Menschenwürde und Menschenrechte

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Menschenwürde und Menschenrechte
Über die Notwendigkeit der Verrechtlichung moralischer Ansprüche
Hans Jörg Sandkühler
University of Bremen
[email protected]
Abstract
In the debate on human rights the question is often raised – especially in philosophical and theological contexts – whether these rights require an ethical justification. In
this form the question is misleadingly formulated, for it is necessary to distinguish
between two dimensions of human rights, that of their genesis and of their validity.
With regard to their emergence human rights have their grounds in moral claims.
However, because in socio-cultural and political contexts there exist competing and
conflicting moral intuitions, and there is no particular morality with a legitimate
claim to universal validity in pluralistic societies, a system of positivised rights
with a universal commitment is increasingly gaining in importance: the law of
international human rights. Moral claims that justify the demands for human
rights only attain their validity on account of their universalization by means of
legalization. As juridical rights, the justification for the validity of human rights
lies in themselves, they do not require any further ethical justification. From the
perspective of a moderate form of legal positivism that does not separate rights and
morality at the level of the genesis of norms and which is laden with human rights
norms, the following topics will be discussed: 1. Moral intuitions and positive
law; 2. Experience of injustice as a source of human rights; 3. The principle of
neutrality in a democratic state under the rule of law; 4. Pluralism, relativism and
law; 5. Human dignity as the foundation of human rights; 6. Justice and 7. Human
dignity and social human rights and basic freedoms.
1
Moralische Intuitionen und positives Recht
In der Debatte über die Menschenrechte wird oft – vor allem in philosophischen und
theologischen Kontexten – die Frage aufgeworfen, ob diese Rechte einer ethischen
Begründung bedürfen. In dieser Form ist die Frage irreführend gestellt, denn es
müssen zunächst zwei Dimensionen unterschieden werden, die der Genesis und die
der Geltung der Menschenrechte. (i) Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die
Menschenrechte hinsichtlich ihrer Entstehung Gründe in moralischen Ansprüchen
haben, die gegen die Verletzung dessen gerichtet sind, was aufgrund moralischer
Intuitionen für das Gute, für Gerechtigkeit und für Sittlichkeit gehalten wird. Bei
moralischen Ansprüche handelt es sich nicht um fälschlich so genannte ‘moralische
Rechte’, über die es zwischen institutionalistischen Rechtsverständnissen, denen
zufolge es nur juridische, nicht aber moralische Rechte geben kann, und einem
individualethischen Ansatz, dem zufolge Personen moralische Rechte haben, einen
lang anhaltenden Streit gibt. 1 (ii) Weil es in sozio-kulturellen und politischen Kontexten
konkurrierende und konfligierende moralische Intuitionen gibt und es die Moral mit
1 Vgl.
hierzu die Beiträge in Sandkühler 2010b.
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legitimem allgemeinen Geltungsanspruch in pluralistischen Gesellschaften nicht gibt,
wenn nicht in Gestalt allgemeinen gleichen Rechts, kommt einem System von positivierten
Rechten mit universeller Verbindlichkeit eine immer größere Bedeutung zu: dem
internationalen Menschenrechte-Recht.
Institutionen der Gesellschaft, des Rechts und des Staates können die Geltung von
für alle verbindlichen Normen, die Gleichheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit garantieren, nicht aus privaten moralischen Intuitionen begründen, deren
allgemeine Akzeptanz weder erwartet werden kann noch mit Zwang durchgesetzt
werden darf. Moralische Ansprüche werden um ihrer Verwirklichung willen, sofern
sie verallgemeinerbar sind, in Rechte transformiert. Mit anderen Worten: Moralische
Ansprüche, die Forderungen nach Menschenrechten begründen, gewinnen ihre Geltung erst durch ihre Universalisierung durch Verrechtlichung. 2 Dies bedeutet nicht,
dass dem positiven Recht keine Moralprinzipien eingeschrieben wären. Es bedeutet
nicht mehr und nicht weniger als den Vorrang des allgemeinen öffentlichen Rechts
vor der besonderen privaten Moral, die die Würde der Menschen und ihre Rechte zu
achten gebietet – oder eben nicht.
Was für Moralen gilt, gilt auch für Ethiken: Sie spielen eine wesentliche Rolle bei
der Rechtsgenese; hinsichtlich der Geltung von Rechtsnormen haben sie – wie Moralen
in Pluralität und Konkurrenz existierend – keinerlei legitimierbaren Anspruch auf
einen Vorrang vor dem positiven Recht. Die Menschenrechte haben als juridische Rechte
ihre Geltungsbegründung in sich selbst; sie bedürfen keiner weiteren ethischen Begründung.
Bei den individuellen Gründen für ihre Akzeptanz bei den Normadressaten können
freilich dann ethische Maximen und Imperative hilfreich sein, wenn sie nicht partikulär,
sondern in der Allgemeinheit des kantischen Kategorischen Imperativs formuliert
sind. Moralische und ethische Gründe kommen ferner bei der Weiterentwicklung der
Menschenrechte wieder zum Tragen, wenn sie den Widerstand gegen Unrecht zum
Ausdruck bringen.
Dies ist die Perspektive, in der ich im Folgenden argumentiere: die Perspektive
eines Recht und Moral auf der Ebene der Normen-Genesis nicht trennenden und
hinsichtlich der Normen-Geltung menschenrechtlich aufgeladenen Rechtspositivismus. 3
Nach 1945 war die Renaissance des Naturrechts und mit ihm alliierter Ethiken oft
verbunden mit dem Fehlurteil, der Rechtspositivismus habe mit seiner Naturrechtskritik die Weimarer Republik wehrlos gemacht und die nationalsozialistische Diktatur
begünstigt. Doch nicht der Rechtspositivismus, sondern «die Gegnerschaft zum formalistischen Positivismus [hat] zur Delegitimierung ‘Weimars’ beigetragen». 4 Bereits
in dem mit der Ausarbeitung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland
(GG) befassten ‘Parlamentarischen Rat’ hat der Verfassungsrechtler und sozialdemokratische Politiker Carlo Schmid derartigen Schuldzuweisungen widersprochen:
«Die große Begeisterung für das Naturrecht, die sich heutzutage überall manifestiert,
ist eine Gegenbewegung gegen die absolute Abneigung des deutschen juristischen
2 In ihrem Plädoyer für eine «politische Konzeption der Menschenrechte» schlägt Regina Kreide vor, statt
der einander ausschließenden Alternativen Menschenrechte als moralisches oder juridisches Konzept einen
dritten, von Unrechtserfahrungen ausgehenden Weg vor: «Eine [. . . ] politische Konzeption der Menschenrechte
[. . . ] hält zwischen den beiden genannten Positionen gleichermaßen Abstand. Sie operiert intern mit
moralischen Argumenten, verzichtet aber auf eine moralische Begründung der Menschenrechte selbst.
Und sie geht davon aus, dass Menschenrechte zwar ‘von Haus aus juridischer Natur’, aber zugleich auch
Bestandteil einer politischen Praxis sind.» (Kreide 2013, 74).
3 Um einen Bezug zu zwei für mich wichtigen Quellen zu benennen: Dieser Rechtspositivismus ist
zwischen Hans Kelsens Forderung nach der Trennung von Recht und Moral und Gustav Radbruchs
Orientierung auf Gerechtigkeit als Maßstab des Rechts verortet.
4 Vollrath 1998, 48.
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Positivismus gegen das Naturrecht, den man für die Rechtsverleugnung unter dem
Naziregime überhaupt verantwortlich macht, wobei ich mir nicht versagen möchte,
darauf hinzuweisen, daß die nazistische Rechtstheorie auch auf dem ‘Naturrecht’
beruhte, allerdings auf einem, das nicht von dem Begriff des Menschen bei Lamettrie
ausging, sondern von dem Darwins. Naturrecht absolut zu setzen, ist eine gefährliche
Sache. [. . . ] Wenn wir an dem Satz von dem naturgegebenen Recht festhalten, müssen
wir uns darüber klar sein, daß wir damit jedermann freistellen, zu sagen, Naturrecht,
wie ich es auffasse.» 5
Die Forderung, die Menschenrechte müssten naturrechtlich begründet werden,
hatte und hat eine anti-juridische und Partikularismen legitimierende Funktion: Die
«neue Naturrechtslehre richtet sich im Kern gegen eine im säkulären Verfassungsstaat
völlig banale These: nämlich die Annahme, dass die Leitbegriffe der Verfassung wie
die Menschenwürde Begriffe des positiven Rechts sind. Der Angriff auf diese schlichte
Erkenntnis dient – zuweilen ausdrücklich – dem Ziel, bestimmte Deutungsmuster der
Spannbreite juristischer Exegese zu entziehen.» 6 Diese Funktion müssen zwar nicht,
können aber auch Forderungen nach ‘ethischer Begründung’ erfüllen.
2
Unrechtserfahrung als Quelle des Rechts
Als Rechts- und Verfassungsnormen sind die Menschenrechte und deren Fundament
– die Menschenwürde 7 – erst im 20. Jahrhundert positiviert worden, nicht zuletzt nach
1945 aufgrund der Gewalt – und Unrechtserfahrungen, die zur Charta der Vereinten
Nationen vom 26. Juni 1945 geführt haben: «Wir, die Völker der Vereinten Nationen
– fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren,
die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht
hat, unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der
menschlichen Persönlichkeit [. . . ] erneut zu bekräftigen, Bedingungen zu schaffen,
unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und
anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden können, den sozialen Fortschritt
und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern [. . . ]».
Die im 20. Jahrhundert unter dem Eindruck der Verbrechen des Kolonialismus
und Imperialismus, des deutschen Nationalsozialismus, italienischen Faschismus und
japanischen Militarismus sowie des Stalinismus formulierten Menschenwürde- und
Menschenrechtsansprüche zielen auf ein Leben unter weltbürgerrechtlichen Bedingungen, und zwar sowohl innerhalb eines Staates als auch in der Gesamtheit der Staaten.
Weltbürgerrechtliche Lebensbedingungen setzen einen universellen rechtsstaatlichen
Konstitutionalismus voraus, d.h. eine weltweite demokratische Rechtsordnung ohne
Diskriminierung und Unterdrückung, Hunger und Not, Gewalt und Krieg. Zu Recht
und zugleich mit gebotener Vorsicht hat Jürgen Habermas festgestellt: «Die Obsoleszenz des noch fortdauernden Naturzustandes zwischen bellizistischen Staaten, die ihre
Souveränität bereits eingebüßt haben, hat immerhin begonnen. Der weltbürgerliche
Zustand ist kein bloßes Phantom mehr, auch wenn wir noch weit von ihm entfernt sind.
Staatsbürgerschaft und Weltbürgerschaft bilden ein Kontinuum, das sich immerhin
schon in Umrissen abzeichnet.» 8
‘Menschenwürde’ wurde seit 1945 zu einer «Ermächtigungsklausel gegen Un5 Pikart
und Werner (Bearb.) 1993, 64 f.
2008, 58 f.
7 Vgl. zu einer ausführlichen enzyklopädischen Darstellung der Menschenrechte (Sandkühler 2010a);
zu Theorie und Geschichte der Menschenwürde vgl. Sandkühler 2014.
8 Habermas 1994, 660.
6 Herdegen
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rechtserfahrungen». 9 Bei der Entstehung des GG standen der Holocaust und die
Kriegsverbrechen als eine historisch neue Form des Bösen im Vordergrund. Hannah
Arendt schrieb am 4. März 1951 an Karl Jaspers: «Alle überlieferte Religion, jüdische
oder christliche, sagt mir als solche gar nichts mehr. Ich glaube auch nicht, daß sie
irgendwo oder irgendwie noch ein Fundament für etwas so unmittelbar Politisches
wie Gesetze hergeben könnte. Das Böse hat sich als radikaler erwiesen als vorgesehen.
Äußerlich gesprochen: Die modernen Verbrechen sind im Dekalog nicht vorgesehen.
Oder: Die abendländische Tradition krankt an dem Vorurteil, daß das Böseste, was
der Mensch tun kann, aus den Lastern der Selbstsucht stammt; während wir wissen,
daß das Böseste oder das radikal Böse mit solchen menschlich begreifbaren, sündigen
Motiven gar nichts mehr zu tun hat. Was das radikal Böse nun wirklich ist, weiß
ich nicht, aber mir scheint, es hat irgendwie mit den folgenden Phänomenen zu
tun: Die Überflüssigmachung von Menschen als Menschen (nicht sie als Mittel zu
benutzen, was ja ihr Menschsein unangetastet läßt und nur ihre Menschenwürde
verletzt, sondern sie qua Menschen überflüssig zu machen).» 10
Die Verrechtlichung des Gebotes, die Menschenwürde zu achten und zu schützen,
zu der den Staat verpflichtenden basalen Rechtsnorm war «im nationalen wie internationalen Recht [. . . ] eine Reaktion auf sehr konkrete geschichtliche Erfahrungen des
20. Jahrhunderts: der Erfahrung von zwei Weltkriegen und der industriell betriebenen Vernichtung von Millionen von Menschen unter der faschistischen Diktatur in
Deutschland. [. . . ] Die Konzentrationslager hatten auf eine unmißverständliche Weise
klar gemacht, daß der Mensch sich heute nicht mehr primär gegen ein unerbittliches
‘Schicksal’ oder gegen eine übermächtige Natur behaupten muß, sondern gegen sich
selbst.» 11
Für die Verrechtlichung des Schutzes der Menschenwürde und für die Positivierung
der Menschenrechte bzw. für ihre Implementierung in einen wiederhergestellten
deutschen Rechts- und Verfassungsstaat war diese Erfahrung entscheidend: Recht
statt Entrechtung durch Willkür. Die aus dieser Erfahrung gewonnene Einsicht lautet:
Menschen behaupten sich gegen sich selbst im Recht. Entscheidend wurden nach 1945 die
von nun an für das – zunehmend nicht mehr als bloßes Staatenrecht zu verstehende –
Völkerrecht wegweisende Einführung des neuen Straftatbestandes der Verbrechen gegen
die Menschlichkeit und insgesamt die Geltung der Nürnberger Prinzipien. Das eigentlich
Neue war die Einbeziehung staatlicher Verbrechen in ein nun internationalisiertes,
die Souveränitätsgrenzen von Staaten sprengendes Strafrecht, verbunden mit der
Zurechnung individueller Verantwortung auch zu Funktionsträgern des Staates und
mit der Idee der Prävention, der Verhütung zukünftiger Staatsverbrechen.
Nach den Unrechtserfahrungen im 20. Jahrhundert wurde die Frage Welches
Recht?, wurde die Frage nach der Legitimität von Recht und Staat zentral. Sie führte zu
einer Prüfung und Qualifizierung des positiven Rechts, und zwar mit einer Orientierung an menschenrechtlich universalisierten Normen. Niemand, auch nicht der
radikalste Gesetzespositivist, konnte nach 1945 noch ohne diese Überprüfung zu der
legalistischen Aussage ‘Gesetz ist Gesetz’ Zuflucht nehmen, d. h. zur Behauptung,
jegliches Recht sei – weil ‘gesetztes Recht’ – als ‘richtiges Recht’ anzuerkennen. Die
‘Rassen’-Gesetzgebung und andere Gesetze des Nationalsozialismus forderten Gustav
Radbruch, den bedeutenden Rechtsphilosophen und sozialdemokratischen Rechtspolitiker der Weimarer Republik, heraus, mit der nach ihm benannten ‘Formel’ die
entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. In Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches
9 Wesche
2013.
Arendt an K. Jaspers, den 4. März 1951. In: Köhler und Saner 2001, 202.
11 Bayertz 1995, 471.
10 H.
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Recht schrieb er 1946: «Keineswegs ist Recht alles das, ‘was dem Volke nützt’, sondern dem Volke nützt letzten Endes nur, was Recht ist, was Rechtssicherheit schafft
und Gerechtigkeit erstrebt. [...] Der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der
Rechtssicherheit dürfte dahin zu lösen sein, daß das positive, durch Satzung und
Macht gesicherte Recht auch dann den Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht und
unzweckmäßig ist, es sei denn, daß der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit
ein so unerträgliches Maß erreicht, daß das Gesetz als ‘unrichtiges Recht’ der Gerechtigkeit zu
weichen hat.» 12
3
Das Neutralitätsgebot im demokratischen Rechtsstaat
Die Individuen sind frei, ihr jeweiliges Verständnis der Menschenrechte und der
Würdenorm entsprechend ihren ethischen, religiösen und sonstigen Präferenzen
solange selbst zu bestimmen, wie sie die universelle juridische Geltung dieser Normen
und die Rechte Dritter nicht unterlaufen. Für den demokratischen Rechtsstaat gibt
es diese Freiheit der Wahl von Präferenzen nicht. Er ist zu strikter Neutralität
verpflichtet. Mit dem Neutralitätsgebot sind ihm Grenzen gesetzt: «Der freiheitliche
Verfassungsstaat kann und will [. . . ] keine Gewißheitsaussagen über – im wahrsten
Sinne des Wortes – Gott und die Welt treffen, sieht von einer Totalbestimmung
des Menschen gerade ab und spricht genau umgekehrt diesem das Recht auf freie
Sinnsuche zu. Der freiheitliche Verfassungsstaat ist nicht der ‘Hüter eines Heilsplanes’,
sondern organisiert die demokratische Legitimation und rechtsstaatliche Limitation
der Ausübung von Staatsgewalt und sucht die politische wie private Freiheit aller
Bürger zu garantieren.» 13
Die Säkularisierung der Ideen der Menschenrechte und der Menschenwürde hat
freilich ihren Preis – den «Abstieg vom Göttergeschenk zum legislativen Produkt» 14 :
«Sie kommt von ganz oben, die Menschenwürde. Als ‘Göttergeschenk der menschlichen
Vernunft’ und ‘Ebenbild Gottes im Menschen’ oder ‘verpflichtende Gabe Gottes’
entspringt ihre theologisch-philosophische Idee dem Jenseits. Seit ihrer Geburt
versucht sie, sich rechtlich im Diesseits einzurichten. Dazu muss sie freilich, unter
dem Zeichen der Säkularisierung, zunächst ihre sakrale Robe ablegen.» 15 Der Preis
eines Zurück hinter den so erreichten Stand wären die Exklusion der jeweils von einem
‘Selbst’ her definierten ‘Anderen’ aus dem Kreis der Würde- und Rechte-Subjekte und
im – immer wieder auftretenden – Extremfall der fundamentalistische Religions- bzw.
Weltanschauungskrieg, der im Namen der ‘wahren’ Moral bzw. Ethik zu Gewalt führt.
12 Radbruch 1946, 215 f. Hervorh. v. mir. In seiner 1947 posthum veröffentlichten Vorlesungsnachschrift
Vorschule der Rechtsphilosophie heißt es vergleichbar: «Wo [. . . ] Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt wird,
können die so geschaffenen Anordnungen nur Machtsprüche sein, niemals Rechtssätze [. . . ]; so ist das
Gesetz, das gewissen Menschen die Menschenrechte verweigert, kein Rechtssatz. Hier ist also eine scharfe
Grenze zwischen Recht und Nicht-Recht gegeben». (Radbruch 1947, 34; vgl. auch ebd., S.33). Mit seinem
Urteil vom 14. Februar 1968 zur Ausbürgerung jüdischer Menschen durch das NS-Regime hat das deutsche
Bundesverfassungsgericht (BVerfGE) in seinen Leitsätzen an die ‘Radbruch -Formel-Formel’ anknüpft: «1.
Nationalsozialistischen ‘Rechts’ vorschriften kann die Geltung als Recht abgesprochen werden, wenn sie
fundamentalen Prinzipien der Gerechtigkeit so evident widersprechen, daß der Richter, der sie anwenden
oder ihre Rechtsfolgen anerkennen wollte, Unrecht statt Recht sprechen würde. 2. In der 11. Verordnung
zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 [. . . ] hat der Widerspruch zur Gerechtigkeit ein so
unerträgliches Maß erreicht, daß sie von Anfang an als nichtig erachtet werden muß. 3. Einmal gesetztes
Unrecht, das offenbar gegen konstituierende Grundsätze des Rechtes verstößt, wird nicht dadurch zu Recht,
daß es angewendet und befolgt wird.»
13 Dreier 2013b, 32.
14 Frankenberg 2003, 211.
15 Frankenberg 2003, 210.
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Religionen, Weltanschauungen, politische Überzeugungen und private Moralen bzw.
Ethiken haben in der pluralistischen Demokratie keinen privilegierten Anspruch auf
die Bestimmung dessen, was ‘Menschenwürde’ bedeutet. Diese Bestimmung kommt
allein der Verfassung und der Verfassungs- bzw. Menschenrechtsgerichtsbarkeit zu.
Hans Kelsens frühe Forderung nach dem «Verzicht auf die eingewurzelte Gewohnheit, [. . . ] unter Berufung also auf eine objektive Instanz, politische Forderungen
zu vertreten, die nur einen höchst subjektiven Charakter haben können, auch wenn
sie im besten Glauben, als Ideal einer Religion, Nation oder Klasse auftreten», ist
nicht überholt. 16 Dieser Verzicht folgt aus der Erfahrung, dass nicht nur der Staat der
potenzielle Feind der Grundrechte ist, sondern Terror gegen die Grundrechte auch
von den Bürgern selbst droht, sobald sie in Gruppen im Namen ihrer partikulären
Interessen zu bestimmen beanspruchen, was für die Allgemeinheit gut sein soll.
Das Neutralitätsgebot ist eine notwendige Folge der Pluralität von Werteinstellungen und Moralen in der modernen Demokratie, in der eine «standortgebundene
‘Aufladung’ der Menschenwürde, ihre Besetzung mit partikulären ethischen Meinungen oder philosophischen Spekulationen» 17 vermieden werden muss. Dies hat auch
das BVerfGE so gesehen: «Das Grundgesetz legt auch nicht etwa einen ‘ethischen
Standard’ im Sinne eines Bestandes von bestimmten weltanschaulichen Prinzipien
fest, etwa ‘nach den Maximen, die sich bei den heutigen Kulturvölkern auf dem
Boden gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen im Laufe der
geschichtlichen Entwicklung herausgebildet haben’ [. . . ]. Der ‘ethische Standard’ des
Grundgesetzes ist vielmehr die Offenheit gegenüber dem Pluralismus weltanschaulichreligiöser Anschauungen angesichts eines Menschenbildes, das von der Würde des
Menschen und der freien Entfaltung der Persönlichkeit in Selbstbestimmung und
Eigenverantwortung bestimmt ist. In dieser Offenheit bewährt der freiheitliche Staat
des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität.» 18
4
Pluralismus, Relativismus und Recht
Moderne Gesellschaften sind durch einen faktischen Pluralismus von moralischen und
ethischen Einstellungen, Bedürfnissen, Interessen und individualisierten Kulturen
charakterisiert, und mit dem Pluralismus geht de facto Relativismus einher. Pluralismus erlaubt Begründungsvielfalt; die Verschiedenheit der Meinungen, Gründe und
Präferenzen soll respektiert werden. Die Autonomie des Anderen ist zu respektieren,
freilich nicht grenzelos, sondern in den Grenzen der Achtung der Menschenwürde
und der Menschenrechte. Für den Anspruch, dass eine und nur eine Meinung alternativlos Geltung beanspruchen könne und durchgesetzt werden müsse, gilt das
Respektierungsgebot nicht. Der Pluralismus hat eine epistemologische Dimension, die
in Hilary Putnams ‘inter-realistischer’ Position zum Ausdruck kommt: «Objectivity
and rationality humanly speaking are what we have; they are better than nothing.» 19
Das Menschenmaß-Prinzip ist jedoch kein Grund zu «moralischem Relativismus»
oder «moralischem Skeptizismus»: «Der Glaube an ein pluralistisches Ideal ist nicht
dasselbe wie der Glaube, daß jedes Ideal menschlichen Gedeihens ebenso gut ist wie
jedes andere.» 20
Die Grenze für den mit dem Pluralismus verbundenen Relativismus ist das Recht,
16 Kelsen
[1934] 1985, XI.
2013a, Art. 1 I, Randnummer (Rn.) 168.
18 BVerfGE 21, 49 (102).
19 Putnam 1981, 54 f.
20 Putnam 1981, 200.
17 Dreier
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das dem völkerrechtlichen ius cogens und der mit ihm übereinstimmenden Verfassung
gemäß ist. «Der Relativismus fordert den Rechtsstaat.» 21 Gustav Radbruch hat in Der
Relativismus in der Rechtsphilosophie (1934) geltend gemacht, die Verfassung müsse die
Kraft entfalten, «den Kampf der Überzeugungen» in Formen einer geregelten Koexistenz konkurrierender Einstellungen und Interessen zu überführen. Der Rechtsstaat
fungiert als Entscheidungsinstanz: «Vermag niemand festzustellen, was gerecht ist, so
muß jemand festsetzen, was rechtens sein soll.» 22
Wir schützen uns vor den Folgen unserer Freiheit im Recht, nicht beliebig und
nicht in beliebigem Recht, sondern in jenem Recht, das die Menschenwürde zu
achten und zu schützen gebietet und sich in den Menschenrechten niederschlägt.
Deshalb kann aus dem faktischen Pluralismus und Relativismus kein normativer
Rechtsrelativismus abgeleitet werden, der die Interpretation oder ethische Begründung
der Menschenwürde und Menschenrechte der Beliebigkeit anheimstellt.
5
Menschenwürde als Grund der Menschenrechte und ihre Konkretisierung in den Menschenrechten
In der deutschen Geschichte bedeutet das maßgeblich von der Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 geprägte, 1949 in Kraft getretene GG
aufgrund der zentralen Stellung der Würdenorm «das Gegenprogramm zur totalitären
Mißachtung des Individuums.» 23 ‘Gegenprogramm’ – dies verweist darauf, dass
der Norm der Unantastbarkeit der Menschenwürde das Faktum der Antastung
vorausgegangen war. In der Verfassungsrechtslehre und in Entscheidungen des
BVerfGE wird Art. 1 Abs. 1 als «Grundnorm»,24 «tragendes Konstitutionsprinzip» 25
und «oberster Verfassungswert»,26 als die «Wurzel aller Grundrechte» und «mit
keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig» 27 oder auch als Verfassungsgarantie mit
«der Bedeutung eines höchsten Menschenrechtes» 28 bezeichnet.
Im GG sind die Menschenwürde und die Menschenrechte untrennbar miteinander
verbunden: «Art. 1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten
und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk
bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als
Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in
der Welt.» 29 «Abs. 2 verdeutlicht, dass die Grundrechte des Grundgesetzes ‘auch als
Ausprägung der Menschenrechte zu verstehen sind und diese als Mindeststandard
in sich aufgenommen haben’ (BVerfGE 128, 326/369). Mit den Menschenrechten
sind Grundrechte gemeint, die dem Menschen kraft seiner Natur zustehen [. . . ]
und auch im Völkerrecht verankert sind [. . . ]. Abs. 2 macht zudem deutlich, dass
Menschenrechte nicht nur ihrem Träger dienen, sondern als Grundlage jeder ‘guten’
menschlichen Gesellschaft und damit auch der durch das GG begründeten Ordnung
verstanden werden müssen. « 30
21 Radbruch
[1934] 1990, 19; Hervorh. v. mir.
1993, 162.
23 Dreier 2013a, Art. 1 I, Rn. 41 f.
24 Vgl. BVerfGE 27, 344 (351); 32, 273 (379); 34, 238 (245).
25 BVerfGE 6, 32 (36).
26 BVerfGE 109, 279 (115).
27 BVerfGE 93, 266 (116).
28 Maihofer 1968, 103.
29 Hervorh. v. mir.
30 Jarras und Pieroth 2012, 26.
22 Radbruch
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Die Menschenwürde «kann nicht verletzt werden, ohne dass gleichzeitig ein
Menschenrecht verletzt würde, und umgekehrt kann kein Menschenrecht angetastet
werden, ohne dass gleichzeitig die Würde des Menschen litte». 31 Die Würdenorm ist
die Bedingung der Möglichkeit des – als ‘richtiges’, d.h. gerechtes Recht verstandenen
– Rechts 32 ; und ohne richtiges, die positivierten Menschenrechte implementierendes
Recht gibt es keinen Schutz der Menschenwürde.
Dass die Menschenwürde der Grund der Menschenrechte ist und sie in diesen
geschützt wird, bedeutet nicht, der Menschenwürdebegriff sei «redundant». 33 Es
folgt daraus vielmehr: Erst im Rechtssatz, im Begriff der Menschenwürde als Grund der
Menschenrechte und als Grundnorm der Verfassung, ist ein angemessenes Verständnis dessen
möglich, was durch die Garantie der Würde geschützt werden soll: die Gleichheit und Freiheit
aller, die Menschen sind, in Gerechtigkeit.
Menschen sind als Individuen Menschen. Wenn Existenzaussagen mit dem Verb
‘sein’ an die empirische Welt gebunden sind, dann gibt es weder den Menschen, noch die
Person, noch das Subjekt, noch die Gesellschaft. Es gibt dieses Individuum. Ein Mensch,
jeder Mensch hat das Recht auf die Achtung und den Schutz seiner Würde. Zugleich
ist ‘Würde’ ein Relationsbegriff, in den normativ die wechselseitige Achtung aller
Individuen eingeschrieben ist. Der ‘Menschheit’, von der Philosophen gesprochen
haben und sprechen, kann keine Würde genommen werden. Genommen wird sie
diesem Individuum, dieser Person.
Die Menschenrechte, in denen konkretisiert ist, was ‘Menschenwürde’ bedeutet,
sind – in ihrer Einheit als bürgerliche und politische sowie wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Rechte – «Rechte, welche einem jeden Menschen ungeachtet aller seiner
sonstigen Eigenschaften allein kraft seines Menschseins zukommen (sollen).» 34 Diese
Definition klingt einfach, doch bereits mit dieser allgemeinsten Begriffsbestimmung
verbinden sich Probleme. Sie ergeben sich daraus, dass das, was ‘zukommt’, zugleich
‘gesollt’ ist. Kommen den Menschen ihre Würde und Rechte ‘von Natur aus’ und
unveränderbar zu? Oder sollen sie ihnen durch Verrechtlichung sich historisch
wandelnder moralischer Ansprüche zukommen und ihnen dann als positivierte
Rechte zustehen?
Als Weg zwischen der Skylla des voraufklärerischen metaphysischen Naturrechts
und der Charybdis eines Recht und Moral strikt trennenden ‘harten’ Rechtspositivismus bietet sich ein ‘transzendentales’ Argument im Sinne der Kelsen’schen
Begründung der ‘Grundnorm’ an. Es hat zwar kein empirisches Korrelat, muss aber
als Bedingung der Möglichkeit einer vertretbaren Begründung des Rechtssystems
gedacht werden: Die Menschen räumen sich die nicht erst im Staat verliehenen – aber
auch nicht vor-staatlich existierenden – Menschenrechte wechselseitig ein, um sich vor
unterdrückender staatlicher Macht und Gewalt und vor Verletzung durch Individuen
und Gruppen zu schützen. Die Rechte von Menschen für Menschen existieren in eben
dem Sinne juxta-staatlich (neben dem Staat), wie das Individuum als Juxtastruktur zur
31 Herzog
1987, 25.
2010, 528: «Die wichtigste Bedeutung, die die Menschenwürde für das Recht hat, besteht
darin, dass nur da, wo sie anerkannt wird, Recht überhaupt möglich ist. Die Achtung der Menschenwürde
ist also, um es in der etwas sperrigen Ausdrucksweise Immanuel Kants zu sagen: eine Bedingung der Möglichkeit
von Recht. In diesem Sinne ist die Menschenwürde ein Konstitutionsprinzip jeder Rechtsordnung.» Die
Unterscheidung zwischen ‘Recht’, das – formal gesehen – auch in Unrechtssystemen gesetzt sein sein kann,
und ‘richtigem Recht’, ist im Kontext der Menschenwürde zwingend. Insofern greift die Behauptung zu
kurz: «Ein Rechtssystem kann schlechterdings keine Rechtsmacht zur Verletzung von Menschenwürde
erzeugen». (Tiedemann 2010, 532).
33 «Wenn [. . . ] der Würdebegriff ohne Bedeutungsverlust durch den der elementaren Rechte ersetzt
werden kann, so ist er redundant.’ (Ladewig 2003, 47).
34 Tomuschat 1992, 1.
32 Tiedemann
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Gesellschaft existiert, auf die es nicht reduziert werden kann. Dies gilt auch für die
Menschenwürde. Zu diesem transzendentalen Argument gehört, dass im demokratischen Rechtsstaat, der «die grundrechtlichen Freiheits- und Gleichheitsrechte um
der Menschenwürde des einzelnen willen» 35 zu schützen verpflichtet ist, unterstellt
werden muss: Das Recht auf die Achtung und den Schutz der Menschenwürde ergibt
sich daraus, dass es alle für alle anerkennen. 36
6
Gerechtigkeit
Was aus dem subjektiv-öffentlichen Recht auf Achtung der Menschenwürde folgt, hat
Kontexte in Kulturen, Religionen, Weltanschauungen, Moralen, Wertepräferenzen,
Ethiken und politischen Systemen, die auch die von Moralen und Ethiken geprägten
Verständnisse von Gerechtigkeit bestimmen.
Ob das Recht durch den ethischen Begriff der Gerechtigkeit als ‘richtiges’ Recht
begründet werden kann – und wenn ja: was ‘Gerechtigkeit’ bedeutet – ist umstritten.
Bei Radbruch lautet die Antwort Ja: Die Idee des Rechts kann keine andere sein als
die Gerechtigkeit, eine Gerechtigkeit, die nicht «am positiven Recht, sondern an der
das positive Recht gemessen wird». 37 Bei Kelsen lautet sie Nein: «Wenn wir aus der
geistigen Erfahrung der Vergangenheit irgend etwas lernen können, ist es dies, daß die
menschliche Vernunft nur relative Werte begreifen kann, und d. h. daß das Urteil, mit
dem etwas für gerecht erklärt wird, niemals mit dem Anspruch auftreten kann, die
Möglichkeit eines gegenteiligen Werturteils auszuschließen. Absolute Gerechtigkeit
ist ein irrationales Ideal.» 38 Kann die Schlichtung des Streits über gerechtes Recht nur
vom Recht selbst erwartet werden? Oder kann eine Ethik diese Aufgabe erfüllen? Ob
eine bestimmte Ethik – wenn ja: welche? wenn nein: was bzw. wer an ihrer Stelle? –
Chancen hat, unter den Bedingungen des Pluralismus Gehör zu finden, ist fraglich.
Die Frage lautet nicht, ob eine normative Antwort auf die defizitäre Wirklichkeit
von Ungerechtigkeit möglich und sinnvoll ist. Fraglich ist vielmehr die Ebene der
Normenentstehung und -geltung. Weil es nicht die ethische Letztbegründung gibt, die
auf allgemeinen Konsens hoffen könnte, tritt das Recht an die Stelle der miteinander
konkurrierenden und hoffnungslos um Zustimmung werbenden Ethiken. Einen guten
Grund dafür, warum dies so ist, nennt Kelsen: «Gäbe es Gerechtigkeit in dem Sinne,
in dem man sich auf ihre Existenz zu berufen pflegt, wenn man gewisse Interessen
gegen andere durchsetzen will, dann wäre das positive Recht völlig überflüssig und
seine Existenz ganz unbegreiflich.» 39
Recht und Gerechtigkeit sind oft nicht in Übereinstimmung, denken wir etwa
an verletzte Geschlechtergleichheit oder an Defizite sozialer Gerechtigkeit, die das
bestehende Rechtssystem nicht verhindert. Was gerechtes Recht sein soll, ergibt sich
ex negativo, aus Unrechtserfahrung, aus dem, was nicht sein soll – aus der Verletzung
der Würde der Menschen und aus den aus der Würdenorm ableitbaren Ansprüche
auf Gerechtigkeit. Gerechtigkeit soll das Fundament des Rechts und der Maßstab zur
Beurteilung dessen sein, was nicht rechtens ist. Im pluralistischen demokratischen
35 Dreier
2004, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 37.
der Verfassung des Landes Brandenburg vom 20. August 1992 folgt entsprechend auf Art. 7 Abs. 1 –
«Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen
Gewalt und Grundlage jeder solidarischen Gemeinschaft» – Abs. 2 «Jeder schuldet jedem die Anerkennung
seiner Würde.»
37 Radbruch [1932] 1999, 34 f.
38 Kelsen [1953] 2000, 49.
39 Kelsen [1934] 1985, 15.
36 In
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Hans Jörg Sandkühler
Rechtsstaat können allerdings nicht alle individuellen Gerechtigkeitsansprüche juridisch garantiert werden, sondern nur diejenigen, zu denen ein allgemeiner Konsens
der Normadressaten erreicht werden kann. Gerechtigkeit als Fundament des Rechts
erstreckt sich in erster Linie auf Chancengleichheit und -gerechtigkeit, Verteilungsgerechtigkeit und prozedurale Gerechtigkeit (faire Verfahren im Rechtsstaat). Zwar ist
der öffentliche zivilgesellschaftliche Gerechtigkeitsdiskurs, der sich auch im Rahmen
der Ethik entfaltet, für die Rechtsentwicklung unverzichtbar, aber er wird erst im
Rahmen des Rechts wirksam, in dem eine individuelle Interessen übergreifende intraund transkulturelle Verständigung über ein ‘gutes Leben’ und über die zu dessen
Verwirklichung notwendigen Verfahren, Institutionen und Mechanismen möglich ist.
Wer wie ich gegen ethische Letztbegründungen argumentiert, plädiert damit
keineswegs auch schon für ethischen und moralischen Relativismus. Er stellt nur
die Fragen anders, indem er sie angesichts des faktischen Pluralismus der Verhaltenseinstellungen aus solchen der Ethik in die des Rechts übersetzt. Dessen Grundnorm
existiert im Rechtssatz über die Achtung und den Schutz der menschlichen Würde
und in seiner Konkretisierung im Recht der Menschen- und Grundrechte. Dass diese
normative Ordnung existiert, bedeutet freilich noch nicht, dass sie im Handeln von
Individuen, Gruppen und Staaten respektiert wird. Doch genau diese Faktizität
verlangt nach der Verteidigung ihrer Geltung.
Normen, die die ‘klassischen’ Ansprüche auf Gleichheit und Freiheit sowie die in
der 2. und 3. Generation der Menschenrechte formulierten Ansprüche auf Gerechtigkeit, Partizipation, Solidarität und selbstbestimmte Entwicklung sichern, können
nur Rechtsnormen sein. Ich spreche nicht von irgendwelchen Rechtsnormen, sondern
vom Normensystem der positivierten Menschenrechte, das Legalität und Legitimität
vereint, und von den Grundrechten der Verfassung. Dieses Normensystem verschafft
der rechtsstaatlichen Demokratie eine Legitimationsbasis, die im parlamentarischen
Mehrheitsprinzip allein nicht mehr gegeben ist; die Menschen- und Grundrechte
sind in ihrer positivierten Form der Maßstab zur Beurteilung der Akzeptabilität von
Mehrheitsentscheidungen.
Dieses Rechtsnormensystem ist der Spiegel einer universalisierbaren und universalisierten
Moral. Es ist ‘die’ Moral, die in der gegenwärtigen Welt den breitest möglichen
Konsens auf sich vereinigt. Dieses Recht, das zugleich Moral ist, gilt für alle, weil
es gegenüber Ideologien, Weltanschauungen, Religionen und daraus abgeleiteten
subjektiven, partikulären Präferenzen neutral ist.
Die ständige Zunahme von Individualbeschwerden bei Verfassungs- und Menschenrechtsgerichtshöfen signalisiert, in welchem Maße Menschenwürde- und Menschenrechtsverletzungen als Unrecht wahrgenommen werden, dem mit den Mitteln
des Rechts zu begegnen ist. Das Recht auf Würde und der Anspruch auf Schutz vor
Verletzung sind zu konstitutiven Elementen des Alltags- und Rechtsbewusstseins von
immer mehr Menschen geworden. Sie sind in individuellen Überzeugungsssystemen zu
relativ stabilen moralischen Intuitionen internalisiert worden.
Die Menschenrechte sind in Rechtsnormen transformierte moralische Ansprüche.
Sie «tragen ein Janusgesicht, das gleichzeitig der Moral und dem Recht zugewandt
ist. Ungeachtet ihres moralischen Inhalts haben sie die Form juristischer Rechte. Sie
beziehen sich wie moralische Normen auf alles, ‘was Menschenantlitz trägt’.» 40 Dass
sie auch der Moral ‘zugewandt’ sind, bedeutet allerdings (i) nicht, dass die sich aus
ihr ergebende individuelle und kollektive Verhaltensverpflichtung in mehr als in den
40 Habermas 1999b, 216. Vgl. Habermas 1999a, 4: «Menschenrechte weisen [. . . ] ungeachtet ihres rein
moralischen Gehalts die strukturellen Merkmale von subjektiven Rechten auf, die von Haus aus darauf
angewiesen sind, in einer Ordnung zwingenden Rechts positive Geltung zu erlangen.»
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Menschenwürde und Menschenrechte
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Menschenrechten als moralischem Konsens gründen muss; und es bedeutet (ii) nicht,
dass ihre Wahrung mehr als die Legalität individuellen und kollektiven Handelns
voraussetzt. Dass die Menschenrechtsnormen moralische Inhalte haben, bedeutet
(iii) nicht, dass alle moralischen Ansprüche menschenrechtlich positiviert sind bzw.
positiviert werden müssen. Rechtliche Normierung in Form der Menschenrechte
betrifft existenziell wesentliche Bedürfnisse; Menschenrechte sind fundamentale Rechte:
«Die Beschränkung der Gegenstände der Menschenrechte auf das, was für die Existenz
oder die Autonomie des Menschen fundamental ist, bedeutet, dass der Bereich der
Menschenrechte nicht mit dem der Gerechtigkeit übereinstimmt.» 41
7
Menschenwürde und soziale Menschen- und Grundrechte
Der Vergleich zwischen der rechtlichen Universalität der Menschenrechte und ihrer faktisch oft unzureichenden Verwirklichung führt auf die Notwendigkeit der
Staatskritik, der Kritik an einer Staatlichkeit unter dem Niveau von Rechts- und
Sozialstaatlichkeit. In der Sphäre des Rechts bedeutet ‘Menschenwürde’ nicht nur,
Abwehrrechte gegen den Staat zu haben, sondern auch den legitimen Anspruch auf
soziale Teilhabe- und Gewährleistungsrechte im Staat. Die Anerkennung der in der
Menschenwürde gründenden Rechte erfordert gesellschaftliche Verhältnisse, in denen
ihr Schutz sowohl durch den Rechtsstaat als auch durch den Sozialstaat institutionell
gesichert ist – gesellschaftliche Verhältnisse ohne Armut und Hunger, ohne soziale
Exklusion und Diskriminierung.
Die Europäische Sozialcharta (ESC) vom 18. Oktober 1962 verpflichtet die Staaten,
den «wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu fördern, insbesondere durch die
Erhaltung und Weiterentwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten» (Präambel). Im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
(IPwskR) vom 16. 12. 1966 verpflichten sich die Vertragsstaaten «in der Erwägung,
dass nach den in der Charta der Vereinten Nationen verkündeten Grundsätzen die
Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft innewohnenden
Würde und der Gleichheit und Unveräusserlichkeit ihrer Rechte die Grundlage von
Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet», und «in der Erkenntnis, dass
sich diese Rechte aus der dem Menschen innewohnenden Würde herleiten», «einzeln
und durch internationale Hilfe und Zusammenarbeit, insbesondere wirtschaftlicher
und technischer Art, unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen
zu treffen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln, vor allem durch gesetzgeberische Maßnahmen, die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten
Rechte zu erreichen». 42 In dem mit Resolution 63/117 am 10. Dezember 2008 von der
Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedeten, die Individualklage
ermöglichenden Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte wird erneut erklärt, «dass alle Menschenrechte und
Grundfreiheiten allgemein gültig und unteilbar sind, einander bedingen und miteinander
verknüpft sind». 43
Die Würdenorm und die sie konkretisierenden Menschen- und Grundrechte verpflichten «die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung dazu,
auch im Bereich der Gesellschaft für die Verwirklichung der Grundentscheidungen
zu sorgen, die der Verfassungsgeber durch Normierung der Grundrechte getroffen
hat. [...] der Staat selbst [ist] als primärer Adressat der Grundrechtsartikel verpflichtet,
41 Alexy
1998, 251.
Tl. II, Art. 1 Abs. 2.
43 Hervorh. v. mir.
42 IPwskR,
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Hans Jörg Sandkühler
diese Bindungen der Staatsgewalt auch bei der rechtlichen Regelung, Überwachung
und Lenkung der Gesellschaft zu beachten. Was aber für die Grundrechte gilt, trifft
auch auf die Grundprinzipien der Sozialstaatlichkeit, der Rechtsstaatlichkeit und
der Demokratie zu. Auch sie sind verfassungsrechtliche Grundentscheidungen für
alle Bereiche des Rechts.» 44 Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat, «für einen
Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung» 45 zu
sorgen.
Doch im GG sind soziale Rechte nur marginal verankert. Das Sozialstaatsprinzip
des GG ist eine allgemeine, weitgehend abstrakte Norm und ein Postulat, eine
Staatszielbestimmung, deren Inhalt unterbestimmt ist. Es ist laut BVerfGE «ein der
konkreten Ausgestaltung in hohem Maße fähiges und bedürftiges Prinzip». 46
Eine weit radikalere kritische Position hierzu hat der Jurist und sozialistische
Politikwissenschaftler Wolfgang Abendroth bereits in den 1950er Jahren vertreten.
Für ihn hatte das Ende der Weimarer Republik historisch bewiesen, «dass auf lange
Sicht in unserer Zeit Demokratie als bloß formale Demokratie nicht mehr möglich ist,
und dass mit der formalen Demokratie auch die durch den Liberalismus entwickelten
kulturellen Werte verschwinden müssen, wenn es nicht gelingt, durch Umwandlung
der formalen Demokratie des Staates in die soziale der Gesellschaft einer positiven
Lösung zuzusteuern». Er machte geltend: «Das entscheidende Moment des Gedankens der Sozialstaatlichkeit im Zusammenhang des Grundgesetzes besteht also
darin, dass der Glaube an die immanente Gerechtigkeit der bestehenden Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung aufgehoben ist, und dass deshalb die Wirtschafts- und
Gesellschaftsordnung der Gestaltung durch diejenigen Staatsorgane unterworfen,
wird, in denen sich die demokratische Selbstbestimmung des Volkes repräsentiert.» 47
Abendroths Forderungen haben sich in der Verfassungsrechtslehre in Deutschland
nicht durchgesetzt. In jüngerer Zeit hat Konrad Hesse erklärt, Gewährleistungen «wie
etwa das Recht auf Arbeit, auf ein angemessenes Arbeitsentgelt oder das Recht auf
Wohnung» seien «von gänzlich anderer Struktur als die der klassischen Grundrechte.»
Sie ließen «sich nicht schon dadurch realisieren, daß sie ausgestaltet, respektiert und
geschützt werden», sondern verlangten «staatliche Aktionen zur Verwirklichung
des in ihnen enthaltenen sozialen Programms, die regelmäßig ein Tätigwerden nicht
nur des Gesetzgebers, sondern auch der Verwaltung erfordern». Anders als bei
den klassischen Grundrechten habe «der Staat die Voraussetzungen der Erfüllung
dieses Programms nicht ohne weiteres in den Händen; die Verwirklichung sozialer
Grundrechte kann zudem oft zu einer Beeinträchtigung der Freiheitsrechte anderer
führen. Derartige Rechte können daher nicht, wie dies für die Grundrechtsauffassung
des Grundgesetzes wesentlich ist, unmittelbare, gerichtlich verfolgbare Ansprüche
des Bürgers begründen.» 48
Es ist zwar de facto zutreffend, dass der Staat die Voraussetzungen der Realisierung
des Sozialstaatsprinzips (noch) nicht in den Händen hat. Aber hieraus zu schließen,
er könne und werde oder solle sie nicht in Händen haben, wäre ein merkwürdiger
Schluss vom Sein aufs Sollen. Der Schutz der Menschenwürde verlangt in einem
Rechtsstaat, der diesen Namen verdient, nicht nur nach politischer Rechtssicherheit
und Verbürgung politischer Freiheitsrechte, sondern auch nach sozialer Gerechtigkeit.
Auch soziale Rechte sind Freiheitsrechte. Der Rechtsstaat ist intrinsich Sozialstaat. Dies
44 Bäumlin
1989 Stein Art. 20 Abs. 1-3 II Rn. 46-49.
22, 180 (22).
46 BVerfGE 5, 85 (198).
47 Abendroth 1949-1955, 343.
48 Abendroth 1949-1955, 208.
45 BVerfGE
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Menschenwürde und Menschenrechte
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bedeutet: Die Bürger sind im Staat nicht nur formal ‘vor dem Gesetz’ gleich, sondern
haben als im Recht Gleiche auch Anspruch auf den Schutz vor sozialer Ungleichheit und
sozialer Ungerechtigkeit. Der Sozialstaat ist sowohl Staatsziel (soziale Gerechtigkeit)
als auch Staatsstrukturmerkmal (sozialer Mindeststandard).
Ernst Bloch hat in Naturrecht und menschliche Würde hervorgehoben, «daß weder
menschliche Würde ohne ökonomische Befreiung möglich ist noch diese, jenseits von
Unternehmern und Unternommenen jeder Art, ohne die Sache Menschenrechte. Beides
geschieht nicht automatisch im selben Akt, sondern ist wechselseitig aufeinander
angewiesen, bei ökonomischem Prius, humanistischem Primat. Keine wirkliche
Installierung der Menschenrechte ohne Ende der Ausbeutung, kein wirkliches Ende der
Ausbeutung ohne Installierung der Menschenrechte.» 49 De facto steht der Sozialstaat
jedoch unter den heute gegegeben Bedingungen vor der paradoxen Aufgabe, die mit
der ‘freien’ Marktwirtschaft verbundene Tendenz zur Ungleichheit auszugleichen und
zugleich die bestehende Wirtschaftsordnung zu stabilisieren. 50
Im Gegensatz zur Würdegarantie zerstört «eine Politik, die vorgibt, den Bürgern
ein selbstbestimmtes Leben primär über die Gewährleistung von Wirtschaftsfreiheiten
garantieren zu können, [. . . ] das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Kategorien von Grundrechten. Die Menschenwürde, die überall und für jedermann ein und
dieselbe ist, begründet die Unteilbarkeit der Grundrechte. « 51 Nicht die Würde ist an
den Verhältnissen zu messen, sondern die Verhältnisse an der Würde. Gelingt dies
nicht, trägt dies wesentlich zur Legitimitätskrise von Staat und Politik bei.
Nur der demokratische Rechts- und Sozialstaat, in dessen Verfassung die Menschenwürde der oberste Wert ist und der die Menschenrechte auf ihrem juridisch
höchstentwickelten Niveau garantieren muss, hat die Kraft, allen Individuen auf die
ihnen angemessene Weise die Einheit von Gleichheit und Freiheit unter Bedingungen
der Gerechtigkeit zu garantieren und so in der Gesamtheit aller Grund- und Menschenrechte die individuelle Würde zu schützen: Die «Grundrechte [sind] insgesamt
Konkretisierungen des Prinzips der Menschenwürde». 52
Dass der Rechtsstaat in vielen Gesellschaften gar nicht oder nur teilweise verwirklicht ist, ist unbestreitbar. Die faktische Verletzung der Menschenwürde und
der Menschenrechte mindert aber die Geltung der Rechtsnormen nicht. Ihre Geltung begründet überhaupt erst die Möglichkeit und Notwendigkeit der Kritik an
Normverletzungen. Wer Verletzungen beklagt, setzt einen Maßstab voraus. Der im
Unterschied zu moralischen Intuitionen angemessene, weil erfüllbare Maßstab sind
die Rechtsnormen.
Es geht darum, dass das Alltagsbewusstsein mit seinen moralischen Intuitionen
von einem Rechts- und Unrechtsbewusstsein bestimmt ist, für das die Norm der Unantastbarkeit der Menschenwürde und das Gebot, die Menschenrechte nicht zu verletzen,
zum handlungsleitenden Tabu geworden ist.
49 Block
1961, 13.
diese Ambivalenz hat Eduard Heimann bereits 1929 in Soziale Theorie des Kapitalismus hingewiesen;
er sprach vom «konservativ-revolutionäre[n] Doppelwesen», der «Doppelstellung der Sozialpolitikls
Fremdkörper und zugleich als Bestandteil im kapitalistischen System» (Heimann [1929] 1980, 168).
51 Habermas 2010, 347.
52 BVerfGE, 1 BvR 426/02 vom 11. 3. 2003 (26); Hervorh. v. mir.
50 Auf
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