Dokumentation einer Entwicklung des Hindu

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Dokumentation einer Entwicklung des Hindu-Fundamentalismus
(Mit Auszügen aus Berichten der Tageszeitung „The Hindu“ (www.hinduonnet.com)
und einer Einführung in die Dokumentation
Teil I: Einführung
Zur Geschichte des Hindu-Nationalismus
(Siehe dazu: E.C. John, Christliche Mission auf dem Scheideweg,
in: Zeitschrift für Mission, 4/2002, Frankfurt und Basel, 343-359)
Der indische Nationalismus geht zurück auf den Freiheitskampf in Indien gegen den
britischen Kolonialismus am Anfang des letzten Jahrhunderts. Der revolutionäre Denker
Vinayak Savarkar schrieb 1922 aus langjähriger Haft das Buch: „Hindutva. Who is a Hindu?“
Dieses 1923 erschienene Buch ist die Basis der faschistischen Auffassung des HinduNationalismus geworden. Der Gründer der RSS im Jahr 1925 war Kesav Baliram Hedgewar.
Sein Mitarbeiter Madhav Sadashiv Gowalkar entwickelte die Gedankengänge von Savarkar
weiter und schrieb 1939 das Buch: „We Or Our Nationhood Defined.“ Hedgewar bestimmte
Gowalkar zu seinem Nachfolger, der die Führung der RSS 1940 übernahm und bis zu seinem
Tod 1973 auch behielt.
Savarkar reichte der Name „Hindu“ nicht. Er suchte nach einem umfassenderen Begriff, den
er in der Bezeichnung „Hindutva“ fand.
Drei Bestandteile der Bezeichnung Hindutva sind für ihn wichtig:
1. Das Land Hindusthan als Vaterland und Mutterland. Hier sind die Religionen Indiens
entstanden, in denen Menschen die Offenbarung der Wahrheit fanden. Deshalb ist Indien
auch heiliges Land.
2. Der zweite Bestand von Hindutva ist das Geborensein von Hindu-Eltern.
3. Der dritte Bestandteil ist die Teilhabe an der gemeinsamen Hindu-Kultur.
Savarkar war Vorsitzender der Hindu Mahasabha (das große Hindu-Konzil, 1937-42) und
konnte so seine Sichtweisen unter das Volk bringen. Gowalkar ist der Ideologe des HinduNationalismus und der RSS. Nach ihm gibt es fünf wesentliche Merkmale für eine Nation: das
Land (die geografische Einheit), Rasse, Religion Kultur und Sprache. Diese fünf
Charakteristika sind in Indien (Bharat) vorhanden wie auch in Deutschland. Damit wird das
Dritte Reich angesprochen. Er schreibt:
Indien kann lernen und profitieren vom Beispiel Deutschlands, wo die Juden aus dem
Land geschafft wurden und die Nation ihre rassische und kulturelle Einheit erlangte
(352).
Dies wird dann auf Indien so übertragen, dass Nicht-Hindus, die in Indien leben, entweder die
Hindu-Kultur zu adoptieren haben oder nur in völliger Unterordnung und ohne Bürgerrechte
im Lande bleiben können.
Nach der Sicht Gowalkars stellen Muslime, Christen und Kommunisten eine gefährliche
innenpolitische Bedrohung für Indien dar. Den Christen wird unterstellt, dass sie die religiöse
und soziale Struktur des Landes niederreißen und im Nordosten Indiens einen eigenen Staat
errichten wollen.
Nationalistische Organisationen in Indien
1925 wurde die RSS gegründet (Rashtriya Swayam Sevak Sangh, nationale freiwillige
Dienstgemeinschaft). Die Gruppe rekrutiert sich aus Leuten der jüngeren Generation, die sich
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verpflichten, ihr Leben lang der Gemeinschaft zu dienen „mit ganzer Hingabe von Leib, Herz
und Vermögen“ (354). Seit 1930 bestanden Kontakte der RSS zu faschistischen Gruppen in
Europa. Die Mitglieder leben asketisch und streng vegetarisch. Eine große Anzahl bleibt
ledig, wie z.B. Atal Behari Vajpayee, der jetzige Ministerpräsident Indiens. Wer hauptamtlich
für die Organisation arbeitet, bekommt lediglich einen Unterhalt bezahlt und Reisekosten. Die
Mitglieder treffen sich täglich etwa eine Stunde in ihren Zweigniederlassungen zur Meditation
und Instruktion und zusätzlichem paramilitärischen Drill. Sie tragen Uniform mit kurzer
Khaki-Hose, weißem Hemd, schwarzer Mütze und einem Schlagstock aus Bambus. Bei
Aufmärschen tragen sie eine safranfarbene Pfanne und den Dreizack des Gottes Shiva. Die
Gefolgsleute der RSS behaupten zwar, sie seien keine politische Partei, sondern eine soziale
und kulturelle Organisation zur Wiederbelebung des Hindu-Glaubens, doch wird die
Trennungslinie zur BJP (Bharata Janata Party, nationale Volkspartei) nicht immer eingehalten.
Gelegentlich wird sogar massiver Druck auf sie ausgeübt. In den vergangenen 20 Jahren ist
die Organisation ungeheuer angewachsen. So soll es im Jahr 2000 um die 45000 Zweigstellen
der RSS in Indien gegeben haben, 13000 Schulen und andere Ausbildungsstätten mit 75000
Lehrern und 1,7 Millionen Schülern und Studenten (354).
Viswa Hindu Parishad (World Hindu Council)
Während die RSS eine reine Männergesellschaft darstellt, steht die Mitgliedschaft bei der
VHP allen Hindus offen. Gegründet wurde die Gruppe 1964, um vor allem europäisch
beeinflusste indische Jugendliche und die Mittelschicht im Lande für einen aktiven
Hinduismus zurückzugewinnen.
Versammlungen werden veranstaltet mit Lesungen aus den Vedas und den Hindu-Epen.
Empfohlen wird tägliches Gebet und insbesondere das Anstimmen der heiligen Silbe OM
sowie die Lektüre der Bhagavadgita.
Der Verein hat Zweigstellen im Ausland und eine große Zahl von Anhängern unter den
Hindus, die sich in England und in den USA niedergelassen haben. Vertreter der RSS und der
VHP in Indien halten durch Reisen und Vorträge Verbindung mit den Auslands-Hindus und
verstärken deren Aktivitäten. Dabei werden Spenden für die Aktivitäten in Indien gesammelt.
Seit 1983 werden in Indien verschiedene regionale oder nationale Prozessionen durchgeführt,
um die Hindus zu aktivieren und zu solidarisieren.
Die VHP und die ganze Sangh Familie hat sich zum Ziel gesetzt, die Arbeit von Christen
unter den Adivasis (Ureinwohnern) und Dalits zu verhindern. Christen in diesen Gruppen
sollen wieder für den Hinduismus gewonnen werden, notfalls auch mit Gewalt.
Wie die christliche Mission betreibt die VHP deshalb auch karitative Einrichtungen für
Waisenkinder, dazu auch Schüler- und Studentenheime und Krankenhäuser. Ein besonderer
Dorn im Auge ist für die VHP der Einfluss der Christen in den nordöstlichen Landesteilen
Indiens, besonders im Nagaland und Mizoram.
Der militante Zweig des VHP heißt Bajrang Dal. Er wurde 1984 gegründet, und hat sich zum
Ziel gesetzt, Ayodhya zu „befreien“. Die Mitglieder rekrutieren sich aus jungen Männern, die
weiße Hemden, kurze blaue Hosen und ein safranfarbenes Halstuch tragen. Es waren
hauptsächlich Bajrang Dal- Mitglieder, die 1992 die Moschee von Ayodhya zerstört haben.
Unter der Bezeichnung Sangh Parivar (Sangh- Familie) fasst man die gesamten
fundamentalistischen Gruppierungen zur Wiederbelebung des Hinduismus zusammen
Man hofft auf ein „awakening“, eine Erweckung der alten Religion. Es ist festzustellen, dass
seit der Übernahme der politischen Verantwortung 1998 durch die BJP (nationale Volkspartei) als
Regierungspartei, die im Rahmen der national-demokratischen Allianz (NDA) die
gegenwärtige Regierung stellt, die Angriffe auf Christen zugenommen haben.
Dabei gilt:
„Für diejenigen, die das Hindutva- Programm fortsetzen, sind die Muslime und Christen ein
Hindernis. Wenn es der Sangh- Familie gelingen sollte, die Adivasis und Dalits entweder zum
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Hinduismus zu bekehren oder unter Druck und Angst zu setzen, können sie mit ihrer Stimme
bei der Wahl rechnen und damit wären sie ihrem politischen Ziel näher. Zusammen machen
die Dalits und Adivasis etwa 20% der ganzen Bevölkerung Indiens aus“ (357).
Teil II: Dokumentation mit Erläuterungen (mit zeitlichem Schwerpunkt Oktober 2002 bis Juni 2003)
Indiens fundamentalistische Hindu-Gruppierungen verstehen sich als Kämpfer für den
Hindutva- Gedanken. Dies bedeutet: Der Hinduismus als Einheit von Religion und Kultur
soll in Indien uneingeschränkt das Sagen haben. Zur Verwirklichung dieses Zieles werden
eine ganze Reihe von Forderungen erhoben.
So soll das Land Indien künftig Hindu- Rashtra genannt werden, Land also, das von Hindus
regiert wird und in dem Hindus die Macht besitzen. Die Suche nach einem neuen Namen
erklärt sich daraus, dass Begriffe wie „Indien“ oder „Hinduismus“ lediglich geographische
Bezeichnungen sind, die sich auf den Indusfluss im heutigen Pakistan beziehen. Die Truppen
Alexanders des Großen, die das nordwestliche Indien, den Punjab, erreicht hatten, nannten
das Land der Leute, die jenseits des Indus lebten, „Indusland“, Indien, und ihren Glauben
Induismus oder Hinduismus. Die geographische Bezeichnung bleibt zwar im Hindu- RashtraBegriff erhalten, wird aber definiert durch den Machtanspruch der Mehrheitsreligion als
kulturelle und politische Größe.
Zur gegenwärtigen Agenda im Rahmen des Hindutva- Gedankens gehören folgende
Themen:
Eine einheitliche Zivilstandsgesetzgebung. Bislang werden z.B. Trauungen jeweils nach den
Gesetzen der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften durchgeführt und staatlich
anerkannt. Auch der Staat bietet eine bürgerlich/säkulare Trauung als weitere Möglichkeit an.
Ein Muslim kann also mehr als eine Frau heiraten, ein Hindu, Christ oder einer, der sich
standesamtlich trauen lässt, nicht. Die angestrebte Zivilstandsgesetzgebung für alle wird aber
nicht einfach als religiös „neutral“ gedacht, sondern soll getragen sein von der „HinduKultur“, in die sich die anderen religiösen Minderheiten zu fügen haben. Wie das konkret
aussehen soll, ist offen.
Zentrale Gesetzgebung, die das Schlachten von Kühen verbietet (bislang Ländersache).
Die Abschaffung des Artikels 370 der indischen Verfassung, die Jammu und Kaschmir in
Nordindien einen besonderen Status einräumt. An Kaschmir hängt wiederum das Problem des
Umgangs mit einer islamischen Bevölkerung, die man in Zusammenhang bringt mit der
Infiltration muslimischer Terroristen von Pakistan her. Dahinter steckt letztlich das Problem
des ungeklärten Grenzverlaufs zwischen beiden Ländern in Kaschmir nach der
Unabhängigkeit.
Die Vertreibung der 40 Millionen von Bangladeshis, die seit dem Unabhängigkeitskrieg OstPakistans, heute Bangladesh, gegen West-Pakistan 1971 als Flüchtlinge ins Land gekommen
sind;
Zu den Begleiterscheinungen des forcierten Hindutva-Gedankens gehört auch die
Einbeziehung des gesamten Erziehungswesens in Indien
und die Nadelstiche und Provokationen als „Experiment“, um die christliche Minderheit
zu verunsichern.
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Ein wichtiges Thema ist der Streit um die Errichtung eines Ram Tempels in Ayodhya
Als seine besondere Aufgabe betrachtet der VHP die „Befreiung“ der Stelle, an der die BabriMasjid- Moschee (Babar- Moschee) stand. Es wird behauptet, dass gerade an diesem Ort
Rama, der Held des Hindu-Epos Ramayana, geboren sei. Dort hätte auch ein Rama- Tempel
gestanden, der aber von Babar, dem ersten Moghul- Kaiser abgerissen und durch eine
Moschee ersetzt worden sei Am 6.12.1992 wurde diese Moschee gewaltsam von HinduAktivisten zerstört und ein provisorisches Ram- Heiligtum aufgestellt. An dieser Stelle will
nun der VHP einen großen nationalen Ramtempel errichten. Einzelne Bauteile wurden schon
herangeschafft und bearbeitet. Man wartet nun auf eine Entscheidung des Supreme Court oder
des Parlaments, um dann die Bauteile zum vorgesehenen Platz zu bringen und den Tempel zu
errichten. Die Genehmigung dazu ist beim Bundesverfassungsgericht in Delhi anhängig, weil
sich die Muslime gegen diese Art von Enteignung wehren. Dagegen haben die HinduAktivisten schon als nächstes Ziel zwei weitere Moscheen, die mit gleicher Begründung
abgerissen werden sollen: die Moschee im Herzen von Varanasi (Benares) und eine in
Mathura. Zusätzlich stehen noch Hunderte weitere Moscheen auf der geplanten Abrissliste.
Die Regierung hat inzwischen den Tatort in Ayodhya samt anliegendem Gelände aufgekauft
und abgesperrt, um die Errichtung eines Tempels vor dem Gerichtsurteil zu verhindern. Das
zuständige Oberlandesgericht hat jedoch erlaubt, archäologische Grabungen in Ayodhya
durchzuführen, um den Nachweis der Existenz eines früheren Tempels zu bringen. Fachleute
der Archäologie waren entsetzt, dass die Grabungen durch Hindu-Aktivisten mit den
vorhandenen Resten der Moschee so gewaltsam umgingen, dass jetzt auch der kunstvoll
ausgelegte Boden völlig zerstört wurde. Der Nachweis eines früheren Tempels konnte jedoch
nicht erbracht werden.
Bedenklich stimmt, dass die Hindutva-Kräfte jetzt offen erklären, sie würden sich nur dann an
das Urteil des Bundesverfassungsgerichts halten, wenn es zu ihren Gunsten ausfalle.
Dieser gesamte Moscheen- und Tempelstreit benötigt eine eigene Dokumentation und kann in diesem Rahmen
nicht weiter verfolgt werden.
Aus dieser Hindutva- Agenda werden folgende Themen angesprochen:
1. Die Anti-Bekehrungs-Gesetzgebung in Indien;
2. Der Hindutva- Gedanke in der Erziehung der indischen Jugend; (S.16)
3. Nadelstiche als Element der Verunsicherung und provokative Aussagen. (S.17)
Wenden wir uns zunächst einmal der Anti-Bekehrungsgesetzgebung zu, die seit Oktober
2002 die Gemüter vor allem in Südindien erregt und die Menschen polarisiert hat.
Vom 5. Oktober an, als Ministerpräsidentin Jayalalithaa in Tamil Nadu eine AntiBekehrungsverordnung erließ bis zum 1. November, als die Verordnung Gesetzeskraft
erlangte, wurden in der indischen Tageszeitung „The Hindu“ 42 Artikel diesem Thema
gewidmet in Form von Meldungen, Berichten über Pressekonferenzen, Kommentaren und
Leitartikeln. Dabei spielt der Streit um die Interpretation des Grundrechts auf
Religionsfreiheit der indischen Verfassung eine maßgebende Rolle.
Der Artikel 25 der Verfassung Indiens lautet:
„Subject to public order, morality and health and to the other provisions of this part, all
persons are equally entitled to freedom of conscience and the right to freely profess, practice
and propagate religion“.
Jeder indische Bürger hat das Recht auf Gewissensfreiheit und das Recht, in freier
Weise eine Religion zu wählen, zu praktizieren und zu verkündigen, vorausgesetzt dass
das sittliche Empfinden, die öffentliche Ordnung und die Unversehrtheit von Menschen
gewahrt bleibt.
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Und nun die Meldungen der Presse:
06.10.02:
Tough ordinance to ban conversion (Strenge Verordnung zum Verbot von
Bekehrungen).
Chennai, 5.10.02. Die Regierung von Tamil Nadu unter Frau Jayalalithaa hat
durch den Gouverneur eine strenge Verordnung zum Verbot von Bekehrungen
erlassen. Darin heißt es: „Keine Person soll eine andere von einer Religion zur
anderen bekehren wollen oder bekehren unter Anwendung von Gewalt, unter
Verlockungen oder sonstigen betrügerischen Machenschaften. Ebenso wird
jede Beihilfe zum Religionswechsel verboten. Bei Übertretung des Verbots
wird eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren angedroht und zusätzlich ein
Bußgeld von Rs. 50.000,-. Falls die bekehrte Person eine Frau ist oder zu den
benachteiligten Kasten oder Stammesbewohnern gehört (scheduled castes und
tribes), erhöht sich die Gefängnisstrafe auf vier Jahre und die Geldbuße auf Rs.
100.000,-. Als Grund für diese Verordnung wurde angegeben, die Regierung
habe Berichte von Bekehrungen erhalten, und deshalb sei es im Interesse von
Gesetz und Ordnung, solches zu verbieten. (Da es Indien 200 Millionen
Stammesbewohner gibt außer den diskriminierten Dalits und Kastenlosen, erwächst dem
indischen Staat daraus ein großes soziales Unruhepotential)
Der Verordnung liegt zugrunde, dass im September 2002 eine größere Zahl
von armen Hindu-Frauen in Madurai Christinnen wurden. Die evangelikale
Gruppe, die dabei beteiligt war, behauptete, die Frauen seien freiwillig
Christinnen geworden. Die Medien jedoch stellten dar, die Bekehrungen seien
„auf Grund der Ausbeutung der Armut dieser Frauen“ zustande gekommen.
„The Hindu“ stellt dazu fest: In Tamil Nadu, wo Übergriffe gegen Menschen,
die als unberührbar gelten, an der Tagesordnung sind, sind Bekehrungen von
Dalit - Hindus zum Islam, um der Diskriminierung zu entgehen, seit 1980 an
der Tagesordnung. Die Verordnung folge also der minderheitenfeindlichen
Taktik der Hindutva-Bewegung in Indien.
08.10.02
Christian Council demands repeal of Tamil Nadu ordinance.
Der Christenrat verlangt die Annullierung des Gesetzes
Geltend gemacht wurde von den Christen, dass sich die Verordnung vor allem
gegen ihre Arbeit unter Armen und Unterdrückten richte. Es sei der
Ministerpräsidentin, Frau Jayalalithaa, zu empfehlen, dass ihre Regierung
etwas gegen die Diskriminierung der Dalits tue, wenn sie diese vor den
Christen schützen zu müssen meine. Die Christen beriefen sich auch auf
Artikel 25 der indischen Verfassung. Danach steht jedem Menschen das Recht
zu, nach freiem Gewissen die eigene Religion zu wählen und sogar dafür zu
werben (to propagate). Nach Artikel 12 (2) der indischen Verfassung wird
dieses Grundrecht so geschützt, dass es nicht ausgehöhlt werden darf.
Unwarranted move (Ungerechtfertigtes Vorgehen).
Es wird auf Artikel 25 Grundgesetz hingewiesen, der jedem Bürger Indiens das
Recht zubilligt, die jeweilige Religion frei zu wählen, zu praktizieren und dafür
zu werben. Der Herausgeber sieht die ganze Aktion auf der Schiene einer
Ministerpräsidentin von Tamil Nadu, die sich bei der Hindutva-Bewegung und
der Zentralregierung anbiedern wolle. Es liege ganz auf der Linie der Attacken
gegen Sonia Gandhi, der Kongress-Partei-Präsidentin, die von Frau
Jayalalithaa als italienische Ausländerin beschimpft werde.
08.10.03
Editorial:
10.10.02
Ordinance based on ineffectual laws Die Verordnung basiert auf einer ineffektiven
Gesetzgebung.) - News Analysis
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von Mukund Padmanabhan
Es handelt sich um eine Darstellung der Entwicklung der Anti-Bekehrungs-Verordnung.
Der Verordnung gehen voraus zwei fast identische Gesetzgebungen im
Bundesstaat Orissa und in Madhya Pradesh vor mehr als 30 Jahren. Zuerst war
es die Freedom of Religion Act in Orissa 1967, die zum erstenmal
Strafandrohungen für die erlassen hat, die andere bekehren oder bekehren
wollen mit Hilfe von Gewalt, Betrug oder Verlockung, bzw. Verführung. Der
Bundesstaat Madhya Pradesh folgte ein Jahr später und erhob die Forderung,
dass Bekehrungen bei den Distrikts-Polizeibehörden zu registrieren seien.
Beide Anti-Bekehrungs-Gesetze wurden in den jeweiligen Oberlandesgerichten
angefochten. Das Gericht in Orissa entschied, dass das Anti-Bekehrungsgesetz
gegen Artikel 25 Grundgesetz verstoße, der jedem Inder das Recht zubilligt,
frei eine gewählte Religion zu bekennen, zu praktizieren und dafür zu werben.
Dagegen entschied das Oberlandesgericht von Madhya Pradesh, dass die
Antibekehrungs-Gesetzgebung rechtens sei. Darauf wandten sich die
unterlegenen Kläger an das indische Bundesverfassungsgericht, das im Januar
1977 (Fall Stanislaus vs. State of Madhya Pradesh) entschied, wenn jemand für
seine Religion werbe oder sie durch Predigen verbreite, wie es das Grundgesetz
zubilligt, sei daraus noch kein Recht abzuleiten, dass man den anderen auch
bekehren dürfe. Bekehrung durch Zwang, Betrug und Verlockung verhindere
geradezu die freie Wahl der Religion. Einige der Richter argumentierten auch
so: Da der Staat die öffentliche Ordnung aufrecht erhalten müsse, sei die
Gesetzgebung von Madhya Pradesh rechtens, weil sie den Missbrauch von
Religion verhindere. Nach diesem Urteil erließ auch der Bundesstaat
Arunachal Pradesh ein entsprechendes Anti-Bekehrungsgesetz.
Interessant dabei ist, dass einige der indischen Prinzenstaaten schon vor der
Unabhängigkeit Indiens Anti-Bekehrungsgesetze erlassen hatten. Der Versuch
jedoch, diese auch in der indischen Verfassung zu verankern, scheiterte 1947.
Jawaharlal Nehru war es damals, der eine geforderte Registrierung von
Bekehrungen ablehnte. Er plante einen säkularen Staat und eine Politik ohne
den potentiellen „Störfaktor Religion.“ Gandhi dagegen wollte die Religionen
als ethische Kraft in die Politik einbeziehen, jedoch unter der Vorgabe der
Gleichwertigkeit aller Religionen. In den siebziger Jahren wurden unter
Morarji Desai erneut Versuche unternommen, die Zentralregierung zu einer
Gesetzgebung gegen Bekehrungen zu bewegen, aber dieser lehnte ab, als er die
Stellungnahme der Christen dazu zur Kenntnis genommen hatte.
Solange das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1977 steht, kann also
die Anti-Bekehrungsverordnung des Bundesstaats Tamil Nadu, die tatsächlich
ein Klon der Gesetzgebung von Orissa und Madhya Pradesh ist, nicht als
verfassungswidrig bezeichnet werden.
Jedoch besteht weiterhin die Frage, was denn die ganze Gesetzgebung gegen
Bekehrung eigentlich bringen soll. Trotz der Behauptung der Regierung von
Tamil Nadu, sie werde im öffentlichen Interesse durch zwangsweise und
betrügerisch zustande gekommene Bekehrungen dazu gezwungen, muss man
sich fragen, ob ein solches Gesetz überhaupt Abhilfe schaffen kann.
Die Antwort muss heißen: Nein! Zum einen wird deutlich, dass es kaum hiebund stichfeste Nachweise darüber geben kann, ob eine Bekehrung legitim oder
illegitim ist, zum anderen taugen die schwammigen Begriffe „Verlockung“
oder „Verführung“ überhaupt nicht, um hier Klarheit zu schaffen.
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Die Anti-Bekehrungsgesetzgebung in Orissa und Madhya Pradesh ist schon
über dreißig Jahre in Kraft, doch hat es seither kaum handfeste Beweise
gegeben dafür, dass eine Bekehrung auf Grund von Gewalt und Verlockung
überhaupt stattgefunden hat. Das wird auch in Tamil Nadu nicht anders sein.
Deshalb zum Schluss die Frage: Weshalb hat man eine ineffektive Verordnung
gegen die religiösen Minderheiten überhaupt erlassen? Die Antwort kann nur
Frau Jayalalithaa geben.
10.10.02
Minority leaders plan stir against ordinance (Führer der Minderheiten planen
Aktionen gegen die Verordnung)
Dabei taten sich Vertreter der Kirche von Südindien und nationale indische
Gruppierungen zusammen samt Führern der benachteiligten Dalit-Gruppen.
Von Seiten der Dalits wurde festgestellt, die Verordnung sei eindeutig gegen
sie als Unberührbare gerichtet.
Dagegen behaupteten Vertreter der BJP (Bharatiya Janata Partei) die
Verordnung sei vor allem auf Ausländer gemünzt, die mit ihren finanziellen
Zuwendungen die indische Gesellschaft durcheinander bringen.
11.10.02
Minorities plan crusade (Minderheiten planen Aktionen)
Vertreter der Christen, der Muslime und der Dalits haben in Madurai
gemeinsam gegen die Antibekehrungs-Verordnung protestiert. Der Regierung
wurde vorgeworfen, sie habe die Wahlen über das säkulare Ticket gewonnen
und heize nun das Klima gegen die Minderheiten an. Für den 19. Oktober
werde in Tamil Nadu ein öffentliches Fasten in allen Bezirksstädten organisiert
und als Zeichen des Protestes würden am 24.10.02 alle Institutionen der
angegriffenen Minderheiten geschlossen bleiben (z.B. kirchliche Schulen).
Die Bischöfe äußerten ihre Sorge darüber, die Verordnung könne durch die
Polizei missbraucht werden. Man warf der Ministerpräsidentin vor, sie wolle
sich bei den Hindutva-Kräften anbiedern.
Man machte auch geltend, die Prozentzahl der Christen in Indien sei von 2,6%
im Jahre 1991 auf 2,1% im Jahr 2001 zurückgegangen. Hätten
Massenbekehrungen stattgefunden, müsste der Trend umgekehrt verlaufen
sein. Wenn jemand die Dalits durch Verlockung zu gewinnen suche, dann sei
es die Regierung, die ihnen materielle Vorteile gewähre, die sie jedoch bei
einem Religionswechsel sofort verlieren.
11.10.02
Conversion ban targets Dalits too (Bekehrungsverbot trifft auch die Dalits)
Die Regierung war betroffen, als Dalits, die Christen oder Muslime wurden,
darauf hinwiesen, dass sie ihren Status der Minderwertigkeit in der HinduGesellschaft nie losgeworden seien. Massenbekehrungen der Dalits zum
Christentum oder Islam enthalten deshalb auch immer eine politische
Botschaft. Aus kirchlichen Kreisen verlautete, der Begriff „Verlockung“ sei so
schillernd, dass nach der neuen Verordnung sich auch Mutter Teresa schuldig
gemacht hätte, falls sie denn noch lebte. Wenn sogar die Androhung göttlichen
Missfallens (threat of divine mispleasure) bei der Antibekehrungsverordnung als
strafbar angeführt wurde, sei dies vollends ein Unding. „Verlockung“ hat eine
soziale Komponente, aber die Androhung göttlichen Missfallens kann ja
schließlich nur durch die göttliche Macht selbst erfolgen und hat in der
Gesetzgebung nichts zu suchen! In Tamil Nadu hat man häufig Dalits
abgehalten davon, Christen zu werden, weil sie sofort materielle Vorteile wie
Beamtenstellung, Arbeitsplatzreservierung usw. verlieren würden. Im Hinblick
auf Bekehrungen zum Buddhismus gibt es von Seiten der Hindu7
Fundamentalisten und der Regierung keine Strafmaßnahmen. Nur durch eine
Abkehr vom Hinduismus zu Gunsten des Islam oder des Christentums zieht
man sich den Zorn der Fundamentalisten zu.
11.10.02
Opposition: Verordnung ist pseudosäkular
Es wird darauf hingewiesen, dass die Verordnung auf die Kommission des
Richters Venugopal zurückgehe, der soziale Unruhen im Kanyakumari Bezirk
zu untersuchen hatte und dessen Empfehlungen die Ministerpräsidentin mit der
Antibekehrungsgesetzgebung umgesetzt habe. Richter Venugopal habe sich
ausdrücklich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1977 berufen,
das klar das Bekennen einer Religion erlaube, aber nicht die Bekehrung. Die
Kongress-Partei als Opposition verhalte sich doppelzüngig, wenn sie jetzt die
Verordnung angreife. Als 1967 Orissa ein Antibekehrungsgesetz erließ, sei die
Kongress-Partei an der Regierung gewesen.
Falls die Institutionen der Minderheiten am 24. Oktober als Zeichen des
Protestes geschlossen würden, sei es an der Zeit, sie zu enteignen und sie
anderen Betreibern zu übergeben.
11.10.02
Countrywide protest on Oct. 19 (Landesweiter Protest am 19. Oktober)
Was die Christen besonders aufbringt, ist, dass die Verordnung die Quittung
für den großen sozialen Einsatz der Kirchen zum Besten der Armen und
Unterdrückten darstellt. Die Christen bestätigen weiterhin, dass erzwungene
Bekehrungen ganz und gar nicht im Sinne des christlichen Glaubens seien. Sie
machen geltend, dass wenn materielle Verlockung eine Rolle spielten, würden
die jeweils so Bekehrten sehr schnell jemand anders nachlaufen, der ihnen
noch größere materielle Vorteile verspreche.
12.10.02
Delhi Archbishop questions T.N. ordinance on conversion
Erzbischof Vinzent Concessao von Neu Delhi verwies auf das 2. Vatikanische
Konzil, das ausdrücklich Bekehrungen durch Zwang oder Verlockung
verurteilt hat. Die Verordnung wirkt zunächst harmlos. Es kommt aber darauf
an, was man damit bewirken will. Es wird darauf verwiesen, dass Jayalalithaa
in vielen Tempeln (150) Tamil Nadus kostenlose Armenspeisung angeordnet
hat. Weshalb ist dies keine „Verlockung“ während christliche soziale
Aktivitäten diesem Verdikt unterliegen?
12.10.02
‚Bid to prevent bringing religion to marketplace“ Religion kein Marktartikel
Ministerpräsidentin Jayalalithaa rechtfertigt die Verordnung :
Durch das Bekehrungsgeschäft werde Religion zu einem Marktartikel
herabgewürdigt, und das wolle sie vereiteln im Interesse von Religion. Sie
machte weiter geltend, das Gesetz sei nicht gegen die Minderheiten gerichtet,
sondern betreffe die großen Religionsgemeinschaften in Indien ebenso. Der
Staat müsse über religiöse Entwicklungen in Kenntnis gesetzt werden. Deshalb
seien die Distriktbehören über Bekehrungen zu informieren. Auch die
Opposition bekam ihre Kritik. Es habe seit 1967 einige Kongress-Regierungen
in Orissa und Madhya Pradesh gegeben. Da hätte man doch Gelegenheit genug
gehabt, die Anti-Bekehrungsgesetze außer Kraft zu setzen. Die ganze Kritik an
der Anti-Bekehrungs-Verordnung solle lediglich dazu dienen, ihre Partei, die
AIADMK, in die fundamentalistische Ecke zu stellen.
12.10.02
Bishops fear misuse (Bischöfe fürchten Missbrauch)
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Die Bischofskonferenz von Tamil Nadu hat in Chennai (Madras) die
Verordnung als verfassungswidrig erklärt und ihre Rücknahme gefordert. Der
Nationale Christenrat von Indien erklärte, die Verordnung sei aus politischstrategischen Gründen erfolgt. Dahinter stünden fundamentalistische HindutvaKräfte
13.10.02
The T.N. ordinance and Article 25 by Valson Thampu (News Analysis)
(Valson Thampu ist Pfarrer und Mitglied einer Menschenrechtskommission
und Friedensaktivist).
Die Ministerpräsidentin, Jayalalithaa, tut ihr bestes, um die HindutvaBewegung zu fördern. Was immer sie tut, sie tut es mit Stil. Das hat sie auch
mit der Anti-Bekehrungs-Verordnung bewiesen. Was sind die Gedanken, die
eigentlich dahinter stecken?
Die Sprecher der Hindu-Fundamentalisten machen aus jeder Bekehrung eine
Karikatur und unterstellen Christen und Muslimen, sie wollten den Hinduismus
aus seinem angestammten Heimatland ausrotten. Angesichts der statistischen
Zahlen, die eine deutliche Abnahme der Prozentzahl von Christen nachweisen,
ist eine solche Behauptung absurd.
Wie solide ist die Unterstellung begründet, dass Bekehrungen durch „Gewalt,
Betrug oder Verführung“ hervorgerufen werden? Dieser Fragestellung wandte
sich der Richter Wadhwa zu, als er die Ergebnisse seiner Untersuchung der
Ermordung von Graham Staines und der beiden Söhne Philip und Timothy im
Januar 1999 bekannt gab. Er konnte jedoch keine Nachweise dafür finden. Die
Antibekehrungsgesetzgebung begann in Orissa 1967 und wurde ein Jahr später
in Madhya Pradesh eingeführt. In dem Bericht wird festgehalten, dass es in
Orissa seit 1994 ganze zehn Fälle gab, bei denen im Hinblick auf Bekehrung
geklagt wurde. Keine der zehn Anzeigen hat zu einer Verurteilung geführt.
Nach meinem besten Wissen und Gewissen konnte kein einziger Fall von
erzwungener „gekaufter“ Bekehrung nachgewiesen werden.
Was Jayalalithaa nicht weiß, ist, dass Bekehrung für ein Menschenwesen nur
die letzte Zuflucht sein kann. Es ist doch äußerst problematisch für einen
Menschen, wenn er die Zuneigung seiner Freunde, Familie und
Verwandtschaft durch eine Bekehrung verliert und in eine ganz andere
spirituelle Erde verpflanzt wird. Warum nehmen das Menschen auf sich?
Tatsache ist, dass die Dalits und die Unterprivilegierten (Scheduled Castes and
Tribes) in einem unvorstellbaren Zustand der Erniedrigung gehalten werden,
dass sie praktisch gezwungen sind, nach Freiheit und Würde außerhalb ihrer
eigenen angestammten Religion zu suchen. Wenn „Gewalt“ bei Bekehrungen
eine Rolle spielt, dann ist es diese unterdrückende Gewalt. Denn ein Dalit
gewinnt überhaupt keine materiellen Vorteile durch eine Bekehrung zum
Christentum. Im Gegenteil. Er verliert bestimmte Privilegien, die Kastenlosen
gewährt werden. Diese Privilegien ändern jedoch nichts an der
Diskriminierung der Betroffenen in der Hindu-Gesellschaft. Eine Bekehrung
bringt selten für Dalits eine unmittelbare wirtschaftliche Erleichterung. Die
Wadhwa- Kommission hat herausgefunden, dass die Verbesserung für die
Dalits nach einer Bekehrung zum christlichen Glauben in Orissa einfach darin
besteht, dass sie in der neuen Glaubensgemeinschaft ihre Würde zurück
erhalten und man ihnen hilft, durch einen neuen Lebensstil und neue religiöse
Praktiken einen Zugewinn an Lebensqualität zu erfahren. So hebt der Bericht
hervor, dass Dalits, wenn sie Christen werden, das Trinken von Alkohol und
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rituelle Opfer aufgeben. Das Geld, das dadurch eingespart werde, führe zu
einer Verbesserung des Lebensstandards.
Verordnungen wie die von Frau Jayalalithaa erhöhen nur die kommunale
Fieberkurve im Land und sorgen für Brennstoff zum Anheizen von Intoleranz.
Es ist aufschlussreich, dass der Wadhwa- Kommissionsbericht eine
Verbindung herstellt zwischen dem Antibekehrungsgesetz in Orissa von 1967
und der Ermordung von Graham Staines. Natürlich gab es auch schon vor
diesem Gesetz Kritik an Bekehrungen. Nachdem aber aus dem Unbehagen
über Bekehrungen ein Gesetz gemacht wurde, erhielt es erst eigentlich seine
gefährliche Struktur von scheinbarer Objektivität und Legitimität. So werden
also jene, die ganz auf dem Boden des Grundgesetzes stehend, ihren Glauben
praktizieren und verkündigen, auf Grund der Gesetzgebung zu antisozialen und
antinationalen Elementen erklärt.
In Artikel 25 Grundgesetz zur Religionsfreiheit wurde ausdrücklich die
„Erklärung 1“ eingearbeitet, die besagt: „Das Tragen eines kirpan (Dolch) soll
als Ausdruck des Bekenntnisses der Sikh-Religion betrachtet werden.“ Das
freie Bekenntnis eines Glaubens schließt also in der indischen Verfassung ein,
dass das grundlegend Bestimmende einer Religion und das Einzigartige ihrer
Ausdrucksweise ihren anerkannten Platz findet.
Und nun gilt für den Christen, dass die Verkündigung seines Glaubens ebenso
Bestandteil seiner Religion ist wie für den Sikh das Tragen des kirpan.
Wollte man den Christen zugestehen, sie dürften ihren Glauben praktizieren
ohne ihn zu verkündigen, dann würde gerade dieses die Glaubensfreiheit, zu
der Verkündigung gehört, beschneiden. Und sie müssten sich dann von Hindus
diktieren lassen, was sie als Christen über ihren Glauben äußern dürfen und
was nicht. Weil der Hinduismus keine verkündigende Religion ist, sollen, nach
Meinung der Hindu-Fundamentalisten Christen auch nicht ihren Glauben
verkündigen dürfen. Wenn sie es trotzdem tun, verletzen sie die Freiheit der
Hindus, die dieses Element nicht kennen. Darum geht es, und deshalb wird
durch die Antibekehrungsgesetzgebung der Artikel 25 Grundgesetz zur Farce.
17.10.02
‚Ordinance exposes insecurity‘
Auch die Muslime kämpfen gegen die Verordnung. Die Partei der Muslim Liga
erhebt Protest. Die Hindu-Organisationen heizen die Stimmung an, indem sie
die geplante Schließung der Minderheitsinstitute am 24. Oktober als antisoziale
„Kommunalisierung des Erziehungswesens“ bezeichnen.
18.10.02
The ordinance on conversion Leader Page Articles (Bekehrungsverordnung)
by Rajeev Dhavan
Er nennt die Verordnung ein Hindu- Fatwa, weil hier religiöses
Wohlverhalten durch Strafandrohung erzwungen werden soll.
Die Bekehrungs-Verordnung soll die soziale und politische Machtstellung der
Ministerpräsidentin im Lande stärken und droht den Muslimen und Christen
Sanktionen an, wenn sie mehr tun als nur heimlich still und leise in Moscheen
oder Kirchen ihr Gebet zu verrichten. Jayalalithaa erhofft sich von ihrer
Verordnung, dass sie als Retterin eines verunsicherten Hinduismus erscheinen
wird, der, neu gestärkt, seine Macht bei jeder einzelnen Bekehrung zeigt.
Es hat einige Grausamkeiten von Hindus gegen Dalits gegeben. So wurden am
21. Mai 2002 im Dorf Thinniam im Tiruchi Distrikt zwei Dalits, Murugesam
und Ramaswamy, mit glühenden Eisen gebrandmarkt und gezwungen,
menschliche Exkremente zu essen. Unglückseligerweise erregen solche
10
Vorkommnisse weniger Aufmerksamkeit als wenn ein so misshandelter Dalit
Christ wird. Der Grund einer Bekehrung wird verdrängt. Kriminalisiert wird
die Folge, nicht die Ursache! Hinter der ganzen Geschichte steckt natürlich
auch Wahltaktik. Jayalalithaa hat freie Mahlzeiten in 150 Tempeln angekündigt
samt einer spirituellen Betreuung.
Das Argument, die Verordnung sei notwendig, um die öffentliche Ordnung
sicher zu stellen, ist heuchlerisch. Denn es sind ja gerade die ideologischen und
politischen Kräfte, die das inszenieren an öffentlicher Unordnung, was sie zu
verhindern vorgeben. So gesehen tragen alle Konvertiten künftig die
Dornenkrone einer polizeilichen Untersuchung und Verfolgung.
Bei den Strafen hat man das Auspeitschen nicht vorgesehen. Aber es ist
bekannt, dass genau dies bei Polizeiverhören und in Gefängnissen stattfindet.
19.10.02
19.10.02
Jayalalithaa justifies conversion ordinance (Jayalalithaa rechtfertig sich)
Die Ministerpräsidentin sagte in einem Gespräch mit Reportern, die AntiBekehrungsverordnung liege im Interesse des Staates. Man habe Menschen
durch betrügerische Machenschaften zum Glaubenswechsel animiert. Dabei
seien Bestechungsgelder von zwischen Rs. 2000 und Rs. 5000 geboten worden.
(Etwa 40 bis 100 Euro) So habe man die Armut und Unwissenheit der Menschen
ausgenützt.
‚Anti-conversion ordinance militates against Ghandian spirit‘
(Die Antibekehrungsverordnung verstößt gegen den Geist Gandhis).
Die Vorsitzende der Gandhi Peace Foundation äußerte sich zur Frage der
Bekehrungsgesetzgebung und sagte, Gandhi sei strikt gegen den Versuch
gewesen, durch bestimmte Methoden und Verlockung eine Bekehrung zu
erzielen. (Gandhi erwähnte einmal, er habe einen Missionsbericht gelesen, in dem dargestellt
wurde, mit wie viel Geld man wie viele Bekehrungen erzielen könne. Und der Bericht forderte
dann bei der zuständigen Missionsgesellschaft eine entsprechende Geldsumme für das
kommende Haushaltsjahr an, um damit so und so viele Bekehrungen zu erzielen. Doch hielt
Gandhi daran fest, dass jede Einzelperson oder Gruppe das angeborene Recht haben müsse, die
eigene Religion anderen gegenüber zu bezeugen und ebenso, dass jeder einzelne oder jede
Gruppe das Recht haben müsse, auf Grund eines solchen Zeugnisses einen anderen Glauben zu
wählen. d.Vf.). Gandhi meinte, zum Schutz vor Missbrauch im Falle von
Bekehrungen genüge die normale Gesetzgebung.
20.10.02
No symbolic protest this: forum
Am 19. Oktober fand der Protesttag gegen die Antibekehrungs-Verordnung in
Chennai, Madurai und anderen Städten statt. Dabei waren Muslime, Christen
und Dalits mit führenden Persönlichkeiten vertreten, ebenso Vertreter der
Kongress-Partei. Dabei wurde auch auf Artikel 18 der Universal Declaration of
Human Rights hingewiesen. Diese sei von Indien unterschrieben worden und
beinhalte auch das Recht jeder Person, ihre Religion zu ändern.
20.10.02
Stifling dissent (News Analysis - Bedrückende Ablehnung)
Es wird darauf hingewiesen, dass es trotz ihrer Konventserziehung keine
Überraschung darstelle, wenn die Hindutva- Freundin Jayalalithaa eine solche
Verordnung erlassen habe.
Die Hindutva-Kräfte waren verärgert als im vergangenen Monat 59 DalitFamilien drohten, zum Islam überzutreten. Und kurz zuvor waren 250
Personen in Madurai getauft worden. Offensichtlich werden über zehn
11
Millionen Dalits in Tamil Nadu von Kastenhindus unterdrückt. Dazu kommen
noch als Potential der Unzufriedenen die vielen Hindus (ein Sechstel der 89%
Hindus), die unter der Armutsgrenze leben.
Tamil Nadu kennt eine Horrorgeschichte der Unterdrückung von Dalits. 191
Dörfer gelten inzwischen als gewalttätig gegen ihre Dalit- Mitbürger/innen. Im
Jahr 2002 stehen vor Gericht 2084 Fälle von Menschenrechtsverletzungen
Dalits gegenüber an. In verschiedenen Gegenden von Tamil Nadu bekommen
Dalits in Tea- shops ihren Tee nicht im Glas serviert, sondern in
Kokosnussschalen, die man hinterher wegwirft. Weiter dürfen Dalits an vielen
Orten die Tempel von Kastenhindus nicht betreten oder Wasser holen aus
Dorfbrunnen. Sie dürfen auch oft bei Beerdigungen nicht trommeln, wie es
sonst üblich ist. Das Opfer, das menschliche Exkremente essen musste, erlitt
dies von seinem Arbeitsgeber, der es als unverschämt empfand, dass er den
Dalit für seine Arbeit bezahlen sollte. An einem anderen Ort wurde einem Dalit
gewaltsam Urin eingeflößt. Im Kancheepuram Distrikt dürfen nicht einmal die
Götterfiguren der Kastenhindus die Götter der Dalits sehen. Deshalb werden
ihnen bei Prozessionen durchs Dorf schwarze Tücher umgehängt. Es ist nicht
verwunderlich, dass es in Süd- Tamil Nadu zu Bekehrungen als Zeichen des
Protests kam. So war es für den ganzen indischen Staat eine Sensation, als im
März 1981 in Meenakshipuram, im Tirunelveli Bezirk, die gesamte DalitEinwohnerschaft islamisch wurde als Zeichen des Protests. Damals besuchten
führende Politiker, wie der jetzige Prime Minister Vajpayee das Dorf, um die
Dalits zur Sinnesänderung zu bewegen, aber sie ließen sich nicht umstimmen.
Vom unterdrückerischen Hinduismus wollten diese Dalits nichts mehr wissen.
Einen Monat später wurde aus dem Dalit- Dorf Ramanathapuram der Ort
Mohammadiapuram.
In den achtziger Jahren kam es im Zusammenhang mit solchen Bekehrungen
zu kommunalen Aufständen in Mandaikadu und Melmanalgudi, bei denen
sechs Personen durch Schusswaffengebrauch der Polizei starben. Und so hat
die Justice Venugopal- Commission in ihrem Bericht von 1986 empfohlen,
Bekehrungen durch betrügerische Machenschaften („by fraudulent and foul means“)
zu verbieten. Aber die Kommission warnte damals gleichzeitig auch vor den
Machenschaften der „RSS- Philosophie, Ideologie und Methodologie“ und
forderte, dass ihre militärischen Übungen und Paraden eingestellt werden
sollen, weil sie ein Gefühl der Furcht und Unsicherheit bei den Minderheiten
auslösten. Damals hat die AIADMK- Regierung unter M.G. Ramachandran
diese Empfehlungen akzeptiert, bis dann, 16 Jahre später, die heutige
Landesregierung unter Jayalalithaa nur die eine Empfehlung der Kommission
durch ihre Verordnung umsetzte, die andere jedoch ignorierte.
Dabei stellt sich jetzt den Dalits eine neue Frage: „Wenn mir mein HinduGlaube nicht erlaubt, im Hindu-Tempel zu beten, welches Recht hat dann eine
Regierung uns zu zwingen, Hindus zu bleiben?“ Zuerst sollte die Regierung die
Ausbeutung von Dalits verhindern, dann erst hat sie ein Recht, über
Bekehrungen nachzudenken.
20.10.02
When their gods failed them (News Analysis – Als die Götter sie im Stich ließen)
Was geschieht, wenn Leute feststellen, dass ihre Götter nichts auf ihre Notrufe
geben und Religion zum Bestandteil eines unterdrückerischen Systems wird?
In den vergangenen vierzig Jahren haben beinahe zwei Millionen schwarze
Amerikaner ihren christlichen Glauben verworfen und sich dem Islam
zugewandt. Es gab damals keinen Jihad und keine erzwungene Bekehrung
12
unter Androhung von Gewalt. Die Bekehrung zum Islam wurde nicht durch
„Missionare“ bewirkt, sondern schlichtweg hervorgerufen durch das, was
Menschen in der amerikanischen Gesellschaft als ungerecht empfunden haben.
Diese Schwarzen waren überzeugt, dass sie nur durch einen solchen Schritt
eine neue Identität finden konnten. Der weiße, blondhaarige und blauäugige
Jesus war nicht der Erlöser für sie.
Die Hindus der oberen Kasten haben niemals ihre Kastenzugehörigkeit und
ihre Religion als zu unterscheidende Größen gesehen. Warum sollten sie auch,
wenn ihre Religion sie praktisch automatisch auf die oberste Sprosse der
sozialen Leiter stellte und die anderen weit drunten bleiben mussten? Tragisch
wurde die Sache dann für solche, die aus sozialen Gründen Zuflucht bei einer
anderen Religion suchten. Oft genug blieben sie auch nach einem
Religionswechsel drunten.
Auch der Schwarzamerikaner, der seine Religion wechselt, kann dadurch seine
soziale Vorfindlichkeit nicht ändern. Aber eines gelingt sicher: Die Bekehrung
wirkt als Zeichen der Rebellion gegen soziale Ungerechtigkeit.
In Indien hat B.R. Ambedkar schon vor der Unabhängigkeit den Hinduismus
verworfen und ist zum Buddhismus übergetreten. Heute ist diese Bewegung
noch stark in Maharashtra, wo es eine politisch hellwache buddhistische
Gruppe ehemaliger Kastenloser gibt.
Die Anführer der erfolgreichsten politischen Partei der Dalits, Mayawati und
Kanshi Ram von der Bahujan Samaj Partei, sind zwar nicht zum Buddhismus
übergetreten, aber sie führen einen politischen Kampf gegen das Kastensystem
und finden dabei ihre Inspiration beim Buddha und Ambedkar.
Zu Artikel 25 der Verfassung ist zu sagen, dass den einzelnen Bundesstaaten
das Recht eingeräumt wurde, die Rahmenbedingungen zu definieren, innerhalb
derer die Religionsfreiheit praktiziert werden konnte. Denn die religiösen
Praktiken sind in einzelnen Bundesländern unterschiedlich, und deshalb
rechnete man auch mit Unterschieden in der Frage, welche Gepflogenheiten als
der öffentlichen Ordnung und Moral gemäß gelten sollten und welche nicht.
Obwohl Indien drei Jahrhunderte lang unter der muslimischen MughalHerrschaft und später unter der britischen christlichen Kolonialregierung stand,
haben Hindus ihre Religion in diesen Zeiten nicht in Gefahr gesehen.
Die jetzige Hysterie ist mit auch dadurch auf die politische Bühne gebracht
worden, dass man mit Slogans arbeitete wie diesem: „Die Hindureligion ist in
Gefahr“ (Hindu Dharma in danger!) Da die ideologische Grundrichtung der BJP
und des Sangh vom Hindutva- Gedanken beherrscht ist, wurde ihre Ideologie
minderheitenfeindlich. Jeder Bekehrte wurde damit zum Verlust einer
politischen Stimme für die eigene Richtung. Auf diese Weise kam es dazu,
dass man Bekehrungen nutzte, um die öffentliche Stimmung anzuheizen.
Der üble Beigeschmack für die Dalits bleibt. Dass nämlich das ganze Theater
inszeniert wurde, um sie weiter ungestraft drunten halten zu können. Und der
Sangh Parivar triumphiert (rechtsgerichtetes Sammelbecken). Hat er sich nicht schon
immer als Retter des Hindu Dharma (Religion) erwiesen? Was für ein Dharma
wurde gerettet, als man fünf Dalits in Haryana lynchte, weil sie eine bereits
verendete Kuh häuteten? Wie kann es sein, dass eine Kuh mehr wert ist als
fünf Menschenleben?
Wenn religiöse Gewohnheiten ein Viertel der Bevölkerung Jahrhunderte lang
von fast allen religiösen Aktivitäten und Riten ausgeschlossen haben, wenn
man diese Leute nur für Jobs zugelassen hat, die als unrein und schmutzig
galten, wenn man sie ihrer Menschenwürde beraubt hat, ihnen das Betreten von
13
Tempeln verbot, sie zum Wohnen in Gettos zwang, wenn man ihnen Wasser
aus dem Brunnen verweigerte, warum erhebt man dann jetzt das Geschrei
wegen Bekehrungen?
21.10.02
Conversion ordinance bold, timely: Hindu leaders (Bekehrungsverordnung ist
kühn und an der Zeit)
In einer Anti-Bekehrungs- und Erweckungsveranstaltung für den Hinduismus
in Madurai hat die Hindu- Awareness- Bewegung Ministerpräsidentin
Jayalalithaa mit der Bekehrungs-Verordnung ihre volle Unterstützung
ausgesprochen. Man werde alle Bedrohungen des Hinduismus vom Ausland
her zurückschlagen und sich darum bemühen, dass auch in den anderen
indischen Bundesländern eine Anti-Bekehrungsgesetzgebung eingeführt werde.
(Die Minderheitenreligionen werden als ausländische Implantate abgewertet).
Der internationale Generalsekretär der VHP, Praveen Togadia, sagte,
Bekehrung sei ein Verbrechen gegen die Gesellschaft, da sie eine
Entnationalisierung Indiens mit sich bringe. Der Gründer des Hindu- Munnani
Rama Gopalan forderte, jeder Hindu in führender Position müsse jetzt einen
Taluk (kleineren Bezirk) adoptieren mit dem Ziel, bekehrungsfreie Zonen zu
schaffen (conversion-free zones). Unter den Teilnehmern der Veranstaltung
waren ein Bundesminister, ein Mitglied der Lok Sabha (Bundestag) und ein
Landtagsabgeordneter.
24.10.02
Minorities and the T.N. Ordinance News Analysis Minderheiten und die Verordnung
by Valson Thampu
Der Artikel ruft die Christen auf, sie sollten bei ihrem Kampf gegen die
Verordnung bedenken, dass die Art und Weise des Widerstands aus geistlichen
Quellen gespeist sein müsse. Man dürfe nicht Anfeindungen auf demselben
Niveau beantworten.
Die Verordnung enthält eine Falle. Sie besagt lediglich, Bekehrungen dürften
nicht durch Zwang, Betrug oder Verlockung bewirkt werden. Können wir
Christen etwas dagegen sagen? Hat Jesus etwa Menschen durch Betrug, Zwang
oder Verlockung gewonnen? Trotzdem ist Tatsache, dass etwas total falsch ist
an dieser Verordnung. Hier geht es um einen tödlichen Angriff auf
Gewissensfreiheit und auf die freie Glaubenswahl aller Bürger, vor allem der
Dalits. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Fall Stanislaus gegen den
Staat Madhya Pradesh unterscheidet ja zwischen dem Recht zu bekehren und
dem Recht zu verkündigen. Das Recht zu bekehren wird denen abgesprochen,
die das Recht der Verkündigung wahrnehmen. Das Recht der Bekehrung ist
jedoch Grundlage der Gewissensfreiheit und der Verkündigung. Sie steht all
denen offen, die eine neue Wahrheit erkennen und die innerlich überzeugt sind,
dass sie diese Wahrheit für sich als Ausdruck ihres Lebens wollen.
In erster Linie sind durch die Verordnung nicht Christen oder Muslime
betroffen. Die wirklichen Opfer sind die sozial Unterdrückten und
Benachteiligten in unserer Gesellschaft. Die Verordnung muss also um dieser
Menschen willen kritisiert werden.
Dabei aber haben auch Christen ein Fehlverhalten einzugestehen. Wie ist es
denn den Dalits, die Christen geworden sind, in der neuen Gemeinschaft
ergangen? Wir haben eine sehr eigenartige neue Identität für sie geschaffen,
indem wir sie Christliche Dalits nennen. Wir haben dabei total außeracht
gelassen, was das für die ehemaligen Dalits bedeuten muss, wenn sie sich unter
dem neuen Glauben wiederum als Dalits vorfinden.
14
Es ist leichter auf die Straße zu gehen und gegen die Verordnung zu
protestieren als an sich selbst kritische Fragen zu stellen. Wie können wir vom
Staat verlangen, dass er allen Bürgern Freiheit von Diskriminierung gewährt,
wenn wir das im kirchlichen Raum nicht fertig bringen? Die Muslime haben
noch weniger Grund, gegen die Verordnung zu protestieren. Solange Apostasie
in islamischen Ländern mit der Todesstrafe bedroht wird, kann man nicht
wahrhaftig sein beim Wehklagen über die Härte der Anti-BekehrungsVerordnung.
Die Zeit ist für Christen gekommen, einen nationalen Dialog zu initiieren über
die Merkmale von Religion im Rahmen einer demokratischen und multireligiösen Gesellschaft. Gibt es dabei spirituelle Grundlagen zu entdecken für
ein praktikables Miteinander? Wenn Christen in ihrem Protest nur an sich
selber denken, unterminieren sie die Grundlagen ihres eigenen Glaubens.
25.10.03
Statewide fast, prayer against ‚black law‘ (Landesweites Fasten und Gebet gegen
das ‚schwarze Gesetz‘
Dabei blieben ungefähr 6000 Erziehungseinrichtungen der Minderheiten
geschlossen. Die St. Andrew’s Kirche in Chennai (Madras) war am 24.10. das
Zentrum vieler Aktivitäten. Es wurde gebetet, gefastet und gesungen.
Dazwischen konnte man Ansprachen religiöser Führer hören. Tausende von
Männern, Frauen und Kindern, dazu auch Schüler und Studenten füllten die
Kirche und den Vorplatz.
26.10.02
Freezing identities Leader Page Articles - Eingefrorene Identitäten
by M.S. Pandian, Visiting Professor in Human Sciences, George Washington University,
Washington D.C.
Als Ministerpräsidentin Jayalalithaa unlängst davon sprach, dass Bekehrungen
oft durch ausländische Geldquellen gesponsert würden, um die indischen
Sozialstrukturen zu destabilisieren, hat sie wohl die Organisation Vishwa
Hindu Parishad of America Inc. vergessen zu erwähnen, aus deren Quellen
einige „ausländische Gelder in die Kassen der Fundamentalisten in Indien
fließen.“ Nach Jayalalithaa stellt schon ein so kleiner Betrag wie Rs. 2000,(etwa 40 EURO) eine ernsthafte Versuchung zum Glaubenswechsel dar. Damit
wird der Hinduismus in Indien als schwächliche Religion blamiert, die nicht
ohne Krücken aus dem Ausland überleben kann. Demgegenüber müssten doch
die täglichen Freimahlzeiten in 150 Tempeln von Tamil Nadu wankelmütige
Hindus bei der Stange halten. Durch die Verordnung werden religiöse
Identitäten eingefroren, und damit schadet sich der Hinduismus selber, weil
Lernfähigkeit und Entwicklungsfähigkeit damit eingefroren werden. Es tut aber
auch den Christen und Muslimen nicht gut, wenn sie sich jetzt einigeln statt
offen zu überlegen, was ihre notwendigen Reformaufgaben innerhalb der
eigenen Gruppe sind im Hinblick auf Gleichbehandlung derer, die zu ihnen
gehören.
27.10.02
The issue of conversion News Analysis
by Arvind P. Datar Der Verfasser ist senior advocate am High Court von Madras.
Er wiederholt die bereits genannten historischen Entwicklungen im Hinblick auf eine AntiBekehrungsgesetzgebung in Indien, fügt aber folgende Einzelheiten hinzu:
Das Oberlandesgericht von Orissa entschied 1967: Das Recht, für eine
Religion zu werben, d.h. sie zu verkündigen, schließt Bekehrung mit ein, weil
sie Teil der christlichen Religion selbst ist. Bekehrung darf nicht auf Grund
15
von Gewalt und Betrug stattfinden. Darin hat das Antibekehrungsgesetz recht.
Dies entspricht auch dem Kern der christlichen Religion selber, die beides
ausschließt. Das Bekehrungsverbot im Hinblick auf „Verlockung“ oder
„Verführung“ ist unstatthaft, weil die Begriffe zu schwammig sind. Darunter
könnte man jede Bekehrungsaktivität rechnen.
Den Gründungsvätern der indischen Verfassung war klar, dass jede Bekehrung
freiwillig erfolgen müsse. Die ganze Schwierigkeit kam auf, weil man das
Recht auf Verkündigung des eigenen Glaubens mit einer ungehemmten und
unkontrollierten Massenausbreitung des eigenen Glaubens verwechselt hat. Der
erste Abänderungsantrag der U.S.- Verfassung verbot es dem Congress, irgend
ein Gesetz im Hinblick auf Religion zu erlassen. Der oberste Gerichtshof der
Vereinigten Staaten hat alles strikt abgewehrt, was als Versuch ausgelegt
werden konnte, Religion in ein bestimmtes Schema zu pressen.
James Madison erklärte, dass Religion als Pflicht des Menschen seinem
Schöpfer gegenüber nur durch die individuelle Antwort und Überzeugung
erfüllt werden könne und nicht durch Zwang oder Gewalt. In einem
modellhaften Gerichtsurteil wurde 1978 festgelegt, dass Gesetze sich nicht in
religiöse Glaubenssichten und Glaubensmeinungen einzumischen hätten, wohl
aber mit religiösen Praktiken zu tun bekommen könnten.
Obwohl die Anti-Bekehrungs-Verordnung legitim ist, gibt es darin zwei
störende Faktoren. Erstens wird eine Verordnung in der Regel nur in einer so
dringenden Notsituation erlassen, dass sie nicht auf die nächste
parlamentarische Sitzungsperiode warten kann. Es ist deshalb schlechterdings
unverständlich, weshalb am 5. Oktober eine Verordnung erlassen werden
musste, wenn doch bekannt war, dass das Parlament sich noch im Oktober zu
seinem normalem Sitzungsturnus treffen würde. Zweitens: Die Verordnung
beruft sich auf Versuche religiöser Fundamentalisten und subversiver Kräfte,
kommunale Zwietracht unter religiösem Gewand zu säen. Die Erklärung zur
Verordnung gibt jedoch keine Fakten an darüber, welche Bekehrungen wann
und wo und mit welchen Zahlen stattgefunden haben sollen. Es gibt außerdem
überhaupt keine Beweise, dass die Bekehrungsgesetze von Orissa 1967 und
von Madhya Pradesh 1968 jemals in irgend einer Weise so etwas wie die
Erläuterung des Begleittextes zur Verordnung Jayalalithaas ans Tageslicht
gefördert haben sollen.
In der gegenwärtigen Kontroverse hat bislang noch kein politischer oder
religiöser Führer irgend etwas nachweisen können, das dem Grundrecht auf
freie Religionsausübung nach der indischen Verfassung im Wege gestanden
haben könnte. Es ist zu bedauern, dass Religion zunehmend zum Zankapfel der
Gesellschaft wird und so Trennungen verursacht. Dabei werden die doch allen
Religionen zugrunde liegenden Werte wie Wahrhaftigkeit und Erbarmen
vollständig ignoriert.
28.10.02
Dalit‘s kin convert
Die Familien der fünf von einem Mob am 16. Oktober gelynchten Dalits, die
eine Kuh gehäutet hatten, sind heute mit hundert weiteren Dalit- Familien zum
Buddhismus übergetreten.
31.10.02
Conversion Bill introduced in T.N. Assembly
Unter heftigen Einwänden der Oppositionsparteien wurde die kontrovers
diskutierte Verordnung gegen Bekehrungen als Gesetzesvorlage im
16
Landesparlament von Chennai eingebracht. Der Parlamentssprecher vertagte
die Diskussion über die Verordnung auf den folgenden Tag.
01.11.02
Anti-Conversion Bill passed in T.N.
Am 31. Oktober wurde aus der Anti-Bekehrungsverordnung ein
Antibekehrungsgesetz und zwar mit den Stimmen der AIADMK und der BJP
gegen die Stimmen der Oppositionsparteien. Die Opposition unterlag den
Befürwortern mit 73 zu 140 Stimmen. Jayalalithaa sprach sich während der
Debatte gegen eine Bekehrung an sich aus. Sie machte geltend, dass eine
Bekehrung religiöse Spannungen und Unfrieden im sozialen Umfeld erzeuge
und als solche verhindert werden müsse. Zur Frage, weshalb man die
Bekehrung von Dalits und Stammesbewohnern höher bestrafe als andere
Bekehrungen, sagte Jayalalithaa, die Dalits seien eben eine besonders
verwundbare Gruppe.
27.03.03
Die Antibekehrungsgesetzgebung breitet sich aus
House adopts ‚Freedom of Religion Bill‘
Unter chaotischen Szenen wurde das Anti-Bekehrungsgesetz für Gujarat am
26. März 2003 ohne jede Diskussion angenommen.
Auch Gujarat hat jetzt ein Antibekehrungsgesetz
Christen im indischen Bundesstaat Gujarat machen sich Sorgen. Schon 1999 hatte die
Landesregierung versucht, die Christen statistisch zu erfassen und konnte nur durch
Gerichtsbeschluss davon abgehalten werden. Jetzt war die Polizei wieder unterwegs und
klopfte an die Türen von Christen und christlichen Organisationen. Wieder wurden sie befragt
über Bekehrungen, wer wann wie aktiv sei und über die Einkünfte der Christen und Kirchen.
Dabei ging es vor allem um den Verdacht der Auslandsfinanzierung. Die Christen sind auch
deshalb misstrauisch, weil diese Befragung nur sie betrifft. Die Regierungsseite hat
abgewiegelt. Man brauche die Befragung, weil ein Antibekehrungsgesetz anstehe und für die
Debatte müssten die Parlamentarier gerüstet sein. Deshalb benötige man statistisches
Material. Doch das war alles Schönfärberei. Die Wirklichkeit sah anders aus.
Am 26. März 2003 wurde vom Landesparlament die „Freedom of Religion Bill“, auf Deutsch
„Antibekehrungsgesetz“ erlassen. Die Einbringung des Gesetzes und seine Ratifizierung ohne
jede Diskussion war ein besonderes Markenzeichen dieses Vorgangs. Ein früherer
Staatsminister war kurz zuvor unter ungeklärten Verhältnissen ermordet worden. So gab es
dann bei der darauf folgenden Landtagssitzung in Ghandinagar einen Tumult. Die Opposition
zog aus, und damit konnte das Antibekehrungsgesetz ohne jede Diskussion in wenigen
Minuten die parlamentarische Hürde passieren. Insgesamt erlangten so innerhalb von 35
Minuten sieben Gesetzentwürfe mit nur geringfügigen Änderungen Gesetzeskraft.
Dieses die Christen betreffende Gesetz trägt den schönfärberischen Titel: „Gesetz zur Freiheit
von Religion“ und bedeutet nach seiner Definition genau das Gegenteil nämlich: „Jede
Bekehrung soll verhindert werden, die aufgrund von Zwang, Verlockung oder betrügerischen
Machenschaften Menschen zum Glaubenswechsel verleitet“. „Verlockung“ wird in dem
Gesetz definiert als materielle Unterstützung durch Geld- oder Sachwerte, die einer Person
zugesagt oder gewährt werden. Eine gewalttätige Bedrohung wird schon darin gesehen, wenn
ein christlicher Verkündiger von göttlichem Missfallen redet, wenn Menschen sich nicht
ändern und Buße tun. Umgekehrt fällt die Zusage der Vergebung durch Christus einem
Nichtchristen gegenüber unter den Straftatbestand der Verlockung.
Editorial von Reinhold Wagner in: Informationsheft des Christlichen Missionsdienstes Nr. 319, März/April
2003, Burk.
17
22.05.03
Christian Council files plea in High Court Ahmedabad/Gujarat
Der nationale Christenrat hat vor dem Oberlandesgericht von Gujarat Klage
erhoben gegen die Klausel des Anti-Bekehrungsgesetzes die vorsieht, dass eine
Bekehrung erst nach erfolgter Beantragung und Genehmigung durch die
Polizeibehörden (Magistrat) zulässig sei.
Mit der Erhebung der Anti- Bekehrungsverordnungen in Tamil Nadu und Gujarat zum Gesetz
wendet sich das Hauptinteresse der Presse anderen Punkten der Hindutva- Agenda zu, wobei
die noch zu erwartenden Ausführungsbestimmungen zu dieser Gesetzgebung von Interesse
sind.
Das Eindringen des Hindutva-Gedankens in das Erziehungswesen
Die Neu-Schreibung der Geschichte des Hinduismus in indischen Schulbüchern geschieht
bereits und ruft heftige Kontroversen hervor. Ein Beispiel dazu: Gandhis Rolle im
Unabhängigkeitskampf gegen die Kolonialmacht England wird herunter gespielt. Der Grund
liegt darin, dass zum einen die Rechts-Fundamentalisten sich bei diesem Kampf gegen die
Engländer herausgehalten haben und zum anderen, dass Gandhi die gleiche Wertschätzung
allen Religionen im Lande entgegenbrachte als ethische Kraft im unabhängigen Indien. So
wurde ja Gandhi von einem Hindu- Fundamentalisten ermordet. Dagegen sehen die HindutvaKräfte den Kampf gegen Indira Gandhis Notstandsregierung vom Juni 1975 bis 1977 als den
eigentlichen Befreiungsschlag gegen die Verfremdung des Hinduismus durch ausländische
Kräfte an. Bezeichnend ist auch eine positive Darstellung der Rolle Adolf Hitlers im Dritten
Reich in jetzt gedruckten Schulbüchern.
Der indische Journalist Kuldip Nayar beschreibt dieses Eindringen der Hindutva-Kräfte in die
Erziehung in seiner Nachrichtenanalyse vom 01.11.02 wie folgt: Vertreter des Sangh Parivar
werden in Institutionen der Regierung oder in von der Regierung unterstützte Institutionen
eingeschleust und sorgen dafür, dass der Gedanke der „nationalen Werte“ im Sinne eines
Hindu-Fundamentalismus effektiv und mit Nachdruck vor allem jungen Menschen
nahegebracht werden.
In Uttar Pradesh haben Hindu-Aktivisten begonnen, an ihre Anhänger Schwerter auszuteilen
und in Bihar gab man Schlagstöcke aus. Dabei ist bemerkenswert, dass diese Waffen nur an
die Jugendlichen unter den Dalits ausgegeben werden. Da die Dalit- Gruppierungen wegen
ihrer sozialen Diskriminierung ein hohes Bedrohungspotential darstellen, will man deren
Aggressionen, besonders unter den Jugendlichen, gegen die Minderheiten lenken und diese
quasi als Blitzableiter benutzen.
16.05.03
Trishuls, lathis and books Leader Page Articles – Dreizack, Schlagstock, Bücher
Es fällt auf, wie in letzter Zeit führende Politiker als Anerkennung für ihren
Auftritt bei einer Veranstaltung nicht mehr mit einem Buch, sondern mit einem
Schwert ausgezeichnet werden. Begründet wird die Ausstattung der HindutvaAnhänger mit Dreizack, Schlagstöcken oder Schwert damit, dass es sich gemäß
der Hindu- Überlieferung um „heilige Waffen“ handele. Aus diesem Grunde
dürfe man Aktivisten an der Verteilung solcher Waffen nicht hindern. Man
kann hier nur warnen. Jede Minderheit, die sich in die Enge getrieben sieht,
kann dem Terrorismus in die Arme getrieben werden (Wohl auf den Islam gemünzt,
d.Vf). Zusätzlich bedrückend ist, dass die Hindu- Aktivisten die Waffen
vorwiegend an Jugendliche der Scheduled Castes and Tribes verteilen. Damit
wird der Nachwuchs aus den Reihen der Kastenlosen geködert. Wegen ihres
schlechteren Bildungsstands und größerer Empfänglichkeit für Hasskampagnen
18
verspricht man sich bei dieser Gruppe ein umso stärkeres Hauen und Stechen,
wenn es denn einmal so weit kommt.
Kein Jugendlicher, der in Indien eine Schule mit englischer Unterrichtssprache
durchlaufen hat und zu den oberen Kasten gehört, wird ein Trishul, einen
Schlagstock oder ein Schwert auch nur in die Hand nehmen.
Dabei ist interessant, dass ein Hindu- Aktivist wie Mulayam Singh, der
dauernd über den Gebrauch der englischen Sprache in Indien wettert, jetzt
seinen Sohn in einer englisch- sprachigen Schule angemeldet hat.
Das Traurige bei alledem ist, dass sehr selektiv mit der Weitergabe der HinduTradition umgegangen wird. Der Hinduismus hat mehr zu bieten als die
Weitergabe von Waffen. Aus der ganzen Hindutva-Bewegung ist bislang noch
kein einziges Buch spirituellen Inhalts hervorgegangen. Wer sich auf die
Hindu- Tradition beruft, möge sie denn schließlich auch ernst nehmen.
Nadelstiche und Provokationen als „Experiment“, um die Minderheiten zu verunsichern
16.10.02
Pro-Pak. Muslims can leave: Thackeray
Der Anführer der Shiv Sena, Bal Thackeray, forderte von Hindus, die sollten
künftig Indien „Hindurashtra“ nennen. Es steht nur unserer Religion zu, im
Lande einen ehrenvollen Platz einzunehmen. Wir werden uns schon auch um
die anderen Religionen kümmern. Man sollte zuerst einmal die 40 Millionen
Muslime von Bangladesh aus Indien vertreiben (to kick out) , dann hätte man
Ruhe im Land.
Weiter schlug Thakeray vor, die Terroristen bekämpfe man am besten dadurch,
dass künftig auch Hindus Selbstmordattentäter einsetzen.
17.10.02
Editorial: Vicious and incendiary (Gemein und aufrührerisch)
Stellungnahme zu den Ausfällen von Thackeray gegen die Muslime.
Thackeray hat damit den Minderheiten im Land den Krieg erklärt. Damit heizt
er den kommunalen Hass an und schürt Gewalt. Vor allem pervers ist der
Aufruf zur Bildung von Hindu-Selbstmord-Kommandos. Bei den Äußerungen
Thackerays kommt der schreckliche Vorfall in Godhra zum Vorschein, als
nach dem 27. Februar 2002, an dem der Eisenbahnwaggon mit HindutvaAktivisten brannte, über 2000 Muslime in Gujarat umgebracht wurden. Wenn
nun die Hindu-Fundamentalisten prahlerisch ihr „erfolgreiches Experiment
von Gujarat“ auf das ganze Land ausdehnen wollen, dann schwant natürlich
den Minderheiten im Land nichts Gutes.
18.12.02
Hindutva storm will not be limited to Gujarat: Togadia
Der Generalsekretär der VHP, Praveen Togadia, kündigte an, dass ein Sturm
durch Indien toben werde, der nicht auf Gujarat beschränkt bleibe. Als nächstes
Ziel von verstärkten Hindutva- Aktivitäten wurden fünf Bundesstaaten
genannt: Himachal Pradesh, Rajasthan, Madhya Pradesh, Chattisgarh und
Delhi. Als wichtigen Bestandteil dieser Aktivitäten sollten die Muslime wissen,
dass sie in Indien künftig den gleichen Status genießen sollen wie die Hindus
in Pakistan. Der VHP liege es daran, Pakistan „auseinander zu nehmen“ (to
dismember it). Denn Extremismus und Fundamentalismus können erst
überwunden werden, wenn Pakistan überwunden wird. Den Hindutva- Gegnern
wird angekündigt, dass sie künftig mit dem Tode bestraft werden. Die
Hindutva- Vertreter würden die Verurteilungen aussprechen und das Volk dann
die Todesstrafe vollziehen. („All Hindutva- opponents will get the death sentence and we
will leave it to the people to carry this out“).
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21.10.02
Sangh Parivar above the law? – News analysis – Steht der Sangh Parivar über dem
Gesetz? von Neena Vyas Neu Delhi.
Man gewinnt den Eindruck dass die Gesetze Indiens und die einer zivilisierten
Nation für den Vishwa Hindu Parishad oder anderen Abzweigungen der RSS
keine Gültigkeit haben. In den vergangenen zwei Monaten haben führende
Persönlichkeiten der VHP eine ganze Reihe gefährlich provokativer
Verlautbarungen auf dem kommunalen und sozialen Sektor von sich gegeben.
Die Verlautbarungen des Ministerpräsidenten von Gujarat, Narendra Modi,
wetteifern im vulgären Bereich mit den anderen VHP- Führern. Bislang hat
man dazu noch kein einziges Wort der Verurteilung von Seiten der
Regierungsspitze gehört. Weder Prime Minister Atal Behari Vajpayee noch
sein Stellvertreter, L.K. Advani, haben bislang ein Wort geäußert.
Ist das Leben einer Kuh mehr wert als das Leben von Dalits? (Anmerkung: Fünf
Dalits waren gelyncht worden, als sie angeblich „lebende“ Kühe häuteten). Als dem VHPFührer Giriraj Kishore diese Frage vor zwei Tagen gestellt wurde, antwortete
er: „Nach unserer religiösen Überlieferung ist das Leben einer Kuh sehr
wertvoll.“ Wenn man an die klare Fragestellung denkt, ist die Antwort darauf
doch auch wieder eine klare Antwort. Es gibt ein indisches Gesetz, das jede
Diskriminierung auf Grund der Kastenzugehörigkeit verbietet. Trotzdem kann
eine maßgebende führende Persönlichkeit Indiens ungestraft mit einer solch
kriminell-provokativen Antwort seines Weges gehen.
Am 3. September und erst kürzlich hier in Delhi hat der VHP- Führer Ashok
Singhal damit gedroht, das Töten von mehr als 2000 Muslimen in Gujarat
durch das ganze Land hindurch zu wiederholen. Er nannte diesen schlimmen
Vorfall „ein erfolgreiches Experiment“, durch das ganze Dörfer vom Islam
gereinigt worden seien. Die Botschaft war klar: Muslime sollten entweder
getötet oder verjagt werden.
Die größte Annäherung an eine mögliche Kritik der BJP an der VHP war, als
der Präsident der BJP, Venkaiah Naidu, am 29. September sagte, solche
radikalen Aussagen der Hindu-Seite würden als störend im Kampf gegen den
Terrorismus empfunden und liefere dem Ausland den Vorwand, uns HinduFundamentalisten zu nennen. Fundamentalismus sei, so Naidu, der HindutvaIdeologie völlig fremd.
Das Trauerspiel setzt sich darin fort, dass die selbsternannten Hüter der HinduÜberlieferungen selber keinerlei Ahnung von Hindu- Ethik haben. Der in
Indien weit bekannte Historiker, D.N. Jha, der ein Buch mit dem Titel „Vom
Mythos der heiligen Kuh“ verfasst und dabei die alten Shastras ausgewertet
hat, schreibt: „Die Kuh, die einem Brahmanen gehörte, galt als unverletzlich.
Aber es findet sich keinerlei Feststellung über die Stellung einer Kuh, die
Menschen unterer Kasten, besonders den Shudras, gehörte. Im mittelalterlichen
Gesetzbuch Atrismriti wurde das Töten einer Kuh zwar nicht für gut befunden,
doch galt das Vergehen als geringfügig. Als Strafe dafür gab es verschiedene
Bußmaßnahmen, aber keineswegs die Todesstrafe, wie sie an den Dalits in
Haryana durch Lynchjustiz vollzogen wurde.
Die vulgäre Sprache, wie sie von einem anderen VHP- Vertreter, Praveen
Togadia benutzt wurde, ist erschreckend und abstoßend. Er hat Sonia Gandhi,
„italienische Hündin“ genannt. Ähnlich vulgär hat sich auch Modi ausgedrückt.
Man darf nicht vergessen, dass die früheren VHP- Führer die
Witwenverbrennungen für gut befunden haben. Zweifellos werden die VHP
und andere Organisationen wie Bajrang Dal dadurch geschützt, dass sie Teil
des Sangh Parivar sind. Und einige der führenden Leute sagen es ganz offen:
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„Herr Vajpayee und Herr Advani (der Ministerpräsident und sein
Stellvertreter)verdanken uns ihren Job.“
Zu den Provokationen gehört auch, dass entgegen dem Gesetz, das statistische Erhebungen
bei Religionsgemeinschaften zur Angelegenheit der Zentralregierung erklärt hat, und diese
nur für alle Religionen gleichzeitig stattfinden dürfen, Gujarat solche Erhebungen unter
Christen mit diskriminierenden Begleiterscheinungen durchführt.
12.03.03
Christian Council demands apology Der Christenrat verlangt eine Entschuldigung
Der Nationale Christenrat (All India Christian Council AICC) hat von der
Zentralregierung und der Regierung des Bundesstaates Gujarat eine
Entschuldigung dafür verlangt, dass in Gujarat von der Polizei statistische
Erhebungen über Christen im Land durchgeführt wurden.
Zum erstenmal hat man dies 1998 getan. Damals ist das Oberlandesgericht auf
Klagen des Christenrats dagegen eingeschritten.
Manas Dasgupta berichtet von Ahmedabad: Der Nationale Christenrat hat sich
erneut an das Oberlandesgericht gewandt und wegen Nichtbeachtung des
früheren Urteils geklagt. Es wurde darauf hingewiesen, dass trotz des
Gerichtsurteils von 1999 die Polizei wieder an die Türen von Christen und
christlichen Organisationen in Gujarat geklopft und sie regelrecht verhört habe
wegen möglicher Bekehrungen und erhaltenen Geldern aus dem Ausland.
Der Innenminister bestritt, dass die Landesregierung eine solche Aktion
durchgeführt hat, gab aber zu, dass man einige christliche Organisationen
wegen einer möglichen Auslandsfinanzierung befragt habe. Diese Angaben
würden für eine spätere Parlamentsdiskussion in der Lok Sabha (Bundestag)
benötigt. Ein Sprecher der Landesregierung gab zu, dass die Erhebung dazu
dienen solle, ein Antibekehrungsgesetz auch in Gujarat einzuführen.
(was ja inzwischen geschehen ist).
13.03.03
Concern over survey of Christians (Christen wegen Befragung besorgt)
Die katholische Bischofskonferenz von Indien und eine weitere Organisation
(People’s Integration Council) haben sich mit der statistischen Erhebung unter
Christen in Gujarat befasst, die von der Zentralregierung angefordert worden
sein soll. Die Konferenz stellte die Notwendigkeit einer solchen überraschend
und hektisch durchgeführten Erhebung in Frage, nachdem ja in regelmäßigen
Abständen statistische Erhebungen bei allen indischen Bürgern und für jede
Religionszugehörigkeit durchgeführt würden. Weiter meinte der Sprecher, es
gelte zu sehen, dass durch die kommunale Gewalt in Gujarat, bei denen
religiöse Minderheiten eingeschüchtert und Verfolgungen ausgesetzt wurden
(intimidated and harassed), die Angst vor solchen Maßnahmen besonders groß sei.
In ihrem Statement stellte der PIC (People’s Integration Council) seinerseits
fest, dass die statistische Erhebung verfassungswidrig und in der Gesellschaft
inakzeptabel sei. Mit der Aufforderung, die Erhebung sofort auszusetzen,
erinnerte der Rat die Zentralregierung daran, dass es ihre Aufgabe sei, darauf
zu achten, dass die einzelnen Bundesländer, vor allem Gujarat, die Pflicht
hätten, die Rechte aller Religionsgemeinschaften zu schützen.
14.03.03
A discriminatory exercise (Editorial)
Die statistische Erhebung der Regierung Narendra Modi in Gujarat, um
Informationen über Christen und christliche Organisationen zu sammeln gibt
Anlass zu einigen Fragen über den wahren Hintergrund dieser Aktion. Gleich
zu Beginn muss gesagt werden, dass die ganze Aktion einer verdeckten
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Operation gleicht. Die Regierungsadministration versuchte zuerst, die ganze
Sache abzuleugnen, und als das nicht gelang, hieß es zögerlich, es handle
lediglich um lokal begrenzte Erhebungen in Gujarat. Der Innenminister von
Gujarat, Amit Sha, will einen glauben machen, dass das Ganze von der
Zentralregierung ausgehe, die Tatsachenmaterial für ein mögliches AntiBekehrungsgesetz in Gujarat sammeln wolle. Es liegt nun am Sekretariat des
Parlaments festzustellen, ob diese Behauptung der Landesregierung von
Gujarat der Wahrheit entspricht. Wenn dem so ist, weshalb musste man dann in
einer Art Nacht- und Nebelaktion vorgehen und auf jede Transparenz
verzichten? Wenn man die Medienberichte anschaut und sieht, welche
Distrikte in Gujarat für eine solche Aktion ausersehen waren, dann zeigt sich
die ganze Operation in einem höchst verdächtigen und unheilvollen
Zusammenhang.
Es ist ein Markenzeichen der BJP-Regierungen von Gujarat dass sie solche
Nacht- und Nebelaktionen als Teil ihrer Strategie lieben, um die
Machtansprüche des Sangh Parivar ins Licht zu stellen. Vor vier Jahren hat das
die Regierung von Gujarat unter Keshubhai Patel versucht. Auch damals wurde
dies als „Routine-Erhebung“ ausgegeben, wobei die Aktion eindeutig gegen
die Christen und vor allem gegen die christliche Verkündigung gerichtet war.
Dies war genau die Zeit, als Christen von fanatischen Elementen aus dem
Hinduismus attackiert und an Leib und Leben bedroht wurden. Damals musste
die Justiz in Gestalt des Oberlandesgerichts eingreifen, um den Staat von
gesetzlosen Aktionen abzuhalten. Der neueste Versuch einer statistischen
Erhebung ist noch schlimmer. Es ist das, was als Markenzeichen der jetzigen
Landesregierung unter Modi als „Hindutva- Experiment“ läuft. Es geht um
eine Hasskampagne gegen die Minderheiten, und all dies ist zu sehen
angesichts der üblen anti-muslimischen Pogrome in Gujarat nach dem GodhraVorfall.
Damals wurde am 27.02.02 ein Eisenbahnwaggon mit Frauen und Kindern von HindutvaAktivisten angezündet, die gerade von Ayodhya zurückkamen. 48 Personen verbrannten. Man
schob dies den Muslimen in die Schuhe und brachte über 2000 von ihnen um. Damals sagte
Modi zum Vorwurf, die Polizei habe praktisch nicht eingegriffen: „Meine Polizei besteht fast
vollständig aus gläubigen Hindus. Wie kann ich von denen erwarten, dass sie gegen ihre
Glaubensüberzeugung handeln und Muslime schützen?“
27.05.03
Another Survey of Christians Other States – Gujarat
Wieder ist es zu einer diskriminierenden Befragung von Christen gekommen.
So tauchte ein uniformierter Polizeitrupp in einem katholischen Konvent auf
und zwar nach Mitternacht. Der Konventsleiter, Pater Munnu, erkundigte sich
beim Polizeiinspektor, welchen Vergehens er beschuldigt werde. Als man
nichts vorzubringen hatte und lediglich Fragen stellen wollte, weigerte er sich,
Auskunft zu geben und sagte, es sei nicht üblich uniformierten Polizeibesuch
nach Mitternacht und nur wegen einer statistischen Erhebung zu erhalten. Am
nächsten Morgen kam dann die Polizei in Zivil wieder und informierte sich
über die Konventsbewohner, ihre Aktivitäten, finanzielle Einkünfte und
weitere Einzelheiten.
Die Polizei betrat zudem die Häuser von zehn Christenfamilien am Ort und
befragte die Bewohner, weshalb sie Jesusbilder an den Wänden hängen hatten,
warum und wann sie Christen geworden seien, und außerdem wollten sie von
diesen Familien weitere Einzelheiten über den Konvent wissen. Später suchte
die Polizei auch einen katholischen Frauenorden auf, die „Daughters of the
Cross“, eine Vereinigung für medizinische und erzieherische Aufgaben, und
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befragte die Nonnen. Danach wurden weitere christliche Familien in den
benachbarten Orten aufgesucht.
Mit den Informationen unzufrieden, holte sich die Polizei den Vorgesetzten
von Pater Munnu im Konvent und den Nachtwächter, um sie ins Kreuzverhör
zu nehmen. Den Polizeibesuchen voraus war eine Gruppe von Leuten, die sich
als Journalisten ausgaben, an den Häusern christlicher Familien
vorbeigegangen und hatten diese fotografiert. Die Gruppe verschwand dann
wieder, weil Ortsansässige misstrauisch wurden und sie nach dem Sinn dieser
Aktion befragten. Der Sekretär des All India Christian Council sagte dazu, die
Polizei unterbreche jeweils eine solche Art der Provokation, wenn dazu
Anordnungen vom Oberlandesgericht kämen. Dann warte man einige Zeit ab,
bis sich der Staub über der Sache wieder gelegt habe und fahre mit der
Verunsicherungstaktik gegen die Christen fort.
28.05.03
‚Police visited village to ascertain conversion‘ Other States-Gujarat‘
Polizei ‚besucht‘ ein Dorf, um wegen Bekehrungen Untersuchungen anzustellen
Die Landesregierung gab zu, dass einige höhere Beamte ein Dorf im Patan
Bezirk aufgesucht hätten, um einem Bericht über die Bekehrung von 18
Familien zum Christentum nachzugehen. Zuvor hatte das Innenministerium
abgestritten, dass Christen im Bezirk von Patan von der Polizei aufgesucht
worden seien.
08.06.03
HJM, BJP activists disrupt Christian meeting National
Agra, 8.6.03 (News Update 18.00)
Der Hindu Jagran Manch und Jugendmitglieder der BJP sprengten eine
christliche Versammlung in Agra, mit der Begründung, dort würden
Bekehrungen bewerkstelligt. Mit safran- farbenen Fahnen stürmten sie die
Rednertribüne, brüllten Hindutva- Parolen und stießen Mobiliar von der
Tribüne in den Saal. Die christliche Versammlung war zum Thema eingeladen:
„Erfolg im Leben“ und wurde von einer christlichen Organisation in Chennai
veranstaltet. Die Polizei nahm die Rädelsführer fest und brachte ausländische
Teilnehmer der Versammlung in Sicherheit.
Ein weiterer Aspekt in der Reihe von Provokationen und Nadelstichen gegen die christliche
Minderheit im Lande läuft zur Zeit in Tamil Nadu und betrifft das Christian Medical College
and Hospital Vellore.
Vellore hat eine eigene medizinische Ausbildung und bildet pro Jahr 60 Ärztinnen und Ärzte
aus. Die Hochschule bekommt keinerlei finanzielle Unterstützung vom Staat. Sie hat eigene
Aufnahmekriterien und führt selbständig Prüfungen durch. Schon immer wollte der Staat aus
der Liste seiner eigenen Prüfungskandidaten Leute in Vellore einschleusen vorbei an den
Prüfungskriterien von Vellore. Dort hat schon immer auch Hindus und Muslime in die
Ausbildung hereingenommen, aber die mussten die Tests in Vellore bestehen. Im Gegensatz
zu staatlichen medizinischen Hochschulen wird in Vellore nicht nur der Wissensstand
abgefragt, sondern auch die Motivation zum Medizinstudium und die Bereitschaft zur
ethischen Verantwortung allem Leben gegenüber. So gehört auch der Umgang mit Kranken
und Sterbebegleitung mit zum Ausbildungsgang für angehende Mediziner.
Nun hat im vergangenen Jahr der Supreme Court in Delhi entschieden, Vellore dürfe
weiterhin nach dem bisherigen Aufnahmemodus Studienanwärter aufnehmen, zumal das
Ausbildungskrankenhaus für die übrigen rund 400 Missionskrankenhäuser Indiens Mediziner
ausbilde, für eine religiöse Minderheit sorge und im übrigen den Staat kein Geld koste.
Nun hat sich folgendes ereignet:
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Der Registrar der D. M.G.R Medical University übersandte am 24. Mai 2003 eine Anordnung
der Landesregierung, nach der 40 Prozent der Ausbildungsplätze Studierenden zur Verfügung
zu stellen seien, die von der Regierung in Tamil Nadu und nicht von Vellore geprüft würden.
Für die übrig geblieben 60% der Sitze müssten noch zusätzlich Nichtchristen in die
Ausbildung hereingenommen werden. Dies bedeutet im Endeffekt, dass Vellore von den
eigenen jährlich angebotenen und zu finanzierenden Ausbildungsplätzen nur noch 11 Sitze für
die eigenen Kandidaten zur Verfügung hätte.
Vellore hat sich daraufhin mit den Regierungsbehörden von Tamil Nadu in Verbindung
gesetzt und dabei auch auf das Urteil des indischen Bundesverfassungsgerichts vom Oktober
2002 hingewiesen. Auf Grund dieses Urteils hat Vellore im Februar diese 60
Ausbildungsplätze ausgeschrieben und eine Prüfung für die Kandidatinnen und Kandidaten
vorbereitet. Die Eingangsprüfung wurde von zwölftausend Bewerberinnen und Bewerbern im
Mai 2003 abgelegt. Mitte Juni finden die Interviews mit den eingeladenen Bewerbern statt.
Und nun kommt eine Anordnung der Landesregierung, die eine längst angelaufene Prüfung
wieder über den Haufen wirft.
Vellore hat zwischenzeitlich Einspruch beim Bundesverfassungsgericht in Delhi erhoben, um
eine einstweilige Verfügung gegen die Anordnung zu erreichen. Die erste Anhörung erfolgte
am 16. Juni, eine erfolgt am 26. Juni. Aber auch beim zweiten Termin forderte das Land
Tamil Nadu eine Verschiebung auf 3. Juli, weil man die Unterlagen nicht beisammen habe.
Das heißt, es wurde versucht, die Sache hinauszuziehen und Vellore an der
Prüfungsdurchführung zu hindern und damit auch am pünktlichen Beginn des kommenden
Semesters. Am 3. Juli 2003 kam die ersehnte Anordnung des Supreme Court von Delhi, die
Vellore gegen das Bundesland Tamil Nadu Recht gab, zumindest für die Eingangsprüfung
2003.
Es ist davon auszugehen, dass sich eine Dokumentation solcher Vorfälle nicht so schnell
erübrigen wird. Erfreulicherweise hat Indien bislang eine intakte Presse, auch wenn solche
Zeitungen wie „The Hindu“ sich den Vorwurf der „Nestbeschmutzung“ gefallen lassen
müssen.
Reinhold Wagner, Kurlandstr. 7, 73614 Schorndorf, Tel: 07181-76843, Stand: 3.Juli 2003
Diese Dokumentation stellt eine weiterführende Ergänzung des Vf. dar zum Beitrag für die Festschrift
„Engagierte Theologie“, Hg. Professor Dr. Weyer-Menkhoff, Gmünder Reihe 18, 2001, für Professor
Dr.Manfred Köhnlein, Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd unter dem Thema: Trotz Hindernissen
auf dem Weg zum religiösen Dialog mit dem Hinduismus.
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