schließen.2) Wahrheitswert von Variablen oder komplexen Teilaussagen übertragen(.... A ..(
....... A ........))..
w
....... w
....
w
....3.1) Von
innen nach außen schließen, wenn die Teilaussagen einer nächstkomplexeren
Teilaussage bereits bestimmt wurden. Das geht immer, gemäß den Wahrheitstafeln.
3.2) Abgekürzung von 3.1: Von einer Teilaussage zur übergeordneten Teilaussage schließen ohne den Wert der anderen Teilaussage zu kennen. Das funktioniert gemäß der "Vereinfachungen innerhalb einer Zeile", die wir bei der
Wahrheitstafelmethode besprochen haben. Hier zwei Beispiele:
(p q)

p
logisch wahr,
56
w f
f
f w
Widerspruch tritt auf, gleich welchen Wahrheitswert q hat
p  (p  r)
nicht logisch wahr,
w f
fw f
konsistente Zeile, gleichl welchen Wahrheitswert r hat4)
Von einer Teilaussage und der übergeordneten (Teil-)Aussage auf die andere
Teilaussage. p q
p q p  q
p q
ww
w f f w
w f
w w w
f w f f w w
w f f (Implizit machen wir in diesen semantischen Schlüssen von allen aussagenlogischen Regeln Gebrauch, die wir im
Kapitel über deduktive Methode kennenlernen werden; z.B. in 5) liegt von
links nach rechts Modus Ponens, Modus Tollens, Disjunktiver Syllogismus
und kontraponierte Simplifikation vor.)
Wir wenden das Verfahren auch auf Äquivalenzformeln wie A  B an (s.
Übungen). Hier kann man von außen nach innen gar nichts erschließen.
Haben wir für eine Aussage herausgefunden, dass sie nicht L-wahr ist, so kann
sie kontingent oder L-falsch sein. Um mit unserem Verfahren zu prüfen, ob sie
L-falsch ist, setzen wir die Gesamtaussage per Annahme wahr und wenden
dann dasselbe Verfahren an. Erhalten wir eine konsistente Zeile, so ist die
Aussage nicht L-falsch, und daher kontingent, weil sie ja vorher als nicht Lwahr erwiesen wurde. Sind alle Zeilen widersprüchlich, so ist sie L- falsch.
57
Beispiel:
p p
logisch falsch
w w w fWenn wir dieses Verfahren auf die obigen Aussage " (p q) (r p)" anwenden, so erhalten wir
leider eine Zeilenaufspaltung, was wir weiter unten besprechen.
Zunächst zeigen wir, wie wir mit diesem Verfahren die Gültigkeit von
Schlüssen herauszufinden: Wir setzen wir per Annahme alle Prämissen wahr
und die Conclusio falsch und wenden dasselbe Verfahren an. Erhalten wir einen Widerspruch, so ist der Schluß gültig. Entsteht eine konsistente Zeile, so
ist der Schluß ungültig.Beispiele:
p, p q . . . q
gültig
(Modus Ponens) w w w f
f p  q, p . . . q
gültig
(Disjunktiver Syllogismus)
f w f
w f
f
q, p q . . . p
ungültig
w f w w
f
konsistente Zeile: p = f und q = wBeispiele mit bis z u 10 Aussagevariablen finden sich in den Übungen.
Zeilenaufspaltung:Das bisher besprochene Verfahren funktioniert nur, wenn die Zeile wahrheitsdeterminiert
ist, d.h. wenn wir von außen nach innen vorgehend letztlich alle relevanten
Wahrheitswerte zwingend ermitteln können. Da ist nicht immer der Fall. Wir
können bei diesem Verfahren auch an einen Punkt gelangen, wo der Wahrheitswert keiner weiteren Teilaussage mehr durch die bisher ermittelten Wahrheitswerte determiniert ist. In diesem Fall müssen wir eine sogenannte Zeilenaufspaltung vornehmen. Dabei gehen wir so vor:
1) Wir nehmen für irgendeine noch nicht bestimmte Teilaussage oder Aussagevariable einmal den Wahrheitswert w, das andere Mal, in einer zweiten neu
geschaffenen Zeile, den Wahrheitswert f an.  Welche Teilaussage wir aufspalten, ist nicht vorgeschrieben und bestimmt sich nur durch heuristische
Überlegungen; alle Wege zum Ziel, benötigen aber unterschiedliche viel AUfwand.
2) Wir übertragen sofort die bisher in der ersten Zeile ermittelten Wahrheitswerte auch in die zweite Zeile. (Denn diese Werte galten ja zwingend, und somit für beide Zeilen). 3) Um die Stelle, wo wir die Aufspaltung durchführten,
kenntlich zu machen, versehen wir den Wahrheitswert, den wir aufspalteten, in
beiden Zeilen mit einem Index, beginnend mit "1". (Zeilenaufspaltungen können iteriert auftreten).4) Wir fahren dann mit unserer "von außen nach innen"Bestimmungsmethode für jede der durch Aufspaltung gewonnenen Zeilen fort,
solange bis wir entweder "am Ende" sind, oder erneut nichts mehr bestimmen
können. In letzterem Fall müssen wir diese Zeile erneut in zwei aufspalten.
Zwei Aufspaltungen führen also zu drei Zeilen, drei zu vier, jede Aufspaltung
bringt eine Zeile mehr.5) Eine Aussage ist durch dieses Verfahren als logisch
58
wahr erwiesen, wenn alle Zeilen, die auf diese Weise erzeugt wurden, zu einem Widerspruch geführt haben. Denn die Zeilen sind ja sozusagen logisch
mögliche Oder-Verknüpfungen von semantischen Wahrheitswertzuordnungen.
Nur wenn alle diese Möglichkeiten scheitern, also zu einem Widerspruch führen, ist die Aussage als logisch wahr erwiesen. Sobald wir jedoch eine vollständig bestimmte konsistente Zeile gefunden haben, wissen wir, dass die Aussage nicht logisch wahr ist, und können da Verfahren abbrechen. 6) "Das Ende" ist wie folgt erreicht. Entweder wir erreichen bei dem Verfahren eine vollständig bestimmte Zeile, die konsistent ist. Dann ist die Aussage nicht logisch
wahr. Bzw. wenn wir auf L-Falschheit prüfen, nicht logisch falsch, und wenn
wir auf Gültigkeit prüfen, ist der Schluß nicht gültig. Oder, wir müssen das
Verfahren solange weiterführen, bis alle Zeilen, die durch Aufspaltung entstanden sind, einen Widerspruch enthalten (was meistens erst dann sichtbar
wird, wenn sie vollständig bestimmt sind, manchmal aber schon vorher). Dann
ist die Aussage logisch wahr.
Und analoges gilt für die Prüfung auf L-Falschheit bzw. auf Gültigkeit. Haben
wir eine Zeile, die den Schluss widerlegt, dann ist der Schluss ungültig; enthält
dagegen jede durch Aufspaltung erzeugte Zeile einen Widerspruch, ist der
Schluss gültig.
Beispiele:A B, B C, C  A . . . (C B)  (B A)
gültig
w1 w w
f1 w f
w w w
f w f
w w w
f w f
w w w
f w f
f
f
w w w
f w f
Vollständig Ermittlung des logischen Status einer kontingenten Aussage:
(p q) (p  q)
nicht logisch wahr
w1 w f f w f f
konsistente Zeile erreicht, Verfahren wird abgebrochen
f1 w
f
f
(p q) (p  q)
w1 w w w w w w
f1
w
nicht logisch falsch
konsistente Zeile, Verfahren wird abgebrochen
Ergo: (p q) (p  q) ist kontingent.
Im schlimmsten Fall kann die Zeilenaufspaltung zu vielen Zeilen führen, wie
in der Wahrheitstafel vorkommen; das tritt jedoch nur ganz selten auf (es ist
nur eine theoretische Möglichkeit, hier der sich das P ? NP Problem verbirgt).
Weitere Beispiele in den Übungen.
59
Hinweis:
Weitere optionale Klammerersparnis regel:
 und  bindet vor  und .
pq  rist also zu lesen als (pq) r , und nicht als p(qr)
Analog ist pq  rzu lesen als (pq) r , und nicht als p(qr)
Analog, pq  rs zu lesen als (pq)  (rs)
Diese Klammerersparnisregel ist in der Literatur üblich
Wir werden sie im folgenden nicht bzw. nur selten verwenden.
Beim Zeichnen von Konstruktionsbäumen verwenden wir sie niemals.
60
6. Repräsentierung natürlichsprachiger Sätze und Argumente
6.1 Arten natürlichsprachiger Sätze und *Arten und Rekonstruktionstiefe von
Logiken
Nicht alle Sätze (der natürlichen Sprache) drücken überhaupt Aussagen aus,
sondern nur Aussagesätze (meist Indikativsätze). Fragesätze: "Liebt Peter Anna?" oder Befehlssätze: "Peter, jetzt liebe sofort Anna!" etc. drücken keine
Aussagen aus. Philosophisch gesehen ist es Kennzeichen von Aussagen, wahr
oder falsch sein zu können.
Die Menge aller Aussagen der natürlichen Sprache läßt sich nach logischen
Kriterien gemäß Kap. 1.4 dann weiter wie folgt einteilen. Damit ergeben sich
zugleich die 4 Logikarten, unterschieden nach Rekonstruktionstiefe. Es stehe:
AL - für (nichtmodale) Aussagenlogik
PL - für (nichtmodale) Prädikatenlogik
MAL - für modale Aussagenlogik
MPL - für modale Prädikatenlogik
Eine Aussage heißt AL-zerlegbar, wenn ihr äußerster Operator ein ALKonnektiv ist, PL-zerlegbar, wenn ihr äußerster Operator ein Quantor ist oder
wenn sie atomar ist, MAL-zerlegbar, wenn ihr äußerster Operator ein intensionaler Satzoperator ist.
61
Sätze im weiten Sinn
Befehlssätze
Sätze im engen Sinn
= Aussagen
AL-unzerlegbar =
warheitswertfunktional
unzerlegbar
Fragesätze
....
AL -zerlegbar
= wahrheitswertfunktional
zerlegbar
behandelt die AL
nach dem charakteristischen Junktor:
Nega- Konjunk- Disjunk- Implikationen tionen
tionen tionen
MAL-zerlegbar =
Intensional zerlegbar
notwendig
möglich 
geboten O
erlaubt P
behandelt die:
alethische
MAL/MPL
deontische
MAL/MPL
PL-zerlegbar =
Quantifiziert
weder MAL- noch
PL-zerlegbar
Existenzquantor x
Allquantor x
Atomare Aussagen
Rna1...an
...
PL
Diese 4 Logikarten werden von oben nach unten immer feiner in ihrer Rekonstruktionstiefe. Natürlich kann man auch Aussagen einer feinerer Logik X in
einer gröberen Logiken Y repräsentieren, indem man für die Y-unzerlegbaren
Teilaussagen von X Variable setzt.
62
Beispiele: ('wie links' meint 'wie auf der linken Seite stehend)
Rekonstruktion in:
AL MAL PL
MPL
nur AL-zerlegbar:  p q
wie links ....
MAL-zerlegbar: (p q)
p
wie links .....
PL-zerlegbar: x(Fx Gx)
p
p
wie links .....
unzerlegbar:
Fa
p
p
wie links ....
AL-zerlegbar: p  q
r q wie links r q wie links
MAL-zerlegbar: x(FxGx)
p
p
p
wie links
PL-zerlegbar: x (FxGx)
p
p
xQx
wie links
Wir rekonstruieren im folgenden natursprachliche Sätze nur innerhalb der ALRekonstruktionstiefe, d.h. für alle AL-unzerlegbaren Sätze setzen wie eine
Aussagenvariable. Im Kapitel über PL rekonstruieren wir bis in die PLRekonstruktionstiefe. MAL- und MPL-Rekonstruktionen sind Gegenstand von
Spezialvorlesungen.
6.2 Repräsentierung in der Aussagenlogik
Die Übersetzung von der natürlichen Sprache in die logische Sprache ist durch
keinen mechanischen Algorithmus darstellbar (wenn, wäre dieser ungeheuer
kompliziert), sondern bedarf der Interpretation. Nur die umgekehrte Übersetzung von der logischen in die natürliche Sprache ist mechanisch darstellbar
(wenn man erlaubt, dass man gewisse Kunstworte in die natürliche Sprache
einführt).
Wenn man nun einen Satz der natürlichen Sprache aussagenlogisch repräsentieren will, muß man herausfinden, welche Satzbestandteile elementar (= aussagenlogisch unzerlegbar) sind und welche Worte bzw. Phrasen aussagenlogischen Junktoren entsprechen. Dann braucht man nur noch die elementaren
Satzbestandteile durch Aussagevariable und die Junktorphrasen durch Junktoren zu ersetzen und hat somit die aussagenlogische Repräsentierung.
Die Übersetzung der elementaren (Al-unzerlegbaren) natursprachlichen Sätze
geben wir durch eine Übersetzungslegende wieder, etwa:
p - Peter fiel hin
q - Peter brach sich das Bein,
usw.
Bei der Beurteilung, ob ein natursprachliches Verknüpfungswort (wie "wenn",
"ob- wohl", "sogleich", "mithilfe" - welcher grammatikalischen Kategorie auch
immer) einem aussagenlogischen Junktor entspricht, können wir drei Fälle un-
63
terscheiden:
 1. Das natursprachliche Verknüpfungswort entspricht genau einem Junktor,
d.h. hat keine zusätzliche sachliche Bedeutung (unterschwellige Bedeutungen
wie ironisierender Tonfall etc. wollen wir nicht berücksichtigen).
 2. Das natursprachliche Verknüpfungswort entspricht einem Junktor, hat
oer impliziert aber darüberhinaus eine Zusatzbedeutung, die durch einen aussagenlogischen Junktor nicht wiedergegeben werden kann. D.h. der Junktor ist
nur Teilbedeutung des natursprachlichen Verknüpfungswortes. In diesem Fall
merken wir die Zusatzbedeutung durch einen Extravermerk an.
3. Das natursprachliche Verknüpfungswort entspricht keinem Junktor, d.h. der
betreffende Satz bzw. Satzteil ist als aussagenlogisch unzerlegbar anzusehen.
Beispiele:
Für 1: Ich bin nicht gesund
"nicht" entspricht genau ""
Für 2: Ich fiel hin und brach mir das Bein
"und" enthält "" als Teilbedeutung, der Kausalzusammenhang zwischen
dem ersten und dem zweiten Teilsatz ist eine zusätzliche Bedeutung des "und".
Für 3: Er rief, damit sie ihn hören
"damit" entspricht keinem Junktor, sondern drückt bloß die Zweckbeziehung der beiden Teilsachverhalte aus.
Im folgenden werden die wichtigsten natursprachlichen Verknüpfungswörter/ phrasen zusammengestellt, die aussagenlogischen Junktoren ganz oder teilweise entsprechen. Die Aufzählung ist natürlich nicht erschöpfend.
Natursprachliche Ausdrücke für die Negation:
Wird meist ausgedrückt durch die Wörter:
"nicht", "nie", "niemals", "kein"
die Redewendungen:
"Es ist nicht der Fall, dass...", "Es ist nicht so ...", "Auf keinen Fall ..."
sowie die Vorsilbe
"Un-"
(Zu "(Weder)-noch" vgl. unten). Beispiele:
Francis Bacon ist nicht der Autor der Shakespeare-Dramen
Auf keinen Fall ist Francis Bacon der Autor der Shakespeare-Dramen
Niemals ist Francis Bacon der Autor der Shakespeare-Dramen
Es ist nicht so, dass Francis Bacon der Autor der Shakespeare-Dramen ist
Alle diese Phrasen entsprechen der Negation genau. "Nie" und "Niemals" entspricht allerdings häufig auch der Negation eines Existenzsatzes.
64
Man beachte nämlich den Unterschied zwischen den beiden Sätzen:
1) Fritz geht nicht ins Kino
2) Fritz geht niemals ins Kino
1) bedeutet "es ist nicht der Fall, dass Fritz ins Kino geht" oder "p" mit "p""Fritz geht ins Kino"
2) bedeutet "es ist nicht der Fall, dass es einen Zeitpunkt gibt, zu dem Fritz ins
Kino geht" oder "q" mit "q"- "es gibt einen Zeitpunkt, zu dem Fritz ins Kino
geht", wobei "q" prädikatenlogisch die Form "tGat" besitzt.
Weiters: In "nicht nur" und "nicht allein" drückt das Wort "nicht" in der Regel
keine Negation aus! (Vgl. unten).
Vorsicht auch bei der Vorsilbe "Un-":
Dieser Mensch ist ein Unmensch - hier ist dies nicht die Negation von "ist
Mensch". Bei "unmöglich" dagegen ist "un" genau die Negation.
Es herrscht ein Ungewitter
("Un-" als Verstärkung).
"Un" muss nicht immer etwas Schlechtes bedeuten: z.B. "er ist unfehlbar".
Natursprachliche Ausdrücke für die Konjunktion:
Wird ausgedrückt durch
und:
Fritz und Franz sind intelligent
Vorsicht: nicht immer ist "und" eine aussagenlogische Konjunktion. In folgendem Beispiel verbinden "und" die beiden Argumente eines zweistelligen prädikates:
Fritz und Franz sind Brüder .
AL-Repräsentierung durch: p
(also Al-unzerlegbar
Sowohl Fritz als auch Franz sind intelligent
Beethoven komponierte 9 Sinfonien, auch die
Musik zu "Fidelio" stammt von ihm
Beisätze:
Newton, der Begründer der klassischen Mechanik,
entwickelte die Differentialrechnung
kann man auch wie folgt formulieren:
Newton ist der Begründer der klassischen
Mechanik und er entwickelte die
Differentialrechnung
Gleiches gilt, wenn der Beisatz durch Bindestriche oder Klammern
gekennzeichnet ist, z.B.:
Erastosthenes (276-194 v.Chr.) berechnete den
Erdumfang
sowohl-als auch:
auch:
65
E.T.A. Hoffmann - er schrieb auch die Musik zur
Oper "Undine" - verfaßte zahlreiche Erzählungen
Adjektive: Sie entsprechen ebenfalls oft (nicht immer) einfachen Konjunktionen. Z.B.
Der schöne Udo fiel hin
kann wiedergegeben werden durch:
Udo ist schön und Udo fiel hin.
Wie schon erwähnt, kann das "und" auch eine Zusatzbedeutung haben. Generell kann die Bedeutung natursprachlicher Worte von Kontext zu Kontext variieren, sodass man keine allgemeingültigen Zuordnungen treffen kann, sondern
jeweils auf den Satzkontext/Sprachkontext achten muß.
Folgende Worte haben neben der Konjunktion noch eine Zusatzbedeutung:
OBWOHL: Der Satz
Die Römer wurden in der Schlacht von Cannae geschlagen,
obwohl sie dem Feind zahlenmäßig überlegen waren
enthält als Teilbedeutung die Konjunktion
pq
mit:
p - Die Römer wurden in der Schlacht von Cannae geschlagen
q - die Römer waren (in der Schlacht von Cannae) dem Feind zahlenmäßig
überlegen.
Die Zusatzbedeutung drückt aus, dass p durch q eigentlich unwahrscheinlich
gemacht wird.
SOGAR: Der Satz
Die Türken eroberten die ganze Balkanhalbinsel, sogar Wien wurde
belagert
enthält als Teilbedeutung
pq
mit
p - die Türken eroberten die ganze Balkanhalbinsel
q - Wien wurde belagert.
Die Zusatzbedeutung ist, dass q an und für sich unwahrscheinlich (selten) ist,
oder zumindest unwahrscheinlicher als p.
NICHT NUR - (SONDERN) AUCH: Der Satz
Nicht nur die Planeten, auch die Fixsterne bewegen sich am Himmel
enthält die Teilbedeutung
pq
mit der entsprechenden Legende für p und q.
66
Die Zusatzbedeutung legt die Betonung auf q, sie ist hier stark bezogen auf Erwartungen des Hörers.
WEIL:
"p weil q"
- enthält als Teilbedeutung
"p und q"
und hat die offensichtliche Zusatzbedeutung des kausalen Zusammenhangs.
Hier ist die Zusatzbedeutung fast wichtiger als die AL-Bedeutung, weshalb die
Rekonstruktion als "pq" auch als nicht mehr wirklich adequat angezweifelt
werden kann. (Von "Zusatzbedeutung" zu reden ist nur sinnvoll, wenn die
Grundbedeutung die wichtigere ist.)
ABER: Der Satz
Im Tal ist es nebelig, aber auf den Bergen scheint die Sonne
pq
mit entsprechender Legende
Zusatzbedeutung: gewisser Gegensatz zwischen p und q
WÄHREND: Der Satz
Während es nur eine gerade Primzahl gibt, gibt es unendlich
viele ungerade
pq
Zusatzbedeutung: stellt p und q in einen gewissen Gegensatz.
Man beachte jedoch: In dem Satz
Während Emma im Kino saß, plünderte ein Einbrecher ihre Wohnung
ist das "während" zeitlich zu interpretieren als
Es gibt eine Zeit, in der Emma im Kino saß und in der ein
Einbrecher ihre Wohnung plünderte.
Diese Aussage ist somit AL-unzerlegbar.
(Vorgriff: Die PL-Form ist dieser Aussage ist: t y(Kat  Eyat)
mit Kxt - x sitzt zur Zeit t im Kino, a - Emma, und
Eyxt - y ist ein Einbrecher, der zur Zeit t x's Wohnung plündert. )
Natursprachliche Ausdrücke für die Disjunktion:
Sie wird häufig durch "oder" ausgedrückt. Meistens ist aber damit ein "entweder - oder" gemeint. Das "entweder - oder" enthält das logische "" als Teilbedeutung. Die Zusatzbedeutung ist hier aber aussagenlogischer Natur: "entweder p oder q" bedeutet "p  q und (p  q)".
67
Die Disjunktion wird ferner ausgedrückt durch:
AUSSER WENN: Der Satz
Unser Hund Cäsar ist brav, außer wenn er angegriffen wird
bedeutet
Unser Hund Cäsar ist brav, oder (aber) er wird angegriffen
Einfache Wiedergabe: pq
Das "oder" ist hier aber wieder als "entweder - oder" gemeint. D.h. mit dem
Satz möchte ich auch ausdrücken, dass der Hund nicht brav ist, wenn er angegriffen wird. Vollständige Wiedergabe: p  q, also (p  q)  (p  q).
Es gibt eine alternative Rekonstruktion: man liest den Satz als Implikation
Wenn er nicht angegriffen wird, ist unser Hund Cäsar brav
qp
Ist logisch äquivalent mit pq
Zur Wiedergabe der exklusiven Disjunktion mithilfe der Implikation hängt
man die anderen Impliationsrichtung (Wenn er brav ist, wird unser Hund Cäsar
nicht angegriffen, pq), somit: pq
ES SEI DENN, DASS: Der Satz
Morgen wird es regnen, es sei denn, dass Föhn kommt
bedeutet
Morgen wird es regnen, oder (aber) der Föhn kommt
und ist wie oben (eher) ausschließend (als entweder - oder) gemeint.
Natursprachliche Ausdrücke für die Implikation:
Alle Verknüpfungswörter für die Implikation haben als zusätzliche Bedeutung,
dass ein inhaltlicher, kausaler oder begründender Wenn-Dann-Zusammenhang
gemeint ist (vgl. Kap. 2).
WENN - DANN: ist sehr häufig
Man beachte, dass das wenn-dann in der natürlichen Sprache mehrfach verstellbar ist,
wenn A, dann B ist gleichbedeutend mit
Logisch immer: AB
wenn A, B
(dann weglassen)
B, wenn A
(umstellen)
B dann, wenn A
SOFERN: Der Satz
Sofern die Relativitätstheorie stimmt, wird Licht im Schwerefeld
abgelenkt
bedeutet
Wenn die Relativitätstheorie stimmt, wird Licht im Schwerefeld
68
abgelenkt
d.h. p q, mit den Übersetzungen
p - die Relativitätstheorie stimmt
q - Licht wird im Schwerefeld abgelenkt.
IM FALL DASS: Der Satz
Im Fall dass die Relativitätstheorie stimmt, wird Licht im
Schwerefeld abgelenkt
bedeutet
Wenn die Relativitätstheorie stimmt, wird Licht im Schwerefeld
abgelenkt
Analog für: Vorausgesetzt dass
NUR WENN:
Nur wenn es kalt ist, dann schneit es
oder verkürzt / umgestellt
Nur wenn es kalt ist, schneit es
Es schneit nur dann, wenn es kalt ist
Es schneit nur, wenn es kalt ist
bedeutet immer soviel wie:
Wenn es schneit, ist es kalt - d.h. dann muß es notwendigerweise kalt sein.
Das "nur wenn" ist also eine umgekehrte Implikation.
"Nur wenn A, dann B" resp.
bedeutet somit:
"Wenn B, dann A".
Merke: Sowohl im Wenn-Dann wie im Nur-wenn-dann wird auf zeitliche Reihenfolge oder kausale Folge keine Rücksicht genommen. Dies gilt insbesondere für das Nur-wenn-dann.
Zwar ist im Satz "es schneit nur dann, wenn es kalt ist" die Kälte die Ursache
des Schneiens, aber es handelt sich um keine hinreichende Ursache, sodass
auch gelten würde "immer wenn es kalt ist, schneit es". Die Ursache ist nur
"notwendig", d.h. wenn es schneit, dann muß es - als notwendige Voraussetzung - kalt gewesen sein.
Notwendige und hinreichende Bedingung:
Statt "wenn A, dann B" sagt man auch
"A ist eine hinreichende Bedingung für B".
Statt "nur wenn A, dann B" (resp. "wenn B, dann A") sagt man auch
"A ist eine notwendige Bedingung für B".
69
Zusammengesetzte Junktoren:
Genau dann, wenn
Dann und nur dann, wenn
notwendige und hinreichende Bedingung
entsprechen alle der Äquiovalenz: 
(p  q) = (per def.) (p q)  (q p)
Ein besonderer Fall ist das "auch wenn"
"p auch wenn q"
heißt soviel wie
"p"
mit der Zusatzbedeutung
"p ist im Falle q unwahrscheinlicher als im Falle q"
70
Zusammenstellung einiger umgangssprachlicher Ausdrücke für Junktoren:
(mit oder ohne Zusatzbedeutung - dies ist meist kontextabhängig)
_______________________________________________________________________
NEGATION: ( Q)
nicht Q nie Q
niemals Q kein Q keineswegs Q
Un-Q
Auf keinen Fall Q
Es ist nicht der Fall, dass Q
Es ist nicht so, (dass) Q
_________________________________________________________________________
KONJUNKTION: (Q  R)
Q und R
Q, aber (auch) R Q weil R
Q, jedoch (auch) R
Q, auch R
Q während R
Q obwohl R
Q, doch (schon) R
sowohl Q als auch R
Q, sogar R
Q obzwar R Q, doch immerhin R
Nicht nur Q, (sondern) auch R
Nicht allein Q, (sondern) auch R
_________________________________________________________________________
DISJUNKTION: (Q  R) (bzw. Entweder - Oder: Q  R)
Q oder R
Q, es sei denn, dass R
Q oder R oder beides
Q, außer wenn R
__________________________________________________________________________
IMPLIKATION. (Q R)
Wenn Q, (dann) R
Wenn Q, so R
R falls Q
Q nur wenn R
Aus Q folgt, dass R
R sofern Q
R im Fall dass Q
Ist Q der Fall, so (auch) R
Q nur sofern R
R vorausgesetzt, dass Q
Q impliziert, dass R
Q nur im Fall, dass R
Q ist eine hinreichende Bedingung für R
R ist eine notwendige Bedingung fürQ
Man beachte jeweils die Reihenfolge von Q und R!
__________________________________________________________________________
ÄQUIVALENZ: ((Q R)  (R Q))
(Q  R)
Q genau dann, wenn R
Q dann und nur dann, wenn R
Q ist eine notwendige und hinreichende Bedingung für R
__________________________________________________________________________
71
Repräsentierung von Argumenten:
Will man Argumente bzw. Schlüsse der natürlichen Sprache repräsentieren, so
muß man neben der Repräsentierung der Aussagen, aus denen die Schlüsse bestehen, noch herausfinden, was die Prämissen sind, und was die Conclusio ist.
Keineswegs muß in einem natursprachlichen Text eine Prämisse immer vor der
Conclusio angeführt sein. Jedoch deuten gewisse natursprachliche Wörter
meist klar an, was Prämisse und was Conclusio ist. Manchmal ist dies aber nur
aus der Stellung eines Satzes im Text ersichtlich.
Prämissen-Indikatoren:
denn, da, weil, insofern als, (nämlich, man bedenke hierzu), ...
Konklusions-Indikatoren:
also, daher, demnach, somit, deshalb, wir schließen (folgern)
hieraus, es folgt hieraus, aus diesem Grunde, ...
Beispiel: Peter fährt Fahrrad. Daher ist Peter gesund. Denn wenn Peter nicht
gesund ist, fährt er nicht Fahrrad.
Die zweite Prämisse wird hier erst nach der Konklusion nachgetragen
Rekonstruktion:
Prämisse 1:
Peter fährt Fahrrad
Prämisse 2:
Wenn Peter krank ist, dann fährt er nicht Fahrrad
Konklusion:
Peter ist gesund
Legende:
p - Peter fährt Fahrrad
q - Peter ist gesund
p
q p
q
Hat man ein Argument - z.B. eines alltagssprachlichen oder philosophischen
Texts - repräsentiert und gefunden, dass es ungültig ist, so darf man nicht
gleich schließen, dass der betreffende Autor (des Texts) sich logisch geirrt hat.
Man muß sich zunächst überlegen, ob der Autor nicht gewisse weitere, unausgesprochene Prämissen als selbstverständlich vorausgesetzt hat, bei deren
Mitberück- sichtigung der Schluß logisch gültig wird. Das Herausfinden von
nicht explizit erwähnten Prämissen ist Bestandteil der logischen Textanalyse.
(Beispiel: "Der Bauer lebt nicht mehr, denn er ist letztes Jahr gestorben", usw.)
(Abschließendes Beispiel: Kriminalrätsel Üb. S. 152).
72
7. Wichtige aussagenlogische Schlüsse, Theoreme und Metatheoreme
Gültige Schlüsse:
Die folgenden gültigen Schlüsse werden Basisregeln unseres deduktiven Systems sein (';' trennt Schlüsse):
(MP) A B, A . . . B
(MT) A B, B . . . A
(DS) A  B, A . . . B ;
A  B, B . . . A
(ADD) A . . . A  B ; A . . . B A
Modus Ponens
Modus Tollens
Disjunktiver Syllogismus (2 Formen)
Addition (2 Formen)
(SIMP) A  B . . . A ; A  B . . . B
(KON) A, B . . . A  B
Simplifikation (2 Formen)
(DN) A . . . A ;
Doppelte Negation (2 Formen)
A . . . A
Konjunktion
Weitere wichtige gültige Schlüsse  die folgenden gültigen Schlüsse werden
abgeleitete Schlüsse unseres deduktiven Systems sein:
Die Implikation betreffend:
Name(n) der Schlüsse
A B, B C . . . A C
Hypothetischer Syllogismus,
Transitivität der , "Kettenschluss"
(A (B C)) ((A B) (A C))
"Dreierschluß"
A B, C D, A  C . . . B  D
konstruktives Dilemma
A B, C D, B  D . . . A  C
A C, B C . . . (A  B) C
A B, A C . . . A (B  C)
A (B C) . . . (A  B) C
(A  B) C . . . A (B C)
A B . . . (A  C) B
A B . . . A (B  C)
A B . . . ((A  C) (B  C))
A B . . . (A  C) (B  C)
destruktives Dilemma
-Einführung im Antecedens
-Einführung im Konsequens
Importation
Exportation
Prämissenverstärkung. Monotonie
Abschwächung der Conclusion
73
Triviale oder irrelevante Schlüsse:
A...A
Triviales Argument
A . . . A B
B . . . A B
Ex Falso quodlibet, materiale Version
A  A . . . B
A . . . B  B
Ex Falso quodlibet, logische Version
Verum ex quodlibet, materiale Version
Verum ex quodlibet, logische Version
Einige wichtige logisch wahre Aussagen (sogenannte "Theoreme"):
Alle obigen Schlüsse ergeben L-Wahrheiten, wenn man ". . . " durch "" ersetzt und die Prämissen mit einer Konjunktion verbindet. Dies ist der Inhalt
des Metatheorems des KB, konjunktive Version (s. unten).
Weitere spezielle L-Wahrheiten:
A A
(A  A)
((A B) A) A
Tertium non datur
Ausgeschlossener Widerspruch
Peirce'sche Formel
74
Äquivalenztheoreme (für logisch äquivalente Umformungen besonders wichtig):
Die folgenden L-Wahrheiten fungieren als Basisäquivalenzen im Kalkül der
äquivalenten Umformung  Achtung: dieser Kalkül wird erst in "Logik II" behandwelt. Im System es natürlichen Schließens S, das in "Logik 1" behandelt
wird, dürfen diese Äquivalenzen nicht vorausgesetzt werden, sie müssen bewiesen werden:
Beachte:  bindet hier vor  und
(DN)
(Komm)
(Komm)
(Ass)
(Ass)
(Idem)
(Idem)
(Distr)
(Distr)
(DM)
(DM)
(Def)
(Def)
(Taut)
(Kont)
(Abs)
(Abs)
A  A
Doppelte Negation
AB  BA
Kommutativität der 
AB BA
Kommutativität der 
A  (B  C)  (A  B)  C
Assoziativität der 
A  (B  C)  (A  B)  C
Assoziativität der 
A  AA
Idempotenz der 
A AA
Idempotenz der 
A  (B  C)  (A  B)  A  C)
Distributivgesetz 1
A  (B  C)  (A  B)  (A  C)
Distributivgesetz 2
(A  B)  A  B
DeMorgan-Gesetz 1
(A  B)  A  B
DeMorgan-Gesetz 2
(A B)  A  B
Bedeutung 
(A  B)  (A B)  (B A)
Def 
A  (B  B)  A
Überflüssige Tautologie
Überflüss. Kontradiktion
A  (B  B)  A
A  (A  B)  A
-Absorption
A  (A  B)  A
-Absorption
Abgeleitete Äquivalenzen:
(A B)  (B A)
(A B)  A  B
(A  B)  (B  A)
(A  B)  (A  B)  (A  B)
Kontraposition
Falsifikation
Komm
Weitere lernen wir in den Übungen und Kap. 8. 3 kennen.
75
Optionale Klammerersparnisregeln, die man häufig in der Literatur findet:
(a) Die Klammern innerhalb geschachtelter Konjunktionen bzw. Disjunktionen
werden weggelassen - wegen der Assoziativität von  und .
Wir schreiben
(A  B  C)
statt (A  B)  C oder A  (B  C)
Wir schreiben
(A  B  C)
statt (A  B)  C oder A  (B  C).
Dies bringt uns zum Begriff der fortlaufenden n-stelligen Konjunktion und
Disjunktion.
Wegen der Kommutativität von  und  können wir fortlaufende Konjunktionen und Disjunktionen sogar über Mengen von Sätzen definieren - bei Mengen kommt es auch auf die Reihenfolge nicht an.
Beachte: ist weder assoziativ noch kommutativ.
(b)  und  sollen stärker binden als .
D.h. wir schreiben
A B  C
statt A (B  C),
A B  C
statt A (B  C),
A  B C
statt (A  B) C,
usw.
Gültige bzw. gültigkeitserhaltende Metaregeln (Metatheoreme):
Logische Metaregeln (Metatheoreme) sagen etwas Generelleres aus als die LWahrheit eines einzelnen Satzes oder die L-Gültigkeit eines einzelnen Schlusses. Meistens aber haben sie folgende Form: wenn dies und dies ein gültiges
Schlußschema ist, so ist auch jenes und jenes ein gültiges Schlußschema. Die
Nützlichkeit von Metatheoremen ist evident: man kann mit ihnen neue gültige
Schlüsse aufgrund bereits bekannter alter gültiger Schlüsse finden, ohne die
semantischen Methoden extra anwenden zu müssen.
Die folgenden drei Metatheoreme werden als grundlegende Metaregeln unseres deduktiven Systems fungieren:
76
(KB): Ist P1, ..., Pn . . . C ist ein gültiger Schluß, dann ist auch
P , ..., Pn-1 . . . P  C ein gültiger Schluß. (Konditionalbeweis)
1
n
Die umgekehrte Richtung gilt ebenfalls - schon aufgrund des Modus Ponens.
Spezialfall von für n = 1:
A . . . B ist ein gültiger Schluß gdw A B logisch wahr ist.
"Konjunktive Version" des KB:
P1, ..., Pn . . . C ist ein gültiger Schluß gdw P1  ...  Pn . . . C logisch wahr ist.
Generell kann man logisch wahre Sätze als Schlüsse mit leerer Prämissenmenge auffassen.  = leere Menge.
A ist logisch wahr g.d.w.  . . . A.
Die Beweise für Metatheoreme wie (M1) sind ebenfalls metasprachlich formuliert - sogenannte metalogische Beweise. Sie beruhen nicht mehr auf einzelnen Wahrheitstafeln, sondern auf Betrachtungen über allgemeine Eigenschaften von Wahrheitstafeln bzw. deren semantischen Eigenschaften. Oft werden
solche Beweise durch sogenannte mathematische Induktion über den
Formelaufbau geführt, oder durch mathematische Induktion über einen anderen diskreten Parameter. Darauf wird in Spezialvorlesungen eingegangen.
Der Beweis für (KB) ist denkbar einfach. Angenommen, P , ..., P . . . C ist
1
n
gültig, d.h. es gibt keine Zeile, die alle Prämissen P1, ..., Pn wahr, und C falsch
macht. Dann kann es auch keine Zeile geben, die die Prämissen P1, ..., Pn-1
wahr und Pn C falsch macht, denn gäbe es eine solche, so hieße dies ja, dass
auch P wahr und C falsch gemacht wird. Somit muß auch P , ..., P . . . P
n
1
n-1
n
C gültig sein.
(FU) Ist A, P1, ..., Pn . . . B und A, P1, ..., Pn . . . B gültig,
(Fallunterscheidung).
so ist auch P , ..., P . . . B gültig
1
n
Mithilfe von (KB, konj. Vers.) können wir nun die weiteren Metatheoreme
beweisen, indem wir Schl+üsse in die korrespondierende Satzform umschreiben. Zum semantsichen Beweis der FU-Metaregel brauchen wur nur zu zeigen,
dass
((A  P  ...  P ) B)  ((A  P1  ...  Pn) B). . . (P1  ...  Pn) B
1
n
gültig istwas wir mit gewöhnlichen Wahrheitstafelmethoden tun können.
77
Beispiel für FU:
A
AB
A B gültig,
B
A
AB
und A B gültig,
B
daher
AB
A B
B
gültig.
(IB) Ist A, P1, ..., Pn . . . B  B gültig, so ist auch P1, ..., Pn . . . A gültig
(Indirekter Beweis oder reductio ad absurdum).
Jede Formel der Form "AA" heißt Widerspruch. IB besagt also, dass wir
einen Schluß beweisen können, indem wir aus den Prämissen und der Negation seiner Konklusion einen Widerspruch herleiten. Vgl. Kap. 5.
Die folgenden Metaregeln sind implizit im späteren deduktiven Kalkül eingebaut:
(Schnitt) Ist A , ..., A . . . B gültig und B, C , ..., C . . . D gültig,
1
n
1
m
so ist auch A1, ..., An, C1, ..., Cm . . . D gültig
(Schnittregel)
Die Schnittregel liefert die Grundidee für die deduktive Methode, nämlich das
Weiterschließen - das Aneinanderkoppeln von Schlüssen:
A
B wird "rausgeschnitten"
AB
A
B
B
AB
gültig,
und
BC
BC
C
C
gültig,
daher
gültig
Die folgenden drei Metaregeln - Vertauschung, Monotonie und Kürzung sind in unserem deduktiven Kalkül ebenfalls eingebaut - ihre Geltung folgt trivial aus der Definition von "Gültigkeit":
Vertauschung der Prämissen:
Ist A , ..., A , ..., A , ..., A . . . B gültig, so ist auch
1
i
j
n
A1, ..., Aj, ..., Ai, ..., An . . . B
gültig.
Monotonie, der Folgerung, Hinzufügen von (überflüssigen) Prämissen:
Ist A , ..., A . . . B gültig, so ist auch A , ..., A , C . . . B gültig.
1
n
1
n
Reduktion wiederholter Prämissen:
Ist A, A, B1, ..., Bn . . . C gültig, so ist auch A, B1, ..., Bn gültig.
78
Folgendes Metatheorem ist Grundlage unseres späteren Äquivalenzkalküls:
(ERS): Ersetzungsregel:
Sei C[B/A] jene Formel, die aus C dadurch entsteht, dass die Teilformel A von
C an ein oder mehreren Vorkommnissen durch B ersetzt wird. Dann ist
A  B . . . C  C[B/A] gültig.
Beispiel:
(p  q)  (p  q) . . . ((p  q)  r )  ((p  q)  r)
(ERS) beweist man nicht mehr so einfach wie die bisherigen; man benötigt
hierzu die schon erwähnte mathematische Induktion nach dem Formelaufbau.
79
8. Deduktive Methode
8.1 Das aussagenlogische System des natürlichen Schließens S
Die Grundidee der deduktiven Methode ist das Weiterschließen und basiert auf
der in Kap. 7 erläuterten Schnittregel: Wir verwenden die Conclusion eines
Schlusses als Prämisse eines weiteren Schlusses und erhalten durch Aneinanderkoppelung der beiden Schlüsse einen neuen, komplexen Schluß, der als
Prämissen die vereinten Prämissen beider Schlüsse und als Conclusion die
Conclusion des letzten (zweiten) Schlusses enthält. Z.B.
A
A 
B
ergibt:
B
BC
C
A
A B
BC
C
Wir schreiben alle Prämissen an die Spitze und wenden dann, hintereinander,
bereits bekannte Schlüsse bzw. Schlußregeln an. Der jeweils erreichten Conclusion geben wir eine neue Nummer und verwenden sie als Prämisse weiterer
Schlüsse. Wir fahren solange fort, bis wir - wenn wir Glück haben - zur gewünschten Conclusion kommen. - Der obigem Schema entsprechende Beweis
lautet also:
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
AB
BC
A
B
C
Präm (für Prämisse)
Präm
Präm
mittels MP (Modus Ponens) aus (1) und (3)
mittels MP aus (4) und (2)
Einen derartigen Beweis verdeutlicht man im sogenannten Beweisbaum: Prämissen stehen an der Spitze (die "Blätter" des Baumes), Regelschritte werden
durch nach unten führende Äste angeschriebener Regelbezeichnung visualisiert; die Konklusion ist die Wurzel des Baumes.
AB
A
MP
BC
B
MP
C
80
Ziel der deduktiven Methode: Man möchte einige wenige gültige Schlüsse, die
sogenannten Regeln, als Basis zugrundezulegen, um damit alle weiteren gültigen Schlüsse - auf möglichst schnelle und bequeme Art - deduktiv beweisen zu
können. Wir legen als Basis die bereits in Kap. 7 erwähnten Basisregeln zugrunde. Alle Regeln werden natürlich als Regelschemata geschrieben, weil sie
für beliebige Einsetzungen gelten.
(MP) A B, A . . . B
Modus Ponens
(MT) A B, B . . . A
(DS) A  B, A . . . B ; A  B, B . . . A
(ADD) A . . . A  B ; A . . . B A
Modus Tollens
Disjunktiver Syllogismus
Addition
(SIMP) A  B . . . A ; A  B . . . B
(KON) A, B . . . A  B
Simplifikation
(DN) A . . . A
Doppelte Negation
; A . . . A
Konjunktion
Man erinnere sich an das Pattern Matching (Kap. 3.4). Beispielsweise ist nicht
nur p q, q . . .  p
sondern auch
(pq) r, r . . . (pq)
eine Anwendung des MT;
Oder es ist auch
p . . . p (qr)
eine Anwendung von ADD.
Bereits mit diesen Regeln können wir etliche weitere Schlüsse herleiten bzw.
beweisen.
Unter einem Beweis (oder einer Herleitung) eines Schlusses verstehen wir eine
lineare (bzw. in Baumform verzweigte) Folge von Aussagen, sodass jede Aussage entweder eine Prämisse ist, oder aus vorhergehenden Aussagen mittels
einer der Basisregeln folgt, und die letzte Aussage der Folge die Konklusion
ist. (Diese Beweisdefinition muss erweitert werden, wenn später metaregeln
hinzukommen.)
Aus dieser Beweisdefinition geht unmittelbar hervor, dass deduktive Beweisbarkeit erhalten bleibt unter Hinzufügung überflüssiger Prämissen - die
stören ja nicht - sowie Vertauschung von Prämissen und Kürzung doppelter
Prämissen.
81
Einige Anwendungsbeispiele:
(Beweisziel): p, p  (q  r), r, q  (t  s) . . . t
(1) p
Präm (= Prämisse)
(2) p  (q  r)
Präm
(3) r
Präm
(4) q  (t  s)
Präm
(5) q r
(durch) MP (aus) (1), (2)
(6) q
MT (3), (5)
(7) t  s
DS (6), (4)
(8) t
SIMP (7)
Baum:
p
p  (q  r)
MP
q  r
r
MT
q
q  (t  s)
DS
ts
SIMP
t
A, (A  B)  C . . . (A  D)  C
(1) A
(2) (A  B )  C
(3) A  D
(4) A  B
(5) C
(6) (A  D)  C
Baum:
A
ADD
Präm
Präm
ADD (1)
ADD (1)
MP (4), (2)
KON (3), (5)
ADD
AD
AB
(A  B)  C
MP
C
KON
(A  D)  C
Obiger "Baum" ist kein echter Baum mehr, weil sich die zwei zu "p" führenden
Äste wieder vereinigen, und zwar deshalb, weil im Beweis zweimal auf die
82
Prämisse p zurückgegriffen wird. Wir wollen dies einfachheitshalber zulassen.
Falls man echte Bäume will, muß man jedesmal, wenn auf eine Prämisse erneut zurückgegriffen wird, die Prämisse im Baum neu anschreiben. (Das widerstrebt uns aber, weil wir Prämissen als wiederholungsinvariante Mengen
auffassen.)
Eine "interessanten" Beweis hat übrigens das triviale Argument A . . . A, nämlich einfach:
(1) A
Präm
hier ist also Konklusion mit Prämisse identisch, der Beweis ist eine Folge mit
einem Element, auch dies ist möglich.
Beim deduktiven Beweisen machen wir nur von formalen Regeln Gebrauch,
Wahrheitswertzuordnungen kommen hierbei nicht mehr vor. Deshalb ist diese
Methode eine syntaktische Methode.
Systeme des natürlichen Schließens heißen unter anderem deshalb "natürlich",
weil ihre Regeln unseren intuitiven Schließen entsprechen sollen. Sie sind daher auch in der Philosophie besonders wichtig. Eine Eigenschaft von solchen
Systemen ist es, dass es für jeden Junktor eine Einführungsregel gibt - das ist
eine Regel, wo der Junktor in der Konklusion auftritt, nicht aber in den Prämissen - und eine Ausführungsregel - eine Regel, wo der Junktor in den Prämissen auftritt, aber nicht mehr in der Konklusion.
(ADD) und (DS) sind die Regeln für die Disjunktion, ADD ist die Einführungsregel und DS die Ausführungsregel.
(SIMP) und (KON) sind die Regeln für die Konjunktion, (KON) ist die Einführungs- und (SIMP) die Ausführungsregel.
(DN) ist die Regel für die Negation, die eine Version ist die Einführungs- und
die andere die Ausführungsregel.
Für die Implikation haben wir bisher nur zwei Ausführungsregeln, (MP) und
(MT). (MP würde übrigens im Prinzip genügen.) Die Einführungsregel für die
Implikation ist die unten eingeführte Metaregel KB.
Zur Natürlichkeit von Schlüssen gibt es heute viele psychologische Untersuchungen (Evans, Johnsson-Laird, Ripps, u.a.). Nicht jede dieser Regeln ist
wirklich "natürlich" ist, z.B. ist ADD eine sogenannte "irrelevante" Regel, eine
irrelevante Oder-Abschwächung, weil das in der Konklusion beigefügte Konklusionsglied ganz beliebig ist. Das führt zur sogenannten Theorie der deduktiven Relevanz oder auch Relevanzlogik, ebenfalls ein Thema von Spezialvorlesungen. Es wurde auch psychologisch untersucht, ob die syntaktisch-
83
deduktive oder die semantische Modellmethode natürlicher ist, mit dem Resultat, dass Menschen gemischt von beiden Methoden Gebrauch machen.
Hinweis: Mit der deduktiven Methode können wirn die Gütligkeit neines Argumentes beweisen, wenn das Argument gültig ist  wir können damit aber
nicht beweisen (wie mit den semantischenMethoden der AL), dass das Argument ungültig ist. Dazu brauchen wir nach wie vor dien semantische Methode.
Analog für den Beweis der L-Wahrheit von Aussagen (s. unten).
Man wird fragen. warum braucht man dann überhaupt die deduktive Methode?
Antwort: erstens, weil das Schließen mit der deduktiven Methode natürlicher
is. Zweitens und insbesondere, weil man die deduktive Methode auch in der
Prädikatenlogik anwenden kann, und dort gibt es keine allgemeine semantischen Entscheidungsverfahren mehr, d.h. dort sind wir auf die deduktive Methode angewiesen.
Unser deduktives System (oder Kalkül) S soll zwei Eigenschaften haben. Er
soll korrekt sein - d.h. jeder beweisbare Schluß soll gültig sein , und er soll
vollständig sein - d.h. jeder gültige Schluß soll darin beweisbar sein. Unsere
bisherigen Basisregeln sind zwar korrekt - denn wie wir wissen ist ja jede Basisregel gültig, und das Weiterschließen in Form der Schnittregel erhält die
Gültigkeit. Aber unser System ist bisher noch (lange) nicht vollständig. Hierzu
müssen wir zu unser System nun die drei Metatheoreme (KB, FU, IB) in Form
von sogenannten Metaregeln hinzunehmen.
Metaregel: Konditionalbeweis KB:
Ist C aus A1, ..., An, B herleitbar, dann ist B C aus A1, ..., An herleitbar.
Diese Metaregel besteht eigentlich aus einem Übergang von einem Beweis zu
einem anderen. Um die Metaregel in unsere lineare Beweisform zu integrieren, benötigen wir eine spezielle Technik, die sogenannte Annahmetechnik, die
unter anderem auf Copi zurückgeht. ist noch nicht unmittelbar in eine "Beweisform".
Technik des Konditionalbeweises:
Um A , ..., A . . . B C mittels KB zu beweisen, führen wir folgende Schritte
1
n
durch:
1. Wir schreiben die Prämissen A1, ..., An an.
(Beweisziel: A1, ..., An . . . B C )
2. Wir führen das Implikationsvorderglied der Conclusion, also B, als Annahme, ein die temporär "offen" ist: eine Annahmem ist eine temporäre Prämisse.
84
3. Wir versuchen, C mittels A1, ..., An und B zu beweisen.
(Beweissubziel: A1, ..., An, B . . . C ).
4. Angenommen es gelingt. Dann haben wir einen sogenannten Subbeweis
durchgeführt, nämlich A1, ..., An, B . . . C . Wir schließen daraus, dass gemäß
(KB) B  C aus A1, ..., An folgt., d.h. wir schließen auf A1, ..., An . . . B C.
Wir machen das im linearen Beweis wie folgt kenntlich:
Wir klammern die Annahme B ein, um auszudrücken, dass sie nun nicht mehr
als Prämisse zählt. Zusätzlich zeichnen wir den Bereich der Annahme B, indem sie wirksam war, durch einen Pfeil ein:
Er beginnt bei B und endet
vor B  C, also dem KB-Schritt. Der Bereich der Annahme B ist nichts anderes als der ganze Bereich des Subbeweises, den wir hiermit einklammern.
Schließlich schreiben wir die entgültige Konklusion BC, die nun aus den
Prämissen A1,…,An alleine, ohne die Annahme B, folgt, unter die abgeschlossene Annahme hin.
Schematische Form: Beweisziel: A ,,A . . . BC
1
n
1) A1
Präm

n) An
Präm
Subziel: C. B wird erst in eckige Klammern gen+1) [B]
KB-Annahme setzt, wenn wir bei Schritt n+m+1) angelangt sind.

Was unter dem eingeklammerten Beweisteil steht,
hängt nicht mehr von Ananhme B ab.
n+m) C
n+m+1) BC KB (n+1)(n+m+1)
Wir dürfen nach Abschluß der Annahme und Hinschreiben der annahmeunabhängigen Konklusion den Beweis auch fortsetzen.
Merkregel: Ist der Bereich der Annahme einmal abgeschlossen, so darf bei
eventueller Fortsetzung des Beweises nicht mehr auf irgendeine im Annahmenbereich stehende Aussage zurückgegriffen werden.
Beispiel:
(1)
(2)
 (3)
(4)
(5)
(6)
(7)
Zu beweisen: pq, pr . . . p(qr)
pq
pr
[p]
q
r
qr
p  (q  r)
Präm
Präm
KB-Ann. (Subziel: qr)
MP (1), (3)
MP (2), (3)
KON (4), (5)
KB (3) - (6)
85
p in (3) wurde erst eingeklammert, nachdem von (6) zu (7) übergegangen wurde. Der Pfeil zeigt den Annahmenbereich im Beweisgang an. Beim KBSchritt schreiben wir als Erläuterung rechts den ganzen Nummernbereich an,
in dem der KB-Subbeweis bzw. der KB-Annahmenbereich liegt.
Im Beweisbaum deuten wir den Annahmebereich eine Index an, den wir an
den KB- Schritt und die eingeklammerten Annahmen anfügen. Das wird wichtig, wenn ein Beweis bzw. Beweisbaum mehrere Annahmen enthält - um zu
sehen, welche eingeklammerte Prämisse zu welchem Metaregelschritt gehört.
Baum zum Beweis von pq, pr . . . p(qr)
p q
p r
[p]1
MP
MP
q
r
KON
qr
KB1
p q  r)
Es kann auch vorkommen, dass Annahmenbeweise iteriert, d.h. ineinander
verschachtelt auftreten - siehe unten. Hier gilt folgende Hilfsregel: Sind mehrere ineinander verschachtelte Annahmen offen, so schließt man die letzte Annahme (in der fortlaufenden Nummerierung) zuerst. Das bewirkt, dass sich
zwei Annahmenpfeile nie überkreuzen - siehe unten. -- Diese Hilfsregel ist
zwar nicht immer nötig, aber sie hilft, Fehler zu vermeiden, denn sie stellt sicher, dass nicht auf einen Zwischenschritt, der im Bereich einer bereits zuvor
geschlossenen Annahme steht, zurückgegriffen wird.
Weitere Beispiele:
(A  B) . . . (A B)
(1) A  B Präm
(2) [A]
(3) A
(4) B
(5) A B
Baum:
(Def , eine Richtung)
KB-Ann.
aus (2), DN
DS (1), (4)
KB (2) - (4)
86
A  B
[A]1
DN
A
DS
B
KB1
A B
Wie beweist man mit der deduktiven Methode logische Wahrheiten? Antwort:
Indem man sie aus der leeren Prämissenmenge beweist.
Mit dem KB haben wir eine einfache Methode, logisch wahre Aussagen zu
beweisen: wir wenden den KB so oft an, bis alle Annahmen eingeklammert
sind und daher die Prämissenmenge leer ist. So können wir obiges Beispiel zu
einem Beweis von . . . (A  B) (A B) erweitern, indem wir KB zweimal
hintereinander anwenden.
Zu beweisen:. . . (A  B) (A B)
 (1) [A  B]
KB-Ann.
 (2) [A]
KB-Ann.
(3) A
DN (2)
(4) B
DS (1), (4)
(5) A B
KB (2) - (4)
(6) (A  B) (A B)
KB (1) - (5)
Baum:
[A  B]2
[A]1
DN
A
DS
B
KB1
A B
KB2
(A  B) (A B)
Die Bereiche der beiden KB-Annahmen liegen hier ineinander und die Annahmenpfeile überkreuzen sich nicht. Das Vorgehen ist erlaubt: in keinem Schritt
wurde auf eine Aussage innerhalb eines bereits abgeschlossenen Annahmenbereichs zurückgegriffen.
87
Folgendes Beispiel zeigt eine unzulässige Beweisführung:
(1) (A  B)
(2) B C Präm
 (3) [A]
(4) A
 (5) B
(6) A B
(7) C
(8) (A B)  C
Präm
KB-Ann.
DN (3)
DS (4), (1)
KB (3) - (5)
MP (5), (2) ........... verbotener Schritt: hier wird auf eine
KON (6), (7)
Aussage in einem zuvor schon abgeschlossenen Annahmebereich, nämlich
auf B, zurückgegriffen.
Folgendes Beispiel zeigt, wie leicht Annahmenpfeilüberkreuzungen zu verbotenen Schritten führen können:
(1) A  B
(2) B  C D
 (3) [A]
 (4) [C]
(5) A
(6) B
 (7) B  C
(8) A BC
(9) D
(10) C D
Präm
Präm
KB-Ann.
KB-Ann.
DN (3)
(1), (5) DS
KON (4), (6)
KB (3) - (7)
MP (2), (7)
KB (4) - (8)
Überkreuzung
verbotener Schritt
Die KB-Beweismethode eignet sich genau dann, wenn die Conclusion der zu
beweisenden Herleitung die Form einer Implikation hat. Falls dies nicht der
Fall ist, so kann man es in der Regel mit der folgenden FU-Metaregel versuchen.
Metaregel (FU) Fallunterscheidung:
Ist C aus A, B1, ..., Bn herleitbar sowie auch aus A, B1, ..., Bn herleitbar,
dann ist C aus B1, ..., Bn alleine (ohne ()A-Prämisse) herleitbar.
Technik der Fallunterscheidung: Um durch Fallunterscheidung A und A den
Schluß B , ..., B . . . C zu beweisen, gehen wir so vor:
1
n
1. Wir schreiben die Prämissen B1, ..., Bn an.
2. Wir führen Annahme A ein, beweisen daraus plus den restlichen Prämissen
88
Bi unser C und schließen die Annahme ab.
3. Wir führen Annahme A ein, beweisen daraus plus den restlichen Prämissen Bi unser C und schließen die Annahme ab.
4. Wir schreiben C als entgültige - ohne die beiden Annahmen folgende - Conclusion hin.
Wieder gilt: Auf eine Aussage in einem schon abgeschlossenen Annahmenbereich darf nicht zurückgegriffen werden.
Schematisch: Beweisziel: B ,,Bn . . . A
1
1) B1

n) Bn
 n+1) [A]

n+m) C
n+m+1) [A]

n+m+k) C
n+m+k+1) C
Beispiele:
Präm
Präm
FU-Annahme (Subziel: C)
FU-Annahme (Subziel: C)
FU (n+1)(n+m), (n+m+1)(n+m+k)
. . . A  A
(Tertium non Datur)
(1) [A]
FU-Ann.
(2) A  A
ADD (1)
(3) [A]
FU-Ann.
(4) A  A
ADD (3)
(5) A  A
FU (1) - (2), (3) - (4)
Baum:
[A]1
ADD
A  A
[A]1
ADD
A  A
FU1
A  A
Im Baum schreiben wir die FU-Annahmen nebeneinander und fügen die beiden Äste durch FU zusammen.
89
A B . . . A  B
(1) A B
 (2) [A]
(3) B
(4) A  B
 (5) [A]
(6) A  B
(7) A  B
(Def , andere Richtung)
Präm
FU-Ann.
MP (1), (2)
ADD (3)
FU-Ann.
ADD (5)
FU (2) - (4), (5) - (6)
Baum:
A B
[A]1
[A]1
MP
ADD
B
A  B
ADD
A  B
FU1
A  B
Aus dem oben bewiesenen Schluß A B . . . A  B kann man per KB natürlich wie folgt wieder auf . . . (AB) (A  B) schließen
 (1) [A B]
KB-Ann.
(2) [A]
FU-Ann.
(3) B
MP (1), (2)
(4) A  B
ADD (3)
 (5) [A]
FU-Ann.
(6) A  B
ADD (5)
(7) A  B
FU (2) - (4), (5) - (6)
(8) (A B) (A  B) KB (1)(7)
Baum:
[A]1
[A]1
[A B]2
MP
ADD
B
A  B
ADD
A  B
FU1
A  B
KB2
(A B) (A  B)
90
A B, C B . . . (A  C) B
(Disjunktion im Gesetzesantecedens)
(1) A B
Präm
(2) C B
Präm
 (3) [A C]
KB-Ann.
 (4) [A]
FU-Ann.
(5) B
MP (1), (4)
 (6) [A]
FU-Ann.
(7) C
DS (3), (6)
(8) B
MP (2), (7)
(9) B
FU (4) - (5), (6) - (8)
(10) (A  C) B
KB (3) - (9)
Baum: A B
C B
[A  C]2
[A]1
MP
[A]1
DS
B
C
MP
B
FU1
B
KB2
(A  C) B
Hier haben wir KB und FU ineinandergeschachtelt verwendet - die Bereiche
überkreuzen sich nicht, jeder Schritt erlaubt.
A  (B  C) . . . (A  B)  C
(Assoziativität des )
(1) A  (B  C)
Präm
 (2) [A]
FU-Ann.
(3) A  B
ADD (2)
(4) (A  B)  C
ADD (3)
 (5) [A]
FU-Ann.
(6) B  C
DS (1), (5)
 (7) [C]
FU-Ann.
(8) (A  B)  C
ADD (7)
(9) [C]
FU-Ann.
(10) B
DS (6), (9)
(11) A  B
ADD (10)
(12) (A  B)  C
ADD (11)
(13) (A  B)  C
FU (7) - (8), (9) - (12)
(14) (A  B)  C
FU (2) - (4), (5) - (13)
91
Baum:
[A]2
A  (B  C)
ADD
AB
[A]2
DS
BC
[C]1
ADD
[C]1
DS
(A  B)  C
ADD
(A  B)  C
B
ADD
AB
ADD
(A  B)  C
FU1
(A  B)  C
FU2
(A  B)  C
Hier haben wir FU zweimal angewandt, ineinandergeschachtelt. Man beachte,
dass sich die Annahmenbereiche nicht überkreuzen und nirgends auf eine Aussage in einem bereits zuvor abgeschlossenen Annahmenbereich zurückgegriffen wurde.
Heuristiken zur FU:
Grundsätzlich ist in die deduktiven Methode nicht "mechanisch", d.h. es ist
nicht vorgeschrieben, welche Regeln sie wann anwenden müssen, es kann vorkommen, dass derselbe Schluss auf mehrere Weisen bewiesen werden kann.
Sie müssen also "kreativ sein", den einfachsten Beweis "finden".
Insbesondere für die FU gibtb es keine strenge Regel, wann sie anzuwenden ist. FU bietet sich jedoch heuristisch besonders dann an, wenn entweder
eine Prämisse, oder die Konklusion, die Form einer Disjunktion hat.
Metaregel IB Indirekter Beweis:
Ist C  C aus B, A1, ..., An herleitbar, so ist B aus A1, ..., An herleitbar.
Technik des indirekten Beweises: Um A1, ..., An . . . B mittels IB zu beweisen,
gehen wir so vor:
1. Wir schreiben die Prämissen A1, ..., An an.
2. Wir führen die Negation der Konklusion B als IB-Annahme ein und beweisen damit plus den Prämissen einen Widerspruch C  C für irgendeine
Formel C (die nicht atomar sonde4rn auch beliebig komplex sein kann).
3. Dann schließen wir den Bereich der IB-Annahme ab und schreiben B als
entgültige - annahmenunabhängige - Konklusion hin. Wieder darf nicht auf
92
eine Aussage in einem zuvor abgeschlossenen Annahmenbereich zurückgegriffen werden!
Schematisch: Beweisziel: A , ..., A . . . B
1
1) A1

n) An
 n+1) [B]

n+m) CC
n+m+1) B
n
Präm
Präm
IB-Annahme = Gegenteil der Konklusion
Subziel: für irgendein C: CC
IB (n+1)(n+m)
Beispiele:
A B . . . (A  B)
(1)
 (2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
(Falsifikation, eine Richtung)
A B
Präm
[(A  B)] IB-Ann.
A  B
DN (2)
A
SIMP (3)
B
SIMP (3)
B
MP (1), (4)
B  B
KON (6), (5)
(A  B)
IB (2) - (7)
Baum:
[(A  B)]1
DN
A  B
A B
SIMP
SIMP
B
A
MP
B
KON
B  B
IB1
(A  B)
Man hätte in obigem Beispiel mittels MT vorgehend einen Widerspruch für A,
AA, herleiten können, mit dem selben Resultat.
93
(AB) . . . AB (Falsifikation, andere Richtung)
(1) (AB)
Präm
 (2) A
KB-Ann.
 (3) B
IB-Ann.
(4) A 

n (2), (3)
(5) (AB) (AB)
Kon (4), (1)
(6) B
IB (3)-(5)
(7) AB
KB (2)-(6)
Hier schachtelt sich also ein IB in einen KB. -- Baum:
[B]1 (AB)
[A]2
KON
AB
KON
(AB)(AB)
IB1
B
KB2
AB
AB
(1)
 (2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
(9)
. . . (A  B)
AB
(A  B)
A  B
A
A
B
B
B  B
(A  B)
(DeMorgan, eine Richtung)
Präm
IB-Ann.
DN (2)
SIMP (1)
DN (4)
DS (5), (3)
SIMP (1)
KON (7), (6)
IB (2)-(8)
94
Baum:
AB
SIMP
B
[(A  B)]1
SIMP
DN
A  B
A
DN
A
DS
B
KON
B  B
IB1
(A  B)
Heuristik des IB: Bietet sich an, wenn Konklusion die Form einer Negation
hat. Oder einfach dann, wenn Ihnen nichts besseres einfällt.
Den Beweisbegriff für unser System S kann man abschließend so definieren:
eine Folge von Sätzen ist ein S-Beweis, wenn jeder Satz entweder eine Prämisse ist, oder eine abgeschlossene Annahme ist, oder aus vorhergehenden Sätzen, die nicht im Bereich einer zuvor abgeschlossenen Annahme liegen, mithilfe einer Regel folgt, oder aus einer abgeschlossenen Annahme mithilfe einer
Metaregel folgt, und wenn der letzte Satz der Folge die gewünschte Konklusion
ist.
*8.2 Korrektheit, Vollständigkeit, Entscheidbarkeit, Ökonomie und Beweisheuristik. Andere Kalkülarten (nur gestreift, ausführlich in Logik II)
Korrektheit und Vollständigkeit:
Man möchte, wie gesagt, das die syntaktisch-deduktive Methode mit der semantischen zusammenstimmt. Dazu ist es zweckmäßig, den semantischen Folgerungsbegriff und den syntaktischen Herleitungsbegriff durch eigenes Zeichen zu unterscheiden. Bisher haben wir immer die drei Punkte für einen gültigen Schluß verwendet. Folgende Notationen sind gebräuchlich:
Im folgenden sollen , , … (S, , ..) für Prämissenmengen stehen.
||A -- steht für: A ist aus Prämissenmenge  folgerbar, der Schluß ist
semantisch gültig.
||A -- steht für: A ist logisch wahr (folgt aus leeren Prämissen)
|A -- steht für: Der Schluß von auf A ist beweisbar (in einem bestimmten deduktiven System, hier im System S); bzw. A ist aus  herleitbar.
95
|A -- steht für: A ist logisch beweisbar (aus leeren Prämissen, im gegebenen System S), bzw. A ist ein logisches Theorem (des Systems S).
Um die Relativität des syntaktischen Beweisbegriffs auf ein gegebenes deduktives System, hier das System S, zu verdeutlichen, benutzt man auch die
Indexschreibweise |S.
 steht für das Wenn-Dann der Metasprache; das sogenannte "informelle
Wenn-Dann", das natürlich gleich definiert ist wie das wenn-dann der Objektsprache, nur eben in der Metasprache.
Korrektheit bedeutet:
|A 
||A (alle beweisbaren Schlüsse sind gültig)
Vollständigkeit bedeutet:
||A 
|A (alle gültigen Schlüsse sind beweisbar)
Man nennt obige Vollständigkeit genauer auch starke Vollständigkeit, und unterscheidet sie von der sogenannten schwachen Vollständigkeit, welche nur
|A(alle logischen Theoreme sind beweisbar).
besagt: ||A 
Man beachte, dass starke die schwache Vollständigkeit impliziert (leere
Prämissenmenge). Man kann andererseits auch zeigen, dass die schwache die
starke Vollständigkeit dann impliziert, wenn die Prämissenmenge endlich ist.
Ein Unterschied ergibt sich hier also nur im Falle unendlicher Prämissenmengen. Der syntaktische Beweisbegriff ist ohnedies immer endlich, denn jeder
Beweis ist per Definition endlich, und kann daher nur auf endlich viele Prämissen zurückgreifen. Die starke Vollständigkeit impliziert daher immer den
sogenannten Endlichkeitssatz (Bzw. die Kompaktheit), welcher besagt, dass
wenn eine Konklusion aus unendlich vielen Prämissen logisch folgt, sie auch
aus einer endlichen Teilmenge der Prämissenmenge logisch folgt.
Eine analoge Unterscheidung zwischen "stark" und "schwach" könnte man
auch bei der Korrektheit einführen, man tut es aber nicht, weil in diesem Fall
die starke und schwache Korrektheit trivialerweise äquivalent sind.
Unser System S ist korrekt und vollständig.
Korrektheit beweist man durch sogenannte Induktion über die Länge eines
Beweises: man zeigt, dass alle Basisregeln gültig sind, und alle Metaregel die
Gültigkeit erhalten, woraus per Induktion über Beweislänge folgt, dass jeder
beweisbare Schluß gültig sein muß.
Die Vollständigkeit ist komplizierter zu beweisen. Gemäß der Gödel Methode beweist man die Vollständigkeit, indem man die Kontraposition davon
96
beweist: ist |A nicht beweisbar, was genau dann der Fall ist wenn 
{A} konsistent ist, dann ist ||A auch nicht gültig, was genau dann der
Fall ist wenn  {A} in einer Wahrheitswertebelegung - einem sogenannten semantischen Modell - erfüllt ist. D.h. man beweist die starke Vollständigkeit, indem man zeigt, dass jede konsistente Aussagenmenge ein semantisches
Modell besitzt. Dies zeigt man wiederum dadurch, dass man mithilfe der
sprachlichen Ausdrücke aus der gegebenen konsistenten Aussagenmenge ein
semantisches Modell konstruiert. Diese berühmte Technik des Vollständigkeitsbeweises, die dann voralledem in der Prädikatenlogik wichtig wird, geht
auf Gödel zurück.
Entscheidbarkeit:
Prima facie liefern deduktive Systeme wie das unsere keine Entscheidungsmethode - so wie etwa die semantische Wahrheitstafel oder reductio ad
absurdum Methode. Es liegt, wie man sagt, nur Semientscheidbarkeit: ist ein
Schluß gültig, so kann man ihn auch beweisen. Ist der Schluß ungültig, so kann
man das mit der deduktiven Methode nicht feststellen - man merkt es nur "indirekt" daran, dass man nicht zum Ziel kommt, so sehr man sich auch bemüht.
Es gibt zwar Möglichkeiten, deduktive Kalküle der AL zu entscheidbaren
Kalkülen auszubauen, in Form sogenannter Tableaux-Kalküle, aber die ähneln
dann weitgehend der semantischen reductio ad absurdum Methode und bringen
insofern nicht viel Neues.
Man wird sich fragen: wozu braucht man dann überhaupt die deduktive
Methode? -- Nun, erstens einmal sind die Schlußregeln der AL teilweise unserem intuitiven Schließen doch viel näher als die semantischen Methoden der
AL. Das ist ein Grund. Der viel wichtigere Grund ist der: die deduktive Methode der AL ist eine wesentliche Voraussetzung bzw. Vorbereitung für die deduktive Methode in der PL. Und in der PL braucht man die deduktive Methode unbedingt.
Die PL ist nämlich unentscheidbar - dieses berühmte Unentscheidbarkeitstheorem hat ebenfalls Gödel zuerst bewiesen. Das heißt, es gibt keinen semantischen Algorithmus, mit dem man in der PL mit Sicherheit für jede Aussage
herausfinden kann, ob sie logisch wahr ist oder nicht. Aus diesem Grund ist
man hier auf deduktives Schließen angewiesen.
Wie gesagt kann man mit der deduktiven Methode nur beweisen, dass ein
Schluß beweisbar ist, aber nicht zeigen, dass er ungültig ist. Hierzu braucht
man, auch in der PL, ein semantisches Verfahren: man zeigt die Ungültigkeit
eines Schlusses, indem man ein Modell konstruiert, dass seine Prämissen wahr
und die Konklusion falsch macht. In der AL ist das einfach eine Wahrheitswertzeile. In der PL ist es ein mengentheoretisches Modell. Bei der Modell-
97
konstruktion verwendet man die "informelle" Metalogik. Dabei handelt es sich
letztlich auch nur um ein PL-Schliessen in "abgekürzter metalogischer Notation". Insofern ist die deduktive Methode der PL die wohl wichtigste Methode.
Diese enthält aber als wesentlichen Teil die deduktive Methode der AL.
Ökonomie: Unser Kalkül S ist hinsichtlich seiner Regeln und Metaregeln nicht
maximal sparsam, z.B. kann man die Regel MT aus den anderen Regeln und
Metaregeln herleiten, ebenfalls die Metaregel IB. Doch würde man auf diese
oder etwa andere Regeln bzw. Metaregeln verzichten, so würden alle beweise
viel länger werden. Wie in Kap. 3 liegt ein Kompromiß zwischen Ökonomie
des Kalküls und Ökonomie des praktischen Beweisens vor. Die Erfahrung
zeigt, dass man in S alles "relativ" rasch beweisen kann. Nur Äquivalenzbeweise sind etwas langwierig - s. unten.
Beweisheuristik: Selbst wenn ein Schluß gültig ist, so sagt uns der Kalkül S
noch nicht, wie wir ihn am schnellsten beweisen können. In anderen Worten,
deduktives Beweisen ist - in noch viel stärkerem Maße als die semantische
reductio ad absurdum Methode - ein nichtdeterministisches Verfahren; wir
brauchen Beweisphantasie. Man hilft sich mit folgenden Heuristiken:
1) Regelheuristiken:
- Ist die Konklusion eine Implikation, verwendet man KB.
- Ist die Konklusion eine komplexe Negation …so bietet sich IB an, denn
aus der negierten Konklusion (…) kann man dann das Innere der Klammer… gewinnen und ausschlachten.
- Ist die Konklusion eine Disjunktion X  Y, so kann man es mit FU, sofern
man eine Idee hat, wie man aus X und den Prämissen die Konklusion gewinnen kann. Denn aus X gewinnt man Y in einem Additionsschritt.
2) Beweisheuristiken - top down versus bottom up:
-- Mit der top down Heuristik versucht man, irgendwelche interessanten
schnell herleitbaren Sätze herzuleiten, ohne dass diese schon mit der Konklusion zusammenstimmen müssen. Prämissen, die die Form einer Konjunktion
haben, kann man z.B. mit SIMP zerlegen. Unmittelbar anwendbare MPSchritte kann man gleich anwenden. Nur solche top-down-Resultate sind "interessant", deren Aussagevariablen in der Konklusion oder in anderen Prämissen enthalten sind -- andere sind "prämissenirrelevant", man kann sie für weitere Schritte nicht benutzen.
-- Mit der bottom up Heuristik versucht man sich mögliche Zwischenschritte
("Lemmata") zu überlegen, die man noch nicht bewiesen hat, von denen man
aber weiß, dass man aus diesen die gewünschte Konklusion relativ leicht herleiten kann.
98
-- Im Regelfall fängt man mit bottom up an. Oft gelangt man durch ein iteriertes bottom ab Verfahren ganz zu den Prämissen hinauf. Oft aber hilft dann top
down. Man muß dann versuchen, die durch top down gewonnenen Sätze mit
den zu beweisenden Annahmen der bottom up Methode "zu verbinden" - dann
ist der Beweis geglückt.
Prämissen
top down
X1
X2
schnell herleitbare Sätze
?
Beweis glückt, wenn die Yi aus den Xi
selber beweisbar sind
Y1
Y2
benötigte Zwischenresultate ("Lemmata")
bottom up
Konklusion
Andere Kalkülarten:
Unser Kalkül des natürlichen Schließens S ist ein Regel-Metaregel-Kalkül - er
besteht aus Regeln und Metaregeln. Solche Kalküle sind besonders praktisch
in der AL.
In ihrer mathematischen Gestalt gehen Regel-Metaregel-Kalküle auf
Gentzen zurück und heißen Sequenzenkalküle. In Sequenzenkalkülen leitet
man nicht Sätze aus Sätzen ab, sondern Schlüsse aus Schlüssen. D.h., die objektsprachlichen Ausdrücke sind Schlüsse, sogenannte "Sequenzen". Aus unserer Regel ADD wird z.B. das Sequenzenaxiom A |AB, und aus unserer
Metaregel KB wird die Sequenzenregel
, A | B
| AB.
Ein Beweis ist dann eine Folge von Schlüssen, die entweder Sequenzenaxiome sind, oder mittels einer Sequenzenregel aus vorhergehenden Sequenzen
folgen. Logische Theoreme A beweist man, indem man Sequenzen der Form
 | A mit leerer Prämissenmenge beweist.
Die mathematischen Vorzüge von Sequenzenkalkülen sind es voralledem,
eine schnittfreie Version zu haben, eine Version ohne Schnittregel, was es ermöglicht, aus ihnen Entscheidungsmethoden zu machen. Praktisch haben sie
den Nachteil, dass sie etwas umständlich und nicht so intuitiv sind, denn intuitiv erschließt man Sätze aus Sätzen, nicht Schlüsse aus Schlüssen.
Aus diesem Grund haben einige philosophischen Logiker die Idee der Sequenzenkalküle in die von uns verwendete Form gebracht, wo man Sätze aus
99
Sätzen erschließt -- das sind eben die Kalküle des "natürlichen" Schließens.
Hier sind Beweise Folgen von Sätzen, und man hat Regeln und Metaregeln.
Die Annahmebeweistechnik geht z.B. auf Copi zurück; sie existiert in verschiedenen Varianten.
Eine andere Art von Kalkülen sind die sogenannten Axiom-Regel-Kalküle
in der Tradition von Frege, Hilbert, und Lukasiewicz. Beweise sind hier Folgen von Sätzen. Man wählt eine Reihe von logisch wahren Sätzen als sogenannte Axiome (z.B. A(BA), A(AB), u.a.), und nimmt einige
Schlußregeln dazu; in der AL meist nur den Modus Ponens. Ein Beispiel ist
der Kalkül H nach Hilbert; er besteht aus 6 Axiomen und dem MP als einziger
Schlußregel. Aussagenlogisches beweisen in Axiom-Regel-Kalkülen wie dem
Kalkül H ist sehr umständlich. Der Vorteil solcher Kalküle sind ihre simplen
metamathematischen Eigenschaften; z.B. Induktion nach der Länge von Beweisen oder ähnliche Verfahren sind leicht zu führen.
In der AL und PL werden Regel-Metaregel-Kalküle oft bevorzugt, weil sie
viel einfacher sind. Oft verwendet man - zumindest für den über die AL hinausgehenden Teil - einen Axiom-Regel-Kalkül, wegen der vorteilhaften metamathematischen Eigenschaften.
Der Beweis von Äquivalenztheoremen ist im Kalkül S etwas umständlich. Um
AN zu beweisen, muß man erst AB beweisen, dann BA beweisen, dann
aus beiden die Konjunktion einführen und die Def. anwenden. Diese Beweise haben also folgende schematische Form:
Baumschema:
 . . . AB
 
 2) [A]
Präm

KB-Ann.

[A]1

[B]2
Beweis von B
B
i-1) B
i) AB
 i+1) [B]
A
KB1
KB2
AB
KB-Ann.
Beweis von A
i+k-1) A
i+k) BA
i+k+1) (AB)(BA)
i+k+2) A B
BA
KON
(AB)(BA)
Def
A B
KON (i), (i+k)
Def i+k+2.
100
Beispiel: Beweis von . . . (A B)  (A B) 
 (1) A  B
KB-Ann.
 (2) [A]
KB-Ann.
(3) A
DN (2)
(4) B
DS (1), (4)
(5) A B
KB (2) - (4)
(6) (A  B)  (A B)
KB (1) - (5)
 (7) A B
KB-Ann.
 (8) [A]
FU-Ann.
(9) B
MP (7), (8)
(10) A  B
ADD (9)
 (11) [A]
FU-Ann.
(12) A  B
ADD (11)
(13) A  B
FU (8) - (10), (11) - (12)
(14) (AB) (AB)
KB (7)-(13)
(15) ((A  B)  (A B)) 
(AB) (AB))
KON (7), (14)
Def  (15)
(16) (A  B)  (A B)
Baum:
[A]1
[A B]4 [A]3
[A]3
[A  B]2
DN
A
MP
ADD
A  B
B
DS
ADD
A  B
B
KB1
A B
KB2
(A  B)  (A B)
FU3
A  B
KB4
(AB) (AB)
KON
((A  B)  (A B)) (AB) (AB))
Def 
(A  B)  (A B)
Aus diesem Grund führen wir für schnelle Äquivalenzbeweise den folgenden
Äquivalenzkalkül ein.
101
*8.3 Der aussagenlogische Äquivalenzkalkül Ä (in Logik II)
Der Äquivalenzkalkül ist ein Axiom-Regel-Kalkül. Seine Axiome sind die
Äquivalenzen, die wir bereits in Kap. 7 vorgestellt haben, nämlich:
(DN)
A  A
Doppelte Negation
(Komm)
(A  B)  (B  A)
Kommutativität der 
(Komm)
(A  B)  (B  A)
Kommutativität der 
(Ass)
(A  (B  C))  ((A  B)  C)
Assoziativität der 
(Ass) (A  (B  C))  ((A  B)  C)
Assoziativität der 
(Idem)
A  (A  A)
Idempotenz der 
(Idem)
A (A  A)
Idempotenz der 
(Distr)
(A  (B  C))  ((A  B)  (A  C)) Distributivgesetz 1
(Distr)
(A  (B  C))  ((A  B)  (A  C)) Distributivgesetz 2
(DM)
(A  B)  (A  B)
DeMorgan-Gesetz 1
(DM)
(A  B)  (A  B)
DeMorgan-Gesetz 2
(Def)
(A B)  (A  B)
Bedeutung 
(Def)
(A  B)  ((A B)  (B A))
Def 
(Taut)
A  (B  B)  A
Überflüssige Tautologie
(Kont)
A  (B  B)  A
Überflüss. Kontradiktion
(Abs)
A  (A  B)  A
-Absorption
(Abs)
A  (A  B)  A
-Absorption
Seine einzige Regel ist die Ersetzungsregel:
(ERS): Ersetzungsregel:
Sei C[B/A] jene Formel, die aus C dadurch entsteht, dass die Teilformel A von
C an ein oder mehreren Vorkommnissen durch B ersetzt wird. Dann:
i) C  C[B/A] ist aus A  B herleitbar (beweisbar).
ii) Ist A  B ein logisches Theorem (i.e., aus leerer Prämissenmenge beweisbar), so ist auch C  C[B/A] ein logisches Theorem.
Beachte: Alle Axiome des Äquivalenzkalküls Ä sind in unserem Kalkül S als
Theoreme beweisbar! Der Äquivalenzkalkül dient uns nur für schnelle logisch
äquivalente Umformungen von Aussagen bzw. Formeln.
Äquivalenzbeweise haben die Form eines linearen Kette. Wir beginnen
einfach an der Spitze mit der linken Seite der zu beweisenden Äquivalenzaussage. Dann wenden wir die Äquivalenzaxiome sukzessive auf ausgewählte Teilaussagen der Aussage an (eventuell auch auf die ganze Aussage),
und ersetzen die jeweilige Teilaussage durch die mit ihr logisch äquivalente.
102
Wir benutzen dabei die prämissenlose Ersetzungsregel , also in der Version
(ii). Wir unterstreichen die äquivalent ersetzte Teilaussage und schreiben
rechts das jeweils benutze Äquivalenzaxiom hinzu. Wir fahren so lange wie
gewünscht fort. Am unteren Ende der linearen Kette steht dann eine Aussage,
die mit der oben an der Spitze logisch äquivalent ist.
Beispiel: . . . ((pq) (qr))  pqr




(pq) (qr)
| --------------DeM
(pq) (q r)
| -------------Def
(pq) (q r)
|-------------DeM
(pq) (q r)
|-------------DN
(pq) qr)
| ------------Assoz (Klammerwegfall)
pqqr
|------------Idem
pqr
Die ursprünglich lange Formel ist also mit einer simplen Disjunktion aus drei
simplen Gliedern (Literalen, s.u.) äquivalent.
Logische Äquivalenzumformungen sind deshalb besonders wichtig, weil
man damit komplexe Formel in eine wesentlich einfachere aber logisch äquivalente Form bringen kann. Es gibt zwei sehr wichtige und einfache Formen,
auf die man jede beliebig komplexe Aussage bringen kann:
die konjunktive Normalform, und
die disjunktive Normalform.
Eine Aussagenvariable oder eine einfach negierte Aussagenvariable nennt man
ein Literal. Wir schreiben für ein Literal ±pi. Eine Aussage ist in konjunktiver
Normalform, kurz KNF, wenn sie eine Konjunktion von Disjunktionen von
Literalen ist. Sie hat also folgende schematische Form
KNF: (± p1,1 …±p1,n1) … (p1,m … ±pn,mn)
Analog ist eine Aussage in disjunktiver Normalform DNF, wenn sie eine
Disjunktion von Konjunktionen von Literalen ist. Eine DNF hat also folgende
schematische Form:
103
DNF: (± p1,1 …±p1,n1) …
(p1,m … ±pn,mn)

Es können einige ni auch 1 sein. Es kann das m auch 1 sein kann, in diesem
Fall handelt es sich b ei der KNF um eine Disjunktion von Literalen, sie ist
dann gleichzeitig eine DNF; bei der DNF handelt es sich um eine Konjunktion
von Literalen, was wiederum ebenfalls eine KNF ist. D.h. für m=1 fallen KNF
und DNF zusammen.
Man kann nun jede Aussage in eine logisch äquivalente KNF, sowie eine logisch äquivalente DNF umformen. In unserem Kalkül Ä geht das meist in wenigen Schritten. Man ersetzt erst Implikationen durch Disjunktionen mittels
Def. Dann treibt man mittels der beiden DeMorgan Gesetze alle Negationszeichen hinein bis vor die Variablen, und eliminiert mittels DN doppelte Negationen. Nun wendet man Assoziativität und Kommutativität an, und schließlich
Distribution, je nachdem ob man die DNF oder KNF anstrebt. Obiger Äquivalenzbeweis ist ein Beispiel einer Umformung in eine KNF bzw. DNF (fällt hier
zusammen).
Es gibt mehrere KNFs und mehrere DNFs, die zu einer gegebenen Aussage
logisch äquivalent sind. Eine maximal kurze KNF nennt man irreduzible KNF,
kurz IKNF; analog für eine irreduzible DNF, kurz IDNF.
Hat z.B. ein elementares Konjunktionsglied einer KNF die Form Xpp,
so kann man es eliminieren (Taut), denn es ist logisch wahr; sind zwei Konjunktionsglieder der Form X (XA) vorhanden, so kann man sie durch X
ersetzen (Absorp), sind schließlich zwei Konjunktionsglieder der Form
(Xp)(Xp) vorhanden, so kann man sie ebenfalls durch X ersetzen (Distr,
Taut). Analoge Kürzungsmöglichkeiten ergeben sich für die DNF. Natürlich
lassen sich auch Wiederholungen der Form ...pp... durch ...p... und ...pp...
durch ...p... ersetzen. Auf diese Weise gelangt man, nachdem man zunächst
irgendeine KNF (bzw. DNF) gefunden hat, zur IKNF (bzw. IDNF).
104
Ein anderes Beispiel:


(p q) (q (rp))
|------------------------------ DN
(p q) (q (rp))
|------------------------------ Def
(p q) (q (rp))
|------------------------------ 2 x DeM
(p q) (q (r p))
|------------------------------ 2 x DN
p q) ((q  rp))
|------------------------------ Distr
p q) (q r p)
|------------------------------ Assoz
Ist eine DNF
p q (q r p)
|------------------------------ Absorp
Ist eine IDNF, zugleich IKNF
p q
IKNFs und IDNFs sind auch in der Wissenschaftstheorie sehr wichtig, z.B. bei
der Theorie der Erklärung und Voraussage, oder in der Theorie des relevanten
Schließens. Die wichtigste Beweistechnik des maschinellen Beweisen, die Resolutions-Refutations-Methode beruht auf der sogenannten Klauselform - in
der AL sind das nichts anderes als (in Mengen umgeschriebene) KNFs.
105
TEIL B: PRÄDIKATENLOGIK
9. Grundlagen der Prädikatenlogik (kurz: PL)
Wie schon erwähnt, zergliedert die Prädikatenlogik die aussagenlogisch unzerlegbaren Aussagen in noch weitere sprachliche Bestandteile. Die neu hinzukommenden nichtlogischen sprachlichen Zeichen bzw. Variablen sind:
- Prädikate: Einstellige Prädikate bezeichnen Eigenschaften oder Merkmale
wie "ist rot", "ist gut". Auch Arten wie ein Tiger", "ein Mensch" bzw. die zugehörigen Merkmalszuschreibungen "ein Tiger zu sein", "ein Mensch zu sein",
usw. Übliche Notation: F, G,, auch indiziert F1, F2; . optional: oberer Index legt Prädikate auf Stellenzahl fest, z.B. F1.
Mehrstellige Prädikate bezeichnen Relationen. Z.B. "x ist Bruder von y".
Übliche Notation: P, R, Q,; auch indiziert R1, R2;; optional: oberer Index
für Stellenzahl, z.B.R2.
(Wir sind so freizügig und verwenden gelegentlich andere "mnemotechnische" Buchstaben, z.B. "Bxy" für "x ist Bruder von y" usw.)
Prädikate stehen immer für sogenannte "generische Entitäten", also für
Allgemeines, das mehreren Einzeldingen zukommen bzw. mehrfach exemplifiziert sein kann.
- Individuenkonstanten: Sie bezeichnen immer Einzeldinge wie "Peter", "Düsseldorf", "diese Blume dort" etc.. Die Einzeldinge können auch sehr komplex
sein (z.B. Düsseldorf), also viele Teile haben; wesentlich ist nur, dass ein Einzelding nur einmal existiert; eine bestimmte raumzeitliche Ausdehnung hat.
Sie stehen also für Eigennamen oder andere singuläre Bezeichnungen; z.B. ostensive (hinweisende) oder indexikalische singuläre Terme: "dies da", "ich"
"hier" usw.
Es ist eine alte philosophische Frage, in welcher Weise generische Entitäten
("Universalien") real existieren können, denn sie haben ja keine bestimmten
Raumzeitstellen ("Universalienstreit").
"Elektron" kommt in der Welt mehrfach, an vielen Raumzeitstellen, vor;
"dieses Elektron" dagegen nur einmal. Für "Nominalisten" gibt es nur die einzelnen Elektronen; für Universalienrealisten gibt es auch etwas, das der allgemeinen Teilchenart "Elektron" entspricht.
Prädikate und Individuenkonstanten sind die kleinsten logisch unzerlegbaren
nichtlogischen Symbole der PL. Sie sind keine Sätze (Aussagen), sondern
106
"subsententiell".
Die grundlegende Operation, durch die in der PL ein Satz entsteht, ist die Operation der Prädikation, die in der natürlichen Sprache dem Wörtchen "ist" entspricht.
Beispielsweise sind "ist ein Mensch" ein einstelliges Prädikat, das auf ein Individuum wie z.B. Peter anzuwenden sind und damit den Satz "Peter ist ein
Mensch" erzeugt:
x ist Mensch ----------- (Peter ) ------------> "Peter ist ein Mensch"
wird angewandt auf
erzeugt
Mit der Übersetzung: Fx  x ist ein Mensch
a  Peter
lautet die logische Übersetzung von "Peter ist ein Mensch": Fa.
Man nennt "x" auch das Argument bzw. die Stelle von "Fx".
Viele Philosophen haben gerätselt, wofür denn eigentlich das "ist" in natursprachlichen Sätzen steht. (Vielleicht irgendeine "zusätzliche" Entität, über
alles konkret Existierende hinaus, dem "Sein", wie Heidegger sagt? Nein). Für
den Logiker ist die Funktion des Wörtchens "ist" eine logisch; das Wort drückt
die Operation der Prädikation aus, und kommt daher in der logischen Übersetzung nicht mehr als separates Zeichen vor.
Einstellige Prädikate drücken monadische Eigenschaften aus.
Dagegen ist "größer als" ein zweistelliges Prädikat .
Übersetzung:
Gxy  x ist größer als y
(x, y sind die Stellen von "Gxy").
Hinweis zu Indizes: untere Indizes sind eine fortlaufende Nummerierung, die
wir benutzen, wenn uns die Buchstaben ausgehen. Den oberen Index lassen
wir weg, wenn die Stellenzahl aus dem Kontext klar ist.  In dem Fall ist die
Stellenzahl durch dien Anzahl der hinter dem Prädikat stehenden Individuenzeichen gegeben. Z.B. ist "R" in "Rxy" zweistellig.
Hinweis zur Individuenvariablen x, y: In den Übersetzung machen wir von Individuenvariablen x, y etc. Gebrauch. Sie gehören zu den logischen Symbolen
und werden unten eingeführt. "x" ist in der Übersetzung ein Platzhalter für beliebige Individuenkonstanten, die anstelle von x stehen können. "x", "y" bezeichnet also selbst nichts, sondern macht uns nur die Grammatik des Prädika-
107
tes deutlich: sie geben an, wo die Position der Argumentstelle in der korrespondierenden natursprachlichen Übersetzung liegt.
Damit können wir bereits die einfachsten aller prädikatenlogischen Aussagen,
die atomaren Aussagen, in ihre prädikatenlogische Form kleiden:
Prädikatenlogisch Form
F1a
Beispiel
Peter ist ein Mensch
Übersetzungslegende
a --- Peter
F1x --- x ist ein Mensch
______________________________________________________________
Peter geht zu Paul
a --- Peter
G2ab
b --- Paul
G2xy --- x geht zu y
Auch erlaubt: Gab
______________________________________________________________
Peter geht mit Anna
a --- Peter
G3acb
zu Paul
b --- Paul
c --- Anna
G3xyz --- x geht mit y zu z
Auch erlaubte Schreibkonventionen: Gacb, G(a,c,b).
_______________________________________________________________
Ein Prädikat im logischen Sinn entspricht in der natürlichen Sprache nicht
einem einzelnen Verb, sondern der ganzen Verbalphrase eines Satzes, inklusive der Umstandsbestimmungen etc., die zum Verb gehören. Um die Verbalphrase kenntlich zu machen, brauchen wir Platzhalten für die Stellen des
Prädikates. Z.B. ist "x ist Bruder von y" (Fxy) ein anderes Prädikat als "y ist
Bruder von x" (Fyx)  aus Fxy folgt nicht unbedingt Fyx, denn Peter ist Annas
Bruder, aber Anna nicht Peters Bruder, sondern seine Schwester.
Ebenso ist das zweistelligen Gehen-Prädikat "x geht zu y" ein anderes als
das dreistellige "x geht mit y zu z".
Die atomaren Aussagen wollen wir natürlich mithilfe der aussagenlogischen
Junktoren , , , zu beliebigen komplexen Aussagen verknüpfen dürfen.
D.h., unsere prädikatenlogische Sprache soll alle aussagenlogischen Junktoren
enthalten. Z.B. können wir bilden:
(Fa   Ga), (Fa Rabc), (F1a1F2a2)F3a3, usw.
108
Darüber hinaus enthält die Prädikatenlogik die folgenden neuen logischen
Symbolarten, die das "logisch Neue" in ihr ausmachen:
- Quantoren:
 - der Allquantor, der für "für alle" steht
 - der Existenzquantor, der für "für mindestens ein" steht
Hinweis: Andere gebräuchliche Zeichen: für x: (x), (x), für x: (Ex), x
- Individuenvariablen: dargestellt durch x, y, z; auch indiziert x1, x2, ... usw.
Haben keine eigene Bedeutung; verweisen nur auf Stellen des Prädikats
Die Quantoren treten immer zusammen mit einer darauffolgenden Individuenvariable auf.
Die einfachsten quantifizierten Aussagen der Prädikatenlogik sind:
Form
zu lesen als
Beispiel und Interpretation
______________________________________________________________
xFx Für (mindestens) ein x gilt: Es gibt mindestens ein Ding, das
x hat die Eigenschaft F
vollkommen ist
Kurz. Es gibt Fs
Mit: Fx --- x ist vollkommen
_____________________________________________________________
xFx Für alle x gilt:
Alles ist vergänglich
x hat die Eigenschaft F
Fx --- x ist vergänglich
Kurz: Alles ist F
______________________________________________________________
Man sagt auch, der Quantor "x" bindet die Variable "x" im Ausdruck "xFx",
und nennt "x" in diesem Ausdruck eine gebundene Individuenvariable.
Wohlgeformte Formeln, in denen alle Individuenvariablen gebunden sind, sind
Sätze bzw. Aussagen (oder "geschlossene Formeln"). Sie besitzen Wahrheitswerte und tragen eine bestimmte Bedeutung.
Vorgriff auf Späteres  "offene Formeln":
Wenn "Fx" ohne einen Quantor davor auftritt (wie bisher z.B. in den Übersetzungen "Fx  x ist Mensch") sagt man, die Individuenvariable x ist darin frei,
also ungebunden, und spricht von einer freien Individuenvariable.
Achtung: Ausdrücke, in denen freie Individuenvariablen vorkommen, sind
keine Aussagen bzw. Sätze, denn freie Iv's haben keine bestimmte Bedeutung;
somit ist der Ausdruck unbestimmt und hat keinen Wahrheitswert. Man nennt
einen solchen Ausdruck eine offene Formel.
Offene Formel drücken einfache oder komplexe "Prädikate" bzw. Merkmale aus. (Fx einfaches Prädikat, FxGx komplexes Prädikate.)
109
Mehr zur logischen Funktion von offenen Formeln siehe unten.
Hinweis zu unterschiedlichen Terminologien:
In einigen logischen Systemen nennt man das, was wir als "Individuenkonstante" bezeichnen, eine "freie Individuenvariable". Dies hat den Grund, dass
es sich dabei logisch betrachtet um variabel interpretierbare nichtlogische Zeichen handelt, ebenso wie die "Aussagevariablen", die man traditionellerweise
"Variablen" nennt. Allerdings muss man dann das, was wir als "freie Iv's" bezeichnen, anderes nennen, z.B. "freie uninterpretierte Individuenvariablen"
(Iv's), im Gegensatz zu "freien interpretierten Iv's.
Wieder in anderen logischen Systemen nennt man die Individuenkonstanten "freie Iv's" und läßt die ausdrückliche Bildung von offenen Formeln in den
grammatischen Konstruktionsregeln der PL-Sprache erst gar nicht zu (so in der
früheren Version des Logik I Skriptums). Die grammatischen Konstruktionsregeln werden dadurch komplizierter. Dafür erspart man sich die Unterscheidung zwischen Aussagen (= geschlossenen Formeln) und offenen Formeln.
Die vier einfachsten und zugleich wichtigsten quantifizierten Aussagen mit
einstelligen Prädikaten sind:
Form
zu lesen als
Beispiel + Interpretation
______________________________________________________________
x(Fx Gx) Für alle x gilt: wenn x ein
Fx --- x ist ein Mensch
1.
F ist, dann ist x ein G
Gx --- x ist sterblich
Allimplikation Kurz. Alle Fs sind Gs
Alle Menschen sind sterblich
______________________________________________________________
x(Fx  Gx)
Für mindestens ein x
Einige Menschen sind sterblich
2. Existenz= gilt: x ist F und G
konjunktion
Kurz: Einige Fs sind Gs
______________________________________________________________
x(Fx  Gx) Es ist nicht der Fall, dass
Kein Mensch ist sterblich
3. = Negation für mindestens ein x gilt: 
von 2.
Für kein x ist gilt: x ist F und G.
Kürzer: Kein F ist G
("Kein" = Negation von "Es gibt")
______________________________________________________________
x(Fx Gx) Es ist nicht der Fall, dass Nicht alle Menschen sind sterblich
4. = Negation für alle x gilt: wenn x ein
von 1.
F ist, ist x ein G.
Kurz: Nicht alle Fs sind Gs
______________________________________________________________
Die oben angeführten 4 einfachsten quantifizierten Aussagen entsprechen
gleichzeitig den vier Aussageformen der Aristotelischen Syllogistik:
110
Aristotelische Notation
x(Sx Px)
SaP
x(Sx  Px)
SiP
x(Sx  Px)
SeP
x(Sx Px)
SoP
Alle S sind P
Einige S sind P
Kein S ist P
Nicht alle S sind P
Aristoteles nannte "S" den "Subjektbegriff", "P" den "Prädikatbegriff" und betrachtete logische Schlüsse wie etwa ("M" ist der "Mittelbegriff"):
SaM
MaP
SaP
Alle Menschen sind sterblich
Deutsche sind Menschen
Daher Deutsche sind sterblich
x(Sx Mx)
x(Mx Px)
x(Sx Px)
Wir gehen auf die Aristotelische Syllogistik nicht näher ein. Ihre zwei hauptsächlichen Unterschiede zur modernen Prädikatenlogik sind folgende:
(a) Die Aristotelische Syllogistik läßt überhaupt nur Aussagen der vier Arten SaP, SiP, SeP, SoP zu. Also atomare Aussagen und aussagenlogische Verknüpfungen atomarer oder quantifizierter Aussagen behandelt sie nicht. Auch
mehrstellige Relationen kennt sie nicht. Sie ist daher im Vergleich zur Prädikatenlogik sehr beschränkt.
(b) Aristoteles setzte bei der Interpretation seines Satztypus SaP voraus,
dass es mindestens ein x gibt, das S ist. Das wird in der modernen Prädikatenlogik nicht vorausgesetzt. Aus dem einfachen Grund, weil man auch über hypothetische Objekte sprechen möchte. Z.B. möchte man sagen "Alle Götter
sind unsterblich", auch wenn man meint, dass es keine Götter gibt.
Aus diesem Grund sah Aristoteles den folgenden Schluß als gültig an
SaP
x(Sx Px)
Alle fliegenden Pferde sind Pferde
ungültig!
SiP
x(Sx  Px)
Es gibt einige fliegende Pferde,
die Pferde sind
während der Schluss für uns ungültig ist.
Aus dieser von Aristoteles angenommenen Beziehung und der Tatsache,
dass SeP die Negation von SiP und SoP die von SaP ist, beruht das berühmte
logische Quadrat der Syllogistik -- worauf wir hier nicht eingehen.
Für uns ist eine Allimplikation x(Sx Px) trivial wahr, wenn kein x die
Eigenschaft S hat. Beispielsweise ist sind die Allsätz
"Alle fliegenden Pferde sind Pferde /... sind keine Pferde" beide wahr.
Hinweis: Allerdings kann man Allimplikationen mit leerem Vorderglied
nur sinnvoll rekonstruieren, wenn die verwendete Implikation stärker ist als die
materiale Implikation, also die Zusatzbedeutung des inhaltlichen Zusammen-
111
hangs hat (um das zu formalisieren, braucht man erweiterte Konditionallogiken). Denn gemäß materialer Implikation ist auch Allsatz
"Alle fliegenden Pferde sind Schweine"
wahr: kein x ist ein fliegendes Pferd ist, daher ist für alle x die Disjunktion
"kein fliegendes Pferd oder X" wahr, und somit auch die materiale Implikation
"x ist ein fliegendes Pferd x ist ein M" wahr, für beliebige Merkmale M.
Die Bedeutung dieser vier Aristotelischen Aussageformen und wichtigsten
Aussagetypen der monadischen Prädikatenlogik läßt sich durch sogenannte
Venn-Diagramme mengentheoretisch gut veranschaulichen. Hierbei werden
Prädikate durch Kreise dargestellt, welche die zugehörigen Mengen resp. Klassen veranschaulichen. Die Venn-Diagramme sehen so aus  die Straffierung
heißt, dass dieses Teilsegment nichtleer sein muss; nichtstraffierte Kreise können, müssen aber nicht leer sein:
SaP
x(Sx Px)
P
S
x(Sx  Px)
S
SiP
P
Die Menge aller S liegt
vollständig in der Menge der P
(Mengentheoretisch: {x: Sx}  {x: Px} )
Die Überschneidung der S- und PMenge ist nicht leer, oder
(Mengentheoretisch:{x: Sx}  {x: Px}   )
nicht leer
SeP
P
x(Sx  Px)
S
SoP x(Sx Px)
S
P
nicht leer
Die Überschneidung der S- und PMenge ist leer
(Mengentheoretisch: {x: Sx}  {x: Px} =  )
Die Menge aller S, die nicht in P liegen (das
Komplement von P in S) ist nicht leer
(Mengentheoretisch:{x: Sx}  {x: Px}  
112
PL-Aussagen, die keinen Quantor enthalten, nennt man auch singuläre
Aussagen. Eine Untergruppe davon sind die bereits erwähnten atomaren Aussagen, die AL-unzerlegbar sind.
Wir verschaffen uns in diesem Einführungskapitel nun einen Kurzüberblick
über die einfachsten logischen Beziehungen zwischen quantifizierten und singulären Aussagen:
(i) Aus einer Allsatz folgt (. . .) ein entsprechender singulärer Satz, und aus
diesem ein entsprechender Existenzsatz:
 xFx. . . FaFa . . . xFx
(ii) Aus einer Allimplikation und der singulären Anfangsbedingung folgt die
singuläre Konsequenzbedingung - dieser Schluß heißt in der Wissenschaftstheorie Erklärungsschema:
x(FxGx) , Fa . . . Ga
(iii) Ein geeigneter Singulärsatz falsifiziert einen Allsatz, nämlich:
FaGa . . . x(FxGx)
und ebenso falsifiziert ein geeigneter Existenzsatz falsifiziert einen Allsatz:
 x(FxGx) . . . x(FxGx)
-- auch das ist wissenschaftstheoretisch bedeutsam und heißt
Falsifikationschema.
(iv) Ein Allsatz ist logisch äquivalent mit der Negation eines geeigneten Existenzsatzes, nämlich:
 . . . x(FxGx)  x(FxGx)
Man kann dies das "Popper-Schema" nennen, weil Popper darauf Hinwies,
dass Naturgesetze, also strenge Allsätze, äquivalent sind mit dem "Verbot"
(der Negation) von möglichen Sachverhalten.
Weitere Erläuterungen zum Verständnis quantifizierter Aussagen:
1.) So wie die freien Individuenvariablen tragen auch die gebundenen Individuenvariablen x, y, ... etc. keine eigenständige Bedeutung, sondern geben lediglich an, auf welches Prädikat bzw. welche Argumentstelle eines Prädikats
sich der entsprechende Quantor bezieht. Gebundene Variablen sind daher gar
keine wirklichen Variablen  ihre Bedeutung resp. Interpretation variiert nicht
über verschiedene Individuen, sondern ist fixiert durch ihre Funktion zu-
113
sammen mit dem zugehörigen Quantor.
Dass die gebundene Variable keine eigenständige Bedeutung tragen, sieht
man am besten so:
Die beiden Aussagen
xFx
und
yFy
besagen beide genau dasselbe, nämlich dass alle Individuen (des zugrundeliegenden Bereichs) F sind. Ob als gebundene Variable x oder y genommen wird,
ist ohne Belang. Verschiedene gebundene Individuenvariablen spielen nur
dann eine Rolle, wenn es darum geht, in ein und derselben Formel über verschiedene Argumentstellen zu qualifizieren. Z.B. bedeutet xyRxy etwas anderes als xyRxy - s. unten.
2.) Die Menge aller Individuen, auf die sich ein Quantor zusammen mit der gebundenen Individuenvariable bezieht, nennt man den zugrundeliegenden semantischen Individuenbereich (auch: Objektbereich, im Englischen: domain).
Wenn man den Individuenbereich nicht durch nähere Angaben eingrenzt, so ist
damit immer der universale Individuenbereich gemeint, also alle Gegenstände
(Individuen ...) des Universums: "x ..." bzw. "x ..." ist dann zu lesen als:
"Für alle x des universalen Bereichs gilt: ..." bzw. "Für mindestens ein x des
universalen Bereichs gilt: ...".  Man kann sich auch auf einen eingeschränkten
Individuen- bereich festlegen, z.B. auf den Bereich aller physischen Gegenstände, den Bereich aller Zahlen, den Bereich aller Personen. In diesem Fall
muss der zugrundeliegende Individuenbereich bei der Interpretation einer prädikatenlogischen Aussage mitangegeben werden.
3.) Jener Teil einer quantifizierten Aussage, auf den sich ein Quantor zusammen mit seiner gebundenen Variablen bezieht, heißt der (syntaktische) Bereich
des Quantors. Der Bereich eines Quantors ist einfach jene Teilformel, die unmittelbar auf den Quantor folgt. In folgenden Beispielen ist der Quantorbereich
eingezeichnet:
xFx
xFx
x(Fx  Gx)
x(Fx Gx)
x(Fx Gx)
Die Bereiche  die unterstrichenen Teilausdrücke  heißen Teilformeln. Würden sie allein stehen  also "Fx", "FxGx"  dann wären sie offene Formeln
und würden freie Iv's enthalten. Durch die Quantoren werden ihre Iv's gebunden, was wir hier durch den Pfeil andeuten: xFx
114
Z.B. ist x(FxGx) ein Satz; (FxGx) dagegen eine offene Formel.
In "x(Fx  Gx)" bezieht sich das "x" nicht bloß auf den Bereich "Fx",
sondern auf den ganzen Bereich "(Fx Gx)".
Das wird durch die Klammern klargemacht: die Teilaussage, die auf "x"
unmittelbar folgt, ist eben "(Fx Gx)" und nicht "Fx", denn zwischen "x”
und "Fx" steht die Klammer.
Bei Aussagen mit mehreren hintereinanderstehenden Quantoren sind die Bereiche ineinander verschachtelt. Z.B.
xy(Fx Ryx)
Bereich von y
Bereich von x
Hier ist es wichtig, die gebundenen
Variablen x und y auseinanderzuhalten (müssen verschieden sein).
Beispiel für xy(Fx Ryx):
Alle physikalischen Ereignisse haben (irgend)eine Ursache
Fx - x ist ein physikalisches Ereignis
Rxy - x ist Ursache von y
Wir können quantifizierte Aussagen auch aussagenlogisch verknüpfen, sodass
die Bereiche verschiedener Quantoren nicht ineinander liegen. Z.B.
 xFx  yGy
Beispiel für xFx  yGy:
Alles ist vergänglich und es gibt einen Gott
Fx - x ist vergänglich, Gx - x ist Gott
Hier ist es unwesentlich, welche gebundene Individuenvariablen verwendet
werden: Die Aussage xFx  yGy ist gleichbedeutend mit: xFx  xGx,
zFz  xGx, etc.
4.) Man beachte: Bei gleichen Quantoren ist die Reihenfolge bedeutungsmäßig
belanglos, denn xyRxy besagt dasselbe wie yxRxy und xyRxy dasselbe wie yxRxy. Bei verschiedenen Quantoren aber macht die Reihenfolge
einen Unterschied: xyRxy ist eine wesentlich stärkere Behauptung als
yxRxy. Bedeutet etwa Rxy  x ist Ursache von y, so besagt xyRxy, dass
alles ein und dieselbe gemeinsame Ursache hat, während yxRxy besagt,
dass jedes Ding irgendeine, aber nicht notwendigerweise dieselbe Ursache hat.
Schließlich beachte man, dass xRxx etwas viel Spezielleres besagt als
xyRxy. Ersteres, dass jedes Ding zu sich selbst in Beziehung R steht (z.B.
jeder liebt sich selbst, mit: Rxy - x liebt y). Letzteres besagt dagegen, dass je-
115
des Ding mit jedem (anderem oder gleichem) Ding in Beziehung R steht -- also z.B. jeder liebt jeden anderen.
Relationsaussagen lassen sich nur mehr sehr schwer graphisch darstellen.
Am ehesten noch zweistellige Relationen - allerdings nicht mehr durch einfache Venn-Diagramme, sondern durch graphische Zuordnungen zwischen
Mengen. Beispielsweise kann die Relation "größer als" innerhalb der Menge
{1, 2, 3} so dargestellt werden (Pfeile drücken wahre Instanzen der Aussage
aus):
Relation "größer als":
3
2
1
3
2
1
Folgende graphische Darstellung verdeutlicht die Bedeutung von Relationsaussagen mit zwei Quantoren:
xyR1xy
...
3
2
1
0
x
Für jede Zahl x gibt es eine Zahl y, die um 1 größer ist
...
...
4
3
2
1
0
y
xyR2xy
...
2
1
0
x
Es gibt eine Zahl x, die kleiner oder gleich jede andere ist
...
3
...
2
1
0
y
116
xyR3xy
Für jede Zahl x und jede Zahl y gilt: x ist kleiner, gleich oder
größer als y. Individuenbereich: {0, 1, 2, 3}
3
2
1
x
xyR4xy
3
2
1
y
Es gibt eine Zahl x und eine Zahl y sodass x das
Doppelte von y ist. Individuenbereich: {1, 2, 3}
3
2
1
x
xR5xx
...
3
2
1
0
x
3
2
1
y
Für jede Zahl x gilt: x ist mit sich selbst identisch
...
...
3
2
1
0
y
PL-Aussagen, die Quantoren enthalten, nennt man allgemein quantifizierte
Aussagen. Eine wichtige Untergruppe davon sind jene, die mit ein- oder mehreren hintereinander stehenden Quantoren beginnen, gefolgt von einer quantorfreien Formel - das sind quantifizierte Aussagen in sogenannter pränexer
Normalform (s. Kap. 14.2). Quantifizierte Aussagen in pränexer Normalform
sind unter anderen für viele mathematischen Definitionen wichtig z.B. ist die Definition des Grenzwertes g einer unendlichen Zahlenfolge (x1,
x2,  ) die folgende ---Aussage:
n m≥n: |xm-g| ≤ .
117
10. Die Sprache der Prädikatenlogik (1. Stufe)
So wie in der AL wollen wir nun genau definieren, was eine (korrekt gebildete) prädikatenlogische Aussage ist. Hierbei gibt es unterschiedliche mögliche Vorgehensweisen.
Wir gehen maximal einfach vor und definieren daher zugleich wohlgeformte Aussagen (= geschlossene Formeln) und offene Formel. Zu diesem
Zweck definieren wir zunächst folgenden Begriff:
Singuläre Terme: Individuenvariablen und Individuenkonstanten heißen singuläre Terme.
Wir benutzen hierfür die Schemabuchstaben: t1, t2,, die somit für Individuenvariabeln (xi) oder Individuenkonstanten (ai) stehen.
Formregel der PL:
1. Atomare Formeln:
Ist R ein n-stelliges Prädikat und sind t1, ..., tn singuläre Terme (nicht notwendigerweise verschieden), dann ist Rt1 ..tn eine (wohlgeformte) Formel.
Rt1 ...tn heißt dann atomar.
Hinweis: Für R kann auch Q etc. gesetzt werden, d.h. wir haben hier "R"
als Schemabuchstaben für beliebige n-stellige Prädikate und t1, ..., tn als
Schemabuchstaben für beliebige singuläre Terme verwendet.
2. AL-Formregeln:
(A, B sind jetzt Schemabuchstaben für Formeln !)
Sind A und B (wohlgeformte) Formeln, dann sind auch
2a) A
2c) (A  B), und
2b) (A  B)
2d) (A  B)
(wohlgeformte) Formeln.
Hinweis: Als definiertes Zeichen benutzen wir wieder:
(AB) =def (AB)  (BA)
3. Formregeln für quantifizierte Aussagen:
Ist A eine (wohlgeformte) Formel und x eine Individuenvariable, dann sind
auch
3a) xA und 3b) xA
(wohlgeformte) Formeln.
Für x kann auch y, z stehen; d.h. x fungiert als Schemabuchstabe für beliebige Individuenvariablen.
4. Sonst ist nichts eine (wohlgeformte) Formel.
118
Bemerkungen:
(A) Man kann die Formregel (3) auch anders formulieren, sodass nur Aussagen
bzw. geschossene Formeln zugelassen sind. Dann darf man z.B. "Fx" nicht
bzw. nicht "offiziell" verwenden, und muss stattdessen die Substitutionsnotation A[a/x] (die wir weiter unten einführen) bereits in den Formregeln verwenden.
Als Preis der einfacheren Formregeln müssen wir die Begriffe der
"freien/gebundenen" Individuenvariable und "offenen/geschlossenen Formel"
zur logischen Grammatik hinzunehmen:
Definition: Eine Individuenvariable x (bzw. ein Vorkommnis derselben) heißt
in einer Formel heißt frei, wenn es nicht im Bereich eines Quantors der Form
x oder x auftritt; ansonsten heißt die Individuenvariable gebunden.
Eine Formel heißt geschlossene Formel, oder Satz oder Aussage, wenn in
ihr keine freien Individuenvariable vorkommt. Sonst heißt sie offene Formel.
Rekapituliere: Freie Individuenvariablen haben keine Bedeutung, und Formeln keinen Wahrheitswert. Nur Sätze/Aussagen haben einen Wahrheitswert.
Beispiele:
x(FxGy)
xy(RxzQy)
xFx  Gx
x durch "x" gebunden, y frei
x, y sind gebunden z ist frei
x links gebunden, rechts frei (s. Übungsbeispiele 10.2)
(B) Unser System lässt auch redundante Quantoren zu:
Beispiel: Da Fa wohlgeformt ist, dürfen wir auch die pseudo-quantifizierten
Formeln xFa und xFa bilden,
(z.B. für mindestens ein x gilt: Schnee ist weiß)
obwohl der Quantor hier nichts bindet und daher überflüssig ist.
Gemäß der PL-Semantik gilt
 xFa und xFa sind einfach gleichbedeutend mit Fa.
Ebenso ist
xyFy gleichbedeutend mit yFy
xxFx gleichbedeutend mit xFx , usw.
Definition:
(i) Ein Quantor der Form x oder x heißt (ist einer Formel)überflüssig wenn
die Individuenvariable x in seinem Bereich nicht frei vorkommt.
(ii) Ist der Quantor x/x in der Formel xA/xA überflüssig, dann sind xA
und xA gleichbedeutend mit A.
119
Hinweis: Man kann die Formregeln so einschränken, dass keine redundanten
Quantoren möglich sind: dann werden die Formregeln erneut komplizierter (s.
frühere Version des Logik I Skriptums).
(C) Die so gebildete Prädikatenlogik nennt man Prädikatenlogik 1. Stufe, weil
hier nur über Individuenvariablen quantifiziert wird. Eine Logik, in der man
nicht nur über Individuenvariablen, sondern auch über Prädikatvariablen quantifizieren kann, heißt PL 2. Stufe.
Mithilfe dieser Formregeln können wir nun - wie in der Aussagenlogik - für
jede Zeichenreihe bestimmen, ob sie eine (wohlgeformte) prädikatenlogische
Formel oder Aussage ist, und im positiven Fall ihren Konstruktionsbaum
zeichnen.
Z.B. ist x(F1x  G1x) wohlgeformt, und der Konstruktionsbaum lautet:
x(F1x  G1x):
(1)
F1x
(1)
G1x
(2d)
(F1x  G1x)
(3b)
x(F1x  G1x)
Für die Bildung der Konstruktionsbaume prädikatenlogischer Aussagen
gehen wir allgemein wie folgt vor:
Wir führen zuerst atomare Formeln mithilfe Formregel (1) ein.
Danach wenden wir die AL-Formregeln (2a-d) oder die PL-Formregeln
(3a,b) an und arbeiten uns von innen nach außen bis zur Gesamtaussage vor.
Weitere Beispiele:
F1a: (1)
F1a
F1a  R 2ab:
(1)
F1a
(1)
R2ab
2b
(F1a  R2ab)
F2a
 ist keine Aussage, die Stellenzahl stimmt nicht
120
Die Korrektheit der Formregel (1) können wir nur prüfen, wenn wir beim Prädikat explizit seine Stellenzahl als oberer Index anführen. Das ist aber später
umständlich:
Konvention: Wird bei Prädikaten keine Stellenzahl als oberer Index angegeben, so nehmen wir an, dass die Stellenzahl des Prädikats mit der Anzahl seiner Argumente in der Formel übereinstimmt - dass also alle atomaren Aussagen korrekt gebildet wurden.

xFx:
(1)
Fx
(2a)
Fx
(3b)
xFx
xFx xGx:
(1)
Fx
(3b)
xFx
(1)
Gx
(3a)
xGx
(2a)
xGx
(2d)
xFx xGx
xy(Fx Gxy):
(d.h. G hier zweistellig)
(1)
Fx
(1)
Gxy
(2d)
(FxGxy)
(3a)
y(Fx Gxy)
(3b)
xy(Fx Gxy)

121
x(Fx xR): nicht wohlgeformt, denn hinter R fehlen die singulären Terme
xFxx(Fx)  nicht wohlgeformt; Atomformeln werden nicht geklammert.

xFx  x(Gx  yRxy):
(1)
Fx
(3a)
xFx
(1)
Gx
(1)
Rxy
(3a)
yRxy
(2c)
(Gx  yRxy)
(2a)
(Gx  yRxy)
(3b)
x(Gx  yRxy)
(2b)
xFx  x(Gx  yRxy)


122
11. Repräsentierung in der Prädikatenlogik
Bei der Übersetzung eines natursprachlichen Satzes in eine PL-Aussage gibt es
noch weniger Standardregeln als in der AL. Wir müssen herausfinden, welche
Teile resp. Worte des gegebenen natursprachlichen Satzes folgenden PLZeichen entsprechen:
a) Individuenkonstanten - diese entsprechen meist Eigennamen, persönlichen
Fürwörtern (er, sie ...) oder hinweisenden Fürwörter wie "dieses", "hier",
"jetzt", oder ganzen Nominalphrasen (etc.)
(Fürwörter nennt man auch indexikalische Ausdrücke, weil ihre Referenz von
Sprecher, Zeit oder Ort ihrer Äußerung abhängt.)
b) Prädikate - diese entsprechen meist Verbalphrasen des Satzes. Vor alledem
muss die Stellenzahl des Prädikats herausgefunden werden.
c) Quantoren. Z.B. entsprechen Allquantoren Phrasen wie "alle, jeder, immer
..." etc., Existenzquantoren "einige, es gibt, jemand, einmal, etwas ...", negierte
Existenzquantoren entsprechen "niemand, keiner, nichts ..." etc. - Genaueres s.
unten. Quantoren können aber auch versteckt auftreten - s.u.
d) Aussagenlogischen Junktoren - darüber sprachen wir im AL-Teil.
- Bei der PL-Repräsentierung natursprachlicher Sätze darf man sich nicht zu
sehr an der natursprachlichen Grammatik orientieren, da letztere die PLStruktur oft nicht wiedergibt. Z.B. haben in den beiden Sätzen
(1) Dieser Tiger ist stark
(2) Der Tiger ist stark
die grammatischen Satzsubjekte "dieser Tiger" und "der Tiger" eine völlig unterschiedliche PL-Bedeutung: "dieser Tiger" ist eine Individuenkonstante und
(1) hat daher die Form Ga, während "der Tiger" einen Allsatz über Tiger andeutet, d.h. (2) ist von der Form x(Fx Gx).
Damit zusammen hängend hat auch das IST in den beiden Sätzen eine andere Bedeutung: einmal als Prädikation, und das andere Mal als Allimplikation.
(Dies wird auch in der Aristotelischen Syllogistik nicht auseinandergehalten;
beides werden als Sätze der Form SaP angesehen.)
Versteckte Quantoren: Oft sind auch Quantoren in natursprachlichen Verbalphrasen versteckt, z.B. scheint der Satz
123
(3) Peter sieht etwas
ein einfacher Subjekt-Prädikat-Satz zu sein; tatsächlich handelt es sich um eine
Existenzaussage, nämlich
(3') Es gibt ein x: Peter sieht x.
Der Existenzquantor rutscht also in der natürlichen Sprache in die Verbalphrase "sieht etwas", während in der PL-Wiedergabe die Quantoren immer voranzustellen sind.
Das "etwas" drückt im Regelfall einen Existenzquantor aus. Auch hier gibt es
eine Ausnahme: Wenn das Etwas im Wenn-Glied einer Wenn-Dann-Aussage
vorkommt, ist damit eine Allaussage gemeint. Z.B.:
(4) Wenn etwas aus Holz ist, dann ist es brennbar
besagt:
Alles, was aus Holz ist, ist brennbar
x(HxBx) mit Hx - x ist aus Holz, Bx - x ist brennbar
Man beachte, dass das "es" im Dann-Glied auf das "etwas" im Wenn-Glied zurückweist -- d.h. weder das wenn Glied noch das Dann-Glied sind ein eigenständiger Aussagesatz, sondern beide sind eben quantifiziert.
Im folgenden werden wir für die wichtigsten PL-Satztypen die natursprachlichen Korrelate und deren Ausnahmen angegeben. Die einfachsten Sätze sind
natürlich singuläre Sätze (= Sätze ohne Quantoren) wie:
(5) Wenn Peter krank ist, dann wohnt er bei Mama
Repräsentierung: Fa Pab
Übersetzung:
Fx - x ist krank
Pxy - x wohnt bei y
a - Peter
b - Mama
Die folgenden natursprachlichen Sätze
(6) Eisbären sind weiß
(7) Die Eisbären sind weiß
(8) Der Eisbär ist weiß
(9) Ein Eisbär ist weiß
(10) Jeder Eisbär ist weiß
(11) Alle Eisbären sind weiß
drücken alle eine Allimplikation aus, von der PL-Form:
(12) x(Ex Wx)
124
Übersetzung:
Ex - x ist ein Eisbär
Wx - x ist weiß
Ausnahmen: Nicht alle Sätze der gleichen grammatischen Form wie (6) - (11)
sind bzw. meinen strenge Allsätze. Ausnahmen sind z.B.:
(6*) Elefanten sind langlebig
(7*) Die Schweizer sind wohlhabend
(8*) Jeder Diebstahl ist strafbar
In (6*) und (7*) wird keine strenge Allaussage gemacht, sondern bloß eine
"statistische" oder "normische" Aussage, die besagt, dass "die meisten" Elefanten lange leben bzw. das "Durchschnittseinkommen" der Schweizer sehr hoch
ist. Solche statistischen oder "normischen" Aussagen lassen sich PL nicht wiedergeben (sie entsprechen also einer Aussagevariable p). In (8*) handelt es
sich um eine Allaussage, bei der von Ausnahmen abgesehen wird.
Eine weitere Ausnahme sind generische Individuen  Aussagen, in denen
etwas über eine Art als Ganzes behauptet wird, z.B.:
(13) Die Dinosaurier sind ausgestorben.
Es hätte keinen Sinn zu sagen "dieser Dinosaurier ist ausgestorben". Satz (13)
muss daher durch eine singuläre PL-Aussage wiedergegeben werden:
(14)
Fa
a - die Art der Dinosaurier
Fx - x ist ausgestorben.
Die folgenden natursprachlichen Sätze
(15) Es existieren Bibelhandschriften aus dem 4. Jh.
(16) Es gibt Bibelhandschriften aus dem 4. Jh.
(17) Einige Bibelhandschriften sind aus dem 4. Jh.
(18) Manche Bibelhandschriften sind aus dem 4. Jh.
(19) (Mindestens) eine Bibelhandschrift ist aus dem 4. Jh.
(20) Es existiert (mindestens) eine Bibelhandschrift aus dem 4. Jh.
(21) Es gibt (mindestens) eine Bibelhandschrift aus dem 4. Jh.
drücken alle einen Existenzsatz folgender Form aus:
(22)
x(Fx  Gx)
Fx - x ist eine Bibelhandschrift Gx - x ist aus dem 4. Jh.
(analog für: es gibt weiße Raben, )
Allerdings haben einige dieser Sätze, z.B. (17), eine Zusatzbedeutung - nämlich dass es nicht nur eine, sondern "einige", also "mehrere" Bibelhandschriften
gibt.
125
Noch deutlicher wird diese Zusatzbedeutung in Sätzen wie
(23) Etliche F sind G
(24) Viele F sind G
etc. Alle derartigen Sätze lassen sich nicht vollständig PL-repräsentieren, da
wir innerhalb der P.L. nur zwischen "x" und "x" unterscheiden können. Wir
können also nur eine Teilbedeutung von (23) und (24), nämlich eben "x(Fx 
Gx) " repräsentieren - die Zusatzbedeutung, dass es sich um "etliche", "viele"
handelt, ist nicht PL- repräsentierbar.
Erwähnt sei, dass es möglich ist, innerhalb der PL Zahlenquantoren zu definieren, z.B.
5x = es gibt genau 5x, sodass ...
Damiot kann man die finite Arithmetik innerhalb der PL "logisch ableiten".
Jedoch behandeln wir dies erst in der Logik II, wo wir die Identität = und
Funktionszeichen einführen).
Dass gewisse natursprachliche Sätze nur in einer Teilbedeutung logisch repräsentierbar sind, wissen wir ja bereits aus der AL (= Aussagenlogik). Wichtig
ist hier zu beachten: Wenn A nur eine logische Teilbedeutung eines natursprachlichen Satzes S repräsentiert, dann ist A eine inkorrekte Repräsentierung von Nicht-S! Z.B. wird
"Nicht viele F sind G"
durch "x(Fx  Gx) inkorrekt repräsentiert (denn wenn nicht viele F's G's
sind, heißt das ja noch lange nicht, dass kein F G ist).
Folgende natursprachliche Sätze entsprechen PL Allsätzen bzw. PL Existenzsätzen mit nur einem Prädikat:
(25) Jemand hat gerufen
(26) Es hat jemand gerufen
(27) Es fährt etwas auf der Straße
(28) Es gibt platonische Ideen
entsprechen
(29) xFx
(30) Jedermann strebt nach Glück
(31) Jeder strebt nach Glück
(32) Alles ist vergänglich
(33) Alles fließt
entsprechen
(34) xFx
126
Ein weiteres Beispiel:
Alle Menschen sind sterblich, aber nur manche sind vernünftig
Die Zusatzinformation im "nur" besagt, dass nicht alle Menschen vernünftig
sind.
Also: x(Mx Sx)  x(Mx  Vx)  x(Mx Vx)
mit: Mx - x ist ein Mensch
Sx - x ist sterblich
Vx - x ist vernünftig
Wichtig ist auch, in natursprachlichen Sätzen Quantoren zu identifizieren, die
über Orte (Raumpunkte, Raumintervalle) und über Zeitpunkte (Zeitintervalle)
laufen. Bei der Formalisierung solcher Sätze drückt man die gebundenen Ortsvariablen meist durch s und die gebundenen Zeitvariablen durch t aus (analog
zur Physik). Orts- resp. Zeitkonstanten kann man durch ks und kt ausdrücken,
wobei k für "irgendeinen konstanten Wert" steht. Einige Beispiele:
(35) Die Gravitationskraft wirkt überall
entspricht
(36) sWas
Wxs - x wirkt am Ort s
a - die Gravitationskraft
Der Individuenbereich der gebundenen Variable s sind Raumpunkte.
(37) Peter ist immer freundlich
entspricht
(38) tFat
Fxt - x ist freundlich zu t
a - Peter
Der Individuenbereich für t sind Zeitpunkte.
Man sieht an obigen Beispielen: Treten in einem natursprachlichen Satz Ortsund Zeitangaben auf, so sind diese immer als zusätzliche Argumentstellen der
Prädikate aufzufassen! (- und nicht als eigene Prädikate). Ein n-stelliges natursprachliches Verb plus Orts- und Zeitangabe ist also in der PL zu repräsentieren als ein n+2-stelliges Prädikat:
Rn+2x1...xn s t
x1...xn: Gegenstandsangaben
s: Ortsangabe
t: Zeitangabe
127
Für negierte Existenzquantoren hat unsere Sprache eigene Ausdrücke wie
"nichts", "keiner" etc. zur Hand. Alle folgenden natursprachlichen Sätze
(39) Nichts währt ewig
(40) Es gibt nichts, was ewig währt
(41) Es gibt keine platonischen Ideen
(42) Es existieren keine platonischen Ideen
(43) Niemand hat gerufen
(44) Es hat niemand gerufen
(45) Keiner hat gerufen
(46) Nichts fährt auf der Straße
entsprechen der PL-Aussage:
(47) xFx
Zusammengesetzte negierte Existenzsätze sind etwa
(48) Kein Eisbär ist schwarz
(49) Es gibt keine schwarzen Eisbären
- mit der PL-Form
(50) x(Fx  Gx)
Fx - x ist ein Eisbär
Gx - x ist schwarz
Man beachte die unterschiedliche Stellung der Negation in folgenden Sätzen:
(51) Kein Eisbär ist schwarz
x(Fx  Gx)
Negierte Existenzkonjunktion
(52) Der Eisbär ist nicht schwarz
(Alle Eisbären sind nicht schwarz)
x(Fx Gx)
Allimplikation im negiertem Hinterglied
(53) Die Eisbären sind nicht alle schwarz
(Nicht alle Eisbären sind schwarz)
x(Fx Gx)
Negierte Allimplikation
(51) und (52) haben eine verschiedene grammatische Form, sind jedoch logisch äquivalent.  Wir haben bereits erwähnt, dass generell eine Allimplikation der Form x(AB) mit einer negierten Existenzkonjunktion x(AB)
logisch äquivalent ist.  (53) drückt jedoch etwas anderes aus als (51) und
(52)!
128
Die folgenden Beispiele zeigen abschließend die Repräsentierung von einfachen Sätzen mit mehreren Quantoren. Voralledem geht es dabei darum, versteckte Quantoren herauszufinden - z.B. ist im Satz (54) "der Mars hat Monde"
im "Monde-haben" ein Existenzquantor versteckt: "es gibt einige x, die Monde
des Mars sind".
Übersetzung für die Beispiele (54) - (62):
a - Mars
b - Venus
Mxy - x ist Mond von y (bzw.: y hat x als Mond)
Px - x ist ein Planet
(54) Der Mars hat Monde
xMxa
(55) Alle Planeten habe Monde
x(Px yMyx)
(56) Alle Planeten haben einen gemeinsamen Mond
yx(Px Myx)
(57) Einige Planeten haben keinen Mond
x(Px  yMyx)
(58) Nicht alle Planeten haben einen Mond
x(Px yMyx)
(59) Die Venus hat keinen Mond
xMxb
(60) Nur Planeten haben Monde
x(yMyx Px)
(61) Nicht nur Planeten haben Monde
x(yMyx Px)
(62) Kein Planet hat alle Monde
(Kein Planet hat alle Monde beliebiger Planeten zugleich.
als seine Monde)
x(Px  y(z(Pz  Myz) Myx))
129
*12. Semantik der Prädikatenlogik
12.1 Sprachphilosophie: Extension und Intension
In der Sprachphilosophie unterscheidet man allgemein zwischen einer extensionalen und einer intensionalen Interpretation der Prädikatvariablen und
Individuenkonstanten. Generell gesehen, kann der philosophische Unterschied
zwischen extensionaler und intensionaler Interpretation so formuliert werden:
Die Extension sprachlicher Zeichen sind jene Teile der Welt (Gegenstände,
Gegenstandsklassen), auf die die Zeichen sich beziehen. (Kurz: Extension =
Gegenstand). Die Intension sprachlicher Zeichen ist das, was die Zeichen bedeuten, wie wir sie definiert haben (Kurz: Intension = Bedeutung).
Näher aufgeschlüsselt (die Terminologie geht auf Carnap zurück):
Ausdruck
Extension
Intension
______________________________________________________________
Prädikat
Ist eine Menge resp. Klasse
Ist eine Eigenschaft, z.B.
z.B. "rot"
z.B.: Die Klasse aller roten Dinge
die Eigenschaft, rot zu sein
__________________________________________________________________________
IndividuenKonkreter Gegenstand
Charakteristisches Merkmalskonstante,
(Individuum)
bündel; z.B. die Person mit den
z.B. "Peter"
Peter
u. den typischen Eigenschaften
__________________________________________________________________________
Aussage
Wahrheitswert
ausgesagter Sachverhalt
__________________________________________________________________________
Die logische Semantik der PL befasst sich nur mit extensionaler Interpretation. So wie in der AL den Aussagevariablen Wahrheitswerte (w, f) zugeordnet
werden, so werden in der PL nun den Prädikaten Klassen von Individuen zugeordnet und den Individuenkonstanten Individuen. Relationen betreffend
werden 2-stelligen Relationszeichen Klassen von Paaren von Individuen zugeordnet, 3stelligen Relationszeichen Klassen von 3er-Folgen von Individuen,
usw.
Die PL-Semantik ordnet den PL-Aussagen damit mengentheoretisch formulierte Strukturen zu, sogenannte Modelle, zu. Die Semantische Grundidee
der PL ist folgende Wahrheitsdefinition:
"Fa" ist wahr in einem Modell (D,I) mit Individuenbereich D und Interpretationsfunktion I, wenn das a zugeordnete Individuum I(a) ein Element der
dem Prädikat F zugeordneten Klasse I(F) ist.
Wir werden uns damit in der Logik I nicht näher befassen. Die folgenden
Abschnitte sind ein Exkurs.
130
12.2 Exkurs in die mengentheoretischeSemantik der PL
Einige mengentheoretische Grundbegriffe und Grundlagen:
(a) {a, b, c} bezeichnet die Menge bestehend aus a, b und c.
{x: Fx} bezeichnet die Menge aller x, die F sind
(b) "" ist die Elementrelation. D.h. "aA" besagt, "a ist ein Element der
Menge A". Z.B. gilt a{a, b, c, ...}, oder a{x: Fx} g.d.w. (genau dann, wenn)
Fa, usw.
(c) Mehrstellige Relationen ordnet man geordnete Folgen von Individuen zu.
Z.B. ordnet man der 2-stelligen Relation "... ist größer als ..." die Menge aller
Paare <x, y> zu sodass x größer ist als y. Für ein geordnetes Paar ist die Reihenfolge ausschlaggebend ist, d.h. <x, y> ist ein anderes Paar als <y, x>. Dies
muss ja auch so sein, denn wenn x größer ist als y, so ist doch keineswegs auch
y größer als x - d.h. in der Extension von "größer als" ist das Paar <x, y>, nicht
aber <y, x> enthalten. Bemerkung: Dies ist ein wichtiger Unterschied zwischen Folgen und Mengen: bei Mengen kommt es nämlich nicht auf die Reihenfolge der Elemente an,
d.h. {a, b} = {b, a}. Dagegen gilt: <a, b> ≠ <b, a>.
Die dreistellige Relation "x geht von y nach z" hat als Extension die Menge
aller Tripel - i.e. geordnete Folgen von drei Elementen - <x, y, z>, sodass x
von y nach z geht. Oder etwas formaler: Wenn I die "Interpretationsfunktion"
ist, die dem Prädikat R3 seine Extension zuordnet, so gilt:
I(R3) = {<x, y, z>: R3xyz}.
(d) Im folgenden stehen Großbuchstaben für Mengen.
Sei nun D eine Menge, so bezeichnet Dn die Menge aller geordneten Folgen
von n Individuen, die aus Elementen von D gebildet werden können. Eine solche geordnete Folge heißt auch n-Tupel. Dn ist also die Menge aller n-Tupel
aus D. Ein Beispiel: Ist D = {1, 2, 3}, so ist
D2 = {<1, 1>, <1, 2>, <1, 3>, <2, 1>, <2, 2>, <2, 3>, <3, 1>, <3, 2>, <3, 3>}
(e) Zwei Mengen sind identisch (=) g.d.w. sie dieselben Elemente enthalten. "
 " ist das Zeichen für die Teilmengenbeziehung, dabei steht "  für "unechte
oder echte" Teilmenge und "" für "echte Teilmenge". Angenommen, D1 und
D2 sind zwei Mengen, so ist D1 Teilmenge von D2, wenn alle Elemente von
D1 auch in D2 enthalten sind. Ist zudem D1 "kleiner", also nicht identisch mit
D2, so ist D1 echte Teilmenge von D2. Ist zudem D1 identisch mit D2, so ist
131
D1 unechte Teilmenge von D2. Also z.B. für D1 = {a, b} und D2 = {a, b, c}
ergibt sich
D1  D2, d.h. {a, b}  {a, b, c} aber
D1 ≠ D2, d.h. {a, b} ≠ {a, b, c} daher auch
D1  D2, also {a, b}  {a, b, c}.
Jedoch:
nicht D2  D1, denn cD2 aber c  D1, i.e. nicht cD1.
(Ein durchgestrichenes Zeichen, ≠, , steht kurz für die Negation der korrespondierenden "undurchgestrichenen" Aussage.)
Mit diesen Grundbegriffen definieren wir nun den zentralen semantischen Begriff der PL - nämlich den der Interpretation für eine gegebene PL-Sprache.
Ein Interpretation besteht aus zwei Komponenten: einem zugrundeliegenden
Individuenbereich D (vom englischen "domain"), der den Bereich der gebundenen Variablen repräsentiert; in der formalen Semantik der PL genügt es, hier
irgendeinen nichtleeren abstrakten Bereich abstrakter Objekte anzunehmen.
Die zweite Komponente einer Interpretation ist ihre Interpretationsfunktion I,
welche folgendes leistet: I ordnet jeder freien Individuenvariable ein Individuum des Bereichs D zu, und jedem n-stelligen Prädikat irgendeine Menge von
n-Tupeln aus D. Zusammengefasst:
Eine Interpretation für eine gegebene PL-Sprache ist ein Paar <D, I> wobei D
eine nichtleere Menge von Individuen ist - der Individuenbereich - und I ist die
Interpretationsfunktion, für die folgendes gilt:
Für alle freien Individuenvariablen a (der gegebenen PL-Sprache) gilt:
I(a)D
Für alle Prädikatvariablen Rn (mit n ≥ 1) (der gegebenen PL-Sprache) gilt:
I(Rn)  Dn
Eine Interpretation einer Sprache nennt man auch Struktur für eine Sprache,
oder Modell für eine Sprache. Intuitiv ist eine Interpretation eine abstrakte
mögliche Welt, innerhalb derer wir unsere PL-Aussagen interpretieren. Wir
definieren die Wahrheit von beliebigen PL-Aussagen in einer gegebenen Interpretation wieder rekursiv - d.h. wir definieren die Wahrheit in einer Struktur
zunächst für atomare Aussagen, dann für beliebige aussagenlogische Verknüpfungen, und dann für quantifizierte Aussagen: Für "Aussage A ist wahr/falsch
in Interpretation <D, I>" schreiben wir kurz: I(A) = w/f.
132
Wahrheit von Aussagen in gegebener Struktur <D, I>:
(W1) Atomare Aussagen
I(Rna1...an) = w g.d.w. <I(a1), ..., I(an)> I(Rn)
d.h., I(Rna1...an) = f g.d.w. <I(a1), ..., I(an)>  I(Rn)
Als Hilfsmittel zur Definition der Wahrheit von quantifizierten Sätzen (s. unten) müssen wir auch zulassen, dass I gelegentlich auch Individuenvariablen
Individuen zuordnet. Wir erweitern damit Regel (W1) wie folgt:
(W1*) Atomare Formeln
d.h., I(Rna1...an) = f g.d.w. <I(a1), ..., I(an)>‹I(Rn)
(W2) AL-Verknüpfungen: entsprechen den Wahrheitstafeln und nun so wiedergegeben:
(W2a) I(A) = w g.d.w. I(A) = f
I(A) = f g.d.w. I(A) = w
(W2b) I(A  B) = w g.d.w. I(A) = w und I(B) = w
I(A  B) = f g.d.w. I(A) = f oder I(B) = f oder beides
(W2c) I(A  B) = w g.d.w. I(A) = w oder I(B) = w oder beides
I(A  B) = f g.d.w. I(A) = f und I(B) = f
(W2d) I(A B) = w g.d.w. I(A) = f oder I(B) = w oder beides
I(A B) = f g.d.w. I(A) = w und I(B) = f
(W3) Quantifizierte Aussagen:
Wir bezeichnen Individuen aus D mit griechischen Buchstaben , , ... - um
sie von ihren Namen in der PL-Sprache, also den freien Individuenvariablen a,
b, ... zu unterscheiden. Wir müssen nicht unbedingt voraussetzen, dass jedes
Individuum des Bereichs D in der Sprache auch einen Namen besitzt.
Sei I eine gegebene Interpretationsfunktion, so bezeichne I[x:] jene Interpretationsfunktion, die sich von I - wenn überhaupt - nur dadurch unterscheidet, dass der Individuenvariable x der Wert  zugeordnet wird, d.h.
I[x:](x) = 
(W3a) I(xA) = w g.d.w. es mind. ein D gibt mit I[x:(A) = w.
d.h., I(xA) = f g.d.w. für alle D gilt: I[x:(A) = f.
(W3b) I(xA) = w g.d.w. für alle D gilt: I[x:(A) = w
d.h., I(xA) = f g.d.w. ein D gibt mit I[x:(A) = f.
Die Wahrheitsregel (3) gibt die Bedeutung der Quantoren "x" und "x" in
der zugrundeliegenden Interpretation wieder. Beispielsweise ist "alles ist vergänglich" wahr in <D, I>, wenn für alle Individuen  aus D gilt, dass auf sie
133
der Sachverhalt " ist vergänglich" in <D, I> zutrifft. Da wir nicht unbedingt
für jedes Individuum in D einen Namen in der Sprache besitzen, müssen wir
mithilfe der Abänderung von Interpretationsfunktionen I[x:auf beliebige
Individuen in D referieren.
Die PL-Semantik obigen Typs geht auf Alfred Tarski zurück.
Wir illustrieren das Gesagte anhand eines einfachen Beispiels:
Unsere PL-Sprache enthalte das zweistellige Prädikat R, das einstellige P, und
die freien Individuenvariablen a, b, c - plus natürlich alle logischen Zeichen.
Als Interpretation für unsere Sprache wählen wir:
D = {Sokrates, Plato, Cäsar}.
Für I legen wir fest:
I(a) = Sokrates, I(b) = Plato, I(c) = Cäsar
I(P) = {Sokrates, Plato}.
Intensional ist P die Eigenschaft, ein Philosoph zu sein
I(R) = {<Plato, Sokrates>, <Cäsar, Sokrates>, <Cäsar, Plato>}.
Intensional ist Rxy die Relation "x hat später gelebt als y"
Aufgrund unserer Definitionsregeln (1) - (3) können wir nun die Wahrheitswerte beliebiger Aussagen unserer Sprache in dieser Struktur <D, I> bestimmen.
Einige Beispiele:
(I) I(Pa):
I(a)I(P)
(also: Sokrates {Sokrates, Plato})
daher: I(Pa) = w (gemäß W1)
(II) I(x(Px  Rxb):
1) I(c)  I(P), daher I(Pc) = f (gemäß W1)
2) <I(c), I(b)> I(R) [<I(c), I(b)> = <Cäsar, Plato>]
daher I(Rcb) = w (gemäß W1)
3) I(Pc) = w (wegen 2 und W2a)
4) I(Pc  Rcb) = w (wegen 2, 3 und W2b)
5) I(x(Px  Rxb)) = w (wegen 4 und W3a - denn, aufgrund 4 gibt
es ein D, nämlich Cäsar, sodass I [x:(Px  Rxb) = w.
(III) I(xPx):
1) I(c)  I(P), also I(Pc) = f (gemäß W1)
2) I(xPx) = f wegen 1 und W3b - denn aufgrund 1) gibt es ein D,
nämlich Cäsar gibt, sodass I[x:](Px) = f .
(IV) (x(Px yRyx)):
1) <I(c), I(a)> I(R), daher I(Rca) = w (gemäß W1)
Daher I(yRya) = w (gemäß W3a).
134
Daher I(Pa yRya) = w (gemäß W2d).
2) <I(c), I(b)>I(R), daher I(Rcb) = w (gemäß W1)
Daher I(yRyb) = w (gemäß W3a).
Daher I(Pb yRyb) = w (gemäß W2d).
3) I(c)  I(P), daher I(Pc) = f (gemäß W1).
Daher I(Pc yRyc) = w (gemäß W2d).
4) Aufgrund 1) - 3) gilt für alle D:
I[x:(Px yRyx) = w.
Daher: I(x(Px yRyx)) = w (gemäß W3b).
Wir können nun definieren, wann eine PL-Aussage logisch wahr ist. Wir definieren dies ganz analog zur AL, nur dass anstelle der Wahrheitswertbelegungen der AL nun Interpretationen der PL stehen. Analog definieren wir die weiteren semantischen Zentralbegriffe. Wenn A in <D,I> wahr ist, sagen wir auch,
dass <D,I> A wahr macht.
1. Eine PL-Aussage A ist logisch wahr g.d.w. jede Interpretation <D, I> A
wahr macht.
2. Ein PL-Schluß  . . . A ist gültig g.d.w. jede Interpretation <D,I>, die alle
Prämissen in  wahr macht, auch die Konklusion A wahr macht
Wie erwähnt, ist die PL unentscheidbar. Es gibt kein einfaches und mechanisches Standardverfahren, um herauszufinden, ob eine gegebene Aussage
logisch wahr ist (... usw.). Dies liegt vor alledem an folgendem: während es in
der AL für eine Aussage immer nur endlich viele Wahrheitswert-Belegungen
gibt (nämlich 2n für n Aussagevariablen), gibt es in der PL für einen gegebene
Aussage immer unendlich viele mögliche Interpretationen. Es ist daher unmöglich, alle möglichen Interpretationen einzeln zu prüfen (analog zur Wahrheitstafelmethode). Die einzige Möglichkeit, die Allgemeingültigkeit von PLAussagen semantisch zu entscheiden, ist die Technik des Beweisens, welche
zumindest in informeller Gestalt die deduktive Beweismethode der Prädikatenlogik verwendet. Aus diesem Grund kommt der "formellen" Beweismethode in
der PL (die wir im nächsten Kapitel besprechen), eine wesentlich fundamentalere Bedeutung zu als in der AL: viele Beweise lassen sich in der PL deduktiv
viel einfacher formulieren als semantisch.
In der PL müssen jedoch Syntax und Semantik zusammenarbeiten. Die Heuristik ist hier folgende: Vermutet man einen Satz als PL-logisch wahr, so versucht man zunächst, ihn deduktiv zu beweisen. Gelingt das nicht, so muss man
135
versuchen, ihn semantisch zu widerlegen, indem man versucht, ein Gegenmodell zu konstruieren - also eine Interpretation, die den Satz falsch macht.
Beispiel: Wir wollen zeigen, dass (xFx  xGx) x(Fx  Gx) nicht logisch
wahr ist, bzw. xFx  xGx . . . x(Fx  Gx) ungültig ist.
Unsere Interpretation lautet D = {1,2}, I(F) = {1}, I(G) = {2}. Wir zeigen, dass
sie ein Gegenmodell ist. Es gilt (1.) I[x:1](Fx) = w, denn 1I(F) [Regel W1].
Daher (2.) I(xFx) = w [aus 1 und Regel W3a]. Ebenso (3.) I[x:2](Gx)= w,
denn 2I(G) [Regel W1]. Daher (4.) I(xGx) = w [aus 3 und Regel W3a]. Somit (5.) I(xFx  xGx) = w [aus 2, 4, Regel W2b]. Die Prämisse (bzw. das
Wenn-Glied) ist in der Interpretation also wahr.
Andererseits gilt I[x:1](Gx) = f und somit (6.) I[x:1](FxGx) = f [Regel W2b];
analog gilt I[x:2](Fx) = f und somit (7.) I[x:2](FxGx) = f [Regel W2b]. Aus
(6.), (7.) und D = {1,2} folgt gemäß Regel W3a, dass I(x(FxGx)) = f gilt.
[aus (1.), (2.) und Regel W2b]. Daher (4.) I((xFx  xGx) x(Fx  Gx)) =
f [Regel W2d].
Was wir hier getan haben, nennt man informelles semantisches (mengentheoretisches) Beweisen. Da hierbei die deduktive Methode "informell", d.h. unter
Verwendung gewisser "Abkürzungen", verwendet wird, wird die deduktiven
Methode besser vor dem Studium informeller Beweise erklärt.
Es gibt ein "standardisiertes" heuristisches Verfahren, um für eine gegebene
PL-Aussage herauszufinden, ob sie logisch wahr ist oder nicht, bzw. einen PLSchluß, ob er gültig ist oder nicht: die sogenannte Methode des finiten Universums (ausführlich z.B. im Buch von Virginia Klenk). Diese Methode beruht
darauf, dass ein Allquantor einer (evtl. unendlichen) Konjunktion entspricht,
ein Existenzquantor einer (evtl. unendlichen) Disjunktion. Wir nehmen ein
endliches, kleines Modell. Dieses sollte zumindest für jede im Schluss bzw. in
der Aussage enthaltene Individuenkonstante ein Individuum enthalten, welches
wir zugleich mit einem Standardnamen benennen. Die Quantoren betreffend
kommt man aus, wenn man zusätzlich für jeden Quantor ein Individuum annimmt nimmt (Faustregel). Wir schreiben für die Menge von benutzen Individuenkonstanten N.
Dann schreiben wir die Aussage, bzw. alle Aussagen des Schlusses, in eine
Singuläraussage mit diesen Namen um: wir ersetzen Allquantoren durch Konjunktionen, und Existenzquantoren durch Disjunktionen. Die Übersetzung
nimmt man am besten von innen nach außen vor (umgekehrt geht auch).
Beispiel: Mit N = {a,b} wird aus
  xyRxy
136
zunächst
x(Rxa  Rxb)
und daraus die AL-Aussage
(Raa  Rab)  (Rba  Rbb)
Dann prüfen wir, ob die so erhaltene Aussage der Aussagenlogik, bzw. Schluss
der Aussagenlogik, mit den gelernten Methoden L-wahr bzw. gültig ist. Es
gilt: Ist die Aussage nicht AL-wahr (bzw. der Schluss AL-ungültig), so ist auch
der entsprechend PL-Aussage nicht PL-wahr (bzw. der entsprechende PLSchluß nicht PL-gültig). -- Falls die AL-Aussage sich aber als AL-wahr herausstellt, so haben wir Pech gehabt - daraus können wir nicht schließen, dass
die entsprechende PL-Aussage ebenfalls PL-wahr ist. Zumindest aber haben
wir einen "Verdacht"; wir können dann versuchen, sie deduktiv zu beweisen.
Falls das ebenfalls nicht gelingt, versuchen wir sie wieder semantisch zu widerlegen, wobei wir nun den Bereich des gewählten Universums vergrößern.
Analog gehen wir für Schlüsse vor. -- Achtung: Gewisse PL-Aussagen, die
mehrstellige Relationen benutzen, sind überhaupt nur mittels unendlicher Universen widerlegbar.
137
13. Deduktive Methode in der Prädikatenlogik
Alle L-Wahrheiten, Schlüsse und Metaregeln der AL gelten auch in der PL.
Der Unterschied ist nur, dass wir für die Schemabuchstaben in AL-Theoremen
nun beliebige PL-Aussagen einsetzen dürfen. Atomare Aussagen sind nun
nicht Aussagevariablen, sondern atomare Sätze. Wir nennen eine PL-Aussage
aussagenlogisch wahr, wenn sie Einsetzungsinstanz einer aussagenlogischen
L-Wahrheit ist.
Z.B. sind
FaFa Ga . . . Ga
. . . xA (xA  xB)
Instanz von
A, A B . . . B
. . . A (A  B)
. . . A  A
. . . xFx  xFx
aussagenlogisch wahre PL-Aussagen. Auf diese Weise können wir die gesamte
Aussagenlogik in unserer Prädikatenlogik wiederfinden.
Darüber hinaus gibt es spezifische gültige Regeln und Metaregeln der PL, die
in der AL nicht gelten. Dabei handelt es sich um zwei Regeln und zwei Metaregeln, jeweils eine für den Existenz- und eine für den Allquantor.
Wir konstruieren daher unser deduktives System S des natürlichen Schließens in der PL, indem wir auf unserem deduktiven System der AL aufbauen,
und dieses um zwei neue PL- Schlussregeln und und zwei neue PL-Metaregeln
erweitern. Dieses deduktive System ist wieder korrekt und vollständig (was
wir erst in Logik II beweisen können).
Um die neuen PL-Regeln zu definieren, müssen wir zunächst den Begriff der
Substitution einführen.
Definition:
A[a/x] steht für das Resultat der uniformen Substitution der freien Individuenvariable x durch die Individuenkonstante a.
D.h. alle freien Vorkommnisse von x, und nur die freien, werden in der (offenen) offenen Formel A durch a ersetzt.
Lies "A[a/x]" als "A, a für x (eingesetzt)"
Beispiel für Substitution:
A = Fx Gx
Z.B. wenn x ein Vogel ist, kann x fliegen
Korrekte Substitution: (FxGx)[a/x] = FaGa
Inkorrekt: z.B. FxGa
138
Sei A = xRxy  Gx
Korrekte Substitution:
xRxy  Gx)[a/x] = xRxy  Ga
Inkorrekt: xRay  Ga
Damit formulieren wir die ersten zwei Regeln der PL (sie heißen "unkritisch",
weil sie nicht unter einer einschränkenden Variablenbedingung stehen):
Unkritische Regeln:
(UI) xA . . . A[a/x]
(EC)
A[a/x] . . . xA
Für beliebige Formeln A, I.k.'s a und I.v.'s x
Universelle Instanziierung
Existenz-Einführung in der Conclusio
Der intuitive Sinn von (UI) und (EC) ist klar: wenn etwas für jedes x gilt, gilt
es auch für ein beliebig herausgegriffenes a (UI). Und wenn etwas für irgendein a gilt, so gibt es eben mindestens ein x, für das dies gilt (EC).
Beachte: Beim UI-Schluss steht die quantifizierte Formel in der Prämisse,
das Substitutionsresultat in der Konklusion. Beim EC-Schluss ist es umgekehrt: die quantifizierte Formel steht in der Konklusion und das Substitutionsresultat in der Prämisse.
Intuitiv ersetzen wir, wenn wir im EC von Prämisse zu Konklusion gehen,
die I.k. durch eine I.v.; technisch müssen wir invers die I.v. der Konklusion
durch die I.k. der Prämisse ersetzen, sonst gäbe es technische Komplikationen.
Wenn wir "xA" "xA" oder schreiben, denken wir an den Fall, wo A die
Variable x frei enthält  ansonsten wäre der Quantor überflüssig. Um dies anzudeuten, schreibt man gelegentlich A(x) für A, und A(a) für A[a/x]: diese
Schreibweise ist aber nicht exakt.
Instanzen (Einsetzungen für die Formel A) sind beispielsweise:
(UI)-Beispiele:
xFx . . . Fa
A = Fx
A[a/x] = Fa
x(Fx Gx) . . . Fa Ga
A = (Fx Gx), A[a/x] = (FaGa)
y(xRxy Gy ) . . . xRxb Gb
A = (xRxy Gy), A[b/x] = xRxb Gb
(EC)-Beispiele:
Fa . . . xFx
Fb  Gb . . . x(Fx  Gx)
z(Fz Rza) . . . yz(Fx Rzy)
A[a/x] = Fa ,
A = Fx
A = (Fx  Gx)
A[x/b] = Fb  Gb
A = z(Fz Rzy), A[a/y] = z(Fz Rza)
139
Durch die Formulierung von Prämisse bzw. Konklusion mithilfe der Substitutionsnotation werden sogenannte Variablenkonfusionen ausgeschlossen.
Beispiel:
Sei unsere EC-Prämisse die Aussage Fa  xRxa. Daraus können wir gültig
mittels EC auf y(Fy  xRxy) schließen:
Fa  xRxa
y(Fy  xRxy)
z.B.: Peter (= a) ist lieb (= F) und alle mögen (= R) Peter.
Also: Jemand ist lieb und alle mögen diesen Jemand.
Dieser Schluss ist durch EC zugelassen, denn
(Fy  xRxy)[a/y] = Fa  xRxa (die Prämisse ist durch Substitution aller
freien I.v.s in der auf den -Quantor folgenden Formel durch a entstanden.
Es wäre aber eine Variablenkonfusion, daraus mittels EC auf x(Fx  xRxx)
zu schließen, denn das zweite x-Vorkommnis wird fälschlicherweise nicht
durch "x", sondern durch "x" gebunden. Der Schluss
Fa  xRxa
x(Fx  xRxx)
z.B.: Peter (= a) ist lieb (= F) und alle mögen (= R) Peter.
sagt aber: Jemand ist lieb und alle mögen sich selbst
anstatt: Jemand ist lieb und alle mögen diesen Jemand.
ist ungültig!
Der Schluss ist durch EC nicht zugelassen denn
(Fx  xRxx)[a/x] = Fa  xRxx  Fa  xRxa
Man gelangt auf diese Weise nicht zur Prämisse, denn nur die freien I.v.s werden durch die Substitutionsoperation ersetzt, aber x wurde fälschlicherweise
durch x gebunden. Die Definition der EC-Prämisse durch Variablensubstitution verhindert die Konfusion.
Zur Anwendung der Regel EC: A[a/] : . A für beliebige I.v.  =x, y...:
Gegeben ist ine konkrete Prämisse, z.B. xRxa. Das soll mein A[a/] sein.
Ich muss nun umgekehrt aus dem gewünschten Substitutionsresultat die Ausgangsformel A konstruieren. Dazu muss ich umgekehrt a durch eine solche
Variable  ersetzten, die in A nicht gebunden wird. In unserem Beispiel ist
in xRx nur frei wenn  verschieden von x ist. Also ist mein A z.B.
xRxy. Dann gilt xRxy[a/y] = xRxy. Hätte ich für a x gesetzt, wäre
xRxx[a/x] = xRxx rausgekommen, was nicht meine Prämisse ist.
Analoges tritt beim UI-Schluss auf: Z.B. wäre folgender Schluss ungültig:
x(Fx  xRxx)
z.B.: Alle sind lustig und Jemand liebt sich selbst
(Fa  xRxa)
Peter ist lustig und Jemand liebt Peter (statt sich selbst)
140
eine Variablenkonfusion, denn das x im Bereich von "x" ist nicht frei.
Es gilt: (Fx  xRxx)[a/x] = Fa  xRxx  Fa  xRxa .
Wieder verhindert die Definition  hier der Konklusion des UI  durch Variablensubstitution die Konfusion.
Mittels (UI) und (EC) können, wie folgende Beispiele zeigen, eine Reihe von
logisch wahren PL-Aussagen bzw. gültigen PL-Schlüssen bewiesen werden.
(Wir führen wieder Beweis und Beweisbaum an:)
1.) x(Fx Gx), Fa . . . Ga
Beweis:
(1) x(Fx Gx)
(2) Fa
(3) Fa Ga
(4) Ga
Präm
Präm
UI (1)
MP (2), (3)
Baum:
Fa
x(Fx Gx)
UI
Fa Ga
MP
Ga
2.) Fa  Gb, Fa . . . xGx
(1) Fa  Gb
(2) Fa
(3) Gb
(4) xGx
Präm
Präm
DS (1), (2)
EC (3)
Baum:
Fa  Gb
Fa
DS
Gb
EC
xGx
Wie in der AL können wir Beweise auch für komplexe PL-Aussageschemata
durchführen:
141
Z.B.
3.)
A[a/x]  A[b/x] . . . xA
(1) A[a/x]  A[b/x]
 (2) [A[a/x]]
(3) xA
 (4) [A[a/x]]
(5) A[b/x]
(6) xA
(7) xA
Baum:
[A[a/x] ]1
Präm
FU-Ann.
EC (2)
FU-Ann.
DS (1), (4)
EC (5)
FU (2) - (3), (4) - (6)
A[a/x] A[b/x]
EC
[A[a/x] ]1
DS
xA
A[b/x]]
EC
xA
FU1
xA
4.) xA . . . xA
Hierzu beweisen wir zunächst die Allgemeingültigkeit der Aussage
A[a/x] xA über KB und EC.
(1) xA
Präm
(2) [A[a/x] ]
KB-Ann.
(3) xA
EC (2)
(4) A[a/x] xA
KB (2) - (3)
(5) A[a/x]
MT (1), (4)
(6) xA
EC (5)
Baum:
[A[a/x] ]1
EC
xA
KB1
A[a/x] xA
xA
MT
A[a/x]
EC
xA
(Alternativbeweis: mit IB-Annahme A[a/x]  A[a/x] xA)
142
Abschließender Hinweis: Wir haben die Regeln unseres deduktiven Systems
der PL so gewählt, weil wir damit nur Aussagen aus Aussagen herleiten wollen. Offene Formeln sind prima facie nur Hilfsmittel, tragen aber keinen
Wahrheitswert; somit sind die Begriffe der L-Wahrheit und Gültigkeit für sie
prima facie nicht anwendbar. In unseren Beispielen von Aussage- und Schlussschemata setzen wir normalerweise voraus, dass es sich bei Prämissen und
Konklusion um Aussagen handelt.
Es ist aber möglich, das deduktive System auf Formeln zu erweitern.
Schon jetzt können alle unsere Regeln können dazu verwendet werden, um offene Formeln aus anderen offenen Formeln herzuleiten !
Damit dies semantisch sinnvoll ist, interpretiert man freie Individuenvariablen genauso wie Individuenkonstanten (zumindest in einer Variante, es gibt
auch Alternativen).
Um auch Aussagen offene Formeln herleiten zu können, und umgekehrt,
müssen die PL-Regeln UI und EC für Substitutionen von Individuenvariablen
"A[y/z]" erweitert werden. (Die Metaregeln dürfen ebenfalls so erweitert werden, müssen es aber nicht.) Dies erfordert jedoch eine wesentliche Komplikation in der Definition der Substitutionsfunktion, die wir erst in Logik II besprechen, wo wir singuläre Terme mit Funktionszeichen einführen  denn dort
"lohnt" sich die Komplikation erst.
Nun zu den beiden Metaregeln. Das Spezifikum der folgenden beiden Metaregeln ist, dass sie eine Variablenbedingung VB besitzen (die über grammatische
Wohlgeformtheit hinausgeht). Die erste Metaregel lautet:
Kritische Metaregeln:
(UG) Universelle Generalisierung:
Für alle I.k's a und I.v.'s x:
Wenn A , ..., A . . . B[a/x] gültig ist, und die Individuenkonstante a weder
1
n
in A1, ..., An noch in xB vorkommt,
dann ist auch A , ..., A . . . xB gültig.
1
n
Einfache Einsetzung:
Wenn A . . . Fa und a nicht in A (noch in xFx)dann A . . . xFx
Der intuitive Sinn der Metaregel (UG) ist folgender: Wenn a in den Prämissen
nicht vorkommt, heißt das, dass in den Prämissen über a keinerlei Annahmen
gemacht werden. Wenn nun aber die komplexe Aussage B für ein völlig beliebiges Individuum a aus gegebenen Prämissen A1, ..., An herleitbar ist, ohne
dass über a irgendwelche Annahmen gemacht werden, dann muss dieselbe
143
Aussage B auch für jedes beliebige andere Individuum b auf dieselbe Weise
aus A1, ..., An herleitbar sein. Das bedeutet aber, dass dann aus A1, ..., An tatsächlich die Allaussage xB herleitbar ist.
Die Bedeutung der Forderung, dass a auch in xB nicht mehr vorkommen
darf, liegt darin, dass in Ba a an allen Vorkommnissen durch x ersetzt werden
muss  nur dann ist die universelle Generalisierung über x korrekt gültig. Beispielsweise gilt:
 . . . Fa Fa (ist eine Tautologie), daher auch  . . . x(Fx Fx).
Nicht aber gilt z.B.:
 . . . x(Fa Fx).
(a nur an einer Stelle durch x ersetzt)
(gleichbedeutend mit FaxFx)
Wie in der AL müssen wir für die Anwendung der PL-Metaregeln eine spezifische Beweistechnik finden. Die Beweistechnik für die Metaregel (UG) ist
jedoch sehr einfach: wir können mit (UG) umgehen wie mit einer gewöhnlichen Regel (müssen also keine Annahmen einführen). Wir müssen lediglich
die Variablenbedingung (VB) beachten
UG-Technik: Wir wollen A1, ..., An . . . xB herleiten. Hierzu versuchen wir
zunächst, für eine Individuenkonstante a, die weder in A1, ..., An noch in xB
vorkommt, aus A1, ..., An die Aussage B[a/x] herzuleiten. Gelingt uns das, so
gehen wir im nächsten Schritt zur Aussage xB mittels (UG) über, wobei wir
anführen, dass die Variablenbedingung erfüllt ist.
Beachte: Wenn der Schritt UG innerhalb eines Annahmenbereichs (KB,
IB, FU oder EP unten) durchgeführt wird, so ist die Variablenbedingung auch
auf die offenen Annahmen zu beziehen - d.h. alle nicht (zuvor) abgeschlossenen Annahmen fungieren als Prämissen.
Beispiele:
5.) x(Fx Gx), xFx . . . xGx
(1) x(Fx Gx)
(2) xFx
(3) Fa Ga
(4) Fa
(5) Ga
(6) xGx
Präm
Präm
UI (1)
UI (2)
MP (3), (4)
UG (5)
VB: a kommt weder in 1, 2 noch in 6 vor.
144
Wichtig ist die Angabe, auf welche Aussagen des Beweisganges sich die Variablenbedingung bezieht - grundsätzlich immer auf Prämissen, noch offene Annahmen und Conclusion.
Im Beweisbaum machen wir den Bezug der Variablenbedingung durch Anfügung eines oberen Index kenntlich (die unteren Indizes in Beweisbäumen sind
für die Verweise auf Beweisannahmen reserviert).
Baum zu 5.)
xFx1
x(FxGx)1
UI
UI
Fa Ga
Fa
MP
Ga
UI, VB1
xGx1
Denselben Beweis können wir ebenso für das korrespondierende Schlussschema zu 5.), also für x(A B), xA. . . xB führen. Wir müssen dann allerdings in Schritt (3) und (4) fordern, dass a eine neue Individuenkonstante sein
soll, die in x(A B) resp. in xA nicht vorkommt. Eine solche Wahl von a
ist ja immer möglich:
(3.*)
(1) x(A B)
(2) xA
(3) A[a/x] B[a/x]
(4) A[a/x]
(5) B[a/x]
(6) xB
Präm
Präm
UI, a komme in 1 nicht vor!
UI 2
MP 3, 4
UG 5, VB: a nicht in 1, 2, 6
Beachte in (3): Statt (AB)[a/x] schreiben wir gleich A[a/x]  B[a/x]  wir
ersetzen ja x durch a in der Teilformel A und in der Teilformel B.
Für Beweisschritt (4) ergibt sich die Forderung "a nicht in xA" bereits
aus der Festlegung in (3).
145
6.) . . . x(FxGx)  xFx
(1)[x(FxGx)]
(2) FaGa
(3) Fa
(4) xFx
(5)x(FxGx)  xFx
KB-Ann
UI aus (1),
SIMP (2)
UG (3), VB: a nicht in (1), (4)
KB 15
Baum:
[x(Fx  Gx)]1 1
UI
Fa  Ga
SIMP
Fa
UG, VB1
xFx1
KB1,VB1
x(FxGx)  xFx
7.) x(A  B) . . . A  xB, sofern x in A nicht frei vorkommt.
(1) x(A  B)
(2) A  B[a/x]
 (3) [A]
(4) A  xB
 (5) [A]
(6) B[a/x]
(7) xB
(8) A  xB
(9) A  xB
Präm, wobei x nicht frei in A vorkommt
UI (1), a komme in (1) nicht vor
FU-Ann.
ADD (3)
FU-Ann.
DS (5), (6)
UG (6), VB: a nicht in (1), (5), (7)
ADD (7)
FU (2) - (4), (5) - (8)
Hinweis zu (2): (AB)[a/x] = AB[a/x], weil x nicht frei in A
Man beachte, dass die VB für UG nun auch auf die 2. FU-Annahme zu beziehen ist, weil der UG-Schritt innerhalb des Bereichs dieser Annahme vollzogen
wird.
146
Baum zu 7.):
x(A  B) 1
UI, a nicht in x(A  B)
[A]1
A  B[a/x]
ADD
[A]11
DS
A  xB
B[a/x]
UG, VB1
xB1
ADD
A  xB
FU1
A  xB
Die zweite Metaregel der PL ist folgende:
(EP) Existenzeinführung in der Prämisse
Wenn: A[a/x], B1, ..., Bn . . . C gültig ist, und die Individuenkonstante a
weder in C noch in B1, ..., Bn noch in xA vorkommt,
dann ist auch xA, B , ..., B . . . C gültig.
1
n
Instanziierungsbeispiel:
Wenn Fa . . .C gültig und a nicht in C, dann xFx . . . C gültig
(EP) ist das Gegenstück zu (UG) - und ihr intuitiver Sinn ergibt sich ganz analog: Wenn aus der Tatsache, dass irgendein beliebiges Individuum die Aussage
A erfüllt, plus den restlichen Prämissen B1, ..., Bn eine Conclusion C herleitbar
ist  also ohne dass über a irgendwelche Annahmen gemacht werden (i.e., a
kommt weder in C noch in B1, ..., Bn vor)  so heißt dies auch, dass C aus der
bloßen Annahme herleitbar ist, dass irgendein Individuum existiert, dass die
Aussage A erfüllt (plus den Zusatzprämissen B1, ..., Bn). Somit ist dann C aus
xA plus B1, ..., Bn herleitbar.
Die Forderung, dass a auch nicht in xA vorkommt, ergibt sich wieder daraus, dass a in A[a/x] an allen Vorkommnissen durch x ersetzt werden muss,
um eine korrekte Anwendung der EP-Regel zu ergeben.
Die Metaregel (EP) erfordert in unserem deduktiven System eine spezielle
Beweistechnik: (EP) muss - ähnlich wie (KB), (FU) und (IB) in der AL - als
Annahmenbeweis durchgeführt werden. Das neue dabei ist, dass sich die EPAnnahme auf eine vorhergehende Prämisse bezieht. Wir gehen so vor:
147
Beweistechnik für (EP):
Angenommen, wir wollen C aus B1, ..., Bn und xA herleiten.
1) Wir führen die EP-Annahme A[a/x] für die Prämisse xA ein, wobei wir a
so wählen, dass es weder in B1, ..., Bn noch in C noch in xA vorkommt.
2) Nun versuchen wir, C aus A[a/x] und B1, ..., Bn herzuleiten.
3) Gelingt uns das, so schließen wir die EP-Annahme mit einem Pfeilab, und
schreiben die Conclusion C noch einmal hin, wobei wir rechts die Durchführung des EP-Schrittes verzeichnen. Zusätzlich führen wir rechts die Variablenbedingung an.
4) Wie bei jedem Annahmenbeweis gilt: Ist der Bereich der EP-Annahme ein
mal abgeschlossen, so darf zu einem späteren Stadium des Beweises auf keine
im abgeschlossenen Annahmenbereichs stehende Aussage zurückgegriffen
werden.
Schematisch: Ziel: xA, B ,,B . . . C
1
1) B1

n) Bn
n+1) xA
n+2) [A[a/x]]

n+m)
n+m+1) C
n
Präm
Präm
Präm
EP-Ann. für (n+1); a sei nicht in 1, ,n,n+1, oder in C
wird erst in Schritt n+m+1 eingeklammert!
C
EP (n+2)(n+m+1), VB: a nicht in 1,,n+1,(n+m+1)
Das nochmalige Anschreiben von C nach Abschluss der EP-Annahme ist notwendig, um klarzumachen, dass C nun unabhängig von der EP-Annahme herleitbar ist (weil wir in C das a zum Verschwinden gebracht haben).
Randbemerkung: In der Literatur wird gelegentlich für (EP) die Bezeichnung
"existenzielle Instanziierung" verwendet. Dies halten wir für eher irreführend,
weil (EP) ein Annahmenbeweis und keine Instanziierungsregel ist.
Beispiele für EP:
8.) x(Fx  Gx) . . . xFx
(1)
 (2)
(3)
(4)
(5)
x(Fx  Gx)
[Fa  Ga]
Fa
xFx
xFx
Präm
EP-Ann. für (1)
SIMP (2)
EC (3)
EP (2) - (4), VB: a nicht in (1) und (4)
148
Baum:
x(FxGx)1
EP-Ann.
[FaGa]1
SIMP
Fa
EC
xFx1
EP1, VB1
xFx
Wenn wir 8.) für ein Schlussschema durchführen, müssen wir in Schritt 2 die
richtige Wahl von a fordern:
8*.) x(A B) . . . xA
(1)
 (2)
(3)
(4)
(5)
x(A  B)
[A[a/x]  B[a/x]
A[a/x]
xA
xA
Präm
EP-Ann. für (1), a komme in 1 nicht vor !
SIMP (2)
EC (3)
EP (2) - (4), VB: a nicht in (1) und (4)
9.) xFx, x(Fx Gx) . . . xGx
(1)
(2)
 (3)
(4)
(5)
(6)
(7)
xFx
x(Fx Gx)
[Fa]
Fa Ga UI (2)
Ga
xGx
xGx
Präm
Präm
EP-Ann. für (1)
MP (3), (4)
EC (5)
EP (3) - (6), VB: a kommt in 1), (2), (6) nicht vor
149
Baum für 9.):
xFx1
x(Fx Gx)1
EP-Ann.
UI
Fa Ga
[Fa]1
MP
Ga
EC
xGx1
EP1, VB1
xGx
10.) x(A  B) . . .
A  xB
(1) x(A  B)
 (2) [A  B[a/x]]
 (3) [A]
(4) A  xB
 (5) [A]
(6) B[a/x]
(7 xB
(8) A  xB
(9) A  xB
(10) A  xB
sofern x nicht frei in A
Präm
EP-Ann. für (1), a komme in x(A  B) nicht vor
FU-Ann.
ADD (3)
FU-Ann.
DS (5), (2)
EC (6)
ADD (7)
FU (3) - (4), (5) - (8)
EP (2) - (9), VB: a nicht in (1), (9)
Hinweis zu (2): (A  B)[a/x] = A  B[a/x], weil x nicht frei in A
Baum:
x(A  B)1
EP-Ann.
[A]1
ADD
A xB
[A  B[a/x]]2
[A]1
DS
B[a/x]
EC
xB
ADD
A  xB
FU1
A  xB1
EP2, VB1
A  xB
150
Das Zusammenspiel von UG und EP zeigt folgendes Beispiel:
11.) xyRxy . . . yxRxy
(1) xyRxy
 (2) [yRay]
(3) Rab
(4) xRxb
(5) xRxb
(6) yxRxy
Präm
EP-Ann. für (1)
UI (2)
EC (3)
EP (2)  (4), VB: a nicht in (1), (4)
UG (5), VB: b nicht in (1), (6)
Baum:
xyRxy1,2
EP-Ann.
[yRay]1
UI
Rab
EC
xRxb1
EP1, VB1
xRxb
UG2, VB2
yxRxy2
Dagegen ist der umgekehrte Schluss yxRxy . . . xyRxy ungültig, was
man an folgendem inkorrekten Beweisversuch erkennt, in dem die VB nicht
erfüllt ist:
13.) Inkorrekter Beweisversuch für yxRxy . . . xyRxy (ungültig!)
(1 yxRxy
(2) xRxa
(3) Rba
 (4) yRby
Präm
UI (1)
EP-Ann. für (2)
Inkorrekt: UG (3) geht nicht, denn VB ist nicht erfüllt: a kommt in der offenen EP-Annahme Rba vor!
151
14.) Ein weiteres Beispiel eines inkorrekten Beweisversuches mittels EP für
xFx, xGx . . . x(Fx  Gx)
(1)
(2)
(3)
 (4)
(5)
(6)
 (7)
xFx
xGx
Fa
[Ga]
Fa  Ga
x(Fx  Gx)
x(Fx  Gx)
15.) xFx . . . xFx
(1) xFx
 (2) [xFx]
(3) xFx
 (4) [Fa]
(5) Fa
(6) Fa  (pp)
(7) pp
(8) pp
(9) xFx IB

Präm
Präm
EP-Ann. für (1)
EP-Ann. für (2)
Kon (1), (2)
EC (5)
Inkorrekt: EP (4) - (6) geht nicht!
VB verletzt , denn:
a kommt in der noch offenen Annahme (3) vor !
Präm
IB-Ann.
DN (2)
EP-Ann. für (5)
(EP-Ann. für Zwischenschritt!)
UI (1)
ADD (5)
(statt "p" kann z.B. auch "Gb" stehen)
DS (4), (6)
EP (4)(7), VB: a nicht in (1), (2)!, (7) 
(2)(8)
Beachte, dass wir hier den "Trick" der Additionsabschwächung in (6) durchführten, weil wir die EP-Annahme vor der IB-Annahme abschließen wollten,
und dazu darf der Widerspruch, den wir in (10) erhalten, die Variable a nicht
mehr enthalten. Hätten wir den Widerspruch direkt als "Fa  Fa" gebildet,
so wäre das nicht gegangen.
152
Baum:
[xFx]1
UI
Fa
ADD
Fa  (pp)
[xFx]2
DN
[xFx]1
EP-Ann.
Fa
DS
pp 1
EP1, VB1
p p
IB2
xFx
Die Regeln UI und die Metaregel EP sind Quantorausführungsregeln, die Metaregel UG und die Regel EC sind Quantoreinführungsregeln. Als generelle
heuristische Strategie für Beweisen im PL-Kalkül S lässt sich folgendes anführen. Will man eine quantifizierte Konklusion aus quantifizierten Prämissen
beweisen, so geht man  sofern es gelingt  so vor:
1. Man eliminiert zunächst die Quantoren in den Prämissen mittels der Regel
UI (unkritisch, i.e. ohne VB) und der Metaregel EP (kritisch, mit VB).
2. Dann versucht man aus dem Resultat von Schritt 1 jene Formel rein aussagenlogisch zu beweisen, aus der man die gewünschte Konklusion durch Quantoreinführungsregeln gewinnen kann. (Dabei verwendet man die im AL-Teil
diskutierten Heuristiken des AL-Beweisens).
3. Man wendet die Quantoreinführungsregeln auf die in Schritt 2 gewonnene
Formel solange an, bis man die quantifizierte Konklusion erhält.  Dabei darf
weder eine Annahmeregel noch eine Variablenbedingung verletzt werden.
153
14. Weitere logische Wahrheiten und Beweismethoden in der PL
14.1 Logische Wahrheiten:
L-wahre Äquivalenzen:
(Umb) xA yA[y/x]
  xA  yA[y/x]
()
Gebundene Umbenennung
y ist eine neue I.v., d.h. kommt
weder frei noch gebunden in A vor.
(erweiterte "[ ]"-Notation)
Zusammenhang
Allquantor-Existenzquantor
xA  xA
xA  xA
(HDist) Unter der Annahme: x nicht frei in A:
A  xB  x(A  B)
Distribution durch
A  xB  x(A  B)
Herausziehen/Hereinziehen von
A  xB  x(A  B)
Quantoren für  und 
A  xB  x(A  B)
(ÄDist) x(A  B)  xA  xBÄquivalenzdistribution
x(A  B)  xA  xBfür , 
(HDist

Distrib. durch Heraus/Hereinziehen für
(A xB)  x(A B)
wenn x nicht frei in A
(xA B)  x(A B)
wenn x nicht frei in B
(A xB)  x(A B)
wenn x nicht frei in A
(xA B) x(A B)
wenn x nicht frei in B
(ÄDist):
x(A B)  (xA xB)
(QVert) Quantorenvertauschung, nur bei gleichen Quantoren :
xyA  yxA
xyA  yxA
Einseitige L-wahre Implikationen:
xA  xB x(A  B)
x(A  B ) xA  xB
x(A B ) (xA xB)
x(A  B)  xA  xB
Einseitige Quantorenvertauschung:
xyA yxA
154
*14.2 Der prädikatenlogische Äquivalenzkalkül
Um in der PL schnelle Äquivalenzbeweise durchzuführen, verwendet man die
in Kap. 14.1 angeführten Äquivalenztheoreme als Axiome bzw. prämissenlose
Regeln des Äquivalenzkalküls an. Man benötigt diese z.B. zur Umformung
einer Aussage in eine pränexe Normalform  d.h. eine Sequenz von Quantoren, gefolgt von einer quantorfreien Formel.
Eine PL-Aussage in pränexer Normalform, mit einem Quantorbereich in konjunktiver Normalform oder disjunktiver Normalform, nennen wir eine PKNF
bzw. PDNF.
Eine PKNF besteht also aus einer Kette von Quantoren, gefolgt von einer
KNF, wobei nun die Literale unnegierte oder negierte Atomsätze sind. - Analog für die PDNF.
Mit dem PL-Äquivalenzkalkül kann man jede PL-Aussage in eine logische
äquivalente Aussage PKNF oder PDNF umformen. Wichtig: dabei dürfen wir
mit diesen Regeln auch offene Formeln äquivalent ersetzen. Beispiel:
x(yRxy ( z(Qxz tFxat) zGxz ) )
|----------------------------------------------- Def
x(yRxy (z(Qxz tFxat) zGxz) )
|----------------------------------------------- Def
x(yRxy (z(Qxz tFxat) zGxz) )
|----------------------------------------------- 
x(yRxy (z(Qxz tFxat) zGxz) )
|----------------------------------------------- ÄDist
x(yRxy  z( (Qxz tFxyst) Gxz) )
|----------------------------------------------- Assoz 
x(yRxy  z( Qxz tFxyst Gxz) )
|----------------------------------------------- HDist
xy(Rxy  z( Qxz tFxyst Gxz) )
|----------------------------------------------- HDist
xyz(Rxy  ( Qxz tFxyst Gxz) )
|----------------------------------------------- Assoz 
xyz(Rxy  Qxz tFxyst Gxz)
eine PKNF und PDNK
155
Übungen
Übungen zu Kap. 1.
1.1 Finde (durch Überlegung) heraus, ob folgende Schlüsse logisch gültig
sind:
1) Wenn es den Urknall gegeben hat, ist die Welt entstanden.
Den Urknall gab es nicht
Also ist die Welt nicht entstanden.
2) Wenn es 0° C ist, siedet das Wasser.
Es ist 0° C.
Also siedet das Wasser.
3) Wenn die Ölkrise beseitigt ist, belebt sich die Konjunktur.
Die Konjunktur belebt sich.
Also ist die Ölkrise ist beseitigt.
4) Wenn die Ölkrise beseitigt ist, belebt sich die Konjunktur.
Wenn sich die Konjunktur belebt, sinkt die Arbeitslosenrate.
Wenn die Ölkrise beseitigt ist, sinkt die Arbeitslosenrate.
5) Heute abend wird es regnen oder es wird Schnee fallen.
Heute abend wird es sehr kalt werden.
Heute abend wird Schnee fallen.
6) Sein ist vergänglich.
Wahrheit ist ewig.
Wahr-Sein ist göttlich.
Was göttlich ist, ist vergänglich oder nicht.
7) Sein ist Wahrheit.
Sein ist vergänglich.
Wahrheit ist nicht vergänglich.
Daher gibt es einen Gott.
156
Zwei kompliziertere "Kriminalrätsel":
8) Wenn Peter zur Party geht, dann (auch) Hilde oder Evelyn.
Wenn Klara zur Party geht, dann (auch) Hubert oder Klaus.
Hubert geht nicht zur Party, wenn Hilde kommt.
Evelyn geht nicht zur Party, wenn im Fernsehen Tatort läuft.
Klaus geht nur dann zur Party, wenn Hubert kommt.
Peter und Klara gehen zur Party.
Im Fernsehen läuft kein Tatort.
9) Wenn Peter zur Party geht, dann (auch) Hilde oder Evelyn.
Wenn Klara zur Party geht, dann (auch) Hubert oder Klaus.
Hubert geht nicht zur Party, wenn Hilde kommt.
Evelyn geht nicht zur Party, wenn im Fernsehen Tatort läuft.
Klaus geht nur dann zur Party, wenn Hubert kommt.
Peter und Klara gehen zur Party.
Klaus geht nicht zur Party.
1.2 Man löse folgende Puzzles (aus: Smullyan: Wie heißt dieses Buch? ):
A Die Insel der Ritter und Schurken
Es gibt eine große Anzahl von Aufgaben, bei denen es um eine Insel geht, auf
der bestimmte Einwohner als "Ritter" bezeichnet werden, die immer die Wahrheit sagen, während die sogenannten "Schurken" immer lügen. Vorausgesetzt
wird, dass jeder Bewohner der Insel entweder ein Ritter oder ein Schurke ist.
Ich werde mit einer sehr bekannten Aufgabe dieser Art anfangen und ihr eine
Anzahl eigener folgen lassen.
1) Dieser altbekannten Aufgabe zufolge standen einmal drei der Inselbewohner
- A, B und C - zusammen in einem Garten. Ein Fremder ging vorbei und fragte
A: "Bist du ein Ritter oder ein Schurke?" A antwortete, aber sehr undeutlich,
so dass der Fremde nicht verstehen konnte, was er gesagt hatte. Dann fragte
der Fremde B: "Was hat A gesagt?" B entgegnete: "A hat gesagt, dass er ein
Schurke ist." In dem Augenblick sagte C, der dritte Mann: "Dem B darfst du
nicht glauben, er lügt!"
Die Frage ist: Was sind B und C?
2) Als ich auf das obenstehende Rätsel gestoßen war, fiel mir sofort auf, dass
A keine unbedingt notwendige Funktion hatte: er war eine Art Anhängsel. [ ...
] Bei der folgenden Variante fällt dieses Merkmal fort.
157
Angenommen, der Fremde würde, anstatt A zu fragen, was er ist, ihm die Frage stellen: "Wie viele Ritter sind unter euch?" Wieder antwortet A undeutlich.
Also richtet der Fremde an B die Frage: "Was hat A gesagt?" B antwortet: "A
hat gesagt, dass einer von uns ein Ritter ist." Darauf sagt C: "Glaube dem B
nicht, er lügt!"
Was also sind B und C?
3) Bei dieser Aufgabe sind nur zwei Personen beteiligt, A und B, wobei jeder
entweder ein Ritter oder ein Schurke ist. A macht folgende Aussage: "Wenigstens einer von uns ist ein Schurke."
Was sind A und B?
B Die Insel Bahava
Die Insel Bahava ist eine Insel [auf der es neben Rittern, die immer die Wahrheit sagen, und Schurken, die immer lügen, auch Normale gibt, die manchmal
die Wahrheit sagen und manchmal lügen und] auf der die Frauen gleichberechtigt sind - folglich werden auch die Frauen als Ritter, Schurken oder Normale bezeichnet. Eine ehemalige Herrscherin von Bahava hatte einst aus einer
Laune heraus eine seltsame Verordnung erlassen, wonach ein Ritter nur einen
Schurken und ein Schurke nur einen Ritter heiraten kann. (Ein Normaler kann
folglich nur einen Normalen heiraten.) Für jedes Ehepaar lässt sich somit sagen, dass entweder beide normal sind oder einer von beiden ein Ritter und der
andere ein Schurke ist.
Die drei folgenden Geschichten spielen sich alle auf der Insel Bahava ab.
4) Wir haben es zunächst mit einem Ehepaar zu tun, mit Herrn und Frau A. Sie
machen folgende Feststellungen:
Herr A/ Meine Frau ist nicht normal.
Frau A/ Mein Mann ist nicht normal.
Was sind Herr und Frau A?
5) Nehmen wir an, sie hätten stattdessen gesagt:
Herr A/ Meine Frau ist normal.
Frau A/ Mein Mann ist normal.
Wäre die Antwort anders ausgefallen?
6) Bei dieser Aufgabe geht es um zwei Ehepaare auf der Insel Bahava, Herrn
und Frau A und Herrn und Frau B. Sie werden interviewt, und drei der vier
Personen machen folgende Aussagen:
Herr A/ Herr B ist ein Ritter.
158
Frau A/ Mein Mann hat recht, Herr B ist ein Ritter.
Frau B/ Das ist richtig. Mein Mann ist tatsächlich ein Ritter.
Was ist jeder von ihnen, und welche der drei Aussagen sind richtig?
Einige obiger Übungen waren intuitiv schon sehr schwer zu lösen. Mit den im
folgenden entwickelten Methoden wird dies ein "Kinderspiel" sein.
1.3. Finde heraus, welche der folgenden natursprachlichen Verknüpfungsausdrücke extensional, und welche intensional sind:
p nachdem q
es ist wahrscheinlich, dass p
es ist falsch, dass p
p damit q
p weil q
p außer wenn q
es ist schön, dass p
weder p noch q
es ist bezweckt, dass p
p eher als q
Gibt es in obigen Ausdrücken zumindest eine aussagenlogische Teilbedeutung?
Übungen zu Kap. 2.
2.1 Finde für die folgenden Aussagen entsprechende natürlichsprachige Sätze
- möglichst solche, die "Sinn" machen:
pq
(p  q) q
pp
(pq)p
p  p
p (q r)
pq
(pq)
(p p)
(pq)(rs)
p  p
p(qr)

p q
(pq) (pq)

p p  q)
(p  (p q)) q
2.2 Überlegen Sie: welche der folgenden Wörter können die Bedeutung eines
extensionalen aussagenlogischen Junktors haben:
ohne, mit, ob, jedenfalls, nichtsdestoweniger, aber, wider, wieder, wobei,
wenngleich, indem, nachdem.
159
2.3 Versuchen Sie:
a)  und  mittels und  zu definieren
b)  und mittels  und  zu definieren
c)  und mittels  und  zu definieren.
d) T ist die Aussagenkonstante, die immer das Wahre bezeichnet und  jene,
die immer das Falsche bezeichnet. Versuchen Sie,  mittels und  zu definieren. Versuchen Sie, T und  mittels ,  und zu definieren.
2.4 Wie lassen sich die AL-Junktoren digital-elektronisch darstellen?
Übungen zu Kap. 3.
3.1 Entscheiden Sie, welche der folgenden Zeichenreihen Aussagen sind und
zeichnen Sie im positiven Fall den Konstruktionsbaum. Berücksichtigen Sie
nur die Ersparnisregel für äußere Klammern. Unterstreichen Sie im negativen
Fall alle Fehler.
1) (p  q) r
2) (p  q)  r
3) (p q)  p
4) (p r  q)
5) (p1 ((p2 p3) p4))
6) (p)
7) (p  q)
8) (p  q  r)
10) A X  1/2
11) (((p  q)  r)  s) s1
12) p1 p2 p 3
13) (p) (q  r)
14) p (q  r)
15) (pq)
16) r pq)
17) (p) q s
3.2 Kennzeichnen Sie alle Teilaussagen folgender Aussagen durch Unterstreichung. Wieviele sind es? Kennzeichnen sie die charakteristischen Junktoren
aller nichtatomaren Teilaussagen.
(1) (p  r) (s  t)
(2) (((p  q)  r) s)
(3) p1 (p2 (p3 p 4))
(4) (p  q)  p
(5) (r1  (r2  (r3  r4)))  r5
160
Übungen zu Kap. 4.
4.1 Man entscheide mittels der Wahrheitstafelmethode, welche der folgenden
Aussagen oder Aussageschemata logisch wahr, kontingent oder logisch falsch
sind.
1) p  q
2) p  p
3) A  A
4) p  q
5) p  p
6) p p
7) (A  B) (A  B)
8) (p  q) (p  q)
9) (p p) p
10) p (p q)
11) ((p q) p) p
12) (p q)  (q p)
13) ((p  q) r)  (p (q r))
15) (A  B) (A  B)
16) (p q)  (q p)
17) (p q) (q p)
18) (A B) (B A)
19) ((p  q)  p) q
20) ((p  q)  p) q
21) (p  (q  r)) ((p  q)  (p  r))
22) (p q)  (p  q)
23) (p  q)  (p  q)
24) (p  q)  (p  q)
25) ((A B)  (C B)) ((A  C) B)
26) ((A C)  (A B)) (A (C  B))
27) (p q) (p  q)
28) (p q) (p  q)
29) (A (B  C)) (C A)
30) (p  (qr))  (pr)q
161
4.2 Man entscheide mittels der Wahrheitstafelmethode, ob die folgenden
Schlüsse oder Schlußschemata gültig sind. Man versuche zusätzlich, für die
Schlüsse natursprachliche Beispiele zu geben.
1) A  B, A . . . B
2) A  B, A . . . B
3) A B , B C . . . A C
4) A B, A C . . . B C
5) p q, p r . . . q  r
6) A A . . . B
7) A . . .
B  B
. . . p r
9) A B , (B  C) A . . . A 
10) A A . . . B
8) p (q  r), r q
11) A B
...
A (C B)
12) (p  q) r . . . p r
13) A (B  C) . . . B A
14) A (B C), A B . . . A C
15) A  (B C) . . . (A C)  B
16) A  (BC) . . . C  (BA)
4.3 (a) Welche der folgenden Aussagen rechts sind Einsetzungen welcher der
folgenden Aussageschemata links?
A
A B
A B
A (BC)
A (B  C)
(pr) s (qr))
(pq) p
s (r q)  (q r))
(p  (p q)) ((pr)t)
p ((rq)  s)
(p (q  (rs)))
(b) Finden sie alle möglichen Aussageschemata, von denen die folgende Aussage
(p (q  (r s)))
eine Einsetzung ist. Verwenden Sie dabei (von links nach rechts) die Schemabuchstaben A, B, C und D.
162
(c) Welche der folgenden Aussagen ist Substitutionsresultat von welcher?, und
mithilfe welcher Substitutionsfunktion. Welcher der folgenden Aussagen sind
isomorph?
p q
p ((r  p) r)
s p
(p  q)  (s r)
p q
(s  r) (q  r)
(p1  (p2 p3)) ((p1 p2)  p3)
((p  q)  r) p
(r1r2)  (pq)
Übungen zu Kap. 5
Man prüfe folgende Aussagen resp. Schlüsse (bzw. -schemata) mit der Reductio ad absurdum-Methode (auf L-Wahrheit, L-Falschheit, Kontingenz, resp.
nach Gültigkeit oder Ungültigkeit):
In nur einer Zeile:
(1) (p  q) (r  s) . . . (s  r) (p  q)  r)
(2) p (q  r) . . . (p q)  (p r)
(3) A (B  C), C  D . . . D A
(4) (p  (q r)), r s  t . . . q t
(5) p (q r) . . . p (q  r)
(6) A  (B  C) . . . (A  B)  (A  C)
(7) A (B C) . . . B (A C)
(8) A (B C) . . . A C
(9) (A  B) (A  B)
(10) ((p  q) r) s . . . s (r (p  q))
(11) A B, C D . . . (A  C) (B  D)
(12) (p  q) r, q r . . . p r
(13) (p q) (r s), p  (t w), (r  w)  z . . . z s
163
In folgenden Beispielen kann es zu Zeilenaufspaltung kommen, muß aber
nicht: Benutzte Klammerersparniskonvention:  bindet vor , 
14) p q, (q  r) p . . . p  q
15) A  (B  C)  (A  B)  (A  C)
16) A  (B  C)  (A  B)  (A  C)
17) A B, BC, C A . . . ((A B)  (B  C)  (C  B))
18) (p q) r(s  t)), s  (p  t), t  (q  r) . . . r (s p)
19) ((A B)  (C D)) ((A  C) (B  D))
20) (A B)  (C D) ((A  C) (B  D))
21) (p q) (r  s), p  (r  t), s  t . . . p t
22) ((A B)  (C B)) ((A  C) B)
23) ((A C)  (A B)) (A (C  B))
24) (p  q)  (p  q)
25) ((p q) (q p)) (p q)
26) (p  q) (r  s), (s  z), (q r) (t  w), (w  r) t . . .
. . . p (t r)
27) A  B, B D, B  D . . . (A D) (D B)
28) p q, r s . . . (p q)  (r  s)
29) (p  q)  (p  q)
30) (p  (qr) )  ((p q)  (p r))
31) (p  (q r))  ((p q) p r) )
32) (p (q  r))  (((p s)  (q r))  ((p  s)  (q  r)))
33) (p q r s t u))))) . . . (p q r s t u)))))
34) (p q r s t u))))) . . . (p q r s t u)))))
Übungen zu Kap. 6
6.1 Geben Sie für die folgenden Sätze an, um welche Satzart es sich handelt;
falls es sich um einen Aussagesatz handelt, geben Sie an, um welche Aussageart es sich - gemäß unseres Schemas - handelt, und repräsentieren Sie. - Man
überlege immer, ob es nicht mehrere mögliche Repräsentierungen resp. Lesarten des Satzes gibt und falls ja, ob sie logisch äquivalent sind.
1)
2)
3)
4)
Walter und Klara sind glücklich.
Walter und Klara sind ein glückliches Paar.
Walter und Klara sind beide nicht glücklich.
Es ist nicht der Fall, dass Walter und Klara glücklich sind.
164
5)
6)
7)
8)
9)
10)
11)
12)
13)
14)
15)
16)
17)
18)
19)
20)
21)
22) I
23)
24)
Walter und Klara sind kein glückliches Paar.
Walter ist glücklich, weil Klara glücklich ist.
Immer wenn Walter glücklich ist, ist Klara glücklich.
Walter und Klara müssen glücklich sein.
Walter weiß, dass Klara glücklich ist.
Aber was, wenn Walter und Klara gar nicht existieren?
Wenn Ulrich in die Stadt gegangen ist, sitzt er sicherlich schon im
Café.
Aber wehe, wehe, wehe! Wenn ich auf das Ende sehe! (Wilhelm
Busch)
Keinesfalls aber Peter Hasenjagd bist.
Die 3. Wurzel aus Glas ist nicht zu verachten.
Thales von Milet, ein ionischer Naturphilosoph, sagte die Sonnenfinsternis vom 28. März 585 v.C. voraus.
Der Räuber sagte "Geld oder Leben" und nahm beides.
Das Wetter ist heute schön, nicht wahr?
Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.
Du sollst nicht stehlen!
Ich habe gebetet.
Ich habe zu beten.
Ich weiß, dass ich gebetet habe.
Peter hat Klara Geld gegeben, falls er etwas verdient hat.
Wenn Peter in der Lotterie gewonnen hat, hat er sich ein Auto
gekauft, falls er nicht gleich alles beim Kartenspielen verloren hat.
[Warum gibt es zwei Lesarten dieses Satzes? Beweise, dass die beiden
Lesarten logisch äquivalent sind!]
6.2 Repräsentieren Sie die folgenden Aussagesätze:
1) a) Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt,
wie es ist.
b) Kräht der Hahn zu Neujahr, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es
war.
c) Liegt der Bauer tot im Zimmer, lebt er nimmer.
2) Während in Marlowes Drama Faust von den Teufeln zerrissen wird,
wird in Goethes Drama Faust gerettet.
3) Während in Marlowes Drama Faust von den Teufeln zerrissen wird,
ist dies in Goethes Drama nicht der Fall.
4) Während der Dirigent das Pult betrat, standen die Orchestermitglieder auf
und das Publikum applaudierte.
165
5)
6)
7)
8)
Emil hat nicht viel Geld noch besitzt er Wertgegenstände.
Emil hat nicht viel Geld, doch er besitzt Wertgegenstände.
Gustav hat noch mehr Geld als Emil.
(Vor dem "Fall der Mauer":)
Nicht nur wenn die Bundesrepublik, auch wenn die DDR die Fußballweltmeisterschaft gewinnt, gibt es einen deutschen Fußballweltmeister.
[Beweise, dass die zwei möglichen Repräsentierungen dieses Satzes logisch
äquivalent sind.]
9) Nur wenn die Bundesrepublik oder die DDR die Fußballweltmeisterschaft gewinnt, gibt es einen deutschen Fußballweltmeister.
10) Wasser gefriert bei 0° C und dehnt sich, sofern es unter 4° C abgekühlt wird, aus.
11) Wenn der Energieverbrauch weiter so steigt, die Kohle- und Erdölvorräte aber knapp werden, so wird die Energieversorgung zusammenbrechen, es sei denn, dass neue billige und umweltfreundliche
Energiequellen gefunden werden.
12) Wenn Heinrich Kleist das Manuskript des "Robert Guiscard" zwar
verbrannte, dann aber aus dem Gedächtnis den ersten Akt wieder
niederschrieb, so lässt sich auf eine seelische Unausgeglichenheit, die wir
bei großen Künstlern häufig finden, schließen.
13) Wenn wir von einem deterministischen Weltbild ausgehen, so hat
ein Elektron zur selben Zeit Ort und Impuls, obwohl wir, sofern
Quantentheorie und Unschärferelation richtig sind, Ort und Impuls
eines Elektrons nicht gleichzeitig messen können.
14) Nur wenn der physikalische Raum ein euklidischer Raum ist, ist er nicht
sowohl endlich als auch unbegrenzt, jedoch wenn er ein elliptischer Raum
ist, so ist er endlich, aber auch unbegrenzt.
15) Die bemannte Weltraumfahrt, von den USA anfangs auf die Mondlandung ausgerichtet, wird sich - vorausgesetzt, dass man einen geeigneten
Ersatz für die kostspieligen Raketen findet - immer mehr auf den erdnahen
Raum konzentrieren, doch wird, sofern nicht wirtschaftliche Gründe die USA
und die Sowjetunion zu Einsparungen zwingen oder andere unerwartete
Schwierigkeiten auftreten, die Erforschung der Planeten und der
Sonne mit künstlichen Sonden weiter betrieben, auch wenn derzeit keine
bemannte Landung auf dem Mars geplant ist.
16) Herrscht Föhn, so ist es am Alpennordrand schön, nicht obwohl, sondern
weil es an der Alpensüdseite schlechtes Wetter gibt.
166
6.3 Was in den folgenden Argumenten ist Prämisse, was Conclusio?
1) "Da nun aber unmöglich der Widerspruch zugleich von demselben Gegenstande mit Wahrheit ausgesagt werden kann, so kann offenbar auch das Konträre nicht demselben Gegenstande zugleich zukommen. Denn von den beiden
Gliedern eines konträren Gegensatzes ist das eine nicht minder Privation, Privation der Wesenheit; Privation aber ist die über eine bestimmte Gattung ausgesprochene Negation. Ist es nun unmöglich, etwas in Wahrheit zugleich zu
bejahen und zu verneinen, so ist es ebenso unmöglich, dass das Konträre demselben zugleich zukomme." (Aristoteles, Metaphysik G 6, 1011b 15ff)
2) "Was nun die Vorstellungen anbetrifft, so können sie, wenn man sie nur an
sich betrachtet und sie nicht auf irgendetwas anderes bezieht, nicht eigentlich
falsch sein, denn ob mir eine Einbildung nun eine Ziege oder eine Chimäre
vorstellt - so ist es doch ebenso wahr, dass ich mir die eine, wie dass ich mir
die andere bildlich vorstelle. Auch im Willen selbst oder in den Gemütsbewegungen hat man keine Falschheit zu fürchten; denn möchte ich etwas noch so
Verkehrtes, ja etwas, was es in aller Welt nicht gibt, wünschen, so bleibt es
nichtsdestoweniger wahr, dass ich es wünsche. Es bleiben demnach nur die
Urteile übrig, bei denen ich mich vor Irrtum zu hüten habe." (Descartes, Meditationen III 6 (36))
6.4 Man repräsentiere die folgenden Argumente und versuche, mit der reductio
ad absurdum-Methode ihre Gültigkeit zu prüfen.
1) Wenn ein größeres Gehirnvolumen auf größere Intelligenz schließen lässt
und größere Intelligenz die Chancen zum Überleben vergrößert, dann hatte der
Neandertaler, nicht aber Homo sapiens die größeren Chancen zum Überleben;
wenn der Neandertaler die größeren Chancen zum Überleben hatte, dann hat
dieser überlebt. Der Neandertaler hat aber nicht überlebt, sondern der Homo
sapiens überlebt. Ein größeres Gehirnvolumen lässt daher nicht auf größere
Intelligenz schließen.
-- Wurde in diesem Argument eine selbstverständliche Prämisse weggelassen?
2) Wenn Sokrates recht hat, dann folgt aus dem berühmten Satz des Protagoras, der Mensch sei das Maß aller Dinge, dass Erkenntnis gleichbedeutend ist
mit Wahrnehmung. Ist nun aber Erkenntnis gleichbedeutend mit Wahrnehmung, dann kann man weder Sinnestäuschungen feststellen, noch eine Sprache
verstehen; wenn man keine Sprache verstehen kann, dann kann man auch keine Sinnestäuschungen feststellen. Also hat Sokrates nur dann recht, wenn man
167
keine Sprache verstehen kann.
3) Während Emil nur im Fall, dass er sein Auto benützte, rechtzeitig am Tatort
gewesen und als Täter verdächtig ist, hatte Gustav genug Zeit, um mit dem
Autobus zu kommen. Obwohl die tödliche Kugel aus Emils Pistole stammt,
kommt auch Gustav als Täter in Frage, allerdings nur, wenn er Emils Pistole
hat benützen können. Nur wenn Emil selbst seine Pistole Gustav gegeben hat,
konnte dieser sie benützen, es sei denn, er hat Emil überwältigt und sich die
Pistole mit Gewalt angeeignet. Wenn Gustav Emil überwältigt hat, hatte er
nicht genug Zeit, um mit dem Autobus zu kommen, und kommt als Täter nicht
in Frage. Entweder Gustav kommt als Täter in Frage oder Emil ist rechtzeitig
am Tatort gewesen. Emil ist nicht als Täter verdächtig sofern er selbst Gustav
seine Pistole gegeben hat. Emil ist, falls er rechtzeitig am Tatort gewesen ist,
als Täter verdächtig. Daher hat Gustav Emils Pistole benützen können außer
im Fall, dass Emil sein Auto benützte.
4) Man repräsentiere und überprüfe die beiden Argumente 8) und 9) zu Kap.
1.1: welches ist gültig, welches ist ungültig?
6.5 Man repräsentiere folgende Argumente und prüfe ihre Gültigkeit mit einer
der bisher gelernten Methoden (zunächst reductio ad absurdum versuchen).
Falls sich ein Argument als ungültig erweist, überlege man, ob man selbstverständliche Zusatzprämissen hinzufügen kann, die das Argument gültig machen.
Man diskutiere den philosophischen Gehalt der Argumente 2) - 5).
1) Nach dem Tode kommst du, wie du weißt, in den Himmel, in die Hölle oder
in das Fegefeuer. Wenn du immer gut warst, so in den Himmel. Doch auch
wenn du es nicht warst: ------ war nur ein Funken Gutes in deinem Herz, wirst
du, mein Freund, ins Fegefeuer kommen, auch wenn du fast immer böse warst.
Leider aber -, gestehe! - war dein Herz zeit deines Lebens schwarz wie die
Nacht. So wirst du in die Hölle kommen, ob du willst oder nicht.
2) Wenn Gott existiert, ist Gott sowohl allgütig wie allmächtig. Weil wir Menschen leiden, kann Gott also nicht existieren. Denn ist Gott allgütig, so verhindert er Leid, wenn er kann. Ist er allmächtig, kann er alles, insbesondere Leid
verhindern.
3) Gott existiert. Weil die Welt existiert. Denn die Welt kann nur existieren,
wenn Gott sie geschaffen hat; außer es gibt den Zufall. Wenn die Welt von
Gott geschaffen wurde, gibt es aber keinen Zufall. Wenn aber Gott die Welt
168
geschaffen hat, so existiert er auch. Also existiert Gott, wie zu beweisen war.
4) Wenn wir etwas wissen, dann gibt es eine Aussage, von der wir wissen, dass
sie wahr ist. Wenn es eine Aussage gibt, von der wir wissen, dass sie wahr ist,
dann gibt es auch eine Aussage, in der wir uns nicht täuschen können. In jeder
Aussage aber können wir uns täuschen. Daher wissen wir nichts.
5) Wenn es eine Realität gibt, die bewußtseinsunabhängig ist, dann wird Wissenschaft gegen die Wahrheit konvergieren, sofern uns unsere Sinne nicht täuschen. Unsere Sinne täuschen uns nicht und tatsächlich konvergiert Wissenschaft gegen die Wahrheit. Also gibt es eine bewußtseinsunabhängige Realität
- anders ließe sich das zuvor Gesagte doch gar nicht erklären!
6) Nur wenn die Wirtschaft wächst, wächst die Zahl der Arbeitsplätze. Wenn
die Zahl der Arbeitsplätze bleibt wie bisher oder aber sinkt, so wird die Bevölkerung unzufrieden sein. Also wird die Bevölkerung dann und nur dann zufrieden sein, wenn die Wirtschaft wächst.
[Überprüfe das Argument mit jeweils einem Teilsatz der Conclusio; "dann"
bzw. "nur dann"]
Aufgaben zu Kap. 8
(Vgl. auch die Aufgaben in dem Buch von Virginia Klenk, S. 137)
(A) Man beweise folgende Schlüsse (man mache dabei nur von das Basisschlußregeln Gebrauch):
(1) (p  q)  r . . . r  s
(2) p  q, p r, r . . . q  s
(3) p, q, r . . . (p  q)  (p  r)
(4) A, A  B C . . . C
(5) A  B, (C  D) B . . . (C  E)  D
(6) A, A  B, C B, D . . . D  C
(7) A  B . . . B  A
(8) (p  q)  r, p s, q t . . . s  t
(9) p  q, p  (r q), r (s  t), t  r . . . s  t
169
(B) Man beweise folgende Schlüsse und Theoreme mittels KB:
(1) A (B C) . . . A  B C
p q . . . p  r q  r
(A  B)  C  A  (B  C)
p (q p  q)
(p (p q)) (p q)
(6) A (B C) . . . B (A C)
(7) A B, B C . . . A C
(2)
(3)
(4)
(5)
(8) A B, C D . . . A  C B  D
(9) (p (q r)  (p  q r)
(C) Man beweise folgende Schlüsse und Theoreme mittels FU:
(1) p q, p  r . . . q  r
(2) p p . . . p
(3) A  (B  C) . . . (A  B)  (A  C)
(4) (p  p) q . . . q
(5) A B, C D . . . A  C B  D
(6) (A  (B C)) (A  B) C)
(D) Man beweise folgende Schlüsse mittels IB:
(1) p  (q  q) . . . p
(2) p p . . . p
(3) p  q, p  q . . . p
(4) p q, p q . . . p
(5) (p q) . . . p
(6)  p . . . (p  q)
(E) Man beweise folgende Theoreme im Kalkül S nach eigenem Ermessen:
(Konvention:  bindet vor ,)
(1) A  (B  B)  A
(2) A  (B  B)  A
(3) A  A  A
(4) A  (B  C)  (A  B)  (A  C)
(5) A  (B  C)  (A  B)  (A  C)
(6) ((p q) p) . . . p
Peircesche Formel
(7) (A  B) A  B
170
(8)
(9)
(10)
(11)
(12)
(13)
(14)
A  (A  B)  A
A  (A  B)  A
(A  B) . . . (A B)
A  B  (A B)
A  A  B)
A C, (B C)  D, (D  E) . . . (A  B) C
A B, B C, D  (A C), E  (A B) . . . D  E
(15)  (s t) (p q), s t r, (p q) . . . (s r)
(16) q r, s (r t) . . . (p s q) (p q)
(17)
(18)
p (q  r), (r (p q)), s  t . . . t s
p r, (p p) s t, t s,
(q r) p, (r q) s (r p) . . . p r
(F) Man beweise im Äquivalenzkalkül Ä folgende Theoreme: *
(1) (A B)  (B A)
(2) (A B)  (B A)
(3) (A B)  (A  B)
(4) (A  B)  (B  A)
(5) (p p)  p
(6) (p (q r))  (p  q r)
(7) (p (q r))  (q (p r))
(8) (A B)  (A C)  (A B  C))
(9) (A B)  (C B)  (A  C B)
(10) A  (A B)  A  B
(11) A  A B)  B
(12)  p (q r))  (r (p q))
(G) Man bringe folgende Aussagen auf ihre (irreduzible) konjunktive und disjunktive Normalform:*
(1) (s t) (p q)
 (p  (p q)) ((pr)p)
 (p (q  (rq)))
 p ((rq)  s)
 (pr s (qr)
 (p1  (p2 p3)) ((p1 p2)  p3)
(7) (s  r) (p  q)  r
 r (s  t)) r) s(st))
171
Aufgaben zu Kap. 10:
10.1 Welche der folgenden Zeichenreihen sind Aussagen bzw. offene Formeln
der prädikatenlogischen Sprache? Man zeichne im positiven Fall den Konstruktionsbaum. Im negativen Fall unterstreiche man die Fehler.
1)
2)
3)
4)
5)
6)
7)
8)
9)
10)
11)
12)
13)
14)
15)
16)
F1a R2ab
F1b  xR2xy
x(F2xya x(G3xz yF
x(F2x  xGx)
y(Fy Gy)
xF1x  xG1x
xz((F1xa  G1y) (z  H1(x)))
zyx(Fx Ryz)
xRxy
x(Fx yRzy)
xF2xx R2aa
y(xRxx Ray)
(x1R2x1a Qa1b)  Fc
xyFz
yR2xF  P1xb
x((yTxya zSxz) (yTxy  Rxxx))
10.2 Welche Individuenvariablen in folgenden Formeln sind frei, welche gebunden. Welche der Formeln sind geschlossen (sind Sätze)?
 Zeichnen Sie den Bereich der Quantoren ein. Wo gibt es Quantoren, die
nichts in der Formel binden?
xy(Fxy Gxy)  Rab
xFxyzHzx
xFa
xxRx FxGx)
xyRxy  yxRxy
yPy  (xRxy  zRxz)
x(FxyGxy)  xHxx
x1x2(y2(RaQzb)y2(Rbx5Qy1x3))
xxRx
172
Aufgaben zu Kap. 11:
Man repräsentiere die folgenden Aussagen der natürlichen Sprache durch prädikatenlogische Aussagen. Falls der Objektbereich nicht der universale Bereich ist, gebe man ihn explizit an.
1) a) Dieser Tisch ist braun und höher als der Stuhl dort.
b) Wenn Peter schlecht gekleidet ist, schimpft mit ihm seine Oma.
c) Die Sonne schien ihm um 12 Uhr ins Gesicht.
d) Wer einem anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.
e) Meier und Müller kämpften um das goldene Trikot, welches der
Sulmtaler Rennsportclub gespendet hatte.
2) a) Es gibt europäische Sprachen, die nicht indogermanisch sind.
b) Keine europäische Sprache ist nicht indogermanisch.
c) Keine nicht indogermanische Sprache ist europäisch.
d) Europäische nicht indogermansiche Sprachen gibt es keine.
e) Deutsch ist eine europäische indogermanische Sprache.
f) Deutsch ist keine europäische nichtindogermanische Sprache.
g) Deutsch ist eine europäische, doch keine indogermanische Sprache.
h) Die germanischen Sprachen sind europäische indogermanische
Sprachen.
i) Finnisch und Baskisch sind keine europäischen indogermanischen
Sprachen.
j) Latein ist keine germanische, doch eine indogermanische Sprache.
k) Deutsch und Englisch sind germanische Sprachen.
l) Deutsch und Englisch sind miteinander verwandt.
m) Deutsch ist mit allen germanischen Sprachen verwandt.
n) Alle indogermanischen Sprachen sind miteinander verwandt.
o) Alle mit einer indogermanischen Sprache verwandten Sprachen
sind indogermanisch.
p) Alle mit dem Deutschen verwandten Sprachen sind indogermanisch.
3) a) Alles hat eine Ursache.
b) Es gibt etwas, das alles verursacht hat.
c) Alles hat eine gemeinsame Ursache.
d) Gott ist die Ursache von allem.
e) Wenn eines die Ursache eines zweiten ist, ist das zweite die Wirkung
des ersten.
f) Alles wirkt sich auf alles aus.
173
g) Es gibt etwas, das zu nichts in einer Kausalbeziehung steht.
h) Nichts verursacht sich selbst.
i) Nichts verursacht nichts
j) Nichts verursacht etwas.
k) Nichts verursacht alles.
l) Was alles verursacht, verursacht sich selbst.
m) Physische Entitäten haben physische und psychische Entitäten
haben psychische Ursachen.
n) Gott ist überall jederzeit vorhanden.
o) Irgendwann und irgendwo gibt es ein Wunder.
4) a) A.W. Schlegel und L. Tieck übersetzten nicht alle Dramen Shakespeares, einige wurden von Dorothea Tieck und W.v. Baudissin übersetzt.
b) Nicht nur A.W. Schlegel und L. Tieck übersetzten alle Dramen
Shakespeares, auch Dorothea Tieck und W.v. Baudissin.
c) Nicht nur A.W. Schlegel und L. Tieck übersetzten alle Dramen
Shakespeares, auch R. Flatter und H. Rothe.
d) Sowohl W.v. Humboldt als auch Hölderlin übersetzte die Gedichte
Pindars.
5) a) Gotische Kathedralen haben Türme.
b) Es gibt keine gotische Kathedrale ohne Turm.
c) Keine gotische Kathedrale ist ohne Turm.
d) Kathedralen mit Türmen sind gotisch.
e) Alle Kathedralen ohne Türme sind nicht gotisch.
f) Nur gotische Kathedralen haben Türme.
g) Nur Kathedralen mit Türmen sind gotisch.
h) Gotische Kathedralen ohne Turm gibt es nicht.
i) Jede Substanz hat einen Schmelzpunkt.
6) a) Nur wenn die Bundesrepublik oder die DDR Fußballweltmeister ist,
gibt es einen deutschen Fußballweltmeister.
b) Nicht nur die Planeten mit Monden, auch die ohne Mond haben
ein starkes Magnetfeld.
c) Nur die Planeten mit Monden, nicht aber die ohne Mond haben
ein starkes Magnetfeld.
d) Alle Planeten mit starkem Magnetfeld haben Monde.
e) Nur wenn nicht nur die Planeten mit Monden, sondern auch die
ohne Mond ein starkes Magnetfeld haben, dann haben alle Planeten
ein starkes Magnetfeld.
174
7) Repräsentieren Sie folgende (philosophische) Argumente in der PL und versuchen Sie diese deduktiv zu beweisen, oder geben Sie ein informelles Argument ihrer Ungültigkeit.  [Beispiele werden nachtragen !!]
Aufgaben zu Kap. 12:*
Es sei D = {Berlin, Hamburg, München, Köln}. (Der Kürze halber wählen wir
als Namen für diese Objekte 'Be', 'Ha', 'Mü' und 'Kö', die in naheliegender
Weise den entsprechenden Städten zuzuordnen sind.) Es sei nun I(a) = Be, I(b)
= Mü, I(c) = Ha, I(d) = Kö.
I(F1) = {Be, Ha, Mü}
I(R2) = {<Be, Ha>, <Be, Kö>, <Be, Mü>, <Ha, Kö>, <Ha, Mü>, <Mü, Kö>}
I(P3) = {<Be, Ha, Kö>, <Be, Ha, Mü>, <Be, Mü, Mü>, <Be, Kö, Kö>,
<Ha, Kö, Kö>}
I(Q4) = {<Be, Ha, Kö, Mü>, <Be, Kö, Ha, Mü>, <Be, Kö, Mü, Mü>,
<Be, Mü, Kö, Ha>}
Man bestimme die Wahrheitswerte folgender Aussagen in <D, I>:
1)
2)
3)
4)
5)
Rab
Rbc
Rcd
xRdx
xyRyx
6)x(Fx yRyx)
7) Pabb xPxdd
8)xy((Rxy  Fy) Pxyz
9)xRax Qaxbx
10)x(Fx yQaxyb)
Aufgaben zu Kap. 13:
(A)
(A.1) Was ist die AL-Form der folgenden Formeln und/oder Schlüsse:
a) x(FxGx)  (xFxQy), (b) Fa  z(xRxz y(FyGyz)),
(c) (FaGa) . . . (Fa Ga), (d) (FaxGx). . . xRxx(FxGx)),
(e) xFx xGx)  xFx.
(A.2) Welche der folgenden gültigen Schlüssen der PL sind auch AL-gültig?
Wenn ja, was ist ihre propositionale Form?
xFx xGx) . . . xFx, x(Fx Gx) . . . xFx,
xFx, xFx xGxHx), xGx Qa . . . Qa
xFx , xFx xGxHb), xGx Ha . . . Ha  Hb.
175
(A.3) Führe die folgenden Substitutionen durch:
(Fxy Gxz)[a/x]
xyRxy)[a/x,b/y]
yPy  xRxy)[c/y]
x(FxyGxy) Px)[a/x]
x(Rxy[b/y]  Ray[b/y]).
(B) Man beweise die folgenden L-Wahrheiten oder Schlüsse im PL-Kalkül S:
(B.1) Beweise folgende PL-Schlüsse nur mit UI bzw. EC und AL-Regeln:
(1) (Fa  Ga) . . . xFx
(2) xFx . . . xFx
(3) xFx, Fa Gb . . . xGx
(4) A[a/x]  B[b/x], A[a/x] . . . xB
(5a) xFx . . . xFx
(B.2) Beweise folgende L-Wahrheiten oder Schlüsse im PL-System S:
(5b) xyRxy . . . xy(RxyRyx)
xFx . . . x(Fx  Gx)
(7). . . x(Fx  Gx)  xFx xGx
(8)x(Fx Gx) . . . x((FxHx) Gx Hx))
(9) xyRxy . . . yxRxy
(10) xy(Fxy Gxy) . . . xy(FxyHxy Gxy Hxy)
(11) x(Fx Gx) , x(Gx Hx) . . . x(Fx Hx)
(12) x(y(Fxy Gxy) y(Hxy Gxy)) . . .
. . . xy(Fxy  Hxy Gxy)
Man zeige, warum der Beweis von
xy(Fxy Gxy) xy(Hxy Gxy) . . . xy(Fxy  Hxy Gxy)
scheitert.
(13) xy(Fxy Gxy), xy(Hxy Gxy) . . . xy(Fxy  Hxy Gxy)
(14)xA  yA[y/x]
sofern y nicht in A, weder gebunden noch frei
("A[y/x]": x an allen freien Vorkommnissen in A durch y ersetzt)
(15) xyA . . . zuA[z/x, u/y] wobei z und u in A nicht vorkommen
(16)
(17)
. . . x(A B) xA
xFx . . . xFx
176
(18)
(19)
(20)
(21)
(22)
(23)
(24)
(25)
(26)
(27)
(28)
(30)
(31)
(33)
(34)
(35)
xyFxy . . . xy(Fxy  Gxy)
. . . xFx  yFy
x(A  B) . . . xA
xA . . . xA
xFx, x(Fx Gx) . . . xGx
xyRxy . . . yxRxy
. . . xyRxy yxRxy
xyzRxyz . . . zyxRxyz
. . . x(A  B)  A xB sofern x nicht frei in A
xyRxy . . . xRxx
xRxx . . . xyRxy
. . . (A  xB)  x(A  B)
x(AB), xA . . . xB
. . . (xA B)  (x(A B))
sofern x nicht frei in A
sofern x nicht frei in B
. . . (xA xB)  (x(A B)
x(A  B), xA . . . xB
Kap. 14:
Man forme folgende PL-Aussagen in ihre pränexe konjunktive und disjunktive
Normalform um:
(1) x(Fx yRxy   zQxaz))
(2) x((yRxy zQxz) (z(Rxz  Fz))
xy(Fxy Gxy) xy(Hxy Gxy)
(4) x(y(Fxy Gxy) z(Hxz Gxz))
(5) xy(Rxy z(Qyz Szx))
x((yTxya zSxz) (yTxy  Rxxx))
177
Herunterladen