„Pharmakologie im klinischen Alltag“ und „TOP 100“ Dr. Andrea Ablasser Institut für Klinische Chemie und Pharmakologie Kopfschmerzen 1 Häufigste Ursache: Spannungskopfschmerzen Typische Klinik: bilateral, nicht-pulsierend, leichte bis mittlere Schmerzintensität Wichtige Differentialdiagnosen für den Dienst: hypertensive Entgleisung, Hypoglykämie, Meningitis, Medikamenten-Nebenwirkung, Migräne, SAB, Schlaganfall Empfohlene Therapie: 1) Ibuprofen [200 - 400 mg p.o.] 2) Paracetamol [1000 mg p.o.] Kopfschmerzen 2 Ibuprofen: Wirkmechanismus: reversible Hemmung der Cyclooxigenase (COX) Wichtige UAW: v.a. GI-Blutung (Risiko steigt dosisabhängig) bei chron. Gebrauch nephrotoxisch Besonderheiten: in niedrigen Einzeldosen (200 mg) v.a. analgetische, in hohen Einzeldosen (800 mg) auch antirheumatische Wirkung keine Akkumulation bei Mehrfachgabe Pat. mit ASS 100 mg bei KHK kein Ibuprofen geben Abschwächung der Thrombozytenhemmung von ASS Paracetamol: Wirkmechanismus: unklar, wahrscheinlich v.a. Hemmung der COX im ZNS Wichtige KI: schwere Leber- und/oder Niereninsuffizienz Besonderheiten: im therapeutischen Bereich wenige Nebenwirkungen geringe therapeutische Breite v.a. Hepatotoxizität (letale Verläufe ab ca. 6 g) (Antidot: N-Actylcystein) Fieber 1 Physiologie: normale Körpertemperatur (rektal / aurikulär): < 38,0°C physiologische Körpertemperaturschwankung: ca. 0,5°C / d (abends > morgens) Normbereich der Körpertemperatur abhängig von Messmethode (axillär < oral < aurikulär / rektal) Pathophysiologie des Fiebers (stark vereinfacht): (exogene Pyrogene) endogene Pyrogene (IL1, IL6, TNF, INFα) Definition: PGE2 zentral (Hypothalamus): Temperatur-Sollwert (peripher: Arthralgie / Myalgie) subfebril: 38,0 – 38,4°C (rektal / aurikulär) febril: > 38,5°C (rektal / aurikulär) Was ist zu bedenken? Fieberverlauf?, sonstige klinische Zeichen einer Infektion?, besteht bereits antimikrobielle Therapie?, Patient immunsupprimiert? Fieber 2 Was ist zu tun? Blut-/Urin-/Stuhlkulturen abnehmen?, Fokussuche / Bildgebung?, antimikrobielle Therapie initiieren oder umstellen?, Fieber senken? Fieber senken, ja oder nein? Medikamentöse Fiebersenkung kann mit Nebenwirkungen verbunden sein Im Tiermodell und in humanen Zelllinien kann gezeigt werden, dass Fieber die Immunabwehr stimuliert Es gibt bisher aber keine klinischen Studien, die einen vorteilhaften Effekt von Fieber auf einen Krankheitsverlauf belegen können bei Anstieg der Körperkerntemperatur um 1°C steigt der Puls um 4,4 bpm, bei Anstieg der Körperkerntemperatur um 1°C steigt der O2-Verbrauch um 13% Empfohlene Medikamente, wenn Antipyrese gewünscht: 1) Paracetamol [500 - 1000 mg] 2) Acetylsalicylsäure [500 – 1000 mg] und NSAIDs (z.B. Ibuprofen [200-600 mg]) [(Metamizol] Fieber 3 Acetylsalicylsäure (Aspirin®): Wirkmechanismus: irreversible Hemmung der Cyclooxigenase (COX) Wichtige UAW: Besonderheiten: Ulcus + GI-Blutung (häufiger als z.B. bei Ibuprofen) bei chron. Gebrauch nephrotoxisch Thrombozytenaggregationshemmung Metamizol (Novalgin®): Wirkmechanismus: reversible Hemmung der COX Wichtige UAW: Agranulozytose Schock durch isolierten RR-Abfall (bei zu schneller i.v.-Gabe) Anaphylaxie Zulassung/ Indikation: Akute starke Schmerzen nach Verletzung oder OP, Koliken, Tumorschmerzen Fieber und sonstige Schmerzen, die auf andere Therapie nicht ansprechen Besonderheiten: höchste analgetische und antipyretische Potenz der NichtOpioid-Analgetika (aber schlechte Studienlage) Metamizol u.a. in USA, GB, Schweden nicht zugelassen! Schlafstörung im Krankenhaus 1 Epidemiologie: ein großer Teil der Bevölkerung klagt über Insomnie (Zahlen variieren; bis 35%) ca. 10% klagen über chronische Insomnie deutliche Zunahme im Alter sehr häufiges Problem im Krankenhaus Wichtige Ursachen im Krankenhaus: emotionaler Stress (z.B. Erstdiagnose Erkrankung, bevorstehende OP, …) Begleitsymptom einer organischen oder psychiatrischen Erkrankung Entzugssymptomatik bei chronischem Schlafmittelabusus Medikamentennebenwirkung (z.B. Corticoide) Was ist zu bedenken? Besteht eine akute Belastungssituation, in der auch eine Anxiolyse gewollt ist? Alter des Patienten? Sturzgefahr? Abhängigkeitspotential? Besteht (bereits) eine Schlafmittelabhängigkeit? Leber- / Niereninsuffizienz? Schlafstörung im Krankenhaus 2 Therapievorschläge (es existiert keine einheitliche Leitlinie!): 1) ohne schwere akute psychische Belastungssituation: a) - Zolpidem [10 mg p.o.] oder Zopiclon [7,5 mg p.o.] („Z-Drugs“) - Promethazin [20 - 50 mg p.o.] oder Diphenhydramin [25 - 50 mg] b) (Oxazepam [10 - 30 mg p.o.]) 2) bei schwerer akuter psychischer Belastungssituation: - Lorazepam [0,5 - 2 mg p.o.] - Oxazepam [10 - 30 mg p.o.] 3) bei älteren (sturzgefährdeten) Menschen: - Melperon [25 - 100 mg] - Zolpidem [5 mg], Promethazin [10 - 25 mg] ( dosisreduziert) 4) bei depressiver Symptomatik: Amitriptylin oder Doxepin Rsp. Psychiatrie allgemein gilt: niedrig dosieren, bei weiterem Bedarf steigern Schlafstörung im Krankenhaus 3 Übersicht Hypnotika (Auswahl): Gruppe Wirkmechanismus Wirkstoff (Handelsname) Besonderheiten Antihistaminika H1-Rezeptor-Antagonismus + anticholinerge Wirkung Diphenhydramin Promethazin (Atosil) keine rel. Muskelrelaxation BenzodiazepinRezeptorAgonisten GABAA-Rezeptor-Agonismus Zolpidem (Stilnox) Zopiclon (Ximovan) geringeres Abhängigkeitspotential als Benzodiazepine Benzodiazepine GABAA-Rezeptor-Agonismus Oxazepam (Adumbran) Lorazepam (Tavor) Anxiolyse Neuroleptikum Dopamin-D2-RezeptorAntagonismus Melperon (Eunerpan) keine rel. Muskelrelaxation fehlende anticholinerge Effekte kurze HWZ Trizyklische Antidepressiva nicht selektive MonoaminReuptake-Inhibition Amitriptylin (Saroten) Doxepin (Aponal) antidepressive Wirkung Alle Hypnotika haben das Potential der Toleranz- und Abhängigkeitsentwicklung, am stärksten ist dies bei den Benzodiazepinen möglichst kurze niedrigdosierte Therapie Cave: Einschränkung der Verkehrstüchtigkeit nach Einnahme von Hypnotika! Schlafstörung im Krankenhaus 4 Promethazin (Atosil®): Wirkmechanismus: Histamin-H1-Rezeptor-Antagonist (peripher und zentral) und anticholinerge Wirkung (peripher und zentral) Wirkung: sedierend und antiemetisch Wichtige UAW: anticholinerg: Mundtrockenheit, Miktionsstörung, Obstipation, Akkomodationsstörungen, Augeninnendruck Hypotonie und orthostatische Dysregulation mit Tachykardie QT-Verlängerung Herzrhythmusstörungen extrapyramidalmotorische Störungen (umstritten) Besonderheiten: Zulassung formell nur als „2nd-Line“-Therapie bei Insomnie und Übelkeit / Erbrechen keine antipsychotische (neuroleptische) Wirkung, aber gut sedierend auch bei Unruhe- und Erregungszuständen! Dosisreduktion bei Leber- und Niereninsuffizienz Schlafstörung im Krankenhaus 5 Benzodiazepine: Wirkmechanismus: Verstärkung der GABA-Wirkung an GABAA-Rezeptoren Wirkung: anxiolytisch antikonvulsiv muskelrelaxierend sedierend ( Wirkung in ansteigender Dosierung ) Wichtige UAW: Muskelschwäche, Gangunsicherheit Sturzgefahr anterograde Amnesie (v.a. bei schneller Anflutung im ZNS) Tagessedation „Hang-over“ Atemdepression (v.a. bei schneller i.v.-Gabe) Wichtige KI: Abhängigkeitsanamnese (Alkohol, Tabletten, …) schwere respiratorische Insuffizienz Besonderheiten: große therapeutische Breite ( siehe Wirkmechanismus) gleiches Wirkprofil aller Benzodiazepine, aber Unterschiede in Pharmakokinetik alle Benzodiazepine werden hepatisch metabolisiert (Oxidation oder Glukuronidierung) und renal eliminiert Antidot: Flumazenil (Anexate) -> Cave: kurze HWZ Schlafstörung im Krankenhaus 6 Lorazepam (Tavor®): Besonderheiten: rascher Wirkeintritt (schnelle Anflutung) anterograde Amnesie Abhängigkeitspotential mittellange Halbwertzeit keine aktiven Metabolite hepatische Metabolisierung über Glukuronidierung Abhängigkeit von Leberfunktion geringer als bei Oxidation Mittel der Wahl beim Status epilepticus (4 mg i.v.) Oxazepam (Adumbran®): Besonderheiten: langsamer Wirkeintritt Abhängigkeitspotential mittellange Halbwertszeit keine aktiven Metabolite hepatische Metabolisierung über Glukuronidierung Abhängigkeit von Leberfunktion geringer als bei Oxidation Schlafstörung im Krankenhaus 7 Zolpidem (Stilnox®), Zopiclon (Ximovan®): Wirkmechanismus: Verstärkung der GABA-Wirkung an GABAA-Rezeptoren (ähnlich Benzodiazepine, aber andere Bindungsstelle) Wirkung: sedierend (anxiolytisch, antikonvulsiv, muskelrelaxierend) Wichtige UAW: anterograde Amnesie (kann mit unangemessenem Verhalten assoziiert sein, z.B. Schlafwandeln) paradoxe Reaktion v.a. Ältere Menschen Gangunsicherheit / Sturzgefahr Wichtige KI: schwere Leberinsuffizienz schwere respiratorische Insuffizienz, Schlaf-Apnoe-Syndrom Cave: Abhängigkeitsanamnese Besonderheiten: große therapeutische Breite ( siehe Wirkmechanismus) Dosisreduktion bei respiratorischer Insuffizienz, bei Leberoder Niereninsuffizienz und bei Älteren Halbwertzeit: Zolpidem < Zopiclon Schlafstörung im Krankenhaus 8 Melperon (Eunerpan®): Wirkmechanismus: Dopamin-D2-Rezeptor-Antagonist (peripher und zentral) Wirkung: antipsychotisch (schwach), sedierend Wichtige UAW: Hypotonie, orthostatische Dysregulation, Tachykardie QT-Verlängerung, Herzrhythmusstörungen Panzytopenie extrapyramidalmotorische Störungen (selten) malignes neuroleptisches Syndrom (selten) Wichtige KI: schwere Leberinsuffizienz Besonderheiten: große therapeutische Breite kurze Halbwertszeit (4-8h) geringes Risiko Tagessedation bei abendlicher Gabe keine relevante anticholinerge Wirkung keine relevante Muskelrelaxation Übelkeit / Erbrechen 1 Was ist zu bedenken? a) Ist Übelkeit / Erbrechen Symptom einer Erkrankung, die notfallmäßig einer kausalen Therapie bedarf, z.B. akutes Abdomen, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Meningitis, Intoxikation? b) Ausgleich Flüssigkeitshaushalt, Säure-Basen-Haushalt und Elektrolyte Ätiologie (Einteilung nach Relevanz bei symptomatischer Therapie): Gastroenteritis andere Infektionen / Entzündungen (z.B. Hepatitis, Pankreatitis, Pneumonie) postoperative Übelkeit / Erbrechen (PONV) chemotherapie-induzierte Übelkeit / Erbrechen (CINV) UAW – unerwünschte Arzneitmittelwirkung (z.B. Opioide, NSAIDs, Antibiotika) psychogen / emotional schwangerschafts-induzierte Übelkeit / Erbrechen Übelkeit / Erbrechen 2 Therapievorschläge (beruhen v.a. auf klinischer Erfahrung, es gibt nur wenige gute klinische Studien): 1) Gastroenteritis: a) Dimenhydrinat [1-4/d x 50 mg p.o.; 1-3/d x 150 mg supp.; 1-3 x 62 mg/d i.v.] b) Metoclopramid [bis 4x/d 10 mg p.o.; 1-3x/d 10 mg i.v.] oder Domperidon 2) Postoperative Übelkeit / Erbrechen (PONV): prophylaktisch: Dimenhydrinat oder 5-HT3-Antagonist, Dexamethason therapeutisch: Dimenhydrinat oder 5-HT3-Antagonist 3) chemotherapie-induzierte Übelkeit / Erbrechen (CINV): prophylaktisch (Stufenschema): a) Dexamethason b) Dexamethason + 5-HT3-Antagonist c) Dexamethason + 5-HT3-Antagonist + Aprepitant therapeutisch bei Erbrechen, trotz Prophylaxe: - Erhöhung der Dosis von Dexamethason u./o. 5-HT3-Antagonist - Therapieerweiterung nach Stufenschema - Metoclopramid oder Dimenhydrinat Übelkeit / Erbrechen 3 Fortsetzung Therapievorschläge: 4) schwangerschafts-induzierte Übelkeit / Erbrechen a) Pyridoxin (Vit. B6) oder Ingwer Indikation b) Doxylamin oder Metoclopramid in absteigender Reihenfolge c) Promethazin d) Ondansetron 5) Psychogen / emotional induzierte Übelkeit / Erbrechen a) Versuch mit Anxiolyse oder auch Placebo sinnvoll / möglich? b) Dimenhydrinat oder Metoclopramid Übelkeit / Erbrechen 4 Übersicht Antiemetika Gruppe Wirkmechanismus Wirkstoff (Handelsname) wichtige Indikationen Anticholinergika M1-Rezeptor-Antagonismus Scopolamin (Scopoderm TTS) - Kinetosen Antihistaminika H1-Rezeptor-Antagonismus + anticholinerge Wirkung Dimenhydrinat (Vomex) Doxylamin (Munleit) Promethazin (Atosil) - Übelkeit / Erbrechen - PONV - Kinetosen DopaminAntagonisten D2-Rezeptor-Antagonismus Metoclopramid (Paspertin) Domperidon (Motilium) - Übelkeit / Erbrechen Neuroleptika D2-Rezeptor-Antagonismus Haloperidol (Haldol) - Übelkeit / Erbrechen SerotoninAntagonisten 5-HT3-RezeptorAntagonismus Ondansetron (Zofran) - CINV - PONV unklar Dexamethason (Fortecortin) - CINV - PONV (nur prophylaktisch) NK1-Rezeptor-Antagonismus Aprepitant (Emend) Fosaprepitant (Ivemend) - CINV (bei hoch emetogenen Substanzen in Komb. mit Corticoiden und Serotonin-Antagonisten) Corticoide Substanz-PAntagonisten (NK = Neurokinin) Übelkeit / Erbrechen 5 Metoclopramid (Paspertin®, MCP®): Wirkmechanismus: Wirkung: Wichtige UAW: Dopamin-D2-Rezeptor-Antagonist (peripher und zentral) in hoher Dosierung auch 5-HT3-Rezeptor-Blockade antiemetisch und prokinetisch EPMS: Dyskinesien (initial v.a Dystonien der Gesichts-/ Hals-/ Schultermuskulatur; gehäuft bei Kindern < 14 Jahre) Risiko steigt in direktem Zusammenhang mit Einnahmedauer und kumulativer Dosis Antidot: Biperiden (Anticholinergikum) bei länger Einnahme: Prolaktinsekretion Galaktorrhö, Gynäkomastie, Störungen des Menstruationszyklus Kontraindikationen: GIT: Perforation, mechanischer Ileus EPMS (z.B. M. Parkinson), Epilepsie Kinder < 2 Jahre Besonderheiten: i.v.-Applikation formell nur für CINV zugelassen Dosisreduktion bei Leber- oder Niereninsuffizienz Domperidon ist im Ggs. zu MCP kaum ZNS-gängig keine EPMS (parenterale Applikationsform nicht mehr verfügbar) Übelkeit / Erbrechen 6 Dimenhydrinat (Vomex®): Wirkmechanismus: Histamin-H1-Rezeptor-Antagonist (peripher und zentral) und anticholinerge Wirkung (peripher und zentral) (Cave: bei Intoxikation dominiert anticholinerge Wirkung!) Wirkung: antiemetisch und sedierend Wichtige UAW: anticholinerg: Mundtrockenheit, Tachykardie, Miktionsstörung, Obstipation, Akkomodationsstörungen, Erhöhung des Augeninnendruckes paradoxe Erregung v.a. bei Kindern möglich Einschränkung der Verkehrstüchtigkeit durch Sedierung Kontraindikationen: Prostatahyperplasie mit Restharn, Engwinkelglaukom Epilepsie Herzrhythmusstörungen / Bradykardie ( Cave: Hypokaliämie) Wechselwirkungen: Alkohol, MAO-Hemmer, trizykl. Antidepressiva, Medikamente mit QT-verlängernder Wirkung Übelkeit / Erbrechen 7 Ondansetron (Zofran®): Wirkmechanismus: 5-HT3-Antagonist (zentral und peripher) [5-HT = 5-Hydroxytryptamin = Serotonin] Wirkung: antiemetisch v.a. bei CINV Wichtige UAW: Kopfschmerzen Obstipation (Motilität des unteren GIT wird gehemmt) Besonderheiten: große therapeutische Breite, gute Verträglichkeit Einmalgabe gleich effektiv wie Mehrfachgabe orale Applikation gleich effektiv wie parenterale Applikation wirkt v.a. gegen akutes Erbrechen i.R. CINV (< 24h nach Chemotherapie-Gabe) Ondan-, Grani-, Tropi- und Dolasetron scheinen in ihrer Wirkung etwa gleich effektiv zu sein Hypertensive Entgleisung 1 Einteilung / Definition: Hypertensive Krise („hypertensive urgency“): Kritischer Blutdruckanstieg ohne Symptome eines akuten Organschadens [Eine hypertensive Krise kann unvermittelt in einen hypertensiven Notfall übergehen, insbesondere bei bestehenden kardialen, renalen oder cerebralen Gefäßerkrankungen.] Hypertensiver Notfall („hypertensive emergency“): Kritischer Blutdruckanstieg mit vitaler Gefährdung durch akute Organschäden [Bei Entstehung eines hypertensiven Notfalls müssen keine definierten Blutdruckwerte überschritten werden, entscheidender sind die Geschwindigkeit des Anstiegs und die Fähigkeit der Gefäße, sich zu adaptieren] Pathophysiologie (Schema): Hypertensive Krise: RR Autoregulation Vasokonstriktion Gewebsperfusion + Druck in kleinen Gefäßen und Kapillaren bleiben konstant Hypertensiver Notfall: Linksherzinsuffizienz, Angina pectoris Blutung RR Vers a Auto gen der regu latio n Blutung „breakthrough vasodilatation“ Gefäßwandverletzung Gefäßlumeneinengung Ödemeentwicklung Hypertensive Entgleisung 2 wichtige Ursachen: Entgleisung einer (primären oder sekundären) Hypertonie: - Abbruch antihypertensive Therapie - Incompliance - psychischer / emotionaler Stress Präeklampsie Medikamente / Drogen Schmerzen Klinik: Hypertensive Krise: Kopfschmerzen, Nasenbluten, Benommenheit, Schwindel, Übelkeit / Erbrechen Hypertensiver Notfall: cerebral: Vigilanzstörung bis Koma, Verwirrung, Unruhe, Sehstörungen, Parese, Krampfanfall, Vernichtungskopfschmerz kardial: Thoraxschmerz, Dyspnoe, Herzrhythmusstörungen, Schock okulär: Sehstörungen renal: Oligurie / Anurie, Hämaturie, Proteinurie vaskulär (Dissektion): Schmerzen, Ischämiesymptome, Puls- / Blutdruckdifferenzen Hypertensive Entgleisung 3 Therapieziele: Vermeidung / Minimierung von irreversiblen Endorganschäden Vermeidung medikamentös bedingter Hypotonie ( Gefahr: Organischämie) a) hypertensive Krise: Ziel-Blutdruck < 160/100 mmHg innerhalb von Stunden bis Tagen [Insbesondere bei Patienten, die an ein hohes Blutdruckniveau adaptiert sind, oder bei denen vaskuläre Vorerkrankungen bekannt sind, sollte der Blutdruck langsam gesenkt werden] von Beginn an Therapie mit oralen Antihypertensiva b) hypertensiver Notfall: Ziel: Blutdrucksenkung innerhalb von wenigen Stunden (RR-Reduktion nicht > 25% vom Ausgangswert) initiale Therapie mit i.v.-Antihypertensiva; wenn Blutdruck stabil, dann Umsetzen der antihypertensiven Medikation auf orale Gabe weitere Blutdrucksenkung über Wochen bis Monate Hypertensive Entgleisung 4 Therapievorschläge/-möglichkeiten (Liste unvollständig): keine eindeutige Überlegenheit eines Präparates, Auswahl abhängig von BegleitErkrankungen und bestehender Vormedikation hypertensive Krise: a) Ausbau einer bestehenden antihypertensiven Medikation b) Glyceroltrinitrat / Nitroglycerin (Nitrolingual) [0,4 - 1,2 mg (1-3 Hübe) s.l.] c) Nitrendipin (Bayotensin) [10 mg p.o.], Amlodipin (Norvasc) [5 mg p.o.] d) Clonidin (Catapresan) [0,075 - 0,150 mg p.o.] hypertensiver Notfall: intravenöse antihypertensive Therapie (auf Intensiv-/Überwachungsstation) mit: Glyceroltrinitrat (Nitrolingual) Urapidil (Ebrantil) Clonidin (Catapresan) Dihydralazin (Nepresol) Hypertensive Entgleisung 5 Glyceroltrinitrat / Nitroglycerin (Nitrolingual®): Wirkmechanismus: NO-Donator Dilatation der glatten Muskulatur Wirkung: antipectanginös Blutdruck-Senkung (Vor- und Nachlast) [Spasmolyse (z.B. Harnleiter, Gallengang)] Wichtige UAW: Kopfschmerzen („Nitratkopfschmerz“), Flush Reflextachykardie Wichtige KI: gleichzeitige Therapie mit Phosphodiesterasehemmern (z.B. Sildenafil (Viagra)) schwere stenosierende Herzvitien (z.B. Aortenklappenstenose) Besonderheiten: schneller Wirkungsbeginn (1 min), kurze Wirkdauer (30 min) [sublingual] sublinguale Resorption bei sublingualer Applikation i.v. MdW bei Lungenödem und akutem Coronarsyndrom Hypertensive Entgleisung 6 Nitrendipin (Bayotensin®): Wirkmechanismus: Calciumantagonist (Gruppe: Dihydropyridine) ( Hemmung des Ca++-Einstroms in die glatte Gefäßmuskelzelle) Wirkung: Blutdruck-Senkung (v.a. Nachlast) Wichtige UAW: Kopfschmerzen, Flush Reflextachykardie periphere Ödeme (diuretika-resistent) gering negativ inotrop Wichtige KI: akuter Myokardinfarkt (innerhalb der ersten 4 Wochen) schwere stenosierende Herzvitien (z.B. Aortenklappenstenose) Besonderheiten: Wirkungsbeginn 1-2 h, Wirkdauer 2-8 h [oral] Cytochrom P450-abhängige Metabolisierung Bayotensin akut® (Lösung): schnelleres Anfluten als Tablette, dadurch aber auch Gefahr von UAW höher Dihydropyridin mit längerer Wirkdauer und langsamerer Anflutung: Amlodipin (Norvasc) Gabe 1x/Tag Hypertensive Entgleisung 7 Clonidin (Catapresan®): Wirkmechanismus: zentraler α2-Rezeptor-Agonist Sympathikotonus Imidazolrezeptor-Agonist Gefäßwiderstand Wirkung: Blutdruck-Senkung und Herzfrequenzreduktion Wichtige UAW: orthostatische Dysregulation Müdigkeit, Schlafstörungen, depressive Verstimmung Kopfschmerzen Obstipation Rebound-Hypertonie bei abruptem Absetzen Wichtige KI: Bradykardie, kardiale Erregungsleitungsstörungen Depression Cave: fortgeschrittene Niereninsuffizienz (evtl. Durchblutung) Besonderheiten: Wirkungsbeginn: 30-60 min, Wirkdauer: 6-8 h [oral] bei hypertensiver Enzephalopathie wegen sedierender Eigenschaften nicht MdW Cave: Rebound-Hypertonie bei Einmalgabe möglich Hypertensive Entgleisung 8 Urapidil (Ebrantil®): Wirkmechanismus: peripherer α1-Rezeptorantagonist Verhinderung der vasokonstriktorischen Wirkung der Katecholamine zentraler 5-HT1A-Agonist Sympathikotonus Wirkung: Blutdruck-Senkung Wichtige UAW: basieren v.a. auf zu rascher Blutdrucksenkung (Übelkeit / Erbrechen, Schwindel, Kopfschmerzen, Tachykardie, etc. ) Wichtige KI: Aortenisthmusstenose Besonderheiten: Wirkungsbeginn: 2-5 min, Wirkdauer: 1-3 h (i.v.) schlechte Bioverfügbarkeit nach oraler Applikation relativ teuer Hypertensive Entgleisung 9 Dihydralazin (Nepresol®): Wirkmechanismus: direkter Vasodilatator Wirkung: Blutdruck-Senkung (v.a. Nachlast) Wichtige UAW: Reflextachykardie Ödeme (H2O + Na+-Retention) Kopfschmerzen, Flush, orthostatische Dysregulation Lupus-erythematodes-ähnliche Symptomatik [Bestimmung HLA-DR4 + ANA vor langfristiger Therapie empfohlen] Wichtige KI: Koronare Herzkrankheit (KHK) stenosierende Herzvitien Lupus erythematodes Besonderheiten: Kombination mit β-Blocker oder Clonidin und Diuretikum Anaphylaxie 1 Definition: schwere allergische Reaktion mit akutem Beginn, die rasch fortschreiten kann und einen potentiell tödlichen Ausgang hat Pathophysiologie: (meist IgE-vermittelte) Freisetzung von Mediatoren (z.B. Histamin, Prostaglandine, Leukotriene, Zytokine, etc.) aus Mastzellen und basophilen Granulozyten innerhalb von Sekunden bis Minuten kommt es zu einer Permiabilitätserhöhung der Kapillaren mit nachfolgender Plasmaexsudation (bis zu 35% des IntravasalVolumens in 10 min) und zu spastischer Kontraktion glatter Muskulatur Diagnose: nach klinischer Symptomatik Anaphylaxie 2 Klinik: Organsystem (Häufigkeit) Haut / Schleimhaut (90%) nach Ring und Messmer I III IV Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem Respirations-Trakt (70%) - GI-Trakt (40%) Herz / Kreislauf (35%) II Rhinorrhoe Heiserkeit Dyspnoe Larynxödem Bronchospasmus Zyanose - Übelkeit Krämpfe Erbrechen Defäkation - Tachykardie Hypotonie Arrhythmie Schock Atemstillstand HerzkreislaufStillstand ein Übergang von Schweregrad I zu IV kann innerhalb von Minuten erfolgen bei einer Reaktion vom Schweregrad I sind die weitere Entwicklung und Dynamik der Reaktion primär nicht absehbar Tod i.R. Anaphylaxie tritt meist durch Asphyxie durch Obstruktion der Atemwege auf, seltener kardiovaskulär bedingt. Anaphylaxie 3 wichtige Differentialdiagnosen: - vasovagale Synkope - andere Schockformen (z.B. kardiogen, hämorrhagisch) - akuter Asthmaanfall - Panik-Angst-Attacke Therapievorschläge – Überblick (nach AWMF S2-Leitlinie): Allgemeinmaßnahmen: - stoppen / entfernen des auslösenden Antigens - 1 bis 2 sichere venöse Zugänge - O2-Gabe - Volumen (v.a. bei kardiovaskulärer Symptomatik) medikamentöse Therapie: - Adrenalin [i.m. 0,3 - 0,5 mg oder i.v. (in 0,1 mg Schritten)] - H1-Antihistaminikum (z.B. Clemastin) [i.v. 2 mg] - Glukokortikoid (z.B. Prednisolon) [i.v. 125 - 500 mg] - [H2-Antihistaminikum (z.B. Ranitidin) [i.v. (50 mg)]] Anaphylaxie 4 Therapievorschläge – nach Schweregrad der Anaphylaxie (nach AWMF S2-Leitlinie): I Leitsymptome v.a. dermale Symptomatik Adrenalin - Clemastin i.v. Prednisolon i.v. Ranitidin - II III Dyspnoe Übelkeit / Krämpfe Hypotonie/Tachykardie Zyanose Erbrechen / Defäkation Schock i.m. i.m. oder i.v. IV Reanimation i.v. i.v. bei führender respiratorischer Symptomatik kann Adrenalin auch (zusätzlich) per inhalationem verabreicht werden (Ersatzweise auch inhalative β2-Mimetika) β-Blocker, α-Blocker und ACE-Hemmer können anaphylaktische Reaktionen verstärken Anaphylaxie 5 Adrenalin (Suprarenin®): Wirkmechanismus: α-, β1- und β2-Agonist niedrige Dosis (1-2 µg/min): v.a. β-Stimulation mittlere Dosis (2-10 µg/min): α- und β-Stimulation hohe Dosis (> 10 µg/min): v.a. α-Stimulation Wirkung: positiv inotrop, chronotrop, dromotrop dosisabhängig Vasokonstriktion / Vasodilatation ausgeprägte Bronchodilatation Wichtige UAW: tachykarde Herzrhythmusstörungen bis Kammeflimmern myokardiale Ischämie exzessiver RR-Anstieg mit Gefahr cerebraler Blutungen Wichtige KI: in Notfall-Situation keine Wichtige WW: α-Blocker „Adrenalin-Umkehr“ (Aufhebung Vasokonstriktion) β-Blocker Aufhebung Bronchodilatation und kardialer Wirk. v.a. nichtselekt. β-Blocker hypertensive Krise + Bradykardie Besonderheiten: Epinephrin = linksdrehendes, biologisch aktives Adrenalin i.v. nie unverdünnt geben (1 mg auf 10 ml NaCl 0,9%) i.m. schnellere Resorption als s.c. oder p. inhal. Anaphylaxie 6 Prednisolon (Decortin H®): Wirkmechanismus: viele verschiedene hochdosierte Stoßtherapie Beeinflussung Transkription über Gluko- und Mineralokortikoidrezeptoren Membranstabilisierung in hoher Dosierung (prakt. Relevanz umstritten) Hemmung Phospholipase A2 Prostaglandine, Leukotriene Wirkung: Wirkung für Akutphase der Anaphylaxie nicht gut belegt, aber Schutz vor biphasischem Verlauf + Therapie Asthma Wichtige UAW: Hyperglykämie Hypertonie Euphorie, Schlafstörung, Depression, Psychose Verschlechterung ± Verschleierung akuter Infektionen GI-Blutung (v.a. bei vorbestehenden Ulcera) Darmperforation (Colitis / Divertikulitis) Wundheilungsstörung Wichtige WW: multiple Interaktionen Besonderheiten: Prednisolon hat im Gegensatz zu Dexamethason eine leichte mineralocorticoide Wirkung Cushing-Schwelle: ca. 7,5 mg/d (bei langfristiger Anwendung) Warum das Thema Top 100 ... ? Das Häufige ist häufig und das Seltene selten oder (wer es internationaler mag) If you hear horseshoes think of horses not of zebras 100 Medikamente decken ca. 85% der verordneten Pharmaka ab Die Chartshow der Klinischen Pharmakologie Die Top 10 der Arzneimittel in der Inneren I Medizin Bonn 1.) Pantoprazol (Pantozol) 39.017 2.) Furosemid (Lasix) 34.669 3.) Ciprofloxacin (Ciprobay) 20.124 4.) Acetylcystein (ACC, NAC, Fluimuzil) 15.755 5.) Ampicillin / Sulbactam (Unacid) 15.723 6.) Itraconazol (Sempera) 13.854 7.) Heparin (Calciparin) 13.754 8.) Acetylsalicylsäure (Aspirin) 12.232 9.) Metoprolol (Beloc zok) 10.080 10.) Laevothyroxin (L-Thyrox) 10.000 Einteilung Top 10 Herz Hormone Lunge Elektrolyte GI Metabolite Niere Koagulation Haut Entzündung Knochen Infektion Gefäße Tumor ZNS/Neuro Malfunktion Top 50 Top 100 Herz Herz Lunge Diuretikum GI Niere β-Blocker Haut Knochen Gefäße ACE-Hemmer ZNS/Neuro Hormone Elektrolyte Ca-Antagonist Koronartherapeutikum Metabolite α2-Rezeptor-Agonist Koagulation α-Sympathomimetikum Entzündung Infektion Angiotensin-II-Antagonist Antiarrhythmikum Tumor Malfunktion Herzglykosid Lunge Herz Lunge GI Mucolytikum Niere Haut Anticholinergikum Knochen Gefäße ZNS/Neuro Hormone Elektrolyte Metabolite Koagulation Entzündung Infektion Tumor Malfunktion ß2-Sympathomimetikum GI Herz Lunge GI Protonenpumpenhemmer Niere H2-Rezeptorenblocker Haut Antiemetikum Knochen Gefäße Antidiarrhoikum ZNS/Neuro Laxans Hormone Elektrolyte Metabolite Antacidum Schleimhatschützendes Ulkusmittel Koagulation Pankreasenzyme Entzündung Karminativum Infektion Tumor Malfunktion Spasmolytikum Gallensäure Niere Herz Lunge GI Niere Schleifendiuretikum Haut Knochen Saluretikum Gefäße ZNS/Neuro Aldosteron-Antagonist Hormone Phosphat-Binder Elektrolyte Metabolite Koagulation Entzündung Infektion Tumor Malfunktion Haut, Knochen, Gefäße Herz Lunge GI Niere Haut Haut Knochen Dermatikum Knochen Gefäße ZNS/Neuro Hormone Elektrolyte Metabolite Koagulation Entzündung Infektion Tumor Malfunktion Gefäße Vasokonstriktor ZNS/Neuro Herz Lunge ZNS Sedativum GI Niere Haut Opioid Knochen Gefäße ZNS/Neuro Hormone Serotonin-Antagonist Kurzhypnotikum/ZNS Elektrolyte Metabolite Koagulation Entzündung Antiepileptikum Antidepressivum Infektion Tumor Malfunktion Neuro Lokalanästhetikum Hormone, Elektrolyte, Metabolite, Koagulation Herz Lunge GI Niere Hormon Schilddrüse Vit.-D3-Derivat Elektrolyte Nicht aufgeführt Haut Knochen Metabolite Gefäße Lipidsenker ZNS/Neuro Schilddrüse Hormone Aknemittel Elektrolyte Metabolite Koagulation Entzündung Infektion Tumor Malfunktion Urikostatikum Koagulation Antikoagulation Heparin 13754 Entzündung Herz Lunge GI Niere Nichtsteroidales Antiphlogistikum Haut Knochen Antiphlogistikum GIT Gefäße ZNS/Neuro Glucocorticoid Hormone Elektrolyte Metabolite Antihistaminikum Koagulation Immunsuppressivum Entzündung Infektion Tumor Malfunktion Infektion Herz Lunge Antibiotikum GI Niere Haut Knochen Gefäße ZNS/Neuro Hormone Elektrolyte Metabolite Virustatikum Koagulation Entzündung Antituberkulotikum Infektion Tumor Malfunktion Antimykotikum Tumor, Malfunktion Herz Lunge GI Niere Haut Knochen Gefäße ZNS/Neuro Hormone Elektrolyte Metabolite Koagulation Entzündung Infektion Tumor Malfunktion Tumor Malfunktion Worum geht es in der klinischen Pharmakologie ? I stopped taking the medicine because I prefer the original disease to the side effects