Chemotherapie mit Carboplatin bei Patienten mit einem nicht

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Universität Ulm
Zentrum für Innere Medizin I
Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. T. Seufferlein
Sektionsleiter Nephrologie: Prof. Dr. med. F. Keller
Chemotherapie mit Carboplatin bei Patienten
mit einem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom
unter besonderer Berücksichtigung des
Einflusses der Nierenfunktion auf Dosierung,
Toxizität und Prognose
Als Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin der
Medizinischen Fakultät der Universität Ulm
vorgelegt von
Ruth Renz
geb. in Ulm
2014
Amtierender Dekan: Prof. Dr. T. Wirth
1. Berichterstatter: PD Dr. M. Rasche
2. Berichterstatter: PD Dr. C. Schumann
Tag der Promotion: 22.05.2015
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis.....................................................................................II
1 Einleitung ....................................................................................................... 1
1.1
Epidemiologie und Ätiologie des Bronchialkarzinoms................................ 1
1.2
Klassifikation des Bronchialkarzinoms ....................................................... 2
1.3
Diagnostik und Therapie des Bronchialkarzinoms ..................................... 4
1.4
Niereninsuffizienz .................................................................................... 12
1.5
Chemotherapie bei Niereninsuffizienz ..................................................... 15
1.6
Pharmakokinetik ...................................................................................... 15
1.7
Fragestellung ........................................................................................... 21
2 Patienten und Methoden............................................................................. 22
2.1
Studiendesign .......................................................................................... 22
2.2
Patienten ................................................................................................. 22
2.3
Statistische Methoden ............................................................................. 24
3 Ergebnisse ................................................................................................... 26
3.1
Basischarakteristika der Patienten........................................................... 26
3.2
Veränderung der Basisdaten im Verlauf .................................................. 28
3.3
Darstellung der Dosis der platinhaltigen Chemotherapie mit und ohne
Berücksichtigung der Pharmakokinetik .................................................... 32
3.4
Darstellung der toxischen Nebenwirkungen von Carboplatin in
Abhängigkeit der Nierenfunktion .............................................................. 33
3.5
Darstellung der chemotherapeutischen Wirksamkeit von Carboplatin in
Abhängigkeit von der Nierenfunktion ....................................................... 36
4 Diskussion ................................................................................................... 39
4.1
Einführung ............................................................................................... 39
4.2
Die Dosierung von Carboplatin in Abhängigkeit von der Nierenfunktion.. 39
4.3
Der Einfluss der eingeschränkten Nierenfunktion auf die Toxizität von
Carboplatin .............................................................................................. 41
4.4
Die Wirkung von Carboplatin in Abhängigkeit von der Nierenfunktion ..... 43
5 Zusammenfassung...................................................................................... 45
6 Literaturverzeichnis .................................................................................... 47
Anhang ............................................................................................................ 57
I
Abkürzungsverzeichnis
ACN
Adriamycin, Cyclophosphamid, Navelbine
ANC
absolute Neutrophile Count
AUC
area Under the Concentration Time Curve
KDIGO
Kidney Disease Improving Global Outcomes
C&G
Cockcroft und Gault
CI
Konfidenzintervall
CKD
chronical Kidney Disease
CR
complete remission
CT
Computertomogramm
CTCAE
Common Terminology Criteria for Adverse Events
d. F.
der Fälle
engl.
englisch
evtl.
eventuell
fren
renale Elimination (%)
GFR
glomeruläre Filtrationsrate
ggf.
gegebenenfalls
KOF
Körperoberfläche
Krea
Kreatinin (µmol/l)
kum.
kumulativ
MDRD
Modification of Diet in Renal Disease
NSCLC
non Small Cell Lung Cancer
PD
progressive disease
PR
partial remission
p-Wert
Signifikanzwert, Überschreitungswahrscheinlichkeit
(engl. probability)
PET
Positronenemissionstomographie
SCLC
small cell lung cancer
SD
stable disease
TNM
Tumor, Nodi lymphatici, Metastasis
WHO
World Health Organisation
Z. n.
Zustand nach
II
1
Einleitung
1.1 Epidemiologie und Ätiologie des Bronchialkarzinoms
Das Bronchialkarzinom ist mit 36,3 % aller Krebserkrankungen die häufigste
Krebstodesursache des Mannes, gefolgt vom Kolon- und Prostatakarzinom. Bei
der Frau steht es, nach dem Mammakarzinom, mit 12,3 % an zweiter Stelle [3].
Im
Jahr
2006
wurden
in
Europa
386.300
(12,1%)
Bronchialkarzinome
diagnostiziert. In der Bundesrepublik Deutschland beträgt die Inzidenz für Männer
61,2/100000 und für Frauen 20,8/100000 Personen pro Jahr, wobei das nicht
kleinzellige Bronchialkarzinom (NSCLC) mit 80% die häufigste Form des
Bronchialkarzinoms ausmacht. Seit Anfang der 90er Jahre lässt sich bei der
männlichen
Bevölkerung
eine
Abnahme
der
Sterberate
infolge
des
Bronchialkarzinoms feststellen. Beim weiblichen Bevölkerungsanteil hingegen
nahmen sowohl die Inzidenz als auch die Mortalitätsrate seit etwa 1980
tendenziell zu, was dazu führte, dass das Bronchialkarzinom zu Beginn des 21.
Jahrhunderts an die zweite Stelle der krebsbedingten Todesursachen rückte. Die
Prävalenz,
also
die
Wahrscheinlichkeit
in
seinem
Leben
an
einem
Bronchialkarzinom zu erkranken, beträgt bei den heute 0-74 jährigen Männern 7%
und
Frauen 2,1%. Ein Häufigkeitsgipfel ist zwischen dem 55. und dem 65.
Lebensjahr zu beobachten [43, 61, 77].
Der Hauptrisikofaktor für die Entstehung des Bronchialkarzinoms ist das inhalative
Zigarettenrauchen gefolgt von diversen anderen Ursachen, vor allem den
berufsbedingten Karzinogenen [53].
In den 50er Jahren wurde erstmals durch groß angelegte Studien von Wynder
(USA), sowie von Doll und Hill (Großbritannien) der schon länger vermutete
Verdacht, es gäbe einen Zusammenhang zwischen einem vermehrten Tabakkonsum und der steigenden Inzidenz von Lungenkrebs, bewiesen [23, 79].
Die Ursache des Bronchialkarzinoms sowohl bei kleinzelligen als auch bei nichtkleinzelligen, ist in 90% der Fälle auf das Rauchen zurückzuführen. Die restlichen
10% sind bedingt durch eine berufsassoziierte Exposition (etwa 8%) mit Asbest
oder Arsen, sowie umweltbezogene Risikofaktoren wie Radon, Industrie- und
Verkehrsabgase, das Passivrauchen und eine genetische Disposition [38].
1
Somit entwickelt sich bei lebenslangen Rauchern in 15% der Fälle ein
Bronchialkarzinom. Hierbei korreliert das Karzinomrisiko stark mit der Dauer und
dem Ausmaß des Zigarettenkonsums. Hierzu wurde der Begriff der so genannten
„pack years“ (die Anzahl der gerauchten Zigarettenschachteln pro Tag multipliziert
mit der Anzahl der gerauchten Jahre) zur Risikobestimmung eingeführt. Somit
führt eine Verdoppelung der pack years zu einer etwa zwei bis vierfachen
Erhöhung der Lungenkrebssterblichkeit. Das Rauchen aufzugeben führt zu einer
Verminderung des Erkrankungsrisikos mit der Zunahme der rauchfreien Jahre.
Wohingegen bereits an einem Bronchialkarzinom Erkrankte durch das Aufgeben
des Rauchens evtl. noch ihren Leistungsstatus verbessern, aber ihre Überlebenszeit nicht verlängern können [2, 5, 69].
1.2 Klassifikation des Bronchialkarzinoms
1.2.1 WHO – Klassifikation
Um die Vorraussetzung einer internationalen Verständigung über Diagnostik,
Therapie und Prognostik der unterschiedlichen Typen des Bronchialkarzinoms zu
erlangen, ist es von Nöten, einheitliche histologische Einteilungskriterien,
Typendiagnosen und eine standardisierte Nomenklatur zu schaffen. Erstmals
gelang dies der WHO 1967, als sie eine Fassung der Klassifikation von Tumorerkrankungen der Lunge und Pleura herausgab.
Zusammenfassend gesehen und im Hinblick auf die Stadieneinteilung werden die
zahlreichen histologischen Formen in das nicht-kleinzellige (NSCLC) und das
kleinzellige Bronchialkarzinom (SCLC) unterteilt.
Die aktuelle WHO-Klassifikation unterscheidet bei den malignen epithelialen
Tumoren prinzipiell vier Haupttypen und eine Mischform, die wiederum diverse
Subtypen und Varianten aufweisen, siehe Tabelle 1 (Histologische Klassifikation
der malignen epithelialen Neoplasien der Lunge und deren Häufigkeit) im Anhang
[7, 58].
2
1.2.2 TNM – Klassifikation
Die Stagingsysteme von Tumorerkrankungen ermöglichen es, Patientengruppen
zusammenzufassen und anhand ihrer prognostischen Faktoren eine optimierte
Therapieplanung zu bestimmen. Eine Empfehlung zur Klassifikation von malignen
Erkrankungen nach dem „tumor-node-metastasis“ - (TNM)-System wurde erstmals
1949 von Denoix eingeführt [76].
In den 70er Jahre wurden von der Union Internationale Contre le Cancer (UICC)
und vom American Joint Comittee on Cancer (AICC) gleichzeitig zwei
verschiedene Systeme eingeführt [55, 56].
Im Jahr 1986 wurde das internationale Staging System (ISS) von Mountain
veröffentlicht. Dieses basiert auf den Grundlagen der UICC und der AICC und
fasst diese zu einem internationalen System zusammen. Mountain überarbeitete
1997 sein bis heute gültiges Staging System. Die Grundlage des TNM Systems
basiert auf anatomischen Kriterien, die die Festlegung der TNM-Deskriptoren
bestimmen, also die lokale Ausbreitung des primären Tumorbefalls (T-Faktor), das
Vorhandensein von regionären Lymphknoten (N-Faktor) und die Beurteilung von
Fernmetastasen (M-Faktor), siehe Tabelle 2 (TNM Klassifikation des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms 7. Auflage) im Anhang [19, 78].
Die Tabelle 3 zeigt die von Mountain 1997 überarbeitete Stadieneinteilung des
nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms, die auf der Grundlage des TNM-Systems
basiert; siehe Tabelle 3 (Stadieneinteilung des nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms unter Berücksichtigung von T, N ,M nach der UICC-Klassifikation (7.
Auflage) im Anhang [55].
1.2.3 Prognose anhand der Klassifikation
Die 5-Jahresüberlebensrate der Patienten mit einem Bronchialkarzinom korreliert
mit dem Tumorstadium, der jeweiligen Tumorart, also der histologischen
Klassifikation, aber auch mit anderen Wachstumskriterien, wie z. B.. der Tumorlokalisation. Von allen Lungentumoren haben die kleinzelligen Karzinome mit einer
mittleren 5 Jahres-Überlebenszeit von 4-6% die ungünstigste Prognose. Das
Plattenepithelkarzinom hat mit 40-50%, hauptsächlich post resectionem, die beste
3
Prognose. Die mediane Überlebenszeit der Patienten mit einem nicht-kleinzelligen
Bronchialkarzinom beträgt 35 Monate [2, 20].
Tabelle 4: Die 5-Jahresüberlebensrate in Abhängigkeit vom Tumorstadium beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom
Stadium
5 Jahres-Überlebensrate
Klinisches Staging
Pathologisches
Staging
IA
61%
67%
IB
38%
57%
IIA
34%
55%
IIB
22-24%
38-39%
IIIA
9-13%
23-25%
IIIB
3-7%
-
IV
1%
-
1.3 Diagnostik und Therapie des Bronchialkarzinoms
1.3.1 Basisdiagnostik
Besteht der Verdacht auf ein Bronchialkarzinom, sollte primär eine standardisierte
Basisdiagnostik erfolgen. Dazu sollte zunächst eine Anamnese, die ihr
besonderes Augenmerk auf Symptome wie Husten, Auswurf, Hämoptysen,
Dyspnoe, Thoraxschmerz, Heiserkeit, Lymphknotenschwellung und B-Symptomatik richtet, erhoben werden. Eine längere Raucheranamnese, sowie Asthma
und Bronchitis mit kurzer Anamnese, rezidivierende Pneumonien und so genannte
therapieresistente Erkältungskrankheiten sind ab einem Alter von über 40 Jahren
immer auch karzinomverdächtig.
Die klinische Untersuchung dient primär der Beurteilung beider Lungen. Des
Weiteren soll der Lymphknoten- und Gefäßstatus, sowie skelettale Veränderungen
und die Beurteilung von Herz und Leber erfasst werden.
4
Eine Basislaboruntersuchungen, sowie diverse physikalische Befunde ergänzen
die Basisdiagnostik und ergeben wesentliche Parameter für die folgende Planung
weiterer diagnostischer Möglichkeiten und der Therapie. Tumormarker haben
weder bei der Diagnostik noch bei der Nachsorge des Bronchialkarzinoms eine
wesentliche Bedeutung.
Neben der klinischen und funktionalen Diagnostik gibt das Röntgenbild den ersten
Hinweis auf das Vorliegen einer tumorösen Raumforderung. Beweisend für das
Vorliegen eines Bronchialkarzinoms ist allerdings nur der histologische bzw.
zytologische Befund. Dazu sollte eine Bronchoskopie mit morphologischer
Diagnosesicherung, also mit Biopsie zur histologischen Befundsicherung, die ggf.
durch eine Aspirations- und Spülzytologie ergänzt wird, erfolgen. Zusätzlich gibt
sie Informationen über den T-Faktor und somit über die Operabilität des
Karzinoms. Durch die hohe Aussagekraft dieser Untersuchung sollte die Indikation
hierfür bei Patienten mit Tumorverdacht großzügig gestellt werden.
Eine Sonographie regionärer Lymphknotenstationen kann der Klärung des N- und
M- Stadiums vor einer Operation dienen. Hierzu zählen eine externe Sonographie
supraklavikulärer und zervikaler Lymphknotenstationen und
eine Sonographie
des Abdomens. Eine weitere Möglichkeit zur Lokalisationsdiagnostik bietet der
endobronchiale Ultraschall (EBUS). Ferner kann durch die Bronchoskopie mit
modernen Techniken ein
zuverlässiges
Lymphknoten-Staging durch
eine
Ultraschall gesteuerte transbronchiale Nadelaspiration erreicht werden [31, 40, 42,
71].
1.3.2 Weiterführende Diagnostik
Der Umfang des diagnostischen Programms sollte sich immer an seinen
therapeutischen Konsequenzen orientieren, daher sollte geprüft werden, ob eine
weiterführende Diagnostik nötig oder nur im Einzelfall von Nutzen sein kann.
An erster Stelle und unerlässlich ist heute die Computertomographie. Das SpiralCT mit Kontrastmittel des Thorax unter Einschluss der Oberbauchregion (inklusive
Leber und Nebenniere) erlaubt Rückschlüsse auf den Sitz und die Ausdehnung
des Primärtumors, sowie die Möglichkeit bereits vorhandene Fernmetastasen zu
erkennen, was wiederum einen Einfluss auf die Operabilität, Chemo- oder
5
Radiotherapiefähigkeit hat. Das CT bietet allerdings keinen Ersatz für die
Bronchoskopie.
Vor geplanter Therapie gehört zur notwendigen weiterführenden Diagnostik eine
kardiorespiratorische Funktionsdiagnostik, da z. B. bei einer zu schlechten
Lungenfunktion ein operativer Eingriff meist nicht möglich ist.
Die
Positronenemissionstomographie
in
Kombination
mit
der
Computer-
tomographie (PET-CT) hat im Staging des Bronchialkarzinoms eine zunehmende
Bedeutung. Neben einem sehr genauen T-Staging, sowie der Lymphknoten
Darstellung (N-Staging), als auch das Vorhandensein von Fernmetastasen ist
diese Untersuchungstechnik teils besser als die konventionelle Staging-Methode
mit einer planaren Skelettszintigraphie [26, 42, 46, 71].
1.3.3 Therapie und ihre Nebenwirkungen
Die Möglichkeiten therapeutischer Interventionen hängen beim Bronchialkarzinom
primär von der Stadieneinteilung (TNM-Klassifikation), dem Leistungsindex,
welcher körperliche und soziale Faktoren von Tumorpatienten, hauptsächlich
Belastbarkeit und Aktivität beinhaltet, sowie die Notwendigkeit einer pflegerischen
Versorgung (Gliederung nach der Skala des Allgemeinbefindens von Karnofsky
oder der WHO) und den funktionellen Reserven des Patienten ab.
1.3.3.1 Operative Therapie
Die Therapie der Wahl mit kurativem Ansatz beim NSCLC in einem frühen
Stadium ist die Operation. Diese Therapiemodalität beschränkt sich auf die
Stadien IA-IIB. Für das Stadium IIIA besteht keine primäre Op-Indikation, die
Operation ist allerdings in Kombination mit einer anschließenden postoperativen
Radiatio möglich.
Zu
den
kurativen
chirurgischen
Standartverfahren
zur
kompletten Resektion des Primärtumors zählen die Lobektomie, einschließlich
einer angio- und bronchoplastischen Manschettenresektion, die Bilobektomie, die
Pneumonektomie und die mediastinale Lymphadenektomie. Eine Segment-,
Bisegment- und Trisegmentresektionen sollten nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden. Die operative Interventionsmöglichkeit ist allerdings nur in
etwa 25-30% der Fälle gegeben.
6
1.3.3.2 Radiotherapie
Ein weiterer Therapieansatz ist eine hochdosierte Radiotherapie mit einer
Gesamtdosis von etwa 60-70 Gy. Eine Radiatio mit kurativem Therapieansatz ist
Patienten vorbehalten, deren Karzinom auf den Thorax beschränkt ist und die als
unbedingte Voraussetzung einen guten Leistungsindex und eine adäquate
Lungenfunktion aufweisen. Also ist der primäre, kurative Therapieansatz der
Radiatio auch hier auf die Stadien I und II als mögliche Alternative zu operativen
Verfahren beschränkt, wenn diese nicht möglich sind. Liegt ein maligner
Pleuraerguss oder bereits eine Fernmetastasierung vor, ist die alleinige
Bestrahlung keine kurative Option. Bei Pancoast-Tumoren, also periphere
Bronchialkarzinome mit Nerveninfiltration, wird eine präoperative Bestrahlung
empfohlen. Auch die postoperative Bestrahlung bei Patienten mit mediastinaler
Metastasierung oder nicht komplett im Gesunden resezierten Tumoren hat einen
möglichen positiven Effekt auf ihre Prognose.
In höheren Stadien, also bei lokal fortgeschrittenen Tumoren (Stadium IIIB), oder
inoperablen Tumoren des Stadiums IIIA, gilt die Radiatio in Kombination mit einer
Platin-basierten Chemotherapie als Standardverfahren [17, 32, 44, 66].
1.3.3.3 Chemotherapie
Die Chemotherapie als Behandlungskonzept des nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms hat ihren Stellenwert in den letzten Jahren stark verbessern können.
Allein oder in Kombination mit einer Radiatio ist es möglich bei Patienten mit hoher
Tumorformel (Stadium III), einem lokal weit fortgeschrittenem Tumor, der nicht
mehr resektabel ist, eine Lebensverlängerung zu erreichen. So gilt mittlerweile die
Platin-basierte Chemotherapie in Kombination mit einem Wirkstoff der dritten
Generation (Paclitaxel, Vinorelbine, Gemzitabine, Docetaxel) oder neueren
Substanzen wie Pemetrexed als Standard der „first-line“ Therapie des
fortgeschrittenen Bronchialkarzinoms, bei Patienten mit gutem Leistungsindex.
Auch die Hinzunahme von Bevacizumab, einem Antikörper gegen vascular
endothelial growth factor (VEGF), zu einer Kombination aus Carboplatin und
Paclitaxel ist eine Möglichkeit der Erstlinienbehandlung des NSCLC. Darüber
hinaus besteht die Möglichkeit nach primär erfolgreicher Induktion eine
Erhaltungstherapie durchzuführen. Diese sequentiell angewendete Kombinations7
therapie hat bei gleichem Effekt eine geringere Toxizitätsneigung als das rein
platinhaltige Therapieregime. In einer groß angelegten Meta-Analyse, welche
insgesamt 37 Studien und an die 3600 Patienten einschloss konnte ein
eindeutiger Vorteil der platinhaltigen Chemotherapeutika gegenüber den nichtplatinhaltigen nachgewiesen werden. Dieses Therapiekonzept findet sich in den
aktuellen „S3-Leitlinien für die Therapie des Bronchialkarzinoms“ wieder.
Verschiedene Studien haben einen positiven Effekt auf das progressionsfreie aber
auch auf das Gesamtüberleben zeigen können (Tab. 5) [12, 22, 37, 59, 60, 65].
Tabelle 5: Auswahl gängiger Chemotherapieschemata zur Behandlung des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms
Carboplatin, Paclitaxel (optional + Bevacizumab)
Cisplatin, Pemetrexed
Carboplatin/Cisplatin, Etoposid (meist in Kombination zur Radiotherapie)
Carboplatin/Cisplatin, Vinorelbine
Cisplatin/Carboplatin, Gemcitabine
Cisplatin/Carboplatin, Docetaxel
Auch der Einsatz einer platinhaltigen Kombinationschemotherapie im Rahmen
einer adjuvanten Behandlung hat einen lebensverlängernden Effekt auf Patienten
mit einem NSCLC. Es konnte gezeigt werden, dass durch die Chemotherapie die
5 Jahres-Überlebensrate um 4,2% erhöht wurde. Dieser Vorteil ist auch hier
stadienabhängig. So profitieren hiervon Patienten des Stadiums II und III am
meisten, während eine platin-basierte, adjuvante Chemotherapie für das Stadium I
keine Lebensverlängerung bringt [25, 33, 75].
Ist ein Tumorstadium erreicht, in dem eine alleinige Bestrahlung nicht mehr
möglich ist, also Stadium IIIB oder IV, hat auch die Chemotherapie lediglich noch
eine palliative Wirkung und meist nur noch einen geringen lebensverlängernden
Effekt. Allerdings bewirkt die Kombination aus Bestrahlung und Chemotherapie bei
Stadium IIIb im Vergleich zu einer alleinigen Radiatio ein besseres Ansprechen
und ein längeres Überleben [35].
Bezüglich der Chemotherapie konnte in großen Studien der letzten 15 Jahre
gezeigt werden, dass in diesen Stadien die mittlere Überlebenszeit, unabhängig
vom Therapieschema, nur etwa um zwei Monate verlängert werden kann.
8
Eingeschlossen in die Metaanalysen waren allerdings nur Patienten in gutem
Allgemeinzustand, entsprechend der WHO-Skala 0 oder 1. Für Patienten mit
schlechterem Leistungsindex, Grad 2 und höher, oder schwerer Organinsuffizienz,
wie der Niereninsuffizienz, ist eine systemische Chemotherapie kontraindiziert.
Aus diesen Studien ging hervor, dass platinhaltige Chemotherapeutika, wie
Cisplatin und das vergleichbar wirksame Carboplatin, welches ein geringeres
Nebenwirkungsspektrum insbesondere die Nephrotoxizität und die gastrointestinalen
Nebenwirkungen
betreffend
aufweist
und
daher
gut
für
Kombinationstherapien geeignet ist, den besten Einfluss auf die Überlebenszeit
haben. Es konnte allerdings in diversen Studien gezeigt werden, dass Cisplatin in
Bezug auf die Remissionsrate des Karzinoms, sowie auf die Überlebenszeit einen
signifikant
besseren Einfluss hat als Carboplatin. Dies trifft jedoch einzig auf
Patienten ohne eine Komorbidität zu, insbesondere was eine bestehende Herzund oder Niereninsuffizienz betrifft. Dennoch konnte gezeigt werden, dass die
platinbasierten Chemotherapeutika verglichen mit einer „Best Supportive Care“Therapie, die Einjahres-Überlebensrate um etwa 10% erhöhen konnten. Das ist
der Grund, dass sie als Standard für die Primärtherapie des fortgeschrittenen
nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms eingeführt wurden [8, 36, 44, 63, 68].
Tabelle 6: Stadienabhängige Therapie des Bronchialkarzinoms
Stadium
Therapie
I/II, IIIA
kurative Operation
IIIA
präoperative Chemotherapie
II/IIIA
adjuvante Chemotherapie
IIIA mit mediastinalem Lymphknotenbefall
adjuvante Radiatio
IIIA/IIIB
primäre Radiochemotherapie
IIIB/IV
palliative Chemotherapie
1.3.3.4 Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungsraten der Chemotherapeutika sind hoch. Zur besseren
Klassifikation wird die Schwere der Nebenwirkungen in verschiedene Grade
eingeteilt. Eine mögliche Einteilung hiefür richtet sich nach den „Common
9
Terminology Criteria for Adverse Events v3.0 (CTCAE)“, die auch in dieser Arbeit
verwendet wurden. Es werden fünf Grade beschrieben, wobei Grad I das
geringste Ausmaß der Nebenwirkung ist, während Grad V den Tod an etwaiger
Nebenwirkung beschreibt. Die am häufigsten auftretende Nebenwirkung einer
Chemotherapie ist
die dosisabhängige Myelosuppression, darunter fällt die
Neutropenie, gefolgt von der Thrombozytopenie und der Anämie. Risikofaktoren
für das Auftreten der hämatologischen Nebenwirkungen sind ein schlechter
Leistungsindex, ein hohes Alter, die Kombination mit einer ebenfalls myelosuppressiven Therapie und eine Nierenfunktionsstörung. Weitere Nebenwirkungen
sind gastrointestinale Beschwerden mit im Vordergrund stehender Übelkeit und
Erbrechen, die meist 6-12 Stunden nach Applikation auftreten und bis zu 24
Stunden anhalten können, sowie Oesophagitiden, Diarrhöen und Obstipation. Die
Knochenmarksuppression ist diejenige Nebenwirkung, die letztendlich dosislimitierend bei einer Behandlung mit Carboplatin ist.
In Bezug auf die Nierenfunktionsstörung als Nebenwirkungen hat man
herausgefunden, dass Cisplatin dosisabhängig auf das Tubulussystem der Niere
einen toxischen Einfluss hat, ebenso führt Carboplatin zu einer Erniedrigung der
glomerulären Filtrationsrate durch seinen toxischen Einfluss auf die Niere in Form
einer Tubulusnekrose. Insgesamt ist allerdings die Toxizität von Carboplatin auf
die Niere deutlich geringer als bei Cisplatin [9, 25, 28, 35].
Die Komplikationen, die sich auf das Blutbild auswirkten und anhand derer die
Unterschiede zwischen Patienten mit eingeschränkter und
normaler Nieren-
funktion verglichen wurden, wurden in die Toxizitätsgrade nach den Common
Terminology Criteria for Adverse Events v3.0 (CTCAE) eingeteilt (Tab. 7).
Tabelle 7: Einteilung der Toxizitätskriterien in Giga pro Liter nach CTCAE (Common
Terminology Criteria for Adverse Events)
Grad der Toxizität
Zellreihe
1
2
3
4
Leukozyten
Absolute Neutrophile
Count
4,0-3,0 Giga/l
2,0-3,0 Giga/l
2,0-1,0 Giga/l
<1,0 Giga/l
2,0-1,5 Giga/l
1,5-1,0 Giga/l
1,0-0,5 Giga/l
<0,5 Giga/l
Thrombozyten
150-75 Giga/l
75-50 Giga/l
50-25 Giga/l
<25 Giga/l
10
1.3.3.5 Klassifizierung des Ansprechens des Tumors auf eine Therapie
Das Ansprechen des Primarius auf die Therapie anhand von Messungen der
Tumorgröße wird als Response in vier Gruppen unterteilt: complete response
(CR), partial response (PR), stable disease (SD) und progressive disease (PD).
Nach Überarbeitung dieser Recist Kriterien ergibt sich folgende Übersicht (Tab. 8)
[30, 70]
Tabelle 8: Recist-Kriterien der Responsebeurteilung von Tumorerkrankungen
Kategorie
Messbare Tumorgröße
CR komplette Remission
kompl. Rückgang aller Tumorbefunde für ≥ 4
(= complete remission)
Wochen
PR partielle Remission
(= partial response)
NC/SD (= no change/stable
disease)
PD Tumorprogression
(= progressiv disease)
≥ 30% Verkleinerung der Tumordimension für ≥ 4
Wochen., keine neuen Metastasen, keine
Tumorprogression in irgendeiner Lokalisation
< 30% Verkleinerung,
≤ 20% Vergrößerung der Tumordimension in
einem oder mehreren Herden für ≥ 4 Wochen
> 20% Vergrößerung der Tumordimension in
einem oder mehreren Herden, Auftreten neuer
Herde
11
1.4 Niereninsuffizienz
Eine Verminderung von glomerulärer, tubulärer und endokriner Funktion der
Nieren wird als Niereninsuffizienz, unterschieden in akut und chronisch,
bezeichnet.
Bei einer akuten Niereninsuffizienz kommt es über Tage oder wenige Wochen
rasch zum progredienten Verlust der Nierenfunktion mit einer Verminderung der
Harnsekretion und zu einem Ansteigen der Retentionswerte im Blut mit der
Möglichkeit zur vollständigen Reversibilität. Es kann ein prärenales, von einem
renalen und einem postrenalen Nierenversagen unterschieden werden, wobei mit
etwa 75% eine prärenale Ursache am häufigsten beobachtet wird [45, 54].
Bei
der
chronischen
Niereninsuffizienz
führt
eine
chronisch-progrediente
Destruktion von Nephronen zu einer irreversiblen Abnahme der glomerulären
Filtrationsrate. Am Ende der chronischen Niereninsuffizienz steht die terminale
Niereninsuffizienz,
die
eine
Nierenersatztherapie
erforderlich
macht.
Die
häufigsten Ursachen der chronischen Niereninsuffizienz in Deutschland sind die
Glomerulonephritiden mit etwa 40%, der Diabetes mellitus mit ebenfalls etwa 40%,
die interstitielle Nephritis mit etwa 15%, die vaskuläre Nephropathie mit etwa 11%
und die kongenitalen Zystennieren mit etwa 8%.
Für die chronische Niereninsuffizienz bestehen viele verschiedene Klassifikationssysteme. International anerkannt ist die Klassifikation der Stadien nach der
„Kidney Disease Improving Global Outcomes“ (KDIGO). Hier folgt die Einteilung
anhand der glomerulären Filtrationsrate (GFR) (Tab. 9).
12
Tabelle 9: Stadieneinteilung der Niereninsuffizienz nach der GFR (glomeruläre Filtrationsrate) nach der KDIGO (kidney disease improving global outcome), (Stadien eventuell mit
Zusatz „D“ bei Hämodialysepflicht, Zusatz „T“ bei Zustand nach Nierentransplantation)
Stadium
Beschreibung
GFR (ml/min per
1,73m²)
1
Nierenschaden mit oder ohne
≥ 90
GFR Veränderung (Proteinurie,
Hämaturie)
2
Nierenschaden mit geringer
60-89
Erniedrigung der GFR
3
Nierenschaden mit moderater
30-59
Erniedrigung der GFR
4
Nierenschaden mit schwerer
15-29
Erniedrigung der GFR
5
Nierenversagen
< 15
Die chronische Nierenerkrankung ist definiert als ein Nierenschaden mit oder ohne
Funktionseinschränkung bzw. einer GFR <90ml/min/1.73m² für mehr als drei
Monate.
Der
Nierenschaden
ist
definiert
als
strukturelle
Veränderung
(Histopathologie) oder Labormarker des Nierenschadens wie pathologische Blutoder Urinwerte (Proteinurie/Albuminurie, Hämaturie) bzw. bildmorphologische
Veränderungen. Kommt es zur terminalen Niereninsuffizienz kommen als
Behandlungsmöglichkeiten ein Nierenersatzverfahren, wie die Hämodialyse, die
Peritonealdialyse oder eine Nierentransplantation in Frage [48].
Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Funktion der Niere zu bestimmen. Da die
Bestimmung der exakten Kreatinin-Clearence im klinischen Alltag schwierig ist,
wird meist ein Schätzwert für die Nierenfunktion anhand der Konzentration des
Serumkreatinins verwendet. Die Genauigkeit dieser Bestimmung ist allerdings
limitiert, da das Serumkreatinin von diversen Faktoren, wie Alter, Geschlecht,
Rasse, Körpergewicht und dem tubulär sezernierten Anteil von Protein (etwa 10%
beim Nierengesunden) beeinflusst wird. Um diese Fehlerquellen zu reduzieren,
wurden diverse Näherungsformeln zur Berechnung der GFR entwickelt, die die
beeinflussenden Faktoren mit einbeziehen und somit annährend dem Wert der
13
Kreatinin-Clearance entsprechen. Die weltweit am meisten verwendete Formel zur
Bestimmung der Kreatininclearence ist diejenige nach Cockcroft and Gault
(Formel 1) [15]. Diese Gleichung wird dazu verwendet eine renale Insuffizienz zu
bestimmen, die Dosierungen von Medikamenten, die über die Niere eliminiert
werden, anzupassen und das Ansprechen einer Therapie bei progressiver Niereninsuffizienz zu beurteilen.
Formel 1: Das Maß der Kreatinin-Clearance (ml/min) berechnet nach Cockcroft-Gault
(CLcr (Kreatininclearance (ml/min)), Scr (Serumkreatininwert (mg/dl))
CLcr [ml / min ] =
(140 − Alter [Jahre]) ⋅ Gewicht [kg ]
(x 0,85 bei Frauen)
72 ⋅ S cr [mg / dl ]
Weitere Formeln zur Berechnung der GFR sind die MDRD1- und MDRD2Gleichungen. Sie waren das Ergebnis der „Modifikation of Diet in Renal Disease“Studie, die den Einfluss einer diätetischen Proteinrestriktion und die strikte
Einstellung des Blutdruckes auf das Fortschreiten der Niereninsuffizienz
untersuchte. Das Ziel dieser Studie war eine Gleichung zu entwickeln, die die
Schätzung der GFR aus dem Serumkreatinin verbessern sollte [6, 15, 16, 34, 47,
62].
Formel 2: Das Maß der Kreatinin-Clearance (ml/min) berechnet nach MDRD2
(Modifikation of Diet in Renal Disease) (Scr = (Serumkreatinin (mg/dl), eGFR =
estimated glomeruläre Filtrationsrate (ml/min per 1,73m²))
−1,154
eGFR [ml / min per1,73m² ] = 186 ⋅ S cr [mg / dl ]
14
−0 , 203
⋅ Alter [Jahre]
(x 0,742 bei Frauen)
1.5 Chemotherapie bei Niereninsuffizienz
In den meisten groß angelegten onkologischen Studien ist das Vorhandensein
einer
Niereninsuffizienz
ein
Ausschlusskriterium
für
eine
Chemotherapie,
infolgedessen werden Patienten mit einer Nierenfunktionsstörung nicht in diese
Studien einbezogen. Bei vielen der verwendeten Chemotherapeutika oder
Zytostatika erfolgt eine Elimination über die Nieren, was bei deren Funktionseinschränkung zu nicht vorhersehbaren Nebenwirkungen bzw. Komplikationen
führen kann. Patienten mit bekannter Nierenproblematik sind außerdem, im
Verhältnis zu Nierengesunden, auf Grund ihrer geschwächten Abwehrlage, selbst
bei gleichen Blutspiegeln, anfälliger für die toxischen Nebenwirkungen der
Zytostatikatherapie.
Allerdings liegt gerade bei diesen Patienten ein erhöhtes Neoplasierisiko vor.
So haben beispielsweise Patienten, die eine dauerhafte Dialyse erhalten, ein um
ein
1,2-fach
erhöhtes
Risiko
an
einem
Malignom
zu
erkranken.
Bei
nierentransplantierten Patienten ist dieses Risiko sogar 1,4-fach erhöht,
Hauttumore nicht einbezogen. Hier bilden die malignen Tumore die dritthäufigste
Todesursache. Demgegenüber gibt es in der modernen Onkologie kaum ein
Malignom, das nicht chemotherapeutisch beeinflusst werden kann bzw. auf diese
Weise therapiert wird. Es stehen sich damit ein deutlich erhöhtes Risiko, an einer
Neoplasie zu erkranken und eine geringere Möglichkeit zur Therapie gegenüber
[1, 52, 64].
1.6 Pharmakokinetik
Welchen Einfluss ein Pharmakon auf den Organismus hat, wird unter dem Begriff
der Pharmakokinetik zusammengefasst. Diese Vorgänge können in Absorption
und Distribution, sowie in exkretorische und metabolische Elimination unterteilt
werden.
In der herkömmlichen zytostatischen Therapie erfolgt die Bestimmung der
individuellen Dosierung der Zytostatika nach der Körperoberfläche (KOF [m³]) und
deren Berechnung nach DuBois [11, 27]. Die individuelle Dosierung richtet sich
nach dem Körpergewicht und der Größe des Patienten. Vorraussetzung für dieses
15
mathematische Schema ist eine normale Nierenfunktion, sowie eine lineare
Beziehung zwischen der Körperoberfläche und der Leber- bzw. Nierengröße und
deren Funktion.
Formel 3: Berechnung der Körperoberfläche nach Dubois (O = Körperoberfläche in m²,
P = Körpergewicht in kg, L = Körpergröße in cm)
O=
P ⋅ L ⋅ 167,2
1000
Die Grundlage für die Anpassung der Dosis eines Medikaments bei Patienten mit
Niereninsuffizienz und erhaltener Restausscheidung bildet die individuelle
Kreatinin-Clearance.
Pharmakokinetik und Pharmakodynamik lassen sich nutzen, die Dosis individuell
anzupassen.
Über erste
pharmakokinetische
Eigenschaften
gibt
die
bei
Nierengesunden renal eliminierte Fraktion eines Medikamentes Auskunft.
Pharmakodynamisch zeigt sich, dass eine Dosissteigerung meist keine Zunahme
des
therapeutischen
Effektes
zur
Folge
hat,
eine
Unterschreitung
der
Schwellenkonzentration allerdings zu einem Wirksamkeitsverlust führt [64].
Noch immer gibt es nur wenige Informationen zur Eliminationsrate von
Chemotherapeutika bei eingeschränkter Niereninsuffizienz. Die Berechnung des
Anteils des Pharmakons, welches über die Niere ausgeschieden wird, erfolgt
durch Messung der im Urin vorhandenen Menge und das üblicherweise bei
Nierengesunden. Beläuft sich dieser Anteil auf einen hohen Wert, gilt dieses
Medikament als kontraindiziert bei Niereninsuffizienz [64].
Es konnte bereits gezeigt werden, dass der Einfluss der renalen Metabolisierung
auf die Elimination eines Medikamentes durch die Niere wesentlich größer ist, als
das was im Urin ausgeschieden und nachweisbar ist. Somit werden manche
Pharmaka im Tubulussystem reabsorbiert und dort metabolisch verändert [50].
Mit Hilfe der Gleichung nach Dettli können die gemessenen Werte eines
Chemotherapeutikums bei Nierengesunden für eine Vorhersage genutzt werden,
eine Dosisadaptation bei Niereninsuffizienten durchzuführen [21].
16
Formel 4: Gleichung nach Dettli (CL= Arzneimittelclearance, GFR= glomeruläre
Filtrationsrate, CLnonren= nicht renale Clearance, A= Steilheit)
CL = CLnonren + A x GFR
Die nicht-renale Clearance, sowie die Steilheit (A), errechnen sich aus der renal
eliminierten Fraktion des Medikamentes (fren ≤ 1).
Formel 5: Herleitung der nicht-renalen Clearance (CLnonren = nicht-renale Clearance,
fren= renale Elimination, CLnorm= Clearance beim Nierengesunden)
CLnonren = (1 – fren) x CLnorm
Formel 6: Herleitung der Steilheit (A= Steilheit, fren= renale Elimination, CLnorm=
Clearance beim
Nierengesunden,
GFRnorm=
glomeruläre Filtrationsrate beim
Nierengesunden)
A = fren x CLnorm / GFRnorm
Wird ein Medikament beispielsweise zu 75% bei normaler Nierenfunktion über die
Nieren ausgeschieden, sollte dieses bei Patienten ohne Nierenfunktion auf 25%
der normalen Dosis reduziert werden. Ebenso besteht die Möglichkeit, bei gleicher
Initialdosis wie bei Nierengesunden das Dosisintervall auf das 4fache zu
verlängern.
Aus diesen Gleichungen entwickelte Dettli ein Normogramm, aus dem er seine
Proportionalitätsregel konstruierte. Diese wird bis heute für diverse neue Medikamente bei verschiedenen Stadien der Niereninsuffizienz angewendet.
Formel 7: Proportionalitätsregel nach Dettli (D= Dosis, τ = Dosierungsintervall, T½=
individuelle Halbwertszeit, „norm“ = jeweils beim nierengesunden Patienten)
D D norm T12 norm
=
⋅
τ τ norm
T1
2
17
Somit besagt die Proportionalitätsregel von Dettli, dass die Dosis umgekehrt
proportional zur Halbwertszeit reduziert werden muss; in Abhängigkeit von der
individuellen Halbwertszeit, die anhand der unterschiedlichen Eliminationskonstanten der Chemotherapeutika bei Niereninsuffizienz berechnet werden kann.
Die Proportionalität zielt auf die Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve (AUC)
ab. Mit dieser Regel können sowohl Spitzen- als auch Talspiegel, die denen eines
Patienten bei uneingeschränkter Nierenfunktion entsprechen, nur dann erreicht
werden, wenn das Dosierungsintervall erheblich verlängert, bzw. die Dosis
reduziert wird. Eine Abhängigkeit der Elimination von der Nierenfunktion ist bei
folgenden zytostatischen Medikamenten bekannt.
Tabelle
10:
Renale
Elimination
(fren)
und
Reduktionskriterien
bezüglich
der
Nierenfunktion nach der glomerulären Filtrationsrate (GFR) bei verschiedenen zur
Therapie des Bronchialkarzinoms anwendbaren Zytostatika, AUC = area under the curve
Zytostatikum
Carboplatin
Cisplatin
Cyclophosphamid
Docetaxel
Etoposid
Gemcitabine
Paclitaxel
Pemetrexed
Vinorelbine
Renale Elimination (fren)
75%
Reduktionskriterien
GFR<60ml/min (nach AUC)
50%
15%
< 5%
35%
5%
<13%
70-90%
<20%
GFR<60ml/min
GFR<30ml/min
keine Anpassung
GFR<60ml/min
keine Anpassung nötig
keine Anpassung notwendig
<45ml/min
keine Anpassung nötig
18
Unabhängig von der Nierenfunktion sind Docetaxel, Doxorubicin, Iphosphamid,
Paclitaxel, Vincristin und Vinorelbin [4].
Eine weitere Möglichkeit zur Einschätzung der Pharmakokinetik und somit zur
Dosisanpassung bei eingeschränkter Nierenfunktion ist das Modell nach Calvert.
Sein Algorithmus bezieht sich auf die Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve
(AUC) und lässt die glomeruläre Filtrationsrate in die Berechnung mit einfließen.
Der Teil, der nicht renal eliminiert wird, geht in die Formel als eine Konstante von
25 mit ein [10].
Formel 8: Algorithmus nach Calvert (D = Dosis, AUCtarget = angestrebte Fläche unter
der Konzentrations-Zeit-Kurve, GFR = glomeruläre Filtrationsrate (ml/min))
D [mg ] = AUC t arg et ⋅ (GFR + 25)
Die Entscheidung welche der Formeln zur Anwendung kommt, muss klinisch
getroffen werden. So hängt diese davon ab, ob man möglichst geringe Nebenwirkungen in Kauf nehmen oder lieber einen maximalen Effekt erzielen will.
1.6.1 Spezielle Pharmakokinetik von Carboplatin
Von Carboplatin werden 75% renal eliminiert. Die reine Metabolisierung bzw. eine
biliäre Sekretion spielen bei der Körper-Clearance keine Rolle. Auch der tubuläre
Sekretions- und Reabsorptionsmechanismus spielt bei Carboplatin, im Gegensatz
zu Cisplatin keine Rolle, sodass die Clearance von Carboplatin einzig durch die
glomeruläre Filtrationsrate (GFR) bestimmt ist. Die restlichen 25% des
Carboplatins werden irreversibel unter anderem an Plasmaproteine gebunden, sie
haben daher weder einen Einfluss auf die antineoplastische Wirkung noch auf die
unerwünschten Wirkungen.
Somit ist die Nierenfunktion, bestimmt durch die GFR, eines Patienten vor Beginn
einer Chemotherapie mit Carboplatin der wichtigste Parameter für die Exposition
19
mit diesem Zytostatikum. Zur Bestimmung der Exposition durch Carboplatin lässt
sich dies am Besten mit der Bestimmung der Konzentrations-Zeit-Kurve, AUC
(area under the concentration time curve) beschreiben (siehe Formel 2). Es
besteht ein linearer Zusammenhang zwischen der Carboplatin–AUC, des
maximalen Serumspiegels von Carboplatin und der applizierten Menge. Auf Grund
dieser Tatsache ist es möglich Dosisreduktionen auf der Basis der AUC
vorzunehmen, da zwischen den therapeutischen Effekten und der dosislimitierenden Toxizität eine enge Korrelation besteht [9, 29, 57, 74].
Für die individuelle Dosierung von Carboplatin gab es mehrere Ansätze zur
Festlegung der zu applizierenden Menge. Erstmals wurde dies von Egorin 1984
publiziert. Er entwickelte eine Formel, die die Carboplatin-Dosis auf der Basis der
glomerulären Filtrationsrate, der berechneten Körperoberfläche sowie der noch zu
tolerierenden Thrombozytentoxizität angab [29].
Einige Jahre später entwickelte Calvert die noch heute verwendete Formel zur
Dosierung des Carboplatins. Er stellte fest, dass die AUC von Carboplatin in
einem engeren Zusammenhang steht mit dessen Effektivität und dessen Toxizität
als mit der Körperoberfläche des Patienten. Diese Formel basiert auf der
Nierenfunktion des Patienten, berechnet als glomeruläre Filtrationsrate, vor
Erstgabe von Carboplatin und der extrarenalen Clearance im Sinne der
Plasmaeiweissbindung. Mit dieser Formel erhält man eine effektive Dosis, die
durch eine vorher definierte AUC des Carboplatins erreicht werden kann (siehe
Formel 2). Es konnte in mehreren prospektiven Studien gezeigt werden, dass mit
Hilfe dieser Formel die angestrebte AUC von Carboplatin sowohl bei
eingeschränkter als auch bei einer erhöhten glomerulären Filtrationsrate erreicht
werden kann [10, 29].
20
1.7 Fragestellung
Das Ziel dieser Arbeit ist es, den Zusammenhang zwischen einer Chemotherapie
mit Carboplatin bei nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen und deren Auswirkung
auf Nebenwirkungen, Ansprechen des Tumors und Mortalität in Abhängigkeit der
Nierenfunktion zu untersuchen. Hierzu wurde der Verlauf der Nierenfunktion, die
Toxizität auf das Blutbild, das Ansprechen auf die erfolgte Therapie, sowie die
Überlebenszeit beobachtet. Die wesentlichen Fragestellungen dieser Arbeit
lauteten wie folgt:
Bedeutung der Nierenfunktion für die chemotherapeutische Wirksamkeit
von Carboplatin
Bedeutung der Nierenfunktion für die myelotoxischen Nebenwirkungen
von Carboplatin
Bedeutung der Nierenfunktion auf das Ansprechen einer Chemotherapie
mit Carboplatin
Bedeutung der Nierenfunktion in Bezug auf die Überlebensrate
21
2
Patienten und Methoden
2.1 Studiendesign
Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine retrospektive-deskriptive Untersuchung,
die mit Hilfe der Patientenakten der Medizinisch Onkologischen Tagesklinik (MOT)
des Universitätsklinikums Ulm, Zentrum für Innere Medizin, Klinik Innere Medizin
II, erstellt wurde.
2.2 Patienten
Zur Erhebung der Daten wurden Patienten ausgewählt, bei denen ein nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom vorlag und die eine palliative Chemotherapie
erhielten. Um vergleichen zu können, ob und in welchem Ausmaß die verabreichte
Chemotherapie einen Einfluss auf die Nierenfunktion und die Nebenwirkungen
hat, wurden Patienten mit sowohl normaler als auch verminderter Niereninsuffizienz untersucht, welche sich zum Erhebungszeitpunkt in ambulanter
chemotherapeutischer Behandlung befanden.
Es lagen zum Zeitpunkt der Erfassung die Akten von 116 Patienten vor.
Eingeschlossen wurden Patienten mit einem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom, die bereits mindestens zwei Zyklen einer Chemotherapie erhalten
hatten. Auf Grund der Ein- bzw. Ausschlusskriterien blieben noch 42 Patienten,
die zur Datenerhebung geeignet waren, übrig. Die Datenerhebung erstreckte sich
über den Zeitraum von sieben Jahren (2006-2013). Der Zeitpunkt der
Erstdiagnose und der Beginn der Therapie lagen zwischen 2004 und 2006. Nach
Abschluss der Datenerhebung waren 38 der insgesamt 42 Patienten verstorben,
bei zweien waren keine Daten zu eruieren und zwei waren am Leben, somit lagen
bei vier der Patienten nur zensierte Daten zur Berechnung der Überlebenszeit vor.
Das Alter der Patienten lag zwischen 42 und 82 Jahren. Von diesen waren sieben
weiblich und 35 männlich.
Als first-line Therapie erhielten 39 der Patienten unter anderem ein platinhaltiges
Chemotherapeutikum,
hiervon
zwei
Patienten
Cisplatin
und
einer
kein
platinhaltiges Chemotherapeutikum, die anderen 36 Patienten Carboplatin. Ein
22
Patient erhielt zunächst die Chemotherapie nach dem ACN-Schema (Adriamycin,
Cyclophosphamid, Navelbine), ein Patient Taxotere als Monosubstanz und
anschließend eine carboplatinhaltige Chemotherapie.
Als Kombinationspartner wurden bei 9 der Patienten Paclitaxel, bei 18 Patienten
Gemzitabine, bei 8 Patienten Vinorelbine, bei 2 Patienten Etoposid, bei 2
Patienten Docetaxel eingesetzt. Bei 5 der Patienten wurde im Verlauf der
Chemotherapie eine Dosisreduktion auf Grund einer Leukopenie, unabhängig von
der Nierenfunktion durchgeführt.
Von den 41 Patienten hatten 9 Patienten eine normale Nierenfunktion, 24
Patienten hatten eine eingeschränkte Nierenfunktion im Stadium 1-2, und 8
Patienten eine Niereninsuffizienz im Stadium 3-4. Bei 3 der Patienten
verschlechterte sich im Verlauf der Chemotherapie die Nierenfunktion vom
Stadium 2 zu Stadium 3. Dies wurde vorab mit der MDRD2- Formel festgelegt. Für
die Auswertung wurden die Patienten in zwei Gruppen unterteilt: keine
Niereninsuffizienz (0) und mit Niereninsuffizienz (1). Es wurden somit Stadium 1-2
und Stadium 3 und 4 zusammengefasst, somit lag die Grenze bei 60
ml/min/1,73m³ nach der Einteilung der KDIGO. Keiner dieser Patienten war zum
Zeitpunkt der Datenerfassung dialysepflichtig.
Zur Verlaufsbeobachtung erfolgte der Vergleich der Leukozyten und einer möglichen Leukopenie, des ANC (absolute neutrophile count) und einer möglichen
Neutropenie sowie der Thrombozyten und einer möglichen Thrombopenie wie in
der Einleitung unter 1.3.3.4 als Nebenwirkungen erläutert und entsprechen der
Einteilung der Toxizität nach den CTCAE-Kriterien (Tab. 7) beschrieben wurden.
Die Stadieneinteilung der Nierenfunktion erfolgte nach der KDIGO Einteilung [48].
Für die Berechnung der glomeruläre Filtrationsrate zur Beurteilung der
Nierenfunktion wird die Formel der „Modification of Diet in Renal Diseases Study
Group“ verwendet.
23
2.3 Statistische Methoden
2.3.1 Variablen
Die angegebenen Variablen werden mit den Lagemaßen Median, Minimum und
Maximum sowie dem Mittelwert beschrieben.
Für die statistischen Berechnungen und Auswertungen wurde die Software SPSS
(Version 8.0) eingesetzt.
Die graphische Darstellung der Ergebnisse erfolgt hauptsächlich mit Box-Plots.
Hierbei entspricht die Box der 25er und 75er Percentile, die obere und untere
Begrenzung der 5er und 95er Percentile und der Strich dem Median. Weiterhin
finden Kuchendiagrammen, Kurvenverläufen und Übersichtstabellen Anwendung.
2.3.2 Statistische Auswertungen
Zur statistischen Auswertung werden in dieser Arbeit nichtparametrische Tests
verwendet, d. h. es wird eine Zufallsverteilung überprüft. Es wird beobachtet, ob
eine
Menge
an
Bobachtungen
mit
einer
Null-Hypothese
aus
einer
Grundgesamtheit vereinbar ist.
Hierzu gehört z. B. der Mann-Whitney U Test, hierbei werden Variablen, welche
voneinander unabhängig sind, untersucht. Es ist ein Rangtest, mit welchem
Variablen untereinander verglichen und gegenüber eines Lageunterschiedes
getestet werden. In dieser Arbeit wurde verglichen, ob sich eine unterschiedliche
Veränderung
der
Laborparameter
in
den
verschiedenen
Gruppen
der
Nierenfunktion ergibt.
Weiterhin Verwendung fand der Kruskal-Wallis-Test. Mit diesem kann gezeigt
werden, ob zwei Gruppen sich hinsichtlich einer Stichprobe voneinander
unterscheiden. Beispielsweise wurde hiermit bestimmt, ob es bereits zu Beginn
der Chemotherapie in den zwei Gruppen der Nierenfunktion bereits Unterschiede
in den sich später unterscheidenden Laborwerten gab.
Mit dem Wilcoxon-Test wird aufgezeigt, wie sich eine Variable im Verlauf bei einer
Gruppe verändert. Hiermit konnte analysiert werden, ob ein Laborwert sich in einer
Gruppe überhaupt verändert.
24
Mit einer einfachen bivariaten Analyse zweier Variablen, kann man herausfinden,
ob es Zusammenhänge dieser Variablen gibt, z. B. korreliert die Carboplatindosis
mit dem Abfall der Thrombozyten.
Zur Bestimmung der Überlebenszeit wurde die Überlebenszeitanalyse nach
Kaplan-Meier eingesetzt. Hierdurch wird die Wahrscheinlichkeit geschätzt, ob
einer bestimmten Gruppe ein bestimmtes Ereignis in einer gewissen Zeit
widerfährt.
25
3
Ergebnisse
3.1 Basischarakteristika der Patienten
Dargestellt sind in Tabelle 12 die Basisdaten der 41 beobachteten Patienten. Die
Angaben zur Körperoberfläche, zur glomerulären Filtrationsrate und dem Stadium
der Niereninsuffizienz beziehen sich auf den Zustand des Patienten vor Beginn
der Chemotherapie. Die Einteilung der Patienten anhand ihrer Nierenfunktion
erfolgt nach Berechnung der GFR mittels der MDRD2 Formel. Patienten mit einer
GFR unter 60 ml/min per 1,73 m² min werden gehören in die Kategorie eingeschränkte Nierenfunktion, also mit einer chronischen Nierenerkrankung, Patienten
mit einer GFR über 60 ml/min per 1,73 m² zur Kategorie uneingeschränkte Nierenfunktion.
Die Überlebenszeit entspricht der Anzahl an Monaten vom Zeitpunkt der
Erstdiagnose bis zum Tode.
Die Chemotherapie Gesamtdosis setzt sich aus den Zyklen, die der jeweilige
Patient erhalten hat, zusammen; die kumulative Dosis nach AUC ist die
tatsächliche Exposition, der die Patienten unter Berücksichtigung der Pharmakokinetik, nach Beendigung der Erstlinien-Therapie ausgesetzt waren.
Mit Hilfe des Kruskal-Wallis-Tests wird in dieser Tabelle gezeigt, ob sich die zwei
Gruppen hinsichtlich der untersuchten Werte signifikant (p) unterscheiden.
Tabelle 11: Einteilung der Patienten mit einem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom
nach ihrer Nierenfunktion (erfasst an der Uniklinik Ulm 2006-2013)
Patienten gesamt
Normale
Nierenfunktion
Eingeschränkte
Nierenfunktion
Stadium 1-2
Niereninsuffizienz
Stadium 3-4
41
9
24
41
keine
Niereninsuffizienz
33
8
Niereninsuffizienz
8
26
Tabelle
12:
Basisdaten
der
beiden
Patientengruppen
mit
nicht-kleinzelligem
Bronchialkarzinom (Uniklinikum Ulm 2006-2013) mit normaler bzw. eingeschränkter
Nierenfunktion (KOF = Körperoberfläche in m²; p = statistische Signifikanz, ÜZ =
Überlebenszeit in Monaten (M); kumulative Dosis = Gesamtdosis Carboplatin in mg; AUC
= Area under the curve; GFR = Glomeruläre Filtrationsrate nach MDRD2 = Modification
of Diet in Renal Disease berechnet, in ml/min per 1,73m²; ANC = Absolute Neutrophile
Count)
Daten
KOF (m²)
ÜZ (M)
Keine
Niereninsuffizienz p
Niereninsuffizienz Median (Minimum;
Median (Minimum;
Maximum)
Maximum)
1,9 (1,5; 2,6)
2 (1,4; 2,2)
1,00
23,1 (5; 40)
23,0 (12; 32)
0,48
Kreatinin (µmol/l)
83,0 (56,0; 109,0)
0,00
GFR (MDRD2) (ml/min per
80,7 (62,3; 135,5)
125,0 (111,0;
323,0)
52,4 (17,4; 57,7)
0,00
1,73m²)
kumulative Dosis (mg)
kumulative AUC (mg/mlxmin)
2251,5 (900; 3168) 2373 (1075; 2610) 0,89
21,1 (9,8; 46,5)
26,6 (20,5; 29,5)
0,02
Leukozyten (Giga/l)
3,2 (0,8; 9,0)
2,9 (1,8; 6,2)
0,54
ANC (Giga/l)
1,5 (0,6; 5,5)
1,4 (0,1; 3,8)
0,26
Thrombozyten (Giga/l)
159 (32; 434)
136,5 (54; 268)
0,42
Reduktion Tumormasse (%)
6,2 (-40; 61)
14,5 (-2,3; 46,8)
0,00
27
3.2 Veränderung der Basisdaten im Verlauf
Bevor die Patientengruppen, eingeteilt nach der Nierenfunktion miteinander
verglichen werden sollen, wird hier dargestellt, ob und wie sich die Basisdaten
innerhalb der jeweiligen Gruppen verändern.
3.2.1 Veränderung der Nierenfunktion während der Chemotherapie
In den folgenden graphischen Darstellungen wird gezeigt, inwieweit sich die
Nierenfunktion in den jeweiligen Gruppen, mit und ohne Niereninsuffizienz, im
Verlauf der vier Zyklen Chemotherapie verändert hat. Dies wurde im Sinne einer
explorativen Datenanalyse mit dem Wilcoxon-Test bestimmt.
In Abbildung 1 wird die Veränderung des im Serum bestimmten Kreatinins
dargestellt. Man sieht, dass die Höhe des Serumkreatinins in den jeweiligen
Gruppen nahezu konstant bleibt. Es gibt keine signifikante Veränderung der Werte
während der vier Chemotherapiezyklen. Für Patienten ohne eine Niereninsuffizienz ergibt sich ein Wahrscheinlichkeitswert von p = 0,688, für Patienten mit
einer Niereninsuffizienz liegt er bei p = 0,176. Dementsprechend lässt sich auch
keine Veränderung der GFR im Verlauf innerhalb der Gruppen nachweisen, p=
0,637 für die Gruppe ohne Niereninsuffizienz und p= 0,097 für diejenigen mit einer
Niereninsuffizienz; dies wird in Abbildung 2 graphisch dargestellt.
150
Kreatinin (µmol/l)
140
p = 0,688
130
120
110
100
90
p = 0,176
80
70
60
50
Kreatinin Zyklus 1
Kreatinin Zyklus 2
Kreatinin Zyklus 3
1
0
Kreatinin Zyklus 4
Abbildung 1: Veränderung des Kreatinins im Verlauf der Chemotherapiezyklen beider
Patientengruppen mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (Uniklinikum Ulm 2006-2013) (0 =
ohne Niereninsuffizienz, 1 = mit Niereninsuffizienz; p = statistische Signifikanz)
28
140
(ml/minx1,73m³)
Glomeruläre Filtrationsrate
160
120
100
p = 0,097
80
60
40
GFR Zyklus 1
GFR Zyklus 2
p = 0,631
GFR Zyklus 3
20
0
GFR Zyklus 4
0
1
Abbildung 2: Veränderung der GFR (glomeruläre Filtrationsrate) im Verlauf der Chemotherapiezyklen beider Patientengruppen mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (Uniklinikum
Ulm 2006-2013) (0 = ohne Niereninsuffizienz, 1 = mit Niereninsuffizienz; p = statistische
Signifikanz)
3.2.2 Veränderung der Leukozyten, des ANC und der Thrombozyten
während der Chemotherapie
Zu den am sensibelsten auf die Chemotherapie reagierenden laborchemischen
Parametern gehören Leukozyten, neutrophile Granulozyten und Thrombozyten,
welche unter Umständen therapielimitierend sind. Die Veränderung dieser Parameter soll in den folgenden Graphiken dargestellt werden, welche mit Hilfe
nichtparametrischer Tests bestimmt wurden.
Als erstes die Veränderung der Leukozyten im Verlauf (Abb. 3). Man erkennt, dass
diese im Verlauf der Chemotherapie insbesondere in der Gruppe der Patienten
ohne Nierenfunktionsstörung deutlich abfallen. In der Gruppe der Patienten mit
einer eingeschränkten Nierenfunktion kann dies nicht mit statistischer Signifikanz
(p = 0,615) gezeigt werden, was sicherlich an der geringeren Fallzahl liegt, jedoch
lässt sich die Tendenz zur Leukopenie auch hier aufzeigen. Das gleiche gilt im
Speziellen natürlich auch für die neutrophilen Granulozyten, dargestellt durch den
ANC, was Abbildung 4 zeigt.
29
8
p = 0,615
Leukozyten (Giga/l)
7
6
5
4
3
Leukozyten Zyklus 1
2
Leukozyten Zyklus 2
Leukozyten Zyklus 3
1
p = 0,235
0
0
Leukozyten Zyklus 4
1
Abbildung 3: Veränderung der Leukozyten im Verlauf der Chemotherapiezyklen beider Patientengruppen mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (Uniklinikum Ulm 2006-2013) (0 = ohne Niereninsuffizienz, 1 = mit Niereninsuffizienz; p = statistische Signifikanz)
6
count (Giga/l)
absolute neutrophile
5
4
3
p = 1,00
ANC Zyklus 1
ANC Zyklus 2
ANC Zyklus 3
ANC Zyklus 4
2
1
0
p = 0,03
1
0
Abbildung 4: Veränderung des ANC (absolute neutrophilen count) im Verlauf der Chemotherapie
beider Patientengruppen mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (Uniklinikum Ulm 2006-2013)
(0 = ohne Niereninsuffizienz, 1 = mit Niereninsuffizienz; p = statistische Signifikanz)
Bei den Thrombozyten lässt sich kein signifikanter Abfall aufzeigen (Abb.5). In
beiden Gruppen bleibt die Anzahl weitgehend konstant, wobei der Abstand
zwischen Minimum und Maximum deutlich größer wird. Man erkennt, dass die
Gruppe
der
Niereninsuffizienz
bereits
Thrombozytenzahlen aufweist.
30
von
Beginn
an
etwas
geringere
Thrombozyten (Giga/l)
500
400
p = 0,801
300
200
Thrombozyten Zyklus 1
Thrombozyten Zyklus 2
100
0
Abbildung
p =0,149
5:
Thrombozyten Zyklus 3
Thrombozyten Zyklus 4
1
0
Veränderung
der
Thrombozyten
im
Verlauf
der
Chemotherapie
beider
Patientengruppen mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (Uniklinikum Ulm 2006-2013) (0 =
ohne Niereninsuffizienz, 1= mit Niereninsuffizienz; p = statistische Signifikanz)
31
3.3 Darstellung der Dosis der platinhaltigen Chemotherapie mit
und ohne Berücksichtigung der Pharmakokinetik
Es erfolgt die Darstellung der applizierten Carboplatindosis nach Aufteilung der
Patienten anhand ihrer Nierenfunktion. In Abbildung 6 ist die kumulative Dosis des
Carboplatins über maximal 4 Zyklen der first-line Therapie dargestellt. Hier sieht
man, dass die Patienten unabhängig von ihrer Nierenfunktion annähernd die
gleiche Dosis erhielten. Den Patienten mit normaler Nierenfunktion wurden im
Verlauf
ihrer Therapie
im
Schnitt
2117
mg Carboplatin appliziert,
die
Patientengruppen mit einer Niereninsuffizienz erhielten jeweils durchschnittlich
kumulative Dosis (mg)
2134 mg (Mittelwert).
4000
3000
2000
1000
0
p = 0,9
0
1
Abbildung 6: Kumulative Carboplatindosis in mg beider Patientengruppen mit nicht-kleinzelligem
Bronchialkarzinom (Uniklinikum Ulm 2006-2013) (0 = ohne Niereninsuffizienz, 1 = mit
Niereninsuffizienz; p = statistische Signifikanz)
Anhand der applizierten Dosis des Carboplatins lässt sich jedoch nicht direkt auf
die tatsächlich bioaktive Menge des Chemotherapeutikums schließen. Da bei der
renalen Elimination des Carboplatins der Anteil der tubulären Sekrektion
vernachlässigbar ist, ist es möglich, die renale Carboplatin-Clearance allein
anhand der glomerulären Filtrationsrate (GFR) zu bestimmen. In Abbildung 7 ist
die kumulative Dosis nach Berücksichtigung des AUC-Schemas dargestellt. Hier
sieht man unter Berücksichtigung der Pharmakokinetik die tatsächlich wirksame
Dosis des Medikaments. Auffallend ist, dass die Bioverfügbarkeit des Carboplatins
bei Patienten mit einer Niereninsuffizienz deutlich höher war, als bei den Patienten
mit einer uneingeschränkten Nierenfunktion. Durch die verminderte renale
Elimination steigt bei Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion somit die
32
AUC. Die tatsächliche Dosis bei Patienten mit einer Niereninsuffizienz lag
durchschnittlich bei 25,5 mg/ml x min, bei uneingeschränkter Nierenfunktion nur
bei 16,5 mg/ml x min. Hier zeigt sich ein signifikanter (p = 0,02) Unterschied in den
unterschiedlichen Gruppen bei der tatsächlich erhaltenen Dosis.
AUC kum (mg/m x min )
50
p = 0,02
40
30
20
10
0
0
1
Abbildung 7: Kumulative Carboplatindosis nach dem AUC (area under the curve) Schema beider
Patientengruppen mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (Uniklinikum Ulm 2006-2013) (0 =
ohne Niereninsuffizienz, 1 = mit Nieren-insuffizienz; p = statistische Signifikanz)
3.4 Darstellung der toxischen Nebenwirkungen von Carboplatin
in Abhängigkeit der Nierenfunktion
Da das blutbildende Knochenmark eine hohe Empfindlichkeit gegenüber
platinhaltigen Chemotherapeutika aufweist, lässt sich die toxische Wirkung der
Therapie mit Carboplatin anhand des Verlaufs der verschiedenen Zellreihen
darstellen. Die Thrombozyten haben mit ca. 7-14 Tagen die kürzeste
Überlebensdauer und sind empfindlich gegenüber dem toxischen Einfluss des
Carboplatins. Abbildung 8 stellt die prozentuale Abnahme der Thrombozyten im
Verlauf und im Vergleich zur Nierenfunktion dar. Hier zeigt sich bei den Patienten
mit einer Niereninsuffizienz ein durchschnittlicher Rückgang der Thrombozytenzahl um ca. 54%, Nierengesunde hingegen wiesen im Mittel eine Reduktion um
etwa 46% auf. Ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen zeigt
sich nicht. Die Bestimmung dieser Ergebnisse erfolgte nach dem Mann-Whitney U
Test.
33
100
90
p = 0,442
Prozentuale Abnahme
der Thrombozyten (%)
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Abbildung
8:
Reduktion
der
0
1
Thrombozytenzahl
während
der
Chemotherapie
beider
Patientengruppen mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (Uniklinikum Ulm 2006-2013) (0 =
ohne Niereninsuffizienz, 1 = mit Nieren-insuffizienz; p = statistische Signifikanz)
Das Vorliegen einer Leukopenie in den laborchemischen Kontrollen führt häufig zu
einer Verzögerung der Therapie, beziehungsweise zu einer Dosisreduktion des
Chemotherapeutikums, was wiederum Auswirkungen auf die Wirksamkeit der
Therapie haben kann. Als nächstes folgt daher in Abbildung 9 und 10 die
Darstellung der Reduktion der Leukozyten und des ANC.
Auffallend ist, dass in der Gruppe ohne Niereninsuffizienz die Abnahme der
Gesamtleukozytenzahl mit der Abnahme des ANC korreliert, hingegen dazu
kommt es in der Gruppe mit Niereninsuffizienz zu einem deutlichen Rückgang der
Leukozyten bei verhältnismäßig geringem Abfall des ANC.
Bezogen auf die Nierenfunktion zeigt Abbildung 9 den Rückgang der gesamten
Leukozyten. Entsprechend der Ergebnisse der Thrombozyten kommt es auch hier
zu einer höheren Reduktion der Zellzahl in Bezug auf die Schwere der
Niereninsuffizienz. Bei Patienten im Stadium der Niereninsuffizienz liegt die
Reduktion im Schnitt bei 63%, bei uneingeschränkter Nierenfunktion bei 53%.
34
100
Prozentuale Abnahme der
Leukozyten (%)
80
60
40
20
0
0
p = 0,235
1
Abbildung 9: Reduktion der Leukozytenzahl während der Chemotherapie in Prozent beider
Patientengruppen mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (Uniklinikum Ulm 2006-2013) (0 =
ohnenNiereninsuffizienz, 1 = mit Nieren-insuffizienz; p = statistische Signifikanz)
Bezüglich der immunsupprimierenden Wirkung gemessen am ANC war zu
beobachten, dass es nicht zu einem verstärkten Rückgang bei einer bestehenden
Niereninsuffizienz kommt (Abb10).
Die Patientengruppe ohne Nierenfunktionseinschränkung weist einen Rückgang
des ANC von 53% auf, bei den Patienten mit einer eingeschränkten
Nierenfunktion ließ sich nur eine Reduktion um 44% im Schnitt nachweisen,
kann
kein
prozentuale Abnahme ANC (%)
hierbei
signifikanter
Unterschied
nachgewiesen
werden.
100
80
60
40
20
0
-20
p= 0,715
1
0
Abbildung 10 Abnahme des absolute neutrophile count (ANC) während der Chemotherapie in
Prozent beider Patientengruppen mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (Uniklinikum Ulm
2006-2013) (0 = ohne Niereninsuffizienz, 1 = mit Niereninsuffizienz; p = statistische Signifikanz):
35
3.5 Darstellung der chemotherapeutischen Wirksamkeit von
Carboplatin in Abhängigkeit von der Nierenfunktion
Zur Darstellung der Wirksamkeit der Chemotherapie werden drei Bereiche
angeschaut, die Veränderung der Tumormasse im Verlauf, das Ansprechen des
Tumors ermittelt nach der Recist-Methode, siehe Unterpunkt 1.3.3.5 Tabelle 8
(Recist-Kriterien der Responsebeurteilung von Tumorerkrankungen) und die
Überlebenszeit der Patienten.
3.5.1 Veränderung der Tumormasse während der Chemotherapie
In Abbildung 11 ist die prozentuale Abnahme der Tumormasse dargestellt.
Berücksichtigt wurden hier sowohl Progression des Tumors als auch eine
Reduktion der Tumormasse; dargestellt sind die Durchschnittswerte der Größenentwicklung in Abhängigkeit von der Nierenfunktion. Auffallend ist, dass die
Patienten mit einer Niereninsuffizienz mit einem durchschnittlichen Rückgang der
Tumormasse um ca. 17% eine deutlich bessere Größenreduktion des Primarius
zeigten, als die Patienten mit uneingeschränkter Nierenfunktion (10%). Eine
statistische Signifikanz (p = 0,3) lässt sich nicht zeigen, einzig fällt eine Tendenz
auf.
100
Prozentuale Abnahme der
Tumormasse (%)
80
p= 0,3
60
40
20
0
-20
-40
1
0
Abbildung 11: Reduktion der Tumormasse während der Chemotherapie beider Patientengruppen
mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (Uniklinikum Ulm 2006-2013) (0 = ohne Niereninsuffizienz, 1 = mit Niereninsuffizienz; p = statistische Signifikanz)
36
3.5.2 Ansprechen des Tumors während der Chemotherapie nach den
Recist-Kriterien
In Abbildung 12 erfolgt die Darstellung des Verlaufs der Tumorerkrankung anhand
einer Einteilung in complete response, partial response, stable disease und
progressive disease. Während der Anteil der Patienten mit einem Progress der
Erkrankung (progressive disease) trotz Chemotherapie in den Vergleichsgruppen
ähnlich ist (ohne Niereninsuffizienz 9%, mit Niereninsuffizienz 13%), liegt in der
Gruppe der Nierengesunden der Anteil der Patienten mit einer vollständigen
Remission (complete response) bei 15,%, bei Niereninsuffizienz bei 0%. Eine
stable disease (kein Progress des Tumors) lässt sich bei den Patienten mit
uneingeschränkter Niereninsuffizienz in 52% der Fälle nachweisen, denen mit
einer Niereninsuffizienz bei 62%. Bei Patienten ohne eine Niereninsuffizienz zeigt
sich bei 24% unter Therapie ein partieller Rückgang der Tumorerkrankung (partial
response), im Stadium der Niereninsuffizienz bei 25% der Patienten.
Mit Niereninsuffizienz
Ohne Niereninsuffizienz
15%
13%
SD
SD
9%
PR
24% 52%
PR
25%
PD
62%
PD
CR
Abbildung 12: Verlaufsbeobachtung der Tumorerkrankung mittels Einteilung in, stable disease
(SD), partial response (PR) und progressive disease (PD), complete response (CR) unterteilt in
beide Patientengruppen mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (Uniklinikum Ulm 2006-2013)
ohne und mit Niereninsuffizienz
37
3.5.3 Überlebenszeit der Patienten
Dargestellt sind hier die Überlebenszeiten in Monaten, berechnet nach der
Überlebenszeitanalyse nach Kaplan-Meier, die Datenerhebung erfolgte vom
Zeitpunkt der Erstdiagnose bis zum Tode. Bezüglich der Überlebenszeiten ließ
sich jedoch kein signifikanter Unterschied der Ergebnisse nachweisen (Abb. 13).
Die Patienten mit uneingeschränkter Nierenfunktion wiesen eine durchschnittliche
Überlebensdauer im Median von 33,7 Monate auf. Diese lag bei eingeschränkter
Überlebenswahrscheinlichkeit (%)
Nierenfunktion bei 27,8 Monaten (p = 0,583; Log Rank Test).
100
0
80
1
p = 0,583
60
0 zensiert
1 zensiert
40
20
0
0
20
40
60
80
100
Überlebenszeit (Monate)
Abbildung 13: Gesamtüberleben beider Patientengruppen in Monaten ab Erstdiagnose des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms (0 = ohne Niereninsuffizienz, 1 = mit Niereninsuffizienz; p =
statistische Signifikanz), zensiert = Patienten die zum Ende der Datenerhebung noch am Leben
waren
38
4 Diskussion
4.1 Einführung
Die
Standardtherapie
des
nicht-kleinzelligen
Bronchialkarzinoms
ist
eine
platinhaltige Chemotherapie, welche meist in Kombination mit einem neueren
Zytostatikum verabreicht wird. So wurde in der Vergangenheit bereits gezeigt,
dass Patienten mit einem NSCLC einen Benefit durch eine solche zytostatische
Therapie hatten, sei es als palliativer Therapieansatz zur Verlängerung der
Überlebenszeit oder als adjuvante Chemotherapie postoperativ [14, 44, 75] .
Bei Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion ist man auf Grund einer
möglicherweise erhöhten Toxizitäten zurückhaltend. Mit dieser Arbeit soll
untersucht werden, ob das Vorliegen einer Nierenfunktionsstörung bei Patienten
mit einem Bronchialkarzinom die toxischen Nebenwirkungen von Carboplatin
erhöht und die chemotherapeutische Wirksamkeit von Carboplatin beeinflusst
werden.
Weiterhin soll die Hypothese geprüft werden, ob die in der Onkologie meist nach
Körpergewicht
oder
Körperoberfläche
erfolgende
Dosierung
durch
eine
Dosisanpassung an die Nierenfunktion modifiziert und somit die platinhaltigen
Zytostatika entsprechend ihrer Pharmakokinetik und ihrem Eliminationsweg
dosiert werden sollten.
Schließlich soll gezeigt werden, wie essentiell Dosisberechnungen unter
Einbeziehung der Nierenfunktion im Hinblick auf Effektivität und Nebenwirkungen
sind.
4.2 Die Dosierung von Carboplatin in Abhängigkeit von der
Nierenfunktion
Wie bereits in den 80er Jahren von Harland und Newell u. a beschrieben,
entspricht die renale Elimination von Carboplatin der GFR. So dient diese zur
Festlegung der effektiven Dosis, die ein Patient erhält. Es wird klar, dass die
Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve des Carboplatins, welches nicht
39
gebunden (75%) ist, einen engen Zusammenhang mit der glomerulären
Filtrationsrate aufweist [57].
Bei der Auswertung der Daten, die die Dosierung von Carboplatin in Abhängigkeit
von der Nierenfunktion zeigten, fiel auf, dass Patienten mit einer eingeschränkten
Nierenfunktion etwa die gleiche Dosis (mg) erhielten wie Patienten mit einer
normalen Nierenfunktion. Ausnahme waren Patienten, die bei bekannter
Niereninsuffizienz eine Dosisreduktion nach dem AUC-Schema erhielten.
Berechnet man allerdings aus den zur Verfügung stehenden Werten die
kumulative AUC-Dosis, also die tatsächliche Bioverfügbarkeit von Carboplatin die
die Patienten erhielten, zeigt sich, dass bei Patienten mit eingeschränkter
Nierenfunktion die tatsächlich wirksame Dosis erhöht war.
Erklären kann man diese erhöhte Dosis und ihrer somit potentiell erhöhten
Toxizität
dadurch,
dass
viele
der
erfassten
Patienten
vor
Beginn
der
Chemotherapie ein normales Serumkreatinin hatten. Bei der Bestimmung der GFR
allerdings
wiesen
diese
Patienten
per definitionem
eine
eingeschränkte
Nierenfunktion auf. Diese Patienten erhielten somit eine normale, nicht an die
Nierenfunktion angepasste Standard-Carboplatindosis mit 300mg/m² und damit
eine folglich höhere Substitutionsmenge als Patienten mit einer normalen
Nierenfunktion.
Bei 8 der 41 Patienten wurde auf Grund des Vorliegens einer eingeschränkten
Nierenfunktion (erhöhte Kreatininwerte) bereits zu Beginn die Dosis nach dem
AUC-Schema festgelegt und bei 5 Patienten auf Grund hämatologischer
Nebenwirkungen im Verlauf der Chemotherapiezyklen die Dosis nach AUC
reduziert.
Ähnliche Ergebnisse ergaben sich in manchen Abhandlungen, in welchen eine
Abweichung der Dosierung von Carboplatin von mehr als 20% in 48% der Fälle
bei einer nichterfolgten Anpassung an die Nierenfunktion beobachtet werden
konnte [67].
Es zeigte sich in anderen Studien, dass eine Dosisanpassung an die
Nierenfunktion mittels AUC-Schema zu einer geringeren Toxizität in Bezug auf die
hämatologischen Nebenwirkungen von Carboplatin führte. In Bezug auf das
Körpergewicht ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Patienten
beider Gruppen [41].
Berechnet
man
die
glomeruläre
Filtrationsrate
unter
Einbeziehung
von
Serumkreatinin, Gewicht, Körpergröße und Geschlecht der Patienten, zeigte sich,
40
dass trotz normalen Serumkreatininwerten bereits eine Einschränkung der
Nierenfunktion vorlag.
Es sollte bei dem klinischen Verdacht auf eine beginnende Nierenfunktionsverschlechterung eine an die Nierenfunktion angepasste und somit individuelle
Chemotherapiedosis errechnet werden. In dieser Untersuchung zeigte sich, wie
auch in bereits in der Vergangenheit durchgeführten Studien, dass die Dosisberechnung anhand von Körperoberfläche und Körpergewicht eine deutliche
Abweichung im Vergleich zur Berechnung nach dem AUC-Schema aufweist und
somit ein erhöhtes Risiko unerwünschter Wirkungen bei ähnlicher Ansprechrate
zeigt. Das zeigt und bestätigt die in der Vergangenheit aufgestellten Berechnungen, dass die Dosierung von Carboplatin im Hinblick auf den maximalen Effekt
und die minimale Nebenwirkungsrate immer unter Berücksichtigung der Nierenfunktion festgelegt werden sollte. [51, 57, 74]
4.3 Der Einfluss der eingeschränkten Nierenfunktion auf die
Toxizität von Carboplatin
Gerade der Einfluss der platinhaltigen Chemotherapeutika auf die Thrombozyten,
veranlasste Calvert zur Entwicklung seiner Formel zur AUC-Direktdosierung.
Hiermit kann die Dosis für Carboplatin für eine gewünschte Ziel-AUC natürlich auf
der Grundlage der glomerulären Filtrationsrate als Maß für die renale CarboplatinElimination unter Einbeziehung der extrarenale Elimination (25%) berechnet
werden. [9, 10, 13]
Die Toxizität wurde in dieser Studie anhand der CTCAE v3.0 Leitlinien einheitlich
festgelegt.
Ein
besonderes
Augenmerk
wurde
auf
Nebenwirkungen
die
Knochenmarksuppression betreffend gelegt, da diese die therapielimitierenden
und häufigsten Nebenwirkungen ausmachen. Es wurden eine Senkung, sowie der
Nadir der Thrombozyten, der Leukozyten und der neutrophilen Granulozyten
bestimmt. Auch mit den in dieser Studie erhobenen Daten ließ sich bei den
Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion eine etwas höhere Toxizität,
die Thrombozyten und die Leukozyten betreffend, nachweisen. Einzig auffällig ist,
dass der Absolute Neutrophilen Count (ANC), welcher die immunsupprimierende
Wirkung der Chemotherapie mit Carboplatin direkt darstellt, im Gegensatz zur
Gesamtleukozytenzahl und zur Thrombozytenzahl nicht zu einem verstärkten
41
Rückgang bei einer bestehenden Niereninsuffizienz führt. Ist der ANC reduziert,
bzw. wieder im Ansteigen begriffen, lässt dies einen entsprechenden Rückschluss
auf die aktuelle Situation des Knochenmarks ziehen. Da der Wert ANC sensibler
reagiert als die gesamte Leukozytenzahl und somit bei einer Leukopenie ebenfalls
erniedrigt sein müsste führt die Auswertung der ANC Reduktion in dieser
Untersuchung nicht zu einem der Logik entsprechenden signifikanten Ergebnis.
Eine Erklärung hierfür sind die niedrige Patientenzahl und die nicht bei jedem
Patienten im Verlauf bestimmten ANC-Werte.
Da wie in 4.2 beschrieben, Patienten mit einer Niereninsuffizienz eine höhere
tatsächliche
Dosis
Nebenwirkungsrate
erhielten
das
zeigt
Blutbild
sich,
dass
betreffend
diese
aufwiesen.
auch
Einen
eine
höhere
Abfall
der
Thrombozyten, Leukozyten und des ANC während einer Chemotherapie kann den
Ablauf der Therapie verändern. Kommt es zu einer klinisch relevanten Thrombozytopenie, z. B. im Sinne von Blutungen, können diese entweder mittels
Thrombozytengabe substituiert werden, was das Fortführen der Chemotherapie
ermöglicht, oder es muss das Therapieschema unterbrochen und die Dosis
reduziert werden. Bei einer Leukopenie kommt es auf Grund der Immunsuppression zu klinisch erheblichen Folgeerkrankungen wie der febrilen
Neutropenie, Pneumonien oder Pilzinfektionen. Dies führt bei einer relevanten
Leukopenie meist zum Pausieren der Zytostatikatherapie, also Verminderung der
Dosisintensität, was sich dann wiederum negativ auf die Effektivität des
Chemotherapeutikums auf das Carcinom auswirkt. Die einzigen Möglichkeiten zur
Reduktion infektionsbedingter Nebenwirkungen bei einem reduzierten Immunsystem sind die Gabe von G-CSF (Granulocyte-Colony Stimulating Factor) bei
Patienten mit einer ausgeprägten Leukopenie und die Gabe einer Antibiotikaprophylaxe, welche allerdings durch mögliche Resistenzentwicklungen einer
durchdachten Indikationsstellung unterliegen sollte. Beide Möglichkeiten können
dem Aussetzen einer Chemotherapie entgegenwirken, sollten allerdings nicht
standardmäßig gegeben werden. Die Schlussfolgerung ist auch hier, dass es von
klinischer Bedeutung ist eine individuelle Dosis anhand der Nierenfunktion für
jeden Patienten festzulegen, um die mögliche Toxizität mit ihrer umfangreichen
Problematik möglichst gering zu halten ohne dabei einen Wirkverlust durch eine
Unterdosierung hervorzurufen.
42
4.4 Die Wirkung von Carboplatin in Abhängigkeit von der
Nierenfunktion
Um die Wirkung von Carboplatin bzw. das Ansprechen des Primarius auf die
Chemotherapie, im Falle dieser Arbeit des nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms,
zu bestimmen, wurde die Tumorgröße im Verlauf bestimmt. Vor Beginn der
Chemotherapie
erhielten
die
Patienten
zum
Staging
eine
CT-Thorax-
Untersuchung, hier konnte die Tumorausdehnung in cm gemessen werden.
Während
und
nach
den
Chemotherapiezyklen
wurden
Re-Staging
Untersuchungen durchgeführt, anhand derer nach Abschluss der Therapie der
Primarius erneut in seiner Ausdehnung gemessen werden konnte. Somit konnte
eine prozentuale Zu-, Abnahme oder die Konstante bestimmt werden. Zur einheitlichen Klassifikation wurde anhand dieser Werte die Einteilung und Verlaufsbeobachtung nach den Recist-Kriterien (SD, PR, PD, CR) vorgenommen. Auch
diese Werte wurden in Zusammenhang des Nierenfunktionsstaus verglichen. Es
zeigte sich, dass Patienten mit einem höheren Stadium der Niereninsuffizienz ein
besseres Ansprechen auf die Chemotherapie, sowie prozentual häufiger im
Verlauf eine stable disease oder sogar eine partielle Remission aufwiesen. Dies
liegt daran, dass wie unter 4.2 beschrieben, Patienten mit einer eingeschränkten
Nierenfunktion
eine
durchschnittlich
höhere
tatsächliche
Carboplatindosis
erhielten. Somit hatten diese Patienten eine höhere Bioverfügbarkeit des
Medikaments mit entsprechend gesteigerter „Toxizität“ einerseits auf das
Karzinom, andererseits natürlich auch auf Thrombozyten und Leukozyten, zur
Verfügung.
Bei den insgesamt erhobenen Daten konnte festgestellt werden, dass bei keinem
der Patienten mit einer höhergradigen Niereninsuffizienz eine komplette
Remission erfolgte. Dies lag daran, dass eine komplette Remission nur bei
Patienten, die vor Chemotherapie operabel waren erreicht werden konnte und
dementsprechend kein Rezidiv nachgewiesen werden konnte. In der Gruppe der
Niereninsuffizienten war kein Patient primär operabel, einerseits auf Grund des
UICC-Stadiums andererseits auf Grund des reduzierten Allgemeinzustandes. Ein
progressives
Tumorwachstum
wurde
unabhängig
annährend gleich häufig beobachtet.
43
von
der
Nierenfunktion
Stellt man die Gruppen eingeschränkte Nierenfunktion und uneingeschränkte
Nierenfunktion bezüglich der Überlebensrate gegenüber ergab sich kein
signifikanter Unterschied, tendenziell zeigte sich eine leicht erhöhte Mortalität in
der Gruppe der Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion. Dies liegt am
ehesten an der entsprechenden Comorbidität; sowohl eine erhöhte Dosis mit
geringeren Kompensationsmöglichkeiten etwaiger Nebenwirkungen, sowie eine
reduzierte Dosis mit dementsprechender geringerer Wirksamkeit können für eine
verminderte Überlebenszeit sprechen. Bei entsprechend angepasster Carboplatindosis an die Nierenfunktion wird sicherlich auch diese zu vernachlässigen sein.
Es konnte somit gezeigt werden, dass die leicht erhöhte zur Verfügung stehende
Carboplatinmenge zwar einen etwas positiveren Effekt auf den Tumor hat,
allerdings ein größeres Risiko von Nebenwirkungen in sich birgt. Somit zeigt sich
auch hier, dass Carboplatin auf die Nierenfunktion abgestimmt werden sollte.
Dieses Ergebnis wird durch verschiedene Studien in denen ein Vergleich
zwischen einer Carboplatintherapie bei Nierengesunden und Patienten mit
chronischer Niereninsuffizienz bestätigt [39, 49, 73].
44
5
Zusammenfassung
In dieser Arbeit wurden retrospektiv Daten von Patienten erhoben, welche an
einem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom erkrankt waren und eine platinhaltige
Chemotherapie erhalten hatten. Ziel war es, den Einfluss einer bestehenden
Niereninsuffizienz auf Toxizität und Ansprechen der Chemotherapie sowie
bezüglich der Überlebenszeit zu untersuchen. Dazu wurden alle Patienten nach
ihrer Nierenfunktion eingeteilt. In den erhobenen Daten zeigte sich, dass nur bei
einem kleinen Anteil der Patienten bereits zu Beginn der Therapie eine Anpassung
von Carboplatin erfolgt war, dies bedeutet eine Reduktion der Carboplatindosis
unter Einbeziehen der Nierenfunktion, nach dem area under the curve (AUC)
Schema. Zunächst erfolgten Berechnungen zur Bestimmung der jeweiligen
genauen Nierenfunktion, anhand derer die Dosis festgestellt werden konnte,
welche die Patienten nach dem area under the curve (AUC) -Schema hätten
erhalten müssen. Diese wurden mit der tatsächlich erhaltenen Dosis verglichen.
Hierbei zeigte sich, dass die Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion
im Großteil der Fälle eine etwas höhere Dosis an Carboplatin erhielten,
insbesondere war dies bei Patienten mit normalen Serumkreatininwerten aber
nach Berechnung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) bereits eingeschränkter
Nierenfunktion der Fall. Verglich man diese Ergebnisse mit dem Ausmaß der
Nebenwirkungen zeigte sich eine Korrelation zwischen erhöhter Rate an
Nebenwirkungen und schlechterer Nierenfunktion. Andererseits ergaben die
Werte, dass das Ansprechen des Primarius auf die zytostatische Therapie bei
Patienten mit schlechter Nierenfunktion besser, die Überlebenszeit allerdings
etwas geringer ist. Ohne Anpassung der Carboplatindosis an die Nierenfunktion
bewegt man sich im oberen Bereich der therapeutischen Breite des Zytostatikums
mit höheren Nebenwirkungsraten.
Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig die Anpassung von Dosis, gerade bei
Medikamenten mit geringer therapeutischer Breite, an den jeweiligen Eliminationsweg ist. Legt man die Dosis von Carboplatin nach dem area under the curve
(AUC) -Schema nach Bestimmung des Serumkreatinins und entsprechend
berechneter glomerulärer Filtrationrate (GFR) fest, befindet man sich in dem Teil
des therapeutischen Bereiches, in dem eine möglichst große Effektivität bei
möglichst niedriger Nebenwirkungsrate erreicht werden kann.
45
Die in dieser Arbeit erhaltenen Ergebnisse sind durch ein nicht randomisiertes
Studiendesign und niedrige Fallzahlen limitiert, teilweise entstanden durch die
hohe Patientenselektion hinsichtlich der Kombination aus einem nicht-kleinzelligen
Bronchialkarzinoms und unterschiedlichen Nierenfunktionen. Trotz dieser Einschränkungen zeigt diese Auswertung im Rahmen der retrospektiven Untersuchungen, dass bei Patienten, die an einem Bronchialkarzinom erkrankt sind und
gleichzeitig eine eingeschränkte Nierenfunktion aufweisen, eine Chemotherapie
mit adäquater Anpassung der Dosis an die Nierenfunktion durchaus durchgeführt
und somit eine verlängerte Überlebenszeit erreicht werden kann. Diese Hypothese
gilt es über diese Stichprobe hinaus in größerer Fallzahl zu untersuchen, um einen
möglichen Rückschluss auf das klinische Vorgehen in der Zukunft zu erhalten.
46
6
1
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56
Anhang
Tabelle 1: Histologische Klassifikation der malignen epithelialen Neoplasien der Lunge
und deren Häufigkeit [7, 58, 72]
1. Nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom (NSCLC = non small cell lung
cancer) (Häufigkeit = 75%)
Plattenepithelkarzinom (etwa 40% der Fälle)
Papilläres Plattenepithelkarzinom
klarzelliges Plattenepithelkarzinom
basaloides Plattenepithelkarzinom
kleinzelliges Plattenepithelkarzinom
Adenokarzinom (etwa 25% der Fälle)
azinäres Adenokarzinom
papilläres Adenokarzinom
bronchoalveoläres Karzinom
o nicht-muzinös
o muzinös
o gemischt muzinös und nicht – muzinös oder unbestimmt
Adenokarzinom mit gemischten Subtypen
Solides Adenokarzinom mit Schleimbildung
o fetales Adenokarzinom
o muzinöses Adenokarzinom
o muzinöses Zystadenokarzinom
o Siegelringzellkarzinom
o klarzelliges Karzinom
Großzelliges Karzinom (10% der Fälle)
Adenosquamöses Karzinom
Sarkomatoides Karzinom
Karzinoidtumor
Speicheldrüsentumore
2. Kleinzelliges Karzinom (SCLC = small cell lung cancer) (Häufigkeit =
25%)
kombiniertes kleinzelliges Karzinom
57
Tabelle 2: TNM (tumor, nodi lymphatici, metastasis) Klassifikation des nicht-kleinzelligen
Bronchialkarzinoms 7. Auflage
Einteilung
T
Tx
T0
Tis
T1
T1a
T1b
Kennzeichen
Primärtumor
Zytologischer
Malignomnachweis
(Sputum,
bronchiale
Spülflüssigkeit), kein radiologischer oder bronchoskopischer
Tumornachweis
Kein Nachweis eines Primärtumors
Carcinoma in situ
Tumor ≤ 3 cm, bronchoskopisch auf den Lappenbronchus
beschränkt
Tumor ≤ 2cm
Tumor > 2cm aber ≤ 3cm
•
•
T2
•
Tumor > 3 cm aber < 7 cm
Tumor infiltriert Hauptbronchus und reicht bis ≥ 2 cm an
die Hauptcarina heran
Tumor infiltriert Pleura viszeralis
T2a
Tumor verursacht Atelektase oder Retentionspneumonie
(nicht der gesamte Lunge)
Tumor > 3 cm aber ≤ 5 cm
T2b
Tumor > 5 cm aber ≤ 7 cm
•
•
Tumor > 7 cm
•
Tumor infiltriert: Thoraxwand (einschließlich Sulcus
superior), Zwerchfell, N. phrenicus, Pleura mediastinalis,
Pericard
•
Tumor infiltriert Hauptbronchus und reicht bis < 2 cm an
die Hauptcarina heran
•
Tumor verursacht Atelektase oder Retentionspneumonie
(der gesamte Lunge)
Tumor mit Metastase im gleichen Lungenlappen
Tumor jeder Größe mit Infiltration von: Mediastinum, Herz,
große Gefäße, Trachea, Ösophagus, Wirbelkörper, N.
laryngeus recurrens, Hauptcarina
T3
•
•
T4
•
N
Nx
N0
N1
N2
Tumor mit Metastase in einem anderen Lungenlappen
(aber ipsilateral)
Regionäre Lymphknoten
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
Befall ipsilateraler peribronchialer, hilärer und intrapulmonaler
Lymphknoten, einschließlich durch Invasion per contiunuitatem
Befall ipsilateraler mediastinaler und / oder subcarinaler
Lymphknoten
58
N3
M
Mx
M0
M1
M1a
M1b
Metastasen in kontralateralen mediastinalen, kontralateralen
hilären, ipsi- oder kontralateralen Skalenus- oder supraklavikulären Lymphknoten
Fernmetastasen
Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden
Keine Fernmetastasen
Fernmetastasen
• Tumor mit Metastasen in der kontralateralen Lunge
•
Pleurale Tumorabsiedlungen
•
Maligner Pleuraerguss
•
Maligner Perikarderguss
Fernmetastasen
59
Tabelle
3:
Stadieneinteilung
des
nicht-kleinzelligen
Bronchialkarzinoms
unter
Berücksichtigung von T,N,M (tumor, nodi lymphatici, metastasis) nach der UICCKlassifikation (Union Internationale Contre le Cancer) 7.Auflage
Stadium (UICC)
T
N
M
Okkultes Karzinom
Tx
N0
M0
0
Tis (in situ)
N0
M0
ΙA
T1
N0
M0
ΙB
T2
N0
M0
ΙΙ A
T1
N1
M0
ΙΙ B
T2
N1
M0
T3
N0
M0
T1
N2
M0
T2
N2
M0
T3
N1-2
M0
T4
Jedes N
M0
Jedes T
N3
M0
Jedes T
Jedes N
M1
ΙΙΙ A
ΙΙΙ B
ΙV
60
Lebenslauf
Lebenslauf aus Gründen des Datenschutzes entfernt
61
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