Kolorektale Karzinome Häufigkeit, Histologie Häufigkeit, Inzidenz Nach den Daten des Robert-Koch-Instituts 2005 ist das kolorektale Karzinom (KRK) in Deutschland nach dem Mammakarzinom das zweithäufigste Malignom der Frau und nach dem Bronchial- und dem Prostatakarzinom der dritthäufigste maligne Tumor beim Mann. Die weltweite Inzidenz wird auf 1 Mio/Jahr geschätzt. Die höchsten Inzidenzraten werden in Europa und Nordamerika, die niedrigsten in unterentwickelten afrikanischen und asiatischen Ländern beschrieben. In Deutschland beträgt die Inzidenz je etwa 81/100.000 pro Jahr bei Frauen und Männern. Die Mortalität nimmt allerdings stetig ab und liegt bei 34,0 für die Männer und 36,4 für die Frauen pro 100.000 Einwohner. Insgesamt werden jährlich etwa 63.000 Neuerkrankungen in Deutschland gezählt. Das Lebenszeitrisiko, ein KRK zu entwickeln, liegt für die Normalbevölkerung bei 6%. Insgesamt sterben an dieser Erkrankung in Deutschland etwas 30.000 Menschen pro Jahr. Alters- und Geschlechtsverteilung Weniger als 10% der Patienten sind zum Zeitpunkt der Diagnose jünger als 50 Jahre. 70% der Erkrankungen werden im Alter zwischen 50-80 Jahren diagnostiziert. Das mittlere Erkrankungsalter liegt für Männer bei 67 Jahren, für Frauen bei 72 Jahren. Männer haben ein höheres Risiko als Frauen. Das betrifft vor allem das Rektumkarzinom. Ätiologie Molekularbiologische Untersuchungen untermauern die seit langem aus der Histologie bekannte Adenom-Karzinom-Sequenz Die Vorstufe des KRK ist das Adenom der Dickdarmschleimhaut, der sogenannte „Dickdarmpolyp“. Das Adenom stellt eine epitheliale Proliferation dar, die mit dem Verlust der zellspezifischen Differenzierung und Strukturveränderungen der Drüsen einhergeht und meist exophytisch in das Darmlumen wächst (tubuläres, villöses Adenom). Seltener liegt ein flaches Adenom vor. Die Zeit von der Entdeckung eines Adenoms bis zum Auftreten des Karzinoms kann bis zu 20 Jahre betragen. Bei belassenen kolorektalen Polypen ist mit einer Karzinomentstehung im Bereich der primär diagnostizierten Polypen zu rechnen. Bei Polypen > 1 cm beträgt das kumulative Karzinomrisiko nach 5 Jahren 4% nach 10 Jahren 14 % nach 20 Jahren 35 % Resektionspräparate. Links: Adenom Rechts: Adenom mit bereits eingetretener karzinomatöser Transformation. Karzinome in gestielten und flachen Adenomen Invasionszonen des Karzinoms in einem gestielten und in einem flachen Adenom. Karzinome in flachen Adenomen invadieren vergleichsweise frühzeitig die Submukosa. Demgegenüber ist bei einem gestielten Adenom eine längere Strecke des Tumorwachstums nötig, um die Submukosa zu erreichen. Jeder Tumor, der die Muscularis mucosae penetriert, kann potentiell Metastasen setzen. 179 Kolorektale Karzinome Polypen, intraepitheliale Neoplasien Polyp beschreibt einen makroskopisch sich über das Schleimhautniveau vorwölbenden Befund, ohne dass damit eine Stellung zur Dignität des Polypen genommen wird. Man unterscheidet neoplastische und nichtneoplastische Polypen. Neoplastische Polypen Nicht-neoplastische, tumorähnliche Polypen Adenom nach dem Wachstumsmuster: tubulär, villös, tubulovillös, flach, depressed, serrated, aberranter Kryptfokus nach der Ausdehnung: diminutive, advanced Polypöses Karzinom Hyperplasie (z.B. Hyperplastischer Polyp) Polypoider endokriner Tumor Nichtepitheliale Tumoren (Lipom,Leiomyom,Hämangiom, Lymphangiom, GIST) Hamartom (z.B. Peutz-Jeghers-Polyp, Juveniler Polyp, Ganglioneurom) Inflammatorischer Polyp (z.B. inflammatorischer fibroider Polyp, benigner lymphoider Polyp, inflammatorischer kloakogener Polyp) Heterotopie (z.B. Pankreasheterotopie, Corpusheterotopie) Weitere (z.B. Lipohyperplasie der Ileozökalklappe, überzählige Schleimhautfalte, Malakoplakie) Neoplastische Polypen Unter die neoplastischen Polypen fallen auch die Polypen, die bisher Adenome genannte wurden, die aber nach der neuen WHO-Klassifikation als intraepitheliale Neoplasien bezeichnet werden. Von klinisch prognostisch entscheidender Bedeutung bei der Unterscheidung der einzelnen Neoplasien ist die Intaktheit der Lamina muscularis mucosae, einer dünnen Muskelschicht, die Mucosa und Submucosa trennt. Unabhängig, ob eine schwere Dysplasie, ein fokales Karzinom, ein Carcinoma in situ oder ein intramukosales Karzinom usw. lumenseitig dieser Grenzlinie vorliegen, kommt es mangels transportierender Lymphgefäße zu keiner Metastasierung. Deshalb werden diese Neoplasien nach der WHO/Wien-Klassifikation auch nicht als Karzinome, sondern als hochgradig intraepitheliale Neoplasie bezeichnet. Eine lymphogene Metastasierung ist erst möglich, wenn das Karzinom oder das Karzinom im Adenom die Muscularis mucosae durchbricht und in der Submucosa Lymphgefässe infiltriert. WHO/Wien-Klassifikation: Einteilung und Terminologie der kolorektalen intraepithelialen Neoplasien Kategorie 1 Keine Neoplasie Kategorie 2 „indefinite“ für Neoplasie Kategorie 3 Geringgradige Neoplasie der Schleimhaut Mucosal low grade intraepithelial neoplasia (LGIN) Kategorie 4 Hochgradige Neoplasie der Schleimhaut Hochgradige intraepitheliale Neoplasie (HGIN) Intraepithelial: Adenom mit schwerer Dysplasie, Carcinoma in situ Intramucosal: intramucosales Karzinom, V.a. invasives Karzinom Kategorie 5 Submukosales invasives Karzinom (Frühkarzinom T1, fortgeschrittene Karzinome >T1) Nicht neoplastische Polypen Verschiedene Typen siehe Tabelle oben. Die hyperplastischen Polypen (meist < 5 mm) sind die häufigsten nicht neoplastischen Kolonpolypen. Hyperplastische Polypen können in eine intraepitheliale Neoplasie, die dann „serrated adenoma“ genannt wird, und nachfolgend in ein Karzinom übergehen. Von einem „serrated adenoma“ spricht man, wenn histologisch sägeblattartige Krypten mit Dysplasien des Oberflächenepithels und vermehrten Mitosen vorliegen. 180 Kolorektale Karzinome Adenom-Karzinom-Sequenz, Molekulare Pathogenese Nachdem bereits vor 30 Jahren der Begriff „Adenom-Karzinom-Sequenz“ geprägt wurde, der die Entwicklung des invasiven Karzinoms über adenomatöse Zwischenstadien über Jahre hinweg beschreibt, sind heute auch die molekularen Mechanismen bekannt, die dabei eine entscheidende Rolle spielen. Es werden zwei molekular definierte Gruppen kolorektaler Karzinome postuliert: Chromosomale Instabilität (CIN)-Gruppe, mikrosatellitenstabil, LOH-positiv Der wesentliche Schritt zur Kanzerisierung ist eine somatische Mutation und/oder der Verlust der Heterozygotie (Loss of heterozygosity, LOH) auf Chromosom 5 im Bereich des APC-Gens, das hierdurch inaktiviert wird. Die Ursache für die Mutation können epigenetische Ereignisse infolge von Karzinogenen sein wie Rauchen, heterozyklische Amine sowie Folsäuremangel, niedrige Methioninzufuhr sowie hoher Alkoholkonsum mit veränderter Methylierung. Durch klonale Akkumulation weiterer genetischer Veränderungen, wie Aktivierung der Proto-Onkogene c-myc und k-ras (Chromosom 12q) sowie Inaktivierung weiterer Tumorsuppressorgene schreitet die Tumorgenese fort. Zu den Genen, die bei diesem Prozess inaktiviert werden, gehören Gene auf Chromosom 18 (DCC, DPC4, JV18, SMAD2). Der Übergang vom späten Adenom in das manifeste Karzinom wird wahrscheinlich erst möglich durch eine weitere Mutation, nämlich LOH von Chromosom 17p und eine Mutation von p53. Das mutierte p53-Protein kann seine Regulationsaufgaben für andere Gene nicht mehr wahrnehmen. Dieser molekulare Mechanismus der chromosomalen Instabilität (CIN) mit Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen findet sich bei 80-85% aller KRK. Mikrosatelliteninstabilitätsgruppe MSI-positiv Die zweite Gruppe, die Mikrosatelliteninstabilität-positive Gruppe genannt wird, ist charakterisiert durch genetische Instabilität an den Mikrosatellitenloci. Die Mikrosatelliten-DNA ist eine kurze Nukleotidsequenz, die an einem bestimmten Locus auf einem individuellen Chromosom normalerweise in umschriebener Zahl vorkommt. Die MSI wird durch einen DNA-Mismatch-Reparatur-Gen-Defekt verursacht. Diese Reparaturgene erkennen normalerweise während der DNA-Replikationen falsch in den neuen Strang eingebaute Nukleotide, deren Basen sich nicht mit denen des alten Strangs paaren können („mismatch“), und ersetzen diese. Bei Ausfall dieses Reparatursystems kommt es im Verlauf weiterer Zellteilungen zur Anhäufung von Mutationen in den Tochterzellen. Sind Tumorsuppressor-Gene davon betroffen, kann die maligne Entartung der Tochterzelle die Folge sein. MSI-positive Karzinome sind charakteristisch für das HNPCC (hereditary non polyposis colorectal cancer), aber auch 15-20% der sporadischen Karzinome sind MSI-positiv. Sie sind diploid und zeigen keine Allelverluste auf Chromosom 17 oder 18. Multistep-Karzinogenese des kolorektalen Karzinoms aus Siegenthaler et al. Klinische Pathophysiologie 2006 181 Kolorektale Karzinome Erbliche CRC/Molekulargenetik Mehr als ein Viertel aller Patienten mit kolorektalen Karzinomen (KRK) haben nahe Verwandte mit der gleichen Tumorerkrankung. Auf einer autosomal-dominant erblichen Disposition beruhen etwa 5-10% aller KRK. Zu diesen genetisch bedingten KRK gehören die im folgenden aufgeführten Krankheitsbilder, die durch ein frühes Manifestationsalter und gehäuft multiples Auftreten gekennzeichnet sind: • Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) • HNPCC (hereditary non-polyposis colorectal cancer) • Hamartoma-Polyposis-Syndrome (HPS) Ungefähr 15-20 % der Patienten mit KRK haben eine Familienanamnese mit Dickdarmkrebs, ohne dass oben genannte Syndrome vorliegen. Ätiologisch spielen in diesen Fällen wahrscheinlich sowohl genetische als auch Ernährungs- und Umweltfaktoren eine Rolle. Ätiologie des kolorektalen Karzinoms Erbliche Disposition Zwei-Treffer-Hypothese von Knudson Nach Knudson (Proc Natl Acad Sci USA 68:920-923,1971) entstehen Tumore durch einen Funktionsverlust von Tumorsuppressorgenen. Dieser Funktionsverlust entsteht durch eine Mutation der entsprechenden Gensequenz. Alle autosomal kodierenden Gene liegen jedoch in zwei Kopien (Allelen) vor. Deshalb ist trotz Ausfall des einen Allels in der Regel die Funktion der Zelle intakt. Erst der Funktionsverlust des zweiten Allels in derselben Zelle („2 Treffer“) führt zum Ausfall der gesamten Genfunktion. Dies führt zu unkontrollierter Zellproliferation und maligner Entartung. In der allgemeinen Bevölkerung ist die Wahrscheinlichkeit relativ gering, dass eine Mutation in beiden Allelen derselben Zelle auftritt. Patienten mit erblicher Tumordisposition haben aber bereits von Geburt an in allen Zellen ein durch eine sogenannte Keimbahnmutation verändertes Allel. Das Risiko, dass es durch eine Mutation des intakten Allels zu einem Funktionsverlust des Gens kommt, ist deshalb in dieser Gruppe wesentlich erhöht. 182 Der Eisberg der Gene, die mutiert zum KRK disponieren. Bezeichnungen der bekannten mutierten Gene (nach Müller HJ et al.: Chir Gastroenterol 2000;16:207). Kolorektale Karzinome FAP – Hamartomatöse Polyposis Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) Bei der klassischen FAP treten hunderte bis tausende adenomatöser Polypen der Kolonschleimhaut auf. Der Erbgang der Erkrankung ist autosomal dominant mit nahezu 100% Penetranz. Erste Symptome treten in der Regel am Ende der 2. Lebensdekade auf, bei fehlender Behandlung kommt es ca. im Alter von 35 Jahren zu einer malignen Entartung der Adenome. Deshalb ist die Behandlung der Wahl eine prophylaktische Proktokolektomie. Ca. 70% der Patienten mit FAP weisen eine diagnostisch verwertbare kongenitale Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels (CHRPE) auf. Polypen können auch im Duodenum auftreten. Adenome werden auch in Kombination mit anderen extrakolonischen Manifestationen beobachtet. Diese werden eigenständig benannt: Gardner-Syndrom: Kolonpolyposis, Osteome des Kiefers und der langen Röhrenknochen, Epidermoidzysten/kutane Fibrome. Typische adenomatöse Polyposis coli. Aus: G.Rosenbusch, JWA Reeders, Klinische Radiologie, Endoskopie. Thieme-Verlag Turcot-Syndrom: Zusätzlich Hirntumoren wie Medullo- oder Glioblastom. Attenuierte FAP (AAPC, hereditary flat adenoma syndrome): mildere Verlaufsform, die sich durch eine geringere Polypenzahl und ein späteres Auftreten auszeichnet, jedoch auch ein sehr hohes KRK-Risiko hat. Genetische Grundlagen der FAP Keimbahnmutationen im Tumor-Suppressorgen APC (adenomatous polyposis coli) auf dem Chromosom 5q 21 führen zu einem inaktiven Genprodukt. Bisher wurden über 800 verschiedene Mutationen im APC-Gen identifiziert. Fast jede Familie hat ihre eigene Mutation. Derzeit lassen sich bei 65% der Familien mit FAP Keimbahnmutationen identifizieren. Die Zahl der Adenome und das Manifestationsalter sind von der Lage der Mutation im APC-Gen abhängig. Es besteht jedoch innerhalb der Familie eine große Variabilität, so dass auch zusätzliche Einflüsse, wie weitere modifizierende Gene und Umweltfaktoren wahrscheinlich eine Rolle spielen. Die Diagnose einer klassischen FAP erfolgt aufgrund des klinischen und histopathologischen Befundes. Die Identifizierung der Keimbahnmutation ist vor allem für Grenzfälle, zum Beispiel bei attenuierter FAP, und für die prädiktive Testung von Risikopersonen von Bedeutung. (Siehe auch „Früherkennung bei erhöhtem Risiko“). Hamartomatöse Polyposis Familiäre juvenile Polyposis (FJP) Dieser Typ liegt vor, wenn mindestens fünf „juvenile“ Polypen“ oder ein juveniler Polyp bei positiver Familienanamnese vorhanden sind. Juvenile Polypen weisen charakteristische pathomorphologische Merkmale auf. Das Risiko, bis zum 60. Lebensjahr an einem KRK zu erkranken liegt bei 20-60%. Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS) Hamartomatöse Polypen finden sich im Gastrointestinaltrakt, meist im Dünndarm und Magen, seltener im Kolon. Hamartomatöse Polypen haben ein geringeres Entartungsrisiko als Adenome. Anlageträger haben aber ein erhöhtes Risiko für kolorektale Karzinome und auch für andere intestinale und extraintestinale Tumore (Magen, Mamma, Pankreas u.a.). Eine Hamartom-Karzinomsequenz ist in Diskussion. Ursächlich ist eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die durch eine Keimbahnmutation des STKL/LKB1-Gens verursacht wird. Die bisher nachgewiesenen Keimbahnmutationen sind über das gesamte Gen verteilt und bei fast jeder Familie anders. Die klinische Diagnose ist gesichert bei Auftreten von typischen Pigmentflecken um die Lippen sowie der Mundschleimhaut und gleichzeitigem Vorliegen von Hamartomen. Cowden-Syndrom Beim autosomal vererbten Cowden-Syndrom finden sich multiple Hamartome in vielen Geweben einschliesslich des Darmes. Das Risiko ist insbesondere für Mamma- und Schilddrüsenkarzinome erhöht. Es liegen Keimbahnmutationen des PTEN-Gens vor. 183 Kolorektale Karzinome HNPCC Hereditäres nichtpolypöses KRK (HNPCC, Lynch-Syndrom) Das HNPCC ist die häufigste erbliche Form des kolorektalen Karzinoms (KRK). Die Diagnose lässt sich nicht eindeutig anhand des Phänotyps stellen, weshalb es nur Schätzwerte zur Prävalenz im Bereich von 2-10% gibt. Das HNPCC folgt ebenfalls einem autosomal dominanten Erbgang mit einer Penetranz von maximal 80% bis zum 75. Lebensjahr. Treten im Rahmen eines HNPCC ausschließlich KRK auf, so wird dies als LynchSyndrom I bezeichnet. Bei HNPCC-Patienten besteht jedoch auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, Malignome außerhalb des Kolons zu entwickeln. Bei KRK und extrakolonischem Karzinom spricht man von einem LynchSyndrom II. Das HNPCC ist charakterisiert durch ein frühes Manifestationsalter (durchschnittlich 45 Jahre) und eine Neigung zur Manifestation im proximalen Kolon. Die Tumore sind weniger differenziert und produzieren häufig exzessive Massen von Schleim (muzinöse KRK). Die klinische Diagnose HNPCC kann gestellt werden, wenn in der Familie der Betroffenen die sogenannten Amsterdam-Kriterien erfüllt sind (siehe folgende Seite). Neuere Studien zeigen jedoch, dass mit den strengen Amsterdam-Kriterien ein nicht unerheblicher Anteil der Mutationsträger nicht erkannt wird. Eine Studie aus Finnland fand heraus, dass bei Berücksichtigung aller Angehörigen mit Mutationsnachweis und nicht nur der Indexpatienten mit CRC aus bekannten Amsterdamfamilien das Erkrankungsalter mit knapp 61 Jahren deutlich höher lag (Hampel H et al., Gastroenterology 2005;129:415-21). Die weiter gefassten und vor kurzem überarbeiteten Bethesda-Kriterien (siehe folgende Seite) sind derzeit die beste Filtermethode für HNPCC. Mikrosatelliten-Instabilität Tumoren von Patienten, bei denen die Amsterdam Kriterien vorliegen, zeigen in ca. 80-90% der Fälle eine sogenannte Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Dieses Phänomen ist jedoch auch bei 15% der sporadischen CRC nachweisbar. Die Mikrosatelliten-DNA ist eine kurze Nukleotidsequenz, die an einem bestimmten Locus auf einem individuellen Chromosom normalerweise in umschriebener Zahl vorkommt. Die MSI wird durch eine Mutation in einem DNA-Mismatch-Reparatur-Gen verursacht. Diese Reparaturgene erkennen normalerweise während der DNA-Replikationen falsch in den neuen Strang eingebaute Nukleotide, deren Basen sich nicht mit denen des alten Strangs paaren können („mismatch“), und ersetzen diese. Bisher sind 9 humane Mismatch-Reparatur-Gene bekannt, die in der Pathogenese des HNPCC eine Rolle spielen (hMSH2, hMLH1, hMSH6, hPMS1, hPMS2, hMSH5, hMSH3, hMSH4, hMLH3). Beim HNPCC liegen in ca. 70% Mutationen im hMSH2-Gen (Chromosom 2p21) oder hMLH1-Gen (3p21-23) vor. Diagnostik-Algorithmus Aufgrund dieser Erkenntnisse ist es möglich geworden, das HNPCC-Syndrom AC/Bethesda-Kriterien IHC molekulargenetisch zu diagnostizieren. Ein Problem dabei ist, dass die molekulargenetische Analyse der Mismatch-Reparaturgene durch unauffällig auffällig Sequenzierung relativ aufwendig und kostspielig ist. Außerdem wird nicht bei allen Familien, die die klinischen Kriterien erfüllen, auch eine unauffällig MSI Mutation in den oben angeführten Genen gefunden. auffällig Deshalb wird stufenweise vorgegangen. Anhand der Bethesda-Kriterien werden Patienten Keimbahnmutationssuche identifiziert, deren Tumorgewebe auf eine MSI untersucht werden soll. Die MSI-Analyse sollte mindestens 5 definierte Marker umfassen, von negativ positiv denen 2 oder mehr (>40%) eine Instabilität Derzeit ∅ weitere zeigen sollten. Die immunhistochemische (IHC) Gendiagnostik sinnvoll Analyse, die auf jeden Fall als Panel Antikörper Prädiktive Testung möglich gegen MSH2 und MLH1 umfassen soll, kann bei Engel C. et al. Int J Cancer 2006 hoher Übereinstimmung mit dem MSI-Befund auch dem MSI-Test vorgeschaltet werden. Bei positivem Ausfall der Immunhistochemie oder der MSI-Analyse erfolgt eine Mutationsanalyse im Blut. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss eine eingehende humangenetische Beratung erfolgen. 184 Kolorektale Karzinome HNPCC-Amsterdam-/ Bethesda-Kriterien Für eine einheitliche Erfassung von Patienten mit hereditärem nicht-polypösem Kolonkarzinom (HNPCC) aufgrund klinischer Daten wurden 1991 die Amsterdam-Kriterien festgelegt. Die Amsterdam-II-Kriterien berücksichtigen auch weitere, häufig auftretende Tumoren aus dem HNPCC-typischen Spektrum. Die 1996 definierten Bethesda-Kriterien sind weiter gefasst, um die Gefahr einer Nichterkennung von Risikopersonen zu verringern. Sie wurden 2004 überarbeitet aufgrund der Kenntnis, dass HNPCC auch in höherem Alter auftreten können als bisher angenommen. Amsterdam-Kriterien I (klassische Amsterdam-Kriterien) In der Familie müssen mindestens 3 Personen an einem kolorektalen Karzinom erkrankt sein, wobei alle folgenden Kriterien erfüllt sein müssen: 1. Einer der drei Patienten ist ein Verwandter ersten Grades der beiden anderen Erkrankten. 2. Mindestens zwei aufeinanderfolgende Generationen sind betroffen. 3. Mindestens ein kolorektales Karzinom wurde vor dem 50.Lebensjahr diagnostiziert. 4. Eine familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) ist ausgeschlossen. 5. Die Tumoren sind histopathologisch verifiziert. Amsterdam-Kriterien II (erweiterte Kriterien 1998) In der Familie müssen mindestens 3 Personen an einem HNPCC-assoziierten Tumor erkrankt sein, wobei alle folgenden Kriterien erfüllt sein müssen: 1. Einer der drei Patienten ist ein Verwandter ersten Grades derbeiden anderen Erkrankten. 2. Mindestens zwei aufeinanderfolgende Generationen sind betroffen. 3. Mindestens ein kolorektales Karzinom wurde vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert. 4. FAP ist bei den CRC-Patienten ausgeschlossen. 5. Die Tumoren sind histopathologisch verifiziert. Überarbeitete Bethesda-Kriterien (Umar A. et al. J Natl Cancer Inst 2004; 261-268) Tumoren von Patienten, die eines der Mikrosatelliteninstabilität untersucht werden folgenden Kriterien erfüllen, sollen auf eine 1. Diagnose eines KRK vor dem 50. Lebensjahr 2. Diagnose von syn- oder metachronen kolorektalen oder anderen HNPCC-assoziierten Tumoren (Kolon, Rektum, Endometrium, Magen, Ovar, Pankreas, Ureter, Nierenbecken, biliäres System, Gehirn, v.a. Glioblastom, Haut, Dünndarm unabhängig vom Alter bei Diagnose. 3. Diagnose eines KRK vor dem 60. Lebensjahr mit typischer Histologie eines MSI-H-Tumors (Tumorinfiltrierende Lymphozyten, Crohn´s like Lesions, muzinöses oder siegelringzellige Differenzierung, medulläres Karzinom) 4. Diagnose eines KRK bei mindestens einem erstgradig Verwandten mit einem HNPCC-assoziiertem Tumor, davon Diagnose mindestens eines Tumors vor dem 50. Lebensjahr. 5. Diagnose eines KRK bei zwei oder mehr erstgradig Verwandten mit einem HNPCC-assoziierten Tumor, unabhängig vom Alter. Lebenszeitrisiko HNPCC-assoziierte (Chung DC. Ann Intern Med 2003;138:560-70) Tumorlokalisation Kolorektum Endometrium Magen Ovar Harnblase Niere Dünndarm Gehirn Hepatobiliäres System HNPCC (%) Normalbevölkerung (%) 80-82 50-60 13 12 4 3 1-4 4 2 5-6 2-3 1 1-2 1-3 1 0,01 0,6 0,6 185 Kolorektale Karzinome Prävention, Ernährungsfaktoren, Lebensgewohnheiten Genetische und epidemiologische Studien zeigen, dass ein CRC durch eine komplexe Interaktion zwischen genetischen Risikofaktoren und Umweltfaktoren entsteht. Vermutlich wird die Progression der primär genetisch determinierten Adenom-Karzinom-Sequenz durch Umweltfaktoren, insbesondere Ernährungsfaktoren bestimmt. Der World Cancer Research Fund schätzt, dass bis zu 50% der CRC durch diätetische Massnahmen vermeidbar sind (Potter J. 1997, World Cancer Research Fund, London, and American Institute for Cancer Research, Washington). In den bisher vorliegenden Studien ist es bisher aber noch nicht gelungen, diese Zusammenhänge im Detail zu charakterisieren und präventive Strategien zu entwickeln. Fett, Fleisch und Zubereitungsmethoden Die karzinogene Wirkung von fett- und cholesterinreicher Ernährung beruht zum einen auf einer erhöhten Produktion und hepatischen Ausscheidung von Gallensäuren und Cholesterin, zum anderen infolge Abbau durch Darmbakterien auf einer Konzentrationssteigerung toxischer sekundärer Gallensäuren. Zusammen mit verstärkt synthetisierten Triglyceriden und fäkalen Pentanen besteht ein großes Angebot an Karzinogenen. Die Menge des gesamten Fleischkonsums spielt keine Rolle, jedoch aber der Anteil an rotem Fleisch (Rind, Schwein, Lamm) und ein hoher Fettanteil. Bei hohen Kochtemperaturen beim Braten und Grillen entstehen aus tierischen Proteinen weitere Karzinogene. Während große geographische und internationale Unterschiede für die Inzidenz des KRK in enger Verbindung mit dem Pro-Kopf-Verbrauch für Fleisch und Fett bestehen, kommen zahlreiche große, auch aktuelle, epidemiologische Studien zu uneinheitlichen Ergebnissen. Ballaststoffe Lösliche Ballaststoffe induzieren im Darm infolge von Abbau durch anaerobe Darmbakterien eine gesteigerte Synthese von kurzkettigen Fettsäuren, denen ein protektiver Effekt zugeschrieben wird. Unlösliche Ballaststoffe führen über ein erhöhtes Stuhlvolumen zu einer Verdünnung von Karzinogenen im Darmlumen und durch eine Beschleunigung der Darmpassage zu einer verminderten luminalen Karzinogen-Exposition. Gemüse, Früchte und Getreide Für Gemüse, Früchte und Getreide wird in vielen retrospektiven Studien ein protektiver Effekt für Adenome und Karzinome, allerdings mit eher schwacher Assoziation beschrieben. Eine europäische Studie mit über 500.000 Personen (EPIC-Studie) aus 10 europäischen Ländern zeigte für die ersten 5 Jahre des Follow-up eine signifikante Reduktion des relativen Risikos für ein kolorektales Karzinom von 0,75 in Abhängigkeit von der täglichen Ballaststoffzufuhr. Vitamine, Spurenelemente und essentielle Aminosäuren Die Untersuchungsergebnisse sind uneinheitlich und es gibt keine Empfehlung zur Supplementierung. Ein möglicher Effekt ist für Selen beschrieben, möglicherweise auch für Calcium (mehr als 1250 mg/die), Folsäure und Methionin. Alkohol Die Studien zur Rolle des Alkohols sind uneinheitlich. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die entscheidende Einflussgrösse die absolute Äthanolmenge unabhängig von der Art des alkoholischen Getränks darstellt. In einer umfassenden Metaanalyse errechnet sich bei einem Alkoholkonsum von 25, 50 und 100 g/die ein relatives Risiko von 1,14, 1,21 und 1,32. Ein zusätzlicher Folsäure- und Methioninmangel erhöht das Karzinomrisiko dabei zusätzlich. Rauchen, Nikotin Für die Entwicklung adenomatöser kolorektaler Polypen zeigen zahlreiche Studien übereinstimmend für Zigarettenraucher ein 2-3fach erhöhtes Risiko. Für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms sind die Daten uneinheitlich. Eine aktuelle amerikanische Fallkontrollstudie ermittelte eine 50%ige Zunahme für ein KRK bei einem Konsum von mehr als 20 Zigaretten/die sowie eine 40%ige Risikosteigerung bei mehr als 35 Packungsjahren. Diese Risikosteigerung ist möglicherweise abhängig von genetischen Polymorphismen für N-Acetyltransferase und Cytochrom-P450. Körperliche Aktivität Es gibt mehrere Beobachtungsstudien, die einen protektiven Effekt von vermehrter körperlicher Aktivität im Hinblick auf ein KRK gefunden haben (Friedenreich CM et al., Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2001;10:287-301). Die mittlere relative Risikoreduktion durch vermehrte körperliche Aktivität beträgt zwischen 40-50%. Eine aktuelle prospektive Beobachtungsstudie (Meyerhardt J. et al., J Clin Oncol 2006; 24:3535-3541) zeigte für Patienten im Stadium III nach Operation und adjuvanter Chemotherapie ebenfalls eine signifikante Verbesserung des krankheitsfreien und des Gesamtüberlebens in derselben Größenordnung bei körperlicher Aktivität, die standardisiert gemessen wurde. Evidenz nach Experten-Gremium der WHO und der FAO (Food and Agriculture of the UN) Risikoreduktion: durch körperliche Aktivität überzeugend, durch Ballaststoffe möglich. Risikoerhöhung: durch Übergewicht überzeugend, durch verarbeitete Fleischwaren wahrscheinlich. 186 Kolorektale Karzinome Chemoprävention Acetylsalicylsäure Mehrere placebokontrollierte Phase-III-Studien fanden bei Patienten nach Adenomabtragung oder nach KRK eine signifikant niedrigere Adenom-Inzidenzrate unter Aspirineinnahme bereits nach einem Jahr Nachbeobachtungszeit. Dabei korrelieren sowohl die Dauer der Aspirineinnahme als auch die Aspirindosierung mit der bis zu 50%igen Reduktion des relativen Risikos, ein KRK zu entwickeln und daran zu versterben. Auf der DDW 2006 (Digestive Disease Week) wurden die Ergebnisse der uKCAP-Studie vorgestellt, in der der Effekt von 300 mg ASS auf die Rezidivhäufigkeit kolorektaler Adenome untersucht wurde. Es zeigte sich bei dieser randomisierten Doppelblindstudie mit 945 Adenomträgern (>0,7 cm) eine signifikante Senkung der Rezidivrate um 21% (Logan RF et al., DDW 2006, Abstract 438). Diese Studie unterstreicht die Effektivität von ASS. Zu bedenken sind jedoch die potentiellen Nebenwirkungen der Therapie. Sulindac Durch eine Sulindac-Behandlung konnte bei FAP-Patienten sowohl eine Reduktion der Polypengröße als auch der Polypenzahl erzielt werden. Inwieweit diese Adenomreduktion den weiteren Verlauf der FAP und die Mortalität beeinflusst, muss in weiteren Studien überprüft werden. Selektive COX2-Inhibitoren (COXIBE) Ebenfalls auf der DDW 2006 wurden die Resultate von 2 großen Studien (preSAP, APC) vorgestellt, in denen die Wirkung des COX2-Hemmers Celecoxib auf die Rezidivrate kolorektaler Adenome untersucht wurde. Es fand sich eine signifikante dosisabhängige Senkung der Rezidive um 33-45%. Bereits 2005 war gezeigt worden, dass unter der Medikation mit 25 mg Rofecoxib die Rezidivrate kolorektaler Adenome um 25% gesenkt werden konnte (APPROVE-Studie). Aufgrund der kardiovaskulären Nebenwirkungen der COX2-Hemmer, die u.a. in der APC und der APPROVEStudie auftraten und zur Marktrücknahme von Rofecoxib geführt haben, werden die Coxibe in der Prävention von Adenomen wohl eher nicht weiter eingesetzt werden. Statine In Tiermodellen zeigen Statine eine Senkung der Entstehung kolorektaler Karzinome u.a. durch eine Apoptoseinduktion. In mehreren großen Fall-Kontrollstudien konnte ein protektiver Effekt auf die Entstehung eines KRK gezeigt werden. In einer großen Studie aus Israel lag die KRK-Inzidenz für Patienten mit Einnahme von Statinen 47% unter der einer Kontrollgruppe (Poynter JN et al., NEJM 2005;352:2184-92). Hormonsubstitution Eine Östrogen/Progesteronmedikation führte in einer großen Studie mit 16.608 postmenopausalen Frauen nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 5,6 Jahren zu einer signifikanten Reduktion der Inzidenz für ein KRK mit einer Hazard-Ratio von 0,65. Fazit: Aus der aktuellen Datenlage können noch keine Empfehlungen für eine generelle primäre Chemoprophylaxe abgeleitet werden. Keine Substanz sollte außerhalb von Studien zur Chemoprävention von kolorektalen Karzinomen oder Adenomen in der Allgemeinbevölkerung (Standardrisiko) eingesetzt werden. Prospektive Therapiestudien sind notwendig, um v.a. für bestimmte Risikogruppen den Nutzen einer kontinuierlichen langjährigen Chemoprophylaxe in bezug auf die jeweiligen Nebenwirkungsprofile zu ermitteln. 187 Kolorektale Karzinome S3-Leitlinie 2004 und Aktualisierung 2008, I Das Informationszentrum für Standards in der Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft erstellt und aktualisiert seit 1996 Leitlinien zu Diagnostik, Therapie, Nachsorge, Rehabilitation und Palliation onkologischer Erkrankungen. Bisher sind über 50 Leitlinien erarbeitet worden. Die Mehrzahl sind S1-Leitlinien. Hinsichtlich ihrer Qualität und praktischen Brauchbarkeit werden Leitlinien in drei Stufen klassifiziert. Stufe 1: Expertengruppe repräsentativ zusammengesetzt, erarbeitet im informellen Konsens eine Leitlinie, die vom Vorstand der entsprechenden wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft verabschiedet wird. Stufe 2: Formale Konsensusfindung Diskussion der Literatur für die Feststellungen und Empfehlungen, Verabschiedung in einem interdisziplinären, formalen Konsensusverfahren. Stufe 3: Leitlinie mit allen Elementen systematischer Entwicklung Formale Konsensusfindung, systematische Recherche und Bewertung der Literatur sowie Klassifizierung von Studien und Empfehlungen nach den Kriterien der Evidenz-basierten Medizin, klinische Algorithmen, Outcome-Analyse, Entscheidungsanalyse. Leitlinien als systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Ärzte und Patienten sind ein wichtiges Instrument des Qualitätsmanagements in der Medizin und werden auch von der Gesundheitspolitik gefordert (§137e-g SGBV). Die kontinuierliche Verbesserung der methodischen Qualität von Leitlinien ist daher ein wichtiges medizinisches und gesellschaftliches Ziel. 1999 wurde erstmalig von der DGVS. in Zusammenarbeit mit der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) eine S3Leitlinie für das KRK erarbeitet, die flächendeckend eine standardisiert hochwertige Patientenversorgung auf dem Boden evidenzbasierter Medizin erreichen sollte. Um die Empfehlungen auf dem neuesten Stand wissenschaftlicher Erkenntnis zu halten, wurde die Leitlinie 2004 in enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) aktualisiert. 2008 wurde aufgrund der raschen Fortschritte auf dem Gebiet der medikamentösen Tumortherapie und aufgrund neuer Erkenntnisse zur differenzierten Polypennachsorge zunächst eine Aktualisierung der Themenkomplexe IV (Polypenmanagement), VI (adjuvante und neoadjuvante Therapie) und VII (Vorgehen bei Metastasierung und palliative Situation) durchgeführt. Die Ausarbeitung erfolgte unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS.) mit Unterstützung der Deutschen Krebshilfe - in Zusammenarbeit mit der: • Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) • Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) • Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) • Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie (DGK) • Deutschen Gesellschaft für Pathologie (DGP) • Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) • Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie (DGVC) • Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Onkologie (CAO-V) • Vereinigung für Stomaträger und für Menschen mit Darmkrebs (Deutsche ILCO) • Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) • Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) • Deutschen vereinten Gesellschaft für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) Leitung: W. Schmiegel unter Mitarbeit von A.Reinacher-Schick, C.Pox, I. Kopp Schmiegel W. et al. S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“, Z Gastroenterol 2008;46:1-73 www.dgvs.de/media/Leitlinie.pdf 188 Kolorektale Karzinome S3-Leitlinie 2004 und Aktualisierung 2008, II Themenkomplexe der S3-Leitlinie Kolorektale Karzinome Details siehe www.dgvs.de/media/Leitlinie.pdf I. Prävention asymptomatische Bevölkerung II. Screening der asymptomatischen Bevölkerung III. Risikogruppen Sporadisches kolorektales Karzinom; Hereditäre kolorektale Karzinome; Chronisch entzündliche Darmerkrankungen IV. Endoskopie: Durchführug und Polypenmanagement (Aktualisierung 2008) V. Präoperative Diagnostik und Chirurgie VI. Adjuvante und Neoadjuvante Therapie des Kolon- und Rektumkarzinoms (Aktualisierung 2008) VII. Therapeutisches Vorgehen bei Metastasierung und in der palliativen Situation (Aktualisierung 2008) VIII. Nachsorge Die für die Konsensfindung und zum Verständnis der Empfehlungen relevante Literatur wurde nach den Empfehlungen des Centre for Evidence-Based Medicine, Oxford, UK (Quelle: http://www.cebm.net/) bewertet. Der Klassifizierung der Evidenzgrade wurden neben der Angemessenheit des Studiendesigns auch die Angemessenheit der Durchführung und der Auswertung der Studien zugrunde gelegt. In der Regel bestimmt der Evidenzgrad den Empfehlungsgrad. Bei der Formulierung der Empfehlungen wird zwischen drei Modalitäten unterschieden ( A = „soll“, B = „sollte“, C = „kann/unklar“). Der in der Aktualisierung der Themenkomplexe IV, VI und VII verwendete Empfehlungsgrad 0 entspricht dem vorher verwendeten Empfehlungsgrad C. Empfehlungsgrad A Evidenzgrad 1-a 1-b 1-c Typen von Therapiestudien Systematische Übersicht über randomisierte kontrollierte Studien (RCT) Eine RCT (mit engem Konfidenzintervall) Alle-oder-keiner-Prinzip B 2-a 2-b Systematische Übersicht gut geplanter Kohortenstudien Eine gut geplante Kohortenstudie oder eine RCT minderer Qualität C 3-a 3-b Systematische Übersicht über Fall-Kontroll-Studien Eine Fall-Kontroll-Studie C 4 Fallserien oder Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien minderer Qualität C 5 Expertenmeinung ohne explizite Bewertung der Evidenz oder basierend auf physiologischen Modellen/Laborforschung Während der Konferenz und der nachfolgenden schriftlichen Abstimmungen wurde der prozentuale Anteil der den Empfehlungen zustimmenden Teilnehmer sowie die absolute Zahl der Zustimmungen ermittelt, um die Konsensusstärke festzustellen. Klassifikation der Konsensusstärke starker Konsens Zustimmung von > 95 % der Teilnehmer Konsens Zustimmung von > 75 – 90 % der Teilnehmer mehrheitliche Zustimmung Zustimmung von > 50 – 75 % der Teilnehmer kein Konsens Zustimmung von < 50 % der Teilnehmer 189 Kolorektale Karzinome S3-Leitlinie 2004/2008, Prävention, Ernährung Lebensgewohnheiten Empfehlung Zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms sollten regelmäßig körperliche Aktivitäten durchgeführt sowie eine Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Personen (BMI > 25 kg/m2) angestrebt werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke 2b, starker Konsens. Patienten sollten zur Nikotinkarenz angehalten werden. Empfehlungsgrad A, Evidenzstärke 2b; starker Konsens. Anmerkungen Personen mit höherem körperlichen Aktivitätsgrad haben in Querschnittsuntersuchungen weniger Kolonpolypen (Adenome) und ein geringeres Karzinomrisiko. Zwei Kohortenstudien konnten zeigen, dass bereits 30 bis 60 Minuten tägliche moderate körperliche Aktivität mit einem verringerten Karzinomrisiko einhergeht. Kolonpolypen (Adenome) finden sich häufiger bei Patienten mit höherem BMI. Bei übergewichtigen Personen war das Risiko für ein Kolonkarzinom bis zu zweifach erhöht, wobei unklar ist, ob die Risikoerhöhung durch das Übergewicht, die erhöhte Kalorienaufnahme oder durch die fehlende körperliche Aktivität bedingt ist. Rauchen ist mit einem erhöhten Risiko für Kolonadenome und -karzinome assoziiert. Trotz einer Evidenzstärke 2b wurde von den Teilnehmern der Plenumsitzung der Empfehlungsrad auf A hochgestuft, um der nachweislich durch das Rauchen bedingten erhöhten extrakolischen Morbidität und Mortalität Rechnung zu tragen. Ernährungsempfehlungen Zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms sollte die Ballaststoffaufnahme erhöht werden. Rotes bzw. verarbeitetes Fleisch sollte nicht täglich verzehrt werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens. Obst und Gemüse sollten vermehrt gegessen werden (5 Portionen am Tag). Eine Limitierung des Alkoholkonsums wird angeraten. Empfehlungsrad: B, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens. Anmerkungen Obwohl es kontroverse Studien gibt, ist die Evidenz ausreichend, um eine ballaststoffreiche Ernährung (30g/Tag) zu empfehlen. Die alleinige Zufuhr von bestimmten Ballaststoffen scheint nicht ausreichend zu sein. Insbesondere hat die EPIC-Studie, die Ballaststoffaufnahmen zwischen 12 und 35 g/Tag untersucht hat, eine inverse Beziehung zwischen Ballaststoffzufuhr und Karzinomrisiko nachgewiesen. Die negativen Daten der Nurses Health Study könnten darauf zurück zu führen sein, dass die untersuchte Spannweite lediglich 9,8 bis 24,9 g/Tag betrug. Eine höhere Zufuhr von Obst und Gemüse ist mit einer reduzierten Häufigkeit von Kolonadenomen/Karzinomen assoziiert. Die Evidenz ist für die Aufnahme von Gemüse eindeutiger als für die Aufnahme von Obst. Unklar ist jedoch, welche Bestandteile (Ballaststoffe, Flavonoide, Anthocyanine) einen protektiven Effekt haben. Durch mehrere Studien konnte ein moderat erhöhtes Karzinomrisiko bei täglicher Aufnahme von rotem bzw. verarbeitetem Fleisch gezeigt werden. Hoher Alkoholkonsum ist mit einem erhöhten Risiko für ein Kolonkarzinom assoziiert, insbesondere bei reduzierter Folsäureeinnahme. Zusätzlich scheint ein negativ synergistischer Effekt zwischen Rauchen und Alkohol zu bestehen. Das Risiko korreliert mit der Menge des aufgenommenen Alkohols und nicht mit der Art des alkoholischen Getränks. Keine Empfehlungen können zum Fischkonsum (starker Konsens), der Reduktion des Fettverzehrs (Konsens) oder der Förderung der Aufnahme Vitamin-C-haltiger Nahrung (starker Konsens) gegeben werden. Anmerkungen Mehrere Studien zeigen zwar eine Assoziation zwischen Fischkonsum und reduziertem Auftreten von Kolonpolypen. Die Evidenz reicht jedoch nicht aus, um eine Empfehlung geben zu können. Unter der Voraussetzung, dass Vitamin-C-haltige Nahrung im wesentlichen Obst und Gemüse ist, könnte dies empfohlen werden. Es liegen aber keine entsprechenden Studien vor. Eine erhöhte Menge von Fett in der Nahrung ist ein möglicher Risikofaktor für ein kolorektales Karzinom. Der Effekt von Kofaktoren (Fleischzufuhr, Übergewicht) kann nicht hinreichend abgetrennt werden. 190 Kolorektale Karzinome S3-Leitlinie 2004/2008, Prävention, Medikamente Ernährungsempfehlung (Fortsetzung) Zur Karzinomreduktion sollte die Ernährung folsäure- (Empfehlungsgrad B) und kalziumreich (Empfehlungsrad C) sein. Evidenzstärke 2b, starker Konsens. Anmerkungen Folsäurereiche Ernährung war assoziiert mit einem erniedrigten Karzinomrisiko. Ob dieser Effekt auf die Folsäure oder andere in einer folsäurereichen Ernährung erhaltenen Stoffe zurück zu führen ist, lässt sich nicht differenzieren. Kalziumreiche Ernährung war ebenfalls mit einem erniedrigten Karzinomrisiko assoziiert. Auch hier lässt sich nicht eindeutig unterscheiden, ob dieser Effekt auf Kalzium oder andere in einer kalziumreichen Ernährung enthaltenen Stoffe zurück zu führen ist. Mikronährstoffe und Medikamente Empfehlung Es gibt derzeit keine gesicherten Daten zur wirksamen Prävention des kolorektalen Karzinoms durch Mikronährstoffe und Medikamente. Diese Angaben gelten für Kalzium (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke 4). Magnesium (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 5), ß-Carotin (Empfehlunsgrad B, Evidenzstärke 3b), Vitamin A (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 3b), Vitamin C, Vitamin D, Vitamin E (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 4), Folsäure (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke 2b) und Selen (Empfehlunsgrad C, Evidenzstärke 4). Die Einnahme dieser Substanzen im Rahmen der Primärprävention sollte daher derzeit nicht erfolgen. Zum Einsatz von Sulindac, COX-2-Inhibitoren, 5-ASA, Cholesterinsyntheseinhibitoren oder Ursodeoxycholsäure existieren keine Daten für die asymptomatische Bevölkerung, so dass diese Substanzen ebenfalls nicht für diese Indikation gegeben werden sollten. Starker Konsens. Anmerkungen Es gibt Hinweise, dass die Einnahme von Folsäure in einem Multivitaminpräparat einen protektiven Effekt auf die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms hat. Allerdings ist dieser Effekt für die Folsäure allein bisher nicht eindeutig nachgewiesen worden. Mehrere epidemiologische Untersuchungen an Personen mit erhöhter Einnahme von Vitamin A konnten eine Reduktion des Risikos für en kolorektales Karzinom nicht sichern. Für ß-Carotin fand sich in mehreren Studien kein genereller Effekt, jedoch in zwei Studien eine Reduktion der kolorektalen Karzinome bei Patienten mit erhöhter Alkoholzufuhr. Es ist nicht eindeutig belegt, dass die Einnahme hoher Dosen von Vitamin C das Risiko für ein kolorektales Karzinom senkt. Für die Vitamine D und E ist die Datenlage unzureichend, so dass eine Aussage über mögliche protektive Effekte auf die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms nicht möglich ist. Durch Anreicherung der Nahrung mit Selen wurde eine Reduktion des KRK in einer prospektiven Studie festgestellt. Da in dieser Studie die Häufigkeit des kolorektalen Karzinoms nicht das Hauptzielkriterium war, reichen diese Daten nicht aus, um eine Empfehlung für Selen zur Reduktion des Risikos des kolorektalen Karzinoms zu geben. Empfehlung Eine Gabe von Acetylsalicylsäure für die Primärprophylaxe kolorektaler Neoplasien sollte nicht erfolgen. Empfehlungsgrad : A, Evidenzstärke 2a, starker Konsens Anmerkungen In einigen Kohorten- und Fall-Kontrollstudien wurde eine erniedrigte Inzidenz des KRK bei Einnahme von Aspirin gesehen. Diese Befunde wurden jedoch in anderen Studien nicht bestätigt. Aufgrund der derzeitigen ungesicherten Datenlage und der fehlenden Bewertung der Nutzen-Risiko-Relation sollte ASS als Primärprävention nicht eingesetzt werden. Empfehlung: Eine Hormonersatztherapie zur Risikoreduktion eines KRK bei Frauen sollte nicht gegeben werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens Anmerkungen Obwohl es Hinweise auf eine Reduktion des KRK gibt, ist der Gesamtnutzen (Mammakarzinomrisiko, Thromboserisiko) derzeit eher negativ einzuschätzen. Aus diesem Grund erfolgte bei starkem Konsens eine Höherstufung des Empfehlungsgrades auf A. 191 Kolorektale Karzinome Prävention, Lebensgewohnheiten, NCI-Empfehlungen Evidenzbeurteilung der vorliegenden Studien zur Prävention des CRC durch das NCI (National Cancer Institute) der USA Fett, hochkalorische Ernährung Epidemiologische experimentelle und klinische Untersuchungen legen nahe, dass fett-, protein- und kalorienreiche Ernährung, Alkoholkonsum, Fleischverzehr (sowohl rotes als auch weißes Fleisch) und eine Kalzium- und Folinsäure-arme Ernährung mit einer erhöhten Inzidenz des KRK assoziiert sind. Evidenzlevel 3 und 4. Ballaststoffe, Früchte und Gemüse Ballaststoffsupplementierung und Diäten, die fettarm, aber reich an Früchten und Gemüsen sind, reduzieren nicht die Rate der Rekurrenz von Adenomen über einen 3-4-jährigen Zeitraum. Evidenzlevel 1 und 3. Nichtsteroidale antiinflammatorische Medikamente Medikamente wie Piroxicam, Sulindac und Aspirin können Adenome verhindern oder zu einer Regression adenomatöser Polypen bei der familiären adenomatösen Polyposis führen. Evidenzlevel 1 und 3. Rauchen von Zigaretten Rauchen von Zigaretten ist assoziiert mit einer erhöhten Tendenz, Adenome auszubilden und ein CRC zu entwickeln. Evidenzlevel 3. Postmenopausaler Hormonersatz Postmenopausaler Ersatz weiblicher Hormone ist mit einer Verminderung des Risikos für ein Kolon-, aber nicht für ein Rektumkarzinom assoziiert. Evidenzlevel 3. Koloskopie Die Koloskopie mit Entfernung von adenomatösen Polypen kann das Risiko eines KRK reduzieren. Evidenzlevel 3. Empfehlung der American Cancer Society zur Ernährung und körperlichen Aktivität Ratschläge für eine gesunde Lebensweise ♦Essen Sie eine Vielfalt gesunder Nahrungsmittel mit einem Schwergewicht auf pflanzlichen Erzeugnissen. - Essen Sie 5 mal am Tag Gemüse oder Obst. - Bevorzugen Sie Vollkorngetreide. - Begrenzen Sie den Verzehr von rotem Fleisch, insbesondere solchem mit hohem Fettgehalt. ♦Legen Sie sich einen körperlich aktiven Lebensstil zu. - Wenigstens mäßige Aktivität für 30 Minuten an 5 oder mehr Tagen der Woche. ♦Halten Sie ein normales Gewicht während der gesamten Lebenszeit. - Gleichen Sie Kalorienaufnahme mit körperlicher Aktivität aus. - Reduzieren Sie Ihr Gewicht, falls Sie übergewichtig sind. ♦Wenn Sie Alkohol trinken, reduzieren Sie den Konsum auf geringe Mengen. "5 am Tag" In Anlehnung an die seit 1991 laufende amerikanische Kampagne "5 a day for better health" wurde im Mai 2000 eine deutsche Aktion "5 am Tag" gegründet. Es wird empfohlen, 3 Portionen Gemüse (ca. 375 g) und 2 Portionen Obst (ca. 250 g) pro Tag zu verzehren. Als einfache Richtlinie bei unterschiedlichen Portionsgrößen gilt die Regel "5 mal eine Handvoll", so dass sich auch für Kinder und Jugendliche durch die Größe der Hände eine adäquate Portionsgrösse ergibt. Insbesondere beim Gemüsekonsum nimmt Deutschland bisher in der europäischen Vergleichsstatistik einen hinteren Platz ein (ca. 240g/die). 192 Kolorektale Karzinome Früherkennung, Screening Früherkennung Das KRK ist einer Früherkennung gut zugänglich. Durch Screeninguntersuchungen kann die Erkrankung nicht nur in einem frühen, heilbaren Stadium erkannt, sondern auch bei Entdeckung und Entfernung von Polypen verhindert werden. So kann eine deutliche Reduktion von Inzidenz und Mortalität erzielt werden. Koloskopiescreening Die Koloskopie ist das sensitivs.te Verfahren zur Entdeckung von Polypen und kolorektalen Karzinomen. Eine longitudinale Verlaufsbeobachtung aus den USA von 1980-1999 zeigte eine Senkung der Inzidenz von KRK durch Polypektomie von Adenomen bis zu 90%. Auf der DDW 2007 wurden Mortalitätsdaten der Kohortenstudie vorgestellt. Es zeigte sich eine Senkung der KRKbedingten Mortalität um 90% im Vergleich zu einer Adenomgruppe ohne Polypektomie und eine Senkung um 50% im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (Zauber AG et al., DDW 2007, Abstract 268). Senkung der KRK-Inzidenz durch Polypektomie Ein Ziel der Vorsorgekoloskopie ist es, kolorektale Karzinome in einem frühen Stadium mit entsprechend guter Prognose zu diagnostizieren. Die Patienten, deren Karzinome im Rahmen des Screenings entdeckt werden, haben ein günstigeres Tumorstadium und damit eine günstigere Prognose (Gupta AK et al., Clin Gastroenterol Hepatol 2005; 3: 150-8). Dies zeigen auch die Ergebnisse der Vorsorgekoloskopie in Deutschland (siehe folgende Seite). In den aktuellen Empfehlungen ist keine Altersbegrenzung für eine Vorsorgekoloskopie vorgesehen. In einer Untersuchung an 1244 Personen, die eine Vorsorgekoloskopie erhalten hatten, zeigte sich, dass die Inzidenz der gefundenen Neoplasien mit dem Alter zunimmt, die Zunahme an Lebensgewinn durch die Koloskopie bei über 80 jährigen jedoch deutlich abnimmt. Die Autoren schließen daraus, dass bei älteren Patienten eine Vorsorgekoloskopie nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte (Lin O. et al., JAMA 2006;295:2357-65). Koloskopie – Untersuchungsintervall Eine deutsche Fall-Kontrollstudie untersuchte an 380 Patienten und 485 Kontrollen, wie lange der protektive Effekt einer unauffälligen Koloskopie anhält. Personen mit einer unauffälligen Koloskopie hatten ein 74% niedrigeres Risiko für ein KRK als Personen ohne frühere Koloskopie (adjusted Odds ratio = 0,26). Dieses niedrige Risiko bestand auch, wenn die Koloskopie bis zu 20 und mehr Jahre zurücklag. Die Autoren werfen die Frage auf, ob eine unauffällige Koloskopie jemals wiederholt werden muss (Brenner H. et al., Gut 2006;55:1145-50). Bevor aber das Untersuchungsintervall von 10 Jahren verlängert wird, sind sicherlich weitere Studien erforderlich. Neue/übersehene Karzinome nach Koloskopie (Bressler B. et al., Gastroenterology 2007;132:96-102) Studien zeigen, dass 4-6% aller Karzinome sowie bis 12% aller Polypen ≥10 mm übersehen werden. Eine Studie aus Kanada untersuchte die Rate und Riskofaktoren für neue oder übersehene Karzinome nach Koloskopie. In einer retrospektiven Analyse von 12487 Patienten mit neu diagnostiziertem KRK waren 5,9% bei einer vorangegangenen Koloskopie nicht entdeckt worden. Die Rate für ein übersehenes Karzinom war im rechten Kolon sowie im Transversum deutlich höher als im linken Kolon oder im Sigma/Rektum. Risikofaktoren waren höheres Patientenalter, eine Divertikulose, Übersehene/neue Karzinome, Risikofaktoren die Durchführung der Koloskopie von einem Internisten/ Hausarzt versus Gastroenterologen sowie die Durchführung in der Praxis versus im Krankenhaus. Ein Teil der Karzinome, die im Verlauf nach einer Koloskopie entdeckt werden, ist möglicherweise auch durch rasch progrediente mikrosatelliteninstabile (MSI) Tumore bedingt. Weitere Ursachen für Intervallkarzinome sind inkomplette Untersuchungen, inkomplette Polypektomie und mangelhafte Darmvorbereitung. 193 Kolorektale Karzinome Früherkennung, Koloskopiescreening Vorgehen zur Früherkennung bei der asymptomatischen Bevölkerung Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und der Arbeitsgemeinschft für Gastroenterologische Onkologie (Schmiegel W. et al. Z Gastroenterol 2004;42:1129-77): ab dem 50. Lebensjahr bei Ablehnung: ab dem 50. Lebensjahr bei Ablehnung: ab dem 50. Lebensjahr ● Koloskopie alle 10 Jahre (spätestens ab dem 55. Lebensjahr, obere Altersgrenze abhängig von Begleiterkrankungen), FOBT entfällt ● Sigmoidoskopie alle 5 Jahre und ● jährlich Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut ● jährlich Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut (siehe unten) Es wird die jährliche Durchführung einer FOBT aus 3 Testbriefchen, für drei aufeinander folgende Stuhlgänge, mit je zwei Proben pro Stuhl auf zwei Testfelder empfohlen. Bei einmalig positivem Testergebnis ist eine komplette endoskopische Darstellung des Dickdarms (Koloskopie bis zur Bauhinschen Klappe) nach digitaler rektaler Austastung erforderlich. Die Rehydrierung wird nicht empfohlen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat die sogenannte "Vorsorge-Koloskopie" vom 56. Lebensjahr an als Früherkennungsleistung ab dem 1.10.2002 in das Programm aufgenommen. Sie sollte nach 10 Jahren einmal wiederholt werden. Zwischen 50 und 54 Jahren sollte jährlich ein FOBT durchgeführt werden. Wird die Koloskopie abgelehnt, steht der FOBT auch ab 55 Jahren zur Verfügung. Die Durchführung ist aber nur noch alle 2 Jahre vorgesehen. Vorsorgekoloskopie in Deutschland Seit Einführung der Vorsorgekoloskopie 2002 sind mehr als 2 Millionen Untersuchungen durchgeführt worden. Bis Ende 2005 hatten sich in der Zielgruppe der 55- bis 75jährigen 10,2% der anspruchsberechtigten Frauen und 8,8% der Männer einer Vorsorgekoloskopie unterzogen. Ein Ziel der Vorsorgekoloskopie ist es, kolorektale Karzinome in einem frühern Stadium mit entsprechend guter Prognose zu diagnostizieren. 2005 wurden 3829 Karzinome im Rahmen der Vorsorgekoloskopie diagnostiziert. Für 2556 liegen die Daten für eine Stadieneinteilung vor. 69% wurden in den prognostisch günstigen Stadien I und II entdeckt und damit deutlich früher als in einer Kontrollgruppe. Bei über 33.300 Personen (6,6%) wurde bei der Vorsorgekoloskopie ein fortgeschrittenes Adenom (≥ 10 mm, villöse Histologie oder höhergradige intraepitheliale Neoplasie) mit erhöhtem Progressionsrisiko in ein Karzinom entdeckt. Die Nebenwirkungsrate der Koloskopie ist gering und beträgt durchschnittlich 0,27%. Sie erhöht sich in Abhängigkeit vom Alter (bei > 79 Jahren 0,5%). 194 Kolorektale Karzinome Screeningmethoden – FOBT Für die Darmkrebsfrüherkennung stehen folgende Untersuchungsverfahren zur Verfügung: - FOBT - Immunologische/Genanalytische Stuhltests - Sigmoidoskopie - Koloskopie - CT/ MRT-Kolonographie Fäkale okkulte Bluttestung (FOBT) Der Guajac- basierte Stuhltest auf okkultes Blut stellt ein geeignetes Screening für ein KRK dar. Dieser Test ist mit dem geringsten finanziellen, personellen und apparativen Aufwand verbunden. Die FOBT ist das einzige Screeningverfahren bisher, dessen Wirksamkeit hinsichtlich der Mortalitätssenkung belegt ist. Die Minnesota Studie zeigte eine Reduktion der Mortalität an KRK durch die jährliche FOBT von 8.8 auf 5,9/1000, was einer relativen Reduktion von 33% entspricht (Mandel JS et al., NEJM 1993; 328:1365-71). Eine Testung alle 2 Jahre führte zu einer relativen Mortalitätsreduktion von 21% (Mandel JS et al., Journal of National Cancer Institute 1999; 91:434-37). Nach 18 Jahren Follow-up zeigte sich die Inzidenz des KRK bei jährlicher Untersuchung um 20%, bei einer Testung alle 2 Jahre um 17% vermindert (Mandel JS et al.. NEJM 2000;343:1603-7). Die jährliche Untersuchung war also der Testung alle 2 Jahre hinsichtlich der Reduktion der Mortalität überlegen. Signifikanter Überlebensvorteil der Patienten mit regelmäßigem jährlichen Screening mit fäkalem Okkultbluttest (aus Mandel JS et al. NEJM 1993; 328:1365) Metaanalysenergebnisse Metaanalyse von 4 randomisierten und 2 nicht randomisierten Studien mit insgesamt 442.000 Pat. Eine regelmäßige Testung, meist alle 2 Jahre, ergab eine Senkung der Mortalität um 23% (Towler B. et al.: BMJ 1998, 317: 559-65). In allen Studien hatten ca. 1-5% der unselektioniert getesteten Personen ein positives Testresultat. Von den Personen mit positivem Test hatten 2-10% Krebs, 20-30% hatten Adenome. Wenn 10.000 Personen ähnlichen Alters und Risikos in den Studien ein Test alle zwei Jahre angeboten wurde und zwei Drittel wenigstens einen FOBT durchführten, konnten 8,5 Todesfälle an KRK in 10 Jahren verhindert werden. Nachteil des FOBT ist seine geringe Sensitivität, die für ein KRK etwa 30-50% und für Adenome nur etwa 15% beträgt. Deswegen ist die Aussagefähigkeit eines einmalig negativen FOBT gering. Bei einem einmalig positiven Testergebnis ist nach rektal-digitaler Untersuchung die Durchführung einer kompletten Koloskopie zwingend notwendig. Die Wiederholung eines einmalig positiven FOBT ist nicht sinnvoll. Die niedrige Sensitivität verbietet auch den Einsatz des FOBT bei der Abklärung symptomatischer Patienten oder im Screening von Hochrisikogruppen. Immunologische und genanalytische Stuhltests Neben den Guajak- Tests gibt es neuere, auf immunologischen Verfahren basierende Tests auf Hämoglobin. Mehrere Studien konnten zeigen, dass die Sensitivität im Hinblick auf die Detektion von Karzinomen oder fortgeschrittenen Adenomen höher ist als für Guajac- Tests (Guittet L. et al, Gut 2007;56:210-214). Ungeklärt ist der optimale Cut-off-Wert für einen positiven Test sowie die notwendige Anzahl von Stuhlproben. Die Untersuchung von 2 Stuhlproben steigert die Sensitivität deutlich. Leider sind auch die Tests verschiedener Anbieter nicht vergleichbar. Da der Tumor Zellen ins Darmlumen abgibt, können Genmutationen durch neue analytische Techniken in Faeces nachgewiesen werden. In einer großen randomisierten Screening-Studie war der genetische Stuhltest zwar dem Guajac- FOBT hinsichtlich der Sensitivität für Karzinome überlegen. Die Sensitivität von 52% war jedoch nur mässig und die für fortgeschrittene Adenome mit 15% niedrig (Imperiale TF et al., NEJM 2004;35:2704-14). Der Preis für genetische Stuhltests von mehreren hundert Dollar ist hoch und die Testdurchführung ist umständlich, sodass zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Einsatz als primäre Screeningmaßnahme außerhalb von Studien noch nicht sinnvoll erscheint. 195 Kolorektale Karzinome Früherkennung, Sigmoido-, Koloskopie Sigmoidoskopie Die flexible Sigmoidoskopie wurde 1969 eingeführt. Sie erlaubt die komplette Untersuchung des distalen Kolons und verlangt beim Auffinden von Polypen nach einer kompletten Koloskopie. Allerdings konnte eine aktuelle Studie zeigen, dass 50% aller Patienten mit fortgeschrittenen proximalen Adenomen keine distalen „Markerpolypen“ aufwiesen (s.u. bei Koloskopie). Alle Screening-Studien haben eine proportionale Vermehrung der frühen Stadien und eine Verbesserung des Überlebens für die gescreenten im Vergleich zu den nicht gescreenten Personen gezeigt. Die meisten dieser Studien haben jedoch keine entsprechende Vergleichsgruppe und ihre Interpretation ist aufgrund des Screening-Bias unklar. Zwei Fall-Kontrollstudien (Selby JV et al. NEJM 1992; 326:653-7 und Newcomb PA et al. J Nat Cancer Inst 1992; 84:1572-75,1992) fanden ein signifikant vermindertes Risiko (70-90%) für ein CRC im distalen Kolon bei Personen, die mindestens eine Sigmoidoskopie durchführen ließen, im Vergleich zu nicht gescreenten Personen. Die Sigmoidoskopie wird nur als optionales Screeningverfahren, wenn andere Verfahren nicht zur Verfügung stehen, eingesetzt werden. Digitale rektale Untersuchung Eine Fall-Kontroll-Studie ergab, dass die Digitale rektale Untersuchung nicht mit einer statistisch signifikanten Reduktion der Mortalität an einem distalen Rektumkarzinom assoziiert ist (Herrington LJ et al., American Journal of Epidemiology 1995; 142:961-4). Trotzdem erscheint eine rektale Untersuchung im Rahmen z.B. einer Sigmoidoskopie und Koloskopie sinnvoll. Barium-Kolon-Kontrasteinlauf Als Teil der amerikanischen "National Polyp Study" wurden Patienten nach Polypektomie im Überwachungsprogramm koloskopiert und geröngt (Winawer SJ et al., NEJM 2000; 342:1766-72). Die Sensitivität war abhängig von der Polypengröße und war statistisch signifikant höher für die Koloskopie. In der aktualisierten Leitlinie der DGVS. wird die Untersuchung nicht empfohlen. Koloskopie Die komplette Ileo-Koloskopie besitzt die höchste Sensitivität (95%) und Spezifität (100%) für die Erkennung eines KRK bzw. Adenoms und bietet als einziges Verfahren die Möglichkeit der Diagnose und endoskopischen Therapie von präneoplastischen Läsionen im gesamten Kolon. 2 Studien zeigen, dass die Koloskopie eine relevante Zahl an präkanzerösen Polypen detektiert, die der Sigmoidoskopie entgangen wären. Stenosierendes Kolonkarzinom. KE In der Studie von 13 Veterans Affairs Medical Centers (Lieberman DA et al., NEJM 2000; 343:162-8) mit 3121 Personen fanden sich bei 128 Patienten im rechten Kolon fortgeschrittene Polypen. 52% dieser Pat. hatten keine Polypen im linken Kolon, so dass das Karzinom bei einer ausschließlichen Sigmoidoskopie nicht entdeckt worden wäre. Die andere Studie (Imperiale TF et al., NEJM 2000; 343:169-174) schloss knapp 2000 Personen ein. Das Ergebnis war ähnlich: die Hälfte der 50 Fälle von fortgeschrittenen Polypen im rechten Kolon wäre bei einer Sigmoidoskopie nicht entdeckt worden, da das linke Kolon frei von Polypen war. Virtuelle Koloskopie – CT/MR-Kolographie Die virtuelle Koloskopie kann sowohl CT-basiert als auch ohne Strahlenexposition mit MRT durchgeführt werden. Die aktuellen Studien zeigen eine sehr unterschiedliche Sensitivität für die Polypendetektion, z.T. eine sehr hohe mit einer Detektion von Polypen > 6 mm von 88,7 %, zum anderen eine sehr niedrige mit einer Sensitivität von 59% bei Polypen > 10 mm, ohne dass die Faktoren, die zu diesen differenten Ergebnissen beitragen, näher definiert sind. Sicher sind die Ergebnisse Untersucher- und softwareabhängig. Auf jeden Fall ist eine komplette Darmvorbereitung erforderlich. Auch die mit der Untersuchung verbundene Strahlenexposition ist zu berücksichtigen. Das Vorgehen bei kleinen Polypen (bis 5 mm) ist unklar, insbesondere stellt sich die Frage, ab welcher Größe koloskopiert werden soll. Es muss die Möglichkeit geben, einen Patienten mit positivem virtuellen Befund unmittelbar zu koloskopieren. Auch gibt es keine Studien, die das optimale Untersuchungsintervall untersucht haben. Solange keine Standards und Qualitätskriterien für die Durchführung definiert sind, darf diese Methode nicht als ein Routineverfahren zum Polypenscreening außerhalb von Studien eingesetzt werden. Die Koloskopie ist nach wie vor der Goldstandard für das Screening. Der Guaiac- FOBT ist die Alternative für Personen, die eine Koloskopie ablehnen. Es ist zu erwarten, dass der immunologische FOBT in Zukunft in die Empfehlungen aufgenommen wird. 196 Kolorektale Karzinome Screeninguntersuchungen I, FOBT, S3-Leitlinie 2004/2008 Screening asymptomatische Bevölkerung (keine Risikogruppen) Maßnahmen zur Früherkennung von Darmkrebs sollten bei Personen mit durchschnittlichem Risiko (leere Familienanamnese für KRK bzw. Polypen/Adenome) ab dem Alter von 50 Jahren durchgeführt werden. Eine ärztliche Beratung über die Screeningmethoden ist unerlässlich. Standardverfahren ist die Koloskopie. Sie ist der Sigmoidoskopie überlegen. Um die Sicherheit der Untersuchten zu gewährleisten, müssen die Qualitätsrichtlinien beachtet werden. Bei Personen, die am Koloskopie-Screening entsprechend dieser Richtlinie teilnehmen, erübrigt sich das FOBTScreeningverfahren. Bei Personen, die eine Früherkennungskoloskopie ablehnen, sollte eine Sigmoidoskopie alle 5 Jahre sowie jährlich ein FOBT (Guaiak- Verfahren) durchgeführt werden. Bei Personen, die jegliches endoskopische Screeningverfahren ablehnen, sollten jährlich ein FOBT durchgeführt werden. Ein positiver FOBT sollte nicht kontrolliert werden, sondern erfordert in jedem Fall eine Koloskopie. Andere Verfahren als Koloskopie, Sigmoidoskopie und FOBT können derzeit nicht empfohlen werden. Eine hohe Akzeptanz des Screening-Programms ist Voraussetzung für eine Senkung von Inzidenz und Mortalität des Darmkrebses und Steigerung der Kosteneffektivität. Screening-Alter Empfehlung Mit der Darmkrebsvorsorge sollte ab dem Alter von 50 Jahren begonnen werden. Eine obere Altersbegrenzung kann bei steigender Lebenserwartung nicht gegeben werden. Hier erscheint eine individuelle Entscheidung unter Berücksichtigung der Begleiterkrankungen angezeigt. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4, starker Konsens Anmerkungen Die KRK-Inzidenz steigt ab einem Alter von 50 Jahren deutlich an. In einer prospektiven Koloskopiestudie zeigte sich eine deutlich niedrigere Nachweisrate fortgeschrittener Adenome bei 40- bis 49-Jährigen (3,5%), so dass ein Screeningbeginn vor 50 Jahren für die Allgemeinbevölkerung wenig sinnvoll erscheint. Von großer Bedeutung ist die Identifikation von Personen mit erhöhtem KRK-Risiko, für die gesonderte Empfehlungen gelten. Zur Altersbegrenzung der Darmkrebsvorsorge existieren keine prospektiven Studien. Die Inzidenz fortgeschrittener Neoplasien nimmt mit dem Alter zu. Endoskopische Untersuchungen scheinen auch bei älteren Patienten sicher durchführbar zu sein. In einer Studie war die relative 5-Jahres-Überlebensrate nach kurativer Operation eines kolorektalen Karzinoms für Patienten über 74 Jahre vergleichbar mit der von Patienten zwischen 50 und 74 Jahren. Die Festlegung der Altersbegrenzung sollte daher individuell in Abhängigkeit des „biologischen Alters“ sowie vorhandener Begleiterkrankungen erfolgen. Zum Nutzen-Risiko-Verhältnis des Darmkrebsscreenings in verschiedenen Altersgruppen existiert keine ausreichende Datenlage. FOBT (Guaiak- Test) Empfehlung Bei Personen mit durchschnittlichem Darmkrebsrisiko, die keine Koloskopie wünschen, sollte ein FOBT – bestehend aus 3 Testbriefchen (mit je 2 Auftragefeldern) für drei konsekutive Stühle – jährlich durchgeführt werden. Hierdurch wird die Sterblichkeit an Darmkrebs signifikant gesenkt. Ein positives Testergebnis macht die endoskopische Untersuchung des gesamten Dickdarms erforderlich. Der jährliche FOBT ist der zweijährlichen Untersuchung überlegen. Bei Personen, die am Koloskopie-Screening teilnehmen, erübrigen sich FOBT und andere Maßnahmen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens. 197 Kolorektale Karzinome Screeninguntersuchungen II, Stuhltestverfahren, S3-Leitlinie FOBT (Guaiak- Test): siehe vorherige Seite Anmerkungen Grundlage für die Stuhltestung auf okkultes Blut ist die Tatsache, dass kolorektale Karzinome häufiger bluten als die normale Darmmukosa. Herkömmliche FOBT verwenden mit Guaiakharz imprägniertes Filterpapier, das sich in Anwesenheit von im Stuhl enthaltenem Hämoglobin nach Zugabe von Wasserstoffperoxyd blau färbt. Da viele Karzinome intermittierend bluten, führt die wiederholte Testung zu einer zuverlässigeren Erkennung von KRK. Das in den Studien eingesetzte Verfahren beinhaltet, aus drei aufeinander folgenden Stuhlgängen je zwei Proben pro Stuhl auf zwei Testfelder aufzutragen und auf okkultes Blut zu testen. Zur Effektivität des FOBT als Screeningmethode für ein kolorektales Karzinom liegen die Ergebnisse von 3 großen randomisierten Studien vor. In ihnen konnte eine Senkung der KRK-bedingten Mortalität von 15-33% gezeigt werden. Eine Metaanalyse der Studien ergab eine durchschnittliche Senkung der KRK-Mortalität um 23%. Diese Mortalitätssenkung bestätigte sich auch nach längerem Follow-up der Studien. Die jährliche Testung war der zweijährigen Testung in Bezug auf die Reduktion der Mortalität in einer Studie eindeutig überlegen. Die Sensitivität des Tests hängt entscheidend von der Art der Testdurchführung und der Patienteninstruktion ab. Eine Rehydrierung der Testbriefchen vor Entwicklung steigert die Sensitivität des Screenings, verringert jedoch die Spezifität deutlich (in einer Studie von 97,6 auf 90,2%, in einer weiteren von 97 auf 85,4%) und wird daher nicht empfohlen. Es gibt Hinweise dafür, dass die Instruktion des Patienten vor der Testdurchführung in Bezug auf Ernährung und interferierende Medikamente die Zahl der falsch positiven Testergebnisse und somit auch die Zahl der erforderlichen Koloskopien reduzieren kann. Es erscheint daher sinnvoll, den Patienten über Faktoren, die das Testergebnis beeinflussen könnten, aufzuklären. Der Einfluss von Pflanzenperoxidasen kann alternativ durch eine Testentwicklung 3d nach Durchführung vermieden werden. Die Notwendigkeit einer Ernährungsempfehlung für den Hämoccult® wird allerdings durch eine Metaanalyse infrage gestellt. Bereits bei positivem Testergebnis auf okkultes fäkales Blut von einem der sechs Testfelder ist keine Kontrolle, sondern eine komplette endoskopische Darstellung des Dickdarms nach digitaler rektaler Untersuchung erforderlich. Dies beinhaltet auch den sicheren Ausschluss eines Anal- oder distalen Rektumkarzinoms mittels Proktoskopie. Eine Kolonkontrastuntersuchung sollte nur bei technisch unvollständiger Koloskopie erfolgen. Der Effekt der FOBT beruht auf einer Diagnose kolorektaler Karzinome in einem früheren prognosegünstigeren Stadium. Vorteile des FOBT sind die leichte Durchführbarkeit sowie die geringen Kosten. Nachteilig ist eine mäßige Sensitivität für Karzinome und eine geringe Sensitivität für Adenome. In einer der randomisierten Studien konnte zwar eine Senkung der Inzidenz kolorektaler Karzinome gezeigt werden, es muss jedoch beachtet werden, dass im Rahmen dieser Studie über 30% der Teilnehmer koloskopiert wurden. Immunologische Stuhltestverfahren, Empfehlung Immunologische Verfahren stellen derzeit keine Alternative zu den Guaiak- Verfahren in der Screening-Anwendung dar. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, Konsens. Anmerkungen Immunologische Tests auf Hämoglobin oder Hämoglobin/Haptoglobin im Stuhl besitzen eine höhere Sensitivität als der Hämoccult®-Test. Die Datenlage zur Spezifität ist uneinheitlich. Zu bedenken ist jedoch, dass für den Einsatz der immunologischen FOBT weniger Daten als für das Guaiak- Verfahren vorliegen und die Tests kostenintensiver und zum Teil komplizierter in der Durchführung sind. Während der Testdurchführung ist keine Änderung der Ernährung erforderlich. Immunologische Stuhltests auf Albumin oder Calprotectin sind für das Screening nicht geeignet. Ebenso reicht die Datenlage zur M2-PK-Bestimmung im Stuhl nicht aus, um einen Einsatz außerhalb von Studien zu rechtfertigen. Molekulare Screeningverfahren, Empfehlung Stuhluntersuchungen auf DNA-Veränderungen als KRK-Screeningmaßnahme können derzeit aufgrund der unzureichenden Datenlage außerhalb von Studien nicht empfohlen werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. Anmerkungen Die Entstehung kolorektaler Karzinome über die Zwischenstufe der Adenome geht in vielen Fällen mit charakteristischen genetischen Veränderungen einher. Eine Isolierung und Untersuchung von DNA aus Kolonepithelzellen im Stuhl ist mittlerweile möglich. In einer Studie wurde der Stuhl von 46 Patienten mit bekannten Karzinomen oder Adenomen auf APC-Mutationen untersucht. Die Sensitivität für Karzinom betrug 61%, für Adenome 50%. In weiteren Studien mit ebenfalls kleinen Fallzahlen an Patienten mit bekannten Neoplasien wurden mehrere Marker im Stuhl untersucht. In diesen Untersuchungen wurde eine Sensitivität für Karzinome von 63 bis 91%, für fortgeschrittene Adenome von 57 bis 82% gefunden. Aufgrund fehlender Daten aus der asymptomatischen Bevölkerung sowie des hohen Aufwands und der Kosten sollten diese Verfahren derzeit nur im Rahmen von Studien evaluiert werden. 198 Kolorektale Karzinome Screening, endoskopische Verfahen, S3-Leitlinie 2004/2008 Endoskopische Verfahren Von allen Maßnahmen zur Früherkennung kolorektaler Neoplasien besitzt die Koloskopie die höchste Sensitivität und Spezifität (Goldstandard). Endoskopische Maßnahmen sind als einzige diagnostisch und therapeutisch und haben den Vorteil, dass durch sie auch nicht blutende Karzinome und Adenome mit hoher Sensitivität nachgewiesen werden können. Durch die Abtragung von Adenomen kann zudem die Entstehung von Karzinomen effektiv verhindert werden (Unterbrechung der Adenom-Karzinom-Sequenz). Sigmoidoskopie-Empfehlung Die Effektivität der Sigmoidoskopie als Screening-Methode für das KRK ist gesichert. Es ist jedoch zu bedenken, dass nicht alle Darmabschnitte eingesehen werden können und somit eine komplette Koloskopie der Sigmoidoskopie überlegen ist. Sie ist Personen, die die Koloskopie ablehnen, anzubieten und alle 5 Jahre zu wiederholen. Zur möglichen Detektion proximaler Karzinome sollte zusätzlich zur Sigmoidoskopie eine jährliche FOBT-Durchführung erfolgen. Die Effektivität der Kombination ist jedoch nicht abschließend geklärt. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens. Anmerkungen In Fall-Kontroll-Studien konnte für die Sigmoidoskopie eine Senkung der Mortalität von Karzinomen des Rektosigmoids um etwa 60 bis 80% gezeigt werden. Prospektive randomisierte Studien laufen derzeit in den USA, Großbritannien und Italien. In einer prospektiven Studie in Norwegen, bestehend aus Sigmoidoskopie gefolgt von einer Koloskopie bei Patienten mit Polypennachweis in der Sigmoidoskopie, konnte eine Senkung der KRK-Inzidenz gezeigt werden. Verglichen mit der okkulten fäkalen Bluttestung besitzt die Sigmoidoskopie eine höhere Sensitivität für kolorektale Neoplasien. In drei randomisierten Studien, in denen die Kombination aus einmaligem FOBT und Sigmoidoskopie mit einem alleinigen FOBT verglichen wurde, wurden signifikant mehr Neoplasien durch die Kombination gefunden. Koloskopie-Empfehlung Die komplette Koloskopie besitzt die höchste Sensitivität und Spezifität für das Auffinden eines KRK und von Adenomen und sollte daher als Standardverfahren empfohlen werden. Bei unauffälligem Befund sollte die Koloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden. Zur Durchführung wird auf die Krebsfrüherkennungsrichtlinie verwiesen, die digitale rektale Untersuchung ist hierbei obligat. Bei Personen, die am Koloskopie-Screening entsprechend dieser Richtlinie teilnehmen, erübrigt sich das FOBT-Screeningverfahren. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke; 3b, starker Konsens. Anmerkungen In zwei Fall-Kontroll-Studien wurde gezeigt, dass die Inzidenz von Darmkrebs durch Polypektomie im Rahmen einer Koloskopie um 66-90% gesenkt wird. Zwar gibt es keine randomisierte Studie, die richtlinienkonform durchgeführte Untersuchung wird jedoch aufgrund der hohen Sensitivität und Spezifität und der Möglichkeit der Polypektomie von fast allen Konsensusteilnehmern als die bevorzugte Vorsorgemethode für kolorektale Karzinome angesehen. Sie besitzt eine nachgewiesene hohe Sensitivität für Karzinome und Adenome des gesamten Kolons und erlaubt insbesondere eine Detektion proximaler Neoplasien. 46% - 52% der Patienten mit proximalen Neoplasien wiesen in Studien keine zusätzlichen distalen Adenome auf. Bei diesen Patienten wäre eine Diagnose der Neoplasien mittels Sigmoidoskopie unmöglich. Die Ergebnisse der Fall-Kontroll-Studie der Sigmoidoskopie sollten auf die Koloskopie übertragbar sein. Auch der protektive Effekt der FOBT-Studien beruht letztendlich auf der Abklärung positiver Tests mittels Koloskopie. Zusätzlich konnte in einer Fall-Kontroll-Studie ein protektiver Effekt der Koloskopie gezeigt werden. Die Komplikationsrate der Untersuchung in Deutschland war in einer Studie auf freiwilliger Basis sehr gering. Tandemuntersuchungen haben gezeigt, dass größere Adenome nur selten übersehen werden. Es wird davon ausgegangen, dass eine unauffällige Koloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden sollte. So fanden sich 5,5 Jahre nach einer unauffälligen Koloskopie keine Karzinome und weniger als 1% fortgeschrittene Neoplasien. In einer Fallkontrollstudie hielt der protektive Effekt einer Koloskopie mindestens 10 Jahre an. Radiologische Verfahren-Empfehlungen Weder die CT-Kolonographie noch die MRT-Kolonographie können derzeit außerhalb von Studien für das Screening in der asymptomatischen Bevölkerung empfohlen werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens. Anmerkungen Für den Einsatz der MRT-Kolonographie existieren keine Studien (Flächen-/Feldversuche) in der asymptomatischen Bevölkerung. Nur wenige Studien befassen sich mit der Untersuchung asymptomatischer Personen mittels CT-Kolonographie. Die vorliegenden Daten zeigen für beide Untersuchungen eine niedrigere Sensitivität für kleine (<10 mm) Polypen. Flache Polypen können nicht erfasst werden. Beide Methoden sind nicht standardisiert und die Angaben zur Sensitivität widersprüchlich, so dass ihr Einsatz als Screening-Methode außerhalb von Studien derzeit nicht empfohlen werden kann. Ein Einsatz bei inkompletter Koloskopie ist denkbar, hierzu gibt es keine Studien. 199 Kolorektale Karzinome Risikogruppen, S3-Leitlinie 2004/2008 Risikogruppen Personen, die aufgrund einer besonderen Prädisposition ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms im Vergleich mit der Normalbevölkerung aufweisen, gehören in der Regel zu einer von drei definierten Risikogruppen: 1. Personen mit einem familiär gesteigerten (genetische Grundlage z. Zt. noch nicht bekannt) Risiko für ein kolorektales Karzinom 2. nachgewiesene oder mögliche Anlageträger für ein hereditäres kolorektales Karzinom 3. Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung Sporadisches kolorektales Karzinom Verwandte von Patienten mit kolorektalem Karzinom Verwandte ersten Grades von Patienten mit einem kolorektalen Karzinom haben ein erhöhtes Risiko, ebenfalls an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Evidenzstärke 2a. Verwandte zweiten Grades haben ein nur gering erhöhtes Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Evidenzstärke 2b. Anmerkungen Für Verwandte ersten Grades (Eltern, Geschwister, Kinder) ist das mittlere Risiko zwei- bis dreifach erhöht. Eine weitere, 3- bis 4-fache Risikosteigerung besteht, wenn bei dem Indexpatienten das kolorektale Karzinom vor dem 45. Lebensjahr aufgetreten und/oder mehr als ein Verwandter ersten Grades von einem KRK betroffen ist. In der Altersgruppe <50 Jahren befinden sich allerdings auch bislang unentdeckte hereditäre Kolonkarzinome. Das Risiko ist für das Kolon- im Vergleich zum Rektumkarzinom höher (relatives Risiko 2,4 vs. 1,9). Für erstgradige Verwandte von betroffenen Patienten kann das KRK-Risiko weiter aufgeteilt werden: Bei einem betroffenen Elternteil ist das Risiko im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung 2,3fach, bei einem betroffenen Geschwisterteil 2,6fach erhöht. Ist der Indexpatient nach dem 60. Lebensjahr erkrankt, ist das KRK-Risiko für die erstgradig Verwandten nur noch gering erhöht. Verwandte zweiten Grades (Großeltern, Geschwister der Eltern, Enkel) von Patienten mit kolorektalen Karzinomen haben ein leicht erhöhtes Karzinomrisiko (RR 1,3); dieses ist aber derzeit nur unzureichend untersucht und bisher nicht in der Praxis verifiziert. Für Verwandte dritten Grades von Patienten mit kolorektalen Karzinomen ist kein erhöhtes Karzinomrisiko anzunehmen. Verwandte von Patienten mit kolorektalem Adenom Verwandte ersten Grades von Patienten, bei denen ein kolorektales Adenom vor dem 50. Lebensjahr nachgewiesen wurde, haben ein erhöhtes Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Evidenzstärke: 2b. Anmerkungen Das Risiko dieser Verwandten, ein kolorektales Karzinom zu entwickeln, ist im Mittel etwa 2fach gegenüber der Allgemeinbevölkerung gesteigert. Es besteht ein 80% höheres Risiko bei Eltern und Geschwistern von Adenom-Patienten im Vergleich mit deren Lebenspartnern. Auch hier ist die Risikohöhe vom Alter des Indexpatienten abhängig. Ist dieser jünger als 60 Jahre, ist das mittlere Risiko nur leicht erhöht, ist er jünger als 50 Jahre, ist das Risiko ca. 4,3fach erhöht. Ist der Indexpatient älter als 60 Jahre, ist das kolorektale Karzinomrisiko nicht mehr statistisch signifikant erhöht. Aufgrund der Datenlage gibt es keine Evidenz, dass Verwandte von Patienten, bei denen ein hyperplastischer Polyp nachgewiesen wurde, ein erhöhtes Risiko haben, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Eine Ausnahme ist die sehr seltene hyperplastische Polyposis. 200 Kolorektale Karzinome Risikogruppen, Untersuchungen, S3-Leitlinie 2004/2008 Patienten mit kolorektalen Adenomen Jedes histologisch nachgewiesene Adenom stellt ein erhöhtes Risiko für ein kolorektales Karzinom dar (Evidenz 2b). Dies gilt insbesondere für - multiple (>3) Adenome - große (>1 cm) Adenome Anmerkungen Generell führt die Abtragung kleiner, singulärer Adenome im Vergleich zur Normalbevölkerung zu einem um bis zu 90% verminderten Risiko, ein metachrones kolorektales Karzinom zu entwickeln. Dies reflektiert den Vorsorgewert der Koloskopie im Rahmen der Adenom-Karzinom-Sequenz. Kontrolluntersuchungen dienen insbesondere der Entdeckung übersehener oder metachron auftretender Adenome. Adenome >1 cm sind mit einem etwa 4fach erhöhten Karzinomrisiko assoziiert. Auch bei multiplen Adenomen ist das Risiko, ein metachrones Karzinom zu entwickeln, deutlich (4- bis 6fach) gesteigert. Hierbei dürfte das erhöhte Risiko einerseits auf einer stärkeren individuellen Disposition, andererseits auf einer höheren Prävalenz übersehener Polypen bei der initialen Koloskopie beruhen. Beim koloskopischen Nachweis von >3 Polypen besteht eine signifikant größere Wahrscheinlichkeit, dass weitere Polypen übersehen wurden. Ob hyperplastische Polypen als präkanzeröse Läsionen angesehen werden können, ist derzeit nicht abschließend beurteilbar. Empfehlung zur Primärprävention Eine gesonderte Empfehlung zur Primärprävention (diätetische Maßnahmen, Chemoprävention) im Vergleich zur Normalbevölkerung kann aufgrund der widersprüchlichen Datenlage für die genannten Risikogruppen derzeit nicht gegeben werden. Evidenzstärke: 1b, starker Konsens. Anmerkungen Generell können die für die Normalpopulation genannten Empfehlungen auch für die Angehörigen der Risikogruppen übernommen werden. Für spezielle Maßnahmen fehlen weiterhin gesicherte Daten. Vorsorgeuntersuchungen Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom Empfehlung a. Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom sollten in einem Lebensalter, das 10 Jahre vor dem Alterszeitpunkt des Auftretens des Karzinoms beim Indexpatienten liegt, erstmal komplett koloskopiert werden, spätestens im Alter von 50 Jahren. Empfehlungsgrad: b, Evidenzstärke 4, starker Konsens. b. Die Koloskopie sollte mindestens alle 10 Jahre wiederholt werden. Empfehlunsgrad: b, Evidenzstärke 4, starker Konsens. Anmerkungen a. Das Risiko eines Verwandten ersten Grades eines Patienten mit kolorektalem Karzinom, ebenfalls an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken, ist, insbesondere bei einem Manifestationsalter unter 50 Jahren beim Indexpatienten erhöht. Bei jungen Indexpatienten in der Verwandtschaft sollte die Diagnose eines HNPCC-Syndroms in Erwägung gezogen werden und eine Mikrosatellitenanalyse und/oder immunhistochemische Untersuchung der Mismatch-Reparatur-Proteine durchgeführt werden. Ist dies nicht möglich, sollte die Vorsorge intensiviert werden. b. Die Frage des maximalen Untersuchungsintervall ist bis jetzt nicht eindeutig geklärt. Es gilt derzeit aber als wahrscheinlich, dass ein Intervall von 10 Jahren in der Regel ausreichen dürfte, dieses aber nicht überschritten werden sollte. Verwandte von Patienten mit kolorektalen Adenomen Empfehlung Verwandte ersten Grades von Indexpatienten, bei denen Adenome vor dem 50. Lebensjahr nachgewiesen wurden, sollten 10 Jahre vor dem Lebensalter zum Zeitpunkt des Nachweises des Adenoms koloskopiert werden. Die Koloskopie sollte mindestens alle 10 Jahre wiederholt werden. Empfehlunsgrad: C, Evidenzstärke 5, starker Konsens. 201 Kolorektale Karzinome Früherkennung, FAP, S3-Leitlinie 2004/2008 Vorsorge-familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) Empfehlung zur humangenetischen Beratung und Vorsorgeendoskopie Verwandte eines FAP-Patienten, die aufgrund des Stammbaums als Mutationsträger in Betracht kommen, werden als Risikopersonen bezeichnet. Bei diesen sollte ab dem 10. Lebensjahr im Anschluss an eine humangenetische Beratung der Familie eine prädiktive molekulargenetische Diagnostik durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. Wurde die Mutation bei Risikopersonen (Kinder von einem Elternteil mit FAP oder Geschwister von FAPPatienten) ausgeschlossen, ist eine spezifische gesonderte Vorsorge nicht mehr notwendig. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens. Risikopersonen, bei denen die Mutation bestätigt oder nicht ausgeschlossen werden konnte, sollten spätestens ab dem 10. Lebensjahr jährlich rekto-sigmoidoskopiert werden. Bei Nachweis von Adenomen muss eine komplette Koloskopie erfolgen und bis zur Proktokolektomie jährlich wiederholt werden. Empfehlungsgrad:A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. Anmerkungen Die humangenetische Beratung erfolgt bei Minderjährigen gemeinsam mit den Erziehungsberechtigten. Die Einleitung der humangenetischen Diagnostik vor dem 10. Lebensjahr ist selten notwendig, da kolorektale Karzinome bei FAP-Anlageträgern vor dem 15. Lebensjahr sehr selten sind. Die molekulargenetische Untersuchung kann mittels direkter (Mutationsnachweis im APC-Gen) oder indirekter (Nachweis der Vererbung ursächlichen Mutation durch Kopplungsanalyse) Genotypisierung erfolgen. Eine prädiktive Testung kann nur bei zuvor identifizierter pathogener Keimbahnmutation bei einem betroffenen Familienmitglied erfolgen und muss in eine humangenetische Beratung eingebettet sein. Ein Mutationsnachweis gelingt bei 70% der Patienten. Bei Vorhandensein von mindestens zwei Betroffenen in der Familie kann die Vererbung des für die FAP verantwortlichen Gen-Defekts indirekt über die Vererbung benachbarter polymorpher Marker nachgewiesen werden (Kopplungsanalyse). Mit beiden Methoden zusammen genommen gelingt die molekulargenetische Diagnostik bei über 90% der Betroffenen. Als weitere Methode zur Identifizierung von Genträgern kann in vielen Familien eine Augenhintergrundspiegelung durchgeführt werden. Die Augenhintergrundspiegelung dient zur Identifizierung einer kongenitalen Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels, hat durch die prädiktive DNA-Testung jedoch an Bedeutung verloren. Bei der klassischen FAP werden immer auch Polypen im Rektum und Sigma beobachtet. Sind Rektumpolypen nachgewiesen worden, so können proximal weitere Adenome oder sogar Karzinome vorhanden sein. In diesem Falle schließt sich kurzfristig eine komplette Koloskopie an, die, je nach Befund, in mindestens jährlichen Abständen wiederholt werden sollte. In Familien, in denen eine genetische Testung nicht durchgeführt wurde oder nicht aussagekräftig war, ist allen Risikopersonen die endoskopische Vorsorge ab dem 10. Lebensjahr zu empfehlen. Im Einzelfall ist bei bestimmten Mutationen, früher Karzinommanifestation in der Familie oder assoziierten Symptomen, der Beginn der Vorsorge bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Erwägung zu ziehen. Empfehlung zur Proktokolektomie Patienten mit klassischer FAP sollten prophylaktisch – wann immer möglich kontinenzerhaltend – proktokolektomiert werden, wenn vertretbar erst nach Abschluss der Pubertät. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens. Nach einer Operation ist eine Pouchoskopie jährlich, bei Patienten mit erhaltenem Rektumstumpf eine Rektoskopie alle 4 Monate erforderlich. Empfehlungsgrad: 1, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens. Empfehlung zur Untersuchung möglicher extrakolischer Manifestationen Eine ÖGD mit besonderer Inspektion der Papillenregion sollte spätestens ab dem 30. Lebensjahr alle 3 Jahre durchgeführt werden. Das Intervall sollte in Abhängigkeit vom Schweregrad vorhandener Adenome auf bis zu 1 Jahr verkürzt werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke 4, starker Konsens. Weitere extrakolische Manifestationen müssen bei der Vorsorge beachtet werden. Es sollte daher eine jährliche Sonographie des Abdomens und der Schilddrüse ab dem 10. Lebensjahr erfolgen. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke 4, starker Konsens. Empfehlung Eine allgemeingültige Empfehlung zur Behandlung von Adenomen im oberen Gastrointestinaltrakt kann derzeit nicht gegeben werden. Dies gilt auch für die Gabe von Cox-2-Hemmern. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. 202 Kolorektale Karzinome Früherkennung, HNPCC, S3-Leitlinie 2004/08 Hereditäres Nicht-Polyposis-Coli-Kolonkarzinom (HNPCC) Empfehlung zur genetischen Beratung Risikopersonen ist ab dem 18. Lebensjahr eine genetische Beratung zu empfehlen. Sobald die krankheitsverursachende Mutation in der betreffenden Familie bekannt ist, sollte diese bei den Risikopersonen untersucht werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens Wenn die krankheitsverursachende Mutation bei einer Risikoperson ausgeschlossen wurde, gelten die allgemeinen Krebsvorsorgemaßnahmen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens Empfehlung zur Koloskopie Risikopersonen für ein HNPCC sollten ab dem 25. Lebensjahr jährlich komplett koloskopiert werden (Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2a, Konsens), in jedem Fall 5 Jahre vor dem niedrigsten Erkrankungsalter in der Familie. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, Konsens Anmerkung Eine prospektive Studie konnte eine signifikante Reduktion der Mortalität und auch der Inzidenz von KRK um mehr als jeweils 60% bei dreijährlichen Untersuchungsintervallen nachweisen. Aufgrund einer beschleunigten Tumorprogression mit Intervallkarzinomen bei etwa 4% aller Patienten bei zwei- bis dreijährlichen Untersuchungsabständen wird ein jährliches Intervall empfohlen. Die Stadienverteilung und damit auch Prognose HNPCC-assoziierter kolorektaler Karzinome, die im Rahmen eines Vorsorgeprogramms entdeckt werden, ist signifikant günstiger als die symptomatischer Patienten. Daten zu einer medikamentösen Chemoprävention des KRKRisikos bei HNPCC liegen bisher nicht vor. Eine medikamentöse Chemoprävention außerhalb von Studien kann daher derzeit nicht empfohlen werden. Empfehlung zur Untersuchung assoziierter Karzinome Bei weiblichen Risikopersonen und Mutationsträgerinnen sollte ab dem 25. Lebensjahr zusätzlich zur jährlichen gynäkologischen Untersuchung ein transvaginaler Ultraschall im Hinblick auf Endometrium- und Ovarialkarzinome durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens Wenn in der Familie ein Magenkarzinom aufgetreten ist, sollte ab dem 25. Lebensjahr jährlich eine ÖGD vorgenommen werden. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens Bei allen Risikopersonen und Mutationsträgern sollte ab dem 25. Lebensjahr zusätzlich eine jährliche Oberbauchsonographie durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, starker Konsens Anmerkungen Da durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen Karzinome bei fast allen Patienten im Stadium UICC I/II oder sogar als prämaligne Adenome entdeckt werden und die Penetranz unvollständig ist, kann eine prophylaktische Kolektomie bzw. Proktokolektomie derzeit nicht empfohlen werden. Hamartomatöse Polyposis Empfehlung Generelle Überwachungsempfehlungen können wegen der spärlichen Datenlage nicht gegeben werden. Die Überwachung der Patienten und Risikopersonen sollte in Zusammenarbeit mit einem ausgewiesenen Zentrum durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, starker Konsens. Anmerkungen Die meisten Studien sind retrospektiv und umfassen kleine Fallzahlen. Nach diesen Studien ist das relative Risiko eines Patienten mit Peutz-Jeghers-Syndrom zur Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms deutlich gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht. Darüber hinaus ist das Risiko für eine Reihe von weiteren Tumoren signifikant erhöht. Aufgrund der Seltenheit des Krankheitsbildes sollten diese Patienten in enger Abstimmung mit erfahrenen Zentren behandelt werden. Neben der intestinalen und extraintestinalen Karzinomfrüherkennung stehen jedoch auch insbesondere die Vermeidung und rechtzeitige Erkennung benigner intestinaler Komplikationen wie Blutung, Anämie, Obstruktion und Invagination von Polypen bereits in jungen Jahren im Vordergrund. Aus diesem Grunde sollte eine bildgebende Diagnostik des gesamten Gastrointestinaltraktes bereits ab dem etwa 10. Lebensjahr erfolgen. Auch bei Patienten mit einer juvenilen Polyposis sollte wegen des erhöhten Risikos für KRK und Magenkarzinome und zur Vermeidung und Früherkennung benigner Komplikationen bereits frühzeitig eine bildgebende Diagnostik des gesamten Gastrointestinaltraktes erfolgen. 203 Kolorektale Karzinome Früherkennung, Colitis ulc., S3-Leitlinie 2004/2008 Der Beginn der Vorsorgeuntersuchungen bei Patienten mit chronischer Colitis ulcerosa richtet sich nach den Empfehlungen der WHO (Levin et al. 1991) nach der Ausdehnung der entzündlichen Veränderungen. Bei ausgedehnter, über die Flexura lienalis hinausgehender oder totaler Kolitis soll ab dem 8.-10. Erkrankungsjahr, bei ausschließlich linksseitiger bis maximal zur Flexura lienalis reichender Entzündung ab dem 12.-15. Jahr begonnen werden. Nach neueren Untersuchungen ist eine zusätzlich vorhandene primär sklerosierende Cholangitis ein weiterer unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von Dysplasien und Karzinomen. Während der Koloskopie sind multiple Biopsien zu entnehmen, und zwar: von allen makroskopisch auffälligen Läsionen (Plaques, knotig verdickte oder zottige Areale, ungewöhnliche Polypen, Stenosen) und von makroskopisch unauffälliger (flacher) Schleimhaut alle 10-12 cm. Die Biopsien müssen getrennt und mit detaillierter Angabe der Herkunft zur histologischen Untersuchung eingesandt werden. Nach dem Ergebnis der Histologie und nach dem makroskopischen Befund richtet sich das weitere Vorgehen entsprechend dem nachstehenden Schema (Empfehlung der WHO nach Hohenberger, Regensburg): Überwachungsstrategie bei Colitis ulcerosa nach dem Dysplasiegrad der Mukosa LGD = low grade Dysplasie HGD = high grade Dyspalsie S3-Leitlinie Bei Patienten mit Pancolitis ulcerosa, die >8 Jahre besteht, oder linksseitiger Colitis, die >15 Jahre besteht, soll eine komplette Koloskopie mit Stufenbiopsien (mindestens 4 Biopsien alle 10 cm) jährlich erfolgen. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, Konsens Primärprävention Empfehlung Aminosalicylate können zur Prophylaxe des kolorektalen Karzinoms bei Colitis ulcerosa eingesetzt werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, Konsens. Anmerkungen Prospektive Studien zum Einsatz von Aminosalicylaten zur Karzinomprophylaxe liegen nicht vor. In mehreren Fallkontrollstudien ging eine 5-ASA-Therapie mit einer gesenkten Karzinomentstehung einher. In einer Kohortenstudie war das Risiko, ein KRK zu entwickeln, für Patienten mit langjähriger Aminosalicylat-Therapie signifikant verringert. Eine Dauergabe von Aminosalicylaten scheint demnach das KRK-Risiko zu senken. Eine Fortführung der Aminosalicylat-Therapie zur Karzinomprophylaxe sollte mit dem Patienten individuell anhand vorliegender Risikofaktoren besprochen werden. Sie ersetzt nicht die Notwendigkeit einer regelmäßigen endoskopischen Überwachung. Bei Colitis ulcerosa-Patienten mit zusätzlich vorliegender PSC scheint eine Ursodeoxycholsäure-Therapie (UDCA) einen protektiven Effekt auf die kolorektale Neoplasieentstehung zu besitzen. Folsäure besitzt möglicherweise einen protektiven Effekt bei Patienten mit CU, weitere Studien sind jedoch erforderlich. Empfehlung Bei eindeutiger und durch einen unabhängigen zweiten Pathologenbefundung bestätigte hochgradige intraepitheliale Neoplasie in flacher, nicht entzündeter Schleimhaut, ist dem Patienten die elektive, kontinenzerhaltende Proktokolektomie zu empfehlen. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens. Morbus Crohn Beim Morbus Crohn ist ebenfalls von einem erhöhten kolorektalen Karzinom-Risiko auszugehen, dieses ist jedoch im Vergleich zur Colitis ulcerosa noch unzureichend charakterisiert, möglicherweise aber geringer. Es besteht ein erhöhtes Dünndarmkarzinomrisiko. 204 Kolorektale Karzinome Endoskopie, Durchführung, S3-Leitlinie 2004/2008 Stellenwert der Endoskopie in der Diagnostik von Polypen und KRK Empfehlung Die komplette Koloskopie stellt das Standardverfahren zur Detektion kolorektaler Polypen und Karzinome dar. Sie besitzt die höchste Sensitivität und Spezifität für das Auffinden eines KRKs und von kolorektalen Polypen. Die Effektivität der Koloskopie hängt entscheidend von der Qualität der Untersuchung ab. Diese ist technik- und untersucherabhängig. Evidenzstärke: 1b, starker Konsens Bei inkompletter Koloskopie aufgrund eines stenosierenden Tumors kann präoperativ zusätzlich eine CT- oder MRKolonografie erfolgen. Postoperativ soll eine komplette Koloskopie erfolgen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens Hintergrund Wichtige Qualitätsmerkmale der Koloskopie beinhalten die Spiegelung bis zum Coecum, die optimale Darmvorbereitung mit wenig oder keinen verbliebenen Stuhlresten sowie die sorgfältige Inspektion der Darmschleimhaut beim Rückzug. So konnte gezeigt werden, dass die Polypendetektionsrate mit der Rückzugszeit nach Erreichen des Coecums korreliert. Die Rückzugszeit sollte mindestens 6 Minuten betragen. Weitere Qualitätsmerkmale sind die primäre Erkennung von Polypen bei 20-50% sowie übersehene Polypen bei weniger als 10% der Untersuchten. Bei pathologischen Befunden im Rahmen der Koloskopie ist eine Zuordnung nach endoskopisch-anatomischen Strukturen und nach Diaphanoskopie ungenügend. Eine Angabe in cm Gerätelänge ab ano sollte nur im Rektum und unteren Sigma erfolgen. Bei unklarem oder OP-würdigen Befund sollte eine Markierung mittels Clip (nur bei zeitnaher OP) oder Tusche erfolgen, um eine Wiederauffindung zu ermöglichen. Chromoendoskopie Empfehlung Eine Chromoendoskopie kann bei Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung und HNPCC zur besseren Erkennung von neoplastischen Läsionen eingesetzt werden. Sie kann darüber hinaus zur besseren Abgrenzung flacher und eingesenkter Läsionen vor endoskopischer Therapie verwendet werden. Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens. Hintergrund Bei Patienten mit CED oder HNPCC kann eine höhere Detektionsrate neoplastischer Läsionen durch Chromoendoskopie als gesichert gelten. Durch den Einsatz der Chromoendoskopie mit Indigokarmin oder Methylenblau gelingt eine bessere Abgrenzung flacher und eingesenkter Läsionen von der umgebenden gesunden Schleimhaut. Die Chromoendoskopie kann daher vor der endoskopischen Abtragung flacher Adenome eingesetzt werden. Zoomendoskopie Empfehlung Die Durchführung der Zoomendoskopie zur Klassifikation des „Pit-Pattern“-Musters ist derzeit kein Standardverfahren. Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens. Hintergrund Ziel der Zoomendoskopie ist es anhand der „Pit-Pattern“-Klassifikation zwischen hyperplastischen und neoplastischen Läsionen zu unterscheiden, um ohne Histologie festzustellen, welche Läsionen endoskopisch abgetragen werden müssen. In einzelnen Studien war dies mit hoher Sensitivität möglich. Die Spezifität war jedoch in anderen Studien mit 75% nicht ausreichend. Die Zoomendoskopie ersetzt derzeit nicht die Endoskopie. Sigmoidoskopie versus Koloskopie Empfehlung Bei positivem FOBT-Test, bei Tumorverdacht oder simoidoskopischem Nachweis eines neoplastischen Polypen soll eine vollständige Koloskopie durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens. 205 Kolorektale Karzinome Polypektomiedurchführung, S3-Leitlinie 2004/2008 Schlingenektomie versus Zangenektomie Empfehlung Polypen sollen unter Angabe der Lokalisation entfernt und geborgen werden. Die Polypektomie kann bei multiplen Polypen ggf. mehrzeitig erfolgen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens. Hintergrund Um eine Zuordnung zu ermöglichen, sollen Polypen einzeln unter Angabe der Lokalisation für eine histologische Aufarbeitung geborgen werden. Bei mehreren Polypen in einem Segment ist eine gemeinsame Bergung dieser Polypen vertretbar. Hierbei müssen aber die onkologischen Resektionsgrenzen beachtet werden; eine Markierung des polypektomierten Kolonsegments ist sinnvoll. Folgende Endoskopische Verfahren stehen zur Verfügung: Polypektomie mit der Schlinge Endoskopische Mucosaresektion (EMR) Alternative Verfahren der Polypenentfernung sind im Einzelfall in Erwägung zu ziehen. Abgetragene flache und sessile Polypen sollten zur Identifikation durch Aufspießen mit einer Stecknadel oder durch Farbstoff markiert werden. Die Fixierung auf einer Korkplatte hat sich ebenfalls bewährt. Voraussetzung und Limitierung für die endoskopische Schlingenektomie großer Polypen sind die realistische Option einer kompletten Abtragung mit einem niedrigen Blutungs- und Perforationsrisiko. Die Erfahrung des Untersuchers und die Lage des Polypen können ebenfalls limitierende Faktoren darstellen. Flache Läsionen können durch eine EMR entfernt werden. Ausschließlich eingesenkte flache Läsionen (IIc) sollten in der Regel primär chirurgisch und nicht endoskopisch behandelt werden, da es sich hierbei meistens nicht mehr um sogenannte frühinvasive T1-Karzinome handelt und die komplette endoskopische Entfernung (R0) nur selten möglich ist. Die Polypektomie kann auch unter Thrombozytenaggregationshemmung durchgeführt werden, die Kombination von ASS und Clopidrogel erhöht jedoch das Blutungsrisiko und sollte vermieden werden. Die vollständige Entfernung eines Polypen ist immer zu fordern, denn in einem verbliebenen Polypenrest können noch eine hochgradige intraepitheliale Neoplasie oder ein Karzinom nachweisbar sein. Die Größe des entfernten Polypen, der histologische Adenomtyp und der Schweregrad der intraepithelialen Neoplasie bestimmen die Höhe des Risikos für Lokalrezidive und metachroner Polypen. Bei Polypen > 2 cm beträgt die Lokalrezidivrate 8-20%. Empfehlung Um eine repräsentative histologische Aussage zu erhalten und zur definitiven Therapie, sollen Polypen > 5 mm vollständig durch Schlingenektomie entfernt werden. Polypen ≤ 5 mm sollten generell mit der Zange komplett entfernt werden. Grundsätzlich sollen diagnostische Koloskopien nur dann durchgeführt werden, wenn in gleicher Sitzung die Möglichkeit zur Schlingenektomie besteht. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens. Hintergrund Eine Zangenbiopsie von Polypen ist nicht sinnvoll, wenn eine Abtragung technisch möglich ist. Sie ist außerdem unzuverlässig. Darüber hinaus können ausgiebige Biopsien durch nachfolgende Vernarbung die komplette endoskopische Abtragung beim Zweiteingriff erschweren. Bei eindeutigen Malignitätskriterien mit primärer OP-Indikation sind Biopsieentnahmen obligat. Bei Polypen ≤ 5 mm sind Adenome mit invasivem Karzinom äußerst selten, bei Polypen ≤ 1 cm beträgt die Rate < 1%. Ziel einer Koloskopie muss das Erreichen eines polypenfreien Darms (clean-colon) sein. Bei Polypen ≤ 5 mm ist deshalb eine komplette Zangenektomie erforderlich, um die Läsion histologisch zu typisieren. Kleine (≤ 5 mm), häufig multipel auftretende typische hyperplastische Polypen im Rektum können belassen werden. In den letzten Jahren mehren sich die Hinweise, dass neben der Adenom-Karzinom-Sequenz auch der weitere Weg über den sogenannten „serrated pathway“ zu einem kolorektalen Karzinom führen kann. Hyperplastische Polyposis Beim Vorliegen einer sogenannten hyperplastischen Polyposis ist das mutmaßlich erhöhte Risiko eines KRK bei der Terminierung von Kontroll-Intervallen zu berücksichtigen. Die hyperplastische Polyposis ist definiert durch (WHO): mindestens 5 hyperplastische Polypen proximal des Sigmas, wobei zwei größer als 1 cm sein sollen. Das Auftreten von hyperplastischen Polypen proximal des Sigmas unabhängig von Zahl und Größe, wenn ein erstgradig Verwandter (Eltern, Kinder, Geschwister) von einer hyperplastischen Polyposis betroffen ist. Wenn mehr als 30 hyperplastische Polypen – egal welcher Grösse-proximal des Sigmas auftreten. 206 Kolorektale Karzinome Histologische Untersuchung, S3-Leitlinie 2004/2008 Histologische Untersuchung, Empfehlung S3-Leitlinie 2008 Die histologische Untersuchung jedes Polypen ist obligat. Die histologische Befundung der Polypen erfolgt entsprechend der WHO-Kriterien mit einer Aussage zur Vollständigkeit der Abtragung. Konventionelle Adenome werden klassifiziert nach histologischem Wachstumstyp (tubulär, tubulovillös und villös) und dem Grad der intraepithelialen Neoplasie (niedrig- und hochgradige intraepitheliale Neoplasie); serratierte Läsionen werden unterteilt in hyperplastische Polypen, sessile serratierte Adenome, gemischte Polypen (mit Angabe des IEN-Grades) und traditionelle serratierte Adenome (mit Angabe des IEN-Grades). Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens. Hintergrund Etwa 8% der bisher als hyperplastisch klassifizierten Polypen sind nach neuen Erkenntnissen sessile serratierte Adenome (SSA), die ein Progressionspotenzial zum Karzinom besitzen, vor allem bei einer Größe von mehr als 1 cm und rechtsseitiger Lokalisation. Außerdem kommen gemischte Schleimhautpolypen (mixed polyps) vor. Weiterhin sind 2% aller kolorektalen Polypen traditionelle serratierte Adenome (TSA). Alle diese Varianten weisen einen gemeinsamen molekularen Kanzerogeneseweg auf. Empfehlung Histologie bei Karzinomnachweis Bei Karzinomnachweis soll der histologische Befund folgende Merkmale enthalten: Das Ausmaß der Tiefeninfiltration (pT-Kategorie), bei sessilen Polypen die sm-Invasionsmessung in μm. Den histologischen Differenzierungsgrad (Grading) Vorhandensein oder Fehlen von Lymphgefäßinvasion (L-Klassifikation) und Die Beurteilung der Resektionsränder (R-Klassifikation) im Hinblick auf die lokale Entfernung im Gesunden (zur Tiefe und zur Seite). Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens. Empfehlung Klassifikation pT1-Karzinom Im Hinblick auf weitere therapeutische Konsequenzen bei komplett entfernten pT1-Karzinomen soll eine zusammenfassende Klassifikation erfolgen in Low-risk High risk = = G1 oder G2 und keine Lymphgefäßeinbrüche (L0) G3 oder G4 und /oder Lymphgefäßeinbrüche (L1) Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens. Die Notwendigkeit einer Angabe über den Abstand der Entfernung im Gesunden bei pT1-Karzinomen ist strittig. WHO/Wien-Klassifikation: Einteilung und Terminologie der kolorektalen intraepithelialen Neoplasien Kategorie 1 Keine Neoplasie Kategorie 2 „indefinite“ für Neoplasie Kategorie 3 Geringgradige Neoplasie der Schleimhaut Mucosal low grade intraepithelial neoplasia (LGIN) Kategorie 4 Hochgradige Neoplasie der Schleimhaut Hochgradige intraepitheliale Neoplasie (HGIN) Intraepithelial: Adenom mit schwerer Dysplasie, Carcinoma in situ Intramucosal: intramucosales Karzinom, V.a. invasives Karzinom Kategorie 5 Submucosales invasives Karzinom (Frühkarzinom T1, fortgeschrittene Karzinome >T1) Nicht neoplastische Polypen Verschiedene Typen siehe Seite „Polypen“. Die hyperplastischen Polypen (meist <5 mm) sind die häufigsten nicht neoplastischen Kolonpolypen. Hyperplastische Polypen können in eine intraepitheliale Neoplasie, die dann „serrated adenoma“ genannt wird, und nachfolgend in ein Karzinom übergehen. Von einem „serrated adenoma“ spricht man, wenn histologisch sägeblattartige Krypten mit Dysplasien des Oberflächenepithels und vermehrten Mitosen vorliegen. 207 Kolorektale Karzinome Polypektomie, Karzinomnachweis, S3-Leitlinie 2004/2008 Vorgehen bei pT1-Karzinomen Empfehlung Ergibt die histologische Untersuchung eines endoskopisch R0-entfernten Polypen ein pT1-Karzinom, soll auf eine onkologische Nachresektion verzichtet werden, wenn es sich um eine Low-Risk-Situation bei histologisch karzinomfreier Polypenbasis (R0) handelt. In der High-Risk-Situation ist die radikale chirurgische Behandlung erforderlich, auch wenn die Läsion komplett entfernt wurde. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, Konsens. Bei inkompletter Abtragung eines Low-Risk-pT1-Karzinoms soll eine komplette endoskopische oder lokale chirurgische Entfernung erfolgen. Wenn eine R0-Situation nicht erreichbar ist oder Zweifel am Vorliegen einer pT1-Situation besteht, so ist die onkologisch-chirurgische Resektion erforderlich. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens Hintergrund pT1-Karzinome unterscheiden sich je nach Situation erheblich in ihrer Prognose. Dreh- und Angelpunkt einer Risikostratiefizierung stellt die Wahrscheinlichkeit der Lymphknotenmetastasierung dar. Die Gesamtgruppe der T1-Karzinome hat eine Lymphknotenmetastasierungsrate (N+) von 0-20%. Qualitative Prognosekriterien: Grading und L-Klassifikation des Polypen. Quantitative Messung der Submucosainvasion am Operations- bzw. Polypektomiepräparat. Einteilung der Submucosaschicht in drei Drittel. Am Präparat eines sessilen Polypen ist die Messung der Submucosinvasionsstrecke in μm sinnvoller. Die sogenannten frühinvasiven Formen (sm1, sm2 bzw. Submucosainvasion ≤ 1000 μm) haben mit 0-6% ein geringes N+-Risiko. Bei sm3-Karzinomen beträgt das Lymphknotenmetastasierungsrisiko etwa 20%. Cave: Messung der Submucosadicke nicht am gestielten Polypen in μm, weil die Submucosadicke von der Stiellänge abhängig ist, das heißt der Stiel ist immer sm1-Niveau. Der Nachweis einer Veneninvasion (V-Klassifikation) sollte erwähnt werden, der Stellenwert für eine lokale Therapie ist jedoch nicht sicher belegt. Vorsicht ist geboten, wenn bei sessilen Läsionen prätherapeutisch bereits eine Karzinomdiagnose bioptisch gesichert wurde. Häufig handelt es sich dann schon nicht mehr um eine endoskopisch therapierbare Situation. Die Absicherung einer R0-Situation ist obligat, kontrovers wird ein Sicherheitsabstand von 1 mm zur Basis diskutiert. Eine endoskopische Entfernung als en-bloc-Resektion ist optimal. Eine Entfernung in Piece-mealTechnik erscheint ausreichend. Empfehlung Nachsorge pT1-Karzinom Die endoskopische lokale Nachsorge bei kompletter Entfernung (R0) von Low-Risk (pT1, low-grade G1, G2, L0) Karzinomen nach einem halben Jahr und nach zwei Jahren. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. Empfehlung Medikamentöse Sekundärprävention bei Adenomen Eine medikamentöse Sekundärprophylaxe nach Polypektomie sollte derzeit außerhalb von Studien nicht erfolgen. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke:1b, starker Konsens. Hintergrund Obwohl in mehreren prospektiven randomisierten Untersuchungen mit hoher Evidenzstärke (1b) ein geringer präventiver Effekt nach niedrigdosiertem ASS gefunden wurde, kann aufgrund des geringen Effekts (Senkung der Rezidivadenomrate um max. 35%) und der medikamentös bedingten Risiken derzeit eine Einnahme zur Senkung des Rezidivrisikos nicht empfohlen werden. Gleiches gilt für die COX-2-Hemmer, für die eine Senkung der Adenomrezidivrate um 24-45% erreicht wurde, die jedoch mit einer signifikant erhöhten Rate kardiovaskulärer Nebenwirkungen einhergingen, die den potentiellen Nutzen aufwiegen. Auch die Senkung der Adenomrezidivrate um 12% durch Kalzium erscheint zu gering, um die längerfristige Einnahme für diese Indikation rechtfertigen zu können. 208 Kolorektale Karzinome Polypenmanagement, Nachsorge, S3-Leitlinie 2004/2008 Eine wesentliche Neuerung der überarbeiteten Leitlinie ist die Betonung der Bedeutung einer hochqualitativen Koloskopie mit hoher Neoplasiedetektions- und geringer Nebenwirkungsrate. Aufgrund des geringen Neoplasierisikos von Patienten, bei denen ein oder zwei tubuläre Adenome < 10mm entfernt wurden, wurde das Nachsorgeintervall für diese Patientengruppe auf 5 Jahre verlängert. Diese Empfehlung wird durch eine randomisierte US-Studie unterstützt, in der die Rate an fortgeschrittenen Neoplasien zwischen Patienten, die innerhalb der ersten 3 Jahre und zwischen 3 und 5,5 Jahren nach Abtragung von ein oder zwei tubulären Adenomen kontrolliert wurden, nicht signifikant unterschiedlich war (Liebermann et al. Gastroenterol 2007;133:107785). Empfehlung Nach Abtragung kleiner einzelner, nicht neoplastischer Polypen besteht keine Notwendigkeit einer endoskopischen Nachsorge. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens. Hintergrund Bei Patienten mit kleinen (<1 cm) hyperplastischen Polypen und negativer Familienanamnese besteht offenbar kein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines KRK. Hier gelten die allgemeinen Regeln zur KRK-Prävention, d.h. Kontrollkoloskopie in 10 Jahren. Ausnahmen sind nicht neoplastische Polyposiserkrankungen (hyperplastische, juvenile, Peutz-Jeghers) mit erhöhtem Risiko einer malignen Entartung. Empfehlung Nachsorge Nach kompletter Abtragung neoplastischer Polypen (Adenome) ist eine Kontrollendoskopie erforderlich. Der Zeitpunkt sollte von Anzahl, Größe und Histologie der entfernten Adenome abhängig gemacht werden. 1 oder 2 Adenome < 1 cm ohne höhergradige intraepitheliale Neoplasie: Kontrolle nach 5 Jahren 3-10 Adenome oder mindestens ein Adenom, das 1 cm oder größer ist, oder ein Adenom mit villöser Histologie: Kontrolle nach 3 Jahren Adenom mit hochgradiger intraepithelialer Neoplasie und histologisch bestätigter vollständiger Abtragung: Kontrolle nach 3 Jahren Histologisch nicht bestätigte vollständige Abtragung bei makroskopisch vollständiger Abtragung: Kontrolle zeitnah in 2-6 Monaten. Mehr als 10 Adenome: Kontrolle kürzer als 3 Jahre unter Berücksichtigung individueller Kriterien (Familienanamnese). Nach Abtragung großer, flacher oder sessiler Adenome in Piece-meal-Technik: kurzfristige Kontrolle der Abtragungsstelle nach 2-6 Monaten. Nach unauffälliger Kontrollendoskopie weitere Kontrollen in 5-jährigen Abständen. Nach kompletter Abtragung eines traditionellen serratierten Adenoms, eines gemischten Schleimhautpolypen oder eines sessilen serratierten Adenoms sollte aufgrund des potentiell erhöhten Karzinomrisikos unabhängig vom IENGrad eine Kontrollkoloskopie nach 3 Jahren erfolgen. Evidenzstärke: 4, starker Konsens Hintergrund Die Empfehlungen zum Post-Polypektomie-Management sollten durch das individuelle Risiko des jeweiligen Patienten (familiäre Belastung, Komorbiditäten, Zweittumor, Divertikulose) und den Sauberkeitsgrad des Kolons bei der zuletzt durchgeführten Koloskopie beeinflusst werden. Grundlage für die oben genannten Empfehlungen ist die Durchführung einer hochqualitativen Basiskoloskopie. Dennoch treten Intervall-Karzinome mit einer Rate von 0,70,9% innerhalb von 3 Jahren auf. Diese setzen sich zusammen aus übersehenen Läsionen, inkompletten Polypektomien sowie dem Auftreten schnell wachsender Tumore. Als Grundlage für die Festlegung von Kontrolluntersuchungen nach Polypektomie kann eine Risikostratiefizierung der Patienten nach dem Low-/HighRisk-Adenom-Konzept erfolgen, welches das Risiko für metachrone fortgeschrittene Läsionen anzeigt. Die Zuordnung von Patienten zu diesen Risikogruppen erfolgt nach Anzahl, Größe und Histologie der entfernten Adenome im Rahmen der Basisuntersuchung. 209 Kolonkarzinom Präoperative Diagnostik Die Therapie kolorektaler Karzinome sollte grundsätzlich auf der Basis einer histologischen Untersuchung geplant werden. Präoperative Stagingdiagnostik beim Kolonkarzinom Nach histologischer Diagnosesicherung und vor Durchführung der Operation: • Anamnese mit besonderer Berücksichtigung einer familiären Häufung • Körperliche Untersuchung mit digital-rektaler Untersuchung • Laborroutine + CEA, Blutgruppe • Rö.-Thorax in zwei Ebenen, EKG • Vollständige Koloskopie, sofern nicht bereits erfolgt • Im Falle einer nicht passierbaren Stenose Koloskopie 3-6 Monate postoperativ • Abdominelle Sonographie • CT/MRT Abdomen bei unklarem sonographischen Befund oder unzureichender Beurteilbarkeit • Optional sind CT-Thorax, endoluminale Sonographie, Zystoskopie bei Verdacht auf Harnblaseninfiltration, gynäkologische Untersuchung bei Verdacht auf Infiltration von Uterus und/oder Adnexen. Spezielle Diagnostik beim Rektumkarzinom siehe dort Die ESMO-Empfehlungen 2008 (siehe dort) und die NCCN-Guidelines 2008 sehen in der Stagingdiagnostik ein Abdomen-CT vor ! S3-Leitlinie 2004/2008 Vor der Therapie eines Patienten mit einem KRK muss eine Koloskopie mit Biopsie vorliegen. Da in bis zu 5% der kolorektalen Karzinome synchrone Tumoren zu erwarten sind, die der intraoperativen Beurteilung entgehen könnten, ist eine Koloskopie des gesamten Kolons vorzunehmen. Ist aus technischen Gründen eine komplette Koloskopie nicht möglich, sollte ein alternatives radiologisches Verfahren eingesetzt werden. Die virtuelle Kolonographie stellt hierfür eine viel versprechende Alternative zum Kolonkontrasteinlauf dar mit hoher Sensitivität in einer Fallserie. Ist eine komplette Koloskopie aufgrund eines stenosierenden Prozesses nicht möglich, sollte eine Koloskopie ca. 3 bis 6 Monate nach Resektion erfolgen. Ein präoperativer Kolonkontrasteinlauf ist von der Wertigkeit her eingeschränkt und bei Stenosen mit der Gefahr einer Ileusinduktion verbunden und wird daher nicht empfohlen. Zum Stellenwert der virtuellen Kolonographie für diese Fragestellungen liegen bisher keine Daten vor. Das PET hat in der Primärdiagnostik des kolorektalen Karzinoms keinen Stellenwert. Eine Mikrometastasendiagnostik ist bisher ohne therapeutische Konsequenz und kein unabhängiger prognostischer Parameter. Definition von Kolon- und Rektumkarzinom Die Grenze zwischen Kolon und Rektum wird unterschiedlich definiert. Die intraoperative Beurteilung anhand des Endes der Taeniae oder der peritonealen Umschlagsfalte ist individuell unterschiedlich und von Alter, Geschlecht und anderen Faktoren abhängig. Die präoperative Messung der Höhenangabe des Tumors mit dem flexiblen Endoskop ist unzuverlässig. Zuverlässiger sind die Höhenangaben mit dem starren Rektoskop. Die Anokutanlinie dient als distaler Messpunkt. Nach dem internationalen Dokumentationssystem gelten als Rektumkarzinome Tumoren, deren aboraler Rand bei der Messung mit dem starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anocutanlinie entfernt ist. Demgegenüber gelten in den USA als Kolonkarzinome Tumoren, die mehr als 12 cm und als Rektumkarzinome Tumoren, die 12 cm und weniger von der Linea anocutanea entfernt sind. Begründet wird dies mit der deutlich höheren Lokalrezidivrate bei Tumoren unterhalb von 12 cm. 210 Kolorektale Karzinome Histologie Histologie Adenokarzinome: In 85-90 % handelt es sich um Adenokarzinome, die sich durch ein invasives Wachstum durch die Lamina muscularis mucosae in die Submucosa oder tiefere Darmwandschichten definieren. Tumoren mit morphologischen Charakteristika eines Adenokarzinoms, die nur das Epithel betreffen oder eine Invasion in die Lamina propria, aber keine Invasion in die Lamina muscularis mucosae aufweisen, haben praktisch kein Metastasierungsrisiko. Sie werden deshalb besser mit dem Begriff „high-grade intraepitheliale Neoplasie“ anstelle eines Adenocarcinoma in situ oder eines intramucosalen Adenokarzinoms bezeichnet. Kolonkarzinom im endoskopischen Bild im Colon ascendens Muzinöses Adenokarzinom (5-10%): Das Karzinom besteht zu mehr als 50% aus Muzin. In diesem Falle geben die Tumorzellen Schleim in die Drüsenlumina ab, d.h. es tritt eine extrazelluläre Verschleimung auf. Viele Karzinome mit hochgradiger Instabilität in der Mikrosatelliten-Instabilitäts-Analyse (MSI-High) entsprechen histopathologisch dieser Variante. Siegelringzellkarzinome: 1 % sind Siegelring-Ca. Für diese Tumoren ist eine intrazelluläre Verschleimung charakteristisch. Einige Karzinome mit MSI-H entsprechen dieser Variante. Medulläre Karzinome: Seltene Variante, die nahezu ausschließlich mit MSI-H assoziiert ist und im Vergleich mit anderen schlecht differenzierten CRC eine bessere Prognose aufweisen. Ausgesprochen selten sind Plattenepithel-Karzinome, adenosquamöse Karzinome, kleinzellige und undifferenzierte Karzinome sowie Karzinoide und maligne Lymphome. Histopathologisches Grading In klassischer Weise erfolgt das Grading in einem vierstufigen Schema. Gx Differenzierungsgrad kann nicht bestimmt werden G1 gut differenziert. Karzinom mit histologischen und zellulären Merkmalen normalen Epithels G2 mäßig differenziert. Differenzierungsmuster des Karzinoms zwischen G1 und G3 einzuordnen G3 schlecht differenziert. Karzinom mit histologischen und zellulären Merkmalen, die normalem Epithel kaum ähneln (mindestens Drüsenformation oder Schleimbildung) G4 undifferenziert. Es lassen sich keine glandulären oder Plattenepithel-typischen Differenzierungen erkennen. Nach neueren Erkenntnissen ist jedoch ein zweistufiges Grading ausreichend, da das histologische Grading untersucherabhängigen Schwankungen unterliegt und ein zweistufiges Grading prognostisch ausreichend ist. Grading 1 und 2 gelten als „low-grade“ mit einer lymphogenen Metastasierungsrate von bis zu 25 %, Grading 3 + 4 gelten als „high-grade“. Die lymphogene Metastasierungsrate beträgt für diese Subgruppe 80 %. Siegelringzellkarzinome gelten per definitionem als schlecht differenziert (G3). Medulläre Karzinome mit MSI-H erscheinen undifferenziert (G4). Da aber MSI-H-Karzinome eher eine bessere Überlebenswahrscheinlichkeit haben, sind weitere Untersuchungen zur Korrelation zwischen Grading und molekularen Subtypen erforderlich. 211 Kolorektale Karzinome Pathohistologische Diagnostik, S3-Leitlinie Anforderungen an die pathohistologische Diagnostik (S3-Leitlinie) Makroskopische Beurteilung a. limitierte Resektion (z.B. Segmentresektion, tubuläre Resektion) b. radikale Standardresektion (z.B. Hemikolektomie, Sigmaresektion) c. erweiterte radikale Resektion (z.B. erweiterte Hemokolektomie) a. en-bloc-Resektion Anzahl der Resektate b. mehrere Teile a. spontan Tumorperforation b. iatrogen • Länge des Darmresektates, Resektion von Nachbarorganen • Schnitt durch den Tumor, Tumorobstruktion • Makroskopischer Tumor an Resektionsrändern (insbesondere an den circumferentiellen Rändern) • Größe und Lage des Tumors innerhalb des Resektats (Abstand von oralem und aboralem Resektionsrand) • Weitere Veränderungen im Präparat (z.B. Polypen, Divertikel) Ausmaß der Resektion Mikroskopische Beurteilung • Histologischer Tumortyp nach WHO • Tumorinvasionstiefe (pT-Kategorie) • Lymphknotenstatus (pN-Kategorie), Anzahl untersuchter und befallener Lymphknoten • Ggf. histologische Verifikation von Fernmetastasen (M-Kategorie) • Lymphgefäßinvasion (L-Kategorie), Veneninvasion (V-Kategorie) • Perineuralinvasion (Pn-Kategorie) • Radikalität (R-Kategorie) a. low Grade Grading b. high Grade a. oral und aboral, wenn Abstand zum Tumor < 5cm (aufgespannt) Resektionsränder (Kolonkarzinom) b. zirkumferentiell (mesokolisch/retroperitoneal), wenn pT3/4 Rektumkarzinom siehe dort c. makroskopisch verdächtige Bereiche Histologisches Regressionsgrading nach neoadjuvanter Therapie Der Regressionsgrad nach Chemo-/Radiotherapie des Primärtumors wird nach verschiedenen Skalen klassifiziert. Am gebräuchlichsten sind die Einteilungen nach Dworak (s.u.) und nach Ryan sowie das Regressionsgrading der TU-München nach Werner und Höfler (siehe auch Rektumkarzinom, Regressionsgrading nach neoadjuvanter Therapie) Grad 0 Keine Regression Grad 1 Überwiegend Tumor mit deutlicher Fibrose und /oder Vaskulopathie Grad 2 Überwiegend Fibrose mit wenigen Tumorzellen (leicht histologisch zu erkennen) Grad 3 Sehr wenige (schwierig histologisch nachzuweisende) Tumorzellen innerhalb Fibrose mit oder ohne Schleimseen Grad 4 Keine vitalen Tumorzellen nachweisbar Residualtumorklassifikation Rx Vorhandensein von Residualtumor kann nicht beurteilt werden R0 Kein Residualtumor R1 mikroskopischer Residualtumor R2 makroskopischer Residualtumor 212 Kolorektale Karzinome TNM-Klassifikation (UICC 2002) T – Primärtumor Tx Tis T1 T2 T3 T4 Primärtumor kann nicht beurteilt werden. Carcinoma in situ Tumor infiltriert Submucosa Tumor infiltriert Muscularis propria Tumor infiltriert durch die Muscularis propria in die Subserosa oder in nicht peritonealisiertes perikolisches oder perirektales Gewebe Tumor perforiert das viszerale Peritoneum oder infiltriert in andere Organe oder Strukturen Anmerkung Tis liegt vor, wenn Tumorzellen innerhalb der Basalmembran der Drüsen (intraepithelial) oder in der Lamina propria (intramukös) nachweisbar sind, ohne dass eine Ausbreitung durch die Muscularis mucosae in die Submucosa feststellbar ist. Direkte Ausbreitung in T4 schließt auch die Infiltration mehrerer Segmente des Kolorektums auf dem Weg über die Serosa ein, z.B. die Infiltration des Sigma durch ein Zökumkarzinom. Ein Tumor, der makroskopisch an anderen Organen adhärent ist, wird als T4 klassifiziert. Ist bei der histologischen Untersuchung in den Adhäsionen kein Tumorgewebe nachweisbar, soll der Tumor als pT3 klassifiziert werden. N – Regionäre Lymphknoten Nx N0 N1 N2 pN0 Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden. keine regionären Lymphknotenmetastasen. Metastasen in 1-3 perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten. Metastasen in 4 oder mehr perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten. Regionäre Lymphadenektomie und histologische Untersuchung üblicherweise von 12 oder mehr Lymphknoten. Wenn die untersuchten Lymphknoten tumorfrei sind, aber die geforderte Richtzahl nicht erreicht wird, soll der Befund dennoch als pN0 klassifiziert werden. Anmerkung Ein Tumorknötchen im perikolischen oder perirektalen Fettgewebe ohne histologischen Anhalt für Reste eines Lymphknotens wird in der pN-Kategorie als regionäre Lymphknotenmetastase klassifiziert, wenn die Form und glatte Kontur eines Lymphknotens vorliegen. Wenn das Tumorknötchen eine irreguläre Kontur aufweist, soll es in der pTKategorie beurteilt und auch als V1 (mikroskopische Veneninvasion) oder, falls es makroskopisch erkennbar ist, als V2 eingestuft werden, weil es dann sehr wahrscheinlich ist, dass es sich um eine Veneninvasion handelt. M – Fernmetastasen Mx Mo M1 Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden. Keine Fernmetastasen. Fernmetastasen. Präfix vor dem TNM-System p c r u y Pathologisches Stadium Klinisches Stadium Rezidiv Ultraschalldiagnostik Klassifikation nach neoadjuvanter Therapie 213 R-Klassifikation (Residualtumor) Sicht des Pathologen Die Anwendung einer Klassifikation von Residualtumor nach einer chirurgischen Therapie primärer maligner Tumoren ist 1978 vom American Joint Committee on Cancer (AJCC) empfohlen worden. Der Ansatz dieser extrem prognoserelevanten Bewertung stellte eine notwendige und wertvolle Ergänzung der Konzepte des TNM und pTNM dar, bei denen das mögliche Verbleiben von Tumorgewebe in situ nicht abgebildet wird. Auf der Grundlage dieser ersten R-Klassifikation erfolgte durch die UICC 1987 eine Weiterentwicklung dahingehend, dass sowohl der maligne Primärtumor als auch dessen mögliche Metastasen Berücksichtigung fanden. In diesem Konzept etablierte man die R-Klassifikation als eine prognoserelevante Größe, die in vier einfachen Kategorien das posttherapeutische Staging umfassend, bezogen auf den Patienten als Ganzes, abbilden sollte 1) Diesem erweiterten Konzept (R = Residualtumor im gesamten Körper), dass chirurgische und nicht chirurgische Therapiemodalitäten abbildet, stimmte nachfolgend das AJCC zu. Das Besondere an der R-Klassifikation ist somit die ganzheitliche Betrachtung des posttherapeutischen Tumorpatienten mit Berücksichtigung aller „durch die derzeit verfügbaren und allgemein akzeptierten Kategorien des posttherapeutischen R - Status R0 = kein Residualtumor im Patienten R1 = mikroskopischer Nachweis von Residualtumor R2 = makroskopischer Nachweis von Residualtumor Rx = Vorhandensein von Residualtumor kann nicht beurteilt werden diagnostischen Methoden“ erkennbaren Tumormanifestationen im gesamten Organismus. Dieses Vorhaben kann nur interdisziplinär verwirklicht werden und ist nicht, wie vereinfachend angenommen wird, die alleinige Aufgabe der Pathologie. Eine pR-Klassifikation ist nicht etabliert. Um den korrekten R-Status eines Tumorpatienten zu ermitteln, müssen neben der histologischen Beurteilung der Präparateränder, der Operationssitus (beurteilt durch den Chirurgen), das Staging in der Bildgebung (beurteilt durch den Radiologen) und ggf. andere klinische Gegebenheiten (z.B. Tumorrezidiv, Modalitäten vorangegangener Tumor- bzw. Metastasenbehandlung) berücksichtigt werden, d.h. die Pathologie kann nur einen Baustein zur R-Klassifikation liefern. Dieser Beitrag ist zwar wesentlich, jedoch nicht allein gültig. Insofern ist zu betonen, dass besonders der den Patienten klinisch behandelnde Arzt den prognoserelevanten R-Status in der ganzheitlichen Zusammenschau der verschiedenen Einzelbefunde von Pathologie, Radiologie und Klinik bewerten kann. In Fällen, wo die Tumorbehandlung ausschließlich durch Radio- und/oder Radio/Chemotherapie erfolgt, ergibt sich die R-Klassifikation ohne Mitbeteiligung der Pathologie allein aus den klinischen Untersuchungsergebnissen. Streng genommen kann durch die Pathologie am Operationspräparat bei Untersuchung der Resektionsränder aber ohne Kenntnis der klinischen Situation (z.B. Tumorabsiedlungen, Nachresektionen etc.) nur ein Rx–Status mit dem Zusatz vergeben werden, dass die Resektionsränder z.B. tumorfrei sind. Dagegen steht ein in der Praxis etabliertes, aber nicht unproblematisches Verfahren. Es geschieht vergleichsweise häufig, daß ohne Kenntnis der klinischen Situation eine lokale R-Klassifikation von der Pathologie angegeben wird, die dann kritiklos vom Kliniker übernommen und nicht durch die ganzheitliche Sicht auf den Tumorpatienten modifiziert wird. In dieser eingeschränkten Sichtweise wird der R-Status nur als ein Kriterium zur Beurteilung der Radikalität bzw. des aktuellen Erfolgs der lokalen chirurgischen Therapie verwendet. Das „R“ der R-Klassifikation wird in dieser vereinfachenden Sichtweise als „Rand des Präparates“ und nicht als „Residuum des Tumors im Patienten“ verstanden. Die prognostische Aussagekraft der R-Klassifikation wird durch diese Verfahrensweise in hohem Maße eingeschränkt. Ein Beispiel mag diesen komplexen Sachverhalt illustrieren. Es wird ein Kolonkarzinom lokal erfolgreich operiert, die Resektionsränder sind makroskopisch und mikroskopisch sämtlich tumorfrei. Entsprechend dieser Gegebenheiten besteht, bezogen auf das Operationspräparat, lokal eine R0–Situation. Gleichzeitig hat der Patient aber noch Lebermetastasen, die in der Bildgebung nachweisbar sind und im Rahmen der Operation nicht beseitigt oder anderweitig therapeutisch angegangen werden. In der ganzheitlichen Sicht des Tumorpatienten besteht somit ein Zustand von makroskopisch nachweisbaren Tumormanifestationen, also eine R2 – Situation. Insofern ist es durchaus möglich, dass trotz lokal radikalen chirurgischen Vorgehens ein R2–Status vorliegen kann. 1) Wittekind C, Chirurg, 2007, 78:785-791, Wittekind C, Onkologie, 2006, 12:803-814 214 R-Klassifikation (Residualtumor) Sicht des Klinikers Praktische Beispiele Für die Festlegung der R-Situation in ganzheitlicher Sicht durch die Pathologie haben sich bestimmte Algorithmen entwickelt. Rx sollte vergeben werden, wenn die Resektionsränder nicht ermittelbar sind (z.B. fragmentierte Tumorabtragung ohne topographische Zuordnung), wenn durch Nichtpathologen Gewebe, insbesondere von den Präparaterändern, z.B. für Gewebebanken entnommen wurde und/oder die klinischen Daten zum Staging fehlen. Eine R0–Situation kann nur dann durch den Pathologen diagnostiziert werden, wenn die Resektionsränder des Operationspräparates tumorfrei sind und dem Untersucher klinische Daten vorliegen, dass mit keinem der standardisierten diagnostischen Verfahren Tumor im Körper des Patienten mehr nachweisbar ist. Eine R1–Situation besteht dann, wenn mikroskopisch, insbesondere an den Resektionsrändern von Operationspräparaten des Primärtumors und/oder seiner Metastasen, Tumor nachweisbar ist und klinische Angaben dahingehend vorliegen, dass keine weiteren Tumormanifestationen im Organismus bestehen. Die R2 – Situation ergibt sich bei makroskopisch erkennbaren Tumorresiduen im Patienten, das kann die Resektionsränder aber auch unabhängig davon andere Lokalisationen betreffen (Metastasen) Fazit für die R-Klassifikation ist, dass sie die ganzheitliche Sicht des Tumorpatienten erfordert und sich aus der interdisziplinären Zusammenarbeit von klinischen und nicht klinischen Fächern ergibt. Sicht des Klinikers Die obige Darstellung entspricht den Vorgaben der UICC-Klassifikation und ist wissenschaftlich damit ausreichend begründet. Das Problem besteht jedoch darin, dass Kliniker und hier besonderes Chirurgen und internistische Onkologen das R-Kriterium als qualitative Beurteilung der Resektionsränder verstehen. Die vom Primärtumor ferner metastatische Absiedlung wird für klinisch tätige Ärzte über die M-Kategorie der TNM-Klassifikation charakterisiert. Nach dieser Form der Interpretation würde beispielsweise ein Kolonkarzinom mit freien Resektionsrändern nach der Tumorexstirpation und gleichzeitig nachweisbaren Lebermetastasen wie folgt eingestuft: T3, N1 (1/15), M1 (Leber), R0. Bei präziser Anwendung der UICC-Kriterien müsste im angegebenen Fall die R-Klassifikation jedoch lauten R2. Hier herrscht eine babylonische Sprachverwirrung. Die Lösung des Problems kann nur darin bestehen, dass Kliniker und Pathologen sich auf ein einheitliches Vorgehen verständigen und eine Sprache benutzen, in der die verwendeten Begriffe gleichen Inhalts sind. Es gibt durchaus Argumente, die Sichtweise der Pathologie zu übernehmen. Dies würde voraussetzen, dass der Kliniker den Pathologen mit vollständigen und verlässlichen Daten ausstattet, damit dieser zum Residualstatus des Tumors im ganzen Körper des Patienten korrekt Stellung nehmen kann. Anderenfalls und dies ist wahrscheinlich praktikabler, sollte sich der Pathologe auf die Beurteilung der Resektionsränder beschränken, zum Beispiel in der Weise dass er schreibt: R0 am Resektionspräparat. Das R-Kriterium als gesamtkörperliche Beurteilung sollte durch den Onkologen des Patienten, der über alle Befunde verfügt, erfolgen. Auf das obige Beispiel angewendet würde die klinischpathologische Bewertung lauten: T3, N1 (1/15), Mx, R0 am Resektionpräparat. Da bei den meisten Klinikern das R-Kriterium nicht als Begriff für die Residualkrankheit im Gesamtkörper, sondern als Kennzeichnung der Resektionsränder verstanden wird, sollte der Pathologe in seinem Bericht bezüglich einer Residualkrankheit nur das Resektionspräparat berücksichtigen und dies entsprechend eingeschränkt in seinem Gutachten zum Ausdruck bringen, indem er bei tumorfreien Resektionsrändern beispielsweise schreibt: R0 am Resektionspräparat. Eine solche Formulierung wäre ein tragbarer Kompromiss für die Klinik und die Pathologie. 215 Kolorektale Karzinome Lokalisation, Lymphknoten Lokalisation Die häufigsten Lokalisationen befinden sich auf der linken Seite des Kolonrahmens. Die prozentuale Verteilung geht aus der nebenstehenden Abbildung hervor. Lokalisation der kolorektalen Karzinome -Verteilung Lokalisationen des Primärtumors Kolon Appendix Coecum Colon ascendens Flexura hepatica Colon transversum Flexura lienalis Colon descendens Colon sigmoideum Rektosigmoidaler Übergang Rektum Regionäre Lymphknoten, Definition Für die verschiedenen anatomischen Bezirke und Unterbezirke sind die regionären Lymphknoten nachstehend aufgelistet: • Appendix: Ileokolische Lymphknoten • Zökum: Ileokolische und rechte kolische Lymphknoten • Colon ascendens: Ileokolische, rechte und mittlere kolische Lymphknoten • Flexura hepatica: Rechte und mittlere kolische Lymphknoten • Colon transversum: Rechte, mittlere und linke kolische Lymphknoten und Lymphknoten an A. mesenterica inferior • Flexura lienalis: Mittlere und linke kolische Lymphknoten und Lymphknoten an A. mesenterica inferior • Colon descendens: Linke kolische Lymphknoten und Lymphknoten an A. mesenterica inferior • Colon sigmoideum: Linke kolische und Sigmalymphknoten, Lymphknoten an A. rectalis superior und an A.mesenterica inferior sowie rektosigmoidale Lymphknoten • Rektum: Lymphknoten an Aa. rectalis superior, media und inferior, mesenterica inferior, iliaca interna, mesorektale (paraproktale), laterale sakrale und präsakrale Lymphknoten sowie sakrale Lymphknoten am Promontorium (Gerota) Metastasen in anderen als den angeführen Lymphknoten werden als Fernmetastasen klassifiziert. Lymphknotenentfernung Evidenzbasierte Leitlinien fordern die operative Entfernung und Untersuchung von mindestens 12 Lymphknoten bei der kurativen Therapie kolorektaler Karzinome. Auf dem ASCO 2007 wurde die Benchmark der Lymphknotenentfernung (≥12 LK) in zwei Arbeiten untersucht: In einem Vergleich der spezialisierten Zentren (NCCN-Zentren, 345 Pat.) und der SEER (Surveillance Epidemiology and end results)-Datenbank mit 14.019 Patienten zeigte sich, dass in den NCCN-Zentren bei 89% der Patienten mit Kolon- und Rektumkarzinom in den Stadien I-III 12 und mehr Lymphknoten entfernt wurden, während dies an nicht spezialisierten Zentren nur bei 45% der Patienten der Fall war (Raipur A. er al., ASCO 2007, Abstr. # 4015). In einer weiteren Arbeit wurden die Daten von 299.242 Patienten aus der amerikanischen SEER-Datenbank für den Zeitraum 1990-2003 analysiert. Die Autoren schlussfolgern, dass der Anteil der Patienten mit 12 und mehr untersuchten Lymphknoten nach wie vor zu niedrig ist. Bei der Untersuchung von 12 oder mehr Lymphknoten steigt die Wahrscheinlichkeit als ein Stadium III gegenüber einem Stadium II klassifiziert zu werden, um das 1,3fache (Cai Q et al.,ASCO 2007, Abstr. #4016). 216 Kolonkarzinom Stadieneinteilung UICC 2002, Dukes-Klassifikation UICC Dukes 0 A I A II A II B III A III B C III C IV TNM Tis T1 A T2 B1 T3 B D 5-JahresDukes mod. n. Überlebensraten Astler-Coller Kolonkarzinom* A N0 T4 M0 93,2% B2 84,7% B3 72,2% T1,T2 N1 C1 83,4% T 3/4 N1 C2 64,1% Jedes T N2 C3 44,3% jedes T jedes N D 8,1% M1 *O´Connell et al. JNat Cancer Inst 2004; 96:1420-25 Beachte UICC II setzt sich zusammen aus einer Gruppe mit besserer (T3, No, Mo) und mit schlechterer (T4, No, Mo) Prognose. Ebenso ist das Stad. III prognostisch nicht einheitlich. Dukes-Klassifkation Die früher übliche Dukes-Einteilung in der Modifikation nach Astler und Coller wird in den gängigen Lehrbüchern sehr unterschiedlich zitiert (Definition der Stadien B 3 – C 3) und sollte deshalb keine Verwendung finden. Modifiziert nach Cancer Principle and Practice of Oncology. De Vita et al. 6th edition, Lippincott-Raven, 2001. Graphik: Fa. sanofi Aventis. 217 Kolonkarzinom Operative Therapie Standardoperation Voraussetzung für eine Kuration ist eine R0-Resektion. Diese verlangt die Entfernung des tumortragenden Darmabschnittes mit den regionären Lnn. Die Operationsletalität liegt <3%. Die No-touch-Operationstechnik gilt heute als chirurgischer Standard. Die Operation erfolgt als Hemikolektomie unter Mitnahme des Mesokolons und der dazu gehörigen Lymphknoten. Bei einer Lokalisation an einer Flexur wird die Tumorexstirpation als erweiterte Hemikolektomie durchgeführt. Tumorlokalisation und entsprechende Standardoperation1) Lokalisation Operation Lymphabflussgebiet 1. Zoekum / C. ascendens 2. Rechte Kolonflexur proximales Kolon transversum 3. Linke Kolonflexur Hemikolektomie rechts Erweiterte Hemikolektomie rechts Erweiterter Hemikolektomie links A. ileocolica, A. colica dextra wie bei 1. zusätzlich: A. colica media A. gastroepiploica dextra A. colica media A. colica sinistra Hemikolektomie links A. mesenterica inf. Sigmaresektion A. colica sinistra 4. Kolon descendens proximales Sigma 5. Mittleres und distales Sigma S3-Leitlinie Kolorektale Karzinome 2004/2008 Radikalchirurgische Therapie des Kolonkarzinoms Kolorektale Karzinome wachsen vorwiegend zirkulär und metastasieren weitgehend konstant in die regionären Lymphknoten. Unter dem Gesichtspunkt des intramuralen mikroskopischen Tumorwachstums ist ein Sicherheitsabstand von 2 cm ausreichend. Das regionäre Lymphabflussgebiet geht über diesen Bereich hinaus. Die Lymphknotenmetastasen breiten sich zentral entlang des versorgenden Gefäßes, primär entlang der perikolischen Gefäßarkaden bis zu 10 cm vom makroskopischen Tumorrand entfernt aus. Das Ausmaß der Darmresektion wird durch die Resektion der versorgenden Gefäße und das hierdurch definierte Lymphabflussgebiet vorgegeben. Liegt der Primärtumor zwischen zwei zentralen Gefäßen, werden beide mit entfernt. An dem Versorgungsgebiet der radikulär durchtrennten Gefäße orientiert sich das Resektionsausmaß (mind. 10 cm beidseits des Tumors). Im Falle einer rechtsseitigen Kolonresektion reicht in der Regel aus onkologischen Gesichtspunkten ein Resektionsausmaß des terminalen Ileums von ca. 10 cm aus. Onkologische Grundsätze Im Gegensatz zum Rektumkarzinom ist die Notwendigkeit eines radikalen chirurgischen Vorgehens durch prospektiv randomisierte Studien nicht erwiesen. Zwei randomisierte Studien konnten einen Nutzen der „notouch-Technik“ oder einer formalen Hemikolektomie nicht zeigen. Dennoch empfiehlt sich die Einhaltung onkologischer Grundsätze aufgrund pathologisch-anatomischer Befunde, prospektiver Beobachtungsstudien und theoretischer Überlegungen. Intraoperative pathologische Diagnostik Allgemein ist die Indikation zur Schnellschnittuntersuchung sehr zurückhaltend zu stellen. Häufigste Indikation ist die Verifikation von Strukturen mit Verdacht auf Fernmetastasen, z. B. am Peritoneum, in der Leber oder in nicht regionären (z. B. paraaortalen) Lymphknoten. Notfalleingriffe Ein mechanischer Ileus oder eine Perforation verlangen eine Notfalloperation. Früher wurde einer raschen und möglichst einfachen operativen Taktik der Vorrang gegeben. Dazu bediente man sich der Anlage eines Anus praeter oder der Durchführung einer mehrzeitigen Operation. Heute kann die onkologische Radikalität, zumindest bei der Tumorobstruktion, bei vielen Notfällen berücksichtigt werden. Operationsziele bei Tumorobstruktion • • • 1) Dekompression des Kolons R0-Resektion Wiederherstellung der Kontinuität Feifel, G., U. Hildebrandt, Onkologe 1999, 5 :24–29 218 Kolonkarzinom Gefäßversorgung, Lymphdrainage Standard des operativen Vorgehens ist die onkologisch radikale Tumorresektion unter Mitnahme der lokoregionären Lymphknoten entsprechend der Gefäßversorgung des Kolons. 219 Kolonkarzinom Operationsverfahren Hemikolektomie Das operative Vorgehen beim Kolonkarzinom orientiert sich an der Gefäßversorgung und den Lymphabflusswegen. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, bei einer Tumorlokalisation im Kolonrahmen entweder eine links- oder eine rechtsseitige Hemikolektomie durchzuführen. Das Prinzip der Resektion und das Ergebnis nach der Anastomosierung geht aus den nachfolgenden schematischen Zeichnungen hervor. Abb. 1 zeigt eine Hemikolektomie rechts, Abb. 2 eine linksseitige Hemikolektomie. Die Bilder der zweiten Reihe stellen die Resektion und das Operationsergebnis für eine Tumorlokalisation im Querkolon und im Sigma dar. Als Rektumkarzinome gelten Tumoren, deren aboraler Rand bei der Messung mit dem starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist. Das Rektumkarzinom wird im folgenden gesondert behandelt (siehe dort). 1 2 3 4 Wolmark, N., Rockette H. et al. J Clin Oncol 1990; 8:1466-75 Im Einzelfall hängt das genaue Resektionsausmaß vor allen Dingen bei den Transversum- und Descendenskarzinomen von der Lagebeziehung des Tumors zur individuellen Gefäßversorgung wie auch der Größe des Tumors ab. Multiviszerale Resektion In etwa 10% finden sich vor allem beim Kolonkarzinom Tumorkonglomerate unter Einbeziehung von Nachbarorganen. Nur in etwa 50% der Fälle handelt es sich um tatsächliche, histologisch nachweisbare Infiltrationen, in den übrigen Fällen um entzündlich bedingte Adhäsionen. Trotzdem bedingt dies in beiden Fällen multiviscerale En-bloc-Resektionen unter Einbeziehung aller betroffenen Strukturen mit dem Ziel einer R0-Resektion unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Lymphabflussstraßen. Biopsien und Schnellschnittuntersuchungen sollten strikt vermieden werden, da hierbei die Gefahr einer örtlichen Tumorzelldissemination besteht, was mit einer signifikanten Verrringerung der Überlebenschancen einhergeht. Synchrone Fernmetastasen Synchrone Fernmetastasen können sowohl synchron als auch metachron reseziert werden. Verschiedene Gesichtspunkte können für eine zweizeitige Operation sprechen, wie Umlagerung, Schnittführungen, OP-Dauer, positive Effekte einer neoadjuvanten Chemotherapie. 220 Kolonkarzinom Laparoskopische Chirurgie Von der laparoskopischen Chirurgie beim Kolonkarzinom erhofft man sich Vorteile im postoperativen Verlauf bei gleichwertiger onkologischer Radikalität und Morbidität. Mehrere randomisierte Studien zum Vergleich der laparoskopischen Chirurgie versus offene Chirurgie liegen vor. Technische Durchführbarkeit – Konversionsrate Konversionsrate Die Konversionsraten beim Kolonkarzinom liegen in den großen Studien COST (Clinical Outcomes of surgical therapy study group, NEJM 2004;350:2050-59) und CLASICC (Guillou PJ, Lancet 2005;365:1718-26) mit jeweils 435 und 246 Patienten bei 21% und 25%; das bedeutet, wegen technischer Schwierigkeiten oder intraoperativer Komplikationen konnte bei über 20% eine minimal invasiv begonnene Operation mit dieser Technik nicht zu Ende geführt, sondern musste in konventioneller Technik beendet werden. Operationsdauer Auch die neuen Studien von 2004 und 2005 wie COST und CLASICC belegen, dass minimal invasive Operationstechniken eine um 25% bis 50% längere Operationszeit erfordern. Postoperative Erholung Bei 4 von 5 Studien, die postoperative Schmerzen am ersten postoperativen Tag bei den beiden chirurgischen Verfahren verglichen, ergab sich kein signifikanter Unterschied. Die postoperative Darmtätigkeit kam bei Patienten in 3 von 6 randomisierten Studien hochsignifikant früher in Gang im minimal invasiven Arm. Der Zeitvorteil betrug 14 bis 22 Stunden. Der postoperative Kostaufbau ergab in den Studien, die dieses Kriterium verglichen, einen geringen Vorteil für die minimal invasive Gruppe. Chirurgische Komplikationen Die Wundinfektionsrate war in keiner von 11 randomisierten Studien signifikant unterschiedlich. Es zeigte sich keine Reduktion der Wundinfektionsrate bei der minimal invasiven Gruppe. Die Notwendigkeit zur Reoperation war in den Studien für beide Therapieverfahren nicht signifikant unterschiedlich. Doch waren bei den minimal invasiven Eingriffen Nachoperationen etwas häufiger, was meistens auf unbemerkte Darmverletzungen durch Instrumente oder thermische Schäden (Koagulationsstrom) als methodenspezifische Ursachen zurückzuführen ist. Der postoperative Krankenhausaufenthalt war bei der COST-Studie im konventionellen Arm mit 6 Tagen signifikant länger versus 5 Tage im laparoskopischen Arm, bei der CLASICC-Studie lag die Zeit bei 9 Tagen in beiden Armen. Zwischen den einzelnen Studien wurden regelmäßig größere Unterschiede beobachtet als beim direkten Vergleich der beiden Techniken, so dass es denkbar erscheint, dass andere Faktoren die Ergebnisse maßgeblich bestimmen und dass der Operationstechnik nicht die allein entscheidende Bedeutung zukommt. Laparoskopische Chirurgie, S3-Leitlinien 2004/2008 Die Ergebnisse der laparoskopischen Tumorresektion sind derzeit wegen fehlender onkologischer Langzeitergebnisse nicht abschließend zu beurteilen, so dass dieses Verfahren nur im Rahmen von qualifizierten Studien mit langfristiger Verlaufsbeobachtung zur Anwendung kommen sollte. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2a, mehrheitliche Zustimmung. Auch bezüglich der Vorteile der Lebensqualität nach laparoskopischen Resektionen sind keine überzeugenden Vorteile erkennbar. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, mehrheitliche Zustimmung. Anmerkung Im Rahmen des Einsatzes in der Therapie von Rektumkarzinomen liegt lediglich eine randomisierte Studie zu postoperativen Funktionsstörungen im Vergleich zur konventionellen chirurgischen Therapie vor mit einer höheren Rate urogenitaler Funktionsstörungen im laparoskopischen Arm. Onkologische Langzeitergebnisse sind auf Beobachtungsstudien begrenzt und erlauben keine abschließende Bewertung. Aktuelle Metaanalysen gelangen zu dem Ergebnis, dass das laparoskopische Vorgehen im postoperativen Verlauf Vorteile besitzt und onkologisch als gleichwertig anzusehen ist. Voraussetzung ist allerdings die entsprechende Erfahrung und Expertise des Operateurs und des Zentrums. Ist diese nicht ausreichend vorhanden, ist eine offene Operation immer vorzuziehen (Bonjer et al. Arch Surg 2007; 142:298-303, Kuhry et al. Cochrane Database Syst Rev. 2008;16). Die laparoskopische Operation wird deshalb weiterhin im Regelfall nur im Rahmen von Studien empfohlen. 221 Kolonkarzinom Fast-Track-Operation Das Grundprinzip von Fast-Track-Chirurgie (FTCh) Der Entwickler der Fast-Track-Operation, der dänische Arzt Henrik Kehlet, erarbeitete seine Methode an Patienten, bei denen Teile des Darms entfernt wurden. Er warf traditionelle Vorgehensweisen über Bord: Seine Pat. durften bis kurz vor der Operation noch Flüssigkeit zu sich nehmen. Nach der OP wurden sie so bald wie möglich auf natürlichem Wege (Mund-Magen-Darm) ernährt. Sie sollen so schnell wie möglich wieder aufstehen und sich bewegen. Außerdem stehen im Mittelpunkt der FTCh die Schmerztherapie und optimierte Narkose-Methoden. Hauptziel von FTCh: Komplikationen vermindern Das Ziel von FTCh ist es, dass sich der Pat. nach einer OP rasch wieder erholt und vom Eingriff möglichst wenig beeinträchtigt wird. Um das zu erreichen, müssen vor allem die allgemeinen OP-Komplikationen vermieden werden, d.h. Komplikationen, die nach einem Eingriff nicht im OP-Bereich, sondern an lebenswichtigen Organen auftraten. Gerade bei älteren Patienten, insbesondere wenn eine Komorbidität wie Diabetes, Hypertonie, Adipositas oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht, ist das Risiko nicht-chirurgischer Komplikationen erhöht. Bis zu einem Drittel aller Pat. mit einer Kolon-OP haben allgemeine Komplikationen. Fast-Track wurde entwickelt, um diese Rate zu senken. Vordringliches Ziel der FTCh ist ausdrücklich nicht eine Senkung der Liegedauer und damit frühe Entlassung des Patienten, wie heute häufig fälschlicherweise gemeint wird, sondern die Verbesserung des Patientenkomforts und die Senkung der Komplikationsrate. Die kurze Liegedauer ist allenfalls ein sich wirtschaftlich positiv auswirkender Nebeneffekt. Nach der OP schneller entlassbar und schneller fit Ein Nebeneffekt von FTCh ist, dass die Pat. viel früher aus dem Krankenhaus entlassen werden können. Die übliche Verweildauer in der Klinik nach einer Kolon-OP liegt bei knapp zwei Wochen. Meist fühlen sich Pat. nach dem Eingriff mehrere Wochen lang nicht gut. Nach der FTCh sind die Pat. demgegenüber bereits ab dem 5. Tag nach der OP entlassungsfähig. Auch vier Wochen nach der OP hatten FTCh-Pat. einen höheren Aktivitätsgrad und ein geringeres Maß an Erschöpfung als konventionell behandelte Pat. Bei 10-15% der Pat. treten nach einer Dickdarm-OP lokale Komplikationen, wie Wundinfektion, Nahtinsuffizienz mit Peritonitis u.a. auf. Diese Rate verbessert sich unter FTCh nicht. Patientenselektion Prinzipiell eignen sich alle Patienten, die sich einem elektiven kolorektalen Eingriff unterziehen, für das FTCh-Konzept. Bislang liegen keine absoluten Kontraindikationen vor. Eckpfeiler der „Fast-track“-Konzepte zusammengefasst von der europäischen „ERAS“-Arbeitsgruppe (Fearon KC et al.; Clin Nutr 2005; 24: 466-77). Präoperative Maßnahmen Ein ausführliches präoperatives Gespräch mit dem Pat. hat das Ziel, Angst abzubauen und ihn zur aktiven Mitarbeit zu motivieren. Eine positiv-motivierende Aufklärung über die Operation und die perioperativen Maßnahmen dient der Patientenschulung und -konditionierung. Das immer noch weit verbreitete Nüchternheitsgebot von 8-12 Stunden vor einem abdominalchirurgischen Eingriff ist wissenschaftlich nicht begründet. In einer Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass eine präoperative Nüchternheit für klare Flüssigkeiten von 2 Stunden ausreicht (Am Soc Anesthes 1999; 90: 896-905). Daraus ergibt sich die Konsequenz, die präoperative Nüchternheitsphase auf dieses Zeitintervall zu verkürzen. Die traditionelle orthograde Darmspülung steht aufgrund einer neueren Metaanalyse mit sieben randomisierten Studien an 1454 Patienten im Verdacht, einherzugehen mit einer höheren Inzidenz von Anastomoseninsuffizienzen (Slim K et al., Br J Surg 2004; 91:1125-30). Im Rahmen der „Fast- track“-Konzepte wird daher auf eine solche Darmvorbereitung verzichtet, da hierdurch in Kombination mit Nüchternheit offenbar eine relevante Hypovolämie erzeugt wird. Intraoperative Maßnahmen Konzepte der minimal-invasiven Chirurgie sind ein ganz wesentlicher Bestandteil der „Fast- track“-Rehabilitation. Sind solche Konzepte nicht möglich, sind queren Inzisionen gegenüber vertikalen Zugängen der Vorzug zu geben. Sonden (Nasogastralsonde, Drainagen) beeinträchtigen die Pat. in erheblichem Maße. Ihre regelhafte Anwendung geht mit einer höheren Inzidenz von Fieber, Atelektasen und Pneumonien einher. Sie haben keinen Einfluss auf die klinische oder radiologische Insuffizienzrate, verlängern aber die gastrointestinale Atoniedauer. Ein wesentlicher Bestandteil der „Fast-track“-Rehabilitation ist die Optimierung der Allgemeinanästhesie (Opioid-reduzierte Anästhesie und Analgesie), eine adäquate Volumentherapie und eine effektive Schmerztherapie. Die rasche Erholung nach einer Allgemeinanästhesie und eine Verkürzung der Verweildauer im Aufwachraum sind durch den Einsatz volatiler und intravenöser Anästhetika möglich. Dringend zu beachten ist der Erhalt der Normothermie durch aktiv wärmende konvektive Maßnahmen. Die Inzidenz allgemeiner und vor allem kardialer Komplikationen lassen sich dadurch deutlich reduzieren. Wenn auch zu der Frage der perioperativen Volumentherapie nur kleinere, randomisierte Studien vorliegen, so weisen sie doch darauf hin, dass eine zurückhaltende Volumentherapie gegenüber einem „liberalen“ Flüssigkeitsregime einen positiven Einfluss auf den postoperativen Verlauf haben könnte. Eine peri- und intraoperative Normovolämie ist daher unbedingt anzustreben. Restriktive Volumentherapie heißt, dass dem Pat. vom Tag der OP bis zum 2. postoperativen Tag 6,5 l kristalloider Infusionen zugeführt werden. PostoperativeMaßnahmen Ziel der postoperativen Maßnahmen ist es, die nachfolgende Katabolie, die inflammatorische Reaktion, das Krankheitsgefühl mit Übelkeit und Erbrechen, die Fatigue sowie Hyperthermie und Immunsuppression zu vermeiden. Hier steht die effektive postoperative Schmerztherapie im Zentrum des Interesses. Im Mittelpunkt steht eine multimodale, systemische Nicht-OpioidAnalgesie. Dies hilft auch, die postoperative gastrointestinale Atonie zu vermeiden. Eine suffiziente thorakale Periduralkatheteranalgesie (bis Th 5) mit Lokalanästhetikum und niedrig dosiertem Opioid (analgetischer Goldstandard) hat eine herausragende Bedeutung bei der Stressmodifikation und der intestinalen Stressabschirmung. Neben der deutlich besseren postoperativen Analgesie trägt die damit einhergehende Sympathikolyse auch zu einer effizienten Darmfunktion bei. Die genannten Maßnahmen unterstützen die forcierte und frühzeitige Mobilisation des Patienten sowie den frühzeitigen oralen Kostaufbau bereits am OP-Tag. 222 Kolonkarzinom Prognosefaktoren, Prädiktive Faktoren I Etablierte Prognosefaktoren Prognosefaktoren haben einen Einfluss auf die Prognose unabhängig von der Therapie, während prädiktive Faktoren den Verlauf einer Erkrankung unter einer bestimmten Therapie vorhersagen, vor allem, in welchem Maße mit einem Ansprechen auf eine bestimmte Therapie gerechnet werden kann. Die Prognose des KRK wird durch verschiedene Faktoren bestimmt, von denen der wichtigste derzeit das pathologische Tumorstadium darstellt, das charakterisiert ist durch die: • Eindringtiefe, den Lymphknotenbefall sowie das Vorhandensein von Fernmetastasen. Weitere ungünstige Prognosefaktoren sind: • Lymphangiosis oder Hämangiosis carcinomatosa des Tumorgewebes • Siegelring- oder wenig differenzierter Tumor • Tumorperforation in die freie Bauchhöhle • Operation unter Notfallbedingungen (z.B. Ileus) • Entfernung von weniger als 12 Lymphknoten Zahl der resezierten Lymphknoten In der Intergroup-Studie INT-0089 zeigte sich, dass die Anzahl der untersuchten Lymphknoten ein entscheidender Parameter für die Prognose ist. Unabhängig davon, ob es nodal positive oder negative Stadien sind, war die Prognose von Patienten mit vielen untersuchten Lymphknoten besser (Le Voyer et al. J Clin Oncol 2003;21:2912-19). Weitere Arbeiten weisen die Zahl der resezierten Lymphknoten als unabhängigen Prognosefaktor in einer multivarianten Analyse aus: Chen et al. (Ann Surg 2006) fanden bei 82.896 Patienten eine Reduktion der Mortalität um 20,6% bei mehr als 15 resezierten Lymphknoten versus 1-7 resezierten Lymphknoten. In der Arbeit von George et al (Br J Cancer 2006) korreliert bei 3592 Patienten die Anzahl der resezierten Lymphknoten (0-4, 5-10, > 10) mit dem Überleben. Molekulare Marker Das TNM-System differenziert zuverlässig zwischen Patienten im Frühstadium der Erkrankung und Patienten mit weit fortgeschrittenen Tumoren; im mittleren Tumorstadium ist die Prognose weniger gut damit abzuschätzen. Eine adjuvante Chemotherapie wird bei Patienten im Stadium II nicht regelhaft empfohlen. Trotzdem rezidivieren 2030% der Patienten. Aus diesem Grund werden genetische Marker untersucht, die Hochrisikopersonen identifizieren und als prädiktive Marker ein Ansprechen auf die Behandlung mit einer Chemotherapie vorhersagen. Mikrosatelliteninstabilität (MSI) In großen Metaanalysen konnte gezeigt werden, dass Patienten mit Mikrosatelliten-instabilen Tumoren (MSI-H) eine niedrigere Metastasenhäufigkeit und eine verbesserte Prognose aufweisen als Patienten mit stabilen Tumoren (MSS). Außerdem weisen die vorliegenden Daten darauf hin, dass Patienten, deren Karzinome eine MSI-H aufweisen, nicht von einer adjuvanten Therapie mit 5-FU profitieren (Popat S. et al. J Clin Oncol 2005; 23:609). Auch eine Analyse von Ribic CM (NEJM 2003;349:247-57) zeigte, dass Patienten mit Mikrosatelliten-stabilen Tumoren oder Tumoren mit geringer MSI ein signifikant schlechteres 5-Jahres-DFS aufweisen im Vergleich zu Patienten mit hochgradiger MSI. Allerdings war das 5-Jahres-Überleben der Patienten mit hochgradiger MSI geringer, wenn sie eine adjuvante Chemotherapie mit 5-FU erhielten. Sargent wertete in einer Sammelanalyse mehrere Studien retrospektiv im Hinblick auf den Einfluss eines defekten Mismatch-Repair-Systems (definiert als hochgradige MSI oder Verlust von MLH1 oder MSH 2) auf das DFS nach einer adjuvanten Therapie im Stadium II aus (Sargent et al, ASCO 2008, Abstr. 4008). Hierbei zeigte sich, dass das 5Jahres-DFS bei Pat. mit defektem MMR geringer war, wenn sie adjuvant 5-FU erhielten (unbehandelt 87% versus behandelt 79%). Im Rahmen der PETACC-3-Studie wurden an 1564 Gewebeproben prospektiv immunhistochemische und molekulare Analysen durchgeführt. 9 Marker wurden eingesetzt, die potentiell die Fähigkeit besitzen, die Effektivität oder die Toxizität einer Therapie vorauszusagen. Eine hohe MSI (Mikrosatelliteninstabilität) bei 12% der Proben zeigte gegenüber einer stabilen oder niedrigen MSI ein statistisch signifikant besseres 3-Jahres-DFS von 74 vs. 65%. Bei einer SMAD-4-Expression (15%) ist das 3-Jahres-DFS mit 68% signifikant höher als bei fehlender SMAD-4Expression mit 53% (Roth AD et al., ASCO 2007, Abstract #4022). Bei Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium II, bei denen eine adjuvante Therapie mit 5-FU diskutiert wird, sollte der MMR-Status vor Therapiebeginn untersucht werden und bei defektem MMR-System im Tumor keine adjuvante Chemotherapie mit 5-FU durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind nicht auf FOLFOX übertragbar. Ein defektes Mismatch-Repair-System (MMR) ist ein prognostischer und prädiktiver Marker beim KRK. 223 Kolonkarzinom Prognosefaktoren, Prädiktive Faktoren II DCC/18q Der Verlust der Heterozygotie im Bereich des langen Armes am Chromosom 18 (18q-) führt zu einer schlechteren Prognose. Der Verlust von chromosomalem Material an 18q und 8p soll sowohl prognostisch als auch prädiktiv von Bedeutung sein. Die Kombination der beiden Marker 18q und 8p ergab eine eindrucksvolle Differenzierung zwischen einer 5-Jahres-Überlebensrate von 100% und weniger als 60% bei Patienten im Stadium II (Zhou et al., Lancet 2002;359:219-25). Die ECOG-Studie E5202 evaluiert die Marker 18q- und MSI als Prognoseparameter. Es sollen 3000 Patienten im Stadium II mit entweder günstiger Prognose (MSI, 18q normal) nicht adjuvant therapiert werden oder mit schlechter Prognose (MSS, 18q-) randomisiert werden für eine adjuvante Therapie mit FOLFOX +/- Bevazicumab. Thymidilatsynthase (TS) Die TS, ein Zielenzym für 5-FU, konnte in einer großen Metaanalyse als unabhängiger Prognoseparameter bei Patienten im Stadium III identifiziert werden. In insgesamt 11 Studien mit über 1300 Patienten korrelierte eine niedrige TS-Expression mit einem signifikant schlechteren Überleben und mit einem besseren Ansprechen auf eine 5-FU-haltige Therapie (Johnston et al., ASCO 2005, # 3510). Widersprüchliche Ergebnisse ergab eine aktuelle Studie. Hier war die TS-Expression kein Prädiktor für das FFS (Failure free survival) und eine hohe Expression war mit hohen Ansprechraten verbunden (Richman S. et al., ASCO 2006, #10011). Topoisomerase I Im Rahmen der FOCUS-Studie wurde an 823 Proben die Expression der Topoisomerase bestimmt. Dabei profitierten Patienten mit einer niedrigen Topoisomerase nicht von einer Zugabe von Irinotecan oder Oxaliplatin zu 5-FU/LV, sodass die Topoisomerase I einen negativen prädiktiven Marker für eine Irinotecan- und Oxaliplatinhaltige Chemotherapie darstellte (Braun M. et al. ASCO 2006, #10009). Ansprechen auf neoadjuvante Therapie bei Rektumkarzinom Es konnte bei der CAO/ARO/AIO-94 Rektumkarzinomstudie im Stadium II/III gezeigt werden, dass das Ansprechen auf die neoadjuvante Radio-/Chemotherapie einen prognostischen Faktor für das krankheitsfreie Überleben darstellt (Rödel C. et al. J Clin Oncol 2005; 23:8688). Im Vergleich von Respondern und Non-Respondern konnten 54 differentiell exprimierte Gene gefunden werden. Somit ließ sich eine Prädiktion hinsichtlich des Ansprechens zeigen. Das aktuelle Follow-up zeigte, dass alle Patienten, die eine Fernmetastasierung entwickelt haben, zur Gruppe der non-Responder gehört haben. Zwischen den Respondern und den non-Respondern ergab sich ein signifikanter Unterschied im krankheitsfreien Überleben. Die Daten weisen auch darauf hin, dass eine Prädiktion der Wirkung einer neoadjuvanten Radio-/Chemotherapie anhand der Genexpressionsprofile möglich ist (Liersch T. et al., GIASCO 2006, # 221). Prädiktion Targeted-Therapie In der CONFIRM-2-Studie, einer Phase-III-Studie beim metastasierten CRC, wurde FOLFOX4 +/- PTK/ZK evaluiert. Es zeigte sich, dass die kombinierte Therapie mit PTK/ZK in der gesamten Gruppe zu einer Verbesserung im progressionsfreien (PFS), aber nicht des Gesamtüberlebens führte. Dabei profitierten besonders Patienten mit hoher LDH signifikant in Bezug auf das PFS (Koehne C. et al. ASCO 2006, #3508). Eine prospektive Validierung all dieser potentiellen Prädiktoren ist Voraussetzung für eine spätere klinische Anwendung. 224 Kolonkarzinom Prädiktive Faktoren KRAS, EGFR, VEGF KRAS-Status (siehe auch metastasiertes KRK, KRAS, Cetuximab ff.) Mit dem KRAS-Status steht erstmals ein prädiktiver Biomarker für Patienten mit metastasiertem KRK zur Verfügung, der eine zielgerichtete und somit individualisierte Therapie bezüglich des Einsatzes von Antikörpern (Cetuximab bzw. Panitumumab) gegen den EGF-Rezeptor ermöglicht. Nachträgliche Analysen des Onkogens bei Patienten der prospektiv randomisierten CRYSTAL- und der OPUS– Studie zeigten einen signifikanten Vorteil für die Behandlung mit Cetuximab nur für die Patienten, die einen KRAS-Wildtyp aufwiesen. Patienten mit mutiertem KRAS-Gen profitierten nicht von der Antikörperbehandlung. EGF-Rezeptor Der EGFR ist ein transmembranärer Tyrosinkinasenrezeptor, dessen Expression in der Regel mit einer schlechten Progrnose assoziiert ist. Da der Rezeptor das Zielantigen der EGF-Rezeptorantikörper Cetuximab und Panitumumab ist, ist er Einschlusskriterium aller Studien. Allerdings zeigen die Studien bisher nicht, dass der EGFR-Nachweis mittels Immunhistochemie (IHC) ein sinnvoller prädiktiver Marker für die Wirksamkeit einer Therapie ist. Weder die Färbeintensität noch die Zahl der EGFR-positiven Zellen korreliert mit dem Therapieansprechen. Dies liegt wohl am ehesten am insuffizienten Nachweisverfahren. Es gibt mittlerweile Hinweise, dass die mit FISH nachgewiesene Zahl der EGFR-Genkopien mit dem Ansprechen auf EGFR-Antikörper korreliert. Im Widerspruch zu diesen Betrachtungen steht der Zulassungstext der EGFR-Antikörper, der einen Nachweis des EGFRezeptors per IHC fordert. Vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor und -rezeptor VEGF ist der stärkste Faktor der vom Tumor initiierten Neubildung von Gefäßen und bewirkt durch Bindung an den VEGF-Rezeptor der Endothelzellen sowohl eine Proliferation als auch Veränderungen in der Gefäßarchitektur und -Permeabilität. Derzeit zeigen aber Studien keine Korrelation zwischen der Effektivität der Therapie und der Höhe von angiogenen Faktoren. Die Effektivität einer Therapie mit VEGF-blockierenden Antikörpern wie Bevacizumab ist unabhängig vom KRAS-Status. Genexpressionsprofile Aus frisch gefrorenem Tumormaterial sind bereits Expressionsprofile erstellt worden, die als Prognosefaktoren dienen können. Die Verwendung von frisch gefrorenem Material ist dabei sehr aufwendig. Zwei Arbeiten wurden auf dem ASCO 2006 vorgestellt, bei denen Analysen aus ParaffinMaterial durchgeführt wurden. Auf der Basis einer Gensignatur von 48 Kolonkarzinom-spezifischen Genen konnte bei Kolonkarzinompatienten im Stadium II eine sehr genaue Vorhersage eines Rezidives gemacht werden (Johnston P. et al., ASCO 2006, #3519). Bei der anderen Arbeit erfolgte eine Analyse von 757 Genen bei Patienten im Stadium II und III. 148 Gene zeigten eine signifikante Assoziation mit dem krankheitsfreien Überleben (O’Connell M et al. ASCO 2006‚ #3518). Durch Microarray-Analysen der Tumor-RNA ermittelte eine internationale Arbeitsgruppe (Simon I. et al., Onkologie 2008;31:OP131) bei 128 KRK-Patienten ein Subset von 320 Genen, mit dessen Hilfe die Rezidivwahrscheinlichkeit bei KRK der Stadien II und III besser abschätzbar ist. Dieses Genset wurde bei 58 Patienten mit KRK validiert. In einer Multivarianzanalyse, die neben dem Genprofil die Zahl der untersuchten Lymphknoten und das Stadium beinhaltete, erwies sich das Genprofil als der stärkste unabhängige Prognosefaktor. Der Test soll weiter validiert werden. 225 Kolonkarzinom Adjuvante Therapie, ESMO-Empfehlungen 2008 ESMO Clinical Recommendations for diagnosis, adjuvant treatment and follow-up (Ann Oncol 2008;19 (Suppl 2):ii29ii30). Koordinierender Autor: E.J.D. van Cutsem, Leuven, Belgien. Inzidenz 2006 gab es 412 900 Neuerkrankungen an KRK in Europa. Das sind 12,9% aller Krebserkrankungen. Das KRK war 2006 für 217 400 Todesfälle in Europa verantwortlich. Dies repräsentiert 12,2% aller Krebstodesfälle. Diagnose Die Diagnose eines Kolonkarzinoms erfordert eine histopathologische Bestätigung. Risikofaktoren, die Lokalisation und die histologische Untersuchung von Dickdarmtumoren sollten dokumentiert werden. Staging und Risikobewertung Die Staginguntersuchungen liefern prognostische Informationen, die für die Wahl der adäquaten Therapie relevant sind. Sie sollten auch Patienten mit resektablen Fernmetastasen identifizieren. Das präoperative Staging besteht aus klinischer Untersuchung, Blutbild, Leber- und Nierenfunktionstest, CEA, Rö.-Thorax oder CT-Thorax, Abdomen-CT und kompletter Koloskopie und, falls präoperativ keine komplette Koloskopie möglich war, erneuter Koloskopie postoperativ. Das pathologische Staging TNM Stad. Ausdehnung 5-Jahres-Überleben sollte entsprechend dem Tis N0 M0 0 Carcinoma in situ Meist fast normal TNM-System 2002 mit T1 N0 M0 I Mucosa oder submucosa > 90% optionaler Nennung des T2 N0 M0 I Muscularis propria > 85% modifizierten Dukes-StaT3 N0 M0 IIa Subserosa/perikolisches Gewebe > 80% diums erfolgen. RisikoT4 N0 M0 IIb Perforation ins viscerale Peritoneum 72% faktoren für ein KRK sind oder Invasion in andere Organe Familienanamnese, FAP T1-2 N1 M0 IIIa 60%-83% und attenuierte FAPT3-4 N1 M0 IIIb 42%-64% Syndrome, HNPCC, KRK T1-4 N2 M0 IIIc 27%-44% oder Adenom in der Jedes T, IV Fernmetastasen <10% Vorgeschichte, Colitis jedes N, M1 ulcerosa und M. Crohn. Therapie Eine adjuvante Chemotherapie wird empfohlen für die Stadien T1-4, N1-2, M0 (z.B. Stadium III, modifiziert Dukes C1-3). (Level of evidence I, Empfehlungsgrad A) Eine adjuvante Chemotherapie kann bei ausgewählten nodal-negativen Patienten in Erwägung gezogen werden, insbesondere wenn Hochrisikofaktoren für ein Rezidiv vorliegen. Zu den bekannten Hochrisikofaktoren im Stadium II zählen T4-Tumor, wenig differenziertes Adenokarzinom oder undifferenziertes Karzinom, Gefässinvasion, Lymphangiosis, Obstruktion oder Tumorperforation bei Erstdiagnose, ≤12 untersuchte Lymphknoten und hohe CEASpiegel. Die adjuvante Standardbehandlung besteht in einer Fluoropyrimidin-basierten Chemotherapie, die zu einem statistisch signifikanten Überlebensvorteil geführt hat. Die Kombination von 5-FU/Leucovorin mit Oxaliplatin verbessert das krankheitsfreie Überleben im Stadium II und III des Kolonkarzinoms signifikant und verbessert auch das Gesamtüberleben im Stadium III verglichen mit 5-FU/LV. Optionen für die adjuvante Behandlung schließen infusionale 5-FU/LV-Regime und Capecitabine ein. Capecitabine hat sich als mindestens so effektiv und weniger toxisch wie Bolus 5-FU/Folinsäure erwiesen. Nachsorge Das Ziel der Nachsorge ist die Identifizierung eines Rezidivs. des Kolonkarzinoms in einem Stadium, in dem sich therapeutische Konsequenzen ergeben: z.B. chirurgische Resektion von Metastasen oder eines Lokalrezidivs. oder eine chemotherapeutische Behandlung für die metastasierende Erkrankung. Es gibt kein bevorzugtes Nachsorgeschema. Außer der Anamnese und der klinischen Untersuchung sollten folgende Untersuchungen in Erwägung gezogen werden, um Patienten für eine mögliche kurative chirurgische Resektion oder eine palliative Behandlung zu identifizieren und um ein Zweitkarzinom zu verhindern: Koloskopie nach 1 Jahr und danach alle 3-5 Jahre auf der Suche nach metachronen Adenomen und Karzinomen. Sonographie der Leber alle 6 Monate für 3 Jahre und danach im 4. und 5. Jahr. Ein CT-Thorax und -Abdomen können bei Patienten mit höherem Rezidivrisiko in Erwägung gezogen werden. Ein Rö-Thorax hat eine niedrige Sensitivität, kann aber einmal pro Jahr für 5 Jahre in Erwägung gezogen werden. Eine CEA-Bestimmung alle 3-6 Monate für 3 Jahre und alle 6-12 Monate im Jahr 4 und 5 nach Operation, wenn der CEA-Spiegel initial erhöht war. Andere Labor- und Röntgenuntersuchungen haben keinen nachgewiesenen Nutzen und sollten Patienten mit verdächtigen Symptomen vorbehalten werden. 226 Kolonkarzinom Adjuvante Chemotherapie, S3-Leitlinie 2004/2008 Indikation zur adjuvanten Behandlung bei Kolonkarzinomen Voraussetzung für eine adjuvante Therapie ist die R0-Resektion des Primärtumors. Grundlage für die Indikation zur adjuvanten Therapie nach Tumorresektion ist die pathohistologische Stadienbestimmung, insbesondere die Bestimmung des Lymphknoten-Status (pN). Zur Festlegung von pNO sollen 12 oder mehr regionäre Lymphknoten untersucht werden (UICC 2002). Immunzytologische Befunde von isolierten Tumorzellen in Knochenmarkbiopsien oder Lymphknoten sowie zytologische Tumorzellbefunde in Peritonealspülungen sind keine Indikation zur adjuvanten Therapie außerhalb von Studien. Für Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium I ist eine adjuvante Therapie nicht indiziert. Patienten des UICC-Stadiums II und III sollten möglichst in kontrollierte Studien eingebracht werden, um Aufschluss über die Indikationsstellung und die optimale adjuvante Therapie zu erhalten. Der Verlauf von Patienten, die außerhalb klinischer Studien behandelt werden, ist im Rahmen der Qualitätssicherung hinsichtlich des Auftretens von Rezidiven, der Überlebensrate und von Nebenwirkungen zu dokumentieren. Die Durchführung der adjuvanten Chemotherapie erfordert einschlägige Erfahrung und insbesondere die Kenntnis der entsprechenden Dosisreduktionsschemata, die bei auftretender Toxizität eingehalten werden müssen. Kontraindikationen der adjuvanten Chemotherapie bei Kolonkarzinomen Allgemeinzustand > 2 (WHO) Unkontrollierte Infektion Leberzirrhose Child B und C Schwere koronare Herzkrankheit; Herzinsuffizienz (NYHA III und IV) Präterminale und terminale Niereninsuffizienz Eingeschränkte Knochenmarkfunktion Andere, die Lebenserwartung bestimmende Komorbiditäten Unvermögen, an regelmäßigen Kontrolluntersuchungen teilzunehmen Empfehlung Stadium III Bei Patienten mit einem R0 resezierten Kolonkarzinom im Stadium III ist eine adjuvante Chemotherapie indiziert. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens. Eine Altersbeschränkung für die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie existiert nicht, allgemeine Kontraindikationen sind zu berücksichtigen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens. Empfehlung Stadium II Bei Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium II kann eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden. Der absolute Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie im Stadium II liegt zwischen 2 und 5%. Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens Empfehlung UICC Stadium II mit Risikofaktoren Im Stadium II sollte in ausgewählten Risikosituationen (T4, Tumorperforation/-einriss, Operation unter Notfallbedingungen, Anzahl untersuchter Lymphknoten zu gering) eine adjuvante Chemotherapie erwogen werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens Zusätzliche Parameter (z.B. CEA, Differenzierungsgrad, 18q-Verlust, isolierte Tumorzellen in Lymphknoten oder im Knochenmark, Mikrosatelliten-Status, DNA-Ploidie und TS/p53-Expression, Lymph- und Blutgefäßinvasion) sollen momentan nicht zur Indikationsstellung für eine adjuvante Chemotherapie benutzt werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens 227 Kolonkarzinom Adjuvante Chemotherapieprotokolle, S3-Leitlinie2004/2008 Empfehlung Chemotherapieprotokolle im Stadium III Oxaliplatin in Kombination mit 5-FU/Folinsäure (FS) Für die adjuvante Chemotherapie des Kolonkarzinoms im Stadium III soll eine Oxaliplatin-haltige Chemotherapie eingesetzt werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1, starker Konsens ► FOLFOX (LV5FU2 + Oxaliplatin) z.B. FOLFOX 4: Folinsäure (FS) (200 mg/m2 als 2 h-Infusion Tag 1 und 2) plus 5-FU (400 mg/m2 als Bolus, danach 600 mg/m2 als 22-h-Infusion; Tag 1 und 2) in Kombination mit Oxaliplatin (85 mg/m2 als 2h Infusion; Tag 1), Wiederholung Tag 15. 1 Zyklus umfasst 2 Wochen, insgesamt 12 Zyklen. Monotherapie mit Fluoropyrimidinen Bei Kontraindikationen gegen Oxaliplatin-haltige Regime soll eine Monotherapie mit Fluoropyrimidinen durchgeführt werden. Dabei werden orale Fluoropyrimidine den infusionalen Schemata vorgezogen. Bolusregime sollen wegen der höheren Toxizität nicht mehr verwendet werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1, starker Konsens ► Orale 5-FU-Prodrug z.B. Capecitabin 2 x 1250 mg/m2 Körperoberfläche p.o. Tag 1-14, alle 3 Wochen für 8 Zyklen. Hintergrund In der X-ACT-Studie wurde das primäre Studienziel mit dem Nachweis, dass Capecitabin im krankheitsfreien Überleben mindestens gleichwertig zum MAYO-Schema ist, erreicht. Die Analyse zeigte einen Trend zugunsten eines überlegenen krankheitsfreien Überlebens mit Capecitabin. Auch das Gesamtüberleben unterschied sich nicht signifikant, mit einem Trend zur Überlegenheit von Capecitabin. Auch wenn in einer randomisierten Studie UFT + Folinsäure versus 5-FU/FS kein Unterschied im Gesamtüberleben und im krankheitsfreien Überleben bestand und in einer japanischen Metaanalyse von drei Studien sogar ein signifikanter Vorteil für Gesamtüberleben uns DFS erreicht werden konnte, wird UFT + Folinsäure aktuell nicht empfohlen, da es keine Zulassung zur adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinoms in Deutschland besitzt. ► Infusionales 5-FU/Folinsäure LV5FU2 z.B. Folinsäure (FS) (200 mg/m2 als 2 h-Infusion Tag 1 und 2) plus 5-FU (400 mg/m2 als Bolus, danach 600 mg/m2 als 22-h-Infusion; Tag 1 und 2). 1 Zyklus umfasst 2 Wochen, insgesamt 12 Zyklen 5-FU/Folinsäure-Schema z.B. Folinsäure (FS) (500 mg/m2 als 1-2-h-Infusion) plus 5-FU (2600 mg/m2 als 24-h-Infusion) 1x pro Woche über 6 Wochen (Tag 1, 8, 15, 22, 29, 36). Erneuter Beginn der Therapie in Woche 8 (Tag 50). Insgesamt 3 Zyklen Venöse 5-FU-Dauerinfusion über insgesamt 12 Wochen (300 mg/m2/Tag) Hintergrund Im Vergleich zu den Bolusschemata zeigen mehrere Therapiestudien mit unterschiedlicher infusionaler Applikationsform keinen Unterschied zu der Bolusgabe von 5-FU/FS bezüglich des krankheitsfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens. Das deutlich bessere Toxizitätsprofil spricht jedoch eindeutig für die infusionale Applikation. Ein Vergleich von 12 Wochen Therapie mit der „protracted venous infusion“ (PVI) von 5-FU (300 mg/m2 pro Tag) gegen ein 6-monatiges MAYO-Schema zeigte keinen signifikanten Unterschied im rezidivfreien Überleben (RFS) und im Gesamtüberleben bei geringerer Toxizität von PVI 5-FU. Der Beginn der adjuvanten Chemotherapie innerhalb eines Zeitraums von 8 Wochen nach Operation zeigte einen signifikanten Überlebensvorteil. Die optimale Dauer der Chemotherapie beträgt 6 Monate. Empfehlung Chemotherapieprotokoll im Stadium II Sollte bei Patienten mit Stadium-II-Tumoren eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden, können Fluoropyrimidine als Monotherapie eingesetzt werden. Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1, starker Konsens 228 Kolonkarzinom Adjuvante Chemotherapie, Entwicklung der Therapiestandards Die Studien der letzten 10-15 Jahre konnten zeigen, dass durch eine adjuvante Therapie mit 5-Fluorouracil 8-12% der Behandelten zusätzlich geheilt werden können. Die 5-FU-basierte Chemotherapie hat dabei verschiedene Veränderungen erfahren. 5-FU/Levamisol 12 Monate 1990 wurde erstmals der Nutzen einer postoperativen Chemotherapie auf 5-FU-Basis durch die Intergroup-Studie INT-0035 belegt (Moertel CG et al. NEJM 1990;32:235-8). Die Endergebnisse nach einem medianen Follow-up von 6,5 Jahren zeigten, dass beim Kolonkarzinom im Stadium III 5-FU/Levamisol über 12 Monate die relative Rezidivrate um 40% und die Mortalität um 33% signifikant gegenüber der nicht behandelten Kontrollgruppe senkt. 5-FU/Levamisol wurde damit zum Standard in der adjuvanten Therapie und wurde als Kontrollarm für nachfolgende Studien verwendet. 5-FU/Folinsäure 6 Monate Als sich herausstellte, dass mit Folinsäure (FS) moduliertes 5-FU beim fortgeschrittenen KRK wirksamer ist als 5-FU allein, wurde eine Reihe von adjuvanten Therapiestudien mit verschiedenen 5-FU/FS-Kombinationen auf den Weg gebracht. Die größte Studie mit 3759 Patienten im Stadium II und III, die Intergroup Studie 0089 (Haller DG et al. Proc ASCO 1998:A 982), prüfte im Standardarm eine 12-monatige Behandlung mit 5-FU/Levamisol gegen eine 6-monatige Behandlung mit 5-FU in Kombination mit einer niedrigen Folinsäuredosis (Mayo-Clinic-Schema) oder einer hohen Folinsäuredosis (Wolmark oder NSABP-Schema). In einem vierten Studienarm erhielten die Patienten zusätzlich zu 5-FU/FS noch Levamisol. Die 5-Jahre-Überleben sdaten ergaben, dass eine 6-monatige Behandlung mit 5-FU in Kombination mit niedrig oder hoch dosierter Folinsäuredosis genauso wirksam ist wie eine 12-monatige Behandlung mit 5-FU/Levamisol. Die Wirkung von 5-FU/FS konnte durch die zusätzliche Gabe von Levamisol nicht verbessert werden. Aus diesen Ergebnissen ergab sich der Konsens, Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III über 6 Monate mit 5FU/FS Schemata (Mayo-Clinic-Schema, alternativ NSABP-Schema) zu behandeln. FOLFOX-4 Aufgrund der gesteigerten Ansprechraten der Kombinationen aus 5-FU/FS und Oxaliplatin oder Irinotecan in der palliativen Therapie des KRK wurden diese Kombinationen auch in Phase-III-Studien in der adjuvanten Therapie eingesetzt. In der MOSAIC-Studie (Andre T. et al., NEJM 2004; 350: 2343-51) wurden 2248 Patienten mit KRK im Stadium II und III nach R0-Resektion entweder (aktuelle Daten 2007 siehe Seite „MOSAIC-Studie“) mit dem de-Gramont-Schema (5-FU/FS) oder dem FOLFOX-4 (5-FU/FS/Oxaliplatin)-Schema behandelt. Nach 3 Jahren war die Wahrscheinlichkeit des krankheitsfreien Überlebens (DFS) im FOLFOX-4-Arm um knapp 5% höher (77,8 vs. 72,9%). Für Patienten im Stadium III war die Differenz mit 71,8 vs. 65,5% noch deutlicher. Für Patienten im Stadium II war die Differenz von 86,6% vs. 83,9% nicht signifikant (aktuelle Daten 2007 siehe Seite „MOSAIC-Studie“). Diese Daten wurden durch die NSABP C-07 Studie bestätigt (Wolmark N. et al. ASCO 2005, A 3500). Ähnlich gute Ergebnisse ließen sich mit einer Irinotecan-haltigen Kombination nicht erreichen. Aufgrund der Ergebnisse der MOSAIC-Studie gilt FOLOX-4 als Standard zur adjuvanten Chemotherapie kolorektaler Karzinome im Stadium III. Xeloda ® In der X-ACT-Studie (Twelves C. et al.,NEJM 2005;352:2696-704), die bei mehr als 2000 Patienten im Stadium III Capecitabine oral mit dem Mayo-Protokoll verglichen hat, zeigt sich eine bessere Verträglichkeit der adjuvanten Therapie mit Capecitabine und ein Trend zu einer besseren Wirksamkeit. Das DFS nach 3 Jahren lag bei 65,5% für Capecitabine vs. 61,9% für das Mayo-Protokoll (siehe Seite X-ACT-Studie). Aufgrund dieser Daten kann bei Kontraindikationen zu FOLFOX-4 das orale Capecitabine eingesetzt werden. Das Mayo-Schema sollte nicht mehr zur Anwendung kommen. Korrelation 3-Jahres-DFS mit 5-Jahres-OS Eine Analyse von 18 randomisierten, kontrollierten Studien mit über 20.000 Patienten (Sargent DJ et al., J Clin Oncol 2005; 23:8664-70) zeigt, dass das 3-Jahres-krankheitsfreie Überleben (DFS) signifikant mit dem 5-Jahres-Overallsurvival (OS) korreliert. Die aktuelle Analyse dieser Daten der ACCENT (Adjuvant Colon Cancer Endpoints) Gruppe bestätigt dies: ein signifikanter Benefit für die adjuvante Chemotherapie wurde vor allem für die ersten 2 Jahre nach Initiierung der Therapie nachgewiesen. Zwei Jahre nach Initiierung der Behandlung zeigte die Rate für das DFS keinen wesentlichen Unterschied mehr (Sargent DJ et al., ASCO 2007, Abstr. # 4008). Aufgrund dieser Daten ist das DFS als valider Endpunkt für die adjuvante Therapie bestätigt, das eine raschere Beantwortung der von den Studien gestellten Fragen erlaubt. 229 Kolonkarzinom Adjuvante Chemotherapie, weitere Entwicklungen 6 Monate versus 3 Monate (Chau I. et al. Ann Oncol 2005, 16:549-557) Eine britische Multicenterstudie verglich bei 801 Patienten das Standard-5-FU-Bolus/Folinsäure-Schema (MAYOClinic-Schema) über 6 Monate mit einer kontinuierlichen intravenösen Infusion (PVI) von 5-FU (300 mg/m2/die) über 12 Wochen. Es gab keine signifikante Differenz hinsichtlich des 5-Jahres-Überlebens zwischen den beiden Armen. Die Therapie mit der kontinuierlichen Infusion über 12 Wochen war tendenziell besser im Hinblick auf das 5-Jahre-rezidivfreie Überleben (73,3% vs. 66,7%) sowie das 5-Jahres-Überleben (75,7% vs. 71,5%). Die Toxizität der kontinuierlichen Infusion war signifikant geringer. Die Autoren regen weitere Studien mit Verkürzung der adjuvanten Therapiedauer an. Kritikpunkte an der Arbeit sind die geringe Patientenzahl sowie der Einschluss von Rektumkarzinompatienten, so dass diese Therapie derzeit nicht empfohlen wird. Bolus versus infusional-5-FU (Köhne C. et al., ASCO 2006, Abstract 3563) Die PETACC-2-Studie verglich das traditionelle Bolus-Regime nach dem MAYO-Clinic-Schema mit 3 anderen 5FU-Infusionsprotokollen (AIO, de-Gramont und das spanische wöchentliche Hochdosisprotokoll, siehe auch Seite „PETACC-2-Studie“) in der adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinoms beim Stadium III. Das Primärziel der Studie war der Beweis einer Überlegenheit der Infusionsprotokolle mit einer Differenz des 5-Jahre-Überleben s von 7%. Bei insgesamt 1601 Patienten ergab sich kein signifikanter Unterschied, weder im 5-Jahres-rezidivfreien Überleben (57% vs. 56%) noch im 5-Jahres-Gesamtüberleben (71% vs. 72%). Das Bolus-Regime war jedoch toxischer im Hinblick auf Leukopenie, Stomatitis und Diarrhoe. Das Hand-Fuß-Syndrom war häufiger im experimentellen Arm. Oxaliplatin/Bolus 5-FU, NSABP C-07-Studie (Kuebler J.P.. et al., J Clin Oncol 2007; 25:2198-2204) 2407 Patienten im Stadium II und III erhielten entweder das wöchentliche Wolmark- bzw. NSABP-Bolus-Schema (FULV) über 24 Wochen oder dasselbe Regime unter Zugabe von 85 mg/m2 Oxaliplatin (FLOX) in Woche 1, 3 und 5 eines jeden 8-Wochen-Zyklus. Das DFS nach 3 Jahren beträgt 76,5 % im FLOX-Arm vs. 71,6 % im FULV-Arm und ist statistisch signifikant. Unter dem FLOX-Regime trat Diarrhoe wesentlich häufiger als relevante Nebenwirkung auf. Es ereigneten sich unter der Therapie immerhin 14 (1,1%) Todesfälle in der FULV- und 15 (1,2%) in der FLOX-Gruppe. Fazit: Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit den Ergebnissen der MOSAIC-Studie. Beim FLOX-Regime kommen aber nur 75% der Oxaliplatin-Dosis aus der MOSAIC-Studie zum Einsatz, was 2005 auf dem ASCO-Kongress zur Diskussion über die tatsächlich nötige Oxaliplatin-Dosis führte. Das Bolus-Regime sollte wegen der erhöhten Toxizität nicht zum Einsatz kommen. XELOX versus Bolus 5-FU/LV (Schmoll HJ. et al., J Clin Oncol 2007, 25:102-109 ) 1884 Patienten im Stadium III erhielten XELOX (Capecitabine 1000 mg/m2 bid d1-14 + Oxaliplatin 130 mg/m2 d1, q3w x 8) oder ein i.v. Bolus 5-FU/LV-Schema (Mayo-Clinic- oder Roswell-Park-Schema). Die Rate an Grad-3/4-Toxizitäten lag bei 55% im XELOX-Arm und bei 47% im 5-FU/LV-Arm. XELOX verursacht weniger Neutropenie (9% vs. 16%) sowie Stomatitis (<1% vs. 9%), aber mehr Hauttoxizität (5% vs. 1%) und Neuropathie (11% vs. 0%). Die Grad-3/4-Diarrhoe war in beiden Armen praktisch gleich (XELOX 19% vs. 20% bei 5-FU/LV). Die vorgestellten Toxizitätsdaten zeigen das bekannte Nebenwirkungsprofil von Oxaliplatin, das dem von FOLFOX-4 entspricht, sowie das erwartete, gut handlebare Hand-Fuß-Syndrom im XELOX-Arm mit dem Vorteil der oralen 5-FU-Gabe. Effektivitätsdaten werden 2008 erwartet. Irinotecan-haltige Protokolle CALGB-Studie C 89993 (Saltz LB et al. Proc. ASCO 2004; 22:3500) Folinsäure/5-FU ± Irinotecan zur adjuvanten Therapie beim Kolonkarzinom Stadium III, Arm A: FS/FU 500/500 mg/m2 wöchentlich x 6/ 8Wochen, 4 Zyklen (PRM-Schema), n=629 Arm B: Irinotecan 125 mg/m2, FS/FU 20/500 mg/m2 Bolus wöchentlich x 4/ 2Wochen Pause, 5 Zyklen, entsprechend 30 Wochen (IFL-Schema), n=635 Ergebnisse: Mediane Nachbeobachtungszeit 3,8 Jahre. Gesamtüberlebenskurven deckungsgleich, ebenso das krankheitsfreie Überleben. Fazit: Kein Vorteil für IFL. PETACC-3-Studie (van Cutsem E. et al.,ASCO 2005, Abstract LBA 8) 3278 Patienten im Stadium II (945) und III (2333) wurden randomisiert. Nach 3 Jahren wurde durch die Zugabe des Irinotecan das krankheitsfreie Überleben (DFS) für Patienten im Stadium-III von 59,9% auf 62,9% verbessert, was statistisch nicht signifikant war. Bei der gepoolten Analyse von allen Patienten (Stadium II und III) zeigte sich eine signifikante Verbesserung durch die Zugabe von Irinotecan. Die 60-Tage Mortalität lag bei der IrinotecanKombination bei 0,4% versus 0,2% im 5-FU/Folinsäure-Arm. Fazit: Irinotecan-haltige Schemata haben aktuell keinen Stellenwert in der adjuvanten Therapie des KRK. 230 Kolonkarzinom Adj. Chemotherapie, NSABP-, MAYO-Clinic-Schema Moertel CG et. al. hatten 1990 als Erste den statistisch signifikanten Vorteil einer postoperativen adjuvanten Behandlung des Kolon-Ca mit 5-FU + Levamisol im Vergleich zu einer nichtbehandelten Kontrollgruppe für das Stadium Dukes C veröffentlicht. Für das Rektumkarzinom war der therapeutische Gewinn bereits zu diesem Zeitpunkt auch für das Stadium Dukes B2 (T3, N0, M0) nachgewiesen worden. NSABP-Schema (Roswell-Park-Schema) Auf dem ASCO-Meeting 1993 teilten zwei internationale Therapiegruppen eine signifikante Reduktion des Rezidivrisikos und der Mortalitätsrate um etwa ein Drittel nun auch für das Stadium Dukes B2 des Kolonkarzinoms mit. Die Behandlung erfolgte mit 5-FU + Folinsäure. Roswell Park-Schema, auch bekannt als NSABP-Schema Substanz Wolmark, N. et. al Proc. ASCO 1993; 12: Abstr. 578 Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36 5-FU 500 i.v. Bolus 1 Std. nach Beginn der Folinsäure-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36 Woche 7 Therapiepause. Wiederholung Tag 50. Therapiedauer in dieser Studie: 6 Zyklen (48 Wochen). Anmerkung: in adjuvanter Intention kann bei fehlender oder geringer Toxizität auch schon am Tag 43 der nächste Zyklus beginnen. Die Dauer von 6 Monaten für eine adjuvante Therapie wird als ausreichend erachtet. Therapiedaten Patientengut: 1081 kurativ resezierte Pat. mit Kolon-Ca Stad. Dukes C und B2. Ergebnisse: 3 Jahre krankheitsfreies Überleben : 73 % vs. 63 % 3 Jahres-Gesamtüberleben : 84 % vs. 77 % Die Ergebnisse waren im randomisierten Vergleich denen der Kombination mit MOF (Methyl-CCNU, Vincristin, 5FU) überlegen (p=0.0004). Bei Verwendung der Kombination von Leucovorin und 5-FU bestand kein Unterschied zwischen den Stadien Dukes B2 und C beim Kolonkarzinom. Demnach profitierten in dieser Studie auch die Pat. mit dem Stadium Dukes B2 von dieser Behandlung. Mayo-Clinic-Schema Auf dem gleichen ASCO-Meeting 1993 stellten O’Connel et al. das Ergebnis einer kleineren Intergroup-Studie mit niedrig dosierter Folinsäure vor. Dieses Therapieschema ist deshalb interessant, da hierdurch die Arzneimittelkosten signifikant gesenkt werden. Auch in dieser Studie wurden Patienten der Stadien B und C nach Dukes behandelt. O´Connel et al. (Mayo-Clinic-Schema) Substanz Proc. ASCO 12, 1993, Abstr.552 Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage Folinsäure 20 i.v. Bolus 1-5 5-FU 425 i.v. Bolus (< 5 Min.) 1-5 Wiederholung Tag 29-33 Therapiedauer: 6 Zyklen Therapiedaten Patientengut: Ergebnisse: 309 kurativ resezierte Pat. mit Kolon-Ca Stad. Dukes C und B2. 3,5 Jahre krankheitsfreies Überleben : 77 % vs. 64 % (Kontrollgruppe) 3,5 Jahres-Gesamtüberleben : 75 % vs. 71 % Die Ergebnisse waren im randomisierten Vergleich denen der unbehandelten Kontrollgruppe bezüglich des krankheitsfreien Überlebens signifikant überlegen. Das Gesamtüberleben unterschied sich allerdings nicht signifikant zwischen beiden Gruppen. Nachdem das Mayo-Clinic-Schema lange als Standard der adjuvanten Therapie des kolorektalen Karzinoms galt, werden Bolus-Regime wegen der höheren Toxizität im Vergleich zu oralen Fluoropyrimidinen nicht mehr empfohlen. Bei Kontraindikationen gegen Oxaliplatin-haltige Regime ist Capecitabin (Xeloda®) der Standard in der adjuvanten Therapie des KRK. 231 Kolonkarzinom PETACC2-Studie, Adjuvante Chemotherapie Stadium III Die PETACC2-Studie zur Adjuvansbehandlung lief in Deutschland auch unter dem Namen „AIO-Studie“. Sie ist identisch mit der EORTC-Studie 40963 bzw. mit einem Arm des PETACC2-Trials. Die Abkürzung PETACC steht für „Pan European Trial in Adjuvant Colon Cancer“. Hier werden jedoch im europäischen Verbund die landesspezifischen „Eigenheiten“ in der Wahl des Schemas für die 5-FU-Dauerinfusion berücksichtigt. Die Wahl des Schemas war der teilnehmenden Institution freigestellt, es musste jedoch immer das gleiche verwendet werden. In Deutschland wird das AIO-Schema angewandt, in Frankreich hauptsächlich das „De-Gramont-Schema“, in Spanien 5-FU als Monosubstanz über 48h. Als Standardarm kam einheitlich das „Mayo-Clinic-Schema“ zum Einsatz AIO-Schema (Deutschland) Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36 5-FU 2600 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36 Applikationsform Therapietage 48-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36,43 Wiederholung: Tag 50 Therapiedauer: 3 Zyklen (=21 Wochen) HD-5-FU Mono-48 Stunden (Spanien) Substanz 5-FU Dosis [mg/m²/d] 3500 Wiederholung: Tag 57 Therapiedauer: 3 Zyklen (=24 Wochen) De-Gramont-Schema (LV5FU2, Frankreich) Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2 5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1, 2 5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2 Wiederholung: Tag 15 Therapiedauer: 12 Zyklen (=24 Wochen) Ergebnisse (Köhne C. et al., ASCO 2006, Abstract 3563) Bei insgesamt 1601 Patienten ergab sich kein signifikanter Unterschied weder im 5-Jahres-Rezidiv-freien Überleben (57% vs. 56%) noch im 5-Jahres-Gesamtüberleben (71 vs. 72%). Das Bolus-Regime war jedoch toxischer im Hinblick auf Grad-3/4-Leukopenien (7,1% versus 2,0%), Stomatitis Grad-3/4 (9,8% vs 3,3%) und Diarrhoe Grad-3/4 (16% vs. 15%). Das Hand-Fuß-Syndrom war häufiger im experimentellen Arm (4,4% versus 0,4%). PETACC1 Die PETACC1-Studie, die in gleicher Situation 5-FU/Folinsäure mit der Substanz Raltitrexet verglich, wurde in einer umstrittenen Entscheidung nach der Interimsanalyse im Juli 1999 durch die Firma Astra Zeneca beendet. Der Grund war eine mit 17 vs. 7 erhöhte Anzahl an Substanz-assoziierten Todesfällen in der Tomudex-Gruppe (allerdings gab es hier relevante Abweichungen von den Studienvorschriften wie z.B. fehlende Kreatininkontrollen). Es waren bereits 1838 Patienten eingeschlossen, es lagen nur Sicherheits-, aber noch keine Effektivitätsdaten vor. 232 Kolonkarzinom PETACC3-Studie, Adjuvante Chemotherapie In dieser inzwischen geschlossenen Studie wurde in Deutschland zumeist das AIO-Schema verwendet. Im adjuvanten Setting wurden verglichen infusional 5-FU/Folinsäure ± Irinotecan. In der Gruppe A bekamen die Pat. entweder das um Irinotecan erweiterte AIO-Schema mit auf 2000 mg/m² reduzierter 5-FU-Dosis oder das „De-Gramont-Schema“ + Irinotecan. Standardtherapie (Gruppe B) AIO-Schema Substanz Folinsäure 5-FU Dosis [mg/m²/d] 500 2600 Applikationsform 2-Std.-Infusion 24-Std.-Infusion Therapietage 1,8,15,22,29,36 1,8,15,22,29,36 Applikationsform 2-Std.-Infusion i.v. Bolus (5 min) 22-Std.-Infusion Therapietage 1, 2 1, 2 1, 2 Applikationsform 2-Std.-Infusion 24-Std.-Infusion ½-Std.-Infusion Therapietage 1,8,15,22,29,36 1,8,15,22,29,36 1,8,15,22,29,36 Wiederholung: Tag 50 De-Gramont-Schema (LV5FU2) Substanz Folinsäure 5-FU 5-FU Dosis [mg/m²/d] 200 400 600 Wiederholung: Tag 14 Prüfarm (Gruppe A) AIO-Schema + Irinotecan Substanz Folinsäure 5-FU Irinotecan Dosis [mg/m²/d] 500 2000 80 Wiederholung: Tag 50 De-Gramont-Schema (LV5FU2) + Irinotecan Substanz Folinsäure 5-FU 5-FU Irinotecan Dosis [mg/m²/d] 200 400 600 180 Applikationsform 2-Std.-Infusion i.v. Bolus (5 min) 22-Std.-Infusion 60-min.-Infusion Therapietage 1, 2 1, 2 1, 2 1 Wiederholung: Tag 15 Therapiedauer: jeweils 6 Monate. Ergebnisse (van Cutsem E. et al.,ASCO 2005, Abstract LBA8) 3278 Patienten im Stadium II (945) und III (2333) wurden randomisiert. Nach 3 Jahren wurde durch die Zugabe des Irinotecan das krankheitsfreie Überleben (DFS) für Patienten im Stadium-III von 59,9% auf 62,9% verbessert, was statistisch nicht signifikant war. Bei der gepoolten Analyse von allen Patienten (Stadium-II und III) zeigte sich eine signifikante Verbesserung durch die Zugabe von Irinotecan. Die 60-Tage-Mortalität lag bei der Irinotecan-Kombination bei 0,4% versus 0,2% im 5-FU/Folinsäure-Arm. Fazit: Irinotecan-haltige Schemata haben aktuell keinen Stellenwert in der adjuvanten Therapie. Immunhistochemische und molekulare Analysen (Roth AD et al.,ASCO 2007, Abstract #4022) Im Rahmen der PETACC3-Studie wurden an 1564 Gewebeproben prospektiv immunhistochemische und molekulare Analysen durchgeführt. 9 Marker wurden eingesetzt, die potentiell die Fähigkeit besitzen, die Effektivität oder die Toxizität einer Therapie vorauszusagen. Eine hohe MSI (Mikrosatelliteninstabilität) bei 12% der Proben zeigte gegenüber einer stabilen oder niedrigen MSI ein statistisch signifikant besseres 3-Jahres DFS von 74 vs. 65%. Bei einer SMAD-4-Expression (15%) ist das 3 Jahres-DFS mit 68% signifikant höher als bei fehlender SMAD-4-Expression mit 53%. 233 Kolonkarzinom MOSAIC-Studie, Teil I, Adjuvante Chemotherapie Nahezu die Hälfte aller potentiell kurativ operierten Patienten mit kolorektalen Karzinomen erleiden Rezidive und versterben als Folge einer späteren Metastasierung. Nachdem sich Oxaliplatin in der Therapie des metastasierten Kolonkarzinoms bewährt hatte, vornehmlich nach den Daten der FOLFOX-Kombination der französischen Arbeitsgruppe um de Gramont, wurde die Substanz auch in der adjuvanten Indikation eingesetzt. Die Ergebnisse der internationalen, multizentrischen MOSAIC-Studie (Multicenter International Study of Oxaliplatin/5-Fluorouracil/Leucovorin in the Adjuvant Treatment of Colon Cancer) ergeben sich neue Perspektiven in der Adjuvansbehandlung kolorektaler Karzinome (Andre T et al., NEJM 2004;350:23433-51). In die Studie wurden insgesamt 2246 Pat. mit Stad. II und III eingeschlossen und im prospektiv randomisierten Vergleich mit einer jeweils sechsmonatigen Therapie mit Bolus plus infusional 5-FU/FA ± Oxaliplatin behandelt. Studiendesign LV5FU2 + Oxaliplatin Folinsäure 200 mg/m2 / 2h-Inf. d1+2 5-FU 400 mg/m2 Bolus + 5-FU 600 mg/m2 22h-Inf. d1+2 Oxaliplatin 85 mg/m2 2h-Inf d1 alle 14 Tage, 12 Zyklen LV5FU2 Folinsäure 200 mg/m2 / 2h-Inf. d1+2 5-FU 400 mg/m2 Bolus + 5-FU 600 mg/m2 22h-Inf. d1+2 alle 14 Tage, 12 Zyklen Einsschlusskriterien R0-resezierte Patienten mit Kolonkarzinom im Stad. II und III Behandlungsbeginn innerhalb von 7 Wochen nach der Tumorexstirpation Keine vorangegangene Chemo-, Immuno- oder Radiotherapie WHO PS ≤2 Alter 18-75 Jahre Zielkriterien, primär: Krankheitsfreies Überleben, sekundär: Toxizität, Gesamtüberleben Toxizität Eine wesentliche Bedeutung kommt in einer Tumortherapiestudie der Toxizität zu. Die therapieassoziierte Mortalität war in beiden Gruppen gleich niedrig (0,5%). Haupttoxizitäten waren Diarrhoe, Neutropenie und Erbrechen, wobei Grad-3-4 Neutropenie mit 41,1% bei der oxaliplatinhaltigen Therapie gegenüber 4,7% im Kontrollarm deutlich häufiger auftrat, jedoch lediglich in 1,8% vs. 0,2% zu Fieber/Infektionen führte. Ein relevantes Problem stellt die Neurotoxizität dar. 92,1% der Pat. im Oxaliplatin-Arm erlitten eine periphere Neuropathie, jedoch nur 12,4% Grad-3 oder höher. Die Symptomatik war meist reversibel. Bei 1,1% zeigte sich ein Fortbestehen einer Grad-3-Toxizität nach 12 und bei 0,5% nach 18 Monaten. Häufigkeit und Verlauf der neurosensorischen Symptome in der Oxaliplatin-haltigen Gruppe 234 Kolonkarzinom MOSAIC-Studie, 3-Jahres-DFS, Adjuvante Chemotherapie Nach durchschnittlich 37,9 Monaten Nachbeobachtung ergab sich ein krankheitsfreies Überleben von 78,2% im Oxaliplatinarm gegenüber 72,9% für die LV-5FU-Gruppe (p=0,01). Das bedeutet eine 4-6%ige Verbesserung im krankheitsfreien Überleben. Somit stellt die 5-FU/Folinsäure mit Oxaliplatin auch in der adjuvanten Situation eine Therapiebereicherung dar. Das krankheitsfreie Überleben nach 3 Jahren wurde bewusst gewählt, da zum einen die meisten Rezidive in den ersten 3 Jahren auftreten, zum anderen sollte eine zeitnahe Übertragung der Ergebnisse in die praktische onkologische Arbeit ermöglicht werden. Der Therapievorteil der Oxaliplatingruppe zeigte sich sowohl für das Gesamtkollektiv als auch in der Subgruppenanalyse. André et al, NEJM 350;23 Follow-up Median [Monate] 3-J-DFS Ereignisse Rezidive Metastasen Zweit-Kolorekt.-Ca. Lokalrezidiv Tod ohne Rezidiv FL + Oxali. FL n=1123 n=1123 37,9 37,8 78,2 237 (21,1%) 208 (18,5%) 169 (15,0%) 6 (0,5 %) 38 (3,4%) 29 (2,6%) 72,9 293 (26,1%) 279 (24,8%) 229 (20,4%) 9 (0,8%) 51 (4,5%) 14 (1,2%) André et al, N Engl J Med 350;23 MOSAIC-Studie. Signifikant besseres krankheitsfreies Überleben der Oxaliplatin-behandelten Pat. gegenüber Folinsäure/5-FU allein. Besonders im nodalpositiven Stad. III profitieren die Patienten. Aber auch für Pat. im Stad. II ließ sich ein Benefit für den Oxaliplatin-Arm nachweisen, wie die Graphik unten verdeutlicht. Der Unterschied war jedoch nicht signifikant, da die Studie dafür statistisch auch nicht kalkuliert war. Aufgrund dieser Daten ist FOLFOX-4 der Standard der adjuvanten Therapie des Kolonkarzinoms im Stadium III Auf dem ASCO 2007 wurden ein Update nach 5 Jahren sowie erstmals auch Überlebensdaten präsentiert. Siehe dazu folgende Seite. 235 Kolonkarzinom MOSAIC-Studie, 5-Jahres-Update, Adjuvante Chemotherapie MOSAIC: DFS FOLFOX4 (n=1123) LV5-FU2 (n=1123) Med. Follow-up (Mon.) 73,5 73,4 Ereignisse (%) 27,1 32,1 DFS (%) 73,3 67,4 5 Jahre (Juni 2006) HR/Delta absolut (%) 0,80/ 5,9% p-Wert 0,003 Die Ergebnisse am primären Endpunkt der Studie, dem 3-Jahres-erkrankungsfreien Überleben (DFS), hatten einen signifikanten Benefit für die mit FOLFOX-4 behandelten Patienten gezeigt. Das Update der Studie, das beim ASCO 2007 vorgestellt wurde (de Gramont A. et al., ASCO 2007 Abstr.# 4007), bestätigte den signifikanten Unterschied für das DFS auch nach 5 Jahren zugunsten von FOLFOX gegenüber der Therapie mit 5-FU/Folinsäure. Im Stadium II wurde wie erwartet kein signifikanter Unterschied für DFS und OS (Overall survival) gefunden, da die Studie dafür statistisch nicht ausgerichtet war. Für Patienten im Stadium II mit Risikofaktoren, nämlich T4-Tumor, Tumor-Perforation, Ileus, G3/4-Histologie, Venöse Infiltration und weniger als 10 entfernten Lymphknoten, betrug der absolute Benefit jedoch 7,2% für das DFS zugunsten der FOLFOX-Therapie. MOSAIC: DFS Stadium II und III Erstmalig wurde jetzt ein signifikanter Vorteil für FOLFOX im Gesamtüberleben (OS) für Patienten im UICC-Stadium III nachgewiesen (Risikoreduktion 20%). 3,5% der Patienten haben eine Grad 2 oder 3 sensorische Neurotoxizität im Follow-up. MOSAIC: OS Stadium II und III MOSAIC: Langzeittoxizität Fazit: Der Vorteil der Oxaliplatin-basierten Kombinationstherapie in der adjuvanten Situation für das Kolonkarzinom im Stadium III ist bestätigt. 236 Adjuvante Therapie X-ACT-Studie, Adjuvante Chemotherapie Die X-ACT-Studie ist eine multizentrische, randomisierte Phase-III-Studie, in der das orale Prodrug Capecitabin (Xeloda®) bei nodal-positiven, R0-resezierten Kolonkarzinomen im Vergleich zum intravenös gegebenen MayoClinic-Schema untersucht wurde. Capecitabin wird in der Leber nach enteraler Resorption in 5-DeoxyFluorozytidin umgewandelt, das in Tumorzellen stärker als in gesunden Zellen angereichert wird. Im Zeitraum 11/1998 bis 11/2001 wurden insgesamt 1987 Patienten mit R0-reseziertem Dukes-CKolonkarzinom randomisiert auf einen Standardarm mit einer Therapie nach dem Mayo-Clinic-Protokoll über 24 Wochen, im Vergleich zum experimentellen Arm mit Capecitabin 2 x 1250 mg/m2 über 14 Tage. Wiederholung alle 3 Wochen (Cassidy J et al. Proc. ASCO 2004; 22:3509A) Studiendesign, Patientenverteilung Ergebnisse Im Ergebnis zeigte sich eine mindestens gleichgute Wirksamkeit mit tendenziellen Vorteilen für Capecitabin (signifikant für das rezidivfreie Überleben). Die Toxizität war mit Ausnahme des Hand-Fuß-Syndroms für Capecitabin günstiger. Notwendige Dosisreduktionen waren in beiden Armen vergleichbar (42 vs. 44%), ebenso die Therapieabbrüche (16 vs. 12%) Kolonkarzinome, Stad. III. Adjuvante Therapie Mayo-Clinic-Schema vs. Capecitabin Krankheitsfreies Überleben Wahrscheinlichkeit einer Grad 3/4-Toxizität [B] [A] [A] [B ] [B] [A] [A] [B] Cassidy J et al. Proc. ASCO 2004; 22: 3509 Fazit: - Verlängertes krankheitsfreies Überleben (RFS) - Signifikante 14% Risikoreduktion (p=0.0407) - 4% absolute Verbesserung des RFS nach 3 Jahren - Trend zu einem höheren Gesamtüberleben Capecitabin ist in der adjuvanten Therapie des nodal-positiven Kolonkarzinoms wirksamer und weniger toxisch als das Mayo-Clinic-Schema und kann wie das FOLFOX-4-Schema als eine Behandlungsoption in dieser Indikation angesehen werden. Xeloda® ist zugelassen für die adjuvante Chemotherapie des KRK. 237 Adjuvante Therapie X-ACT-Studie, Update 2008, Adjuvante Chemotherapie Update, 5-Jahres-Daten (ECCO September 2007) Gesamtüberleben: bei Nachfolgeuntersuchungen über die durchschnittliche Zeit von sieben Jahren betrug die 5-Jahres-Gesamtüberlebenszeit 71,4% in der Capecitabin- und 68,4% in der 5-FU/FS-Gruppe. Krankheitsfreies Überleben: bei Nachfolgeuntersuchungen über die durchschnittliche Zeit von 3,8 Jahren war das krankheitsfreie Überleben in der Capecitabin-Gruppe mindestens äquivalent zur 5-FU/FS-Gruppe (p<0,0001). Rezidivfreies Überleben: Capecitabin verbesserte das rezidivfreie Überleben (Hazard-Ratio 0,86; 95% Konfidenzintervall 0,74 bis 0,99; p=0,0407) und wurde mit signifikant weniger Nebenwirkungen in Verbindung gebracht als 5-FU/FS (p<0,001). Update 2008 (Twelves ASCO GI 2008, Abstract 274) Das DFS nach einem medianen Follow-up von fast 7 Jahren betrug für Capecitabin 60,8% versus 56,7% für Bolus-5-FU. Das Gesamtüberleben (OS) liegt bei 71,4% für Capecitabin versus 68,4%. Das Update zeigt, dass Capecitabin mindestens äquivalent zu 5-FU ist mit einem Trend zur Überlegenheit. Eine geplante Multivarianzanalyse zeigte eine Überlegenheit für die Behandlung mit Capecitabine bezüglich des DFS (HR = 0,849/ p 0,0212) und des OS (HR = 0,828/ p 0,0203) gegenüber 5-FU/FS. Beziehung zwischen HFS und Effektivität der Therapie (Twelves ASCO GI, Abstract 274) DFS mit und ohne Hand-Fuß-Syndrom (HFS) Gesamt Kein HFS HFS Grad I-III n 421 175 246 Capecitabine DFS nach 5 Jahren 59,06% 55,50% 61,27% N 452 408 44 5-FU/FS DFS nach 5 Jahren 54,61% 54,42% 56,15% Sowohl das Krankheitsfreie Überleben (DFS) als auch das Gesamtüberleben (OS) nach 5 Jahren unterschieden sich im Capecitabin-Arm in Abhängigkeit davon, ob die Patienten ein Hand-Fuß-Syndrom zeigten. Das Vorhandensein eines Hand-Fuß-Syndroms ist ein möglicher klinischer Marker für die optimale Dosierung von Capecitabine und möglicherweise ein Zeichen einer besseren Wirksamkeit. Gesamtüberleben mit und ohne Hand-Fuß-Syndrom (HFS) Gesamt Kein HFS HFS Grad I-III n 319 139 180 Capecitabine OS nach 5 Jahren 70,9% 66,31% 73,78% 238 N 351 317 34 5-FU/FS OS nach 5 Jahren 67,77% 67,72% 68,12% Adjuvante Chemotherapie, prospektive Bewertung Adjuvantonline.org Adjuvant!Online ist ein Kalkulationsprogramm zur Abschätzung der Prognose und des Benefits durch eine adjuvante Chemotherapie für Patienten mit einer Krebserkrankung in einem frühen Stadium nach kompletter chirurgischer Resektion. Dieses Programm existiert für Patienten mit Mammakarzinom, Kolonkarzinom und neuerdings für Pat. mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom. Die Abschätzung der Prognose für das Kolonkarziom basiert auf den Daten des amerikanischen Tumorregisters SEER (surveillance epidemiology and end results) zwischen 1988 und 1997. Die Daten für den Benefit durch eine adjuvante Therapie werden regelmäßig aktualisiert. Abschätzung der Prognose, Relaps- und Mortalitätsrisiko (www.adjuvantonline.org) Wie unten dargestellt, werden die individuellen Patienten- und Tumordaten wie Alter, Geschlecht, Komorbidität, Infiltrationstiefe des Tumors, Zahl der positiven Lymphknoten, untersuchte Lymphknoten und das Grading eingegeben. Unter „Calculate“ kann man die statistische „Mortalität“, aber auch das „Relapse“-Risiko für diesen Patienten berechnen. Im dargestellten Fall beträgt das 5-Jahres-Risiko, ohne weitere Therapie am Tumor zu sterben, 59%; das heißt, wie im Diagramm daneben dargestellt, nach 5 Jahren leben von 100 Patienten mit dieser Konstellation statistisch noch 40,2 Pat. 58,7 Patienten sterben am Krebs und 1,1 Patient stirbt aus anderen Gründen und nicht am Krebs. Benefit durch adjuvante Chemotherapie Unter „Chemo“ wird das adjuvante Chemotherapieregime, das entweder in gar keiner Therapie, einer 5FU-basierten Therapie oder in FOLFOX oder FLOX bestehen kann, eingefügt. Durch eine FOLFOXTherapie werden nach dem Diagramm mit „additional therapy“ zusätzlich 22,8 Patienten geheilt, sodass nach 5 Jahren 40,2 + 22,8 = 63 Patienten von hundert leben. „Nur“ 35,7 Patienten sterben nach adjuvanter Chemotherapie mit FOLFOX nach 5 Jahren an Krebs anstelle von 58,7 ohne Chemotherapie. 1,3 Patienten sterben aus anderen Gründen. Die betroffene Patientin mit einer Hochrisikokonstellation, die keine Komorbidität aufweist („perfect health“), profitiert also in besonderem Masse von einer adjuvanten Chemotherapie mit FOLFOX. Unter „Access Help and Clinical evidence” findet man die Daten, auf denen die statistischen Berechnungen basieren, sowie nützliche Links zu Standards und Guidelines. Adjuvant! Online ist eine geeignete Basis für die Diskussion des klinischen Onkologen mit dem Patienten über Benefit und Risiken einer adjuvanten Chemotherapie. www.adjuvantonline.org 239 Kolorektale Karzinome Adjuvante Chemotherapie, Stadium II Für das Kolonkarzinom im Stadium II ist bisher kein Therapiestandard definiert. In mehreren Studien, die einen Benefit für die 5-FU-basierte adjuvante Chemotherapie zeigten, waren neben Pat. im Stad. III auch Pat. im Stad. II eingeschlossen. Während die Höhe des Benefits für das Stadium-III aufgrund der adäquaten Patientenzahl geklärt ist, ist der Vorteil für das Stad. II unklar. Dass sich für das Stadium-II (außer in der QUASAR-Studie, s.u.) kein statistisch relevanter Vorteil zeigt, hängt auch mit der relativ guten Prognose der Pat. im Stad. II nach alleiniger Chirurgie zusammen. Daraus ergibt sich die Erforderlichkeit, Tausende von Patienten zu randomisieren, um eine Verbesserung des Gesamtüberlebens zu zeigen. Offensichtlich profitiert jedoch eine Subgruppe mit Hochrisikoprofil im Stadium II von einer adjuvanten Therapie. NSABP C-01, C-02, C-03 und C-04 Eine gepoolte Analyse dieser Studien kam zu dem Schluss, dass Pat. mit Kolonkarzinom im Stad. II einen ähnlichen Benefit von einer adjuvanten Chemotherapie haben, wie Pat. im Stad. III. Allerdings war die Patientenzahl im Stad. II in diesen Studien sehr niedrig. IMPACT-B2-Studie (Benson et al. J Clin Oncol 2004) In dieser Studie wurden die Ergebnisse von 5 Studien, die 1006 Pat. mit Kolonkarzinom im Stad. II enthielten, gepoolt und ergaben keinen Vorteil für eine adjuvante Chemotherapie. Diese Studie zeigte keinen Unterschied im 5-JahresÜberleben (80% in der Kontrollgruppe und 82% in der 5-FU/Folinatgruppe) und im ereignisfreien Überleben (73% in der Kontrollgruppe versus 76% in der 5-FU/Folinatgruppe). NACCP-Studie (Taal BG et al., Br J Cancer 2001; 85:1437-43) In dieser niederländischen Studie wird über einen Benefit durch eine adjuvante Chemotherapie im Stad. II berichtet. 468 Pat. im Stadium II wurden randomisiert zwischen 5-FU/Levamisol für 12 Monate und Beobachtung. Diese Studie zeigte eine Verbesserung des Overall survivals im Stad. II von 70 auf 78%. MOSAIC-Studie (de Gramont et al., ASCO 2007, Abstr. 4007) In dieser Studie erhielten Patienten im Stadium II und III entweder FOLFOX oder 5-FU/Folinsäure (de GramontSchema). Im Stad. II wurde nach 5 Jahren kein signifikanter Unterschied für DFS und OS (Overall survival) gefunden, da die Studie dafür statistisch nicht ausgerichtet war. Für Patienten im Stad. II mit Risikofaktoren, nämlich T4-Tumor, Perforation, Ileus, G3/4-Histologie, Venöse Infiltration und weniger als 10 entfernten Lymphknoten, betrug der absolute Benefit nach 5 Jahren jedoch 7,2% für das DFS zugunsten der FOLFOX-Therapie. Zu beachten ist, dass die Kontrollgruppe ein aktives Chemotherapieregime erhielt und nicht nur ein Beobachtungsarm war. QUASAR-Studie (Gray RG et al., ASCO 2004, Abstr. 3501) 3238 Pat. im Stad. Dukes B erhielten nach kurativer Chirurgie entweder keine Behandlung oder eine 5-FU-basierte adjuvante Chemotherapie. Der Einschluss erfolgte nach der vom Behandelnden eingeschätzten Therapienotwendigkeit. Somit dürften die meisten Patienten eine Hochrisiko-Situation aufweisen. Nach einem medianen Follow-up von 4,2 Jahren war das Sterberisiko im Chemotherapiearm gegenüber der Kontrollgruppe 0.88 (95%CI 0,75-1.05; p=0.15) und das Rezidivrisiko 0.82 (0.70-0.97; p=0.002). Die 5-Jahres Rezidivrate (22,3 vs. 26,2%) sowie die das 5-Jahres-Überleben (80,3 vs. 77,4%) favorisierte den Chemotherapiearm signifikant. MSI und adjuvante Therapie mit 5-FU (Sargent et al, ASCO 2008, Abstr. 4008) Sargent wertete in einer Sammelanalyse mehrere Studien retrospektiv im Hinblick auf den Einfluss eines defekten Mismatch Repair-Systems (MMR, definiert als hochgradige MSI oder Verlust von MLH1 oder MSH 2) auf das DFS nach einer adjuvanten Therapie im Stadium II aus. Hierbei zeigte sich, dass das 5-Jahres-DFS bei Pat. mit defektem MMR geringer war, wenn sie adjuvant 5-FU erhielten (unbehandelt 87% versus behandelt 79%). Die 5-Jahres-Überlebensdaten von Sargent wurden mit den Daten von Ribic (NEJM 2003;349:247-57) gepoolt, der auch den Einfluss einer adjuvanten 5-FU-Chemotherapie bei defektem MMR untersucht hatte. Hier zeigte sich ein signifikanter Unterschied im 5-Jahres Überleben bei Patienten mit defektem MMR-System zwischen der unbehandelten (93%) und der mit 5-FU behandelten Gruppe (75%). Fazit:Untersuchung des MMR im Stad. II ! Bei defektem MMR kein 5-FU adjuvant ! Ergebnisse nicht auf FOLFOX übertragbar ! OS mit und ohne adjuvante 5-FU Therapie im Std. II bei defektem MMR 240 Kolorektale Karzinome Adjuvante Chemotherapie, Std. II, Empfehlungen S3-Leitlinie Adjuvante Chemotherapie Empfehlung Stadium II Bei Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium II kann eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden. Der absolute Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie im Stadium II liegt zwischen 2 und5%. Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens Empfehlung UICC Stadium II mit Risikofaktoren Im Stadium II sollte in ausgewählten Risikosituationen (T4, Tumorperforation/-einriss, Operation unter Notfallbedingungen, Anzahl untersuchter Lymphknoten zu gering) eine adjuvante Chemotherapie erwogen werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens Zusätzliche Parameter (z.B. CEA, Differenzierungsgrad, 18q-Verlust, isolierte Tumorzellen in Lymphknoten oder im Knochenmark, Mikrosatelliten-Status, DNA-Ploidie und TS/p53-Expression, Lymph- und Blutgefäßinvasion) sollen momentan nicht zur Indikationsstellung für eine adjuvante Chemotherapie benutzt werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens S3-Leitlinie Empfehlung Chemotherapieprotokoll im Stadium II Sollte bei Patienten mit Stadium-II-Tumoren eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden, können Fluoropyrimidine als Monotherapie eingesetzt werden. Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1, starker Konsens NCCN guidelines 2/2008 zur adjuvanten Chemotherapie im Stadium II (www.nccn.org) Einige Hochrisikopatienten können von einer adjuvanten Chemotherapie im Stadium II profitieren. T4-Tumore Schlecht differenzierte Tumore (G3/G4-Histologie) Lymphovaskuläre Infiltration Obstruktion, Perforation Unklare oder positive Resektionsränder Inadäquate Zahl entfernter Lymphknoten (< 12) Der Benefit einer adjuvanten Chemotherapie für das Überleben beträgt nicht mehr als 5 Prozent ! Aktuelle Empfehlungen zur adjuvanten Therapie im Stadium II: Übersicht ASCO Benson 2004 (siehe folgende Seite) Std. II low risk Std. II high risk Nicht empfohlen Bei T4, <12 LK, G3/4, Perforation Therapie in Erwägung ziehen Europa Van Cutsem 2008 Std. II low risk Std. II high risk Nicht empfohlen Bei T4, LK ≤12, G3, Ileus, Perforation, V1, L1, Pn1, CEA Ç Therapie in Erwägung ziehen Std. I NCCN 2008 (National Cancer Comprehensive Std. II low risk Network) Std. II high risk S3-Leitlinie 2008 Std. II low risk Std. II high risk Nicht empfohlen Capecitabine, 5-FU/LV,FOLFOX in Erwägung ziehen 5-FU/FS, Capacitabine, FOLFOX (T4, <12 LK, G3/4, Perforation, Ileus, V1, L1) in Erwägung ziehen Kann erwogen werden Therapie sollte erwogen werden bei T4, <12 LK, Tumorperforation, Tumoreinriss, Operation unter Notfallbedingungen (Capecitabine) 241 Kolorektale Karzinome Adjuvante Chemotherapie, Stadium II, ASCO Guidelines ASCO-Guidelines zur adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinom im Stad. II (Benson A. et al., J Clin Oncol 2004; 16: 3408-3419) Eine routinemäßige Anwendung einer adjuvanten Chemotherapie im Stad. II wird nicht empfohlen. Bei einzelnen Subgruppen kann die Behandlung in Erwägung gezogen werden. Das sind: Unzureichende Lymphknotensammlung (<13), T4-Tumor, Tumorperforation, niedriger Differenzierungsgrad (G3). Die letzte klinische Entscheidung sollte auf der Basis einer eingehenden Diskussion mit dem Patienten erfolgen. Für die Gesprächsführung werden folgende Hilfen gegeben: Punkte einer Diskussion zwischen dem Patienten und dem Arzt: ● Fragen Sie den Patienten, wie viel prognostische Informationen er während des Gesprächs, ob er eine adjuvante Chemotherapie erhält oder nicht, zu hören wünscht, und ob er es vorzieht, Einschätzungen eher als Zahlen (z.B. 3%) oder als Begriffe (z.B. „sehr gering“) gesagt zu bekommen. ● Es ist wichtig, die Vorstellungen des Patienten von Risiko und Benefit sowie die individuellen Faktoren und die Tumorfaktoren zu verstehen, die die Entscheidungsfindung beeinflussen können. ● Die Diskussion muss unbedingt herausarbeiten, ob der potentielle Benefit der Behandlung die potentiellen Risiken überwiegt. ● Chirurgisch resezierte Pat. mit Kolonkarzinom im Stad. II haben eine gute Prognose durch die Operation alleine (75-80% 5-Jahres-Überleben). Es gibt Unterschiede im Überleben für Patienten mit Stad. IIA (T3N0) versus IIB (T4N0). ● Die potentielle relative und absolute Steigerung der Kurationsrate durch die zusätzliche Chemotherapie ist beschränkt, wie in der Literatur beschrieben. Patienten sollten informiert werden, dass für typische Stadium-II-Patienten hinreichend große Studien vorliegen, um festzustellen, dass eine 5-FU-basierte Behandlung das 5-Jahres-Überleben um nicht mehr als 5% verbessert. Eine kleinere Steigerung des 5-Jahres-Überlebens in einem Bereich von 2-4% kann jedoch von einer Behandlung abgeleitet werden. Bisher durchgeführte klinische Studien waren nicht groß genug, um dies zu belegen oder zu widerlegen. Der einzelne Patient muss sich überlegen, ob die Höhe eines potentiellen Überlebensvorteils das Risiko der Toxizität und die Anbindung zwischen 6 bis 8 Monaten an eine Chemotherapie wert ist. Pat. verstehen Risiken und Nutzen besser, wenn sie in absoluten statt in relativen Zahlen dargestellt werden. ● Potentielle Risiken beinhalten die Durchführung der Chemotherapie über 6-8 Monate und die potentielle Spättoxizität neuerer chemotherapeutischer und biologischer Medikamente. Die Toxizität sollte im Detail diskutiert werden und das Risiko eines Therapie-assoziierten Todes beinhalten (<1%). ● Die Definition des Risikos beinhaltet Tumorcharakteristika: T- und N-Stadium, Tumordifferenzierung, Tumorperforation, Gefäßinvasion, lymphatische Invasion, Invasion der Neuralscheide und die Zahl der untersuchten Lymphknoten (z.B. 5-Jahres-Überleben: 64% für 1-2 entfernte Lymphknoten, 86% für >25 entfernte Lymphknoten; <13 entfernte Lymphknoten lassen auf ein unzureichendes Staging schließen). Es sollte betont werden, dass diese Tumorcharakteristika zwar prognostische Marker sein mögen, dass es aber keine Daten gibt, die darauf hinweisen, dass es auch prädiktive Marker sind (d.h. Tumorcharakteristika, die ein Ansprechen auf eine adjuvante Chemotherapie vorhersagen). ● Zusätzliche prognostische und prädiktive Marker können diskutiert werden wie der 18q-Status, MSI, S-Phase, TS usw.; bisher sind jedoch nur retrospektive Daten vorhanden. Hoch-Risiko-Charakteristika des Tumors, die entweder durch pathologische Beschreibung oder molekulare Profile definiert sind, können nicht benutzt werden, um derzeit einen Benefit durch die Chemotherapie vorauszusagen, auch wenn sie eine schlechte Prognose nahe legen. ● Jede Komorbidität sollte im Detail diskutiert und ins Verhältnis gesetzt werden zum potentiellen Risiko, das sich daraus ergibt, zum möglichen Nutzen der Therapie. ● Ein Kalkulationsmodell für das Survival, das stratifiziert nach Alter, Tumorgrading, Lymphknotenstatus und T-Stadium ist verfügbar unter http://www.mayoclinic.com/calcs. Obwohl dieses Instrument nicht die Diskussionspunkte enthält, die oben erwähnt wurden, kann es dem Patienten und dem Arzt helfen, das individuelle Patientenrisiko zu analysieren. Auch die Internetadresse www.adjuvantonline.com erlaubt eine individuelle Risikoberechnung und die Quantifizierung des Benefits für das rezidivfreie und das Gesamtüberleben durch eine adjuvante Chemotherapie. 242 Kolorektale Karzinome Adjuvante Chemotherapie, Std. II, Prognosefaktoren, Studien Ein Grund, warum viele Tumore mit ähnlicher histopathologischer Erscheinung einen sehr unterschiedlichen Verlauf zeigen, ist die Existenz prognostischer Faktoren, die die individuelle Risikosituation und die Wahrscheinlichkeit des Benefits von einer adjuvanten Behandlung beschreiben. Diese Risikofaktoren schließen T4-Tumore, Obstruktion, Perforation, geringe Differenzierung lymphovaskuläre Infiltration, unklare oder R1-Resektionsränder und eine unzureichende Lymphknotenentfernung ein. Überleben in Abhängigkeit von der Zahl der entfernten Lymphknoten bei T3 N0 Kolonkarzinom (Swanson RS et al.Ann Surg Oncol 2003;10:65-71) In einer Analyse von 35.787 Fällen der USA National Cancer Database mit T3 N0 Kolonkarzinomen wurden Patienten nach der Zahl der histologisch untersuchten Lymphknoten (LK) stratiefiziert. Die 5-Jahres-Überlebensrate für 1-7 untersuchte LK war 49,8%, für 8-12 LK 56,2% und für mehr als 13 LK 63,4% (p <0.0001). 35787 Patienten mit T3 N0 Kolonkarzinom Zahl der untersuchten Lymphknoten 5-Jahres-Überlebensrate 1-7 LK 49,8% 8-12 LK 56,2% > 13 LK 63,4% ECOG 5202 Studie Zusätzlich zu den klinischen und histopathologischen Faktoren, die einen Patienten mit einem hohen Risiko im Stadium II charakterisieren, weisen neuere Daten darauf hin, dass molekulare Marker eine prognostische und prädiktive Rolle spielen. Derzeit sind die vielversprechendsten und am meisten untersuchten Marker die chromosomale Instabilität mit Deletion des Chromosoms 18q (18q LOH=loss of heterocygocity) und die Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Mit der Intention, den prognostischen Wert als molekulare Marker zu bestimmen, wurde eine grosse prospektive klinische Studie der Eastern Cooperative Oncology Group initiiert, die die Patienten im Stadium II auf der Basis ihres 18q- und MSI-Status randomisiert. Studien mit zielgerichteten Substanzen beim Kolonkarzinom Stad. II/III Phase-III-Studien mit Bevacizumab Studie N Kollektiv 3450 Therapie Stand 8/2008 FOLFOX 4 vs. Rekrutierung FOLFOX + Bevacizumab abgeschlossen XELOX + Bevacizumab 2710 Stad. II/III FOLFOX 6 +/- Bevacizumab Closed* NSABP C-08 2240 High risk Stad. II/Stad. III Capecitabine +/-Bevacizumab 1077 Pat. rekrutiert QUASAR 2 3438 High risk Stad. II FOLFOX ongoing ECOG 5202 Prognostischer Wert molevs. kularer Marker (MSI/18q) FOLFOX + Bevacizumab * Toxizitätsdaten akzeptabel, Effektivitätsdaten stehen noch aus (Allegra C et al., ASCO 2008, Abstract 4006) AVANT High risk Stad. II Stad. III Phase-III-Studien mit Cetuximab Studie PETACC 8 n Kollektiv Therapie Stand 8/2008 2000 Stad. III FOLFOX 4 +/- Cetuximab Geschlossen 2300 Stad. III FOLFOX 6 +/- Cetuximab ongoing (siehe folg. Seiten) NCCTG NO147 243 Kolonkarzinom PETACC 4, adjuvante Therapie, Stad. II, EORTC 40012 Studientitel Adjuvante Chemotherapie des Kolonkarzinoms im Stad. II. Randomisierte multizentrische Phase-IIIStudie des R0-resezierten Kolonkarzinoms. Infusional 5-FU CPT 11 + Folinsäure vs. Beobachtung. Studienkoordinator Prof. Dr. JF Seitz, Marseilles, Tel. 0033-4-9138-6038. Einschlusskriterien Stadium II (pT3, N0; pT4, N0). Kolonkarzinom, R0-Resektion. Distale Resektionsgrenze oberhalb der peritonealen Umschlagfalte. Mindestens 12 Lymphknoten im Resektat und histopathologisch untersucht. Ausschluss von Fernmetastasen. Alter über 18 Jahre, unter 75 Jahre. Allgemeinbefinden: 0/1 WHO. Studiendesign R Alleinige Operation Operation + adjuvante Chemotherapie Randomisation: Innerhalb 56 Tagen nach der kurativen Resektion. Chemotherapie: 4 Zyklen (6 Monate) Irinotecan 80 mg/m2 500 ml NaCl 0,9%/30 min. Tag 1,8,15,22,29,36 Folinsäure 500 mg/m2 500 ml NaCl 0,9%/2h Tag 1,8,15,22,29,36 5-FU 2.000 mg/m2 24h-Inf. Tag 1,8,15,22,29,36 Wiederholung: Tag 50 (Tag 1 des nächsten Sechs-Wochen-Zyklus) Stratifizierung nach prädiktiven und responsiven Faktoren Institution pT3 vs. pT4, initiale Komplikation: Ileus, Perforation vs. keine, Grading G1, G2, G3, Geschlecht, Mikrosatelliteninstabilität positiv vs. negativ vs. unbekannt. Studienziel Verbesserung des DFS in der Therapiegruppe Sekundär: Bewertung von prognostischen Faktoren zur Frage der Korrelation von Überleben und Rezidiv nach adjuvanter Chemotherapie: Zahl der untersuchten Lnn, Grading, T-Stadium, CEASpiegel, DCC-Alteration, bcl-2, Matrix Metalloproteinasen, Mikrosatelliteninstabilität. Studie seit 31.08.2006 geschlossen! 244 Kolonkarzinom PETACC 8-Studie, Adjuvante Chemotherapie Studientitel Adjuvante Behandlung des komplett resezierten Kolonkarzinoms Stad. III mit FOLFOX-4 plus Cetuximab versus FOLFOX-4. Randomisierte kontrollierte multinationale multizentrische Phase-III-Studie. Studienziel Primäres Studienziel ist das krankheitsfreie Überleben (DFS). Sekundäre Ziele sind krankheitsfreies Überleben nach 3 Jahren, Gesamtüberleben, 5-Jahres-Gesamtüberleben, Verträglichkeit und Sicherheit der Therapie, Evaluation von prädiktiven biologischen Markern für Rezidiv und/ oder Therapieerfolg. Start der Studie: 11/05. Studienunterlagen AIO-Studienzentrale, Herr René Siewczynski Martin-Luther-Universität Halle, Klinik für Innere Medizin IV, Ernst-Grube-Straße 40, 06120 Halle Tel.: 0345-557-5752, Fax: 0345-557-3283, E-mail: [email protected], Internet: www.aio-portal.de Studiendesign FOLFOX-4 + Cetuximab (Arm A) R Therapiedauer 12 Zyklen = 24 Wochen FOLFOX-4 (Arm B) Einschlusskriterien Alter ≥ 18 und < 75 Jahre Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Kolons Stadium III, unabhängig vom EGFR-Status Kurative R0-Resektion nicht weniger als 28 und nicht länger als 56 Tage vor Randomisation Keine Metastasen bei Studienaufnahme Keine vorangegangene Chemotherapie, keine vorangegangene Bestrahlung von Abdomen oder Becken WHO-Performance Status 0-1 Schriftliche Einverständniserklärung des Patienten Wirksame Kontrazeption, falls die Möglichkeit einer Schwangerschaft/Zeugung besteht Ausschlusskriterien Fernmetastasen Studie Chronisch entzündliche Darmerkrankung Rektumkarzinom innerhalb 15 cm ab Anokutanlinie (endoskopisch) oder oberhalb der peritonealen Umschlagsfalte (chirurgisch) oder präoperative Strahlentherapie Schwangere oder stillende Frauen Neuropathie Bekannte Hypersensitivität gegenüber einer der Komponenten der Studientherapie geschlossen 2008 Therapiedurchführung Die Behandlung erfolgt postoperativ über 12 Zyklen (6 Monate). FOLFOX-4 + Cetuximab (Arm A) Substanz Cetuximab-Erstgabe Cetuximab Oxaliplatin Folinsäure 5-FU 5-FU Dosis [mg/m2/d] 400 250 85 200 400 600 Applikationsform 2-Std.-Infusion 1-Std.-Infusion 2-Std.-Infusion 2-Std.-Infusion Bolus 22-Std.-Infusion Therapietage 1 (1), 8 1 1, 2 1, 2 1, 2 Dosis [mg/m2/d] 85 200 400 600 Applikationsform 2-Std.-Infusion 2-Std.-Infusion Bolus 22-Std.-Infusion Therapietage 1 1, 2 1, 2 1, 2 Wiederholung Tag 15 FOLFOX-4 (Arm B) Substanz Oxaliplatin Folinsäure 5-FU 5-FU Wiederholung Tag 15 245 Rektumkarzinom ESMO-Empfehlungen 2008; Diagnostik, Therapie I ESMO Clinical Recommendations for diagnosis, treatment and follow-up (Ann Oncol 2008; 19(Suppl2): ii 31-ii32). Inzidenz Die Inzidenz des rektalen Karzinoms in der Bevölkerung der Europäischen Union beläuft sich auf ca. 35% der kolorektalen Karzinome, also ca. 15-20/100.000 Einwohner/Jahr erkranken. Die Sterblichkeit beträgt 4-10/100.000 Einwohner/Jahr, wobei sie bei Frauen niedriger ist als bei Männern. Diagnose Die Diagnosestellung basiert auf der rektal-digitalen Untersuchung einschließlich starrer Rektoskopie mit histopathologischer Sicherung. Als Rektumkarzinome gelten Tumore, deren aboraler Rand bei der Messung mit dem starren Rektoskop 15 cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist. Staging und Risikoeinschätzung • Anamnese und körperliche Untersuchung des Patienten, aktuelle Laborwerte (insbesondere Leber- und Nierenwerte), CEA-Bestimmung, Röntgen-Thorax (alternativ CT) und CT oder MRT oder Ultraschall der Leber müssen durchgeführt werden. • Endosonographie für die frühen Tumore TNM Stad. Ausdehnung (cT1-T2) oder ein rektales MRT des Rektums Tis N0 M0 0 Carcinoma in situ für alle anderen sind gefordert, um Patienten für eine präoperative Therapie zu selektionieren. T1 N0 M0 I Submucosa Notwendig ist die prä- oder postoperative hohe T2 N0 M0 I Muscularis propria Koloskopie. T3 N0 M0 IIA Subserosa/perikorektales Gewebe • Die histopathologische Untersuchung Perforation ins perirektale Gewebe oder sollte die proximalen, distalen und T4 N0 M0 IIB Invasion in andere Organe circumferentiellen Ränder sowie die Lymphknoten einschließen (mindestens 12 sollten T1-2 N1 M0 IIIA 1-3 regionale Lymphknoten betroffen untersucht werden). T3-4 N1 M0 IIIB 1-3 regionale Lymphknoten betroffen • Die TNM-Klassifikation 2002 liegt stets T1-4 N2 M0 IIIC ≥4 regionale Lymphknoten betroffen zugrunde. T1-4 N1-2, M1 IV Fernmetastasen Behandlung Lokal begrenzte Erkrankung Gesamtstrategie Ein wichtiges Ziel ist ein sehr niedriges Rezidivrisiko (vorzugsweise kleiner als 5% bei den Patienten, bei denen eine kurative Behandlung angestrebt wird) sowie gleichzeitig eine möglichst niedrige Akut- und Spätmorbidität. Dies sollte bei allen Patienten möglich sein außer in den wenigen (≤10 %) Fällen, die einen fixierten Tumor mit Infiltration in ein nicht ohne weiteres resezierbares Organ aufweisen. Ein weiteres Ziel ist die Erhaltung einer guten Sphinkterfunktion bei so vielen Patienten wie möglich. Notwendigkeit der Qualitätssicherung und Kontrolle Die Behandlung des Rektumkarzinoms ist anspruchsvoll und erfordert große Fachkenntnis im gesamten multidisziplinären Team. Eine gute Pathologie und eine komplette Langzeit-Nachbeobachtung, die auch funktionelle Aspekte berücksichtigt, sind wichtig für die Qualitätskontrolle. Risikoadaptierte Behandlung • In den frühesten, prognostisch günstigsten Fällen (T1-2, manche frühe T3, N0) alleinige Chirurgie, entweder als lokale Maßnahme z.B. in Form einer transanalen endoskopischen Mikrodissektionstechnik in ganz ausgewählten Fällen (T1, N0 [III,A]) oder als scharfe radikale Dissektion in TME (totale mesorektale Exzision)-Technik [II,A]. • In mehr lokal fortgeschrittenen Fällen (meist T3, einige T4, N+) wird eine präoperative Radiotherapie empfohlen, gefolgt von einer TME, da dieses Vorgehen die Lokalrezidivrate senkt [I,A]. Eine Behandlung mit 25 Gy, 5 Gy/Fraktion, gefolgt von einer sofortigen Operation ist ein einfaches und wenig toxisches Vorgehen [I,A]. Anspruchsvollere aber nicht effektivere Alternativen [II,A] sind Konzepte mit 46-50 Gy, 1,8-2 Gy/Fraktion ohne oder mit 5-FU (Bolus, kontinuierliche Infusion oder peroral) [III,A]. Wenn immer möglich sollte die präoperative Behandlung bevorzugt werden, da sie effektiver und weniger toxisch als die postoperative Behandlung ist [I,A]. • In den lokal fortgeschrittenen, häufig nicht resektablen Fällen (viele T4, einige T3) sollte eine präoperative Radio/Chemotherapie mit 50,4 Gy, 1,8 Gy/Fraktion, mit begleitender 5-FU-basierter Therapie gewählt werden [II,A], gefolgt von einer radikalen Operation 6-8 Wochen später. 246 Rektumkarzinom ESMO-Empfehlungen 2008, Therapie II, Nachsorge Behandlung Postoperative Therapie Eine postoperative Radio-/Chemotherapie (z.B. 50 Gy, 1,8-2 Gy/Fraktion) mit begleitender 5-FU-basierter Chemotherapie wird nicht mehr empfohlen außer bei Patienten mit positiven circumferentiellen Rändern, Perforation in der Tumorregion oder in anderen Fällen mit hohem Lokalrezidivrisiko, wenn eine präoperative Therapie nicht erfolgte [I, A]. Ähnlich zu der Situation beim Kolonkarzinom im Stadium III (und Hochrisiko-Stadium II) kann eine adjuvante Chemotherapie in Betracht gezogen werden, auch wenn die Datenlage für einen ausreichenden Effekt gering ist [II, A]. Lokalrezidiv Patienten mit Rezidiv sollten eine präoperative Radio-/Chemotherapie erhalten, falls eine Bestrahlung in der Primärbehandlung nicht erfolgt ist [II, A]. Bei vorbestrahlten Patienten können Maßnahmen mit Applikation einer zusätzlichen Strahlendosis entweder als externe oder als intraoperative Bestrahlung versucht werden [IV, D]. Der Versuch einer radikalen Operation sollte 6-8 Wochen nach Bestrahlung erfolgen [II, A]. Bei vorbestrahlten Patienten, für die eine Salvageoperation nicht in Betracht kommt, sollte eine systemische Chemotherapie erwogen werden. Disseminierte Erkrankung Ob Patienten mit primär disseminierter Erkrankung (synchrone Metastasen) zuerst eine lokoregionäre und dann eine systemische Behandlung erhalten sollten oder umgekehrt, kann in einigen Fällen offensichtlich sein, ist aber ansonsten nicht bekannt [IV,D]. Alter, Komorbidität, Patientenpräferenz, Ausdehnung des Primärtumors und der Metastasierung müssen berücksichtigt werden. In ausgewählten Fällen kann die Behandlung die Operation von resektablen Leber- und Lungenmetastasen [III,A] beinhalten. Andere operative Maßnahmen oder Einlegen von Stents [III,A] sowie eine Bestrahlung sollten als palliative Maßnahmen betrachtet werden [II,A]. Eine palliative Erstlinien-Chemotherapie sollte früh in Erwägung gezogen werden und besteht aus 5FU/Leukovorin in verschiedenen Kombinationen und Schedules mit Oxaliplatin oder Irinotecan mit oder ohne Bevacizumab [I,A]. Eine Zweitlinien-Therapie sollte für Patienten mit anhaltend gutem Performance-Status in Betracht gezogen werden [I,A] und eine Drittlinientherapie für ausgewählte Patienten, die sich ebenfalls in gutem Allgemeinzustand befinden [II,A]. Nachsorge Die Nachsorgeuntersuchungen dienen der Identifikation derjenigen Patienten, die eine chirurgische Salvage-Therapie oder eine palliative Behandlung benötigen, sowie der Verhinderung eines zweiten kolorektalen Karzinoms. Es gibt keinen Beweis dafür, dass regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen nach erfolgreich durchgeführter Behandlung zu einem besseren outcome von Patienten mit rektalem Karzinom führen. Eine vorläufige Empfehlung ist: Anamnese-Erhebung und Rektosigmoidoskopie (wenn möglich) alle 6 Monate für insgesamt 2 Jahre [V, D]. Eine komplette Koloskopie sollte innerhalb des ersten Jahres durchgeführt werden, sofern sie nicht im Rahmen der Primärdiagnostik erfolgt ist (z. B. bei Obstruktion). Anamnese-Erhebung und Koloskopie mit Entfernung von Kolonpolypen alle 5 Jahre [I, B]. Klinische, laborchemische und radiologische Untersuchungen sind von nicht bewiesenem Benefit und sollten nur bei Patienten mit suspekten Symptomen eingesetzt werden [A]. Anmerkung Die Angaben bezüglich Level of Evidenz [I-V] und Grade of Recommendation [A-D] stimmen mit den Empfehlungen der American Society of Clinical Oncology überein. Andere Angaben beziehen sich auf klinisch geprüfte Expertenmeinungen und die ESMO. (Ann Oncol 2008; 19(Suppl2): ii 31-ii32). 247 Rektumkarzinom Präoperative Diagnostik, S3-Leitlinien 2004/2008 Als Rektumkarzinom gelten Tumore, deren makroskopisch erkennbarer aboraler Rand bei der Messung mit dem starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist. Nach UICC 2003 werden die Rektumkarzinome entsprechend ihrem Abstand von der Anokutanlinie (starres Rektoskop) in Tumore des oberen Drittels (12-16 cm), des mittleren Drittels (6-<12 cm) und des unteren Drittels (< 6 cm) eingeteilt. Prätherapeutische Diagnostik Die Adaptation der Therapiekonzepte an das Tumorstadium mit der Möglichkeit der Kontinenzerhaltung und der neoadjuvanten Therapie erfordern eine präzise präoperative Diagnostik. Durch die Untersuchungen müssen präoperativ folgende Punkte geklärt werden: Histologische Sicherung des Karzinoms s.u. Abstand des Tumors vom Schließmuskel, Infiltration des Schließmuskels, Ausmaß der Stenosierung Tiefeninfiltration des Tumors durch die Darmwand Beteiligung der Fascia mesorectalis Infiltration von Nachbarorganen Regionäre Lymphknotenmetastasen, Fernmetastasen Präoperative histologische Diagnostik Bei der bioptischen Diagnose eines Karzinoms sollten Aussagen zum Tumortyp zum Differenzierungsgrad und zum Vorhandensein einer Lymphgefäßinvasion gemacht werden. Die Diagnose Lymphgefäßinvasion (L1) erfordert den Nachweis von Tumorzellen in Gefäßen, die endothelial ausgekleidet sind und keine muskulären Elemente in der Wand besitzen. Die Risikobeurteilung low versus high risk korreliert hochsignifikant mit der Häufigkeit regionärer Lymphknotenmetastasen. Untersuchungen haben gezeigt, dass kolorektale pT1-Karzinome mit high-risk-Histologie zu 17% Lymphknotenmetastasen besitzen. Bei einer low riskHistologie, d.h. gut bis mäßig differenzierte Tumorzellen ohne Lymphgefäßinvasion, ist das Risiko für Lymphknotenmetastasen 2%. Bei Bestimmung des histologischen Differenzierungsgrades ist die Unterscheidung sogenannter „low-grade-Karzinome“ (G1,G2) und high-grade-Karzinome (G3,4) für die Therapieplanung anzugeben. Obligate prätherapeutische Diagnostik S3-Leitlinie 2004/2008 rektal-digitale Austastung starre Rektoskopie, Biopsie mit histopathologischer Aufarbeitung Endosonographie und hochauflösende Becken-MRT oder Multislice-Becken-CT Koloskopie des gesamten Kolons (in 5% synchrone Karzinome). Bei stenosierendem, nicht passierbarem Tumor muss eine Koloskopie innerhalb von 3 Monaten postoperativ erfolgen Abdomen-CT Röntgen-Thorax in 2 Ebenen. Bei Verdacht auf Lungenmetastasen Thorax-CT. CEA-Bestimmung: der präoperative CEA-Wert ist ein unabhängiger prognostischer Parameter und muss daher präoperativ bestimmt werden, LDH, AP, absolute Leukozytenzahl. Hintergrund Die Eindringtiefe von Tumoren in die Darmwandschichten (insbesondere Differenzierung von T1- versus T2Tumoren), der Befall unmittelbar perirektal liegender Lymphknoten und die Einbeziehung des Sphinkterapparates können mithilfe der Endosonographie beurteilt werden. Diese Untersuchungstechnik kommt daher insbesondere zur Planung eingeschränkter Operationstechniken (lokale Excizision bei Low-Risk-T1-Tumoren), moderner kontinenzerhaltender Operationen bei fehlendem Sphinkterbefall sowie zur Indikationsstellung der neoadjuvanten Radio- und Radio-/Chemotherapie zum Einsatz (Indikation bei uT3/4 und uN+). Hochauflösende MRT-Untersuchungen oder Multislice-CT des Beckens sind insbesondere bei Verdacht auf Infiltration von Nachbarstrukturen indiziert. Die hochauflösende Dünnschicht-MRT (mit Body-Array-Spule) erlaubt mit hoher Genauigkeit die Darstellung der mesorektalen Faszie und den Abstand des Tumors vom Rand des Mesorektums. Patienten, bei denen Tumorgewebe bis 1 mm oder weniger vom circumferentiellen Resektionsrand (CRM) entfernt ist oder letzteren befallen oder durchbrochen hat, haben auch nach optimierter Chirurgie mit totaler Mesorektumentfernung ein wesentlich höheres Rezidivrisiko. Nach prospektiven Beobachtungsdaten der MERCURY Study Group ist die hochauflösende Dünnschicht-MRT in der Lage, die Infiltration des Tumors ins perirektale Fettgewebe sowie einen freien mesorektalen Resektionsrand (definiert als CRM> 1mm) mit hoher Genauigkeit vorherzusagen. Einzelne Studiengruppen und Zentren schränken die Indikation zu einer präoperativen Radiotherapie oder Radio-/Chemotherapie auf Patienten mit Tumoren ein, die auf Grundlage der MRT mehr als 5 mm ins perirektale Fettgewebe oder bis 1mm an den circumferentiellen Resektionsrand heranreichen. Dieses selektive Vorgehen muss in weiteren Studien geprüft werden. Die MRT-Untersuchung ist für die weitere Therapieentscheidung zielführend, wenn zwischen einer präoperativen Kurzzeitbestrahlung und einer Radio-/Chemotherapie bei Tumoren mit Ausbreitung bis nahe des circumferentiellen Resektionsrands gewählt werden soll. 248 Rektumkarzinom Diagnostik, Untersuchungsverfahren Digitale rektale Untersuchung Bei dieser Untersuchung ist die individuelle Erfahrung des Untersuchers von entscheidender Bedeutung. Laut einer Studie konnten Erfahrene das T-Stadium mit einer Genauigkeit von 67-83% korrekt beurteilen, unerfahrene Untersucher trafen nur in 44-78% eine richtige Beurteilung (Nicholls R J et al., Br J Surg 1982;69:1345-61). Starre Rektoskopie Nur mit dem starren Rektoskop ist die genaue Messung des Abstandes vom Tumor zur Linea dentata möglich. Gleichzeitig kann bei der Untersuchung eine Gewebeprobe zur histologischen Untersuchung gewonnen werden. Auch die Bestimmung der Tumorausdehnung intraluminal ist zuverlässig möglich. Endorektaler Ultraschall (ERUS) Der ERUS erlaubt eine sehr genaue Einschätzung der Tiefeninfiltration durch die Rektumwand. Hierin ist die ERUS allen anderen bildgebenden Verfahren überlegen (siehe Tabelle unten). Eine Metaanalyse von 90 Arbeiten (Bipat et al, Radiology 2004;232:773-83) fand eine Spezifität der Endosonographie für die Erkennung der Muscularis propria-Infiltration (T2) zwischen 80-90%, die damit signifikant höher lag als die der MRT (52-82%). Das Problem der Methode liegt jedoch im Overstaging von T2-Tumoren, das durch eine peritumorale Entzündungsreaktion bedingt ist. Die Infiltration des Sphinkterapparates kann mit großer Sicherheit beurteilt werden. Eingeschränkt wird die Methode durch stenosierende Tumoren, die eine Passage der Sonde nicht zulassen. Computertomographie (CT) In den bisher vorliegenden Studien ist die CT der ERUS und der MRT bei der Beurteilung der Wandinfiltration deutlich unterlegen. Das liegt daran, dass mit der CT die einzelnen Schichten des Rektums nicht Endosonographie des Rektums. Großes, die Darmwand zwischen 11 und 13 Uhr dargestellt werden können. Auch die mesorektele Faszie lässt sich nicht vollständig infiltrierendes Karzinom. darstellen. Bei der Beurteilung der Lymphknoten bleibt die Sensitivität Foto: PD Dr. U. Klinge, RWTH-Aachen der CT hinter den anderen beiden bildgebenden Verfahren zurück. Deshalb spielt diese Methode vor allem bei fortgeschrittenen Tumoren und zur Detektion von Fernmetastasen eine Rolle. Inwiefern moderne Multislice-CT-Scanner mit der Möglichkeir der multiplanaren Rekonstruktion in der Lage sind, diese Schwächen auszugleichen, ist Gegenstand von Untersuchungen. MRT Die Untersuchung wird entweder mit einer Körperspule, die eng am Körper des Patienten liegt (Body-array-Spule) oder einer endorektalen Spule durchgeführt. Die endorektale Spule erlaubt, wie der ERUS, die Darstellung der Wandschichtung des Rektums und ist deshalb sehr gut zur Beurteilung der Tiefeninfiltration geeignet. Sie hat sich jedoch wegen des hohen technischen Aufwandes und der eingeschränkten Verfügbarkeit nicht als Routineverfahren durchgesetzt. Die Beziehung des Tumors zur mesorektalen Faszie ist mit der hochauflösenden Dünnschicht-MRT mit 90%iger Sicherheit darstellbar (Brown G et al., Br J Surg 2003;90:355-64). Somit ist die MRT insbesondere bei der Planung der neoadjuvanten Therapie von wesentlicher Bedeutung. Bei der Beurteilung des Nodalstatus (nach Kriterien der grösse, Form, Kontur und Sigmalverhalten) ist keine der oben angeführten Stagingmethoden ausreichend verlässlich, was auch durch die hohe Rate von Mikrometastasen in normal großen Lymphknoten beim Rektumkarzinom bedingt ist. Vergleichende Metaanalyse der Staging-Untersuchungen beim Rektumkarzinom (Kwok H et al., Int J Colorectal Dis 2000;15:9-20) ERUS MRT MRT mit endorektaler Spule 78% 63% 73% 93% 78% 87% 86% 77% 82% 89% 79% 84% 52% 78% 66% 71% 76% 74% 65% 80% 74% 82% 83% 82% CT Tiefeninfiltration der Rektumwand Sensitivität Spezifität Genauigkeit Lymphknotenbeteiligung Sensitivität Spezifität Genauigkeit 249 Rektumkarzinom Stadieneinteilung Klinische Stadieneinteilung nach Mason Bei der digitalen rektalen Untersuchung kann neben der Höhenlokalisation und der intraluminalen Tumorausdehnung auch die relative Beweglichkeit des Tumors als indirektes Maß für die Infiltrationstiefe erfasst werden. Die klinische Einteilung des rektalen Palpationsbefundes in vier Stadien erfolgte durch A. Mason 1975. Sie korreliert mit der Tiefenausdehnung des Tumors (T-Kategorie des TNM-Systems) und sollte präoperativ erfasst und dokumentiert werden. Mason I Tumor gegenüber der Darmwand verschieblich Mason II Tumor an Darmwand fixiert, aber mit Darmwand beweglich Mason III Tumor- und Darmbeweglichkeit durch partielle Fixierung eingeschränkt Mason IV Tumor und Darmwand vollständig fixiert TNM-Klassifikation (UICC 2002) und 5-Jahres-Überlebensraten Bezüglich der T- und N-Kriterien siehe auch Kolonkarzinom, TNM-Klassifikation. UICC Dukes 0 I A A B C III C IV Tis D Lokalisiert (Stadien I und II) T2 T3 III A III B TNM T1 II A II B 5-Jahres-Überlebensraten Rektumkarzinom* Männer % Frauen % N0 T4 T1,T2 N1 T 3/4 N1 Jedes T N2 Jedes T jedes N M0 M1 85,6 87,4 57,2 56,4 6,1 7,5 * Ries LAG et al., SEER Cancer Statistics Review 1973-1997, NCI. Bethesda , MD 2000. 5-Jahres-Überlebenskurven von 2128 Patienten mit Rektumkarzinom in den UICC-Stadien I-IV, die im Tumorregister München dokumentiert wurden (Manual des Tumorzentrums München, Gastrointestinale Tumoren. Zuckschwerdt Verlag München, 2006) 250 Rektumkarzinom Diagnostik & Therapie, Algorithmus Klinische und digitale Untersuchungen Rektoskopie und Biopsie; Endosonographie, Koloskopie, Sonographie, CT oder MRT Keine Fernmetastasen uT1, G1-2, cN0 uT1, G3/4, uT2, cN0 od. cT1/2 N+? cT3 Nx cT4 und/oder Downsizing angestrebt Lokale Exzision Anteriore Rektumresektion mit TME Ja Oberes Rektumdrittel und cN0 ? Nein Bei: >pT1, R1, G3/4, L1, V1 Radikale Nachop. Falls pN+ adjuvante RTX/CTX oder bei Tumor im ob. Rektumdrittel Æ nur adjuvante CTX analog Kolonkarzinom Neoadjuvante Radiochemotherapie oder 5x5 Gy Kurzzeitbestrahlung Neoadjuvante Radiochemotherapie Anteriore Rektumresektion oder Rektumexstirpation mit TME Adjuvante Chemotherapie Bei cT1/2 mit fraglichem LK-Befall ist die primäre Op. neben der neoadjuvanten Therapie eine Behandlungsoption Stellenwert der Strahlentherapie (RTX) im oberen Drittel kontrovers: entweder neoadjuvante RTX/CTX oder primäre Op. und anschließende adjuvante Chemotherapie (CTX) analog Kolonkarzinom Nach 5x5 Kurzzeit-RTX existieren keine Studien zur adjuvanten CTX. Empfehlung: adjuvante CTX wie beim Kolonkarzinom Algorithmus zu Diagnostik und Therapie des Rektumkarzinoms ohne Fernmetastasierung basierend auf den Empfehlungen der S3-Leitlinie 2008 Empfehlung Stadium IV S3-Leitlinie 2008 Beim synchron metastasierten Rektumkarzinom gibt es keine Standardempfehlung zum therapeutischen Vorgehen. Die Prognose der Erkrankung wird im Regelfall durch die systemische Metastasierung bestimmt. Daher sollte bei irresektablen Fernmetastasen primär eine systemische Kombinationstherapie eingesetzt werden, sofern nicht Symptome durch den Primärtumor zu einem anderen Vorgehen zwingen. Falls eine primäre Radio-/Chemotherapie durchgeführt wird, sollte vor dem Hintergrund der systemischen Metastasierung eine intensivierte Kombinationstherapie eingesetzt werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 5, starker Konsens 251 Rektumkarzinom Perioperative Therapie, S3-Leitlinie 2008 Perioperative Therapie – Indikationen Stadium I Im Stadium I ist eine perioperative Therapie nicht indiziert. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 5, starker Konsens. Hintergrund Rektumkarzinome im UICC-Stadium I (T1/T2 N0) haben bei alleiniger radikaler Operation mit En-BlocLymphknotendissektion und totaler mesorektaler Exzision (TME) für Tumoren im unteren Drittel (bis 6 cm ab Anokutanlinie) und mittlerem Rektumdrittel (> 6-12 cm) sowie partieller mesorektaler Exzision (PME) für Tumoren im oberen Rektumdrittel (>12-16 cm) niedrige Lokalrezidiv- und Fernmetastasierungsraten. In den frühen amerikanischen Serien zum Stellenwert der beoadjuvanten Radio-/Chemotherapie wurde dieses Tumorstadium daher ebenso ausgeschlossen wie in den modernen Studien zur neoadjuvanten Radio/Chemotherapie. Die schwedischen und holländischen Studien zur präoperativen Kurzzeit-Vorbestrahlung mit 5x5 Gy versus alleinige Operation haben das Tumorstadium I gleichwohl eingeschlossen. Die jüngere holländische Studie zeigte in einer Subgruppenanalyse keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Lokalrezidivrate zwischen alleiniger TME und zusätzlicher Radiotherapie für Tumoren im UICC-Stadium I. In der älteren schwedischen Studie konnte ein signifikanter Vorteil der zusätzlichen Bestrahlung für das Stadium I gezeigt werden, allerdings war hier das Konzept der TME noch nicht umgesetzt worden. Der Stellenwert einer Radio(chemo)therapie vor oder nach lokaler Exzision eines T1-High-Risk-Karzinoms (G3/4, L1, V1, Durchmesser grösser als 3 cm, R1-Resektion) ist nicht gesichert. Bei inkompletter Resektion (R1) oder Risikokonstellation (siehe oben) soll eine radikale Tumorentfernung mit Lymphknotenentfernung innerhalb von 4 Wochen durchgeführt werden. Für Patienten mit tiefsitzenden T1-High-Risk-Karzinomen oder T2-N0-Tumoren im UICC-Stadium I, die eine Exstirpation ablehnen, ist die präoperative Radio(chemo)therapie, gefolgt von lokaler Exzision, eine Option. Dies ist jedoch ein nicht gesichertes Vorgehen. Stadium II/III Im UICC-Stadium II und III ist die neoadjuvante Radio- oder Radio-/Chemotherapie indiziert. Eine Sondersituation besteht bei cT1/2-Karzinomen mit fraglichem Lymphknotenbefall; hier ist auch die primäre Operation (mit ggf. adjuvanter Radio-/Chemotherapie bei pN+) eine mögliche Behandlungsoption. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens Hintergrund Metaanalysen zeigen eine verbesserte Wirksamkeit der präoperativen im Vergleich zur postoperativen Bestrahlung. Eine frühe randomisierte Studie zur prä- versus postoperativen alleinigen Radiotherapie hatte eine signifikant reduzierte Lokalrezidivrate impräoperativen Arm gezeigt. Die deutsche Studie zur adjuvanten und neoadjuvanten Radio-/Chemotherapie (RCT) des Rektumkarzinoms im Stadium II und III (CAO/ARO/AIO-94) wies ebenfalls eine signifikante Reduzierung der Lokalrezidivrate im neoadjuvanten Arm auf. Die Rate postoperativer Komplikationen war nach präoperativer RCT im Vergleich zur sofortigen Operation nicht erhöht, die akute und chronische Toxizität im präoperativen RCT-Arm insgesamt signifikant niedriger. Bei tief sitzenden Tumoren, die der Chirurg vor Randomisation als exstirpationspflichtig eingeschätzt hatte. Konnte die Rate sphinktererhaltender Operationsverfahren durch die Vorbehandlung im Vergleich zur sofortigen Operation verdoppelt werden. Als Problem der neoadjuvanten Therapie muss das potenzielle „Overstaging“ und die daraus resultierende „Überbehandlung“ von Patienten gewertet werden, bei denen fälschlicherweise ein wanddurchsetzender (T3) oder lymphknotenpositiver Tumor (N+) diagnostiziert wurde. Da insbesondere die Sensitivität und Spezifität der Beurteilung des Lymphknotenbefalls limitiert ist, wird bei T1/2-Tumoren mit bildgebend fraglichen N+ als Option auch die primäre Operation als sinnvoll erachtet. Als weitere Selektionskriterien für die primäre Operation werden von einigen Zentren und Studiengruppen – auch im Hinblick auf die mit der Radiotherapie assoziierten chronischen Nebenwirkungen – T3-Tumoren mit einem Abstand zur mesorektalen Resektionslinie von mehr als 1 mm (MRT-Diagnostik obligat) genannt. Diese Selektionskriterien müssen in Studien weiter geprüft werden. 252 Rektumkarzinom Perioperative Therapie II, S3-Leitlinie 2008 Stadium II/III, Oberes Drittel Der Stellenwert der Strahlentherapie des Rektumkarzinoms im oberen Drittel wird kontrovers diskutiert. Es kann eine adjuvante Therapie wie beim Kolonkarzinom oder eine perioperative Radio(chemo)therapie wie beim Rektumkarzinom durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens Hintergrund Folgende Argumente sprechen dafür, das obere Rektumdrittel (>12-16 cm ab Anokutanlinie, gemessen mit einem starren Rektoskop) wie ein Kolonkarzinom zu behandeln: Die Daten der amerikanischen Adjuvanzstudien. Die die Radio-/Chemotherapie bei der Behandlung des Rektumkarzinoms etabliert hatten, bezogen sich ausschließlich auf Rektumtumoren mit einem Abstand des distalen Tumorpols von der Anokutanlinie bis 12 cm. In der holländischen TME-Studie konnte bei Tumoren im oberen Rektumdrittel (hier definiert als 10-15 cm ab Anokutanlinie) keine signifikante Verbesserung der Lokalrezidivrate durch die zusätzliche Radiotherapie nachgewiesen werden. Folgende Argumente sprechen dafür, das obere Rektumdrittel wie ein Rektumkarzinom zu behandeln: Bei der Analyse der holländischen TME-Studie handelt es sich um eine explorative Subgruppenanalyse. Daher wurde von den Autoren konsequenterweise nicht gefolgert, dass Patienten mit Tumoren im oberen Rektumdrittel keiner Radiotherapie bedürfen. In der bislang nur als Astract publizierten britischen MRC-CR07-Studie war der Vorteil der generellen präoperativen Kurzzeit-Radiotherapie versus selektiver postoperativer Radio-/Chemotherapie nur bei befallenem circumferenziellem Resektionsrand für alle Rektumdrittel signifikant. Eine aktuelle Subgruppenanalyse der deutschen CAO/ARO/AIO-Studie-94 zeigte keinen signifikanten Unterschied der Lokalrezidivraten zwischen Tumoren im mittleren und unteren Rektumdrittel. Im Gegensatz zu der holländischen TME-Studie werden in Deutschland Tumoren im oberen Rektumdrittel mittels partieller mesorektaler Exzision (PME) behandelt. Dieses Verfahren ist u.U. mit einer höheren Lokalrezidivrate verbunden. Die GAST-05-Studie wird unter Federführung von Prof. Becker/Dr. Liersch die Frage prüfen, ob Tumoren im oberen Rektumdrittel eine TME benötigen. Kurzzeitradiatio versus Langzeitradiatio In Situationen, in denen ein Downsizing angestrebt wird (T4-Tumore, nicht ausreichender Sicherheitsabstand im Dünnschicht-MRT zur mesorektalen Faszie – Abstand 1mm oder weniger – oder erwünschter Sphinktererhalt bei Tumoren im unteren Drittel) soll der präoperativen Radio-/Chemotherapie der Vorzug vor einer Kurzzeitadiotherapie gegeben werden. Bei cT3-Tumoren oder cN+-Tumoren, bei denen kein Downsizing angestrebt wird, kann die präoperative Therapie entweder als Radio-/Chemotherapie oder als Kurzzeitbestrahlung erfolgen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens Hintergrund Zur präoperativen Radiotherapie stehen prinzipiell zwei Fraktionierungsschemata zur Verfügung: die Kurzzeitbestrahlung mit 25 Gy in Einzeldosen von 5 Gy an 5 aufeinanderfolgenden Tagen, unmittelbar gefolgt von der Operation, und die konventionell fraktionierte Bestrahlung bis zur Gesamtreferenzdosis von 45-50,4 Gy in 25-28 Fraktionen, gefolgt von der Operation nach 4-6 Wochen. Eine randomisierte polnische Studie hatte nach neoadjuvanter konventionell fraktionierter Radio-/Chemotherapie ein signifikant überlegenes Ergebnis hinsichtlich Downsizing und Downstaging sowie eine signifikant niedrigere Rate an R1-Resektionen im Vergleich zur Kurzzeitbestrahlung ergeben. Allerdings waren die Rate an sphinktererhaltenden Operationsverfahren (primärer Endpunkt) sowie die lokale Kontrolle (sekundärer Endpunkt) in beiden Armen nicht signifikant unterschiedlich. Zur Maximierung der Tumorschrumpfung vor Operation sollte bei den oben genannten Indikationen der konventionell fraktionierten Radio-/Chemotherapie der Vorzug vor der Kurzzeitbestrahlung gegeben werden. Bei letzerer tritt durch die kurze Behandlungszeit und die sich unmittelbar anschließende Operation nämlich keine relevante Tumorschrumpfung ein. Chemotherapie bei neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie Die neoadjuvante Radio-/Chemotherapie soll eine 5-Fluorouracil-Monotherapie mit oder ohne Folinsäure beinhalten. Empfehlungsgrad : A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens 253 Rektumkarzinom Chirurgie, S3-Leitlinie 2004 Radikale chirurgische Therapie des Rektumkarzinoms Die kurative Therapie des Rektumkarzinoms erfordert in der Regel neben der Resektion des Primärtumors im Gesunden die partielle oder totale Entfernung des Mesorektums und damit des regionären Lymphabflussgebiets (sog. radikale Resektion nach internationalem Dokumentationssystem für das kolorektale Karzinom). Nur in streng selektionierten Fällen ist eine kurative Resektion durch lokale Maßnahmen möglich. Folgende Operationsverfahren sind bei Einhaltung der Kriterien der onkologischen Chirurgie als gleichwertig anzusehen, wobei die Indikationsstellung von der Tumorlokalisation, insbesondere der Beziehung zur Linea dentata und dem Levatorschenkel, der Tiefeninfiltration und der Sphinkterfunktion abhängig ist. Die (tiefe) anteriore Rektumresektion Die abdomino-perineale Rektumexstirpation Die intersphinktäre Rektumresektion (auch als abdomino-peranale Rektumresektion bezeichnet). Diese Operation setzt besondere Erfahrungen voraus. Nach Möglichkeit sind kontinenzerhaltende Verfahren unter Abwägung der zu erwartenden späteren Lebensqualität zu bevorzugen. Bei schlechter Sphinkterfunktion sollte an Stelle einer tiefen Resektion der Rektumexstirpation mit permanenter Kolostomie der Vorzug gegeben werden Radikale Tumorentfernung Algorithmus Interdisziplinäre S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, Herausgeber: Prof. Th. Junginger, Stand 15.03.2004. (wwwklinik.uni-mainz.de/Allgemchir/Leitlinienmanuskript.pdf). 254 Rektumkarzinom Operatives Vorgehen, S3-Leitlinie 2004/2008 Onkologische Grundsätze Die Operation sollte folgende Grundsätze berücksichtigen: Die Entfernung des regionären Lymphabflussgebietes mit Absetzung der A. mesenterica inferior zumindest distal des Abgangs der A. colica sinistra. Die Unterbindung der A. mesenterica inferior abgangsnah hat keine prognostische Bedeutung, sie kann aus operationstechnischen Gründen zur ausreichenden Mobilistion des linken Hemikolons zur Rekonstruktion erforderlich werden. Der Wert einer Dissektion der Lymphknoten am Stamm der A. mesenterica inferior proximal des Abgangs der A. colica sinistra ist nicht gesichert. Evidenzlevel 2:, Empfehlungsgrad: C Die komplette Entfernung des Mesorektums (TME) bei Karzinomen der unteren zwei Rektumdrittel und die partielle Mesorektumexzision bei Karzinomen des oberen Drittels durch scharfe Dissektion entlang anatomischer Strukturen zwischen Fascia pelvis visceralis und parietalis („total anatomic dissection“) Die Einhaltung eines angemessenen Sicherheitsabstandes, Die En-bloc-Resektion von tumoradhärenten Organen (multiviszerale Resektion) zur Vermeidung einer örtlichen Tumorzelldissemination Die Schonung der autonomen Beckennerven (Plexus hypogastricus, Plexus pudendus) Vorgehen bei Tumoren des oberen Rektumdrittels Bei Tumoren des oberen Rektumdrittels erfolgt die partielle Mesorektumexzision 5 cm distal des makroskopischen Tumorrandes, gemessen in vivo. Das Mesorektum sollte horizontal durchtrennt werden, um eine vollständige Entfernung sicherzustellen (kein Coning). Die Begründung dieses Vorgehens liegt darin, dass bei T3- und T4Tumoren in seltenen Fällen Satellitenknoten oder Lymphknotenmetastasen in bis zu 4 cm distal des Tumorrandes, gemessen am histologischen Schnitt nach Fixation des nicht ausgespannten Präparates, vorkommen können. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b Vorgehen bei Tumoren des mittleren und unteren Rektumdrittels Bei Tumoren des mittleren und unteren Rektumdrittels erfolgt die totale Mesorektumexzision (TME) bis zum Beckenboden unter Schonung des Plexus hypogastricus, der Nn hypogastrici und der Plexus hypogastrici inferiores. Evidenzlevel: 2++, Empfehlungsgrad: A Bei Low-grade-Tumoren guter oder mäßiger Differenzierung des unteren Rektumdrittels ist ein Sicherheitsabstand von 2 cm in situ ausreichend. Als minimaler Abstand am frischen, nicht ausgespannten Präparat kann 1 cm gelten, um eine kontinenzerhaltende Resektion zu ermöglichen. Bei High-grade-Tumoren (G3/4) ist ein größerer Sicherheitsabstand anzustreben. Empfehlungsgrad: B Evidenzlevel: 2b Bei Karzinomen des unteren Drittels kann als Alternative zu der ansonsten erforderlichen Rektumexstirpation die intersphinktäre Rektumresektion (auch als abdomino-peranale Rektumresektion bezeichnet) durchgeführt werden, wenn – unter Wahrung der oben genannten Sicherheitsabstände – die puborektale Schlinge nicht infiltriert ist. Diese Operation setzt besondere Erfahrung voraus. Nach totaler mesorektaler Resektion mit nachfolgender sphinkternaher Anastomose ist potentiell mit u.U. erheblichen funktionellen Störungen zu rechnen. Diese sind am stärksten ausgeprägt nach geraden Anastomosen. Sie können durch verschiedene alternative Rekonstruktionsverfahren partiell verringert werden. Als Möglichkeiten stehen zur Verfügung: Der Kolon-J-Pouch, die transverse Koloplastik, die Seit-zu-End-Anastomose. Am besten belegt sind die Vorteile für den Kolon-Pouch. Im Falle einer Schenkellänge von mehr als 6 cm ist allerdings mit Evakuationsproblemen zu rechnen. Außerdem ist er bei einem sehr fettreichen Mesokolon nicht immer technisch durchführbar. Alternativen sind die Seit-zu-End-Anastomosen und die transverse Koloplastik, deren endgültiger Stellenwert allerdings aufgrund kleiner Fallzahlen bzw. widersprüchlicher Resultate noch nicht endgültig beurteilt werden kann. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b –3b Nach totaler mesorektaler Exzision empfiehlt sich die Anlage eines protektiven Stomas. Dadurch lässt sich die Rate von Insuffizienzen nicht sicher senken, jedoch deutlich die dadurch bedingte postoperative Morbidität. Ileostoma und Kolostoma sind gleichwertig. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b 255 Rektumkarzinom Operationsmethoden Durch eine optimale chirurgische Behandlung ist in Abhängigkeit vom Stadium bei bis zu 80% der Patienten eine kurative Resektion möglich. Gleichzeitig können 85% dieser Patienten kontinenzerhaltend operiert werden, ohne dass der Anspruch auf lokale Sanierung kompromittiert wird. Aufgabe des Chirurgen ist es, Radikalität und Funktionserhaltung zu vereinbaren. Da in systematischen Studien gezeigt wurde, dass die distale intramurale Tumorausbreitung bei Karzinomen der unteren zwei Drittel des Rektums nur selten 1 cm überschreitet, ist es vertretbar, von dem lange geltenden 5 cm-Resektionsabstand nach distal abzurücken und den Sicherheitsabstand auf 1 cm am gestreckten Operationspräparat zu verkürzen. Entscheidend ist die Tumorfreiheit des distalen Resektionsrandes im intraoperativen Schnellschnitt (Rullier et al. 2006). Kann diese erzielt werden, ist insbesondere bei Patienten nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie ein kontinenzerhaltendes Verfahren gerechtfertigt. S3-Leitlinie 2004/2008 Operation in kurativer Absicht Die chirurgische Therapie von Rektumkarzinomen sollte, nur durch Chirurgen mit spezieller Ausbildung und Erfahrung auf diesem Gebiet, insbesondere mit der TME erfolgen. Dies gilt ganz besonders für die Behandlung der Karzinome des mittleren und unteren Drittels. Evidenzlevel: 2++, Empfehlungsgrad: B Eine kurative Therapie erfordert in der Regel die Resektion des tumortragenden Rektums im Gesunden und die partielle oder totale En-bloc-Entfernung des Mesorektums sowie des regionären Lymphabflussgebietes. Nur in streng selektionierten Fällen ist eine kurative Behandlung auch durch lokale endoskopische mikro-chirurgische oder chirurgische Tumorexzision (Vollwandresektion) möglich. Lokale Operationsverfahren In selektionierten Fällen ist eine kurative Behandlung durch lokale endoskopische, mikrochirurgische oder konventionell chirurgische Tumorexzision möglich. Eine lokale chirurgische Tumorexzision bei Rektumkarzinom (Vollwandexzision) ist als alleinige therapeutische Maßnahme unter kurativer Zielsetzung angezeigt bei - pT1 mit einem Durchmesser bis zu 3 cm, - guter od. mäßiger Differenzierung (G1,2), - ohne Lymphgefäßinvasion (Low-riskHistologie), - sofern die Entfernung komplett erfolgt ist (R0) Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens Bei T1 high-risk-Karzinomen (G3/4 u./o. Lymphgefäßinvasion) und bei T2Karzinomen liegt das Auftreten von Lymphknotenmetastasen bei 10-20%, so dass die alleinige lokale Exzision nicht grundsätzlich empfohlen werden kann. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens Vorgehen nach lokaler Therapie (Endoskop. Polypektomie, Mucosektomie, chirurgische Tumorexzision) (Interdisziplinäre S3 Leitlinie Kolorektales Karzinom, Herausgeber: Prof. Th. Junginger, Stand 15.03.2004. www-klinik.unimainz.de/Allgemchir/Leitlinienmanuskript.pdf) Laparoskopische Chirurgie Empfehlung Die Ergebnisse der laparoskopischen Tumorresektion sind derzeit wegen fehlender onkologischer Langzeitergebnisse nicht abschließend zu beurteilen, so dass dieses Verfahren nur im Rahmen von qualifizierten Studien mit langfristiger Verlaufsbeobachtung zur Anwendung kommen sollte. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, mehrheitliche Zustimmung Auch bezüglich der Vorteile der Lebensqualität nach laparoskopischen Resektionen sind keine überzeugenden Vorteile erkennbar. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, mehrheitliche Zustimmung 256 Rektumkarzinom Operation, totale mesorektale Exzision Rektumkarzinome breiten sich intramural entlang der Submucosa, der Muscularis propria und extramural im Mesorektum aus. Das intramurale Wachstum nach distal erfolgt in der Regel nur wenige Millimeter jenseits des makroskopisch erkennbaren Tumorrandes. Dagegen finden sich relativ häufig zirkumferentiell im Mesorektum mikroskopisch nachweisbare Tumorabsiedlungen vor allem bei pT3/4-Tumoren auch auf eine weitere Distanz sowohl nach dorsal und lateral als auch distal des Tumors. Dies ist die Begründung für die Notwendigkeit einer kompletten Entfernung des Mesorektums bei der Operation eines Rektumkarzinoms. TME Die totale Mesorektumexzision (TME) ist eine Technik, die auf Heald (Lancet 1993; 341:457-60) zurückgeht. Mit dieser Technik konnte die Lokalrezidivrate signifikant von ca. 20% auf ca. 5-7% gesenkt werden (Dahlberg et al.,Br J Surg 1999; 86:379-84). Der technische Unterschied zwischen TME und der konventionellen Chirurgie beruht auf der scharfen Präparation unter direkter Sicht in einer klar definierten Ebene zwischen viszeraler und parietaler Schicht der Beckenfaszie. Die dorsale Grenzlamelle umschließt den retrorektalen Fettkörper mit den Lymphknoten und dementsprechend die lokoregionäre Hauptmetastasenstraße des Rektumkarzinoms. Durch die genaue Identifikation der topographischanatomischen Schichten kann eine umfassende Resektion der regionären Lymphknoten, bzw. der lymphatischen Drainage en-bloc, unter bestmöglicher Schonung der für die Kontinenz und Sexualfunktion wichtigen autonomen Innervation erfolgen. Da das Mesorektum am muskulären Beckenboden endet, ist der mesorektale Sicherheitsabstand für Karzinome des mittleren und unteren Drittels gleichbedeutend mit einer totalen mesorektalen Exzision. Tumore des oberen Rektumdrittels können mit einer partiellen mesorektalen Exzision ausreichend behandelt werden, sofern der distale Sagittalschnitt durch das Becken mit Darstellung der Sicherheitsabstand von 5 cm am Mesorektum eingehalten wird. Hüllfaszien des Rektums. 1 = Resektionslinien der TME Das „Mesorektum“ definiert den Bindegewebsfettkörper, in dem sich (aus: Simon D, Klin Onkol 2000;1:227) alle Lymphknoten befinden, die das Rektum drainieren. Die perirektale (extraluminäre) Tumorausbreitung erfolgt entlang der Lymphspalten des Mesorektums unter Respektierung der rektalen Hüllfaszien. Das Mesorektum wird durch scharfe Dissektion unter direkter Sicht exakt entlang der Faszia pelvina visceralis aus dem Becken gelöst. Dabei ist es erforderlich, dass die äußere Umhüllung des Mesorektums unversehrt bleibt. Eine Beschädigung hat einen direkten negativen Einfluss auf die Prognose mit einer erhöhten Rate an Lokalrezidiven. Eine erweiterte laterale Lymphadenektomie zeigt in Studien keinen Vorteil bezüglich der onkologischen Ergebnisse, aber eine deutlich erhöhte Morbidität (Kusunoki et al. Dig Surg 2007;24:115-119). Der Sentinel-node-Technik wird im Rahmen der operativen Therapie des Rektumkarzinomes aktuell keine Bedeutung beigemessen (Bembenek J Surg Oncol 2007). Die TME kann heute durch einen erfahrenen Operateur auch laparoskopisch erfolgen. Generell gilt jedoch weiterhin die Empfehlung, Rektumkarzinome nur im Rahmen von Studien und in erfahrenen Zentren laparoskopisch zu operieren (Laurent et al. Br J Surg 2007). Illustration zur Definition von Resektionspräparaten hinsichtlich der Resektionsqualität A, B: C: Komplettes Meso-Rektum ohne Defekte, kein Coning; Glatte zirkumferentielle Resektionsgrenzen Inkomplettes Meso-Rektum mit tiefen Defekten D: Sehr irregulärer Zirkumferenz-Resektionsrand Bewertung der Resektionsqualität des MesoRektums durch den Pathologen Intaktes Meso-Rektum mit nur geringen Irregularitäten auf einer glatten mesorektalen Oberfläche. Kein Defekt ist tiefer als 5 mm. Es besteht kein Coning zu dem distalen Resektionsrand des Präparates. Auch dort findet sich eine glatte zirkumferentielle Resektionsgrenze (Abb. 1A und 1B). Fast komplett Irregularität der mesorektalen Oberfläche. Mäßiges Coning des Präparates. An keiner Stelle ist jedoch die Muscularis propria sichtbar mit Ausnahme der Insertionsstelle des M. levator. Inkomplett Rektumresektat mit Defekten bis zur Muscularis propria reichend und/oder sehr irreguläre Resektionsränder der Zirkumferenz (Abb.1C, 1D). (Nagtegaal, ID et al. J Clin Oncol 2002;20:1729-1734) 257 Rektumkarzinom Mesorektumexzision, Pathologie Ausmaß und Qualität der Mesorektumexzision (MRE) sind ein wesentlicher Bestandteil der pathologischen Aufarbeitung eines Operationspräparates beim Rektumkarzinom. Nagtegaal et al (Am J Surg Pathol 2002;26:350-7) zeigten in einer holländischen Studie, dass die Prognose besonders hinsichtlich eines späteren Lokalrezidivs. von der Qualität des vollständig (total) zu entfernenden Mesorektums abhängig ist. Hierbei waren sowohl der makroskopische Eindruck des Chirurgen (Rezidivrate 35,6 vs. 21,5%, p=0,01), als auch die histopathologische Bewertung (≥1mm in sano, p=0,03) signifikant für das rezidivfreie Überleben. Bei Karzinomen des mittleren und unteren Rektumdrittels wird eine totale Mesorektumexzision (TME) durchgeführt, bei Tumoren des oberen Drittels eine partielle MRE mit mindestens 3 cm Abstand zum Tumorrand. Eine konusartige Abtrennung (Coning) des Mesorektums vom distalen Resektionsrand soll vermieden werden. Nach einer neuen Klassifikation (M.E.R.C.U.R.Y.-Kriterien 2002) wird die Qualität der TME in drei Kategorien wie folgt definiert: Qualität Grad 1 Grad 2 Grad 3 Einteilung / Bewertung Definition Intaktes Mesorektum mit nur geringen Unregelmäßigkeiten der glatten Mesorektumoberfläche, kein Defekt größer als 5mm, kein Coning. Bei querer Lamellierung glatter zirkumferentieller Resektionsrand Gut Komplette Mesorektumexzision Mäßig Nahezu komplette Mesorektumexzision Schlecht inkomplette Mesorektumexzision Mesorektum mit unregelmäßiger Oberfläche, aber an keiner Stelle Muscularis propria sichtbar (abgesehen von der Ansatzstelle der Levatormuskulatur), mäßiges Coning erlaubt, bei querer Lamellierung mäßiggradige Unregelmäßigkeiten des circumferentiellen Resektionsrandes Geringe Mengen von Mesorektum, an der Oberfläche Defekte bis zur Muscularis propria, bei querer Lamellierung sehr unregelmäßiger zirkumferentieller Resektionsrand oder ausgeprägtes Coning Beurteilung der Qualität der Rektumexstirpation bezüglich des Levator-Analkanalgebietes nach der MERCURY-Studie 2002 und der CORE Studie (Quirke et al. 2003) Klinische Bedeutung des Pathologen in der Qualitätskontrolle In einer Arbeit von Nagtegaal I.D. et al. (JCO 2002; 20: 1729-34) konnte gezeigt werden, dass bei 24% von 180 Rektumkarzinom-Patienten das Mesorektum inkomplentfernt war und dass dies zu einem erhöhten Rezidivrisiko führte. In der Gruppe der Patienten mit negativen circumferentiellen Rändern gab es eine Überlebensdifferenz nach 2 Jahren zugunsten der Patienten mit komplettem Mesorektum versus derer mit inkomplettem Mesorektum von 90,5% versus 76,9%. Das bedeutet, dass die Qualität der Mesorektumentfernung eine zusätzliche Bedeutung über die negativen circumferentiellen Ränder hinaus besitzt. 258 Rektumkarzinom Postop. Pathohist. Diagnostik, Zirkumferentielle Ränder Für die prognostische Einschätzung und die weitere Therapieplanung sind Aussagen über das Ausmaß und die Qualität der TME von erheblicher Bedeutung. Darüber hinaus ist der zirkumferentielle Resektionsrand (CRM=circumferential resection margin) ein entscheidender Prognosefaktor. Der CRM ist definiert als nicht peritonealisierte Oberfläche des Rektums (bei optimierter Chirurgie= Fascia mesorectalis). CRM positiv bedeutet, dass der CRM direkt infiltriert oder der Tumor weniger als 0,1 cm vom CRM entfernt ist. CRM als Prognosefaktor Nach einer holländischen Studie (Nagtegaal ID et al.Am J Surg Pathol. 2002;26:350-7) ist der wichtigste Prognosefaktor für ein Lokalrezidiv (LR) der zirkumferentielle Resektionrand (CRM). Ein tumorfreier Rand ≤2 mm ist mit einer signifikant höheren LR-Rate assoziiert (16% vs. 5,8% p <0.0001). Darüber hinaus hatten Pat. mit einem CRM von <1mm signifikant häufiger Fernmetastasen (37,6% vs. 12,7%, p<0.0001). Dementsprechend wiesen diese Pat. ein kürzeres Gesamtüberleben auf. Der prognostische Wert des CRM war unabhängig von der TNM-Klassifikation. Dieser Befund konnte in einer Untersuchung von Hermanek et al (Tech Coloproctol 2005;9:193-9) bestätigt werden. Nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie betrug die Lokalrezidivrate bei CRM pos 22% vs. 5% bei CRM neg und das 5Jahres-Überleben 40% für CRM pos vs. 79% für CRM neg. S3-Leitlinie zur pathohistologischen Beurteilung des Mesorektums • Ausmaß der Mesorektumexzision Totale Mesorektumexzision (TME): bis zum Beckenboden Partielle Mesorektumexzision (PME): wie weit oral des makroskopischen distalen Tumorrandes liegt die Durchtrennungsebene des Mesorektums? (Angabe möglichst am frischen nicht ausgespannten Resektat, ggf. am ohne Zug aufgespannten fixierten Resektat) • Qualität der Mesorektumexzision Bei TME und PME: Oberfläche des Resektates glatt und intakt? Konusartige distale Durchtrennung des Mesorektums? Umschriebene Defekte? Ausgedehnte Defekte ( Rektummuskulatur nicht sichtbar) Ausgedehnte Defekte (Rektummuskulatur sichtbar) • Fakultative Objektivierung der Qualität der TME durch postoperative Farbstoffdarstellung Klasse 1: Kein Farbaustritt während oder nach Injektion: optimale TME Klasse 2: Punktförmige(r) Farbstoffaustritt(e), oft makroskopisch nicht eindeutig erkennbare kleine Einrisse der Grenzlamelle Klasse 3: Flächenhafte(r) Farbstoffaustritt(e): nicht adäquate TME • Mikroskopische Untersuchung Histologischer Tumortyp nach WHO Tumorinvasionstiefe (pT-Kategorie) Lymphknotenstatus (pN-Kategorie) Anzahl untersuchter und befallener Lymphknoten Ggf. histologische Verifikation von Fernmetastasen (M-Kategorie) Lymphgefäßinvasion (L-Kategorie) Veneninvasion (V-Kategorie) Perineuralinvasion (Pn-Kategorie) Radikalität (R-Kategorie) low grade • Grading high grade aboral wenn Abstand zum Tumor < 3cm (aufgespannt) • Resektionsränder aboral, alle high-grade Tumore und bei ausgedehnter Lymph-/Veneninvasion Rektumkarzinom immer zirkumferentiell mit Angabe des minimalen Sicherheitsabstandes CRM (circumferential Resection Margin)-Status: CRM-negativ/CRM positiv • Beurteilung der Qualität der Rektumexstirpation bezüglich Levator-Analkanal-Region • Nach vorangegangener neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie: histologisches Regressionsgrading 259 Rektumkarzinom TME und Radiotherapie/Radio-/Chemotherapie Radiatio vor/nach TME nötig? Durch die Einführung der totalen mesorektalen Exzision (TME) kann zumindest an spezialisierten Zentren (high volume centers) die Lokalrezidivrate im Stadium II und III auf <10% gesenkt werden. Mehrere Studien gingen der Frage nach, welcher Stellenwert einer (neo)adjuvanten Radiatio vor/nach einer TME zukommt. Holländische Multicenter-Studie (Kapiteijn E. et al. NEJM 2001;345:638-46 und Peters et al. Ann Surg 2007; 246:693-700) 1861 Patienten mit resektablem Rektumkarzinom erhielten entweder eine präoperative Bestrahlung (RT) mit 5 x 5 Gy oder eine ausschließliche Operation. In beiden Therapiearmen war eine TME obligat. Nach einem kurzen Follow-up von 2 Jahren war die Lokalrezidivrate im RT plus Chirurgie-Arm 2,4% versus 8,2% im alleinigen Chirurgie-Arm. In Subgruppenanalysen war dieser Effekt am ausgeprägtesten bei Tumoren im UICC-Stadium III. Bemerkenswert ist die hohe Lokalrezidivrate von 15% bei 324 Pat. im Std. III, die ausschließlich eine TME bekamen. Nach 5 Jahren betrug die Lokalrezidivrate im alleinigen TME-Arm 12%, nach Kurzzeitvorbestrahlung 6%. Unterschiede auf die Überlebenszeit zeigten sich bisher nicht. Die Studie weist aus, dass auch bei optimaler Chirurgie mit einer Lokalrezidivrate unter 15% die Radiatio zu einer signifikanten Besserung der lokalen Kontrolle beiträgt. Die Langzeit-Daten dieser Studie wurden Ende 2007 publiziert. Nach einem medianen Follow-up von 6,1 Jahren lag die Lokalrezidivrate im 5x5 Gy Arm bei 5,6% versus 10,9% im Arm mit alleiniger Chirurgie. Der Unterschied war signifikant. Das 5-Jahres-Überleben war jedoch mit 63 und 64% in beiden Armen gleich. NSABP-R-02-Studie (Wolmark N. et al. J. Natl.Cancer Inst. 2000; 92:388-96) Diese Studie untersuchte den Stellenwert der postoperativen Radio-/Chemotherapie versus der alleinigen Chemotherapie beim UICC-Stadium II und III. Bemerkenswert war bei dieser Publikation im Vergleich zu älteren Studien die geringe Lokalrezidivrate von 13% in dem Therapiearm ohne Bestrahlung. Die Hinzunahme der Radiotherapie führte aber auch in dieser Studie zu einer Verringerung der Lokalrezidivrate auf 8%. Aufgrund der numerisch nur geringen absoluten Verringerung um 5 % konnte ein Überlebensgewinn durch die RCT im Vergleich zur alleinigen postoperativen Chemotherapie nicht mehr nachgewiesen werden. Die Autoren diskutieren, ob eine 5%ige absolute Reduktion der Lokalrezidivrate die Strahlentherapie noch rechtfertige. MRC-CR-07-Studie (Sebag-Montefiore D et al., ASCO 2006;24,Abstr. # 3511, Quirke P et al., ASCO 2006, Abstr. # 3512) Neue Daten zur Bedeutung der Radiatio und der Radio-/Chemotherapie bei TME erbrachte die britische Medical Research Council-Studie. In einem Arm erhielten alle Patienten eine präoperative Radiatio mit 5x5 Gy (RT), im anderen Arm erfolgte eine postoperative Radio-/Chemotherapie (RCT) nur bei positiven circumferentiellen Resektionsrändern (CRM +). Bei den Patienten, die nur bei CRM + eine postoperative RCT erhielten, war die Lokalrezidivrate signifikant höher und das krankheitsfreie Überleben nach 3 Jahren (DFS) signifikant schlechter. Die ausschließlich risikoadaptierte RCT war also der generellen präoperativen RT unterlegen. 3-Jahres-Überleben Präop. RT + TME TME + RCT für CRM+ Hazard Ratio n= 674 N = 676 Lokalrezidive 4,7% 11,1% 2,5 DFS 79,5 % 74,9% 1,3 OS 80,8% 78,7% 1,25 CRM+= lateraler Resektionsrand zwar tumorfrei (R0), aber die Tumorzellen reichen bis auf 1 mm an ihn heran In dieser Studie wurde auch die Qualität der TME prospektiv evaluiert. Die Tabelle unten zeigt die Lokalrezidivrate in Abhängigkeit von der TME-Qualität. TME, Qualität Poor: Defekte bis Muscularis propria Moderate: intramesorektale Exzision Good: mesorektale Exzision Anzahl (%) 141 (13 %) 382 (34 %) 596 (53 %) Lokalrezidive nach 3 Jahren Präop RT + TME TME+RCT für CRM+ 9% 29 % 6% 12 % 1% 6% Hazard Ratio 2,76 2,02 4,47 Eine perfekte TME wurde in dieser multizentrischen Studie in nur 53% der Fälle erreicht. Die Qualität der Chirurgie korreliert mit dem Lokalrezidivrisiko. Die präoperative RT kann die Lokalrezidivrate in allen TME-Qualitätsstufen mindestens halbieren. Die beste relative Verbesserung der lokalen Kontrolle durch die zusätzliche RT gelingt gerade bei optimaler Chirurgie (Hazard Ratio 4,47). Fazit: Vorteil der generellen präoperativen Kurzzeit-Radiotherapie versus selektiver postoperativer Radio/Chemotherapie signifikant. Auch eine perfekte TME macht die Radiotherapie nicht überflüssig. Die beiden Methoden ergänzen sich gerade bei optimierter Durchführung. Die Rolle der Strahlentherapie auch vor/nach TME ist hinreichend bestätigt. 260 Rektumkarzinom Neoadjuvante vs. postop. Therapie – CAO/ARO/AIO-94-Studie Präoperative versus postoperative Strahlen-/Chemotherapie Die Frage, ob die neoadjuvante der postoperativen adjuvanten Radio-/Chemotherapie überlegen ist, wurde in einer großen deutschen Multicenterstudie, der AIO/CAO/ARO-94-Studie, geklärt. Mit dem präoperativen Vorgehen wurde das lokoregionäre Rezidivrisiko von 13 auf 6% reduziert und es konnten in der neoadjuvanten Gruppe signifikant mehr Patienten Sphinkter erhaltend operiert werden. Die akute sowie die Langzeittoxizität im Bestrahlungsbereich waren unter der präoperativen Bestrahlung geringer. Das Gesamtüberleben unterschied sich nicht in den beiden Armen. Ausführliche Ergebnisse siehe folgende Seiten. Vorteile einer präoperativen Therapie Tumorverkleinerung mit potentiell verbesserter Resektabilität (R0-Resektion) Möglichkeit der Sphinktererhaltung bei tiefsitzendem Karzinom Verringerung der Gefahr einer intraoperativen Tumorzellverschleppung Erhöhte Radiosensitivität infolge besserer Tumoroxygenierung bei noch intakter Vaskularisierung Gefährdete Strukturen (z.B. Dünndarm) können besser aus dem Strahlenfeld gehalten werden Keine Bestrahlung der Anastomose Mögliche Nachteile einer präoperativen Therapie Kein pathohistologisches Tumorstadium, Gefahr einer Übertherapie. Operation wird verzögert. Die präoperative Strahlen-/Chemotherapie gilt neben der präoperativen Kurzzeitstrahlentherapie (5 x 5 Gy) als Therapie der Wahl auch für potentiell R0-resektable Tumoren. Für potentiell nicht R0-resektable Tumoren und Tumoren, bei denen ein Downsizing angestrebt wird, ist die Strahlen-/Chemotherapie die einzige Standardbehandlung, da die Kurzzeitbestrahlung nicht in der Lage ist, ein adäquates Downsizing zu erreichen. CAO/ARO/AIO-94-Studie Studientitel Adjuvante vs. neoadjuvante Radio-/Chemotherapie des fortgeschrittenen Rektumkarzinoms im UICC-Stadium II und III. Eine Phase-III-Studie der CAO/ARO/AIO. Studiendesign Geprüft wurde eine neoadjuvante Radio/Chemotherapie gefolgt OP von einer postoperativen Chemotherapie gegen eine gleichintensive postoperative Radiochemound Chemotherapie. Hierzu wurden Patienten mit endosonographisch/CTOP morphologisch nodalpositiven T3- /T4Tumoren eingeWochen 0 12 24 schlossen. Sie erhielten randomisiert entweder eine neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit Infusional 5-FU in Woche 1 und 5 der Radiatio, gefolgt von Bolus 5-FU postoperativ (Arm II), oder ein in Medikamenten, Applikationsformen und Dosierungen identisches rein adjuvantes Regime. Die Operation erfolgte 6 Wochen nach Abschluss der neoadjuvanten Behandlung, die Adjuvanzbehandlung begann 4 Wochen postoperativ. 261 Rektumkarzinom CAO/ARO/AIO-94-Studie, Ergebnisse Studienergebnisse (Sauer et al., N Engl J Med 2004; 351:1731-9) Rekrutiert wurden von Februar 1995 bis September 2002 Patienten mit resektablem Rektumkarzinom mit einem Tumor innerhalb 16cm ab Anokutanlinie. Bei insgesamt 402 auf die zwei Arme randomisierten Pat. mit ausbalancierten Tumormerkmalen ließ sich kein signifikanter Unterschied in Bezug auf Gesamtüberleben oder krankheitsfreies Überleben nachweisen, siehe nachstehende Graphiken. In Bezug auf die Häufigkeit eines Lokalrezidivs. zeigte sich ein signifikanter Vorteil für die neoadjuvante Therapie, von 6% vs. 13% ebenso für die therapieassoziierte Langzeittoxizität (14 vs. 24%, p=0.01). Zudem ergab sich eine höhere Rate an sphinktererhaltenden Operationen nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie bei tiefsitzenden Rektumkarzinomen (39% vs. 19%, p=0,004). Gesamtüberleben (A) und krankheitsfreies Überleben (B). Vergleich präop. vs postop. Chemo-/Radiotherapie. n = 799 Lokalrezidive (A) und Fernmetastasen (B). Vergleich präoperative vs postoperative Chemo-/Radiotherapie. n = 799 Prognosefaktor Tumorregression nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie Es konnte bei der CAO/ARO/AIO-94 Rektumkarzinomstudie im Stadium II/III gezeigt werden, dass das Ansprechen auf die neoadjuvante Radio-/Chemotherapie einen prognostischen Faktor für das krankheitsfreie Überleben darstellt (Rödel C. et al. J Clin Oncol 2005; 23:8688). Das krankheitsfreie Überleben nach 5 Jahren nach kombinierter Radio-/Chemotherapie und kurativer Resektion betrug 86% für den Tumorregressionsgrad (TRG) 4, 75% für TRG 2 + 3, und 63% für TRG 0+1. 262 Rektumkarzinom Neoadjuvante Therapie, Therapiestudien Präoperative Radiotherapie vs. kombinierte Radio-/Chemotherapie, EORTC 22921 Bis vor kurzem galt die alleinige Strahlentherapie mit 45-55 Gy in vielen europäischen Ländern als Standardtherapie. Die EORTC 22921-Studie (Studiendesign links) (Bosset JF et al.,NEJM 2006;355:1114) und die FFCD 9203-Studie (Gerard J et al., ASCO 2005, Abstr. 3504) untersuchten beide die alleinige präoperative konventionell fraktionierte Strahlentherapie versus eine kombinierte Radio-/Chemotherapie mit 5FU/Folinsäure, wobei die EORTC-Studie noch in 2 zusätzlichen Armen eine adjuvante Chemotherapie mit 5FU/Folinsäure testete. Nicht nur die Rate an CTX:5-FU 350, Folinsäure 20 mg/m2/d d1-5 Komplettremissionen war höher, auch die in der 1. u. 5. Woche RTX Lokalrezidivrate war signifikant geringer, wenn 5-FU als systemische Therapie zur präoperativen Strahlentherapie hinzugegeben wird. Sogar die Patienten, die die Chemotherapie nur postoperativ erhielten, hatten ein vermindertes Lokalrezidivrisiko. FFCD 9203 EORTC 22921 RTX CTX-RTX RTX CTX-RTX Patienten 363 370 252 253 pCR 3% 10% 5% 14% 16,5% 8% 17,1% 8,7% Lokalrezidiv p-Wert Einfluss auf Überleben < 0,05 0,0016 Nein 5-J-OS 63,2% RTX + adjuv. Chemoth. CTX-RTX+ adjuv. Chemoth. 253 253 9,6% 7,6% 5-J-OS 67,2% (kein sign. Unterschied) Ein signifikanter Überlebensvorteil ergab sich nicht (67,2 vs. 63,2%). Allerdings erhielten weniger als 50% der Patienten eine postoperative Chemotherapie nach Protokoll. Die DFS- und Überlebens-Kurven der Patienten, die eine adjuvante Chemotherapie erhielten, und derer, die keine erhielten, gehen allerdings nach 2 (DFS) und 4 (OS)Jahren auseinander. Ein längeres Follow-up bleibt abzuwarten. Eine Subgruppenanalyse dieser Studie zeigte, dass Patienten, die ein T-Downsizing zeigten, von der Fortsetzung der 5-FU-Therapie profitierten, während Patienten mit ypT3 oder ypT4, von der Fortsetzung der Chemotherapie keinen Benefit hatten (Colette et al., J Clin Oncol 2007;25:43794386). Eine weitere Analyse der Daten zeigte aber, dass sich der Benefit auf Patienten bezog, die neoadjuvant nicht chemotherapiert worden waren, und dass Patienten nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie bei Vorliegen eines pN0Status von der Fortsetzung der Chemotherapie nicht profitierten (Colette et al. J Clin Oncol 2008;26:508). 263 Rektumkarzinom Neoadjuvante Therapie – Kurzzeitbestrahlung, Therapiestudien Die Effektivität der präoperativen Kurzzeit-Bestrahlung hinsichtlich der Verhinderung von Lokalrezidiven ist in mehreren Studien belegt. Eine große schwedische Studie konnte sogar einen signifikanten Überlebensgewinn nachweisen. Auch unter Anwendung der TME konnte durch eine präoperative Kurzzeitstrahlentherapie das lokoregionäre Rezidivrisiko signifikant gesenkt werden. Vorteile der Kurzzeitbestrahlung sind die rasche Durchführung der Behandlung von Montag bis Freitag, gefolgt von der Resektion eine Woche später. Der kurze Abstand zwischen Operation und Bestrahlung führt jedoch zu keiner signifikanten Tumorverkleinerung in fortgeschrittenen Stadien, sodass eine Erhöhung der R0-Resektionsrate oder eine kontinenzerhaltende Chirurgie für diese Subgruppe von Patienten nicht möglich ist. Swedish Rectal Cancer Trial (N Engl J Med 1997; 336:980-7). In dieser Studie wurden 1168 Patienten entweder präoperativ mit 25 Gy in 5 Fraktionen bestrahlt oder ausschließlich einem operativen Eingriff unterzogen. Nach 75 Monaten betrug die Lokalrezidivrate 12 versus 27%. Die 5-Jahres-Überlebensrate war mit präoperativer Strahlentherapie signifikant besser (58% versus 48%). Das Intervall zwischen Operation und Bestrahlungsende betrug eine Woche. Somit konnte für die neoadjuvante Bestrahlung erstmals nicht nur eine Reduktion der Lokalrezidive, sondern auch ein signifikanter Überlebensgewinn nachgewiesen werden. Ein Update der Studie ergab nach einem medianen Follow-up von 13 Jahren ein Overall Survival in der bestrahlten Gruppe von 38% versus 30% in der nicht bestrahlten Gruppe. Das tumorspezifische Überleben in der bestrahlten Gruppe war 72% versus 62% in der nicht bestrahlten, die Lokalrezidivrate betrug 9% versus 26% (Folkesson J et al., J Clin Oncol 2005; 23:5644-50). Holländische Multicenter-Studie (Peters et al. Ann Surg 2007; 246:693-700) 1861 Patienten mit resektablem Rektumkarzinom erhielten entweder eine präoperative Bestrahlung (RT) mit 5 x 5 Gy oder eine ausschließliche Operation. In beiden Therapiearmen war eine TME obligat. Nach einem medianen Follow-up von 6,1 Jahren lag die Lokalrezidivrate im 5x5 Gy Arm bei 5,6% versus 10,9% im Arm mit alleiniger Chirurgie. Der Unterschied war signifikant. Das 5-Jahre-Überleben war jedoch mit 63 und 64% in beiden Armen gleich. (siehe auch vorherige Seiten) Polnische Studie – Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie versus Kurzzeit-Radiatio (Bujko K. et al. Radiother Oncol 2004;72:15-24 und Br J Surg 2006;93:1215-23) Insgesamt 312 Patienten mit T3/T4-Tumoren (tastbare Tumore im unteren Rektumdrittel) erhielten entweder präoperativ eine Kurzzeit-Radiatio mit 5x5 Gy und anschließend eine TME innerhalb von 7 Tagen oder eine kombinierte Radio-/Chemotherapie (50,4 Gy und Bolus 5-FU/Folinsäure), gefolgt von einer TME nach 4-6 Wochen. Die primäre Frage war, ob durch die kombinierte, konventionelle Radio-/Chemotherapie eine erhöhte Sphinktererhaltungsrate im Vergleich zur Kurzzeitradiatio möglich ist. Unter der Radio-/Chemotherapie kam es zu einem höheren Downsizing und Downstaging sowie zu einer niedrigeren R1-Resektionsrate. Die Rate an Sphinktererhalt war jedoch in beiden Armen gleich und die Überlebensraten waren identisch. Diese Studie ist die einzige publizierte Studie zu dieser Fragestellung. Sie bezieht sich nur auf Tumoren im unteren Rektumdrittel und weist etliche Schwächen in Bezug auf das Staging und die Applikation der Chemotherapie auf. Die Frage neoadjuvante Radio-/Chemotherapie versus 5 x 5 Gy Kurzzeitbestrahlung soll in der sogenannten Berliner Studie beantwortet werden (siehe hinten „Berliner Studie“). S3-Leitlinie 2008: In Situationen, in denen ein Downsizing angestrebt wird (T4-Tumore, nicht ausreichender Sicherheitsabstand im Dünnschicht-MRT zur mesorektalen Faszie – Abstand 1mm oder weniger – oder erwünschter Sphinktererhalt bei Tumoren im unteren Drittel), soll der präoperativen Radio-/Chemotherapie der Vorzug vor einer Kurzzeit-Radiotherapie gegeben werden. Somit stellt die konventionell fraktionierte präoperative Strahlen-/Chemotherapie für lokal fortgeschrittene Tumoren die Standardtherapie dar. 264 Rektumkarzinom Neoadjuvante Therapie – Chemotherapie, Therapiestudien Chemotherapie im Rahmen der (neo)adjuvanten Radio-/Chemotherapie Aufgrund der EORTC-Studie 22921 und der FFCD 9203-Studie ist die Kombination einer präoperativen Chemotherapie mit 5-FU mit der Bestrahlung als Standard etabliert, da sie übereinstimmend zu einer Reduktion der Lokalrezidivrate führte. In Phase-II-Studien ist eine Intensivierung der Chemotherapie im Rahmen der neoadjuvanten Radio-/Chemotherapie untersucht worden. Durch die Intensivierung kann die Wirkung der Strahlentherapie weiter erhöht und dadurch auch die Rate an pathohistologischen Remissionen gesteigert werden. Patienten mit guter pathohistologischer Remission haben nicht nur geringere Lokalrezidivraten, sondern wahrscheinlich auch ein längeres Langzeitüberleben, sodass man sich von einer Chemotherapieintensivierung eine Prognoseverbesserung erhofft. Dies ist derzeit Gegenstand von Phase-IIIStudien (PETACC-6 und CAO/AIO/ARO-05). Kontinuierliche 5-FU-Gabe vs. Bolus 5-FU Die kontinuierliche 5-FU-Gabe während der allerdings postoperativen Strahlentherapie war einer 5-FU-Bolusgabe überlegen im Hinblick auf krankheitsfreies und Gesamtüberleben in der adjuvanten Situation (O´Connell MJ et al. N Engl J Med 1994; 331:502-71). Diese Daten wurden in der INT-0144, in der 5-FU mit Folinsäure/Levamisol kombiniert wurde, nicht bestätigt. Die 5-FU-Bolus-Applikation war der 5-FU-Dauerinfusion nicht unterlegen (Smalley et al. J Clin Oncol 2006;24:3542-47). Capecitabin vs. Bolus 5-FU Capecitabin ahmt die Pharmakokinetik von kontinuierlichem 5-FU nach, ohne die Nachteile eines zentralvenösen Zugangs und der erschwerten Applikation. In mehreren Phase-II-Studien wurde Capecitabin in der präoperativen Radio-/Chemotherapie evaluiert. Die Toxizität bestand vorwiegend in Diarrhoe und Hand-Fuß-Syndrom. Die pathologisch kompletten Remissionen betrugen 4-25%. Eine retrospektive Analyse, die in der neoadjuvanten Situation eine kontinuierliche 5-FU-Gabe mit einer oralen Capecitabin-Therapie verglich, wurde kürzlich veröffentlicht (Saif M.W. et al Int J Colo Dis 2008;23:139-145). Bei insgesamt 345 Patienten im Capecitabin-Arm versus 197 Patienten im 5-FU-Arm war die komplette Remissionsrate für Capecitabin mit 25 versus 13% signifikant höher bei vertretbarer Toxizität. Die Autoren schlussfolgern, dass eine Kombination von Capecitabin mit der Radiatio berechtigt ist. Prognostischer Wert einer pCR nach RCT (Capirci C et al. Int J Radiot Oncol Biol Phys 2008;72:99-107) Aktuell wurden Langzeitergebnisse von 566 Patienten publiziert, die bei lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom nach Radio-/Chemotherapie (RCT) eine pathologisch komplette Remission erreicht hatten. Bei einem medianen Follow-up von 47 Monaten zeigten diese Patienten ein 5-Jahres-DFS von 85% und ein 5-Jahres Gesamtüberleben von 90%. Lokalrezidive wurden nur bei 1,6%, Metastasen nur bei 8,9% nachgewiesen. Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit 2er Chemotherapie-Kombinationen Eine große Zahl von Phase-II-Studien mit Capecitabin + Oxaliplatin oder Capecitabin + Irinotecan zeigte pathologische Komplettremissionen in einer Größenordnung von 20%, aber auch eine erhöhte Akuttoxizität. Phase-II-Studie der AIO/CAO/ARO-04 (Rödel C. et al., J Clin Oncol 2007; 25:110-117) Multizentrische Studie für fortgeschrittene Rektumkarzinome (T3/T4 oder N+), die eine präoperative Radio/Chemotherapie mit Capecitabine und Oxaliplatin (Capecitabin 1650 mg/m2 d1-14 und d22-35, Oxaliplatin 50 mg/m2 d1,8,22 und 29) plus 4 adjuvante Chemotherapiezyklen mit XELOX (Capecitabin 1000 mg/m2, 2x tgl. d1-14, Oxaliplatin 130 mg/m2 d1, WH d 22) evaluierte. Nach XELOX-RT wurden 103 von 104 Patienten operiert. Eine komplette pathologische Remission (pCR) erreichten 17 Patienten (16%), ein Patient zeigte eine ypT0N1-Remission, 53 Patienten zeigten eine mehr als 50%ige Tumorregression. Bei 95% konnte eine R0-Resektion und bei 77% ein Sphinktererhalt erreicht werden. Die präoperative Therapie konnte bei 96% der Patienten ohne Dosisreduktion appliziert werden. Die Grad-3/4-Diarrhoe betrug 12% präoperativ. 60% der Patienten erhielten alle 4 XELOXZyklen. Haupt-Toxizitäten bestanden in einer Grad-3/4-Neuropathie mit 18% und Grad-3/4-Durchfall mit 12%. Aufgrund dieser Daten wurde die neue Phase-III-Studie AIO/CAO/ARO-04 initiiert. EXPERT-Studie (Chau I et al., J Clin Oncol 2006; 24: 668-74) XELOX → RT/Xeloda Komplette Remission Partielle Remission No Change Progression Nach CT (n = 68) 3 (4%) 57(84% 8(12%) - Nach RCT(n = 70) 14 (20%) 54 (77%) 2(3%) - 265 In dieser Phase-II-Studie wurde eine neoadjuvante Chemotherapie (CT) mit 4 Zyklen XELOX noch vor der präoperativen Radio-/Chemotherapie (RCT) mit Xeloda platziert. Dieses Vorgehen wurde mit einer mangelhaften Chemotherapie Compliance im postoperativen Ansatz begründet. Rektumkarzinom Neoadjuvante Therapie – Adjuvante Chemotherapie Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit 3er Chemotherapie-Kombination Die Lyon R-02-01-Studie zu einer 3er Chemotherapie-Kombination, nämlich CAPIRINOX (Capecitabin, Oxaliplatin, Irinotecan) zur Bestrahlung hinzu musste wegen erhöhter Toxizität abgebrochen werden. Die Kombination von Capecitabin und Irinotecan war mit einer tolerablen Toxizität durchführbar. Die Hinzunahme von Oxaliplatin erhöhte die Grad-3/4-Toxizität auf zwei Drittel (Heudel et al. Clin Coll Radiol 2008). Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit Biologicals und Chemotherapie Die meisten Daten zur Kombination von Biologicals mit einer Chemotherapie liegen für Cetuximab-Kombinationen vor. Die bisher publizierten Komplettremissionsraten lagen nur in einer Größenordnung von 10% und damit eher niedriger als bei dem identischen Regime ohne Cetuximab. Dies wirft viele Fragen auf, die in weiteren Studien geklärt werden müssen. In der Studie von Willet (ASCO 2007, Abstr. 4041) mit Bevacizumab und 5-FU kam es zu einer Reduktion der Tumorgröße präop. von 4,7 cm auf 2,4 cm postoperativ. Die 22 Patienten wurden mit MRT gestaget. Die Operation wurde 7-9 Wochen nach RCT durchgeführt. Bei 6 Patienten kam es postoperativ zu adverse events mit Lungenembolie, Blutung und Perforation. Die pCR-Rate lag bei 20%. Auch hier sind weitere Studien erforderlich. Autor n Antikörper Chemoth. RT (Gy) Diarrhoe (Grd. 3) pCR (n) Machiels 2006 Chung 2006 Rödel 2007 Czito 2006 Willet 2007 Hong 2007 Hofheinz 2008 20 20 58 13 22 40 63 Cetuximab Cetuximab Cetuximab Bevacizumab Bevacizumab Cetuximab Cetuximab Capecitabin 5-FU CapOx CapOx 5-FU Capiri Capiri 45 50,4 50,4 50,4 50,4 50,4 50,4 15% 10% 19% 27% ca. 20% 5% 30% 2/19 2/17 4/45 2/11 5/22 9/39 7/63 Adjuvante Chemotherapie nach neoadjuvanter Therapie Als Folge der verbesserten Chirurgie und Bestrahlung betragen die Lokalrezidivraten nicht mehr als 6-12%. Die Verbesserung der lokalen Kontrolle hat bisher jedoch nicht zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens geführt. Es liegt nach 5 Jahren nach wie vor bei nur 65-67%. Diese Ergebnisse sind unbefriedigend. Trotzdem ist der Wert der adjuvanten Chemotherapie beim Rektumkarzinom noch nicht eindeutig belegt. Das Bolus-5-FU-Schema in der AIO/CAO/ARO-94-Studie stammt aus der Ära der postoperativen Strahlentherapie und ist somit nicht evidenzbasiert. Die EORTC-Studie 22921 (siehe vorhergehende Seiten) hat als einzige Studie den Einfluss einer adjuvanten 5FU/Folinsäure Therapie auf das Überleben untersucht. Es fand sich kein signifikanter Vorteil hinsichtlich des 5-Jahres-Überlebens (67,2 vs. 63,2%), wobei sich die Kaplan-Meier-Kurven nach diesem Zeitintervall trennen und der Benefit immerhin 4% beträgt. Eine Subgruppenanalyse dieser Studie zeigte, dass Patienten, die ein T-Downsizing zeigten, von der Fortsetzung der 5-FU-Therapie profitierten, während Patienten mit ypT3 oder ypT4, von der Fortsetzung der Chemotherapie keinen Benefit hatten (Colette et al., J Clin Oncol 2007;25:4379-4386). Eine weitere Analyse der Daten zeigte aber, dass sich der Benefit auf Patienten bezog, die neoadjuvant nicht chemotherapiert worden waren, und dass Patienten nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie bei Vorliegen eines pN0-Status von der Fortsetzung der Chemotherapie nicht profitierten (Colette et al. J Clin Oncol 2008;26:508). Nach Kurzzeit-Radiatio mit 5x5 Gy existieren keine Daten über den Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie. Aufgrund der unbefriedigenden Überlebensdaten wird man auf eine adjuvante Chemotherapie auf 5-FU-Basis schwerlich verzichten, auch wenn die Evidenz sehr dürftig ist. Es ist nach wie vor jedoch unklar, welche Patienten von dieser Therapie profitieren. Die derzeit laufenden Phase-III-Studien prüfen den Einsatz von Oxaliplatin in Kombination mit dem oralen Fluoropyrimidin Capecitabin, mit den Substanzen also, die sich beim Kolonkarzinom bereits als adjuvante Chemotherapie etabliert haben. Die neoadjuvante Radio-/Chemotherapie sollte im Regelfall mit (oralem) 5-FU durchgeführt werden. Zum Einsatz von 2er-Kombinationen fehlen randomisierte Daten. Biologicals sollten außerhalb von Studien nicht eingesetzt werden. Nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie sollte laut S3-Leitlinie eine adjuvante Chemotherapie mit 5FU unabhängig vom postoperativen Tumorstadium erfolgen. Nach 5-FU-Kurzzeit-Bestrahlung gibt die S3-Leitlinie keine Empfehlung. Analogschlüsse und Expertenmeinung legen eine adjuvante Chemotherapie analog dem Kolonkarzinom nahe. 266 Rektumkarzinom Adjuvante Therapie, S3-Leitlinie 2004/2008 Adjuvante Therapie bei primärer Operation (ohne neoadjuvante Therapie) Stadium I Im Stadium I ist nach R0-Resektion eine adjuvante Therapie nicht indiziert. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens Hintergrund In allen randomisierten Studien zur adjuvanten Therapie waren Patienten mit Stadium UICC I wegen insgesamt niedriger Lokalrezidiv- und Fernmetastasierungsraten ausgeschlossen worden. Stadium II Bei Patienten im UICC-Stadium II und III, die keine neoadjuvante Radio-/Chemotherapie oder KurzzeitRadiotherapie erhalten haben, soll eine adjuvante Radio-/Chemotherapie erfolgen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens. Hintergrund Durch Hinzunahme der Chemotherapie zu einer postoperativen Bestrahlung konnten sowohl die Lokalrezidivrate gesenkt als auch das Gesamtüberleben im Vergleich zur alleinigen (konventionellen) Operation verbessert werden. Daten zum Nutzen einer adjuvanten Radio-/Chemotherapie nach pathologisch bestätigter adäquater Mesorektumexzision und einem Abstand des Tumors zum circumferentiellen Resektionsrand von mehr als 1 mm liegen bislang nicht vor. Die Lokalrezidivraten werden hier auch ohne zusätzliche adjuvante Therapie mit global unter 10% angegeben, können aber für Subgruppen, z.B. im unteren Rektumdrittel, auch höher liegen. Patienten mit Tumoren im UICC-Stadium II und III sollten in randomisierte Studien eingebracht werden. Dabei wäre zu klären, ob es nach qualitätsgesicherter Chirurgie Subgruppen von Patienten gibt (z.B. pT3N0-Tumoren mit geringer Infiltration ins perirektale Fettgewebe oder pT1/2-N+-Tumoren), die ein dem UICC-Stadium I vergleichbares Rezidivrisiko haben und daher von einer adjuvanten Radio- und Chemotherapie nicht profitieren. In der bislang nur als Abstract publizierten britischen MRC-CR07-Studie hat sich gezeigt, dass ein risikoadaptiertes Vorgehen (postoperative Radio-/Chemotherapie nur bei Patienten mit positivem circumferentiellen Resektionsrand nach TME) im Vergleich zu einer generellen präoperativen Radiotherapie mit 5x5 Gy für alle Rektumkarzinome hisichtlich der lokalen Kontrolle und dem krankheitsfreien Überleben signifikant unterlegen ist. Additive Therapie nach R1-Resektion Nach R1-Resektion oder intraoperativem Tumoreinriss sollte postoperativ Radio-/Chemotherapiert werden, falls keine neoadjuvante Radio(chemo)therapie vorangegangen ist. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4, starker Konsens Ablauf der adjuvanten Therapie Die adjuvante Therapie sollte 4-6 Wochen nach Operation beginnen. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens Die Strahlentherapie kann zeitgleich zum 1. und 2. Chemotherapiezyklus oder zum 3. und 4. Zyklus erfolgen. Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens Die Strahlentherapie soll mit einer 5-FU-Monochemotherapie kombiniert werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens. Standard für die adjuvante Therapie des Rektumkarzinoms ist die kombinierte Radio-/Chemotherapie. Eine Indikation für eine alleinige (adjuvante) Chemo- oder Radiotherapie beim Rektumkarzinom besteht nicht. Eine Ausnahme stellt nur die Kontraindikation gegen eine der beiden Therapieformen dar. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens. 267 Rektumkarzinom Adjuvante Th. nach neoadjuvanter Th., S3-Leitlinie 2004/08 Adjuvante Therapie /Chemotherapie nach neoadjuvanter Radiotherapie oder Radio- Nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie ist eine adjuvante Chemotherapie unabhängig vom postoperativen Tumorstadium (also auch bei kompletter Remission oder UICC-Stadium I und II) indiziert. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens. Hintergrund Grundlage dieser Empfehlung ist, dass die adjuvante Chemotherapie obligater Bestandteil der CAO/ARO/AIO-94-Studie sowie der FFCD-9203-Studie nach erfolgter präoperativer Radio/Chemotherapie war. Die EORTC (22921) randomisierte in einer vierarmigen Studie und einem „two-by-two factorial design“ zwischen einer postoperativen Chemotherapie und keiner postoperativen Chemotherapie nach präoperativer Radiotherapie oder Radio-/Chemotherapie. Die postoperative Chemotherapie führte zwar nicht zu einer statistisch signifikanten Überlebensverbesserung. Der Überlebensbenefit betrug jedoch 6% absolut für das progressionsfreie und 4% für das Gesamtüberleben und wurde mit einer vergleichsweise wenig toxischen Therapie erzielt. Subgruppenanalysen zeigen, dass die adjuvante Chemotherapie insbesondere für diejenige Patientengruppe einen signifikanten Überlebensvorteil ergab, die nach präoperativer Therapie eine histopathologische ypT0/1/2-Kategorie aufwiesen. In den Studien zur präoperativen KurzzeitRadiotherapie mit 5x5 Gy wurde generell keine adjuvante Chemotherapie appliziert. Eine aktuelle holländische Phase-III-Studie randomisiert derzeit nach 5 x 5 Gy und Operation zwischen einer adjuvanten Chemotherapie mit Capecitabin und Beobachtung. Die adjuvante Chemotherapie sollte entweder als 5-FU-Monotherapie oder als Kombination aus 5FU/Folinsäure durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens. Hintergrund In der CAO/ARO/AIO-94-Studie wurden 4 Zyklen adjuvanter Chemotherapie mit 5-FU in einer Dosierung von 500 mg/m2 als i.v. Bolus über 5 Tage alle 4 Wochen verabreicht. In der EORTC22921- und FFCD-9203-Studie erhielten die Patienten 4 Zyklen einer adjuvanten Chemotherapie mit 5-FU in einer Dosierung von 350 mg/m2/Tag und Folinsäure in einer Dosierung von 20 mg/m2/Tag über jeweils 5 Tage alle 4 Wochen. Anmerkung Die Leitlinie gibt keinerlei Empfehlung für eine adjuvante Therapie nach Kurzzeit-Radiatio. Siehe auch Therapiealgorithmus Rektumkarzinom. Empfehlung Stadium IV S3-Leitlinie 2004/2008 Beim synchron metastasierten Rektumkarzinom gibt es keine Standardempfehlung zum therapeutischen Vorgehen. Die Prognose der Erkrankung wird im Regelfall durch die systemische Metastasierung bestimmt. Daher sollte bei irresektablen Fernmetastasen primär eine systemische Kombinationstherapie eingesetzt werden, sofern nicht Symptome durch den Primärtumor zu einem anderen Vorgehen zwingen. Falls eine primäre Radio-/Chemotherapie durchgeführt wird, sollte vor dem Hintergrund der systemischen Metastasierung eine intensivierte Kombinationstherapie eingesetzt werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 5, starker Konsens 268 Rektumkarzinom Postoperative Radio-/Chemotherapie, Studienergebnisse Die in den 80er Jahren verfügbaren Daten zeigten bei Rektumkarzinomen mit Ausbreitung über die Darmwand hinaus oder mit Lymphknotenmetastasierung (T3-T4/N+) hohe Tumorrezidivraten mit ungünstigen Überlebensraten nach alleiniger Operation. Nachdem in amerikanischen Studien in den 80er Jahren zunächst eine effektive Reduktion der Rate an pelvinen Tumorrezidiven durch eine postoperative Strahlentherapie und später dann durch eine kombinierte Radio-/Chemotherapie eine Verbesserung des Gesamtüberlebens nachgewiesen werden konnte, war die postoperative adjuvante Radio-/Chemotherapie bis vor kurzem die Standardbehandlung nach der Tumorexstirpation bei lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom. Jetzt besteht die Standardbehandlung in einer präoperativen neoadjuvanten Radiotherapie bzw. Radio-/Chemotherapie (siehe vorangehende Seiten). Ziele der adjuvanten Therapie des Rektumkarzinoms 1. die Senkung der lokoregionären Rezidivrate und 2. die Verhinderung einer Fernmetastasierung. In den Stadien UICC II und III liegt die Lokalrezidivrate zwischen 10-35%. Ein Lokalrezidiv geht mit einer erheblichen Morbidität und Letalität einher. Eine postoperative Bestrahlung senkt die Lokalrezidivrate. Die systemische Chemotherapie ist für die Reduktion der Metastasierung von wesentlicher Bedeutung. Studienergebnisse Die randomisierten Studien der GITSG (GITCG, N Engl J Med 1985;312:1465-72,) und der Mayo/NCCTG (Krook JE et al. N Engl J Med 1991;324:709-15) zeigten erstmals, dass eine Kombination von postoperativer Chemo- und Strahlentherapie bei Patienten im UICC-Stadium II und III nicht nur die Lokalrezidivrate senkt, sondern auch das Gesamtüberleben signifikant verbessert. In beiden Studien wurde postoperativ eine Lokalrezidiv5-JahresStudie Chemotherapie mit 5-FU und Methylrate (%) Überleben (%) CCNU eingesetzt. Parallel zur GITSG 7175 (n=104) Strahlentherapie erfolgte eine 5-FU-BolusOP 24 44 Chemotherapie. Gegenüber der OP + RT 20 52 Kontrollgruppe konnten das relative Risiko OP + CHT 27 50 für ein Lokalrezidiv halbiert und die Gesamtüberlebensrate um 10-15% OP + RT/CHT 11 59 gesteigert werden. NCCTG 794751 (n=204) Nachfolgestudien zeigten, dass MethylOP + RT 25 48 CCNU keine Verbesserung der Wirkung im OP + RT/CHT 13 57 Vergleich zu 5-FU alleine erbringt. O´Connel et al. (n=606) Durch die Gabe von 5-FU als OP + RT/CHT (5-FU kontin.) 8 70 kontinuierliche Infusion während der OP + RT/CHT (5-FU-Bolus) 12 60 postoperativen Strahlentherapie konnte im Vergleich mit der 5-FU-Bolusinjektion die 4-Jahresüberlebensrate signifikant gesteigert werden (O´Connell MJ et al. N Engl J Med 1994; 331:502-71). Alleinige Chemotherapie versus kombinierte Radio-/Chemotherapie Die NSABP-R02-Studie verglich eine postoperative Radio-/Chemotherapie mit einer adjuvanten Chemotherapie ohne Bestrahlung bei Patienten im Stadium II und III. Die Radio-/Chemotherapie konnte gegenüber der alleinigen Chemotherapie die Lokalrezidivrate nach 5 Jahren zwar signifikant von 13 auf 8% senken, trotzdem reichte dieser Gewinn an lokaler Tumorkontrolle nicht aus, um einen Überlebensvorteil nachzuweisen (62% Gesamtüberleben in beiden Armen). Leukovorin in Kombination mit 5-FU und Bestrahlung erhöht die Toxizität, ohne nach den vorläufigen Daten die Wirksamkeit zu erhöhen. Koreanische Studie zum frühzeitigen Beginn der adjuvanten Radiotherapie (Lee J.H. et al., JCO 2002;20:1751-58). Diese Studie zeigte initial, dass bei ansonsten völlig identischer Behandlung allein durch den frühzeitigen Beginn der Radiotherapie zeitgleich mit den ersten beiden postoperativen Chemotherapiekursen ein signifikant verbessertes krankheitsfreies Überleben erreicht wird. Ein Update der Studie konnte diese Daten jedoch nicht bestätigen (Kim et al. ASCO 2007, Abstr. 4050). Tumor- und strahlenbiologische Gründe sprechen trotzdem für ein eher enges zeitliches Intervall zwischen Operation und adjuvanter Radiatio. 269 Rektumkarzinom Adjuvante, postoperative Therapie, Durchführung Indikation UICC-Stadium II,III (T3, T4, N1-3 , Mo) mit erhöhtem Lokalrezidivrisiko. Therapiebeginn innerhalb von 4-6 Wochen Voraussetzung R0-Resektion, guter Allgemeinzustand (WHO 0-1), Ausschluss von Metastasen (Rö-Thorax, abdominelle Sonographie). Adäquate Patientenaufklärung. Durchführung Nach den S3-Leitlinien stehen drei Therapieschemata alternativ zur Auswahl. 1. O’Connell-Schema mit kontinuierlicher 5-FU-Infusion während der Strahlentherapie 2. CAO/ARO/AIO-Studien-94-Protokoll (Sauer et al.) 3. NCI-Protokoll mit 5-FU ausschließlich als Bolusinjektionen 5-FU-kontinuierliche Infusion/Strahlentherapie Woche 1 + 5 5-FU Woche 9-13 Strahlentherapie Chemotherapie Parallel zur RT Woche 18 + 22 (4 Wochen nach RT) 500 mg/m²/d (O’Connel et al. N Engl J Med 1994; 331:502–7) i.v. Bolus (< 5 min) 45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett 5-FU 225 mg/m²/d 5-FU 450 mg/m² CAO/ARO/AIO-Studie-94 Woche 1 - 6 Strahlentherapie Kontinuierliche Infusion während der Bestrahlung (an allen Tagen) i.v. Bolus 50,4 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett 5-FU 1000 mg/m²/d Woche 10, 14, 18, 22 (4 Wochen nach RT) 5-FU 500 mg/m²/d Kontinuierliche Infusion über 120 Std. (Tag 1-5 und Tag 29-33 der Bestrahlung) i.v. Bolus 5-FU-Bolus/Strahlentherapie 5-FU Woche 9- 13 Strahlentherapie Woche 9 + 13 (Woche 1 + 5 der RT) Woche 18 + 22 (Woche 4 + 8 nach RT) d 1– 5 (Erlanger-Protokoll, R.Sauer et al.) Woche 1+ 5 Chemotherapie Woche 1 + 5 d 1– 5 d 1– 5 (NCI-Protokoll) 500 mg/m²/d i.v. Bolus d 1– 5 45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett 5-FU 500 mg/m²/d i.v. Bolus D 1- 3 5-FU 450 mg/m² i.v. Bolus d 1– 5 Für das CAO/ARO/AIO-Protokoll sprechen das zeitlich enge Intervall zwischen Operation und Strahlentherapie, das tumor- und strahlenbiologisch sinnvoll ist, sowie die Praktikabilität der Durchführung. Beachte: Für die Dauerinfusion besteht die Notwendigkeit eines zentralvenösen Zugangs (meist Port) mit einem Pumpsystem. Hauptnebenwirkungen der Dauerinfusion sind Diarrhoen. Unter der Bolus-5-FU-Therapie treten häufiger Leukopenien und Stomatitis auf. 270 Rektumkarzinom CAO/AIO/ARO-04, Gemeinschaftsstudie I Studientitel Präoperative Radio-/Chemotherapie und adjuvante Chemotherapie mit Capecitabin plus Oxaliplatin im Vergleich zu einer präoperativen Radio-/Chemotherapie und adjuvanten Chemotherapie mit 5-Fluorouracil beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom im UICC-Stadium II und III. Eine prospektiv randomisierte, multizentrische Phase-III-Studie der chirurgischen, internistischen und radiotherapeutischen Arbeitsgemeinschaften (CAO/AIO/ARO). Die CAO/ARO/AIO-Studiengruppe und die FOGT-Studiengruppe schließen sich zur German Rectal Cancer Study Group zusammen. Studienziele Primärer Endpunkt ist das Disease-free-Survival nach 3 Jahren. Sekundäre Ziele sind: R0-Resektionsrate, Rate an sphinktererhaltenden Operationen, Tumorregression nach neoadjuvanter Therapie, Inzidenz an Lokalrezidiven und Fernmetastasen, Gesamtüberleben nach 5 J., Akut- und Spättoxizität der Radio- und Chemotherapie. Status der Studie: gestartet 19.07.2006 Studienleitung und Studienzentrale Prof. Dr. R. Sauer Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie Friedrich-Alexander-Univeristät Erlangen-Nürnberg Universitätsstr. 27 91054 Erlangen Tel. 09131/8533405, Fax: 09131/8539335 Email: [email protected] Priv.-Doz. Dr. C. Rödel Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie Univeristät Erlangen-Nürnberg Universitätsstr. 27 91054 Erlangen Telefon und Fax wie Studienleitung [email protected] Einschlusskriterien Alter mindestens 18 Jahre, keine obere Altersgrenze Histologisch gesichertes, fortgeschrittenes primäres Rektumkarzinom bis 16 cm von der Anokutanlinie (gemessen mit einem starren Rektoskop), endosonographisch uT3-4 oder uN+, oder klinische Einteilung nach Mason III/IV ohne synchrone Fernmetastasen Keine Vorbehandlung außer primärer Anus praeter-Anlage (z.B. wegen drohendem Ileus) ECOG-Status ≤ 2 Ausreichende Knochenmarkfunktion (Leuko > 3,5 G/l, Neutro > 1,5 G/l, Thrombo > 100 G/l, Hb > 10 g/dl) Ausreichende Leberfunktion: Bilirubin < 2,0 mg/dl; GOT, GPT, AP, GGT < 3 x oberer Normwert (ONW) Serumkreatinin < 1,5 mg/dl, Kreatinin-Clearance > 50 ml/min Patienten, die die Inhalte des Protokolls verstanden u. schriftlich ihr Teilnahmeeinverständnis erklärt haben Ausschlusskriterien Schwangere oder stillende Frauen sowie gebär- bzw. zeugungsfähige Menschen, die nicht zu konsequenten Verhütungsmaßnahmen während der Therapie willens oder in der Lage sind Zurückliegender oder andauernder Drogen-, Medikamenten- oder Alkoholmissbrauch Frühere Chemotherapie oder Radiotherapie des Beckens Gleichzeitige oder innerhalb von 4 Wochen liegende Teilnahme an einer anderen Studie mit einem oder mehreren in Erprobung befindlichen Medikamenten Gleichzeitige Therapie mit anderen Antitumormitteln Patienten, die nicht in der Lage sind, sich protokollgerecht behandeln sowie nachuntersuchen zu lassen Patienten mit unkontrollierten schwerwiegenden, körperlichen oder geistigen Erkrankungen, z.B.: Instabile kardiale Erkrankung trotz medikamentöser Behandlung, Myokardinfarkt innerhalb von 6 Monaten vor Studienbeginn Neurologische oder psychiatrische Störungen, incl. Demenz und Anfallsleiden, Polyneuropathie Grad ≥ 2 Aktive, nicht-kontrollierbare Infektion oder Sepsis, aktive disseminierte intravasale Gerinnungsstörung Patienten mit Zweitmalignomen mit Ausnahme des Basalzellkarzinoms der Haut oder des Carcinoma in situ der Zervix, die erfolgreich behandelt wurden Der Einschluss von Patienten mit anderen Tumoren, die erfolgreich behandelt wurden und innerhalb der letzten 5 Jahre nicht wieder aufgetreten sind, muss mit dem LKP diskutiert werden Chronische Diarrhoe (> NCI CTC-Grad 1) Chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder andere Störungen, die die Medikamentenresorption beeinträchtigen. Dazu zählen das Dumping-Syndrom, Hinweise auf beschleunigte Dünndarmpassage, Hinweise auf Resorptionsstörungen nach Magen- oder Darmoperationen Überempfindlichkeit gegenüber Oxaliplatin Gleichzeitige Behandlung mit Sorivudin und Analoga Bekannte Defizienz der Dehydropyrimidindehydrogenase (DPD) 271 Rektumkarzinom CAO/AIO/ARO-04, Gemeinschaftsstudie II Studienschema Es sollen 600 Patienten je Arm eingeschlossen werden. Die Chemotherapie beginnt in beiden Armen am Tag 1 der Radiatio und wird auf maximal 2 m2 Körperoberfläche limitiert. Therapieplan d29-33 Verlaufsuntersuchungen Untersuchung Vor Therapie Einwilligung Anamnese incl. Medikation, Endosonographie Starre Rektoskopie mit Biopsie Koloskopie X Rö-Thorax X Sonographie X CT-Becken Untersuchung incl ECOG Neurologie X X EKG X 1) Labor Toxizität Während Radio/Chemotherapie, wöchentlich Tag 1, 29 Tag 2, 22, Ende Radiatio Präoperativ Während Abschlussadjuvanter untersuchung Therapie X X X X X X (X) X X X X X X X X X X X X X X X X X X 1) Blutbild mit Diff-BB, Natrium, Kalium, Kalzium, Kreatinin, Harnstoff, Bilirubin, Gesamteiweiß, Albumin, GOT, GPT, LDH, AP, initial Schwangerschaftstest (Serum oder Urin) bei Frauen im gebärfähigen Alter. Die Nachsorge erfolgt entsprechend den Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft für kolorektale Karzinome. 272 Rektumkarzinom PETACC6-Studie Die PETACC 6-Studie ist eine internationale multizentrische randomisierte Phase-III-Studie im Rahmen der PETACC in Kooperation mit der EORTC. Die AIO ist die „Leading Group“ der Studie für Deutschland. Studientitel Präoperative Radio-/Chemotherapie und postoperative Chemotherapie mit Capecitabin und Oxaliplatin vs. Capecitabin beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom Studienziele Primärer Endpunkt: Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens durch die zusätzliche Gabe von Oxaliplatin prä- und postoperativ (um absolut 7% nach 3 Jahren) Sekundäre Endpunkte: Verbesserung der Lokalrezidivrate, des Gesamtüberlebens und der Rate der Sphinktererhaltung; R0-Resektionsrate, pathologische Remissionsrate (ypT0-T2N0), perioperative Komplikationsrate, Fernmetastasierungsrate, Toxizität und Lebensqualität. Therapieplan Capecitabin und Oxaliplatin werden als Studienware kostenfrei zur Verfügung gestellt Haupteinschlusskriterien • Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Rektum (Tumor ≤ 12 cm ab ano, d.h. unteres und mittleres Drittel • T3/4 oder N+, keine Fernmetastasen, keine Zweitmalignome (außer Basaliom, Zervixkarzinom, Rezidivfreiheit > 5 Jahre) • Tumorstaging durch High-Resolution-MRT, falls nicht vorhanden: CT und Endosonographie • Keine vorherige Chemotherapie oder Bestrahlung des Rektumkarzinoms, keine vorherige Bestrahlung des Beckens • Alter ≥ 18 Jahre, ECOG PS ≤ 2 Kontaktadresse AIO-Studienzentrale Leiter: Dr. Dirk Arnold Strasse des 17. Juni 106-108 10623 Berlin Tel.: 030 / 3229329-33 FAX: 030 / 3229329-43 Email: [email protected] 273 Rektumkarzinom Mannheimer Studie, Ein-, Ausschlusskriterien Studientitel 5-Fluorouracil versus Capecitabin in Kombination mit lokaler Strahlentherapie zur neoadjuvanten und adjuvanten Therapie des Rektumkarzinoms im Stadium II und III. Amendment 1 vom 15.03.2005 mit Einführung eines neuen Stratums mit neoadjuvantem Vergleich von 5-FU und Capecitabin. Studienrationale und Studienziele Die 2002 begonnene Studie untersuchte initial eine adjuvante Radio-/Chemotherapie, wobei eine Bolus-5-FU-basierte Behandlung mit einer Capecitabin-haltigen Behandlung verglichen wurde. Aufgrund der Ergebnisse der deutschen Rektumkarzinomstudie (CAO/ARO/AIO-94), die eine Reduktion der Lokalrezidivrate von 13 auf 6% bei besserer Verträglichkeit zeigte, entschied die Konsensuskonferenz der Deutschen Krebshilfe/Krebsgesellschaft trotz fehlenden Nachweises eines Überlebensvorteils für eine prinzipielle Empfehlung der neoadjuvanten Behandlung in den Stadien II und III. Deswegen wurde ein additiver Arm hinzugefügt, der einen neoadjuvanten Vergleich anbietet, gefolgt von einer postoperativen, adjuvanten Therapie. Der ursprüngliche Arm bleibt gleichwertig parallel bestehen, das jeweilige Behandlungszentrum kann sich patientenbezogen im Einzelfall entscheiden. Primäres Studienziel bleibt das Gesamtüberleben nach 3 bzw. 5 Jahren, sekundäre Studienziele sind Toxizität der oralen Therapie, Rezidivraten und krankheitsfreies Intervall nach 3 bzw.5 Jahren. Studienleitung und Randomisation Prof. Dr. A. Hochhaus, Dr. R. Hofheinz Onkologisches Zentrum III. Medizinische Klinik Universitätsklinikum Mannheim Theodor-Kutzer-Ufer 68167 Mannheim Tel: Fax: 0621-383 2855 0621-383 3833 Randomisation: Biostatistik DKFZ Heidelberg Tel.: 06221-42-2231 (A. Hellmann) Fax: 06221-42-2397 Einschlusskriterien • Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Rektums im Tumorstadium UICC II oder III, entsprechend einem TNMStadium T3-4 NO MO bzw. T1-4 N1-2 MO bzw. einem Stadium B2-3 bzw. C nach der von Astler-Coller modifizierten Dukes-Klassifikation. • Als Rektumkarzinome werden alle Dickdarmkarzinome definiert, deren unterer Rand unterhalb der peritonealen Umschlagfalte bzw. max. 16 cm von der Linea dentata entfernt lokalisiert sind. • Komplette Tumorresektion (R0) gemäß den Kriterien der totalen mesorektalen Resektion (TME). • Kein Nachweis von Fernmetastasen, unabhängig davon, ob diese komplett reseziert wurden. • Intervall zwischen Operation und Therapiebeginn nicht größer als sechs Wochen. • Allgemeinzustand WHO 0-1. • Alter > 18 Jahre. • Ausreichende Knochenmarkreserve, definiert als: Leukozyten > 3.500/μl, Thrombozyten > 100.000/μl, Hämoglobin > 10 g/dl. • Ausreichende Leber- und Nierenfunktion, definiert als: Gesamtbilirubin < 2 g/dl, Serumkreatinin < 2 mg/dl • Schriftliche Einverständniserklärung und Compliance des Patienten • Effektive Kontrazeption • Keine gleichzeitige Teilnahme an weiteren Studien. Ausschlusskriterien • Schwere psychiatrische oder internistische Begleiterkrankung, insbesondere klinisch relevante kardiale Vorschädigung. • Andere maligne Erkrankungen innerhalb der letzten fünf Jahre mit Ausnahme von Basaliomen und erfolgreich behandelten in-situ-Karzinomen der Cervix uteri. • Schwangerschaft oder Stillzeit, insuffiziente Kontrazeption. • Gesamtbilirubin > 2g/dl, Serumkreatinin > 2 mg/dl. • Mangelnde Kooperationsfähigkeit des Patienten. • Vorausgegangene Immun-, Chemotherapie oder Radiotherapie (des Beckens). 274 Rektumkarzinom Mannheimer Studie, Ablaufpläne Behandlungsplan Die deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt aufgrund der Ergebnisse der deutschen Rektumkarzinomstudie ein neoadjuvantes Konzept bei der Behandlung des lokal begrenzten Rektumkarzinoms mit einer postoperativen Therapiefortführung. Dieses Konzept ist jedoch nicht für jeden Fall anwendbar, da zum einen klinische Situationen eine primäre Operation erforderlich machen (drohender oder kompletter Ileus, nicht stillbare, relevante Blutungen), zum anderen Patienten erst postoperativ dem Onkologen vorgestellt werden. Capecitabin wird im Studienrahmen kostenfrei zur Verfügung gestellt. In der Mannheimer Studie gibt es aus diesem Grund ein adaptiertes Vorgehen, je nach Situation kann das einzelne Zentrum über ein neoadjuvantes oder adjuvantes Vorgehen selbst entscheiden. Hierzu wird in der Studie stratifiziert: Stratum 1: Adjuvante Therapie Adjuvante Behandlung ab 4-8 Wochen postoperativ, randomisiert mit Bolus-5FU oder Capecitabin mit einer kombinierten Radio-/Chemotherapie nach 2 Zyklen (Infusional5-FU oder Capecitabin über die gesamte Bestrahlungsdauer). Bei Bolus-5-FU folgen nach Radiatio noch zwei weitere Zyklen, im Capecitabin-Arm 3 weitere Zyklen, um eine vergleichbare Zeitdauer und Dosisintensität zu erreichen. Capecitabin (Studienware) wird auf die nächstniedrigere Dosis, die aus den Tabletten (150/500mg) kombinierbar ist, abgerundet, die höhere Dosis sollte morgens genommen werden. Arm A Arm B AdjuvanteTherapie (Stratum 1) Arm A (O’Connel-Schema) Woche 1 + 5 500 mg/m²/d 5-FU Woche 9-13 Strahlentherapie Chemotherapie Parallel zur RT Woche 18 + 22 (4 Wochen nach RT) i.v. Bolus (< 5 min) d 1– 5 45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett 5-FU 225 mg/m²/d 5-FU 450 mg/m²/d Kontinuierliche Infusion während der Bestrahlung (an allen Tagen) i.v. Bolus d 1– 5 p.o. (morgens u. abends) d 1 – 14 AdjuvanteTherapie (Stratum 1) Arm B (experimenteller Xeloda-Arm) Woche 1 + 4 2 x 1250 mg/m²/d Xeloda (150/500mg) Woche 9-13 Strahlentherapie Chemotherapie Parallel zur RT Woche 18 + 21 + 24 (4 Wochen nach RT) 45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett Xeloda (150/500) 2 x 825 mg/m²/d während der Bestrahlung (an allen Tagen) Xeloda (150/500) 2 x 1250 mg/m²/d p.o. d 1 – 14 Stratum 2: Neoadjuvante Therapie A rm B S2 Neoadjuvante Therapie mit einer kombinierten RadioChemotherapie, randomisiert mit Infusional-5-FU oder Capecitabin. Hierbei wird im Arm A Infusional-5-FU über jeweils 120h in den Wochen 1 und 5 der Radiatio gegeben (alternativ nach Rücksprache durchgehend 225 mg/m2/d), Capecitabin wird im experimentellen Arm B durchgehend in reduzierter Dosis verabreicht. 4-6 Wochen postoperativ folgt je nach Randomisationsarm eine Adjuvans-Behandlung aus 4 vierwöchigen Zyklen Bolus-5-FU oder 5 dreiwöchigen Zyklen Capecitabin. Capecitabin wird dosiert, wie unter Stratum 1 ausgeführt. (Dosis auf Tbl. 500/150mg abrunden). C a p e c i t a b i n 2 5 0 0 m g / m 2 / d (w ä h r e n d R a d i a t i o 1 6 5 0 m g / m 2 ) OP Pause 4-6 W ochen R a d io t h e r a p ie 5 0 ,4 W ochen 1 5 5 - F U (1 2 0 h ) 5000m g/m 2 9 13 17 21 OP Pause 4-6 W ochen A rm A R a d io t h e r a p ie 5 0 ,4 G y Neoadjuvante Therapie (Stratum 2) Arm A (Erlanger Protokoll) Woche 1 - 5 Strahlentherapie Woche 1+ 5 Chemotherapie Woche 10, 14, 18, 22 (4 –(6) Wochen nach OP) 45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett 5-FU 1000 mg/m²/d 5-FU 500 mg/m²/d Kontinuierliche Infusion über 120 Std. (Tag 1-5 und Tag 29-33 der Bestrahlung) i.v. Bolus d 1– 5 Neoadjuvante Therapie (Stratum 2) Arm B (experimenteller Xeloda-Arm) Woche 1 - 5 Strahlentherapie Woche 1 - 5 Chemotherapie Woche 10, 13, 16, 19, 22 (4 -(6) Wochen nach OP) 45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett Xeloda (150/500) 2 x 825 mg/m²/d Xeloda (150/500) 2 x 1250 mg/m²/d 275 Täglich an 7 Tagen der Woche während Radiatio p.o. d 1 – 14 Rektumkarzinom Mannheimer Studie, Verlaufsuntersuchungen Zeitpunkt 0 Einwilligung Ein-/Ausschlusskriterien Anamnese Allgemeinzustand (WHO) Körperliche Untersuchung Rö-Thorax Oberbauch-Sonographie Elektrokardiogramm Differentialblutbild Blutbild BKS Klinische Chemie I* Klinische Chemie II** Tumormarker (CEA/CA19-9) Chemotherapie Safety Rektoskopie und RektumEndosonographie**** Koloskopie‡‡ CT des Beckens‡‡‡ * ** *** **** ‡‡ ‡‡‡ § RadioZyklus therapie 1§ (jede W.) Zyklus 2§ Zyklus 3 Zyklus 4 X X X X X X Zyklus 6 Zyklus Follow (gilt nur f. 5*** -up Arm B) X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X Kalium, Natrium, Kreatinin, Bilirubin, ALAT, ASAT, AP, GGT, LDH, Gesamteiweiß, Albumin, Quick, PTT, INR Natrium, Kalium, Kreatinin, AP, GGT, LDH, ALAT, ASAT, Bilirubin Zyklus 5 wird gleichzeitig als 3-Monats-Nachsorge verstanden Rektoskopie bei Rektumresektion mit Endosonographie, im 1. und 2. Jahr im 6-Monatstakt, danach 1mal pro Jahr. Im ersten Jahr postoperativ, danach im Ermessen des Arztes. Im 3., 12. und 24. postoperativen Monat. Zyklus 1 und 2 werden im Arm A während der Radiotherapie verabreicht. Im Arm B entfällt die Handlungsanweisung für Zyklus 2, da durchgehend mit Capecitabin behandelt wird. Der erste Zyklus nach Abschluss der Radio-/Chemotherapie in Arm B wird somit als Zyklus 2 verstanden Dosismodifikation Übersicht über Dosisreduktion und Therapieverzögerung für Capecitabin und 5-FU während der Zeit der alleinigen Chemotherapie Grad 2 Grad 3 Grad 4 1. Auftreten Unterbrechung bis Erreichen Grad-0-1-Toxizität, dann weiter mit 75% Unterbrechung bis Erreichen Grad-0-1-Toxizität, dann weiter mit 75% Unterbrechung bis Erreichen Grad-0-1-Toxizität; dann weiter mit 50% 2. Auftreten Unterbrechung bis Erreichen Grad-0-1-Toxizität, dann weiter mit 50% Unterbrechung bis Erreichen Grad-0-1-Toxizität, dann weiter mit 50% Abbruch der Chemotherapie 3. Auftreten Abbruch der Chemotherapie Abbruch der Chemotherapie Abbruch der Chemotherapie Übersicht über Dosisreduktion und Therapieverzögerung für Cape. und 5-FU während der komb. Radio-Chemotherapie Grad 2 Grad 3 Grad 4 1. Auftreten Unterbrechung bis Erreichen Grad-0-Toxizität, dann weiter mit 75% Unterbrechung bis Erreichen Grad-0-Toxizität, dann weiter mit 50% Unterbrechung bis Erreichen Grad-0-Toxizität, dann weiter mit 50% 2. Auftreten Unterbrechung bis Erreichen Grad-0-1-Toxizität, dann weiter mit 50% Abbruch der Chemotherapie (während der Radiatio) Abbruch der Chemotherapie (während der Radiatio) 3. Auftreten Abbruch der Chemotherapie (während der Radiatio) - - 276 Rektumkarzinom Neoadjuvante Therapie, Berliner Studie Prospektiv randomisierte Vergleichstudie zur präoperativen Kurzzeit-Radiotherapie versus Langzeit-Radio/Chemotherapie beim uT2-3-Rektumkarzinom Studienleiter: Prof. Dr. P.M. Schlag und Prof. Dr. V. Budach, Charité Berlin Fragestellung Ziel der Studie ist es festzustellen, inwieweit sich die Ergebnisse nach Kurzzeit- bzw. Langzeitvorbestrahlung bei Patienten mit fortgeschrittenem, aber resektablem Rektumkarzinom im Hinblick auf die Lokalrezidivfrequenz, aber auch die Gesamtüberlebenszeit, die postoperative Morbidität und die Lebensqualität unterscheiden. Es soll eine Therapieoptimierungsprüfung durchgeführt werden, die multizentrisch, prospektiv randomisiert, offen im Paralleldesign geplant die Kurzzeitbestrahlung (Arm A) mit einer neoadjuvanten Radio/Chemotherapie (Arm B) beim cT2 N+ M0 oder cT3 N0 M0-Rektumkarzinom vergleicht. Studiendesign KurzzeitVorbestrahlung 5x5 Gy OP R0-Resektion Adjuvante Chemotherapie 5-FU (300 mg/m2/d) über 12 Wochen Arm A uT2 N+ uT3 N+ uT3 N- R A N D O M Nachsorge (3, 6, 12, 18, 24, 36, 48, 60 Monate nach OP) Arm B Neoadj. Radio-/Chemoth. ED 1,8 Gy, GD 50,4 Gy 5FU-Dauerinf. (225mg/m2/d) OP R0-Resektion Adjuvante Chemotherapie 5-FU (300 mg/m2/d) über 12 Wochen Einschlusskriterien Rektumkarzinom (oberer Tumorrand max. 12 cm von der Linea dentata, gemessen mit dem starren Rektoskop Adenokarzinom oder muzinöses Adenokarzinom (nicht undifferenziertes Karzinom, kloakogenes Karzinom) Karzinom nicht auf dem Boden einer CED oder familiären Tumorerkrankung (FAP, HNPCC) Endosonographisch oder durch CT/MRT diagnostizierbarer T2 N+ - oder T3 N0 bzw. T3 N+ Tumor (kein T1- oder T4-Tumor) Chirurgische Therapie durch anteriore Resektion, intersphinktere rekto-anale Resektion oder Rektumexstirpation geplant und kurative Resektion (R0) wahrscheinlich (nicht Patienten mit geplanter lokaler chirurgischer Exzision oder endoskopischer totaler Polypektomie) Ausschluss juxtaregionaler Lymphknotenmetastasen (z.B. Leiste, paracaval) sowie von Fernmetastasen Studienleiter Prof. Dr. Peter Schlag Charité Campus Berlin-Buch, Lindenberger Weg 80, 13125 Berlin Tel.: 030-94171400 od. 030-94171403 FAX 030-94171404 Email: pmschlag@charité.de 277 Rektumkarzinom Strahlentherapie adj./neoadjuvant, Therapieempfehlung Das Zielvolumen der Strahlentherapie erfasst die (ehemalige) Tumorregion und die pelvinen Lymphabflusswege, d.h. die dorsale Beckenhälfte, und reicht vom Beckeneingang bis zum Beckenboden, nach erfolgter abdomino-perinealer Amputation wird das Perineum miterfasst. Obligat sind maximale Bemühungen zur Reduktion des mitbestrahlten Dünndarm- und Harnblasenvolumens, d.h. Bestrahlung in Bauchlage auf einem sogenannten Lochbrett in einer computeroptimierten individuell kollimierten 3- oder 4-Feldertechnik. Alle Felder werden täglich bestrahlt. Konventionelle Therapie Je nach miterfasstem Dünndarmvolumen 45 bis 50,4 Gy auf das o.g. Zielvolumen, anschließend Boost auf die (ehemalige) Tumorregion bis zu einer Gesamtdosis von 50,4 Gy bei präoperativer Therapie bzw. postoperativ 54-55,8 Gy . Kurzzeit-Vorbestrahlung Die Tagesdosis beträgt 5,0 Gy und die Gesamtdosis 25 Gy bei präoperativer Therapie. Die Kurzzeit-Bestrahlung muss innerhalb einer Woche abgeschlossen sein und sollte daher an einem Montag beginnen. Innerhalb von 3 Tagen nach Ende der Therapie sollte die Operation erfolgen, da sonst die postoperative Komplikationsrate ansteigt. Voraussetzung für die postoperative Strahlentherapie R0-Resektion nach Möglichkeit mit einem Verschluss der Sakralhöhle mit einer Prävention für das Eindringen des Dünndarms in das kleine Becken. Damit kann die Gefahr einer Strahlenenteritis reduziert werden. Technik der postoperativen adjuvanten Strahlentherapie Bestrahlungsvolumen: Hintere Beckenhälfte von Deckplatte LWK 5 bis Beckenboden, 1 cm lateral der Linea terminalis. Nach Rektumexstirpation Einschluss des Perineums. Bestrahlungstechnik: 4-Felder-Box, individuell kollimierte Felder. Bestrahlung aller Felder täglich. Bestrahlungsdosis: Einzeldosis 1,8 Gy/Referenzpunkt, 5 x wöchentlich bis 50 Gy/Referenzpunkt. (Dosismaximum < 55 Gy). Die 90%-Isodose umschließt das Zielvolumen. Kleinvolumige Aufsättigung (boost) im Gebiet des größten Rezidivrisikos bis 56 Gy nach Resektion, evtl. bis 59,4 Gy nach Exstirpation. Dosismaximum < 65 Gy. Bestrahlungsfelder bei Rektumkarzinom Laterale Bestrahlunsfelder. Die untere gestrichelte Linie gilt bei Patienten mit abdominoperinealer Exstirpation (einschl. Perineum). ap/pa-Bestrahlungsfelder. Die gestrichelte Linie unten gilt für Patienten mit abdomino-perinealer Exstirpation (einschl. Perineum). 278 Histologisches Regressionsgrading nach neoadjuvanter Therapie Die neoadjuvanten Therapieverfahren können zu unterschiedlich ausgeprägten regressiven Veränderungen eines Tumors führen. Beim Regressionsgrading wird nicht die Differenzierung des Tumors beurteilt, sondern die Auswirkung der Therapie auf das Tumorgewebe. In der 6. Auflage der TNM-Klassifikation 2002 wurde festgelegt, dass allein vitale Tumoranteile für das Regressionsgrading herangezogen werden, um eine bessere Reproduzierbarkeit zu erreichen. Entzündliche Veränderungen oder Schleimseen ohne vitale Zellen sollen nicht berücksichtigt werden. Die Bestimmung des vitalen Tumoranteils erfolgt in den allermeisten Fällen bereits am routinemässig angefärbten HE-Schnitt. Immunhistologische Zusatzuntersuchungen (z.B. Zytokeratine) oder Stufenschnitte sind nur in Ausnahmefällen erforderlich und werden dann eingesetzt, wenn es um die Frage geht, ob eine komplette Tumorregression vorliegt. Sie sollen einzelne Tumorzellen zeigen, die im HE-Schnitt nicht sicher zu erkennen sind. Am Resektat werden das gesamte Tumorbett histologisch untersucht und der Prozentsatz vitaler Tumorzellen am Gesamtvolumen bestimmt bzw. das Verhältnis vitaler Tumor zu Fibrose ermittelt. Für die sichere Bestimmung einer kompletten Tumorregression, d.h. keine vitalen Tumorzellen, ist eine vollständige histologische Untersuchung des Tumorgebietes erforderlich Es existieren mehrere Systeme zur Graduierung dieser Veränderungen im pathohistologisch untersuchten Tumorgewebe des Tumorresektates insbesondere für unterschiedliche Lokalisationen im Gastrointestinaltrakt und unterschiedliche histologische Tumortypen. Bisher gibt es kein national oder international anerkanntes einheitliches Regressionsgradig. Von einigen Autoren wird vorgeschlagen, das Regressionsgrading der TU München nach Werner und Höfler (In: Roder et al. Therapie gastrointestinaler Tumoren. Springer 2000, S. 45-53) auf alle gastrointestinalen Tumore anzuwenden. Regressionsgrading nach Dvorak (Int J Colorectal Dis 1997;12:19-23) Grad 0 Keine Regression Grad 1 Überwiegend Tumor mit deutlicher Fibrose und /oder Vaskulopathie Grad 2 Überwiegend Fibrose mit wenigen Tumorzellen (leicht histologisch zu erkennen) Grad 3 Sehr wenig (schwierig histol. nachzuweisende) Tumorzellen innerhalb Fibrose mit od. ohne Schleimseen. Grad 4 Keine vitalen Tumorzellen nachweisbar Regressionsgrading der TU München nach Werner u. Höfler 2000 Grad Bedeutung Kriterien 1a Komplette Response (CR) Keine Tumorzellen nachweisbar 1b Subtotale Response (SR) <10% vitale Tumorzellen 2 Partielle Response (PR) 10-50% vitale Tumorzellen 3 Minimale Response (MR) >50% vitale Tumorzellen Keine Response (NR) Keine histologischen Regressionszeichen Dieses System wurde ursprünglich für Adenokarzinome des Magens entwickelt, ist aber auch auf alle anderen Tumoren im Gastrointestinaltrakt anwendbar Response und Prognose Die Tumorregression nach neoadjuvanter Therapie ist ein unabhängiger Prognosefaktor. Dies betrifft jedoch nur Tumoren mit kompletter oder hochgradiger Regression (keine oder < 10% vitale Tumorzellen). Signifikante Unterschiede im Überleben konnten bei mehr als 10 % vitalem Tumoranteil nicht nachgewiesen werden (Wittekind C et al., Pathologe 2003;24:61-5). Tumorausbreitung und TNM-Klassifikation Findet man nach neoadjuvanter Therapie vitale Tumorzellen in der Kolonwand, aber Schleimseen ohne vitale Tumorzellen z.B. im perikolischen Fettgewebe, kann man von einer Karzinominfiltration des Fettgewebes vor der Therapie ausgehen. Die Vorbehandlung hätte dann zu einem „Downstaging“ (niedrigere T-Kategorie) geführt. Ein echtes Downstaging wird selten beobachtet. Ursache ist die gleichmässige Verteilung der regressiven Veränderungen im Tumor nach neoadjuvanter Therapie, da der vitale Tumoranteil nicht vom Rand zum Zentrum hin schrumpft. Selbst wenn eine hochgradige Regression mit vitalem Tumoranteil unter 10% vorliegt, aber noch einzelne vitale Tumorzellen in der gleichen T-Kategorie wie beim initialen Staging vorhanden sind, handelt es sich deshalb um kein Downstaging. Ein echtes Downstaging findet sich deshalb fast nur bei der kompletten Regression. Allerdings führt die neoadjuvante Therapie zur Verkleinerung und Fibrosierung des Tumors, also zu einem „Downsizing“ mit der Folge einer besseren Operabilität und häufigeren R0-Resektionen. 279 Nachsorgeempfehlungen S3-Leitlinie 2004/2008 Tumorstadium UICC I Eine regelmäßige Nachsorge bei Patienten mit kolorektalem Karzinom und frühem Tumorstadium (UICC I) ist nach R0-Resektion in Anbetracht der geringen Rezidivrate und der günstigen Prognose nicht zu empfehlen. Abweichend hiervon kann im Einzelfall bei Annahme eines hohen lokalen Rezidivrisikos aufgrund des endoskopischen und intraoperativen Befundes, z. B. nach intraoperativer Tumoreröffnung, oder aufgrund eines histopathologischen Befundes, z. B. G3/4-Tumore und/oder Venen- und Lymphgefäßinvasion, pT2-Tumoren, eine engmaschige Nachsorge angezeigt sein. Tumorstadium UICC II und III Nach Resektion von kolorektalen Karzinomen im UICC-Stadium II und III sind regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen indiziert. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens Diese sollten jedoch nur durchgeführt werden, wenn bei einem Rezidiv therapeutische Konsequenzen zu erwarten sind. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 5, starker Konsens Nach palliativer Tumorresektion sollte die Nachbetreuung symptomorientiert erfolgen. Tumoren, die nicht eindeutig dem Rektum oder Sigma zuzuordnen sind, werden in der Nachsorge wie Rektumkarzinome behandelt. Wenn präoperativ eine Abklärung des gesamten Kolons nicht möglich war, sollte 3 Monate postoperativ eine Koloskopie erfolgen. Nachsorgeempfehlung beim Kolorektalen Karzinom UICC-Stadium II und III Untersuchung 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr 5. Jahr Monat 6 12 18 24 36 48 60 Anamnese und körperliche Untersuchung, CEA X X X X X X X Hohe Koloskopie X1 Sonographie3 X X X X X X Sigmoidoskopie 4 (Rektoskopie) X X X X Spiral-CT5 X2 X 3 Monate nach Abschluss der tumorspezifischen Therapie als Ausgangsbefund Rö.-Thorax (kein Konsens) 1 2 3 4 5 wenn keine vollständige Koloskopie präoperativ erfolgt ist bei unauffälligem Befund (kein Adenom, kein Karzinom) nächste Koloskopie nach 5 Jahren Eine Metaanalyse ergab einen Vorteil für die bildgebenden Verfahren zum Nachweis von Lebermetastasen in der Nachsorge. Aus diesem Grund entschied sich die Expertenkomission, das einfachste und kostengünstigste Verfahren anzuwenden. nur beim Rektumkarzinom ohne neoadjuvante oder adjuvante Radio-/Chemotherapie nur beim Rektumkarzinom CEA-Bestimmung Die Bestimmung des karzinoembryonalen Antigens (CEA) wird alle 6 Monate für mindestens 2 Jahre empfohlen. Ein erhöhter CEA-Wert erfordert eine weitere Diagnostik, berechtigt aber nicht zum Beginn einer systemischen Chemotherapie bei Verdacht auf ein metastasiertes Tumorstadium. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. Anmerkungen: CEA erwies sich in der Nachsorge bei der frühzeitigen Entdeckung von Lebermetastasen besser als Koloskopie, Computertomographie und Sonographie. Eine Metaanalyse von 7 nicht randomisierten Studien zeigte einen Überlebensvorteil von 9% für Patienten, bei denen im Nachsorgeprogramm CEA enthalten war. Andere Studien führten zu keinem oder nur einem minimalen Nutzen. CEA wird in der Nachsorge in einer Literaturübersicht nicht empfohlen. Amerikanische (ASCO) und Europäische (EGTM, European Group on Tumour Markers) Leitlinien zur Nachsorge enthalten jedoch das CEA, wobei die Bestimmung alle 2-3 Monate in den ersten 2 Jahren empfohlen wird für Patienten, die willens und in der Lage sind, sich einer Leberresektion bei Auftreten von Metastasen zu unterziehen. Siehe dagegen die 2005 aktualisierten ASCO-Nachsorgeempfehlungen (folgende Seite) 280 Nachsorgeempfehlungen ASCO Guidelines 2005 Ziele der Nachsorge nach kurativer Resektion beim Kolonkarzinom sind: Entdeckung eines Lokalrezidivs. sowie von resektablen Metastasen mit kurativem Potential frühzeitige Erkennung von primär nicht resektablen Metastasen, die ein Downsizing durch eine Chemotherapie erfahren könnten und dann sekundär resektabel würden Erkennung von Toxizitäten der vorangegangenen Behandlung. Die medikamentöse und chirurgische Behandlung bei Tumorrezidiv bzw. Metastasierung hat sich kontinuierlich weiter entwickelt und das Langzeit-Überleben für Patienten mit Leber- und Lungenmetastasen verbessert sich weiter. Studien ASCO Panel 2005: „Die Qualität der Literatur zur Tumornachsorge ist dürftig“. 2002 wurden die Ergebnisse von 5 randomisierten Studien in 2 unabhängig voneinander publizierte Metaanalysen zusammengefasst, die ähnliche Schlussfolgerungen zeigten: intensives Follow-up nach primärer Operation ist mit einer annähernd 20%igen Verbesserung der hazard ratio im Hinblick auf den Tod vergesellschaftet. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass die gepoolte 5-Jahres-Mortalität für intensiv nachgesorgte Patienten 30% betrug gegenüber 37% bei den nicht intensiv nachgesorgten Patienten (Renehan AG et al., BMJ 2002; 234:1-8 und Jeffrey GM et al., The Cochrane Library Issue 1, 2002, Oxford, CD002200). Dieser Benefit war klarer in den vier Studien, die CT und/oder häufige CEAMessungen benutzten. Die Studie von Chau et al. (J Clin Oncol 2004;22:1420-1429) bekräftigt dies. Bei 530 Patienten im Stadium II und III wurden 45 Rezidive per CEA und 49 Rezidive per CT entdeckt. 14 Rezidive wurden durch beide Untersuchungen entdeckt. Verglichen mit den Patienten, deren Rezidiv aufgrund von Symptomen entdeckt wurde, hatte die CT-Gruppe ein signifikant besseres Gesamt-Überleben. Während die größte Zahl an Rezidiven per Abdomen-CT gefunden wurde, wurde die größte Anzahl von resektablen Rezidiven im Thorax-CT gefunden. ASCO Guidelines Colorectal Cancer Surveillance 2005 Vor dem Hintergrund eines Überlebensbenefits bei intensiver Nachsorge hat die American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2005 ihre Practice guidelines für die Kolonkarzinom-Nachsorge geändert. Anamnese und klinische Untersuchung Häufigkeit, Dauer und Benefit wurden bisher niemals formal untersucht. alle 3-6 Monate in den ersten 3 Jahren, danach halbjährlich für weitere 2 Jahre. CEA alle 3 Monate bei Patienten im Stadium II oder III für mindestens 3 Jahre nach Diagnose, wenn der Patient ein Kandidat für eine Operation oder eine systemische Therapie ist. Bildgebende Verfahren CT-Thorax und Abdomen jährlich für 3 Jahre CT-Becken jährlich bei Rektumkarzinom, wenn der Patient ein hohes Rezidivrisiko hat und fähig zu einer kurativen Operation ist Endoskopische Untersuchungen Koloskopie nach 3 Jahren und wenn unauffällig 5 Jahre später bei genetischen Syndromen gelten spezielle Empfehlungen Sigmoidoskopie alle 6 Monate für 5 Jahre bei Patienten mit Rektumkarzinom ohne Radiatio. Das Panel betont, dass es im Gegensatz zum Leber-CT wenig Evidenz für das Thorax-CT gibt. Ein Grund für die Empfehlung in der Nachsorge waren die Erkenntnisse von Chau (siehe oben), ein weiterer die Tatsache, dass pulmonale Rez. seltener CEA-Erhöhungen machen. Zum anderen waren die Lungenmetastasen bei Rektumkarzinompatienten genauso häufig wie Leberrezidive und repräsentierten den größten Anteil resezierter Metastasen in der Intergroup 0114-Studie. Eigene Empfehlung für Patienten, die Kandidaten für eine kurative Operation sind Untersuchung 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr 5. Jahr Monat 3 6 9 12 15 18 21 24 30 36 48 60 Anamnese und körperliche Untersuchung, CEA X X X X X X X X X X X X Hohe Koloskopie X1) Abdominelle Sonographie3) X X X X Sigmoidoskopie (Rektoskopie)4) CT Abdomen (+ Becken 5)) CT-Thorax 6) X2) X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X 1) wenn keine vollständige Koloskopie präoperativ erfolgt ist. 2) bei unauffälligem Befund (kein Adenom, kein Karzinom) nächste Koloskopie nach 3 Jahren. 3) eine Metaanalyse ergab einen Vorteil für die bildgebenden Verfahren zum Nachweis von Lebermetastasen in der Nachsorge 4) beim Rektumkarzinom 5) nur beim Rektumkarzinom. 6) besonders beim Rektumkarzinom. 281 Kolorektale Karzinome, fortgeschrittene Stadien ESMO-Empfehlungen 2008, Diagnostik, Therapie Van Cutsem E.J.D. & Oliveira J. Ann Oncol 2008;19 Suppl 2:33-34 Inzidenz Stand 2/2008 ! Keine Berücksichtigung KRAS! 2006 gab es 412 900 Neuerkrankungen an kolorektalem Karzinom in Europa. Dies sind 12,9% aller Krebserkrankungen. Das KRK ist im Jahre 2006 für 217 400 Todesfälle in Europa verantwortlich. Das entspricht 12,2% aller Todesfälle an Krebs. Diagnose Der klinische Verdacht auf eine Metastasierung sollte immer durch entsprechende radiologische Bildgebung (normalerweise in Form eines CTs) und/oder eine szintigraphische Untersuchung bestätigt werden. Eine histopathologische oder zytologische Sicherung sollte immer dann angestrebt werden, wenn eine atypische oder sehr späte Manifestation nach der Primärtumorerkrankung vorliegt. Resektable Metastasen müssen nicht histologisch oder zytologisch vor einer Resektion gesichert werden. Die Evaluation der Gesamtsituation, Begleiterkrankungen und die Organfunktionen bestimmen die therapeutische Strategie. Staging In Hinblick auf die Identifizierung der Patienten mit potentiell kurativem chirurgischem Therapieansatz sollte das Staging die körperliche Untersuchung des Patienten, Blutbildwerte, Leber- und Nierenfunktionstests, CEABestimmung, Röntgen- Thorax und eine CT des Abdomens beinhalten. Der Allgemeinzustand und der LDH-Spiegel sind die stärksten individuellen Prognosefaktoren. Ein CT der Thoraxorgane und weitere klinisch erforderliche Untersuchungen sind vor einem größeren abdominellen chirurgischen Eingriff mit kurativer Zielsetzung notwendig. Ein FDG-PET kann zusätzliche Informationen über weitere eindeutige Läsionen vor Resektion bei einer metastasierten Erkrankung vermitteln oder neue Läsionen im Falle einer geplanten Metastasenresektion identifizieren. Das Vorgehen sollte aus einer multidisziplinären Perspektive diskutiert werden. Behandlung Eine chirurgische Intervention sollte bei solitären oder begrenzten Leber- oder Lungenmetastasen in Erwägung gezogen werden. Langzeitüberleben kann in erfahrenen Händen erzielt werden. Bei Patienten mit resektablen Lebermetastasen verbessert eine perioperative Kombinationschemotherapie mit 5FU/Leukovorin/Oxaliplatin das Ergebnis (verbessertes progressionsfreies Überleben). Initial nicht resektable Lebermetastasen können nach Downsizing durch Chemotherapie resektabel werden. Eine palliative First-line-Chemotherapie sollte frühzeitig in Erwägung gezogen werden und 5-Fluorouracil (i.v. 5-FU oder orale Fluoropyrimidine) in verschiedenen Kombinationen und Schedules beinhalten. Die Gabe als Infusion ist generell weniger toxisch als Bolus-Regime. Das orale Fluoropyrimidin Capecitabine und UFT/LV sind Alternativen zu Bolus-5-FU/Folinsäure als Monotherapie Eine kombinierte Chemotherapie mit 5-FU/LV/Oxaliplatin (FOLFOX-Regime) oder 5-FU/LV/Irinotecan (FOLFIRIRegime) zeigt bessere Überlebensraten als 5-FU/LV. FOLFOX und FOLFIRI haben eine ähnliche Aktivität, aber ein unterschiedliches Toxizitätsprofil. Die Kombination von Capecitabine/Irinotecan ist etwas toxischer als 5FU/Folinsäure/Irinotecan. Die Dauer der Chemotherapie beim metastasierten KRK bleibt kontrovers. Behandlungsunterbrechungen der Kombinationschemotherapie können erwogen werden, insbesondere dann, wenn es zu einer kumulativen Toxizität kommt und wenn die Krankheitskontrolle erreicht ist. Eine Erhaltungstherapie mit Fluoropyrimidinen kann erwogen werden, wenn eine Unterbrechung der Kombinationschemotherapie geplant ist. Eine Reinduktion der Kombinationschemotherapie ist normalerweise im Falle der Progression indiziert. Eine Second-line-Chemotherapie sollte bei Patienten mit gutem Allgemeinzustand eingesetzt werden. Bei Patienten, die auf FOLFOX refraktär sind, kann ein Irinotecan-basiertes Regime in der second-line Behandlung zum Einsatz kommen. Patienten, die refraktär auf FOLFIRI sind, kann FOLFOX als second-lins-behandlung angeboten werden. Der Einsatz monoklonaler Antikörper gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) und den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) in Kombination mit einer Chemotherapie sollte bei ausgewählten Patienten mit metastasiertem KRK erwogen werden. Bevacizumab erhöht das Gesamtüberleben und das progressionsfreie Überleben in der Erstlinien-Behandlung in Kombination mit einem Irinotecan-haltigen Regime und das progressionsfreie Überleben in der Kombination mit Fluoropyrimidin und Oxaliplatin. Cetuximab und Panitumumab sind als Monosubstanzen bei chemotherapierefraktärem KRK aktiv. Die Kombination von Cetuximab mit Irinotecan ist aktiver als eine Cetuximab-Monotherapie. Die Antikörper gegen VEGF und EGFR haben ein spezifisches Nebenwirkungsprofil. Evaluation des Ansprechens Anamnese, körperliche Untersuchung, CEA, wenn initial erhöht, und ein CT der betroffenen Region werden 2-3 Monate nach Beginn der palliativen Chemotherapie empfohlen. 282 Metastasierte kolorektale Karzinome Therapeutisches Vorgehen I, S3-Leitlinie 2004/2008 Definition von Subgruppen nach klinischen Situationen/Therapiezielen I. Patienten mit primär resektablen Leber- und/oder Lungenmetastasen II. Patienten mit einer Indikation für eine intensivierte systemische Therapie 1. Patienten mit Leber- und/oder Lungenmetastasen, potenziell resektabel nach Ansprechen auf neoadjuvante Therapie und klinisch operable Patienten 2. Patienten mit tumorbedingten Symptomen, Organkomplikationen oder rascher Progress III. Patienten mit der Möglichkeit für eine weniger intensive Therapie 1. Patienten mit multiplen Metastasen ohne Option für Resektion nach Metastasenrückbildung, ohne tumorbezogene Symptome oder Organkomplikationen und/oder schwerer Komorbidität. Starker Konsens. Patienten mit primär resektablen Leber- und/oder Lungenmetastasen Primär resektable Lungenmetastasen Resektable Lungenmetastasen sollen reseziert werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens Primär resektable Lebermetastasen Definition: Resektable Lebermetastasen liegen vor, wenn Eine nicht resektable extrahepatische Tumormanifestation ausgeschlossen ist, Weniger als 70% des Parenchyms befallen sind, Weniger als 3 Lebervenen und weniger als 7 Segmente betroffen sind Keine Leberinsuffizienz oder Child-B- oder -C-Zirrhose vorhanden ist, Keine schwerwiegenden Begleiterkrankungen vorliegen. Auf die Leber beschränkte R0-resektable Metastasen sollen reseziert werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens. Die Resektabilität von Metastasen soll durch einen in der Metastasenchirurgie erfahrenen Chirurgen beurteilt werden. Starker Konsens. Präoperative Bildgebung Bei Patienten mit Lebermetastasen und einem Fong-Score >2 sollte präoperativ ein FDG-PET-CT durchgeführt werden, da dies in etwa 25% der Patienten, bedingt durch den Nachweis weiterer Metastasen, eine Änderung der therapeutischen Strategie zur Folge hat. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens. Perioperative Therapie primär resektabler Lebermetastasen Eine neoadjuvante systemische Therapie resektabler Lebermetastasen kann in begründeten Ausnahmefällen erwogen werden. Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 3, starker Konsens. Adjuvante Therapie resektabler Lebermetastasen Nach R0-Resektion synchroner oder metachroner Lebermetastasen kann eine adjuvante Chemotherapie erwogen werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2, starker Konsens. Klinische Gruppen II und III Indikation für eine systemische Therapie – Allgemeine Empfehlungen Eine medikamentöse Tumortherapie ist grundsätzlich indiziert, da ein Überlebensvorteil nachgewiesen ist. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens. Besteht die Indikation zu einer medikamentösen Tumortherapie, so soll diese zum Zeitpunkt des Nachweises der Metastasen unabhängig von metastasenbezogenen Symptomen eingeleitet werden. Bei der Indikationsstellung sind mögliche Kontraindikationen zu berücksichtigen. Alter per se stellt keine Kontraindikation dar. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens. Bei Indikation zur systemischen Therapie (z. B. inoperable Leber-/Lungenfiliae) kann der Primärtumor belassen werden. Ausnahmen können ein symptomatisch stenosierendes Tumorwachstum und/oder eine Hb-relevante Blutung sein. Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. Grundsätzlich sollen die Patienten im Laufe ihrer Therapie Zugang zu allen verfügbaren Medikamenten haben. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 5. 283 Metastasierte kolorektale Karzinome Therapeutisches Vorgehen II, S3-Leitlinie 2004/2008 Patienten mit einer Indikation für eine intensivierte systemische Therapie Vorgehen bei isolierten primär irresektablen Lungenmetastasen Bei primärer Irresektabilität soll eine systemische Chemotherapie erfolgen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. Vorgehen bei isolierten primär irresektablen Lebermetastasen Systemische neoadjuvante Therapie Bei primär irresektablen Lebermetastasen soll eine systemische Therapie begonnen werden. Wichtig ist die regelmässige Evaluation einer möglichen sekundären Resektabilität nach Remissionsinduktion. Ist das Therapieziel die Remissionsinduktion mit sekundärer Metastasenresektion, dann soll primär die effektivs.te jeweils verfügbare systemische Kombinationstherapie angewandt werden (intensivierte Therapie). Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. Chemotherapiefolgen auf das gesunde Lebergewebe und Metastasenlokalisation Die Hepatotoxizität verschiedener Protokolle, z.B. „Blue liver“/Chemotherapie-assoziierte Steatohepatitis (CASH), sollte dabei in die differenzialtherapeutische Entscheidung und OP-Planung miteinbezogen werden. Empfehlungsgrad : B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens. Intraoperativ sollte eine Exploration der Leber anhand der Metastasenlokalisation in der Ausgangsbildgebung erfolgen. Es sollte eine chirurgische Therapie aller Ausgangsläsionen angestrebt werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens. Lokoregionäre Therapieverfahren Der Nutzen einer lokalen Behandlung (z.B. Lasertherapie, Radiofrequenzablation und stereotaktische Radiotherapie) bezogen auf das Überleben ist nicht erwiesen. Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 4, Konsens. Für den Einsatz von SIRT (selektive internal radiation therapy) und HAI (hepatic arterial infusion) besteht außerhalb von Studien keine Indikation. Konsens. Patienten mit einer Indikation für eine intensivierte palliative Therapie Patienten mit tumorbedingten Symptomen, Organkomplikationen oder raschem Progress sollten unter Berücksichtigung des Allgemeinzustands des Patienten eine möglichst effektive Kombinationstherapie erhalten (intensivierte Therapie). Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 5, starker Konsens. Patienten mit der Möglichkeit für eine weniger intensive Therapie Bei Patienten mit multiplen Metastasen ohne Option für Resektion nach Metastasenrückbildung ohne tumorbezogene Symptome oder Organkomplikationen und/oder schwerer Komorbidität kann eine Monotherapie als Erstlinientherapie eingesetzt werden. Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1, starker Konsens. Für den Fall, dass eine Fluoropyrmidin-Monotherapie gegeben wird, sollte eine orale der intravenösen 5-FU-Gabe vorgezogen werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens. Chemotherapieprotokolle in der Zweit- und Drittlinientherapie Aufgrund unzureichender Evidenz soll mit Ausnahme der Fluoropyrimidine oder der Gabe von Irinotecan in Kombination mit Cetuximab nach Versagen einer irinotecanhaltigen Therapie keines der oben beschriebenen Therapeutika nach dokumentiertem Progress unter Therapie weiter appliziert werden. Dies gilt auch für Cetuximab und Bevacizumab. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2, starker Konsens. Nicht hepatische oder nicht pulmonale Fernmetastasen Peritonektomie und hypertherme abdominale Perfusion können bei nicht ausreichender Studienlage derzeit nicht empfohlen werden Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. 284 Metastasierte kolorektale Karzinome Therapiestrategie, Chemotherapie Die zunehmende Zahl an neuen Substanzen in der Therapie des metastasierten Kolorektalen Karzinoms (KRK) erhöht die Möglichkeiten für Kombinations- und sequentielle Therapien. Durch die Integration von Oxaliplatin, Irinotecan und der oralen Fluoropyrimidine als konventionelle Chemotherapie sowie die Verfügbarkeit der neuen molekularen Substanzen Bevacizumab und Cetuximab hat sich die Prognose der Patienten bedeutend verbessert. In der metastasierten Situation beträgt die Ansprechrate auf eine Primärtherapie um 50%, die Zeit bis zur Progression 9 Monate und mehr, und das Gesamtüberleben häufig mehr als 2 Jahre. Definition des Therapieziels Durch die Resektion von Lungen- und/oder Lebermetastasen ist bei ca. 30% der Operierten ein Langzeitüberleben möglich und zwar unabhängig davon, ob diese Resektion primär oder erst nach „Downsizing“ durch eine Chemotherapie erfolgt ist. Somit vollzieht sich ein Wandel der Behandlung von einer palliativen zu einer potentiell kurativen Therapie (siehe auch Therapiestrategie Lebermetastasen). Die Intensität der Primärtherapie hängt ab vom Therapieziel und individuellen Kriterien, insbesondere Komorbiditäten. Therapieziele können sein: Kuration bei sekundärer Metastasenresektion Rasche maximale Remission bei tumorbedingten Symptomen und drohenden Organkomplikationen gute Lebensqualität und möglichst lange Überlebenszeit. Therapiestrategie Metastasiertes KRK R0-resektabel, guter Prognosescore Lebermetastasen Sekundäre Resektion möglich Klinische Operabilität Tumorbedingte Symptome Rascher Progress, hohe Tumorlast Drohende Organkomplikationen Multiple Metastasen Keine Resektion möglich Langsamer Tumorprogress Schwere Komorbidität Hohes biologisches Alter Primäre Resektion Intensive Primärtherapie Sekundäre Resektion wenn möglich Sequentielle eskalierende Therapie möglich siehe auch Therapiestrategie Therapieziel: Maximale rasche Remission, sekundäre Metastasenresektion Bei Patienten mit potenziell kurativem Ansatz durch eine Metastasenresektion sollte auf jeden Fall eine maximal remissionsinduzierende, aktive Therapie gewählt werden (siehe auch Therapiestrategie Lebermetastasen). Mit einer intensiven Primärtherapie sollte auch bei Patienten mit tumorbedingten Symptomen, hoher Tumorlast, raschem Progress sowie drohenden Organkomplikationen begonnen werden. Hochaktive Therapieprotokolle sind derzeit: FOLFOXIRI (FOLFIRI + Oxaliplatin, Falcone 2007) FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI (Dosisreduktion) + Bevacizumab FOLFIRI oder FOLFOX + Cetuximab (nur bei KRAS-Wildtyp) Alle Kombinationen sind aktiv und mittlerweile für die First-line-Behandlung zugelassen, wobei Cetuximab nur Wirksamkeit und Zulassung beim KRAS-Wildtyp besitzt. Die Kombinationen unterscheiden sich bezüglich des Ansprechens, der Toxizität und der Kosten. 3er-Chemotherapiekombination: Hohe Remissionsraten von 60%, hohe Rate an sekundären Leberresektionen, erhöhte, aber tolerable Toxizität, kleine Datenbasis, eher kostengünstig. Bevacizumab-Kombinationen: größte Datenbasis in Phase-III-Studien, konstantes progressionsfreies Überleben von 10 Monaten und mehr, Responseraten „nur“ bei 40-50% (Ausnahme Hurwitz-Studie bei KRAS-Wildtyp 60%), Wirksamkeit der Therapie unabhängig vom KRAS-Status, Abnahme von viablen Tumorzellen bei Resektion, keine symptomatische Toxizität. Cetuximab-Kombinationen: Hohe Responseraten, bevorzugter Einsatz, wenn eine Tumorgrößenabnahme erforderlich ist (Metastasengrößenreduktion, symptomatischer Patient), Wirksamkeit nur bei KRAS-Wildtyp, symptomatische Toxizität (Hauttoxizität). 285 Metastasierte kolorektale Karzinome Palliative Chemotherapie, Therapiesequenz Intensive Primärtherapie Patienten, bei denen eine sekundäre Resektion möglich erscheint und die einen potentiell kurativen Ansatz haben, sollten die aktivs.te zur Verfügung stehende Therapie derzeit bestehend aus 3 aktiven Substanzen erhalten (siehe vorherige Seite und Therapiestrategie Lebermetastasen). Mit einer intensiven Primärtherapie sollte auch bei Patienten mit tumorbedingten Symptomen, hoher Tumorlast, raschem Progress sowie drohenden Organkomplikationen begonnen werden. Auch bei Patienten mit tumorbedingt schlechtem Allgemeinzustand sollte eine intensive Kombination verwendet werden, da gerade diese Patienten überproportional von einer aktiven Chemotherapie profitieren. Für die Wahl der Therapie und der möglichen Sequenzen ist die Kenntnis des KRAS-Status entscheidend, da die EGFR-Antikörper Cetuximab und Panitumumab bei einer KRAS-Mutation nicht wirksam sind und nicht zum Einsatz kommen dürfen. Capecitabine (Xeloda®) ist mit allen gängigen Chemotherapien und mit Bevacizumab in der Therapie des metastasierten KRK zugelassen und entspricht in der Wirksamkeit den 5-FU-Infusionsschemata. In Kombination mit Irinotecan muss wegen erhöhter Toxizität die Capecitabindosis um 20% reduziert werden. 5-FU-Bolusschemata sind wegen höherer Toxizität obsolet. Bevacizumab sollte derzeit aufgrund noch unzureichender Evidenz nicht über den Progress hinaus weitergeführt werden. Zur Klärung dieser wichtigen Frage können die Patienten in die AIO-Studie KRK 0504 eingebracht werden. Folgende mögliche Therapiesequenzen entsprechen dem Zulassungsstatus der einzelnen Substanzen. KRAS-Wildtyp - Intensive Therapie - Mögliche Therapiesequenz Erstlinientherapie FOLFIRI/XELIRI + Bevacizumab Zweitlinientherapie FOLFOX/ oder Irinotecan XELOX + Cetuximab Drittlinientherapie Cetux+Iri od. Panitumumab mono FOLFOX Viertlinientherapie FOLFOX/XELOX + Bevacizumab FOLFIRI + Cetuximab FOLFOX + Cetuximab FOLFIRI/ XELIRI FOLFOX + Bevacizumab FOLFIRI + Bevacizumab Cetux + Iri od. Panitumumab mono Mitomycin ± 5-FU/Folinsäure Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen immer Metastasenresektion oder ein ablatives Verfahren in Erwägung ziehen, da hierdurch Verlängerung des therapiefreien Intervalls möglich. KRAS-Mutation - Intensive Therapie - Mögliche Therapiesequenz Erstlinientherapie FOLFIRI/XELIRI + Bevacizumab FOLFOX/XELOX + Bevacizumab FOLFOXIRI* Zweitlinientherapie FOLFOX/ XELOX FOLFIRI/ XELIRI Capectabin/5-FU + Bevacizumab Drittlinientherapie Mitomycin ± 5-FU/Folinsäure *Einsatz vor potentieller Metastasenresektion Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen immer Metastasenresektion oder ein ablatives Verfahren in Erwägung ziehen, da hierdurch Verlängerung des therapiefreien Intervalls möglich. 286 Metastasierte kolorektale Karzinome Palliative Chemotherapie, Therapiesequenz Wenig intensive Primärtherapie, eskalierende Therapiesequenz Für Patienten, bei denen multiple Metastasen bestehen, die auch bei sehr guter Remission sicher nicht für eine sekundäre Resektion in Frage kommen, die nicht symptomatisch sind und keine hohe Tumorlast haben, schwere Komorbiditäten aufweisen oder ein hohes biologisches Alter haben, kann auch eine wenig intensive Primärtherapie gewählt werden. Mehrere Untersuchungen zeigen, dass auch der Beginn mit einer Monotherapie gefolgt von einem eskalierenden Vorgehen, eine Therapieoption darstellt. Für die Kombination von Bevacizumab mit 5-FU/Folinsäure bzw. Capecitabin ergeben sich zwar keine hohen Ansprechraten, jedoch ein progressionsfreies Intervall von immerhin 9 Monaten bei symptomatisch sehr geringer Toxizität. Die Focus-Studie mit 2100 Patienten konnte zeigen, dass eine primär intensivere Therapie gegenüber einem sequentiellen Vorgehen keinen Vorteil im Hinblick auf das Gesamtüberleben bringt. Eine Meta-Analyse von verschiedenen Phase-3-Studien erbrachte, dass das mediane Überleben in klinischen Studien davon abhängt, welcher Anteil von Patienten im Verlaufe der Behandlung alle aktiven Chemotherapie-Medikamente erhalten hat (Grothey A. et al., J Clin Oncol 2004; 22:1209-1214). Eine Präferenz für ein bestimmtes Schema lässt sich nicht ableiten; wichtig ist nur, dass die Patienten irgendwann alle Medikamente erhalten. Wenig intensive Primärtherapie. Mögliche Therapiesequenz Erstlinientherapie Capecitabin od. 5FU-LV-inf. + Bevacizumab Zweitlinientherapie FOLFIRI/ XELIRI Drittlinientherapie Cetuximab + Irinotecan * Viertlinientherapie FOLFOX/ XELOX Fünftlinientherapie od. od. FOLFOX/ XELOX FOLFOX/ XELOX FOLFIRI/ XELIRI Nur bei KRAS-Wildtyp: Cetuximab + Irinotecan oder Panitumumab mono Mitomycin C ± 5-FU/Folinsäure * nur bei KRAS-Wildtyp Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen immer Metastasenresektion oder ein ablatives Verfahren in Erwägung ziehen, da hierdurch Verlängerung des therapiefreien Intervalls möglich. Intensive versus wenig intensive sequentielle Therapie Für eine primär intensive Kombinationstherapie mit den neuen molekularen Substanzen Bevacizumab und Cetuximab sprechen trotz der Möglichkeit einer sequentiellen, eskalierenden Therapie mehrere Gründe: - Oft ist primär nicht zu entscheiden, ob eventuell doch eine sekundäre Resektion möglich ist. - In allen Studien zur Therapieintensivierung war das progressionsfreie Überleben signifikant länger und das Gesamtüberleben tendenziell besser. - Unter einer primär intensiven Therapie erhalten in der Regel mehr Patienten alle verfügbaren Substanzen und haben deshalb eine bessere Prognose als unter einer sequentiellen Therapie. - Bei rascher Progression mit hoher 60 Tage-Mortalität ist eine Zweit- und Drittlinientherapie nicht mehr möglich. - Patienten mit tumorbedingt schlechtem Allgemeinzustand profitieren von einer intensiven Chemotherapiekombination überproportional. Unklar ist bisher, ob die Targeted Therapie auch über den Progress hinaus weitergeführt werden sollte. Die Frage „Treatment Beyond Progression“ wird derzeit von der AIO-Studie KRK 0504 untersucht. Außerhalb von Studien sollte keine Behandlung über den Progress hinaus erfolgen. 287 Metastasierte kolorektale Karzinome Palliative Chemotherapie, Therapiedauer, Therapiepause Bisher war es bei der Therapie des metastasierenden KRK üblich, eine Therapie bis zur Progression fortzuführen. Mit der Einführung insbesondere der molekularen Substanzen sind die Zeiten bis zur Progression häufig so lange, dass es vorher zu einer limitierenden Toxizität, z.B. Neuropathie unter Oxaliplatin, kommt. In allen Phase-III-Studien der letzten Jahre haben mehr als 50% aller Patienten die Therapie aus anderen Gründen als wegen Tumorprogression, nämlich wegen Toxizität oder geplanter Therapiedeeskalation, unterbrochen. Die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens und damit verlängerte Therapiezeiten erfordern neue Strategien. Pause toxische Substanz Die OPTIMOX1-Studie konnte zeigen, dass es bei Oxaliplatin-haltigen Kombinationen möglich ist, die toxische Substanz, nämlich Oxaliplatin, geplant nach 3 Monaten abzusetzen und eine Erhaltungstherapie mit 5-FU/Folinsäure weiterzuführen. Bei Progression wurde Oxaliplatin reinduziert und führte bei der Mehrzahl der Patienten zu einem erneuten Ansprechen. Das progressionsfreie Gesamtüberleben war nicht signifikant unterschiedlich bei der „STOPand-GO“-Strategie gegenüber der konventionellen Strategie. Die CONcePT-Studie (Grothey ASCO 2008) ist bisher die einzige Studie, die eine Targeted Therapie, nämlich Bevacizumab, in eine Deeskalationsstrategie integrierte. Aufbauend auf den OPTIMOX-Studien konnte sie zeigen, dass Patienten, die eine Oxaliplatin/5-FU/Bevacizumab-Therapie erhalten, von der diskontinuierlichen Gabe von Oxaliplatin profitieren. Die Patienten, bei denen Oxaliplatin ausgesetzt und nur 5-FU/Bevacizumab als „Erhaltungstherapie“ weitergeführt wurde, hatten nicht nur weniger Polyneuropathie, sondern auch eine längere Zeit bis zum Therapieversagen bzw. ein längeres progressionsfreies Intervall. Komplette Therapiepause Die Frage nach einer kompletten Therapiepause für eine Oxaliplatin-haltige Chemotherapie wurde in der OPTIMOX2-Studie untersucht. Nachdem sich zunächst zeigte, dass die Dauer der Krankheitskontrolle (siehe Seite OPTIMOX1 und 2) nicht signifikant unterschiedlich war zwischen dem Arm mit der kompletten Pause (OPTIMOX2Arm) und dem OPTIMOX1-Arm mit einer Pause nur für die toxische Substanz, erbrachten die auf dem ASCO 2007 vorgestellten Überlebensdaten einen erheblichen Unterschied. Das mediane Überleben war im OPTIMOX1-Arm mit 26 versus 19 Monaten um 7 Monate länger als im OPTIMOX2-Arm mit komplettem Chemotherapiestop. Auch wenn für die Patienten eine chemotherapiefreie Zeit von 4 Monaten resultierte, kann angesichts des erheblich schlechteren Gesamtüberlebens eine komplette Therapiepause für Oxaliplatin-haltige Protokolle nicht generell empfohlen werden. Eine aktuelle retrospektive Analyse aller Patienten in den beiden OPTIMOX-Studien (Perez-Staub ASCO 2008) zeigte jedoch, dass, wenn ein komplett chemotherapiefreies Intervall angestrebt wird, die optimale Chemotherapiedauer vor der Pause mindestens 6 Monate betragen sollte. Für Irinotecan-haltige Kombinationstherapien, die kein so großes Problem mit der kumulativen Toxizität wie Oxaliplatin besitzen, wurde die Frage nach einer geplanten Therapiepause von der italienischen GISCADStudiengruppe untersucht. Der Wechsel zwischen 2 Monaten FOLFIRI-Therapie, 2 Monaten Pause, 2 Monate FOLFIRI usw. führte zu einem nicht unterschiedlichen progressionsfreien sowie Gesamt-Überleben im Vergleich zu der kontinuierlichen Gabe. Der Vorteil dieses Vorgehens ist eine echte chemotherapiefreie Zeit für die Patienten. Geplante Studie zur Frage Erhaltungstherapie Die Frage der Wertigkeit einer deeskalierten Erhaltungstherapie soll in der geplanten AIO-Studie KRK 02/07 geklärt werden. Nach einer Induktionstherapie mit FOLFOX oder XELOX plus Bevacizumab über 24 Wochen, wobei bei Toxizität Oxaliplatin eventuell auch früher ausgesetzt werden muss, erfolgt eine Randomisierung zwischen einer kompletten Chemotherapiepause und der Fortführung einer deeskalierten Erhaltungstherapie mit 5-FU/Capecitabin plus Bevacizumab oder Bevacizumab alleine. Bei Progression ist die Reinduktion der kompletten Induktionstherapie wieder vorgesehen. Vorgehen außerhalb von Studien Letztendlich ist die Frage der optimalen Chemotherapiedauer und der Erhaltungstherapie bisher nicht geklärt. Außerhalb von Studien kann nach Induktion durch eine intensive Kombination und gutem Ansprechen insbesondere bei Toxizität nach ca. 3 Monaten eine Deeskalation mit Aussetzen der toxischen Substanz erfolgen. Es sollte dann aber eine „Erhaltungstherapie“ auf Fluoropyrimidinbasis mit oder ohne Bevacizumab fortgeführt werden. Erfolgt eine intensive Induktionstherapie über 6 Monate, so kann auf der Basis der OPTIMPOX-Daten auch eine komplette Therapiepause erfolgen. Bei Progression in der Therapiepause oder unter der Erhaltungstherapie ist eine Reinduktion d.h. die Wiederaufnahme der kompletten Chemotherapiekombination, die zuvor zur Remission geführt hat, sinnvoll. Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen sollte immer erwogen werden, eine Metastasenresektion oder ein ablatives Verfahren einzusetzen, da hierdurch das therapiefreie Intervall verlängert werden kann. 288 Kolorektale Karzinome Therapiestudien, AIO, Übersicht Die Chemotherapie kolorektaler Karzinom sollte vorzugsweise im Rahmen klinischer Studie erfolgen AIO-Studien Stand 9/2008 (AIO- KRK-Newsletter September 2008) (www.aio-portal.de) Metastasiertes kolorektales Karzinom, First line-Therapie AIO KRK 0204 (1st line): Phase I/II Studie: Capecitabin und Oxaliplatin (Xelox) in Kombination mit Cetuximab und Bevacizumab (Doppeltargeting) in der Erstlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenem, kolorektalem Karzinom Cetuximab ab 05.06.2006 ausgesetzt, Studie geschlossen ab 30.6.2008 Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, [email protected] AIO KRK 0105 Phase-II-Studie: Capecitabin + Bevacizumab als first-line-Therapie beim metastasierten kolorektalen Karzinom Rekrutierung abgeschlossen Ansprechpartner: Frau K. Hillgart / Frau S. Micheel HELIOS-Klinikum Berlin-Buch, Tel. 030 9417-1205 /1313, [email protected] AIO KRK 0306 Phase-II-Studie: FOLFIRI/Cetuximab vs. FOLFIRI/Bevacizumab. Primäres Studienziel: Vergleich der Ansprechrate beim metastasierten KRK Ansprechpartner: Prof. Heinemann, München, Tel. 089- 7095-2208 bzw. Studienzentrale der AIO, Tel. 0303229329-33, [email protected] AIO KRK 0207 Optimale Sequenztherapie : Randomisierte 3-armige Phase-III-Studie mit Induktion FOLFOX oder XELOX jeweils mit Bevacizumab für 24 Wochen gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Bevacizumab und 5FU/Folinsäure oder Capecitabine vs. Bevacizumab allein vs. keine Erhaltungstherapie und Reinduktion im Falle der Progression bei unbehandelten Patienten mit metastasiertem KRK Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, [email protected] OPAL-Studie AIO/Roche Joint Trial: Offene einarmige Phase-II-Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit und Anwendbarkeit von Bevacizumab im Rahmen einer FOLFOXIRI-Chemotherapie bis zum Fortschreiten der Erkrankung bei unbehandeltem metastasierten KRK. Studienleiter: Prof. C. Bokemeyer, Hamburg. Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, [email protected] Metastasiertes KRK, Second line-Therapie AIO KRK 0504 – Rand. Phase-III-Studie zur Zweitlinien Therapie AIO-IRI / FOLFIRI / CAPIRI / XELIRI +/Bevacizumab bzw. FUFOX / FOLFOX / CAPOX / XELOX +/- Bevacizumab bei Patienten mit metastasiertem kolorektalen Karzinom nach Progress unter Erstlinientherapie mit Fluoropyrimidin/Oxaliplatin-Bevacizumab bzw. Fluoropyrimidin/Irinotecan-Bevacizumab Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 0345-557-5752, [email protected] AIO KRK 0107 – Randomisierte Phase-II-Studie zur Zweitlinientherapie XELOX +/- Panitumumab nach Vortherapie mit 5-FU/Irinotecan +/- Bevacizumab. Studienleiter: PD Dr. Grunewald Frankfurt a.M. Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, [email protected] Adjuvante und neoadjuvante Therapie PETACC 8: Adjuvant treatment of fully resected stage III colon cancer with FOLFOX-4 + Cetuximab vs. FOLFOX-4 Geschlossen Ansprechpartner: Dr. Gunnar Folprecht, Universitätsklinikum Gustav Carus, Onkologische Tagesklinik und Ambulanz, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden, Tel.:+49 – 0351 - 458-4794, Fax: +49 – 0351 - 458-5312, [email protected] PETACC 6 (= AIO KRK 0506): Perioperative Therapie des lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinoms T3 oder T4 und/oder N+ mit Capecitabin/Oxaliplatin + RTx versus Oxaliplatin + RTx Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, [email protected] Rektumkarzinom-Studie der Deutschen-Rektumkarzinom Studiengruppe (CAO/ARO/AIO): Perioperative Therapie des fortgeschrittenen Rektumkarzinoms mit 5-FU + RTx versus 5-FU/Oxaliplatin +RTx Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, [email protected] Kolonkarzinom – Erfassung der klinischen Behandlungsrealität Kolonkarzinom Registry „REAL LIFE“ Kolonkarzinom Registry COFIT – Prospektive Erfassung der Bedeutung von sportlicher und körperlicher Aktivität auf die Rezidivwahrscheinlichkeit nach Kolonkarzinom OP. (adjuvante Situation) – ein Teilprojekt der Kolonkarzinom Registry Kolonkarzinom Registry CONUT – Prospektive Erfassung der Bedeutung der Ernährung auf die Rezidivwahrscheinlichkeit nach Kolonkarzinom OP (adjuvante Situation) – ein Teilprojekt der Kolonkarzinom Registry Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, [email protected] 289 5-FU-Wirkmechanismus Pharmakokinetik 5-Fluorouracil wurde bereits 1957 entwickelt. Es ist als fluoriniertes Uracil-Analogon ein Prodrug, das erst intrazellulär zu seinen aktiven Formen, dem 5-Fluorouridintriphosphat (FUTP) und 5-Fluorodesoxyuridinmonophosphat (FdUMP) metabolisiert wird. FdUMP hemmt das Enzym Thymidinsynthase, das wichtig ist für die DNA-Synthese. FUTP wirkt über einen anderen Mechanismus zytostatisch, indem es einen falschen Einbau von 5FUTP in die DNA bewirkt und damit einen Transkriptionsfehler verursacht. Somit hat 5-FU drei verschiedene Wirkungen 1. 2. 3. Hemmung der Thymidylat-Synthase durch 5-FdUMP. Dadurch Erzeugung eines thymidinlosen Zustandes mit Hemmung der DNA-Synthese. Fehlerhafter Einbau in die RNA als FUTP. Einbau in die DNA als FdUMP bzw. FdUTP Metabolische Aktivierung 5-FU-Wirkung in Abhängigkeit von der Applikationsart Die Wirkung des 5-FU wird in starkem Maße von der Applikationsart beeinflusst. i.v.Bolus (i.v.-Injektion in weniger als 5 min): bewirkt ein rasches Anfluten der Substanz. Es kommt überwiegend zur Bildung von FUTP, die eine Hemmung der RNA bewirkt. i.v.-Langzeitinfusion (24h) überwiegend Bildung von FdUMP und FDUTP. Beachte Eine Applikation von mehr als 15 min. Dauer bis zu 2 Stunden führt zur “Verwässerung” der 5-FU-Konzentration und ist mit einem erheblichen Wirkungsverlust verbunden. Durch in vitro Versuche konnte gezeigt werden, dass 5FU bei Kolonkarzinomzellen, die gegen eine kurzzeitige 5-FU-Exposition resistent waren, bei einer längeren Einwirkzeit noch eine zytostatische Wirkung besitzt. Aufgrund dieser Ergebnisse wurden verschiedene Therapieschemata mit einer kontinuierlichen Langzeitapplikation ( 24 Std. bis mehrere Wochen ) von 5-FU als Monotherapie oder in Kombination mit Leucovorin entwickelt. Skippingmutation im DPD-Gen Ein sehr kleiner Teil von Patienten reagiert nach 5-FU mit einer exzessiven, oft tödlich verlaufenden Toxizität. Verantwortlich dafür ist eine angeborene Exon-14-Skipping-Mutation. Vielfach wird die DPD-Bestimmung als prätherapeutisches Screening empfohlen. Mit den derzeit verfügbaren Tests wird jedoch nur ein kleiner Teil der betroffenen Patienten erfasst. Der Test ist insgesamt nur bei ca. < 0,5-1,0% der Patienten als positiv zu erwarten. Wegen der Unsicherheit der Tests in Bezug auf Prädiktion und therapeutische Relevanz wird derzeit ein DPDScreening außerhalb von Studien nicht als Standard empfohlen. Sollte es aber zu einer inadäquaten Toxizität unter der 5-FU-Behandlung kommen, sollte eine DPD-Diagnostik durchgeführt werden. Diese kann mit einer PCRgestützten Routinediagnostik aus EDTA-Blut nachgewiesen werden. 290 Capecitabin Wirkung, Dosierung Xeloda® ist in Deutschland zur adjuvanten Behandlung des Kolonkarzinoms im Stadium III sowie zur Behandlung des metastasierten KRK zugelassen. Außerdem besteht eine Zulassung für die first-line-Therapie des fortgeschrittenen Magenkarzinoms in Kombination mit einem platinhaltigen Schema. Darüber hinaus besteht eine Zulassung für Xeloda® als Monosubstanz zur Behandlung des Mammakarzinoms nach Anthrazyklin- und Taxanversagen sowie in Kombination mit Docetaxel zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierenden Mammakarzinom nach Versagen einer zytotoxischen Chemotherapie bzw. wenn eine weitere Anthrazyklinhaltige Therapie nicht angezeigt ist. Pharmakokinetik Capecitabin ist ein orales Fluoropyrimidin, ein Prodrug, aus dem letztendlich 5-FU freigesetzt wird. Nach oraler Einnahme wird Capecitabin über einen Drei-Schritt-Mechanismus in aktives 5-FU überführt. Der letzte Aktivierungsschritt erfolgt über das Enzym Thymidinphosphorylase. Diese wird vor allem im Tumorgewebe exprimiert, so dass vermutlich eine selektive Aktivierung von 5-FU in Tumoren erfolgt. Toxizität Dosislimitierende Toxizitäten sind das Hand-Fuß-Syndrom (Schmerzen, Rötung und Schwellungen an Händen und/oder Füssen) sowie die Diarrhoe. Übelkeit, Erbrechen sowie die Hämatotoxizität sind eher gering ausgeprägt. Eine Kreatinin-Clearance < 30 ml/min stellt eine Kontraindikation dar. Bei einer KreatininClearance zwischen 30-50 ml wird eine Dosisreduktion auf 75% empfohlen, da sonst mit erheblich verstärkten Nebenwirkungen zu rechnen ist. Die Patienten sollten angewiesen werden, die Einnahme bei folgenden Symptomen zu unterbrechen und den behandelnden Onkologen aufzusuchen: ¾ Durchfall mehr als 4 mal am Tag ¾ Erbrechen mehr als 1mal am Tag ¾ Fieber über 38°C ¾ Schmerzen, Rötungen und Schwellungen an Händen oder Füssen ¾ Mundschleimhautentzündung. Dosierung Tagesdosis: 2500 mg/m² p.o. verteilt auf 2 Gaben von je 1250 mg/m² im Abstand 12 Stunden. Einnahme der Tabletten innerhalb von 30 Minuten nach einer Mahlzeit mit Wasser. Therapiedauer: Tag 1 -14, dann 7-tägige Therapiepause und Wiederholung ab Tag 22. Studienergebnisse In zwei großen multizentrischen Phase-III-Studien erhielten insgesamt 1207 Patienten als first-line-Therapie bei metastasierendem CRC entweder Capecitabin oral (2500 mg/m²/d über 14 Tage mit anschließend einer Woche Pause) oder das Mayo-Clinic-Schema i.v. Die gepoolten Daten zeigten ein signifikant besseres Ansprechen für Capecitabin (ORR = 25,7% vs. 16,7%) Die Zeit bis zur Progression und das mediane Überleben unterschieden sich nicht signifikant (TTP 4,6 vs. 4,7 Monate). Auch erwies sich Capecitabin als besser verträglich. Grad-3/4Mukositiden und -Leukopenien traten deutlich seltener auf (C. Twelves et al., European Journal of Cancer 38:15-20, 2002). Die charakteristische Nebenwirkung des Capecitabin, das Hand-Fuß-Syndrom, wurde in ausgeprägter Form bei 17% der Patienten beobachtet. Diese Studien führten zur Zulassung von Xeloda sowohl in den USA als auch in Europa. Bei einer europäischen Phase-II-Studie mit 109 Patienten waren zuvor 3 verschiedene Capecitabin-Dosierungen (2510 mg/m²/d intermittierend, 1331 mg/m²/d kontinuierlich und 1657 mg/m²/d + 60 mg Folinsäure p.o. intermittierend) verglichen worden. Die intermittierende Gabe von 2510 mg/m²/d hatte die längste Zeit bis zur Progression (TTP 230 Tage), die Folinsäure erhöhte die Toxizität, ohne das Ansprechen zu verbessern (Van Cutsem et al., JCO 2000:18,1037-45). Siehe auch X-ACT-Studie adjuvante Chemotherapie 291 UFT/Folinsäure Pharmakokinetik UFT® ist als orale Chemotherapie seit 2002 zur First-line-Therapie des metastasierten CRC in Kombination mit Calciumfolinat zugelassen. UFT ist eine Kombination aus dem 5-FU-Prodrug Tegafur und Uracil in einem molaren Verhältnis von 1:4. Die Zugabe von Calciumfolinat führt zu einer Verstärkung der Wirksamkeit. Pharmakokinetik Nach oraler Applikation erfolgt die Umwandlung von Tegafur in der Leber. Durch Uracil wird der Abbau von 5-FU gehemmt. Die Bioverfügbarkeit ist 100% nach oraler Gabe. Die Abbauprodukte werden vorwiegend als CO2 abgeatmet, zu einem geringen Anteil wird Tegafur unverändert im Harn ausgeschieden. Die Halbwertszeit beträgt dosisabhängig ca. 9 Stunden. Therapeutische Spiegel von 5FU gelten für 8-12 Stunden als gesichert. Durch Calciumfolinat kommt es zu einer verstärkten Hemmung der Thymidilatsynthetase und damit zur Hemmung der DNA-Synthese. Dosierung Tegafur 300mg/m2/Tag Calciumfolinat 90 mg/Tag d 1-28 d 1-28 Wiederholung Tag 36 Tägliche Anzahl der Kapseln bezogen auf die Körperoberfläche (KO) KO (m2) 1,17 -1,49 1,50 -1,83 >1,83 Generell UFT®-Kps pro Tag Verschreibung Tägliches Einnahmeschema morgens nachmittags abends 4 2 1 1 UFT® 4 ® 5 2 2 1 UFT 5 6 2 2 2 UFT® 6 Zusätzlich je zwei Tabletten Calciumfolinat à 15 mg (insgesamt 90 mg/Tag) Calciumfolinat-Tbl./Tag: 6 2 2 2 Die Tagesdosis sollte mit einem Abstand von mindestens einer Stunde vor oder nach einer Mahlzeit eingenommen werden. Studienergebnisse Zwei randomisierte Phase-III-Studien verglichen UFT + Folinsäure (UFT/FS) mit dem Mayo-ClinicSchema beim metastasiertem KRK (Douillard JY et al. JCO 2002; 20:3605-16 und Carmicheal J. et al. JCO 2002; 20:361727). UFT/Calciumfolinat zeigte gegenüber dem Mayo-Clinic-Schema keine signifikanten Unterschiede in der Remissionsrate, dem progressionsfreien Intervall (TTP) und der Überlebenszeit (ÜLZ) der Patienten. Die Ansprechraten für UFT/FS waren mit 11,7 und 10,5% recht niedrig. Zu berücksichtigen ist auch, dass UFT in der Carmicheal-Studie mit einem 5-wöchentlichen 5-FU/FS-Schema, also einem modifizierten Mayo-Clinic-Schema mit geringerer Dosisdichte, verglichen wurde. Die Verträglichkeit der oralen UFT/FS-Kombination war signifikant besser als die i.v. 5-FU/FS-Therapie. Diarrhoe und Übelkeit/Erbrechen waren unter beiden Regimen ähnlich. Mucositis, Leukopenie und febrile Neutropenie waren im UFT-Arm jedoch geringer. Ein Hand-Fuß-Syndrom Grad III trat unter UFT nicht auf. Studie Douillard 2002; n = 816 (UFT/FS vs. Mayo-Regime) A: UFT 300 mg/m2 p.o./Tag + FS 75 od. 90 mg/Tag, T1-28, q5w B: 5-FU 425 mg/m2 + FS 20 mg/m2 i.v. T1-5, q4w Carmicheal 2002; n = 380 (UFT/FS vs. Mayo-Regime) A: UFT 300 mg/m2 p.o./Tag + FS 90 mg/Tag, T1-28, q5w B: 5-FU 425 mg/m2 + FS 20 mg/m2 i.v. T1-5, q5w 292 Ansprechrate TTP ÜLZ 11,7% 14,5% 3,8 Mon. 3,5 Mon 12,4 Mon. 13,4 Mon. 10,5 % 9% 3,4 Mon. 3,3 Mon. 12,2 Mon. 10,3 Mon. Folinsäure l- und d, l-Folinsäure Aktivitätssteigerung der 5-FU-Wirkung ist möglich durch eine Vermehrung des intrazellulären Pools von reduziertem Folat. Folinsäure erhöht das intrazelluläre Folatpotential durch eine Stabilisierung des Komplexes zwischen FdUMP der Thymidylatsynthase und 5,10-Methylentetrahydrofolsäure. Bei genügend hoher Konzentration von FdUMP und Tetrahydrofolsäure wird die Thymidilatsynthetase vollständig gehemmt. Da die Bindung von FdUMP an die Thymidilatsynthetase proportional der Konzentration von CH2Tetrahydrofolsäure (und damit CH3-Tetrahydrofolsäure) ist, wird die zytostatische Wirkung von 5-FU umso stärker sein, je mehr reduziertes Folat in der Zelle zur Verfügung steht. l-Folinsäure; d, l-Folinsäure Der Wirkstoff Folinsäure liegt normalerweise als Racemat vor, d.h. als Gemisch der Spiegelbildisomeren, seiner rechtsdrehenden d- und der linksdrehenden l-Form. Nur die l-Form ist biologisch aktiv. Die d-Form wird nicht metabolisiert und langsam über die Nieren ausgeschieden. Alle in Deutschland vertriebenen Präparate der Folinsäure wie z.B. Leucovorin®, Ribofolin® etc. liegen als racemisches Gemisch vor. Zulassungssituation In internationalen Studien taucht verschiedentlich die l-Folinsäure als mögliches Präparat bei Chemotherapiekombinationen auf. In einigen europäischen Ländern wie Österreich, Frankreich oder Italien ist diese Substanz im Gegensatz zu Deutschland zugelassen und auf dem Markt. Handelsnamen in der EU sind Elvorine®, Isovorin/e®, Isofolin® (Österreich) oder Levofolene®. Unterschiede d, l – zu l-Folinsäure Da nur das l-Isomer eine Biomodulation des 5-FU bewirkt, kann die chemisch reine l-Form in 50% Dosierung, bei gleicher Wirksamkeit wie die Volldosis des üblicherweise verwandten Racemates, verabreicht werden. Das Bundesamt für Arzneimittel hatte von den Herstellerfirmen eine Bioäquivalenzstudie verlangt, in der nachgewiesen werden sollte, dass "halbdosiertes" l-Leucovorin bioäquivalent zu "normaldosiertem" d,l-Leucovorin ist, also z.B. 250 mg l-Leucovorin je m² die gleiche Wirksamkeit hat wie 500 mg/m² d,l-Folinsäure. Der Zulassungsantrag wurde in Deutschland von den Herstellern nicht gestellt, da Ihnen der Aufwand nicht gerechtfertigt erschien, zumal offiziell auch die d,l-Folinsäure für die Indikation "Kombinationstherapie mit 5-FU" von Amts wegen nicht zugelassen ist. 293 Folinsäure Natrium-/Calcium-Folinat Die Modulation von 5-FU mit Folinsäure steigert die Antitumoraktivität sowohl in vitro als auch in vivo. 5-FU in Kombination mit Calcium-Folinat, insbesondere als Infusionsregime, ist eine etablierte Therapie beim kolorektalen Karzinom. Ardalan, der Erstbeschreiber des seinen Namen tragenden Schemas, hatte in einer Pumpe 5-FU und Calcium-Folinat als eine 24-h-Infusion gemischt. Er musste aber bald zwei Pumpen benutzen, da es zur Ausfällung von Calciumsalzen und zur Katheterobstruktion kam. Dies führte dazu, dass das Ardalan-Schema, das eine Responserate in der First-line-Therapie von 58% erreicht hatte, von anderen Gruppen modifiziert wurde. Mit der Applikation von Calciumfolinat über 2 Stunden, gefolgt von einer 24-h-Infusion von 5-FU, konnte jedoch diese hohe Remissionsrate nicht erreicht werden. Die Ansprechraten für diese Schemata liegen zwischen 23 und 44%. Natrium-Folinat (Oncofolic®) Natrium-Folinat ist eine Präparation der Folinsäure, die bei simultaner Gabe in einer Infusionspumpe nicht zur Ausfällung von Natriumsalzen führt. Die Fachinformation von Mai 2002 wurde aufgrund der unten angeführten Studie geändert und lautet: "Nach Mischen mit 5-FU oder Verdünnen mit 0,9%iger Natriumchloridlösung: Die chemische und physikalische Stabilität der gebrauchsfertigen Zubereitung wurde für 72 Stunden bei 20-25 oC nachgewiesen." "Oncofolic® ist kompatibel mit 5-FU." Studienergebnisse Phase-II-Studie zu Natriumfolinat (Hartung G. et al. Onkologie 2001;24:457-62) 51 nicht vorbehandelte Patienten mit metastasierendem KRK erhielten das Original-Ardalan-Schema mit 5 FU 2600mg/m2 gemischt in einer Pumpe mit 500 mg/m2 Natriumfolinat über 24 Stunden 1x/Woche über 6 Wochen. Der Behandlungszyklus wurde nach 2 Wochen Pause wiederholt. Die objektive Remissionsrate betrug 37,2%, die mediane Zeit bis zur Tumorprogression lag bei 8,5 Monaten. In 197 Behandlungszyklen wurden keine Katheterkomplikationen beobachtet. Leucovorin® Auch die Fachinformation des Kompatibilitätsstudie geändert: Folinsäurepräparates Leucovorin® wurde nach einer Aus der Kompatibilitätsuntersuchung: "...zwar ergibt sich beim Mischen von Leucovorin mit 5-FU und physiologischer NaCl-Lösung eine leichte Gelbfärbung, doch kann innerhalb des Prüfzeitraums hinsichtlich der visuellen Prüfung und des pH-Wertes keine Veränderung mehr festgestellt werden." Aus der Fachinformation: "Eine Mischung von 1000 mg Leucovorin (100 ml Leucovorin 10mg/ml) mit 5000 mg 5-FU (100 ml zu 50 mg/ml) und 40 ml physiologischer Kochsalzlösung erwies sich in Plastik-Infusoren und Glas unter Raumbedingungen über 48 Std. stabil. Zu anderen Mischungen liegen derzeit keine Werte vor." Vor dem Mischen von Leucovorin mit 5-FU wird dringend gewarnt. Bei der praktischen Anwendung kam es mehrfach zu Ausfällungen und zu Portverstopfungen, die zu entsprechenden Warnhinweisen veranlasste. Für ambulante Patienten bedeutet die Verwendung eines mit 5-FU mischbaren Folinsäurepräparates durch die Zeitersparnis von 2 Stunden einen Gewinn an Lebensqualität. Diese Applikation ist mindestens gleich effektiv und gleichzeitig auch kostengünstiger. 294 Metastasierte kolorektale Karzinome, Therapie MACHOVER-Schema, Mayo-Clinic-Schema Indikation Metastasiertes Stadium, dokumentierte Tumorprogression, tumorspezifische Symptomatik, patientenseitiger Therapiewunsch. Voraussetzung Messbare Tumorparameter. Prätherapeutisch Festlegen der Referenzläsion, gegebenenfalls kann das CEA zur Beurteilung des Therapieverlaufes dienen. Therapie Machover et al., J.Clin. Oncol 1986; 4: 685 - 96 Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage Folinsäure 200 i.v. Bolus 1–5 5-FU 370 i.v. Bolus 1–5 Wiederholung: Tag 22-29 Kontrolle des Therapieergebnisses monatlich. Möglichst Eintrag und Bewertung auf einem Therapiemonitoringblatt. Ergebnisse : Ansprechrate 31 %, 39% für unvorbehandelte, 22% für vorbehandelte Patienten. Vergleiche dazu low dose Leucovorin Toxizität : Stomatitis, Neutropenie, Diarrhoe Mayo-Clinic-Schema (Poon, M.A., et al. J. Clin Onco 1991; 9:1967 - 72) Lange Zeit war die Behandlung mit Low-dose Leucovorin und Bolus-5 FU der Standard für die first-lineTherapie des metastasierenden CRC. Der Stellenwert dieser Behandlung hat sich seit der Einführung neuer Substanzen geändert. Insbesondere die vergleichbare Wirksamkeit der oralen 5-FU-Prodrugs und deren Zulassung zur First-line-Therapie reduzieren die Indikation in der palliativen Situation zu diesem i.v. Schema erheblich. Therapie Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage Folinsäure 20 i.v. Bolus 1–5 5-FU 425 i.v. Bolus* 1–5 * Bolus bedeutet: Intravenöse Injektion in weniger als 5 Minuten Wiederholung alle 4 Wochen bis zur Tumorprogression oder für 6-12 Monate. Ergebnisse randomisierter Studien zur 5-FU-Therapie Eine Kontrolle des Therapieergebnisses ist vor jedem Therapiezyklus zur Beurteilung der Wirksamkeit der Behandlung vorzunehmen. Zweckmäßig ist das Anlegen eines Therapieverlaufsbogens (Monitoringblatt). Autor n Anspre- Med. Über- chen [%] leben [Mo] De Gramont (Proc ASCO 1995, 194, Abstr 455) 147 17 14,3 Petrelli (J Clin Oncol 7(10), 1989: 1419-26) 112 19 13,8 Buroker (J Clin Oncol 12(1), 1994: 14-20) 183 35 9,3 Poon (J Clin Oncol 7(10), 1989: 1407-8) 70 43 12 Gesamt 512 23 12,4 Die Therapie ist sowohl anwendbar für eine intravenöse Applikation als auch für eine Leberperfusion über einen Port. Bei Verwendung eines Ports ist abschließend ein HeparinLock erforderlich. Dafür werden 5 ml einer sterilen Heparin-Kochsalzlösung (100 E Heparin/ 1ml NaCl) in die Kammer injiziert. Toxizität: 30-50% der Pat. haben eine relevante Stomatitis/Mucositis und Neutropenie. Bolus-5-FU-Regime sollten wegen der im Vergleich zu Infusionsregimen geringeren Remissionsraten und der höheren Toxizität nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. 295 Kolorektale Karzinome Langzeitapplikation von 5-FU +/- Folinsäure Indikation Da inzwischen in mehreren Studien eine Symptomverbesserung, eine Verbesserung der Lebensqualität und auch eine Lebensverlängerung bei Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom durch eine Chemotherapie nachgewiesen worden sind, ist generell im neu diagnostizierten metastasierten Stadium bzw. bei einem Rezidiv eine Chemotherapie indiziert, wenn keine relevanten Kriterien dagegen sprechen. Auswahl des Therapieschemas siehe "Palliative Chemotherapie, Therapiestrategie". Voraussetzungen Therapiefähigkeit. Messbare Tumorparameter. Prätherapeutisch Festlegen der Referenzläsion. Autor Substanz Dosis [mg/m²] Applikationsart Therapietage Weh / Köhne = „AIO-Schema“ Leucovorin 5-FU 500 2600 2 Std. Infusion 24h-Infusion 1,8,15,22,29,36 Pause Woche 7 + 8 Löffler Leucovorin 5-FU 500 2000 2h-Infusion 22h-Infusion 1,8,15,22,29,36 Pause Woche 7,8,9 Stoffregen Leucovorin 5-FU 200 2000 i.v. Bolus 24h-Infusion 1,8,15,22,29,36 Pause Woche 7 + 8 Ergebnisse Autor Patientenkollektiv CR [%] PR [%] NC [%] N Weh Unvorbehandelt Vorbehandelt 0 0 38 9 38 56 21 57 Köhne Unvorbehandelt n.a. 91 Löffler Unvorbehandelt Vorbehandelt 11 4 64 19 21 54 54 Stoffregen Unvorbehandelt Vorbehandelt 7 0 30 0 45 50 44 25 44 Inzwischen ist das von Weh/Köhne entwickelte Schema unter dem Namen „AIO-Schema“ (für „Arbeitsgemeinschaft internistische Onkologie“) in Deutschland das am weitesten verbreitete und akzeptierte Schema für die Hochdosis-5-FU-Behandlung („infusional-5-FU“). Im französischen Sprachraum gilt dies für das auf der folgenden Seite beschriebene „De-Gramont-Schema“. AIO-Studie (Schmoll HJ, Köhne CH et. al. ProcAmSocClinOncol 2000,19:241°, Abstract # 935) In der AIO-Studie bzw. EORTC-Studie 40952 wurde das MAYO-Clinic-Schema mit der wöchentlich hochdosierten 5-FU-Dauerinfusion über 24 h mit und ohne Folinsäure verglichen. Insgesamt erhielten 497 Patienten mit metastasiertem CRC das Mayo-Clinic-Schema oder 2600 mg/ m² 5-FU mit oder ohne Folinsäure (500 mg/ m² als 2h-Infusion vor 5-FU) wöchentlich x 6 und Wiederholung am Tag 50). Schema Remissionsrate Med. Überleben (Mon.) Medianes PFS (Mon.) HD-5-FU/Folinsäure 20% 12 6,4 Mayo-Clinic HD-5-FU 11% 9% 12,5 13,2 4,1 4,4 Im HD-5-FU/Folinsäure-Arm zeigte sich eine nicht signifikante Steigerung der Remissionsrate sowie eine mäßige aber statistisch signifikante Erhöhung des progressionsfreien Überlebens (PFS). 296 Kolorektale Karzinome Hochdosis - 5-FU + Folinsäure (Ardalan) Die Antitumoraktivität von 5-FU kann substantiell gesteigert werden, wenn der intrazelluläre Pool von reduziertem Folat erhöht wird. Folinsäure hat sich als der praktikabelste Biomodulator im Sinne einer Wirkungsverstärkung für 5-FU erwiesen. Folinsäure ist ein guter Kombinationspartner, die optimale Dosis sowie die Applikationsart und -dauer sind derzeit nicht bekannt. Eine kontinuierliche Applikation scheint die Wirksamkeit zu verbessern. Voraussetzung: Für die Durchführung der Therapie sind ein venöses Portsystem und geeignete Langzeitpumpen erforderlich. Therapie Ardalan, B., L. Chua et al. J.Clin.Oncol 1991; 9:625-630 Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage Folinsäure 500 24-Std.-Infusion 1, 8, 15 ff 5-FU 2600 24-Std.-Infusion 1, 8, 15 ff Wiederholung wöchentlich Dosis-Modifikation Nach einer inadäquaten Toxizität sind eine Dosisreduktion des 5-FU z.B. auf 2.000 mg/m2 oder auch auf 1.600 mg/m2 und eine Intervallverlängerung auf 14 Tage möglich. Kommentar Diese Therapie ist in der Originalform schlecht praktikabel, da gleichzeitig zwei unabhängige Pumpensysteme gebraucht werden. Besser handhabbar sind die verschiedenen Modifikationen besonders das AIO-Schema. Siehe dort. Allerdings ist jetzt das Natriumfolinat zugelassen, das mit 5 FU gemischt und als 24-h-Infusion appliziert werden kann. Handhabung Punktion des Ports unter sterilen Kautelen. Für jede der beiden Substanzen wird eine separate portable Injektionspumpe gebraucht. Beide Substanzen dürfen nicht gemischt werden, da Calciumfolinat in Gegenwart von 5-FU zu Kalksalzen ausfallen und den Injektionsschlauch verstopfen kann. Die beiden Pumpsysteme werden über ein Y-Stück an die Portkanüle geführt. Siehe aber oben und Seite „Folinsäure“. Ergebnisse: 22 Pat., davon 10 vorbehandelt. Patienten N CR PR RR unvorbehandelt 12 3 / 12 4 / 12 58 % Medianes Überleben 22 Monate vorbehandelt 10 0 / 10 3 / 10 30% 10 Monate Gesamtansprechrate : 45% Toxizität Zeitdauer bis zum bestmöglichen Response 6 - 8 Wochen. Grad 1 Grad 2 Grad 3 Stomatitis 6 2 1 Diarrhoe 4 3 2 Übelkeit 7 0 0 Erbrechen 3 0 0 Schwäche 3 0 0 Hand-Fuß-Syndrom 6 2 1 297 Kolorektale Karzinome 5-FU (Bolus + Langzeit) + Folinsäure (De Gramont) 5-FU entfaltet den zytostatischen Effekt in Abhängigkeit von der Applikationsart auf unterschiedliche Weise. 5-FU-Applikation i.v. Bolusgabe bewirkt eine Hemmung der RNA i.v. Langzeitinfusion führt zu einer Inhibition der DNA. Eine französische Studie hat prospektiv randomisiert die Wirksamkeit der Kombination von Bolusund Langzeitinfusion geprüft. (De Gramont,A., J.F. Bosset et al. Proc. ASCO 1995, Abstr. 455). Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2 5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1, 2 5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2 Wiederholung 14 tägig bis zur Tumorprogression. Ergebnisse Randomisierter Vergleich mit einer Standardtherapie nach dem Mayo-Clinic-Schema: N = 306, Ansprechrate 34 % (Hochdosistherapie) vs. 17 % (Standardtherapie) (p = 0.002). 41 Pat. ( 21,5% ) der Pat. im Standardtherapiearm hatten eine Toxizität Grad-3-4, demgegenüber erlitten 9,2% der Pat. im Bolus/Langzeit-Arm ein Grad-3-4-Toxizität. Schlussfolgerung der Autoren: Die zweiwöchentliche Gabe von 5-FU-Bolus + Langzeitinfusion mit hochdosierter Folinsäure ist signifikant wirksamer und geht mit weniger Toxizität einher als die monatliche 5-FU + low-dose Folinsäure-Standardtherapie. Modifikation Dieselbe Arbeitsgruppe stellte ein modifiziertes Schema einer Kombination von Bolus- und Langzeitgabe von 5-FU vor. (Tournigand , de Gramont A et al. Proc ASCO 1998, Abstr. 1052): Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1 5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1 5-FU 2400 - 3600 48-Std.-Infusion 1 Wiederholung 14 tägig bis zur Tumorprogression. Beginn der 5-FU-Dosis mit 2,4 g, Steigerung um jeweils 0,6 g nach 2 Zyklen bis maximal 3,6 g, falls Toxizität < NCI-Grad 2. Ergebnisse: N = 59, Ansprechrate 37%, 34% stabile Erkrankung, mediane progressionsfreie Zeit 8,6 Monate, keine Angabe zur Überlebenszeit. Toxizität Grad 3 bei Dosislevel 3: 16% (Hand-FußSyndrom 5%, Mukositis, Diarrhoe, Anämie, Neutropenie, Alopezie, kardiale Toxizität je 2%). 298 Kolorektale Karzinome Oxaliplatin (Eloxatin®) Oxaliplatin ist ein neues Platinderivat, das seit Mitte 1997 in Frankreich und seit 8/1999 auch in Deutschland für die first-line-Behandlung des metastasierenden CRC in Kombination mit 5-FU und Folinsäure zugelassen ist. Im Gegensatz zu Cisplatin ist Oxaliplatin nicht nephrotoxisch und kann auch bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion gegeben werden (Kreatinin-Clearance muss aber > 30 ml/min sein). Eine begeleitende Hyperhydratation ist nicht erforderlich. Wirkmechanismus Ähnlich wie Cisplatin bindet sich Oxaliplatin vor allem an guaninhaltige Nukleotide der DNA. Es werden Quervernetzungen der DNA induziert. Die wesentlichen Unterschiede zu Cisplatin betreffen die Kinetik dieser Vorgänge. Anwendung Die Substanz darf weder beim Lösen, noch bei der Infusion mit Kochsalz in Berührung kommen. Oxaliplatin wird daher in 500 ml Glukose 5% verabreicht. Auch darf Oxaliplatin nicht benutzt werden in Verbindung mit anderen chloridhaltigen und alkalischen Arzneimitteln oder Lösungen, wie 5Fluorouracil und Trometamol (ein Tris-Puffer, der in manchen Folinsäurepräparaten enthalten ist, nicht aber z.B. in Leucovorin®). Generell darf die Substanz nicht mit anderen Arzneimitteln über denselben Zugang gemischt oder gleichzeitig verabreicht werden. Aluminiumhaltige Injektionsmaterialien dürfen nicht verwendet werden, da Oxaliplatin bei Kontakt mit Aluminium abgebaut wird. Dosierung Die empfohlene Dosis in der First-line-Therapie beträgt in Kombination mit 5-FU/Folinsäure 85 mg/ m²/KOF intravenös alle 2 Wochen Die Dosierung muss der Verträglichkeit angepasst werden. Die Substanz wird in 250 oder 500 ml Glucose 5% über 2 (- 6) Stunden infundiert und soll immer vor Fluoropyrimidinen gegeben werden. Toxizität Übelkeit und Erbrechen erfordern den Einsatz von 5-HT-3-Antagonisten. Es besteht keine Nephrotoxizität, eine klinisch relevante Ototoxizität trat bei weniger als 1% der Patienten auf. Die hämatologische Toxizität ist gering, kann aber in der Kombinationstherapie ausgeprägter sein. Die wichtigsten dosislimitierenden Nebenwirkungen sind akute und kumulative neuropathische Symptome. Akut können, wenige Stunden bis Tage nach der Infusion, Parästhesien an den Extremitäten und perioral, häufig ausgelöst durch Kälteexposition, auftreten. In der Regel sind diese Symptome selbstlimitierend. Zu einer persistierenden peripheren Neuropathie mit funktioneller Einschränkung kommt es mit zunehmender kumulativer Oxaliplatindosis. Diese Ausprägung der Neuropathie betrifft etwa 10-15% der Patienten mit einer kumulativen Dosis von ca. 800 mg/m2. Bei Einschränkungen der Feinmotorik muss deshalb die Dosis reduziert oder die Behandlung abgebrochen werden. Die Neuropathie ist bei ca. 80% der Patienten nach Abbruch der Behandlung innerhalb von mehreren Monaten reversibel. Studienergebnisse Monotherapie Oxaliplatin ist als Monosubstanz (130 mg/m2) beim CRC sowohl primär als auch nach Versagen einer auf 5-FU basierenden Therapie wirksam (Diaz-Rubio E. et al.: AnnOncol 1998; 9:105-8 und Machover D. et al.: AnnOncol 1996;7:95-98). Die Ansprechrate in der Primärtherapie beträgt 23%, in der Sekundärtherapie 10%. Aufgrund des ausgeprägten Synergismus in der Kombination mit 5-FU wurden schon zu Beginn des klinischen Einsatzes der Substanz vorwiegend Kombinationsprotokolle untersucht (siehe entsprechende Seiten). 299 Kolorektale Karzinome FOLFOX-Therapieschemata, Übersicht Nachdem die Gabe von 5FU als Dauerinfusion, statt der bis dahin üblichen Bolusapplikation, zu einer Verbesserung der Ansprechraten bei gleichzeitiger Reduktion der Toxizität, nicht aber zu einem Überlebensvorteil geführt hatte, erarbeitete die GERCOR (Groupe d’Etude et de Récherche en Cancérologie Onco-Radiothérapie) unter de Gramont ein Hybridschema aus Bolus- und Infusions-5FU. Diese Kombination erreichte verbesserte Ansprechraten bei einem akzeptablen Toxizitätsprofil. FOLFOX-Schemata Levi et al. kombinierten Infusional-5FU mit Oxaliplatin in einem dosismodulierten Schema. Diese Kombination war die Basis für eine ganze Generation von Therapieschemata, FOLFOX (Folinsäure/5-FU/Oxaliplatin) genannt und zur Unterscheidbarkeit nummeriert. Eine Ausdehnung der 5-FU-Applikation über 2 Tage erlaubte eine Dosiseskalation (FOLFOX1). Wegen dosislimitierender Toxizität (Neurotox.) wiesen die Folgeprotokolle eine reduzierte Oxaliplatindosis auf (FOLFOX 2, 3). FOLFOX4 kombinierte erstmals Bolus- und Infusionsschema und zeigte geringere Toxizität bei höherer Effektivität einschließlich des Gesamtüberlebens. FOLFOX6 und 7 hatten eine Vereinfachung des Schemas bei Maximierung der Dosisintensität zum Ziel. FOLFOX 1 Substanz Oxaliplatin Folinsäure 5-FU (de Gramont et al, Proc Am Soc Clin Oncol 1994; 13:220) Dosis [mg/m²/d] 130 500 1500-2000 Applikationsform 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 2-Std.-Infusion 22-Std.-Infusion Dosis [mg/m²/d] 100 500 1500-2000 Applikationsform 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 2-Std.-Infusion 22-Std.-Infusion FOLFOX 2 Substanz Oxaliplatin Folinsäure 5-FU (de Gramont et al, Eur J Cancer 1997; 33:214-9) FOLFOX 3 Substanz Oxaliplatin Folinsäure 5-FU Dosis [mg/m²/d] 85 500 1500-2000 Applikationsform 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 2-Std.-Infusion 22-Std.-Infusion Dosis [mg/m²/d] 85 200 400 600 Applikationsform 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 2-Std.-Infusion i.v. Bolus 22-Std.-Infusion Dosis [mg/m²/d] 100 400 400 2400-3000 Applikationsform 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 2-Std.-Infusion i.v. Bolus 46-Std.-Infusion Dosis [mg/m²/d] 130 200 400 2400 Applikationsform 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 2-Std.-Infusion i.v. Bolus 46-Std.-Infusion Therapietage 1 1,2 1,2 1,2 (Maindrault-Goebel et al, Eur J Cancer 1999; 35:1338-42) FOLFOX 7 Substanz Oxaliplatin Folinsäure 5-FU 5-FU Therapietage 1 1,2 1,2 (Andre et al, J Clin Oncol 1999; 17:3560-8) FOLFOX 6 Substanz Oxaliplatin Folinsäure 5-FU 5-FU Therapietage 1 1,2 1,2 (Andre et al, Ann Oncol 1998; 9: 1251-3) FOLFOX 4 Substanz Oxaliplatin Folinsäure 5-FU 5-FU Therapietage 1 1,2 1,2 Therapietage 1 1 1 1-2 (Maindrault-Goebel et al, Eur J Cancer 2001; 37:1000-5) Wiederholung aller Schemata Tag 15 300 Therapietage 1 1 1 1-2 Metastasierte kolorektale Karzinome Oxaliplatin-Kombinationstherapie Oxaliplatin ist in der Lage, eine klinische Resistenz gegen Fluorouracil teilweise aufzuheben. Nach Progression unter Fluorouracil ist durch die Kombination von Oxaliplatin mit 5-FU ein Ansprechen zu erzielen. Die meisten Daten zu Oxaliplatinkombinationen stammen aus Frankreich von den Arbeitsgruppen um Lévi und De Gramont. Es existieren 2 große randomisierte-Phase-III-Studien. In beiden Studien wurde Fluorouracil als Infusion über 5 Tage chronomoduliert (Giacchetti et al.) oder über 48 Stunden (De Gramont) gegeben und im experimentellen Arm Oxaliplatin hinzugefügt. Kombinationstherapie (FOLFOX 4) Substanz Dosis [mg/m²/d] 85 200 400 600 Oxaliplatin Folinsäure 5-FU 5-FU De Gramont A et al. Proc Am Soc Cli Oncol 1998;17:257a Applikationsform Therapietage 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 2-Std.-Infusion i.v. Bolus 22-Std.-Infusion 1 1,2 1,2 1,2 Wiederholung alle 2 Wochen Studienergebnisse Schema 16% Med. Überleben (Mon.) 20 Med. PFS (Mon.) 6,1 100 53% 19 8,7 210 210 23% 51% 15 16 6,2 9,0 Pat. (n) RR 5-FU/Folinsäure chronomoduliert 100 Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure chronomod. (Giacchetti S. et al. J Clin Oncol 2000 ;18:136-147) 5-FU/Folinsäure (de Gramont) Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure (FOLFOX 4) (De Gramont A et al. J Clin Oncol 2000;18:2938-47) Es zeigte sich in beiden Studien ein signifikanter Unterschied in der Remissionsrate (RR) sowie ein längeres progressionsfreies Überleben (PFS) zugunsten des Oxaliplatinarms. Allerdings war die Toxizität mit Oxaliplatin auch deutlich höher (v.a. Neuropathien). Ein signifikanter Unterschied in der Überlebenszeit konnte wegen des Crossover-Designs und Second- und Third-line-Therapien nicht gezeigt werden. Mayo-Clinic-Schema vs. Hochdosis-5-FU/Folinsäure+Oxaliplatin (FUFOX) (Grothey A. et al., ProcAmSocClinOncol 2002;21:512) Arm B Prüfarm (FUFOX) Substanz Dosis [mg/m²/d] Oxaliplatin Folinsäure 5-FU 50 500 2000 Applikationsform Therapietage 2 Std. Infusion in Glucose 5% 2 Std. Infusion vor FU 24 Std. Infusion 1,8,15,22 1,8,15,22 1,8,15,22 Wiederholung Tag 36, dann alle 5 Wochen. Schema FUFOX Mayo-Clinic Pat. (n) Ansprechen 118 124 48,3% 22,6% Medianes Überleben (Mon.) 20,4 16,1 Medianes PFS (Mon.) 7,9 5,3 Die Oxaliplatin-Kombinationstherapie ist signifikant wirksamer als das Mayo-Clinic-Schema und auch weniger toxisch (Im Mayo-Schema 3 = 2,4% toxische Todesfälle vs. 1 = 0,8% bei FUFOX). Das lange mediane Überleben resultiert aus Oxaliplatin- und Irinotecan-haltigen Salvage-Therapien. 301 Metastasierte kolorektale Karzinome Capecitabin/Irinotecan vs. Capecitabin/Oxaliplatin In einer randomisierten Phase-II-Studie wurde die Kombination des oralen 5-FU-Prodrug Capecitabin mit Irinotecan gegen Capecitabin plus Oxaliplatin als First-line-Therapie bei fortgeschrittenem CRC evaluiert. Hauptzielkriterium ist die Ansprechrate, Nebenzielkriterien sind die Zeit bis zur Progression, die Überlebenszeit, die Toxizität und die Lebensqualität. Studienleiter: Prof. H.-J. Schmoll, Halle Studiensekretariat: Tel. 0345/557-2849 / 2924 Fax 0345/557-2950 Ein- und Ausschlusskriterien Histologisch nachgewiesenes Adenokarzinom des Kolons oder Rektums Inoperable und/oder metastasierte Erkrankung (mindestens eine evaluierbare Metastase muss außerhalb eines evtl. vorbestehenden Strahlenfeldes liegen). Keine vorangegangene Chemotherapie für metastasierte Erkrankung (Immuntherapie zählt nicht als Chemotherapie): adjuvante Chemotherapie erlaubt, falls sie mindestens 6 Monate zurückliegt. Mindestens eine ausmessbare Referenzmetastase von mindestens 20 x 20 mm Größe Alter zwischen 18 und 75 Jahren und Performance-Status nach ECOG (WHO): 0,1,2 Lebenserwartung über 3 Monate Bilirubin < 2x Norm; AP < 3x Norm; Kreatinin< 2x Norm Möglichkeit der regelmäßigen längerfristigen Nachsorge Initiale Evaluation 4 Wochen oder weniger vor Studienaufnahme Keine ZNS-Metastasen Kein Zweitmalignom außer Cervix-Ca. in situ o. nicht-Melanom-Hautkrebs Keine schwerwiegenden internistischen Begleiterkrankungen, die eine zytostatische Therapie ausschließen, insbesondere keine KHK trotz adäquater Therapie Keine vorbestehende schwere Polyneuropathie Behandlungsplan Arm A Capecitabin 2000 mg/m2 oral Tag 1 -14 mit Aufteilung der täglichen Gesamtdosis in 2 Gaben (morgens und abends jeweils 30 min. nach dem Essen); Irinotecan 100 mg/m2 in 500 ml NaCl als 90 Minuten-Infusion Tag 1 und 8 Cave: zur Prophylaxe des akut-cholinergen Syndroms Applikation von 0,5 mg Atropin s.c. 30 min vor Irinotecan obligat (cave Glaukom) Wiederholung Tag 22 Arm B Capecitabin 2000 mg/m2 oral wie oben Oxaliplatin 70 mg/m2 in 500 ml Glucose 5% i.v. als 120 min.-Infusion Tag 1 und 8 Wiederholung Tag 22 Fortsetzung der Th. bis zur Progression od. Auftreten einer schweren Toxizität, bei CR max. ein Jahr. Bei Progress wird ein Cross-over empfohlen, ist aber optional. Ergebnisse (A.Grothey et al., ASCO 2004, Abstr. 3534) Insgesamt 161 Patienten, davon erhielten 68 Pat. CapOx oder CapIri als second-line-Therapie nach Cross-over. Toxizität: Eine schwere Diarrhoe als Grad-3/4-Toxizität trat häufiger im second-line CapIri auf (10,8% vs. 0%), die Oxaliplatin-induzierte Neurotoxizität nach first-line CapOx war reversibel unter second-line CapIri. Effektivität (CapIri vs. CapOx): Responseraten 20,6% vs. 12,7%, Stable disease 50 vs. 48,4%, Progressive disease 29,4% vs. 38,7%. Progressionsfreies Überleben 5,1 vs. 4,3 Monate. Overall survival 9,6 vs. 10,6 Monate. Das Gesamtüberleben für Patienten mit first- und second-line-Therapie war fast identisch: CapOx → CapIri 17,8 Monate, CapIri → CapOx 17,7 Monate. CapIri und CapOx sind beide effektive und tolerable Regime. Es ergibt sich kein Vorteil für eine bestimmte Behandlungssequenz. 302 Metastasierte kolorektale Karzinome Oxaliplatin/5-FU-24h/FA vs. Oxaliplatin/Capecitabin Diese Studie vergleicht in der palliativen Situation als first-line-Behandlung zwei Chemotherapien, die beide eine „Neue Substanz“ enthalten und mit einem 5-FU-Infusionsregime bzw. einem oralen 5-FU-Prodrug kombiniert werden: Hochdosis-5-FU/Folinsäure + Oxaliplatin (FUFOX) versus Capecitabin + Oxaliplatin (CAPOX) Studienziele Hauptzielkriterium: Vergleich der progressionsfreien Überlebenszeiten von Patienten mit fortgeschrittenem kolorektalen Karzinom unter der palliativen Chemotherapie Nebenzielkriterien: Remissionsraten Gesamtüberlebenszeiten Dokumentation der Toxizitäten in beiden Chemotherapiearmen Beurteilung der Lebensqualität Einschlusskriterien Patienten mit inoperablen Metastasen eines histologisch gesicherten kolorektalen Karzinoms Messbare Tumorparameter entsprechend den RECIST-Kriterien Leukozyten >3000/µl, Thrombozyten >100.000/µl Serumkreatinin < 1,25 x Normwert, Serumbilirubin < 1,25 x Normwert; bei Vorliegen von Lebermetastasen Serumbilirubin < 1,5 x Normwert, GOT/GPT < 2,5 x Normwert. Kreatinin-Clearance > 30ml/min (Dosismodifikation für Kreatinin-Clearance von 30-50 ml/min) Schriftliche Einverständniserklärung des Patienten Eine vorausgegangene adjuvante Chemotherapie oder Radio-/Chemotherapie muss mindestens sechs Monate zuvor abgeschlossen sein Alter > 18 Jahre Allgemeinzustand < 2 (ECOG) Geschätzte Lebenserwartung über 3 Monate Evaluation der Tumormanifestation 4 Wochen oder weniger vor Aufnahme in die Studie Ausschlusskriterien Zweitmalignome innerhalb der letzten 5 Jahre mit Ausnahme eines Basalioms oder eines erfolgreich behandelten in-situ-Karzinoms der Cervix. Hochgradige internistische Erkrankungen (z.B. dekompensierte Herzinsuffizienz, schwere KHK, Myokardinfarkt innerhalb von 6 Monaten vor Aufnahme in die Studie) Metastasen im ZNS Vorbestehende schwere Polyneuropathie Schwangerschaft, stillende Frauen Bekannte Allergie gegenüber einem der eingesetzten Medikamente oder deren Inhaltsstoffen Bekannter DPD-Mangel Gleichzeitige Therapie mit dem Virostatikum Sorivudin oder dessen chemischen Verwandten Bestrahlung der Indikatorläsion Vorangegangene palliative Chemotherapie Studienleitung: Prof. Dr. med. R. Porschen, Klinik für Innere Medizin, Zentralkrankenhaus Bremen Ost, Züricher Strasse 40, 28235 Bremen, [email protected] Studiensekretariat: Dr.med. H.-T. Arkenau, Klinik für Innere Medizin, Zentralkrankenhaus Bremen Ost, Züricher Strasse 40, 28325 Bremen Tel.: 0421/408-2534 Fax: 0421/408-2235 [email protected] Die Studie ist beendet. Ergebnisse siehe folgende Seite! 303 Metastasierte kolorektale Karzinome Oxali./5-FU-24h/FA vs. Oxali./Capecitabin –Therapieprotokoll ARM A Oxaliplatin: Folinsäure: 5-FU: Tag 1, 8, 15, 22 50 mg/m2 (2-Std.-Infusion) anschließend 500 mg/m2 als 2-Std.-Infusion, anschließend: 2000 mg/m2 5-FU-Hochdosis-22-Std.-Infusion. Wiederholung an Tag 36. 1 Zyklus umfasst somit 5 Wochen. ARM B Oxaliplatin Capecitabin 70 mg/m2 (2-Std.-Infusion) an Tag 1 und 5, Wiederholung an Tag 22 2 x 1000 mg/m2/Tag oral für 2 Wochen, 1 Woche Pause. 1 Zyklus umfasst somit 3 Wochen. Nach jeweils 3 Zyklen 2 Wochen Pause Um die kumulative Oxaliplatindosis in beiden Armen vergleichbar zu halten, wird in Arm B die Pause nach jeweils 3 Zyklen von 1 auf 2 Wochen verlängert. Antiemese Wegen der Gabe von Oxaliplatin sollten generell HT3-Rezeptorantagonisten eingesetzt werden. Eine prophylaktische antiemetische Therapie mit 4x50 Tropfen Metoclopramid am Tag der Chemotherapie und an beiden Tagen danach sollte durchgeführt werden. Diese Therapie kann durch 2x4 mg Fortecortin p.o. ergänzt werden. Hand-Fuß-Syndrom: Bei Auftreten einer Rötung der Handflächen oder der Fußsohlen sollte unter Gabe von Capecitabin die Behandlung unterbrochen werden. Diarrhoe Bei ausgeprägter therapiepflichtiger Diarrhoe ist der zeitgerechte Einsatz von Loperamid oder Octreotid zu empfehlen (Sandostatin; 3x50 bis 3x100 µg pro Tag). Auf einen Ersatz der Flüssigkeitsverluste ist dabei besonders zu achten. Bei neutropener Diarrhoe oder Fieber plus Diarrhoe ist eine adäquate antibiotische Therapie obligat, z.B. Metronidazol oral plus breite systemische Antibiose i.v. (z.B. β-Lactam-Antibiotika plus Aminoglykosid). Kardiotoxizität Sofort die Infusionstherapie unterbrechen. Bei 5-FU und Capecitabin bedingter Kardiotoxizität darf mit 5-FU und Capecitabin nicht mehr behandelt werden. Interim-Safety-Analyse Nach Einbringen von 420 Patienten zwischen August 2002 und Mai 2004 ist die Studie jetzt geschlossen. Die Interim-safety-Analyse (Arkenau HT et al., Abstract #3546, ASCO 2004) ergab folgende Toxizitätsdaten: Häufigkeit und Schweregrad der gastrointestinalen Nebenwirkungen und des Hand-Fuß-Syndroms sind ähnlich in beiden Gruppen. Patienten im FUFOX-Arm erleiden häufiger Grad-3/4 Neuropathien (25% im FUFOX- vs. 16% im CAPOX-Arm). Die hämatologische Toxizität ist gering bis auf ca. 10% Grad-3/4 Neutropenien, die häufiger im FUFOX-Arm vorkommen. Schlussfolgerung: CAPOX ist mindestens gleich gut verträglich wie FUFOX in der First-line Therapie des metastasierten CRC. CAPOX FUFOX Studienergebnisse (Arkenau H. et p-Wert n= 167 n=155 al., ASCO 2005,#3507) 7,0 Mon. 8,0 Mon. 0,11 PFS 3% 5% 1,0 CR Die Toxizitätsprofile und 39% 40% 1,0 PR Responseraten in beiden 32% 23% 1,0 SD Kombinationstherapien sind 26% 32% 1,0 PD vergleichbar. Das progressionsfreie Überleben (PFS) war im FUFOX-Arm besser (8 versus 7 Monate). 304 Kolorektale Karzinome Irinotecan (Campto®) Irinotecan gehört zur Gruppe der Topoisomerase-I-Inhibitoren. Campto® ist für die First-line-Therapie des metastasierten CRC zugelassen - in Kombination mit 5-FU und Folinsäure bei erwachsenen Patienten ohne vorausgegangene Chemotherapie im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung, - als Monotherapie bei erwachsenen Patienten, die auf eine Vorbehandlung mit einem 5-FU enthaltenden Regime nicht angesprochen haben. Wirkmechanismus Topoisomerase I ist ein nukleäres Enzym, das kovalent am 3‘-Ende der DNA-Doppelhelix bindet. Dessen Aufgabe besteht in der passageren Spaltung eines Stranges, um die Replikation zu ermöglichen. Durch Bindung eines Inhibitors (Irinotecan) am Enzym werden irreversible Strangabbrüche induziert und so die DNA-Replikation und die Bildung von mRNA gestört. Dosierung Monotherapie Substanz Irinotecan Dosis (mg/m²/d) 350 Applikationsform 60 – 90 min Infusion Therapietage 1, WH Tag 22 Applikationsform 60 – 90 min Infusion Therapietage 1,8,15,22 WH Tag 43 Cunningham D. et al.: Lancet 1998;352:1413-18 Monotherapie „weekly“ Substanz Irinotecan Dosis (mg/m²/d) 100-125 Rothenberg M.L. et al.:Cancer 1999;85:786-795 Toxizität Unmittelbar nach Infusion tritt häufig ein akutes cholinerges Syndrom mit Durchfall, Bauchkrämpfen und Speichelfluss auf. Deshalb erfolgt eine prophylaktische Gabe von Atropin 0,25 mg s.c.. Akute und verzögerte Übelkeit können auftreten. Neben einer akuten Diarrhoe wird bei bis zu 30 % der Patienten eine nach durchschnittlich 5 Tagen einsetzende verzögert auftretende Diarrhoe beobachtet, die ohne adäquate Behandlung lebensbedrohlich sein kann: Hochdosierte Gabe von Loperamid obligat (initial 4 mg, dann 2 mg alle 2 Stunden bis 12 Stunden nach dem letzten flüssigen Stuhl, jedoch nicht länger als 48 Stunden in dieser Dosierung). Das Auftreten von Diarrhoen in der Phase der Neutropenie (Grad 3 - 4 in ca. 40%) birgt eine Gefahr für das Entstehen einer Sepsis in sich. Bei Neutropenie und Diarrhoe soll deshalb eine prophylaktische Antibiotikatherapie mit Ciprofloxacin erfolgen. Dauert die Diarrhoe mehr als 24 Stunden, bestehen zusätzlich Erbrechen oder Fieber, ist zwingend die stationäre Aufnahme des Patienten erforderlich. Der Patient und der Hausarzt sind ausführlich über das Verhalten bei Durchfall und Fieber aufzuklären. Loperamid soll prophylaktisch verordnet, aber nur bei Auftreten von Durchfall wie oben angegeben eingenommen werden. Durch wöchentliche Applikation kann das Auftreten schwerer Diarrhoen deutlich reduziert werden. Studienergebnisse Monotherapie In einer randomisierten Studie wurden Pat. nach Versagen einer konventionellen 5-FU-Therapie entweder mit Irinotecan 300-350 mg/m² alle 3 Wochen oder mit einer 5-FU-Infusionstherapie behandelt (Rougier P. et al. Lancet 1998;352:1407-12). Durch Irinotecan konnte die Zeit bis zur Progression (2,9 vs. 4,2 Monate) und die Überlebenszeit (8,5 vs. 10,8 Monate) signifikant verlängert werden. Eine weitere Studie verglich Irinotecan mit Best supportive Care bei Pat. mit Therapieversagen nach zwei und mehr 5-FU-haltigen Vortherapien (Cunningham D. et al. Lancet 1998;352:1413-18). Auch in dieser Studie war Irinotecan sowohl im Hinblick auf die Zeit bis zur Progression als auch die Überlebenszeit (9,2 versus 6,5 Monate) überlegen. Gleichzeitig hatten die Pat. mit Chemotherapie eine durchweg bessere Lebensqualität als die ausschließlich symptomatisch behandelten Patienten. 305 Metastasierte kolorektale Karzinome Irinotecan, 5-FU und Folinsäure, Douillard-Studie Douillard-Studie (Lancet 2000;355:1041-47) In der europäischen Studie V-303 geleitet, von De-Gramont-Schema AIO-Schema Douillard, wurde bei 387 unvorbehandelten Patienten Irinotecan 180 mg/m2 Irinotecan 80 mg/m2 ein 5-FU-Infusionsprotokoll + + als Standardarm, entweder 2 5-FU 400mg/ m Bolus 2 5-FU 2300mg/m das de-Gramont- oder das 24h 5-FU 22h 600mg/m2 FA 500 mg/m2 AIO-Schema, mit der 2 FA 200 mg/m jeweiligen Kombination mit wöchentlich x 6, WH Tag 50 Tag 1 + 2, WH Tag 15 Irinotecan verglichen. Die Kombination mit IrinoVS VS tecan zeigte eine signifikante 5-FU 400mg/ m2 Bolus 2 Überlegenheit in der An5-FU 24h 2600mg/m 5-FU 22h 600mg/m2 2 sprechrate (49 vs. 31%), der FA 500 mg/m FA 200 mg/m2 Zeit bis zur Progression (6,7 wöchentlich x 6, WH Tag 50 Tag 1 + 2, WH Tag 15 vs. 4,4 Monate) und der Überlebenszeit (17,4 vs.14,1 Monate). Außerdem verzögerte sich die Verschlechterung des Gesundheitszustandes unter der Irinotecan-Kombination. Ergebnisse: siehe auch übernächste Seite. EORTC-Studie Nr. 40986 Die multizentrische EORTC-Studie Nr. 40986, die 1999 initiiert wurde, hatte den gleichen Ansatz. Sie wollte auch herausfinden, welche Patientengruppen von einer frühzeitigen intensiven Kombinations-Chemotherapie profitieren. Ergebnisse siehe Seite EORTC Studie 40986. Arm A = Referenz-Arm Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36 5-FU 2600 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36 Applikationsform Therapietage 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36 2000* 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36 80 ½-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36 WH Tag 50 Arm B = Experimenteller Arm Substanz Folinsäure 5-FU Irinotecan Dosis [mg/m²/d] WH Tag 50 * Die ursprüngliche 5-FU-Dosis wurde nach einem Amendment der Arbeitsgruppe internistische Onkologie aus Toxizitätsgründen von 2300 auf 2000 mg/24-Stunden reduziert. 306 Metastasierte kolorektale Karzinome Irinotecan, 5-FU und Folinsäure/Toxizität, Saltz-Studie Die Studie von Saltz (L. B. Saltz et al. NEJM 2000; 343: 905-14) zeigte eine signifikante Überlegenheit der Kombinationschemotherapie mit Irinotecan, 5-FU und Folinsäure gegenüber Irinotecan als wöchentliche Monotherapie und gegenüber 5-FU/Folinsäure (NCI-Protokoll) sowohl im Hinblick auf das progressionsfreie als auch das Gesamtüberleben beim metastasierenden kolorektalen Karzinom. Therapieschema Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage Irinotecan 125 90 min-Infusion 1, 8, 15, 22 Folinsäure 20 i.v.-Bolus 1, 8, 15, 22 5-FU 500 i.v.-Bolus 1, 8, 15, 22 Wiederholung Tag 36 Die Toxizität war mit einer therapieassoziierten Mortalität von knapp 1% allerdings hoch. Überprüfung der Ergebnisse in den beiden folgenden Studien NCI-Trial N9741 (metastasierte Stadien) und C89803 (Adjuvante Therapie) • Irinotecan , 5-FU, Folinsäure (Schema nach Saltz) • Hohe Rate an Todesfällen von 4,8% (14 von 289 Pat.) bzw. 2,2% (14 von 635 Pat.) innerhalb der ersten 60 Tage nach Therapiebeginn ⇒ Stop des weiteren Einschlusses neuer Patienten vom NCI empfohlen Konsequenz • Intensives Monitoring bei Einsatz Irinotecan/Bolus 5-FU/Folinsäure • Alternativ: “Infusional 5-FU”, z.B. Schema des experimentellen Armes der EORTC-Studie 40986. Im Frühjahr 2001 wurde aus Toxizitätsgründen die initiale 5-FU-Dosis von 2300 mg/m2 (entspricht dem Schema nach 2 Douillard: Lancet 2000;355:1041-7) auf 2000 mg/m /24 Stunden reduziert. Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage Irinotecan 80 ½-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36 Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36 5-FU 2000 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36 Wiederholung Tag 50 Die Kombination Oxaliplatin/Irinotecan vs. Irinotecan/5-FU/Folinsäure wurde in einer Phase-IIIStudie geprüft (siehe "FIRE"). 307 Metastasierte kolorektale Karzinome HD-5-FU/FA ± Irinotecan (EORTC Nr. 40986) Im Herbst 1999 wurde die randomisierte Studie der EORTC aktiviert, bei der überprüft werden sollte, ob die Einführung einer der „neuen Substanzen“ in der first-line-Therapie metastasierter kolorektaler Tumoren einen Überlebensvorteil bringt. Inzwischen ist die Studie geschlossen. Erste Hinweise auf eine Sinnhaftigkeit einer solchen Therapie gibt die randomisierte, multizentrische Studie von Douillard et al Lancet 2000; 355:1041-47). Hier war bei 387 Patienten das „De-Gramont“-Schema bzw. das sog. „AIO-Schema“ als HD-5-FU/FA-Regime unter Hinzunahme von wöchentlich 80 mg/m² Irinotecan geprüft worden. Diese Studie hatte für die Irinotecan-haltige Kombination nicht nur eine höhere Ansprechrate (49 vs. 31%), eine längere Zeit bis zur Progression (6,7 vs. 4,4 Monate), sondern auch ein um 3,3 Monate auf 17,4 Monate signifikant verlängertes medianes Gesamtüberleben erbracht. Die Lebensqualität ergab keine signifikanten Unterschiede. Die Studie 40986 verglich das AIO-Schema im Standardarm mit der zusätzlichen Gabe von Irinotecan 80 mg/m² wöchentlich. Während der Studie waren in dem Arm B: AIO-Schema + Irinotecan (AIO 2,3 + IRI) unter 93 Pat. 3 Todesfälle aufgetreten. Daraufhin wurde die 5-FU-Dosis für die nachfolgend rekrutierten Pat. auf 2000 mg/m2 reduziert (AIO 2,0 + IRI). Die Auswertung der Pat. erfolgte stratifiziert entsprechend der veränderten Dosierung. Siehe nachstehende Tab. Im Arm A (AIO-Schema) wurde ein therapiebedingter Todesfall beobachtet. Hier erfolgte keine Änderung der Dosierung. Die Auswertung wurde ab dem Zeitpunkt der reduzierten Dosis im Arm B auch im Arm A in zwei Strata vorgenommen, in der Tab. als Periode I und Periode II ausgewiesen. Ergebnisse (Köhne CH et al., ASCO-Meeting, Orlando 2002, Abstract 532 ) Merkmal Arm A (AIO-Schema) Arm B (AIO 2,3 + IRI; AIO 2,0 + IRI) Pat. (n) 188 179 60-Tage-Mortalität 7/188 (3,7%) 4/179 (2,2%) Periode I II AIO 2,3 AIO 2,0 n=70 n=63 (n=70) (n=56) 3% 6,4% 7,1% 8,6% Diarrhoe 20% 12,7% 34,3% 17,3% Therapieabbruch: TOX 4,2% 14% 19,4% 20,7% andere Gründe 6,9% 4,7% 18,1% 17,2% Toxizität Leukopenie Fazit der Autoren: Die Reduktion der 5-FU-Dosis im IRI-Arm bewirkte eine relevante Verminderung der GIToxizität. Die hämatologische Toxizität war in AIO 2,3 + IRI und AIO 2,0 + IRI unverändert. Nach der Dosisreduktion zu AIO 2,0 + IRI wurde kein therapiebedingter Todesfall mehr beobachtet. Ergebnisse der AIO-Studie, Studien von Douillard et al. sowie von Saltz et al. FU Bolus oder Dauerinfusion +/- Irinotecan Schema Douillard/AIO + CPT-11 IFL (Saltz) + CPT-11 AIO + CPT-11 N Response TTP/PFS ÜLZ Autor 338 23% 35% 4,4 6,7 14,1 17,0 Douillard Lancet 2000 440 21% 39% 4,3 7,0 12,6 14,8 430 - 6,5 8,5 - Saltz NEJM 2000 EORTC (Köhne) ASCO 2002 308 Kolorektale Karzinome Metastasiert, EORTC-Studie 40015 Infusional-5-FU/Folinsäure plus Irinotecan versus Capecitabin plus Irinotecan +/- Celecoxib bei metastasiertem kolorektalen Karzinom bei Pat. mit intermediärem und gutem Risiko. Fragestellung: Kann Infusional-5-FU durch Capecitabin ersetzt werden ohne Nachteil für die Wirksamkeit in der Kombination mit Irinotecan? Ist die Capecitabin-Kombination weniger toxisch als das Infusional-5-FU? Einschlusskriterien Histologisch nachgewiesenes Adenokarzinom des Kolons oder des Rektums im metastasierten Stadium. Alter über 18 Jahre, Allgemeinzustand 0-2 WHO. Keine vorausgegangene Chemotherapie für das metastasierte Stadium. Messbare oder bewertbare Metastasen. Vorausgegangene adjuvante Therapie ist erlaubt, wenn sie mindestens 6 Monate vor der Randomisation beendet wurde. Initiale Bewertung der Metastasen maximal 2 Wochen vor Beginn der Behandlung. Leukozyten > 3 G/l, Thrombozyten > 100 G/l, Bilirubin < 2 x normal. Keine Metastasen. Keine Zweitneoplasie in der Anamnese oder gegenwärtig. Ausschluss einer Schwangerschaft. Keine schwere kardiale oder pulmonale Erkrankung, keine schwergradige Angina pectoris. Schriftliche Einverständniserklärung, Möglichkeit eines Follow-up. Definition von Patienten mit intermediärem und gutem Risikoprofil WHO 0 oder 1 und ein Metastasierungsort. WHO 0 oder 1 und mehr als ein Ort der Metastasierung und alkalische Phosphatase unter 300 U/l. WHO > 1 und Leukozyten < 10 G/l und nur ein Metastasierungort. Studiendesign 5-FU/Folinsäure + CPT 11 +/- Celecoxib 2x 400mg Capecitabin + CPT 11 +/- Celecoxib 2x 400 mg Arm A Irinotecan Folinsäure 80 mg/m2 2 500 mg/m 2 5-FU 2.000 mg/m Wiederholung Tag 50 (Tag 1 des neuen Zyklus). 500 ml NaCl 0,9% 30 min. Tag 1,8,15,22,29,36 500 ml NaCl 0,9% 2h Tag 1,8,15,22,29,36 i.v. 24h-Inf. Tag 1,8,15,22,29,36 Arm B Irinotecan 70 mg/m2 500 ml NaCl 0,9% 30 min. Tag 1,8,15,22,29,36 2 Capecitabin 2 x 1.000 mg/m p.o. Wiederholung Tag 50 (Tag 1 des neuen Zyklus). Tag 1-14; 22-36 Eine Bewertung der Wirksamkeit der Therapie muss erfolgen nach jedem vollständigen Zyklus, entweder in der Woche 7 oder vor dem nächsten Zyklus. Die Studie wurde im April 2004 wegen insgesamt 8 Todesfällen abgebrochen (Koehne C. et al., ASCO 2005,A 3525) 6 Todesfälle, von denen 5 eindeutig therapiebedingt waren, ereigneten sich im CAPE/IRI-Arm. Die Ursachen waren in 3 Fällen schwere Diarrhoen, in 2 Fällen thromboembolische Ereignisse. Die Todesfälle hatten wahrscheinlich nichts mit dem Celecoxib zu tun. 61% der Patienten im CAPE/IRI-Arm benötigten eine Dosisreduktion wegen Toxizität (39% Diarrhoe ≥Grad 3). Schlussfolgerung: CAPE/IRI ist in dieser Dosierung und diesem Schedule nicht durchführbar. Die EORTC GI Gruppe plant eine Phase-II-Studie mit 20% Dosis-Reduktion mit CAPE/IRI plus Bevacizumab vs. FOLFIRI. plus Bevacizumab. 309 Kolorektale Karzinome Sequenzen und Kombinationen mit Oxaliplatin/Irinotecan Therapiesequenz: FOLFIRI ⇒ FOLFOX oder FOLFOX ⇒ FOLFIRI (E. Achille, C. Tournigand et al. Eur J Cancer 2001;37:1067 suppl. 6) Auf dem ECCO 2001 wurden die Ergebnisse einer Studie präsentiert, die die Therapiesequenz der neuen Substanzen Irinotecan und Oxaliplatin in Kombination mit einem 5-FU-Infusionsregime analysierte. Therapieansprechen Sequenz A Sequenz B FOLFIRI 109 Pat. FOLFOX 81 Pat. FOLFOX 111 Pat. FOLFIRI 69 Pat. ORR 56% 15% 53% 4% ORR + SD 79% 67% 80% 39% ORR=Overall response rate SD=stable disease Der primäre Endpunkt der Phase-III-Studie war die Zeit bis zur Progression (TTP) jeder Sequenz: Nach der 1. Chemotherapie war die TTP 8,4 in Sequenz A und 8,9 Monate in Sequenz B. Nach 2 Chemotherapien betrug die TTP 14,5 Monate für Sequenz A versus 11,9 Monate für Sequenz B. Der Oxaliplatin-Arm war in der second-line-Therapie wirksamer. Dies könnte für den primären Einsatz eines Irinotecan-Regimes sprechen. Allerdings konnten in Sequenz B bei 13 Patienten, die also primär eine Oxaliplatin-Kombination erhielten, Metastasen R0-reseziert werden im Vergleich zu nur 7 Patienten im Irinotecan-Arm. Oxaliplatin + Irinotecan vs. Oxaliplatin oder Irinotecan + 5-FU/Leucovorin (Goldberg R.M. et al. ProcAmSocClinOncol 2002;21:511) In der auf dem ASCO 2002 vorgestellten Intergroup study N 9741 wurde die Kombination Oxaliplatin 85mg/m² + Irinotecan (CPT-11) 200mg/ m² mit dem Original Saltz-Regime (Irinotecan + Bolus/5-FU weekly) und der Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure-Kombination nach de Gramont (FOLFOX 4) verglichen. Pat. (n) 60 TageMortalität Progressionfreie Zeit (Monate) Überleben (Monate) Remiss. -raten CPT-11 + 5FU/LV (Original Saltz) 264 4,5 % 6,9 14,1 29% Oxaliplatin + 5-FU/LV (FOLFOX 4) 267 1,8 % 8,8 18,6 38% Oxaliplatin + CPT-11 (Wasserman) 264 1,8% 6,7 16,5 28% Schema Die hohe Rate an frühen Todesfällen im Saltz-Regime-Arm (siehe auch entsprechende Seite) führte zum zeitweiligen Abbruch der Studie und dann zu einer Fortsetzung mit einer reduzierten IrinotecanDosis (125 ⇒ 100 mg/ m²). FOLFOX 4 ist sowohl in Bezug auf die Zeit bis zur Progression, das Überleben und die Ansprechraten den beiden anderen Regimen überlegen. Auch war das Toxizitätsprofil von Oxaliplatin/5FU/Folinsäure das akzeptabelste. Diese Ergebnisse führten dazu, dass auf dem ASCO 2002 FOLFOX 4 zur damaligen Standardtherapie in der First-line-Therapie des metastasierenden CRC erhoben wurde. 310 Metastasierte kolorektale Karzinome Sequentielle Therapie, FOLFOX6/FOLFIRI Studientitel FOLFIRI gefolgt von FOLFOX6 oder in der umgekehrten Sequenz beim fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom. Eine randomisierte GERCOR Studie, Phase III (C.Tournigand et al. JCO, 2004; 22:229-237). Fragestellung Randomisierter Vergleich von FOLFIRI und FOLFOX6 in der Erstlinientherapie und Bewertung des Therapieerfolges der unterschiedlichen Sequenzen in der Erst-/Zweitlinienbehandlung, FOLFIRI gefolgt von FOLFOX6 und FOLFOX6 gefolgt von FOLFIRI Patienten und Methoden 226 Pat. mit metastasiertem kolorektalen Karzinom, nicht resezierbaren, zweidimensional >2cm messbaren Läsionen oder nicht quantifizierbarer Resterkrankung zwischen 18 und 75 Jahren, einem WHO-Performance Status von 0-2 und adäquaten Organfunktionen wurden zwischen Dez. 1997 und Sept. 2000 eingeschlossen. Für Arm A randomisierte Pat. erhielten FOLFIRI bis zur 5-FU/FA mg/m² Applikationsform Therapie Tumorprogression oder l-Leucovorin 200 2 h Inf. d1 gravierender Toxizität und oder dl-Leucovorin 400 wurden dann mit FOLFOX6 5-FU 400 i.v. Bolus d1 weiter behandelt. 5-FU Kurs 1 u. 2 2400 48 h Inf. d1 Für Arm B randomisierte Pat. 5-FU ab Kurs 3 3000 48 h Inf. d1 erhielten zunächst FOLFOX6, FOLFIRI um bei Progress oder nicht plus Irinotecan 180 90’ Inf. 500ml G5% d1 tolerierbarer Toxizität auf FOLFOX6 FOLFIRI umgestellt zu werden. plus Oxaliplatin 100 2 h Inf. in 500ml G5% d1 Ergebnisse First-Line-Therapie In der Erstlinientherapie waren für FOLFIRI 3 (2,8%) CR vs. 5 (4,5%) für FOLFOX6 zu verzeichnen. Die Responsraten waren 56% für FOLFIRI vs. 54% für FOLFOX. Die medinane Zeit bis zum Ansprechen wurde mit 2,1 Monaten (Arm A) vs. 1,8 Monaten (Arm B) bestimmt. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 11 Monate für FOLFIRI gegenüber 10,6 Monate für FOLFOX. Eine PR wurde in 53% unter FOLFIRI, in 49% unter FOLFOX erreicht, ein Progress musste in 14% (Arm A) vs. 13% (Arm B) diagnostiziert werden. Keine Aussage wurde für jeweils 7% der Pat. getroffen. Einer Operation wurden 10 Pat. in Arm A und 24 Pat. in Arm B zugeführt. Das mittlere Überleben für in zweiter Linie operierte Pat. betrug 47 Monate. Second-Line-Therapie Die RR waren 15% mit FOLFOX6 second-line vs. 4% mit FOLFIRI. Darunter keine CR. Eine stabile Erkrankung konnte in 48% durch FOLFOX vs. 30% durch FOLFIRI erreicht werden. Progressionen wurden in 35% unter FOLFOX und in 51% unter FOLFIRI in der Zweitlinientherapie gesehen. Gesamtüberleben (OS) Das mediane OS war 21,5 Monate für Arm A (range, 16,9 bis 25,2) und für Arm B 20,6 Monate (range, 17,7 bis 24,6). Proggressionsfreies Überleben, (A) First-line-Therapie, Unabhängige Prognosefaktoren waren ein guter (B) second-line-Therapie Performance-Status, niedrige LDH, Fehlen einer vorausgegangenen Chemotherapie, niedrige AP, Metastasen auf die Leber begrenzt, CEA und weibliches Geschlecht. Zusammenfassung Ein statistisch signifikanter Unterschied für die Remissionsraten, das progressionsfreie Überleben nach Erst- und Zweitlinientherapie sowie für das Gesamtüberleben konnte für die beiden Therapiearme FOLFIRI/FOLFOX6 und FOLFOX6/FOLFIRI nicht nachgewiesen werden. In beiden Therapiearmen konnte ein OS um 20 Monate erreicht werden. Signifikant mehr Pat. erreichten jedoch eine Resektabilität unter der Primärtherapie mit FOLFOX gegenüber FOLIRI. 311 Metastasierte kolorektale Karzinome FIRE-Studie Die sogenannte „FIRE-Studie“ (Flourouracil, Irinotecan, Eloxatine) wird durch die Ludwig-Maximilians-Universität in München koordiniert. Hier sollen in der first-line-Therapie die beiden wichtigsten neuen Substanzen Irinotecan und Oxaliplatin angewendet werden. Ansprechpartner: PD Dr. V. Heinemann, III.Med. Klinik, Klinikum Großhadern. Ein- und Ausschlusskriterien Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Kolons oder Rektums Metastasierte Erkrankung mit zweidimensional messbaren Läsionen (CT o. MR ≥2cm, Rö-Thor. ≥1cm) Messbare Läsionen außerhalb des Bestrahlungsfeldes bei zuvor bestrahlten Patienten Keine vorangegangene Chemotherapie im Rahmen der Metastasierung Alter zwischen 18 und 75 Jahren und Performance-Status mit Karnofski ≥70% Adjuvante Therapie mindestens 6 Monate vor Randomisation beendet und ohne Topoisomerase-1-Inhibitoren und Platinanaloga Leukos. ≥3000, Thrombos ≥100000/µl, Kreatinin ≤1,25 x Norm, Bili. ≤1,25x Norm und OT/PT ≤3x Norm in Abwesenheit von bzw. ≤1,5 und 5x Normwert bei Anwesenheit von Lebermetastasen Keine chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, kein Ileus Kein klinischer Hinweis auf Hirnmetastasen Kein Zweitmalignom außer Cervix-Ca. in situ o. Nicht-Melanom-Hautkrebs Keine schwerwiegenden internistischen Begleiterkrankungen, die eine zytostatische Therapie ausschließen Chemotherapie Der Standardarm entspricht dem experimentellen Arm der EORTC-Studie 40986. Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36 5-FU 2000 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36 80 ½-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36 Irinotecan Wdh. Tag 50 Für die Therapie im experimentellen Arm ist keine Portimplantation nötig, wird aber empfohlen. Substanz Irinotecan Oxaliplatin Dosis [mg/m²/d] 80 85 Applikationsform ½-Std.-Infusion 120-min.-Infusion Therapietage 1,8,15,22,29,36 1,15,29 Wdh. Tag 50 Die Behandlungsdauer ist bis zum Auftreten einer Progression oder einer inakzeptablen Toxizität geplant. Bei Progression sollte ein Cross-over der Therapieregime erfolgen. Falls nach 2 Zyklen eine Resektabilität von vormals nicht resektablen Lebermetastasen erreicht wird, ist eine Operation vorgesehen. Die Ergebnisse der Studie wurden auf dem ASCO 2005 vorgestellt (Schalhorn A. et al., #3516) FIRE-Studie n = 299 FOLFIRI IROX CR 8% 8% PR 38% 42% SD 47% 33% PFS 8,7 Monate 7,3 Monate OS 21,1 Monate 18,6 Monate 8,5% 16,5% Therapiestop wg. Toxizität Schlussfolgerung der Autoren: FOLFIRI und IROX sind vergleichbar effektiv. Die Toxizität ist ähnlich akzeptabel in beiden Armen. 312 Metastasierte Kolorektale Karzinome Capecitabin/Oxaliplatin-Kombinationstherapie Verschiedene Studien haben gezeigt, dass das orale Fluoropyrmidine Capecitabin (Xeloda®) in der Monotherapie 5FU ersetzen kann. Dass ein Ersatz von 5-FU durch Capecitabin auch in der Kombinationstherapie mit Oxaliplatin möglich ist, haben mehrere Studien gezeigt: In den Studien der AIO ( Porschen et al., J Clin Oncol 2007) der spanischen TTD (Diaz-Rubio et al.,J Clin Oncol 2007) und einer französischen Studie (Ducreux et al. ASCO 2007) bestand kein statistisch signifikanter Unterschied für die verschiedenen untersuchten Capecitabin/Oxaliplatin Kombinationen gegenüber den 5-FU/Oxaliplatin-Kombinationen im progressionsfreien Überleben (PFS). Auch die Ansprechraten (RR) waren nicht signifikant unterschiedlich. Auf dem ASCO 2008 wurde eine kombinierte Analyse von Phase II/III-Studien, die auch oben genannte Studien einschloss, vorgestellt, die eine vergleichbare Effektivität von Capecitabin/Oxaliplatin mit Oxaliplatin-basierten infusionalen 5-FU-Regimen zeigten (Arkenau H. et al., ASCO 2008, Abstract 342) Cape/Ox vs. 5-FU/Ox AIO TTD France NO16966 Italian GOAM CAPOX FUFOX XELOX FUOX XELOX FOLFOX-6 XELOX FOLFOX-4 XELOX PVIFOX n RR% PFS (Mon.) OS (Mon.) 242 234 171 171 144 140 317 315 52 56 48 52 37 46 42 46 NA NA 43 48 7,1 8,8 8,9 9,5 9,3 9,7 7,3 7,7 9,0 7,0 18,8 18,8 18,1 20,8 19,9 18,4 17,1 17,5 NA NA Capecitabin und Oxaliplatin, gepoolte Analyse randomisierter Phase-II-/IIIStudien (Porschen R. et al., ASCO 2008, Abstr. 4055) Eine Metaanalyse von 5 randomisierten Phase-II/IIIStudien, die die Rolle von Oxaliplatin in Kombination entweder mit 5-FU oder mit Capecitabine in der firstline-Therapie evaluierten, wurde erstellt. Bei insgesamt 2575 Patienten (5-FU: 1278 Pat., Capecitabine: 1297 Pat.) wurde die Response Rate (RR), das progressionsfreie und das Gesamtüberleben (PFS, OS) analysiert. Ergebnis: Es zeigte sich eine etwas erhöhte RR für 5FU. Das PFS und OS waren jedoch für beide Regime vergleichbar. Capecitabine versus 5-FU in Kombination mit Oxaliplatin, Metaanalyse von randomisierten klinischen Studien (Cuppone F. et al, ASCO 2008, Abstract 4056) 6 randomisierte klinische Studien mit insgesamt 3405 Patienten in der Erstlinientherapie des metastasierten KRK, die CAPOX (Capecitabine + Oxaliplatin) mit FUOX (FU + Oxaliplatin) verglichen, wurden evaluiert. Ergebnisse: CAPOX und FUOX sind gleich effektiv. Die komplette Remissionsrate war etwas höher für 5FU. Ein signifikanter Unterschied zugunsten von CAPOX fand sich für die Neutropenie und die febrile Neutropenie. Eine signifikant höhere Rate an Hand-Fuß-Syndrom fand sich mit CAPOX. 313 Metastasierte Kolorektale Karzinome Capecitabin/Oxaliplatin-Kombinationstherapie (II) NO 16966-Studie (Cassidy J. et al., ASCO 2007, Abstr. # 270) Diese Phase-III-Studie war ursprünglich als Vergleich FOLFOX versus XELOX geplant, wurde dann aber mit der Fragestellung des Werts von Bevacizumab in ein 2x2 faktorielles Design umgewandelt. XELOX N = 317 XELOX + Placebo N = 350 FOLFOX 4 N = 317 FOLFOX4 + Placeb N = 351 Initial 2 armige randomisierte Studie XELOX + Bevacizumab N = 350 FOLFOX4 + Bevacizumab N = 350 Protokoll geändert in ein 2x2 Placebo-kontrolliertes Design nach Vorlage von Phase-III-Daten für Bevacizumab In der Gesamtauswertung von über 2000 Patienten zeigte sich zwischen FOLFOX und XELOX mit oder ohne Bevacizumab bzw. Placebo im Hinblick auf das progressionsfreie Überleben (PFS) mit 8,5 versus 8,0 Monaten kein signifikanter Unterschied. Auch im ursprünglich geplanten zweiarmigen Vergleich (vor der Randomisierung mit Bevacizumab) ergab sich mit 7,7 vs. 7,3 Monaten PFS kein signifikanter Unterschied zwischen FOLFOX und XELOX. Im FOLFOX-Arm fand sich eine höhere Rate an Neutropenien und febrilen Neutropenien, während das HandFuß-Syndrom und Grad-3/4-Diarrhoen im XELOX-Arm häufiger waren. Somit ist die Nicht-Unterlegenheit von XELOX gegenüber FOLFOX4 erwiesen – auch dann, wenn die Patienten zusätzlich Bevacizumab erhalten. PFS PFS XELOX vs. FOLFOX in der Second-line-Therapie (Rothenberg ML et al., ASCO 2007 Abstr. #4031) PFS In dieser Studie wurde bei Patienten, die zuvor schon ein Irinotecan/5-FU-Regime erhalten hatten, die Behandlung mit XELOX versus FOLFOX evaluiert. Bei 627 eingeschlossenen Patienten war das PFS in beiden Armen mit 4,7 Monaten im XELOX-Arm versus 4,8 Monaten im FOLFOX4-Arm nicht signifikant verschieden. Somit bestätigte sich auch die NichtUnterlegenheit von XELOX gegenüber FOLFOX4 in der secondline-Therapie. Fazit: XELOX = FOLFOX in First- und second-line-Therapie des KRK 314 Metastasierte Kolorektale Karzinome Capecitabin/Irinotecan/Bevacizumab-Kombinationstherapie Während in der Oxaliplatin-Kombinationstherapie 5-FU durch Capecitabin ersetzt werden kann, zeigen einige internationale Studien für eine Kombination von Irinotecan mit Capecitabin ein ungünstiges Toxizitätsprofil. Dem stehen Erfahrungen der deutschen AIO-Gruppe gegenüber, die mit einem allerdings dosisreduzierten Capecitabin/Irinotecan-Schema eine gut akzeptable Toxizität dokumentieren konnte. AIO-Studie KRK 0604 (Schmiegel W.H. et al.,ASCO 2007, Abstr.# 4034) Randomisierte Phase-II-Studie zum Einsatz von Bevacizumab in Kombination mit Capecitabin/Irinotecan oder Capecitabin/Oxaliplatin in der Erstlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom. CAPOX + Bevacizumab (Arm A) Dosis [mg/m2/d] 2000 7,5 mg/kg 130 Substanz Capecitabin Bevacizumab Oxaliplatin Applikationsform p.o. 30-90 Min.-Infusion 2-Std.-Infusion Therapietage 1 – 14 1 1 Applikationsform p.o. 30-90 Min.-Infusion 30-90 Min.-Infusion Therapietage 1 – 14 1 1 Wiederholung Tag 22 CAPIRI + Bevacizumab (Arm B) Dosis [mg/m2/d] 1600 7,5 mg/kg 200 Substanz Capecitabin Bevacizumab Irinotecan Wiederholung Tag 22 Die Dosierungen von Capecitabin und Irinotecan im Arm B waren um 20% reduziert im Vergleich zu früheren Studien, die eine inakzeptable Toxizität gezeigt hatten (siehe auch EORTC 40015-Studie, Koehne C. et al., ASCO 2005,A 3525). Arm A N= 118 Arm B N = 112 CR 5% 4% PR 40 % 43 % SD 28 % 23 % 4/23 % 7/23 % 74 % 80 % KRK 0604 PD/n.e. PFS-Rate/6 Mo. Ergebnisse: Beide Regime wurden sehr gut toleriert ohne Unterschiede in der Toxizität, bis auf die erhöhte Neuropathie im Oxaliplatin-Arm. Interessanterweise ergab sich trotz Protokolldefinierter Dosisreduktion von XELIRI kein Unterschied in der Effektivität beider Protokolle gemessen als Remissionsraten und PFS (progressionsfreies Überleben) nach 6 Monaten. Update AIO-Studie KRK 0604 (Reinacher-Schick A.C. et al., ASCO 2008 Abstr. 4030) Die Ansprechraten ( CR+PR) unterschieden sich mit 54% und 55% nicht. Mit 10,4 Monaten für XELOX-Beva sowie 12,1 Monate für XELIRI-Beva war das progressionsfreie Überleben sehr lang und nicht signifikant unterschiedlich. Die Differenz zugunsten des XELIRI-Beva-Armes ist durch die längere Therapiedauer aufgrund der geringeren Toxizität in diesem Arm bedingt. Schlussfolgerung: Beide Regime sind sehr aktiv und sicher. Das günstigere Nebenwirkungsprofil mit fehlender Neuropathie favorisiert die XELIRI/Beva Kombination 315 Bevacizumab (Avastin®) VEGF und Angiogenese Der monoklonale Antikörper Bevacizumab (Avastin®) ist gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) gerichtet. Er ist in Deutschland in Kombination mit einer Chemotherapie auf Fluoropyrimidin-Basis zur Behandlung des metastasierenden KRK zugelassen. Es besteht außerdem eine Zulassung für die First-line-Therapie des metastasierten Mammakarzinoms in Verbindung mit Paclitaxel. Seit kurzem ist Avastin zusätzlich zu einer platinhaltigen Chemotherapie für die Erstlinientherapie des fortgeschrittenen inoperablen, metastasierten oder rezidivierten nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms mit Ausnahme des Plattenepithelkarzinoms zugelassen. Beim fortgeschrittenen und/oder metastasierten Nierenzellkarzinom wird Avastin in der First-line zusammen mit Interferon alpha 2a angewendet. Tumor- versus physiologische Angiogenese Unter physiologischen Bedingungen kommt eine Neubildung von Blutgefäßen (Angiogenese) nur selten vor, z.B. bei der Wundheilung. Diese Angiogenese läuft unter kontrollierten Bedingungen ab. Sie wird reguliert von endogenen Angiogenestimulatoren und Angiogeneseinhibitoren, die ein Gleichgewicht halten. Die neugebildeten Gefäße reifen rasch und werden stabil. Im Tumor – beschrieben als „die Wunde, die niemals heilt“ –ist diese Situation anders. Die Kontrolle über das Gleichgewicht geht verloren. Ab einer gewissen Größe ist der Tumor auf die Neubildung tumoreigener Gefäße angewiesen, wenn nämlich die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des Tumors über die Diffusion alleine nicht mehr geleistet werden kann. Wachstum, Progression und Metastasierung maligner Tumoren sind deshalb abhängig von der Angiogenese. Tumorzellen bilden ihr eigenes Gefäß-System dadurch, dass sie das Gleichgewicht in Richtung Angiogenesestimulation verschieben. Als mögliche stimulierende Faktoren werden die Hypoxie im Tumor, die Tumormasse oder der Zellzerfall diskutiert. Das Umschalten auf die Angiogenese wird als „angiogenetischer Switch“ bezeichnet. VEGF und Angiogenese VEGF wurde als einer der wichtigsten Regulatoren der Angiogenese identifiziert. VEGF ist ein vaskulärer Wachstumsfaktor und ein vaskulärer Permeabilitätsfaktor. Seine Expression ist in vielen Tumoren wie Kolon-, Mammaund Bronchialkarzinom hochreguliert. Es ist möglich, die Wirkung von VEGF über verschiedene Wege zu unterdrücken. Einer davon ist die Bindung des VEGF durch Antikörper. Bevacizumab ist ein humanisierter monoklonaler MausAntikörper, der menschlichen VEGF im Blutstrom neutralisiert. Er erkennt zielgerichtet VEGF und bindet mit hoher Affinität an den Wachstumsfaktor. Dies hat zur Folge, dass VEGF nicht an seinen Rezeptor binden kann, wodurch die Stimulation der Angiogenese verhindert wird. Präklinische Studien zeigten, dass die Bindung von VEGF durch Becizumab zu einer Veränderung und letztlich einer Verminderung der tumoralen Blutgefässversorgung führt. Klinische Studien mit Bevacizumab Bevacizumab fängt den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor VEGF ab und verhindert so dessen Bindung an seinen Rezeptor und die darauf folgende Stimulation der Angiogenese. Quelle: Medizin Forum aktuell nr. 323/2004 Metastasiertes Nierenzellkarzinom (Yang J et al., NEJM 2003; 349:427-434) Eine randomisierte, doppelt blinde, placebo-kontrollierte Phase-II-Studie setzte Bevacizumab als Monotherapie beim metastasierenden Nierenzellkarzinom ein, das unter der Behandlung mit hochdosiertem IL-2 progredient war. Bevacizumab wurde in einer Dosierung von 3 und 10 mg/kg KG alle 14 Tage gegeben. Es fand sich eine signifikante Verlängerung der Zeit bis zur Progression (TTP) in der hochdosierten Antikörpergruppe verglichen mit Placebo (2,5 vs. 4,8 Monate). Die Toxizität in Form von Hypertonie und asymptomatischer Proteinurie war gering. Kolorektales Karzinom Phase-II-Studie (Kabbinavar F. et al., JCO 2003; 21: 60-65,) Eine randomisierte Phase-II-Studie evaluierte die Effektivität und Toxizität von Bevacizumab in Kombination mit 5FU/Leukovorin bei unvorbehandelten Patienten mit metastasiertem KRK. Venöse Thromembolien waren die bedeutendsten unerwünschten Ereignisse, zusätzlich auch Hypertonie, Proteinurie und Epistaxis. Die Responseraten sowie die TTP waren interessanterweise in der niedrig dosierten Bevacizumab-Gruppe (5 mg/kg/alle 2 Wochen) besser (ORR 40% vs. 24%, TTP 9 vs. 7,2 Monate) als in der höher dosierten (10 mg/kg/alle 2 Wochen). Phase-III-Studie IFL + Bevacizumab siehe nächste Seite 316 Metastasierte kolorektale Karzinome Bevacizumab, Hurwitz-Studie Bevacizumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen vascular endothelial growth factor (VEGF). In einer Phase-IIIStudie wurden nicht vorbehandelte Patienten mit metastasiertem CRC zunächst in drei Arme randomisiert. Studiendesign IFL + Placebo vs. IFL + Bevacizumab vs. 5-FU/Leucovorin + Bevacizumab 125 mg/m2 500 mg/m2 20 mg/m2 Die Behandlung mit 5-FU /Leucovorin/Bevacizumab wurde beendet, nachdem nach 300 alle 2 Wochen Patienten die Sicherheit der Kombination IFL + Bevacizumab 125 mg/m2 einmal/Woche für 4 Wochen, WH Woche 7 gewährleistet war. Danach wurden 500 mg/m2 die Patienten nur noch in die 20 mg/m2 5 mg/kgKG alle 2 Wochen beiden anderen Arme IFL + Placebo oder IFL + Bevacizumab Fluorouracil 500 mg/m2 einmal/Woche für 6 Wochen, WH Woche 9 randomisiert. Die Patienten, deren 2 Leucovorin 500 mg/m Erkrankung progredient war, Bevacizumab 5 mg/kgKG alle 2 Wochen konnten eine second-line-Therapie erhalten. Die Patienten in einem Bevacizumab-haltigen Arm konnten Bevacizumab während der second-lineBehandlung fortsetzen. Bei Patienten mit IFL + Placebo war ein Cross-over nicht erlaubt. Patienten in einem Bevacizumab-Arm, die am Ende der Studie nach 96 Wochen keine Progredienz zeigten, konnten Bevacizumab in einer separaten Erweiterungsstudie fortführen. Patienten in einer Bevacizumab-Gruppe mit kompletter Remission oder inakzeptabler Toxizität durch die Chemotherapie konnten Bevacizumab alleine ohne Chemotherapie fortsetzen. Irinotecan Fluorouracil Leucovorin Placebo Irinotecan Fluorouracil Leucovorin Bevacizumab einmal/Woche für 4 Wochen, WH Woche 7 Ergebnisse (Hurwitz et al., N Engl J Med 2004;350:2335-42) Die Intention to treat-Analyse mit dem Endpunkt-overall Survival schloss 411 Patienten, die IFL + Placebo, und 402 Patienten, die IFL + Bevacizumab erhielten, ein (gesamt 813 Pat.). Effektivitätsanalyse Endpunkt IFL + Placebo IFL + Bevacizumab p-Wert Median survival (Mon.) 15,5 20,3 <0.001 1-Jahr-Survival-Rate (%) 63,4 74,3 <0.001 PFS (Mon.) ORR (%) CR PR Mittlere Dauer des Ansprechens (Mon.) 6,2 34,8 2,2 32,6 7,1 10,6 44,8 3,7 41,0 10,4 <0.001 0.004 0.001 Die Zugabe zu Bevacizumab zu IFL führte zu einem signifikant längeren Überleben (OS). In der Untergruppe der Patienten, die eine second-line-Therapie mit Oxaliplatin erhielten, betrug die mittlere Dauer des OS 25,1 Monate in der Gruppe mit IFL + Bevacizumab und 22,2 Monate in der Gruppe mit IFL + Placebo. Auch das progressionsfreie Überleben (PFS), die Responseraten (ORR) und die mittlere Dauer des Ansprechens waren unter IFL + Becizumab signifikant länger als unter IFL + Placebo. Toxizität Die Inzidenz einer Grad-3/4-Toxizität war 10,9% höher im IFL + Kaplan-Meier-Kurven. Errechnetes progressionsfreies Bevacizumab-Arm (84,9 vs. 74%), überwiegend wegen einer Überleben. gesteigerten Inzidenz einer Grad-3-Hypertension (11 vs. 2,3%) in diesem Therapiearm, die aber gut zu behandeln war. Gastrointestinale Perforationen ereigneten sich bei 6 Patienten (1,5%) ebenfalls in diesem Arm, wovon einer als direkte Folge davon starb. Obwohl dieses Ereignis selten war, ist das Risiko dafür möglicherweise durch Bevacizumab erhöht, indem Bevacizumab die Wundheilung durch Verhinderung der Angiogenese stört. 317 Metastasierte kolorektale Karzinome Bevacizumab, Hurwitz-Studie, KRAS-Status Mutationen im EGFR-Signaltransduktionsweg In der Phase-III-Zulassungsstudie von Hurwitz wurden prospektiv Tumorproben gesammelt. Es waren 230 Tumorproben der insgesamt 812 eingeschlossenen Patienten verfügbar. Die Proben wurden dahingehend untersucht, ob Kras-Mutationen oder Mutationen in Genen für andere Biomarker den klinischen Benefit einer Bevacizumab-basierten Therapie vorhersagen können. Die Ergebnisse der Biomarker-Analysen zeigten, dass die Wirksamkeit von Avastin unabhängig vom KRasMutationsstatus ist (Ince er al., J Natl Cancer Inst. 2005;97:981-989). Auf dem WCGIC 2008 in Barcelona stellte Hurwitz außerdem die Ansprechraten abhängig vom KrasMutationsstatus vor (Hurwitz et al. WCGIC 2008, O-035) Wildtyp K-ras Mutation K-ras Gesamtpopulation IFL+ placebo IFL + Bev IFL + placebo IFL + Bev IFL + placebo IFL + Bev ORR % 37,3 60,0 41,2 43,2 38,6 54,3 CR 3,0 3,5 0,0 6,8 2,0 4,7 PR 34,3 56,5 41,2 36,4 36,6 49,6 p-Wert 0,006 0,86 0,02 Dabei zeigte sich eine hohe Gesamtansprechrate von respektive 60% für die Wildtyp Kras-Gruppe in der Kombination von IFL plus Bevacizumab, während in der mutierten Kras Gruppe kein signifikanter Unterschied beobachtet wurde. Der klinische Benefit einer Bevacizumab-Therapie beim metastasierten KRK besteht somit sowohl für den mutierten als auch für den Kras- Wildtyp. Eine Kras-Bestimmung vor einer Bevacizumab-Therapie ist nicht erforderlich. 318 Metastasierte kolorektale Karzinome Bevacizumab, (XELOX / FOLFOX4), NO 16966-Studie XELOX-1/NO16966 (Saltz L. et al., ASCO 2007, Abstr. # 4028 und JCO 2008; 26:2013-19) Diese Phase-III-Studie war ursprünglich als Vergleich FOLFOX versus XELOX geplant, wurde dann aber mit der Fragestellung des Werts von Bevacizumab in ein 2x2 faktorielles Design umgewandelt (siehe auch Seite Capecitabin-Oxaliplatin-Kombinationen). 1401 Patienten erhielten entweder FOLFOX oder XELOX + XELOX XELOX + Placebo XELOX (Oxaliplatin Bevacizumab N = 317 N = 350 130 mg/m2 iv d1, N = 350 Capecitabin 1000 FOLFOX 4 FOLFOX4 + Placebo FOLFOX4 + mg/m2 bid p.o. d1-14, N = 317 Bevacizumab N = 351 q3w) plus Bevacizumab N = 350 (5 mg/kg alle 2 Wochen bei FOLFOX, 7,5 mg/kg alle 3 Wochen für Initial 2-armige Protokoll geändert in ein 2x2 Placebo-kontrolliertes XELOX) oder Placebo. randomisierte Design nach Vorlage von Phase-III-Daten für Studie Bevacizumab Ergebnisse: Die Zugabe von Bevacizumab zu der Oxaliplatin-basierten Chemotherapie zeigte einen signifikanten Vorteil bezüglich des progressionsfreien Überlebens von 9,4 Monaten in den Bevacizumab-Armen versus 8,0 in den Placebo-Armen. Progressionsfreies Überleben XELOX/FOLFOX +/- Bevacizumab PFS Separierung der Kurven nach 6 Monaten im Bevacizumab-haltigen Arm zwischen „allgemeiner“ versus bis zum Progress fortgesetzter Therapie („on treatment“) 319 Allerdings wurden die meisten Patienten im Rahmen der Studie nur 6 Monate lang behandelt. Danach wurde sowohl die Chemotherapie als auch das Bevacizumab abgesetzt. Die Gründe für den Therapieabbruch lagen zum einen in der Tumorprogression (mehr im Placebo-Arm als im Bevacizumab-Arm) oder waren toxizitätsbedingt oder aber, weil eine Therapiedauer von über 6 Monaten als zu lange erschien. Die meisten Therapieabbrüche ereigneten sich infolge von chemotherapiebedingten Nebenwirkungen (Neurotoxizität). In einer Subgruppenanalyse wurden Patienten analysiert, bei denen Bevacizumab nicht schon vorzeitig abgebrochen sondern bis zum Progress weitergegeben wurde (on treatment). Diese zeigten ein PFS von 10,4 Monaten versus 7,9 Monate in der „general“-Gruppe, in der die Therapie nach 6 Monate abgesetzt wurde. Somit scheint durch Verlängerung der Bevacizumab-Gabe eine Verlängerung der Zeit der Krankheitskontrolle erreichbar zu sein. Metastasierte kolorektale Karzinome Bevacizumab, Studienergebnisse, Oxaliplatinkombinationen ECOG-Studie E 3200. FOLFOX-4 +/-Beva second line (Giantonio B.J. et al., ASCO 2005, Abstr. 2) Phase-III-Studie mit hoch dosiertem Bevacizumab (10mg/kg i.v./alle 14 Tage) entweder alleine oder in Kombination mit FOLFOX-4-Regime im Vergleich zu FOLFOX-4 alleine bei Patienten mit vorbehandeltem KRK. Die Vorbehandlung musste mit einem Fluoropyrimidin- und einem Irinotecanbasierten Regime erfolgt sein. ECOG-Studie E3200 FOLFOX-4 + BEV N = 290 FOLFOX-4 N = 289 BEV N = 243 Medianes OS 12,5 Monate 10,7 Monate 10,2 Monate Medianes PFS 7,4 Monate 5,5 Monate 3,5 Monate Ergebnisse: Der Kombinationsarm FOLFOX-4 + Bevacizumab war der alleinigen Chemotherapie hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens signifikant überlegen. Der Arm mit der Bevacizumab-Monotherapie wurde vorzeitig geschlossen. Darmperforationen waren selten (1,1%), kamen aber nur unter Bevacizumab vor. Fazit: Nach Vorbehandlung mit 5-FU/Irinotecan (ohne Bevacizumab) besteht bei sequentieller Therapie mit FOLFOX/Bevacizumab, also als Zweitlinientherapie, ein Überlebensvorteil gegenüber FOLFOX alleine. TREE-1-und-2-Studie (Hochster H.S. et al., ASCO 2005, Abstract 3515) Die Studie untersuchte die Sicherheit und Durchführbarkeit von drei Oxaliplatin/FluoropyrimidinKombinationen, nämlich Bolus-, Infusions- oder orales Regime, allein (TREE 1) und jeweils mit Bevacizumab (TREE 2) bei unvorbehandelten Patienten mit metastasiertem KRK. Die Therapieregime bestanden in FOLFOX6, einer Bolus 5-FU Gabe + Oxaliplatin (bFOL, Oxaliplatin 85 mg/m2 Tag 1 + 15, Folinsäure 20 mg/m2, 5-FU 500 mg/m2 Bolus Tag 1,8,15, WH Woche 4) und CAPOX (Oxaliplatin 130 mg/m2 Tag 1, Capecitabin 1000 mg/m2 bid, bei TREE 2 Reduktion auf 850 mg/m2). Bevacizumab wurde mit 5 mg/kg alle 2 Wochen oder 7,5 mg/kg alle 3 Wochen zu jedem Regime in der TREE 2Studie hinzugefügt. Ergebnisse: FOLFOX zeigte die beste Balance zwischen Ansprechen und Toxizität. CAPOX wurde nach Dosisreduktion wegen 27% Grad-3/4 Diarrhoe besser toleriert. Bevacizumab verbesserte das Ansprechen auf die Therapie in allen 3 Armen signifikant. TREE-1/2-Studie, Ergebnisse (Hochster H.S., ASCO 2006, Abstract 3510) Studiendesign s.o.. Die Zugabe von Bevacizumab zu Oxaliplatin-Fluoropyrimidin-Regimen steigert die Remissionsrate (RR), die Zeit bis zur Progression (TTP) sowie das Gesamtüberleben (OS). Die Toxizität wurde in allen drei Armen durch Bevacizumab gesteigert: Grad-3-4 Hypertonie in 7-15%, Wundheilungsstörungen 1,4–5,6 %, gastrointestinale Perforationen 2,8-4,2%. Sie lag aber in einem tolerablen, erwarteten Bereich. Die Toxizität von FOLFOX6 und CAPOX war nach Reduktion des Capecitabine auf 850 mg/m2 bid vergleichbar. TREE 1 TREE 2 FOLFOX bFOL CAPOX - Beva (n=49) + Beva (n=71) - Beva (n=50) + Beva (n=70) - Beva (n=48) + Beva (n=72) RR 43% 53% 22% 41% 35% 48% TTP (Mon.) 8,7 9,9 6,9 8,3 5,9 10,3 OS (Mon.) 19,2 26,0 17,9 20,7 17,2 27,0 320 Metastasierte kolorektale Karzinome Bevacizumab, BICC-C-, BEAT-Studien, Ergebnisse BICC-C-Studie (Fuchs C. et al.,ASCO 2006 und update ASCO 2007, Abstr.#4027) Die Phase-III-Studie sollte drei Irinotecan-haltige Regime, FOLFIRI, ein modifiziertes IFL (Bolus) und CAPIRI (Capecitabin) in der First-line-Therapie vergleichen. Nach Zulassung von Bevacizumab erfolgte eine zweite Rekrutierungsperiode. Ergebnisse: FOLFIRI ist dem Bolus-IFL sowie CAPIRI überlegen im Hinblick auf Effektivität und Tolerabilität. Die Zugabe von Bevacizumab steigert die Effektivität ohne klinisch relevante Zunahme der Toxizität. Bolus-IFL sollte wegen der intolerabel hohen Rate an frühen Todesfällen nicht länger angewendet werden. Anm.: Das 3-wöchentliche CAPIRI-Regime benutzte eine hohe Dosis von Capecitabin (1000 mg/m2 bid, Tag 1-14) und Irinotecan (250 mg/m2 d1), was zu einer inakzeptablen Toxizität mit 50% Grad-3/4 Diarrhoen und möglicherweise auch zu der verminderten Effektivität führte. BICC-C Studie RR PFS (Monate) OS (Monate) 60 Tage Mortal. Periode 1 ohne Bevacizumab Periode 2 plus Bevacizumab FOLFIRI (n= 144) mIFL (n=141) CAPIRI (n= 145) FOLFIRI (n=57 47% 43% 39% 54,4% 7,6 5,9 5,8 11,2 23,1 17,6 18,9 nicht erreicht 2,9 5,8 3,5 1,8 mIFL (n=60) 53,3% 8,3 19,2 6,8 First-BEAT-Studie (Berry S.R. et al., ASCO 2006, Abstract 3534) Die First-BEAT Studie wurde im Juni 2004 gestartet, um die Sicherheit von Bevacizumab zu evaluieren und um zu sehen, ob die Studiendaten auf die klinische Praxis zu übertragen sind. Sie schloss 1927 Patienten aus 41 Ländern weltweit ein, die Bevacizumab 5 mg/kg q2w oder 7,5 mg/m2 q3w in Kombination FOLFOX, FOLFIRI, CAPOX oder Xeloda erhielten. Serious adverse events alle SAE n (%) Avastin-bedingte SAE n (%) Schwere unerwünschte Nebenwirkungen, serious adverse Patienten 479 (27) 159 (9) events (SAE), wurden bei 27% Ereignisse 781 189 der Studienpopulation berichtet, wobei 9% in Verbindung Febrile Neutropenie 17 (1,0) 1 (0,1) mit Bevacizumab gesehen Tiefe Beinvenenthrombose 25 (1,4) 22 (1,2) wurden. Sie schlossen gastroLungenembolie 22 (1,2) 20 (1,1) intestinale Perforationen Arterielle Thrombembolien 13 (0,7) 11 (0,6) (1,2%), Blutungen (1,3%) und arterielle thrombembolische Blutung 23 (1,3) 17 (1,0) Ereignisse (0,7%) ein. Das Gastrointestinale 21 (1,2) 12 (0,7) Sicherheitsprofil in der kliniPerforation schen Praxis scheint somit mit Hypertonie 8 (0,4) 8 (0,4) den prospektiven klinischen Wundheilungsstörung 7 (0,4) 3 (0,2) Studien übereinzustimmen. Ergebnisse (Berry SR. Et al., ASCO 2008 Abstr. 4025) Die Endergebnisse wurden auf dem ASCO 2008 präsentiert. Das progressionsfreie Überleben (PFS) betrug durchschnittlich für alle Fluoropyrimidinbasierten Chemotherapien + Bevacizumab 10,8 Monate, das Gesamtüberleben (OS) 22,7 Monate. Somit entspricht die Sicherheit und Effektivität der Bevacizumabkombinationen in der Erstlinientherapie des KRK in der klinischen Praxis den Erfahrungen aus den randomisierten Phase-III-Studien. Weitere Ergebnisse der First-BEAT-Studie zu Leberresektionen nach Bevacizumab siehe Lebermetastasen, Neoadjuvante Chemotherapie. 321 Metastasierte kolorektale Karzinome Bevacizumab, BriTE-Beobachtungsstudie BriTE-Studie (Kozloff M. et al, ASCO 2006, Abstract 3537) Die BriTE-Studie ist das amerikanische Pendant zur First-BEAT-Studie, eine große Beobachtungsuntersuchung von nicht selektionierten Patienten aus 248 amerikanischen Zentren, die Bevacizumab plus eine Chemotherapie in der First-line-Therapie bei metastasiertem CRC erhielten. Die Chemotherapie bestand in FOLFOX (55,8%), FOLFIRI (14,1%), und IFL (9,7%). Nach Auswertung von 1.968 Patienten war das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) mit 10,2 Monaten vergleichbar mit den Daten der Zulassungsstudie von Hurwitz. Das PFS war ähnlich für alle Chemotherapien, die mit Bevacizumab kombiniert wurden. BriTE-Studie, Risikofaktoren für eine gastrointestinale Perforation (GIP) (Sugrue M. et al. ASCO 2006, Abstract 3535) Im Rahmen der Brite-Studie wurden bei 34 von 1968 Patienten eine Gastrointestinale Perforation, entsprechend 1,7% gesehen. Die mediane Zeit bis zu dem Ereignis betrug 2,1 Monate. Der Großteil der Perforationen war nicht letal und ereignete sich in den ersten 3 Monaten nach Beginn der Therapie mit Bevacizumab. Obwohl es keine signifikanten Patientencharakteristika gab, war die Zahl der gastrointestinalen Perforationen bei Patienten mit verbliebenem Primärtumor höher (2,6%) als bei Patienten mit reseziertem Primärtumor (1,6%). Die Einnahme von Aspirin oder NSAID sowie eine Ulcus- oder Diverticulitisanamnese waren nicht mit einem höheren Risiko assoziiert. Chirurgisch-pathologische Befunde bei Patienten mit GIP Patienten (n= 33) Wenigstens 1 assoziierter Befund 22 Tumor an der Stelle der Perforation 11 Gastrointestinale Obstruktion 6 Peritonealkarzinose 3 Intraabdomineller Abszess 3 Akute Divertikulitis 2 Kein Befund (unklar) 11 Schlussfolgerung: Die Inzidenz von GIP ist in dieser großen Beobachtungsstudie mit 1,7% ähnlich wie in den Phase-III-Studien mit Bevacizumab. Es wurde keine Korrelation zwischen spezifischen Patientencharakteristika und der Inzidenz von GIP gefunden. Patienten mit einem verbliebenen Primärtumor, einer kürzlich erfolgten Endoskopie oder einer früheren adjuvanten Bestrahlung haben ein leicht erhöhtes Risiko für eine GIP unter der Behandlung mit Bevacizumab. BriTE, Bevacizumab beyond Progression (BBP) (Grothey A. et al.,ASCO 2007, Abstr. #4036) Bisher gibt es keine Daten zur Anwendung von Bevacizumab über den Zeitpunkt der ersten Progression hinaus. Es wurden die Daten einer großen Population mit Bevacizumab behandelter Patienten untersucht. Von initial 1953 Patienten, die Bevacizumab in der First-line erhielten, waren 1445 progredient, von diesen erhielten 642 in der second line weiter Bevacizumab. Es gab keine Vorgaben zur Art der Chemotherapie oder zur Dosis oder zur Anwendungsdauer von Bevacizumab. Dies blieb dem behandelnden Arzt überlassen. Analysiert wurden nur die Patienten, die tatsächlich Bevacizumab erhalten haben. OS abhängig von Therapie nach 1. Progression Ergebnisse: Die Patienten, die Bevacizumab zusätzlich zu einer Chemotherapie auch in der Zweitlinienbehandlung (BBP) erhielten, hatten ein deutlich längeres medianes Gesamtüberleben von 31,8 Monaten gegenüber den Patienten, die eine Chemotherapie ohne Bevacizumab (No BBP) erhielten (19,9 Monate), und gegenüber denjenigen, die gar keine Zweitlinientherapie bekamen (12,6 Monate). Fazit: Diese Ergebnisse rechtfertigen weitere randomisierte Studien zum Einsatz von Bevacizumab nach erster Progression. 322 Metastasierte kolorektale Karzinome FOLFOXIRI , Bevacizumab FOLFOXIRI versus FOLFIRI (Falcone A. et al. ASCO 2006, Abstract 3513 und ASCO 2007, Abstract 4026) Studiendesign: In dieser Phase-III-Studie wurde der FOLFIRI-Kontrollarm (A) mit einer Dreierkombination aus Irinotecan, Oxaliplatin, Leucovorin und Infusional-5-FU (Arm B) verglichen. Bei Progression unter FOLFIRI wurde eine FOLFOX-Kombination empfohlen. Toxizität: Diarrhoe, Erbrechen, Neurotoxizität und Neutropenie waren im FOLFOXIRI-Arm vermehrt, aber tolerabel. Es gab in keinem Arm einen toxischen Todesfall. Stratifikation - Zentrum - PS 0/1-2 - Adjuvante ChT FOLFIRI IRI 180 mg/m2 1-h d.1 L-LV 100 mg/m2 2-h d.1,2 5FU 400 mg/m2 bolus d.1,2 5FU 600 mg/m2 22-h d.1,2 alle 2 Wochen x 12 Zyklen R A N D O M FOLFOXIRI IRI 165 mg/m2 1-h d.1 OXALI 85 mg/m2 2-h d.1 L-LV 200 mg/m2 2-h d.1 5FU 3200 mg/m2 48-h c.i. d.1 alle 2 Wochen x 12 Zyklen Pat. mit Progression unter FOLFIRI erhalten als Zweitlinientherapie eine Oxaliplatinhaltige Behandlung z.B. mit FOLFOX. Ergebnisse 244 Patienten wurden eingeschlossen. Die Responserate war 60% im FOLFOXIRI-Arm versus 34% im FOLFIRI-Arm (p= 0,0001). Diese hohe Ansprechrate erlaubte eine radikale sekundäre Resektion von Metastasen im FOLFOXIRI-Arm von 14% versus 6%. Bei 39 Patienten, die nur Lebermetastasen aufwiesen, konnten 36% R0-reseziert werden (im FOLFIRI-Arm nur 12% von 42 Patienten). Diese Differenz war statistisch signifikant. Das mediane progressionsfreie Überleben mit 9,8 versus 6,9 Monaten sowie das Gesamtüberleben mit 22,6 versus 17,7 Monaten waren im FOLFOXIRI-Arm ebenfalls signifikant besser. Diese Daten konnten auf dem ASCO 2007 bestätigt werden. Das mittlere PFS betrug 9,8 Monate für FOLFOXIRI versus 6,9 Monate für FOLFIRI. Das mediane Gesamtüberleben war ebenfalls zugunsten von FOLFOXIRI auf 23,6 versus 16,7 Monate erhöht. FOLFOXIRI + Bevacizumab (Falcone A. et al, ASCO 2008, Abstr. 4031) In dieser Phase-II-Studie wurde von der GONO-Gruppe das FOLFOXIRI-Regime mit Bevacizumab evaluiert. Ergebnisse: Die Toxizität bei insgesamt 57 Patienten war gut beherrschbar und bewegte sich im für die Substanzen erwarteten Bereich. Die Ansprechraten (CR und PR) sind mit 75% sehr vielversprechend. Die Tumorkontrollrate liegt bei 100%. Das PFS liegt nach 10 Monaten bei 73%. 8 Patienten (16%) konnten sich einer sekundären Resektion von Lebermetastasen unterziehen (7 R0, 1 R1-Resektion). 2 Patienten erreichten eine pathologisch komplette Remission. PFS und OSDaten sind noch unreif. 323 Cetuximab (Erbitux®) EGF-Rezeptor-Antikörper Erbitux® ist indiziert zur Behandlung des metastasierenden EGFR exprimierendem KRK mit Wildtyp-KRAS-Gen in Kombination mit einer Chemotherapie als Monotherapie bei Patienten, bei denen eine Therapie mit Irinotecan und Oxaliplatin versagt hat und die Irinotecan nicht vertragen. Erbitux® ist in Kombination mit einer Strahlentherapie zur Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom im Kopf- und Halsbereich angezeigt Cetuximab EGFR (= epidermal growth factor) ist ein transmembranäres Glykoprotein, welches zur Familie der Wachstumsfaktoren zählt. Es ist ein Wachstumsfaktor aus der Gruppe der Tyrosinkinasen. Bei vielen Tumoren wird EGFR überexprimiert (für das Kolorektalkarzinom in 82%, aber auch bei Kopf-Hals-Tumoren, Ösophaguskarzinom, Pankreaskarzinom). Die Überexpression wurde in präklinischen Untersuchungen als schlechter Prognosefaktor beschrieben. EGFR Signaltransduktion. Die Blockade des EGFR bewirkt eine Hemmung der Angiogenese, aber auch eine Inhibition der Zellproliferation, der Zellteilung und der Metastasierung. Quelle: Produktinformation, Fa. Merck Durch Rezeptorblockade mittels des Antikörpers Cetuximab wird die Signaltransduktion in der Zelle verhindert. Dadurch wird das Fortschreiten des Zellzyklus gehemmt und die Apoptose potenziert. Außerdem bewirkt Cetuximab, dass die EGFR-exprimierende Zelle zum Target für Killer-Lymphozyten wird. Die Wirksamkeit von Cetuximab wurde in der BOND-Studie gezeigt mit einem Ansprechen der Mono-Therapie von 10,5% Response sowie Disease-control von 35,1%. In Kombination mit Irinotecan ließ sich die Ansprechrate auf 19,2% (Response) und Disease control von 26,7% erhöhen (Saltz et al.2001 und 2002). Die Wahrscheinlichkeit des Anprechens korrelierte nicht mit der Zahl der chemotherapeutischen Vorbehandlungen, nicht mit Oxaliplatin-Vorbehandlung und auch nicht mit dem EGFR-Nachweis auf der Tumorzelle. Eine Korrelation bestand zur Hauttoxizität. Da eine hohe EGFR-Expression der Haut besteht, ist Hauttoxizität die gravierendste Nebenwirkung. Sie tritt in der Regel als akneiformes Exanthem der Gesichtshaut und des oberen Brustkorbs auf in etwa 69%. Weniger häufig sind Nausea (24%), Fatigue (30%), Fieber/Schüttelfrost (23%), Diarrhoe (14%), Mucositis (15%), Nagelveränderungen (8%). Cetuximab wurde am 30.06.2004 als Erbitux® aufgrund der Daten der BOND-Studie zugelassen zur Kombinationstherapie mit Irinotecan nach Progression einer Irinotecan-haltigen Therapie bei EGFR-exprimierendem metastasierten Kolorektalkarzinom. Aufgrund der Daten der Crystal- und OPUS-Studie erfolgte 2008 die Zulassungserweiterung wie oben beschrieben. Verabreicht wird Erbitux® als einmal wöchentliche Infusion. Die Startdosis beträgt 400 mg/m2 in Woche 1 über 2 Stunden nach Gabe eines Antihistaminikums. Die nachfolgenden Erhaltungsdosen betragen 250 mg/m2, verabreicht als 1-stündige Infusion. Irinotecan wird entsprechend der Standard-Regime verwendet im Anschluss an Cetuximab. 324 Kolorektale Karzinome BOND-Studie Die europäische BOND-Studie ist eine Phase-II-Studie, die die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Cetuximab alleine oder in der Kombination mit Irinotecan bei Patienten mit EGFR-exprimierendem metastasiertem CRC untersuchte (Cunningham D. et al., NEJM 2004; 352 337-346). Einschlusskriterien Die Patienten mussten mindestens sechs Wochen lang ein Irinotecan-basiertes Chemotherapieregime erhalten haben und hierunter oder innerhalb von 3 Monaten danach progredient sein. Zugelassen als Irinotecan-Dosierungen waren: die wöchentliche Gabe von 125 mg/m2 in vier aufeinanderfolgenden Wochen gefolgt von 2 Wochen Pause als Monotherapie oder in Kombination mit 5-FU und Leukovorin; Irinotecan mit einer Dosis von 180 mg/m2 alle 2 Wochen sowie mit 350 mg/m2 alle 3 Wochen als Monotherapie. Studiendesign Es erfolgte eine Randomisierung von 329 Patienten in einem 2:1 Verhältnis zu Cetuximab + Irinotecan oder Cetuximab alleine. Die Initialdosis von Cetuximab betrug 400mg/m2 nach Gabe eines Antihistaminikums gefolgt von einer wöchentlichen Infusion von 250 mg/m2. Die Patienten, die in die Kombinationstherapie randomisiert wurden, bekamen Irinotecan in derselben Dosierung, wie sie sie in der letzten Prästudien-Therapie erhalten hatten. Im Falle einer Tumorprogression bei Patienten im CetuximabMonotherapiearm, konnte die Therapie mit Cetuximab unter Zugabe von Irinotecan in der zuletzt eingesetzten Dosierung fortgeführt werden. Ergebnisse 40% der Patienten hatten mindestens 3 Vortherapien und >60% hatten früher eine Oxaliplatin-basierte Chemotherapie erhalten. BOND-Studie. Krankheitsfreies Überleben. Effektivität Kombination Monotherapie (n = 218) (n = 111) RR 23% 11% 0.0074 Disease control 56% 32% 0.0001 Mediane TTP 4,1 Mon. 1,5 Mon. < 0.0001 Medianes Überleben 8,6 Mon. 6,9 Mon. 0.48 P Die Intent to treat-Analyse zeigte eine statistisch signifikant höhere Remissionsrate (RR) und eine höhere Rate an Tumorkontrolle sowie eine längere Zeit bis zur Progression (TTP) für die Cetuximab/Irinotecan-Kombination im Vergleich mit Cetuximab alleine. Das Mediane Überleben war ebenfalls länger im Kombinationsarm, aber dieser Vorteil war statistisch nicht signifikant. Die fehlende Signifikanz mag auf den Wechsel von Cetuximab-Mono auf die Kombinationsbehandlung bei Krankheitsprogression zurückzuführen sein. Die Effektivität von Cetuximab + Irinotecan war unabhängig von der Zahl der Vortherapien. Auch eine Vorbehandlung mit Oxaliplatin beeinträchtigte nicht die Effektivität von Cetuximab + Irinotecan oder Cetuximab mono. Beziehung zwischen Hautreaktion und Effektivität Cetuximab Pat. ohne Hautreaktionen Pat. mit Hautreaktionen Kombination RR Survival 6% 3,0 Mon. 26% 9,1 Mon. Monotherapie RR Survival 0% 2,5 Mon. 13% 8,1 Mon Das Auftreten eines akneartigen Exanthems scheint positiv korreliert mit der Effektivität der Behandlung im Hinblick auf Remissionsraten und das mittlere Überleben. Die Patienten mit Hautreaktionen hatten höhere Remissionsraten und ein längeres medianes Überleben als die ohne Hautreaktionen. Die Rate hämatologischer und nicht hämatologischer Nebenwirkungen in der Kombination waren bis auf die Hauttoxizität ähnlich wie die einer alleinigen Irinotecantherapie. 325 Metastasierte kolorektale Karzinome MABEL-Studie, Cetuximab/Irinotecan Die MABEL-Studie ist eine Phase-II-Studie, welche den EGFR-Rezeptor-Antikörper Cetuximab in Kombination mit Irinotecan prüft bei unter Irinotecan-Therapie progredienten Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom. Sie ist eine europaweit rekrutierende multizentrische Nachfolgestudie der BOND-Studie. Titel: MABEL-EMR62202-501, Monoclonal Antibody Erbitux in a European Pre-License-Study. Hauptzielkriterium: Prozentsatz progressionsfreier Patienten nach 12 Wochen Therapie mit Cetuximab/Irinotecan. Nebenzielkriterien sind der Anteil progressionsfreier Patienten 24 Wochen nach Therapiebeginn sowie Ermittlung der Gesamtüberlebenszeit Studienleiter (Deutschland): Prof. Dr. med P. Preusser, Münster Studiensekretariat: Tel. 0251-835-6309 Fax 0251-835-6394 Ein- und Ausschlusskriterien Histologisch nachgewiesenes, metastasiertes Adenokarzinom des Kolons oder Rektums Vorausgegangene mindestens 6-wöchige Irinotecan-Behandlung mit maximal 2 Dosisreduktionen der Standardschemata im Zeitintervall von max. 6 Monaten vor Studieneinschluss Mindestens eine zweidimensional ausmessbare Läsion Alter >18 Jahre und Karnofsky-Index > 80% Keine relevanten Organfunktionseinschränkungen (z.B. Kreatinin < 1,5x oberer Normwert) Immunhistochemischer Nachweis der EGFR-Expression am Tumorgewebe (Prescreening) Keine ZNS-Metastasen Bei Auftreten von Grad-3-Hauttoxizität ist eine Therapiepause bis zur Rückbildung vorgesehen, falls die Hauttoxizität für mehr als 3 Wochen andauert, wird die Behandlung abgebrochen. 2 Dosisreduktionsstufen sind vorgesehen (200 und 150 mg/m2 ). Systemische Steroide sollten nicht verabreicht werden, da hierdurch der Rezeptor blockiert werden kann. Topische Steroide sollten ebenfalls vermieden werden. Empfohlen werden topische und systemische Antibiotika. Bisher ist die Hautreaktion jedoch noch ein ungelöstes Problem, eine effektive Therapiemaßnahme steht nicht zur Verfügung. Prognostisch ist diese Nebenwirkung günstig, Ansprechen in der BOND-Studie in der Kombinationstherapie bei Hauttoxizität (>2) 33,6% im Vergleich zu 6,3% bei Patienten ohne jegliche Hautreaktion. Ergebnisse (Wilke H et al. ASCO 2006, Abstract 3549) Cetuximab + Irinotecan Irinotecan 3-Monate PFS (primärer Endpunkt) OS 125 mg weekly n= 93 180 mg q 2 wks n = 670 350 mg q3 wks n = 356 61% 61% 61% 8,5 Monate 9,2 Monate 10,3 Monate Die verschiedenen Irinotecan-Regime führten zu einem vergleichbaren progressionsfreien Überleben (PFS) in den ersten 3 Monaten. In der Gesamtanalyse ergab sich ein Overall Survival (OS) von 9,2 Monaten, das dem der BOND-I-Studie (8,6 Monate) entsprach. 326 KRAS-Onkogen Bedeutung, Molekularbiologie KRAS–Onkogen Die RAS-Forschung begann im Jahre 1964 mit der Beobachtung von J. Harvey, dass ein murines Leukämievirus von einer erkrankten Ratte in anderen Nagetieren Sarkome induzierte (Harvey JJ. Nature 1964). Jedes virale Onkogen wird mit einem Drei-Buchstaben-Akronym charakterisiert. RAS steht für Rat Sarcoma. RAS ist ein Onkogen, das für ein GTPbindendes Protein codiert und in 3 Isoformen vorkommt: KRAS, NRAS und HRAS. Es kommt in der gesunden wie in der neoplastisch veränderten Zelle vor und spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation von zahlreichen Signaltransduktionswegen und nachfolgend von zellulären Prozessen wie Wachstum, Proliferation, Differenzierung, Überleben, Apoptose, Angiogenese und Metastasierung. KRAS- und EGFR-Signalweg Der EGFR Signalweg wird nach Bindung von spezifischen Liganden (z.B. TGFα und EGF) an die Rezeptoren der Zelloberfläche aktiviert. Die dadurch ausgelöste Signalkaskade reguliert auch Gene, die den Zellzyklus kontrollieren. Zu Beginn der intrazellulären Signalkaskade reguliert das KRAS-Protein die nachgeschalteten Mediatoren, wodurch dem KRAS-Gen eine zentrale Rolle bei der Tumorproliferation zukommt. Signaltransduktion über den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR). Natürliche Liganden am EGFR-Rezeptor sind EGF. und der transformierende Wachstumsfaktor Alpha (TGF-α). Nach dem Andocken des Wachstumsfaktors wird eine Signalkaskade in Gang gesetzt. Diese führt zur Stimulation von Zellproliferation, Zellüberleben, Angiogense, Apoptosehemmung und zu einer Begünstigung der Metastasierung durch Beeinflussung der Zelladhäsion. Bei einer Mutation des KRAS-Gens erfolgt die Signalübertragung über das permanent aktivierte KRAS-Protein kontinuierlich und unabhängig davon, ob eine Simulation von extrazellulär erfolgt. Gesondert markiert (ovaler Ring) sind die wesentlichen Faktoren für die Wirkung eines Antikörpers gegen EGFR. Aus: Arnold D, A. Musch. Arzneimitteltherapie, 2008;26:117-23. KRAS-Wildtyp u. Mutation Das KRAS-Gen kann in seiner natürlichen Form (Wildtyp) oder mutiert vorliegen. Das Wildtyp-KRAS-Protein ist nur aktiviert, nachdem der EGFR durch spezifische Liganden stimuliert wurde, wie oben ausgeführt. Bei mutiertem KRAS-Gen erzeugt ein sterisch verändertes Protein unabhängig von einer extrazellulären Liganden-Bindung eine Signalweiterleitung im Sinne einer Dauersimulation. Die unregulierten Signale eines mutierten KRAS Proteins fördern somit die Entstehung und das Wachstum von Tumorzellen. Wenn sie vorhanden ist, stellt die KRASMutation ein frühes Ereignis in der Adenomentstehung beim CRC dar. Bisher sind 12 verschiedene Mutationen bekannt. (Downward J. Nat Rev Cancer 2003). Eine im Primärtumor nachgewiesene KRAS-Mutation findet sich in mehr als 95 % der Fälle auch in Metastasen und Rezidiven. Der KRAS-Status wird an gefrorenen oder in Paraffinblöcken eingebetteten Gewebeproben mittels PCR bestimmt. Der KRAS Status eines Tumors ist prädiktiv für das Ansprechen auf eine Therapie mit EGFR-Antikörpern. Bei KRK zeigen etwa 40 % der Pat. eine KRAS Mutation. Cetuximab Panitumumab KRAS ist ein in somatischen Zellen physiologisch vorkommendes Regulationsprotein. Die natürliche Form wird Wildtyp genannt. Dieser benötigt zur Induktion der Signalübertragung auf den Zellkern eine extrazelluläre Simulation. Fehlt diese, wächst die Zelle nicht. Bei einer Mutation befindet sich das Gen im Zustand einer permanenten Aktivierung. Extrazelluläre Faktoren können den Funktionszustand nicht beeinflussen. Eine Blockierung des epidermalen Wachstumsfaktors über den EGF-Rezeptor hat deshalb keinen Einfluss auf die Kinetik der Zelle. Abb. Links: KRAS-Wildtyp, Mitte: KRAS-Mutation. Rechts: Proliferationshemmung durch einen EGFR-Antikörper wie Cetuximab oder Panitumumab. 327 Cetuximab-Therapien Crystal-Studie Crystal-Studie (van Cutsem E. et al.; ASCO 2007 Abstract 4000) In dieser internationalen Phase-III-Studie wurde FOLFIRI + Cetuximab im Vergleich zu einer FOLFIRI-Standardtherapie bei unvorbehandelten Patienten mit EGFR-exprimierendem metastasiertem KRK untersucht. Ergebnisse: Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) war im Cetuximab-Arm signifikant länger mit 8,9 versus 8 Monate. Auch das Ansprechen konnte mit Cetuximab auf 47% versus 39% gesteigert werden. Insbesondere die Subgruppe der Patienten, die ausschließlich Lebermetastasen aufwiesen, profitierte von Cetuximab (PFS 11,4 versus 9,2 Monate). Die Anzahl an R0-Resektionen war im CetuximabArm mehr als doppelt so P hoch wie im Kontrollarm (4,3 versus 2,5%). Unter der Cetuximab-Behandlung war die Rate an Grad-3/4PFS, nur Diarrhoen von 10 auf 15% Lebergesteigert, die Mehrzahl der Patienten (84%) hatte eine Hauttoxizität mit immerhin 18,7% Grad-3/4Ausprägung. Fazit: Die Erhöhung der Remissionsrate korreliert mit einer Verbesserung der Resektionsrate. Damit Erhöhung der kurativen Chance. Crystal-Studie unter Berücksichtigung des KRAS-Status (Van Cutsem E. et al., ASCO 2008 Abstract 2) Die Crystal-Studie wurde hinsichtlich des Einflusses des Kras-Mutationsstatus auf die Effektivität der Therapie retrospektiv analysiert. Insgesamt konnte bei 540 Patienten der KRas-Status erhoben werden. Es ergab sich eine Verteilung von 64,4% KRas Wilttyp zu 35,6% Kras-Mutanten. Ergebissse: Für die Patienten mit K-ras-Wildtyp ergab sich eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS) von 8,7 Monaten für FOLFIRI auf 9,9 Monate für die Kombination FOLFIRI + Cetuximab, während bei den Kras-Mutanten keine Verbesserung erzielt werden konnte. In Bezug auf das Ansprechen auf die Chemotherapie ergab sich kein Unterschied zwischen Kras Wildtyp und Mutanten. Für den Kras-Wildtyp zeigte sich eine deutliche Verbesserung der Ansprechrate von 43 auf 59%, während bei Kras Mutation keine Verbesserung erreicht werden konnte. Fazit: Der Kras-Status ist ein negativer prädiktiver Marker der Therapieeffektivität beim Einsatz von Cetuximab. Der Kras Mutationsstatus ist aber nicht prädiktiv für die Effektivität der FOLFIRI-Therapie. Eine Kras-Mutationsanalyse vor jeder Anti-EGFR-Therapie ist obligat. 328 Cetuximab-Therapien OPUS/CAIRO 2-Studie Opus-Studie (Bokemeyer C. et al.; ASCO 2007, Abst. 4035) In dieser Phase-II-Studie wurde die Effektivität von Cetuximab in der Kombination mit FOLFOX-4 versus FOLFOX-4 alleine bei unvorbehandelten EGFR-positiven Patienten untersucht. Ergebnisse Die Hinzunahme von Cetuximab erhöhte die Remissionsrate von FOLFOX-4 von 35,7 auf 45,6%. Der Unterschied war nicht signifikant. Für die Subgruppe der Patienten mit ECOG 0-1-Status ergab sich ein statistisch signifikant besseres Ansprechen (CR + PR) von 48 vs. 36,8%. Die Toxizität war akzeptabel und bis auf die Hauttoxizität ( Grad-3/4 9,4%) im Cetuximab-Arm nicht erhöht. Ansprechraten % Alle ECOG 0-1 FOLFOX-4 + Cetuximab FOLFOX-4 45,6 (n=169) 49,0 (n=153) 35,7 (n=168) 36,8 (n=152) n.s. p = 0,032 OPUS-Studie unter Berücksichtigung des Kras-Status (Bokemeyer C. et al., ASCO 2008, Abstract 4000) Die OPUS-Studie wurde hinsichtlich des Einflusses des Kras-Mutationsstatus auf die Effektivität der Therapie retrospektiv analysiert. Insgesamt konnte bei 233 Patienten der KRasStatus erhoben werden. Bei 99 Patienten, entsprechend 42%, fand sich eine Kras-Mutation. Ergebnisse: Bei Vorliegen eines Kras-Wildtyps konnte die Hinzunahme von Cetuximab zur FOLFOXChemotherapie die Ansprechrate von 37% auf 61% signifikant verbessern. Ebenso kam es zu einer Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS). Bei Kras Mutation führte die Hinzunahme von Cetuximab sogar zu einer Verschlechterung des PFS. CAIRO-2-Studie (Punt et al., ASCO 2008, LBA4011) In dieser Studie wurde untersucht, ob durch die zusätzliche Gabe von Cetuximab (C) die Effektivität einer Erstlinien-Therapie mit Capecitabin, Oxaliplatin und Bevacizumab verbessert werden kann. Es wurden 305 Patienten mit Kras-Wildtyp und 196 Patienten mit Kras-Mutation evaluiert. Ergebnis: Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) und das Gesamtüberleben (OS) wurden durch die Hinzugabe von Cetuximab nicht verbessert. Bei Kras Mutation war das PFS beim „Doppeltargeting“, also nach Zugabe von Cetuximab, mit 8,6 versus 12,5 Monaten sogar schlechter als bei ausschließlicher Bevacizumabgabe. Auch das mediane Gesamtüberleben (OS) war unter Cetuximab mit 19,1 Monaten versus 24,9 Monaten deutlich schlechter. Fazit: Das Doppeltargeting EGFR – VEGF bringt keinen Benefit für Kras-Wildtyptumore. Die Resistenz bei Kras-Mutation kann durch die VEGF-Therapie nicht durchbrochen werden. Das Doppeltargeting führt zu einem negativen Effekt bei Kras-Mutation. Es gibt keinen negativen Einfluss des Kras-Status auf die Wirksamkeit der Anti-VEGF-Therapie. 329 Cetuximab-Therapien Studienergebnisse CALGB 80203 – FOLFIRI vs. FOLFOX ± Cetuximab (Venook et al. ASCO 2006, Abstract 3509) Diese Studie war ursprünglich als Phase-III-Studie in der Erstlinientherapie des metastasierten KRK geplant, wurde aber nach 238 Patienten abgebrochen und neu geplant, nachdem Bevacizumab in der First-line-Therapie zugelassen war. Ergebnisse Response rate FOLFIRI FOLFIRI + Cetuximab FOLFOX FOLFOX + Cetuximab 36% 44% 40% 60% Die Responserate aller Patienten ohne Cetuximab (FOLFIRI + FOLFOX) betrug 38% versus 52% mit Cetuximab (p=0.029). Somit induzierte Cetuximab eine signifikante Steigerung der Responserate. Nach 16 Monaten Follow-up war die Beurteilung von PFS und OS noch nicht möglich. ACROBAT-Studie (Diaz-Rubio et al., ASCO 2005, Abstr. 3535) Internationale Phase-II-Studie zur first-line-Therapie mit Cetuximab + FOLFOX-4. 42 Patienten ohne Vortherapie mit primär nicht resektablem, EGFR-exprimierendem metastasiertem KRK. ACROBAT-Studie Patientenzahl (n) % der Patienten CR 4 10 PR 30 71 SD 7 17 PD 1 2 OR (PR + CR) 34 81 PFS nach 12 Monaten 22 52 Ergebnisse: Es zeigte sich eine sehr hohe Ansprechrate von über 80% sowie ein progressionsfreies Überleben von median 12,3 Monaten. Über die Hälfte der Patienten war nach einem Jahr noch progressionsfrei. 10 Patienten unterzogen sich einer Metastasenresektion, 9 konnten R0-reseziert werden. Cetuximab Monotherapie bei metastasiertem CRC (Lenz H.J. et al., ASCO 2005, Abstr. 3536) Eingeschlossen in die Studie wurden Patienten (n = 346), die als Vortherapie mindestens schon Fluoropyrimidin, Oxaliplatin und Irinotecan erhalten hatten. Die Patienten erhielten eine Monotherapie mit Cetuximab mit einer Initialdosis von 400 mg/m2 und einer folgenden wöchentlichen Dosis von 250 mg/m2 bis zur Krankheitsprogression oder bis eine inakzeptable Toxizität auftrat. Anzahl der Vortherapien Anzahl der Patienten Ansprechrate % 2 3 4 5-9 61 89 116 80 5 12 12 15 Ergebnisse Cetuximab zeigt auch bei stark vorbehandelten Patienten (auch nach Oxaliplatin-Versagen) ein konsistentes Ansprechen unabhängig von der Anzahl der Vortherapien. 330 Cetuximab-Therapie Hautreaktion, Klinik Die medikamentöse Blockade des EGFR-Rezeptors führt zu einer Beeinträchtigung der Hautzellerneuerung, indem die Apoptose und die Differenzierung gesteigert sowie die Proliferation verringert werden. Die Therapie mit Erbitux® löst eine zeitlich begrenzte Funktionsstörung der Haut bei 80% der behandelten Patienten auf, wobei eine Grad-3-Toxizität bei weniger als 10% vorkommt. Auch wenn die Hautveränderungen beherrschbar sind, führen sie doch zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität. Die Hautveränderungen sind dosisabhängig. Die antitumoröse Wirkung korreliert mit den Hautveränderungen. Nach Beendigung der Therapie normalisiert sich die Haut wieder. Lediglich bei schwersten Veränderungen können kleine Narben zurückbleiben. Vergleichbare Veränderungen werden auch bei EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren beobachtet. Akneiforme Hautveränderungen • • • • • Follikuläre Papeln und Pusteln in seborrhoischen Zonen wie Gesicht, Kopfhaut, Nacken, Stamm Juckreiz, manchmal Schmerzen Nach Abheilung der akuten Veränderungen hyperpigmentierte Makel auf erythematösem Grund, selten Atrophe Narben. In schweren Fällen konfluierende schmerzhafte Ulzerationen Die Hautveränderungen laufen in drei Phasen ab und sollten stadiengerecht behandelt werden. Sie orientieren sich außerdem an der Lokalisation und der Ausdehnung des Befundes (Empfehlungen nach PD Dr. med. Thomas Dirschka, Wuppertal). Akute exsudative akneiforme Phase (Pusteln) Beginn 1-2 Wochen nach Therapie Therapie: Austrocknen ! • Gesicht Gele: z.B. Erydermec® 2% Gel, Metrogel® N2 Zinkschüttelmixtur (Rp. Lotio alba aquosa ad 100,0) Ichtyolhaltige Mischpaste (Rp. Ichthyol 0,3 / Ungt molle /Pasta zinci mollis ad 30,0) • Kopfhaut: Alkoholische Lösungen z.B Stiemycine-Lösung • Körper: BPO (Panoxyl® 5% Gel) Erydermc® Gel Bei schwersten exsudativen Veränderungen Grad 3: Feuchte Kochsalzkompressen, Schwarzteekompressen, lokal-antibiotische Therapie z.B. mit Fucidine® Creme. Gegebenenfalls antibiotische Systemtherapie z.B. mit Gyrasehemmer Übergangsphase (Pusteln beginnen einzutrocknen) Beginn: nach 2-3 Wochen Für alle Lokalisationen Lotiones • erythromycinhaltige Linola Emulsion. z.B. Rp. Erythromycin 0,3 /Linola ad 30,0 / anstatt Linola auch Basiscreme DAC oder Abtima face, die fetter sind z.B. Rp. Metronidazol 0,3 / Linola ad 30,0 Xerotische Phase (Krusten lösen sich, trockene, empfindliche Haut) Klinische Merkmale Sehr trockene Haut auf gerötetem Grund, ausgeprägtes Spannungsgefühl, gelegentlich exsudative Entzündung (Superinfektion?), schmerzhafte Fissuren an Fingern und Zehen Therapie • Gesicht Cremes: z.B. Bepanthen Wund- und Heilsalbe 50,0 oder Rp. Ungt leniens 50,0 • Kopfhaut Lotionen: z.B. Bepanthen Roche Lotio oder Asche Basislotio • Lichtschutz, Haut besonders sonnenempfindlich ! z.B. Anthelios L 60 (Physikalische Faktoren) oder Daylong 50 (Chemische Faktoren) • Körper Harnstoffhaltige Lipolotio: z.B. Excipial U Lipolotio, Eucerin 10% Urea Lotio, Bepanthen Roche Lotio F • Allgemeine Maßnahmen: eher kühlere Räume, keine Sonne 331 Cetuximab-Therapie Hautreaktion, Behandlung Systemtherapie Durch prophylaktische Antibiotikagabe, die bereits vor Erbitux-Therapie begonnen wird, können die akneiformen Hautveränderungen in ihrer Intensität um ca. 30% reduziert werden. Antientzündliche Antibiotika Tetrazyklin z.B. Tefilin® 2x250 mg/die oder Minozyklin z.B. Skid® 1-2x 50 mg/die Bei starkem Juckreiz können Antihistaminika verordnet werden. z.B Dimetinden (Fenistil® 2x1/die) oder z.B. Promethazin (Atosil®) Hautreinigung Waschen der betroffenen Gebiete nur mit lauwarmem Wasser. Handtücher auf jeder Seite nur einmal verwenden, Waschen der Handtücher bei mindestens 60oC, um Infektionen zu vermeiden Akute exsudative Phase: z.B. Dermowas® Reinigungskonzentrat Übergangsphase: Dove® -Cremeseife Xerotische Phase: Duschöle (z.B. Eucerin Duschöl), Badeöle (Balmandol Ölbad) Weitere Manifestationen Finger: Rhagaden, Fissuren • Hände mit kaltem Wasser und mit Handwaschölen waschen, z.B. Eucerin-Handwaschöl® • Schutzcreme tags, z.B. Excipial Protect®, nachts Repaircreme, z.B. Excipial Repair® • Abkleben der Fissuren mit Hydrokolloidpflaster, z.B. Varihesive extradünn Nägel: Paronychie • Auftreten oft erst nach mehrwöchiger Therapie • Vermeiden von engem Schuhwerk, besser offene Sandalen, Nägel nicht rund, sondern gerade abschneiden • Lauwarme Kernseifebäder • Ichthyol 20% unter Pflasterokklusion, alternativ Ilonabszess-Salbe • Fucidine® Creme oder Fucidine® Gaze Keine Therapie ist wirklich effektiv, meistens hilft nur die Nagelextraktion !!! Haarveränderungen Die Haare werden fein, brüchig, lockig und wachsen langsamer. Der Bartwuchs kann sich verlangsamen und es bilden sich Flaumhaare im Gesicht (Hypertrichose). Die Augebrauen können sich verlängern und leicht wellig wachsen. Weitere Probleme Nasal: Bepanthen Augen- und Nasensalbe Oral: Lauwarmer Kamillentee, Dynexangel Vaginal: Olivenöl, Ungt. Leniens, Linoladiol Beziehung zwischen Hautreaktion und Effektivität, BOND-Studie (Cunningham D. et al., NEJM 2004; 352 337-346) Das Auftreten eines akneartigen Exanthems scheint positiv korreliert mit der Effektivität der Behandlung Pat. ohne Hautreaktionen im Hinblick auf Remissionsraten und Pat. mit Hautreaktionen das mittlere Überleben. Die Patienten mit Hautreaktionen hatten höhere Remissionsraten und ein längeres medianes Überleben als die ohne Hautreaktionen. Cetuximab Kombination RR Survival 6% 3,0 Mon. 26% 9,1 Mon. Monotherapie RR Survival 0% 2,5 Mon. 13% 8,1 Mon Everest-Studie (Tejpa S. et al. ASCO 2008, Abstract 4001) In dieser Studie, bei der Patienten Irinotecan und Cetuximab erhielten, wurde untersucht, ob eine Dosiseskalation von Cetuximab das Ansprechen erhöht. Retrospektiv wurden die Hauttoxizität und der Kras-Status evaluiert. Ergebnis: Eine höhere Hauttoxizität (≥ 2) korreliert mit einer größeren Effektivität der anti-EGFR-Therapie (positiver Prädiktor). Die Hauttoxizität und der Kras-Status sind aber unabhängige Prädiktoren des Therapieansprechens. Patienten mit Kras mutiertem Tumor können unter Cetuximab eine deutliche Hautreaktion entwickeln, aber aufgrund des mutierten Kras im Tumor trotzdem nicht von der Therapie profitieren. 332 Panitumumab Studienergebnisse Panitumumab (Hecht et al. ASCO 2006, Abstract 3547 und Berlin et al.,ASCO 2006, Abstract 3548) Pamitumumab ist ein vollhumanisierter EGFR-1-Antikörper. Er wurde nach Progression unter Irinotecan- und Oxaliplatin-Regimen eingesetzt und zeigte als Monotherapie in der Dritt- oder Viertlinien-Therapie in einer Phase-II-Studie eine moderate aber klinisch relevante Aktivität. Dosierung: 6 mg/kg q2 wks. Es fand sich keine Korrelation des Ansprechens mit der EGFR-Expression. ≥ 10 EGFR n 39 ORR (%) 8 SD (%) 21 1-9% EGFR 12 8 25 <1% EGFR 11 18 36 PFS (Wochen) 7,6 13,3 Panitumumab Zulassungsstudie (van Cutsem E. Et al., JClin Oncol 2007;25:1658-64) Es wurden in dieser kontrollierten Phase-III-Studie 463 Patienten mit EGFR-exprimierendem metastasierten KRK eingeschlossen, die auf Standard-Chemotherapieregime nicht angesprochen hatten. Sie wurden randomisert entweder mit Panitumumab (Vectibix®) und Best supportive care (BSC), oder nur mit BSC behandelt. Patienten, die mit Vectibix behandelt wurden, zeigten eine signifikante Verlängerung des Progressionsfreien Überlebens (PFS). Eine prospektive Auswertung der Studie hinsichtlich des Kras Mutationsstatus zeigt, dass die Wirkung von Panitumumab aus das progressionsfreie Überleben ausschließlich beschränkt war auf die Patienten, deren Tumor Kras-Wildtyp gene aufwiesen. Das PFS betrug bei Patienten mit Wildtyp unter Panitumumab 16 Wochen versus einem PFS von 8 Wochen bei BSC alleine. Die Ansprechrate betrug 17 % versus 0%, die Krankheitskontrollrate lag bei 51% versus 12%. Vectibix® wurde zugelassen zur Monotherapie von Patienten mit KRK, das EGFR exprimiert und das nichtmutierte (Wildtyp-) Kras-Gene aufweist. Darüber hinaus muss ein Versagen von Fluoropyrimidin-, Oxaiplatinund Irinotecan-haltigen Chemotherapieregimen vorliegen. PACCE-Studie (Hecht et al., WCGIC 2007) Doppeltargeting mit Bevacizumab +/- Pamitumumab zu einer Oxaliplatin- oder Irinotecan-basierten Chemotherapie. Die Studie musste wegen erhöhter Grad--3/4-Toxizität im Pamitumumab-Arm, die in Diarrhoe, Dehydratation und Infektionen bestand, sowie schlechterem progressionsfreien Überleben im Kombinationsarm, vorzeitig geschlossen werden. CONFIRM-1-Studie (Hecht J.R. et al., ASCO 2005, Abstract LBA3) Eine multinationale Studie evaluierte FOLFOX-4 mit PTK/ZK, einem oralen Angiogenesehemmer (1250 mg po/die) oder mit Placebo bei metastasiertem KRK in der First-line-Therapie. FOLFOX + PTK/ZK FOLFOX + PBO HR (Hazard ratio) Patientenzahl 585 583 PFS (Monate) 7,7 (7,7-9,2) 7,6 (7,5 – 7,7) 0,88 PFS, LDH hoch 7,7 (7,1 - 9,6) 5,8 (5,6 – 7,4) 0,67 PFS, LDH niedrig 7,7 (7,7 – 9,2) 7,7 (7,6 – 7,7) 0,97 Ergebnisse: Das progressionsfreie Überleben (PFS) zeigte zwar einen Trend zur Risikoreduktion durch Zugabe von PTK/ZK, jedoch ergab sich keine statistische Signifikanz. Die Subgruppenanalyse zeigte jedoch, dass Patienten mit hoher LDH unter PTK/ZK ein signifikant längeres PFS aufwiesen. PTK/ZK wies als zusätzliche Nebenwirkungen Hypertonie und Thrombosen auf. CONFIRM-2-Studie (Koehne C. et al., ASCO 2006, Abstract 3508) In dieser Studie wurden 855 Patienten, die jedoch mit einer Irinotecan/Fluoropyrimidin-Kombination vorbehandelt waren, mit demselben Protokoll wie in der CONFIRM-1-Studie behandelt. Das OS war mit 12,1 Monaten im PTK/ZK-Arm und 11,8 Monaten ähnlich. Das PFS (progressionsfreie Überleben) war im PTK/ZKArm mit 5,5 Monate signifikant besser versus 4,1 Monate im Placebo-Arm. Wie in der CONFIRM-1-Studie zeigten Patienten mit einer hohen LDH eine deutliche Verbesserung des PFS unter der PTK/ZK-Behandlung (5,6 vs. 3,8 Monate) sowie ein besseres Overall Survival mit 9,6 vs. 7,5 Monate. 333 CIOX-Studie CRC-02-2004 Grundlagen Studientitel Randomisierte offene multizentrische Phase-II-Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von Capecitabin plus Irinotecan plus Cetuximab im Vergleich zu Capecitabin plus Oxaliplatin plus Cetuximab als Erstlinienbehandlung von Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom. Studienziel Primäres Studienziel sind die Ansprechraten (komplette oder partielle Remission (CR/PR) nach RECIST als bestes Ansprechen (BOR)). Sekundäre Ziele sind Zeit bis zur Progression (TTP), Stabilisierungsraten (CR/PR oder Stabilisierung (SD) nach RECIST als BOR), Verträglichkeit und Anteile der Patienten mit Grad-3/4-Toxizität (nach NCI-CTC, s. Blatt „Common Toxicity Criteria“). Studienleitung PD Dr. med. V. Heinemann/ Prof. Dr. med. A. Schalhorn Medizinische Klinik III, Klinikum Großhadern, Marchioninistraße 15, 81377 München Tel.: 089-7095-0/-2208,Fax: 089-7095-5256 Studiendesign CapIri + Cetuximab (Arm A) CapOx + Cetuximab (Arm B) R Einschlusskriterien unterzeichnete, schriftliche Einverständniserklärung zur Teilnahme nach erfolgter Aufklärung histologisch nachgewiesenes, metastasiertes kolorektales Karzinom Messung der EGFR-Expression (Ergebnis der Analyse muss bei Randomisation nicht vorliegen) keine vorherige Chemotherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms keine Chemotherapie des kolorektalen Karzinoms in den 6 Monaten vor Studienbeginn keine vorherige Therapie mit Topoisomerase-1-Inhibitoren keine vorherige den EGF (epidermal growth factor) betreffende Therapie mit monoklonalen Ak, Inhibitoren der Signalübertragung oder mit anderen auf den EGF abzielenden Therapien keine chir. Eingriffe (außer diagnostische Biopsien) oder Bestrahlungen in den 4 Wochen vor Studienbeginn und keine bereits beim Screening geplanten chir. Eingriffe oder Bestrahlungen Vorliegen von mindestens einer messbaren Läsion nach RECIST (längster Durchmesser mindestens 20 mm (10 mm beim Spiral-CT), Läsion nicht in einem bereits bestrahlten Gebiet) Ausschlusskriterien Messung der EGFR-Expression nicht möglich andere gleichzeitige Behandlung des kolorektalen Karzinoms (außer mit Studienmedikation) Niereninsuffizienz (Krea-Clearance < 30 ml/min) bekannter DPD-Mangel, Z.n. Myokardinfarkt, bekanntes Gilbert-Meulengracht-Syndrom Kontraindikation oder bekannte oder vermutete Unverträglichkeit gegen eine Studienmedikation bekannte oder vermutete Hirnmetastasen, symptomatische Peritonealkarzinose chronisch entzündliche Darmerkrankung, akuter oder subakuter Darmverschluss bekannter Alkohol- oder Drogenmissbrauch andere Begleiterkrankungen, die eine Teilnahme an der Studie nach Ansicht des Prüfarztes nicht erlauben Vorläufige Ergebnisse siehe Folgeseite 334 CIOX-Studie CRC-02-2004 Durchführung Therapiedurchführung Die Behandlung wird fortgeführt, bis Progression (PD) festgestellt wird, nicht-akzeptable Toxizität beobachtet wird, bestätigte CR erzielt wird, der Patient den Therapieabbruch wünscht oder es nach Ansicht des Prüfarztes im besten Interesse des Patienten ist, die Behandlung zu beenden. XELIRI + Cetuximab (Arm A, ≤ 65 Jahre) Substanz Capecitabin Cetuximab-Erstgabe Cetuximab Irinotecan Dosis [mg/m2/d] 1600 400 250 200 Applikationsform p.o. 2-Std.-Infusion 1-Std.-Infusion 30-Min.-Infusion Therapietage 1 – 14 1 (1), 8, 15 1 Applikationsform p.o. 2-Std.-Infusion 1-Std.-Infusion 30-Min.-Infusion Therapietage 1 – 14 1 (1), 8, 15 1 Applikationsform p.o. 2-Std.-Infusion 1-Std.-Infusion 2-Std.-Infusion Therapietage 1 – 14 1 (1), 8, 15 1 Wiederholung Tag 22 XELIRI + Cetuximab (Arm A, > 65 Jahre) Substanz Capecitabin Cetuximab-Erstgabe Cetuximab Irinotecan Dosis [mg/m2/d] 1280 400 250 160 Wiederholung Tag 22 XELOX + Cetuximab (Arm B) Substanz Capecitabin Cetuximab-Erstgabe Cetuximab Oxaliplatin Dosis [mg/m2/d] 2000 400 250 130 Wiederholung Tag 22 Vorläufige Ergebnisse (Heinemann, V. et al., ESMO 2006) Komplette Remission (CR) Partielle Remission (PR) Stable disease (SD) Progression CR + PR CR + PR + SD Caplri + Cetuximab (n=33) n (%) 2 (6,1) 12 (36,4) 16 (48,5) 3 (9,1) 14 (42,4) 24 (90,9) CapOx + Cetuximab (n=29) n (%) 2 (6,9) 17 (58,6) 8 (27,6) 2 (6,9) 19 (65,5) 27 (93,1 ) Bei den bisher evaluierbaren Patienten lagen die Ansprechraten (CR+PR) im Irinotecan-haltigen Arm (CapIri + Cetuximab = CCI)) bei 42,4%, im Oxaliplatin-haltigen Arm (CapOx + Cetuximab = CCO) bei 65,5%. Die Krankheitsstabilisierungsraten (CR+ PR+ SD) waren in beiden Armen vergleichbar hoch mit 90,9% im CCIArm und 93,1% im CCO-Arm. Update ASCO 2008, Abstract 4033 (Heinemann et al.) 142 Patienten (XELIRI-C vs. XELOX-C: 74 vs. 68) wurden evaluiert. Die Gesamtansprechrate (ORR) betrug 52,7% vs. 61,8% und die Krankheitskontrollrate (CR + PR + SD) lag immerhin bei 83,4% bzw. 97,1%. Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 8,4 vs. 9,2 Monate. Das mediane Gesamtüberleben ist noch nicht erreicht. Die häufigsten Grad-3/4-Toxizitäten bestanden in Diarrhoe (16,3% vs. 20%) und Hautexanthem (12,8 vs. 18,8%). Fazit: Beide Regime sind wirksam und tolerabel als Erstlinientherapie beim metastasierten KRK: 335 Therapiesequenzen FOCUS-, CAIRO-Studie Bei Patienten mit asymptomatischer, nicht bedrohlicher Metastasierung in gutem Allgemeinzustand, die keine Kandidaten für eine sekundäre Resektion sind (z. B. aufgrund von Knochenmetastasen), ist ein sequentieller Therapieansatz berechtigt, wie unten angeführte große Studien gezeigt haben. FOCUS-Studie (Seymour M.T. et al., ASCO 2005, A3518) Die mit 2135 eingeschlossenen Patienten größte Studie beim metastasierten KRK prüft, ob eine primäre Kombinationstherapie erfolgen muss oder ob ein sequentieller Einsatz von Oxaliplatin- bzw. Irinotecan-FU-Kombinationen erst nach 5-FU-Versagen möglich ist. (m = modifiziertes Schema) First-Line Second-Line Third-Line Inf. 5-FU/FA Irinotecan CapOX Inf. 5-FU/FA + Irinotecan (mFOLFIRI) CapOX Inf. 5-FU/FA + Oxaliplatin (mFOLFOX) CapIRI mFOLFIRI → CapOX mFOLFOX → CapIRI Sequentiell Primäre Kombinationstherapie Ergebnisse: Ein leicht erhöhtes, statistisch nicht signifikantes Gesamtüberleben zeigte sich unter der Kombinationschemotherapie, entweder als first- oder als second-line-Therapie gegeben. Eine First-lineKombinationschemotherapie verbesserte das Gesamtüberleben jedoch nicht im Vergleich dazu, wenn dieselbe Kombinationstherapie erst als second-line-Therapie gegeben wurde. Fazit: Der Vorteil einer intensivierten Primärtherapie setzt sich nicht in einem verbesserten Überleben fort. Keine Irinotecan-Monotherapie. CAIRO-Studie (Punt C.J. et al., ASCO 2007, A:4012) Die niederländische Phase-III-Studie untersuchte die Effektivität und Toxizität einer sequentielle Therapie (beginnend mit Capecitabine) versus einer Kombinations-Chemotherapie (beginnend mit Capecitabine/Irinotecan) unter Verwendung aller verfügbaren zytotoxischen Substanzen (außer von Antikörpern). Ergebnisse: In der First-line gab es signifikante Differenzen in der Grad-3/4-Toxizität für die Diarrhoe (10% vs. 25%), die febrile Neutropenie (1% vs. 6%) und das Hand-Fuß-Syndrom (12% vs. 5%). Die Toxizität für CAPIRI war akzeptabel. Die Kombinationstherapie resultierte nicht in einem Benefit im Overall Survival im Vergleich zu der sequentiellen Therapie (OS 17,4 vs. 16,3 Monate). Medianes OS 336 Metastasierte Kolorektale Karzinome Therapiepause, OPTIMOX 1- und OPTIMOX 2-Studie OPTIMOX 1 (Tournigand C. et al. J Clin Oncol 2006,24: 394-400) Um das Problem der kumulativen Oxaliplatin-Toxizität zu umgehen, wurde in dieser Studie erstmals eine STOP and GOStrategie für oxaliplatinhaltige Kombinationstherapien untersucht. Die Standardbehandlung war das FOLFOX4-Regime (A) mit Behandlung bis zur Progression. Das Kontrollregime bestand in dem FOLFOX7-Protokoll (B), bei dem nach 6 Zyklen (12 Wochen) eine Oxaliplatinpause eingelegt wurde, während ein infusionales 5-FU/Folinsäure-Schema (C) fortgesetzt wurde. Bei nachgewiesenem Progress sollte eine Wiederaufnahme (Reinduktion) des kompletten FOLFOX7-Regimes für erneut 6 Zyklen erfolgen. Ergebnisse: 620 Patienten wurden eingeschlossen. Das mediane pogressionsfreie Überleben (PFS) war in Arm A 9,0 vs. 8,7 Monate im Arm B. Das Gesamtüberleben (OS) unterschied sich ebenfalls nicht signifikant mit 19,3 vs. 21,2 Monaten. Eine Grad-3 Neuro-toxizität wurde bei 17,9% vs. 13,3% der Patienten im Arm B beobachtet (p = 0,12). Im Arm DDC B wurde Oxaliplatin nur bei 40% der Patienten reinduziert. Bei der Mehrzahl dieser Patienten (69,4%) wurde jedoch dadurch eine Response oder Stabilisierung erreicht. Fazit: Die Effektivität beider Arme war vergleichbar bei niedrigerer PFS Neurotoxizität. Es kann nach 3-monatiger Therapie eine Oxaliplatinpause unter Beibehaltung der 5-FU-haltigen Therapie eingelegt werden. OPTIMOX2-Studie (Maindrault-Goebel F. et al.,ASCO 2006, Abstract 3504 und ASCO 2007, Abstract 4013) In dieser Studie wurde die Frage nach einer kompletten Therapiepause bei einer oxaliplatinhaltigen Chemotherapie untersucht. Diese Studie wurde zunächst als Phase-III-Studie geplant und nach der BevacizumabZulassung auf einem PhaseII-Level durchgeführt. Das primäre Studienziel war die Dauer der Krankheitskontrolle (DDC=duration of disease control). Dieser neue Studienendpunkt setzt sich zusammen aus dem progressionsfreien Überleben (PFS 1), ergänzt um das PFS nach erneuter FOLFOX-Reinduktion (PFS 2). Ergebnisse: 202 nicht Overall survival DDC vorbehandelte Pat. wurden auf zwei Arme randomisiert: Pat. im Kontrollarm erhielten FOLFOX7 als Induktionstherapie gefolgt von 5-FU/LV als Δ 7 Monate ! Erhaltungstherapie bis zur Baseline-Progression und erneuter Reinduktion bei Progress analog zum OPTIMOX1-Arm. Im experimentellen Arm wurde die Chemotherapie nach 6 Zyklen FOLFOX7 komplett gestoppt und erst wieder aufgenommen, wenn der Tumor fast die Ausgangsdimension erreicht hatte. Ergebnisse: Das progressionsfreie Überleben war mit 8,7 Monaten im OPTIMOX1-Arm signifikant länger als beim kompletten Stop (OPTIMOX2) mit 6,9 Monaten. Allerdings war die Dauer der Tumorkontrolle (DDC) mit 12,9 versus 11,7 Monaten nicht signifikant unterschiedlich. Die mittlere Dauer des chemotherapiefreien Intervalls im OPTIMOX2-Arm betrug 4,6 Monate. Die aktuellen Überlebensdaten zeigen jetzt jedoch einen deutlichen Unterschied von 7 Monaten (26 versus 19 Monate) zugunsten des OPTIMOX1 Armes. Fazit: Damit zeigt die Studie, dass für oxaliplatinhaltige Therapieprotokolle eine komplette Therapiepause aller Substanzen nicht empfehlenswert ist. OPTIMOX 2 Studiendesign 337 Metastasierte Kolorektale Karzinome Therapiepause, FOLFIRI OPTIMOX1/2 Studie. Beste Zeit für Therapie-Stop ? (Perez-Staub N. et al., ASCO 2008, Abstr. 4037) Alle Patienten in den beiden OPTIMOX-Studien wurden im Hinblick auf die Dauer der Chemotherapie bis zum Chemotherapiefreien Intervall (CFI) untersucht. 184 Patienten waren evaluierbar. Das mediane Overall Survival (OS) betrug bei 90 Patienten, die die Chemotherapie nach 6 Monaten Behandlung und weniger unterbrochen hatten, 24,6 Monate gegenüber einem OS von 39,8 Monaten bei 94 Patienten, die die Behandlung erst nach 6 Monaten gestoppt hatten. Die durchschnittliche Dauer des chemotherapiefreien Intervalls betrug 6 Monate. Es gab keine Korrelation zwischen der Dauer der Chemotherapie und der Dauer des Chemotherapiefreien Intervalls. Ein längeres Chemotherapiefreies Intervall (> 6 Monate) war ein prädiktiver Faktor für ein verlängertes Überleben. Fazit: Die optimale Dauer einer Chemotherapie vor einem komplett Was ist die optimale Chemotherapiedauer vor einem chemotherapiefreien Intervall (CFI) > 3 Monate ? chemotherapiefreien Optimale Dauer vor CFI ≥ 6 Monate Intervall beträgt 6 Monate. CONcePT-Studie (Grothey A. et al., ASCO 2008 Abstr. 4010) Diese Studie untersuchte zum einen, ob Patienten von einer diskontinuierlichen Oxalipatingabe bei einer Kombinationstherapie aus Oxaliplatin/5-FU/Bevacizumab profitieren und ob eine zusätzliche Gabe von Calcium/Magnesium-Infusionen die Polyneuropathie günstig beeinflussen kann. Die intermittierende Oxaliplatingabe erfolgte wie in der OPTIMOX 1-Studie. 5-FU/Bevacizumab wurde als eine Art Erhaltungstherapie weitergegeben. Die Studie wurde vorzeitig beendet, nachdem eine Interimsanalyse einen ungünstigen Effekt der Ca/Mg-Infusion auf die Effektivität vermuten liess. Ergebnisse: Das progressionsfreie Überleben (PFS) betrug bei der kontinuierlichen Gabe 7,3 Monate versus 12,0 Monate bei der intermittierenden Gabe von Oxaliplatin. Auch die Zeit bis zum Therapieversagen (TTF) wurde durch die intermittierende Gabe signifikant verlängert. Die kontinuierliche Oxaliplatingabe führte häufig zu einem vorzeitigen Studienabbruch. Eine Beeinträchtigung der Wirksamkeit der Therapie durch die Ca/Mg-Gabe zeigte sich in der Endanalyse nicht. Es ergab sich ein Trend für die Neuroprotektion durch die Ca/Mg-Behandlung. Fazit: Die intermiteriende Oxaliplatingabe ergibt gegenüber der kontinuierliche Gabe nicht nur ein günstigeres Toxizitätsprofil mit weniger Neuropathie als Abbruchgrund, sondern führt auch zu einer längeren Zeit bis zum Therapieversagen und zu einem längeren progressionsfreien Intervall. FOLFIRI intermittierend vs. kontinuierlich – GISCAD-Studie (Labianca R. et al. ASCO 2006, Abstract 3505) Die italienische GISCAD-Arbeitsgruppe untersuchte die alternierende Therapie mit FOLFIRI: 2 Monate Therapie, 2 Monate Pause, dann wieder 2 Monate Therapie usw. im Vergleich zu einer kontinuierlichen Gabe von FOLFIRI bis zur Progression. Ergebnisse: Das progressionsfreie Überleben sowie das Overall Survival unterschieden sich bei den insgesamt 336 Patienten nicht signifikant. Da Irinotecan wenig Probleme mit Progressionsfreies Überleben der kumulativen Toxizität besitzt, war auch die Toxizität in kontinuierlich 7,3 Monate beiden Armen vergleichbar. Mit einem alternierenden Schema intermittierend 8,8 Monate n.s kann die gleiche Effektivität erreicht werden wie mit einer Gesamtüberleben kontinuierlichen Therapie mit dem Vorteil einer kontinuierlich 17,6 Monate chemotherapiefreien Zeit für den Patienten. intermittierend 16,9 Monate n.s. 338 AIO-Studie KRK 0504 Grundlagen Studientitel Zweitlinientherapie AIO-IRI / FOLFIRI / CAPIRI / XELIRI +/-Bevacizumab bzw. FUFOX / FOLFOX / CAPOX / XELOX +/-Bevacizumab bei Patienten mit metastasiertem kolorektalen Karzinom nach Progress unter Erstlinientherapie mit Fluoropyrimidin/Oxaliplatin-Bevacizumab bzw. Fluoropyrimidin/Irinotecan-Bevacizumab. Prospektiv randomisierte, multizentrische Phase-III-Studie. Studienziel Primäres Studienziel ist der Vergleich der progressionsfreien Zeiten einer Zweitlinientherapie mit einer Zweitlinientherapie unter zusätzlicher Anwendung des Anti-VEGF-Antikörpers Bevacizumab. Sekundäre Ziele sind Gesamtüberlebenszeiten, Remissionsraten und Dokumentation der Toxizitäten. Studienleitung PD Dr. med. S. Kubicka Medizinische Hochschule Hannover, Zentrum Innere Medizin, Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover Studienkoordination Randomisation Dr. med. Christina Englisch-Fritz Klinikum Bremen Ost, Klinik für Innere Medizin Züricher Strasse 40, 28325 Bremen Tel.: 0421/ 408-0/ -2534, Fax: 0421/ 408-2235 GSO mbH Heilwigstr. 30, 20249 Hamburg, Tel: 040-44195460, Fax: 040-44195478 Studiendesign Stratifizierung Um eine Gleichverteilung von prognostischen Faktoren in beiden Studienarmen zu erzielen, werden die Patienten stratifiziert nach (Köhne et al., 2000): ECOG PS, Anzahl der Metastasen, Leukozyten, alkalischer Phosphatase. Einschlusskriterien Wie AIO-Studie KRK 0604. Zusätzlich: Dokumentierter Tumorprogress unter Erstlinientherapie aus entweder Fluoropyrimidin/Oxaliplatin-Bevacizumab (Stratum A) oder Fluoropyrimidin/Irinotecan-Bevacizumab (Stratum B) Die Progression darf höchstens 3 Monate nach der letzten Verabreichung von Bevacizumab erfolgt sein. Patienten, die aus Toxizitätsgründen in der Vortherapie nicht mehr alle Therapiepartner erhalten haben, müssen bis vor maximal 3 Monaten Bevacizumab erhalten haben. Ausschlusskriterien Wie AIO-Studie KRK 0604. Zusätzlich: Vorangegangene systemische Immun- oder Chemotherapie entfällt Dokumentierter Tumorprogress während einer Therapiepause länger als 3 Monate nach der Beendigung der Erstlinientherapie. Hier sollte primär eine Reinduktion der Erstlinientherapie erwogen werden. Ein Einschluss in diese Studie kann dann nach Progression unter dieser Reinduktionstherapie erfolgen. 339 AIO-Studie KRK 0504 Therapie I Therapiedurchführung Die Behandlung wird durchgeführt bis Tumorprogress, Auftreten eines Zweittumors, nicht akzeptable Toxizität trotz entsprechender Dosisreduktion, Verschlechterung des Allgemeinzustandes nach ECOG > 2, Wunsch des Patienten nach Therapieende oder Resektion oder Ablation der Referenzläsion. CAPIRI (Arme A1 + A2) Dosis [mg/m2/d] Applikationsform Therapietage 2000 p.o. 1 – 14, 22 - 35 80 90-Min.-Infusion 1, 8, 22, 29 Dosis [mg/m2/d] Applikationsform Therapietage Capecitabin 1600 p.o. 1 – 14, 22 - 35 Irinotecan 200 90-Min.-Infusion 1, 22 Substanz Dosis [mg/m2/d] Applikationsform Therapietage Irinotecan 80 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36 Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36 5-FU 2000 24-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36 Substanz Dosis [mg/m2/d] Applikationsform Therapietage Irinotecan 180 2-Std.-Infusion 1, 15 Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2, 15, 16 5-FU 400 Bolus 1, 2, 15, 16 5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2, 15, 16 Substanz Capecitabin Irinotecan Wiederholung Tag 43 XELIRI (Arme A1 + A2) Substanz Wiederholung Tag 43 AIO-IRI (Arme A1 + A2) Wiederholung Tag 50 FOLFIRI (Arme A1 + A2) Wiederholung Tag 29 Simplified FOLFIRI (Arme A1 + A2) Substanz Dosis [mg/m2/d] Applikationsform Therapietage Irinotecan 180 2-Std.-Infusion 1, 15 Folinsäure 400 2-Std.-Infusion 1, 15 5-FU 400 Bolus 1, 15 5-FU 2400 46-Std.-Infusion Wiederholung Tag 29 1, 15 Tournigand et al. 2004 CAPOX (Arme B1 + B2) Dosis [mg/m2/d] Applikationsform Therapietage Capecitabin 2000 p.o. 1 – 14, 22 - 35 Oxaliplatin 70 2-Std.-Infusion 1, 8, 22, 29 Substanz Wiederholung Tag 43 340 AIO-Studie KRK 0504 Therapie II XELOX (Arme B1 + B2) Dosis [mg/m2/d] Applikationsform Therapietage Capecitabin 2000 p.o. 1 – 14, 22 – 35 Oxaliplatin 130 2-Std.-Infusion 1, 22 Dosis [mg/m2/d] Applikationsform Therapietage Oxaliplatin 50 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22 Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22 5-FU 2000 22-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22 Dosis [mg/m2/d] Applikationsform Therapietage Oxaliplatin 100 2-Std.-Infusion 1, 15 Folinsäure 400 2-Std.-Infusion 1, 15 5-FU 400 Bolus 1, 15 5-FU 2400 46-Std.-Infusion 1, 15 Dosis [mg/m2/d] Applikationsform Therapietage Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion 1, 15 Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2, 15, 16 5-FU 400 Bolus 1, 2, 15, 16 5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2, 15, 16 Substanz Wiederholung Tag 43 FUFOX (Arme B1 + B2) Substanz Wiederholung Tag 36 FOLFOX6 (Arme B1 + B2) Substanz Wiederholung Tag 29 FOLFOX4 (Arme B1 + B2) Substanz Wiederholung Tag 29 Zusätzlich zu den aufgeführten Therapieprotokollen wird in den Armen A1 und B1 Bevacizumab gegeben: Bevacizumab (Arme A1 + B1) Substanz Bevacizumab Dosis Applikationsform 5 mg/kg Therapietage 30-90-Min.-Infusion 1, 15 Whg. Tag 29 30-90-Min.-Infusion 1, 22 Whg. Tag 43 oder Bevacizumab 7,5 mg/kg Kontrolluntersuchungen/ Toxizitäten Die Kontrolluntersuchungen und Dosismodifikationen entsprechen denen der AIO-Studie KRK 0604. Davon abweichend ist bei CR/PR der Referenzläsion eine Bestätigung der Response mittels Bildgebung nach 4 Wochen erforderlich. 341 Lebermetastasen Therapiestrategie Eine primäre operative Entfernung von Lebermetastasen beim kolorektalen Karzinom ist nur bei 10-25% der Patienten möglich. Dabei stellt die R0-Resektion der Metastasen die einzige kurative Chance dar. Infolge der inzwischen sehr hohen Ansprechraten auf eine Chemotherapie durch Einführung neuer Substanzen wird häufiger jedoch eine sekundäre Metastasenresektion möglich. Der früher rein palliative Charakter einer Chemotherapie wandelt sich zu einem wesentlichen Faktor in einem multidisziplinären, potentiell kurativen Konzept. In neueren Serien liegt das 5-Jahres-Überleben nach Resektion von Lebermetastasen bei bis zu 40%. Grundsätzlich muss bei jedem Patienten mit metastasiertem KRK die Frage gestellt werden, ob die Metastasen primär resektabel sind und wenn nicht, ob bei guter Remission eventuell eine sekundäre Metastasenresektion möglich werden kann. Voraussetzung ist die allgemeine Operabilität des Patienten. Die Patienten müssen immer primär in einer multidisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt werden. Auf keinen Fall darf eine mögliche kurative Option außer acht gelassen werden. Therapiestrategie KRK mit Lebermetastasen, primär resektabel oder potentiell sekundär resektabel Nur potentiell R0-resektabel oder FONG-Score ≥3 od. nicht R0-resektabel R0-resektabel + FONG-Score ≤2 Neoadjuvante Chemotherapie mit möglichst effektiver Kombination Primäre Resektion Sekundäre Resektion wenn R0 möglich * R0 R1/R2 R0 R1/R2 Adjuvante Chemotherapie (FOLFOX 6 Monate) Additive/Palliative Chemotherapie* Adjuvante Chemotherapie wie präop. für 3 Monate od. Beobachtung Additive /Palliative Chemotherapie * PET-CT zum Ausschluss weiterer Manifestationen v.a. extrahepatisch Lebermetastasen R0-resektabel Bei Patienten mit R0-resektablen Lebermetastasen soll eine Bewertung des Risiko-Scores (z.B. Fong-Score siehe folgende Seiten) erfolgen. Bei Fong-Score ≤ 2 kann eine primäre Metastasenresektion erfolgen. Die Daten der EORTC 40983-Studie, die die Wertigkeit einer neoadjuvanten Chemotherapie bei resektablen Lebermetastasen untersuchte, ergaben zwar eine Verbesserung des 3-Jahres-krankheitsfreien Überlebens für die neoadjuvante Therapie um 7,2%. Der Unterschied zu der Gruppe ohne neoadjuvante Therapie war aber statistisch nicht signifikant. So bleibt die primäre Operation bei niedrigem präoperativem Prognosescore eine gute Option. Adjuvante Chemotherapie nach primärer Metastasenresektion Für die postoperative Therapie nach primärer Lebermetastasenresektion und R0-Situation ist kein Standard definiert, die Datenlage ist limitiert. Eine aktuelle Studie von Portier (siehe folgende Seiten) erbrachte eine Verbesserung des 5-Jahres-DFS um 7% durch eine adjuvante 5-FU/Folinsäure-Therapie. Aufgrund dieser Daten und da keine weitere Studie zu dieser Fragestellung (adjuvante gegen keine Therapie) zu erwarten ist, sollte die Indikation für eine adjuvante Chemotherapie analog dem Stadium III des Kolonkarzinoms (FOLFOX) großzügig gestellt werden. Die NCCN-Guidelines empfehlen mit Hinweis auf die limierte Datenlage nach kompletter Resektion von Lebermetastasen eine 4-6-monatige adjuvante Chemotherapie. S3-Leitlinie 2008: Nach R0-Resektion synchroner oder metachroner Lebermetastasen kann eine adjuvante Chemotherapie erwogen werden. 342 Lebermetastasen Therapiestrategie II Lebermetastasen potentiell R0-resektabel, aber schlechter Fong-Score ≥ 3 Bei möglicher R0-Resektabilität, aber ungünstigem präoperativen Prognosescore sowie nur potentieller Resektabilität ist eine neoadjuvante Chemotherapie indiziert. Die präoperative Chemotherapie soll nur über einen begrenzten Zeitraum erfolgen, um die Toxizität auf das gesunde Lebergewebe zu verringern. Empfohlen werden 3 Monaten Chemotherapie. Bei einer längeren Dauer nimmt die perioperative Morbidität stark zu. Die Hepatotoxizität des entsprechenden Chemotherapieprotokolls sowie eine eventuell bestehende Vorschädigung der Leber muss in die therapeutische Entscheidung und die OP-Planung mit einbezogen werden. Bei sicherer R0-Resektabilität und eher geringem Risikoprofil kann die Chemotherapie mit - FOLFOX4 6 Zyklen (12 Wochen) präoperativ analog der EORTC-Studie erfolgen. Alternative Chemotherapieprotokolle sind, besonders bei nur potentieller Resektabilität und hohem Risikoprofil: - FOLFOX oder FOLFIRI + Cetuximab (bei KRAS-Wildtyp) - FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI + Bevacizumab bei KRAS-Mutation und KRAS-Wildtyp - FOLFOXIRI (FOLFIRI + Oxaliplatin, Falcone A. ASCO 2007, #4026) Der Effekt der Chemotherapie soll spätestens nach 2-3 Monaten Therapie evaluiert werden. Die Metastasen sollen vor ihrem Verschwinden reseziert werden, damit der Chirurg sie noch identifizieren kann. Präoperativ sollte bei einem FONG-Score ≥3 ein FDG-PET insbesondere zum Ausschluss extrahepatischer Metastasen durchgeführt werden, da sich bei ca. 25% der Patienten durch das PET die Strategie ändert. Ein introperativer Ultraschall (IOUS) soll außerdem durchgeführt werden, da sich PET und IOUS in ihrer Sensitivität ergänzen. Ist die Lebermetastasenresektion nach neoadjuvanter Chemotherapie erfolgt, kann eine Fortsetzung der gleichen Chemotherapie für 3 Monate postoperativ oder eine Beobachtung erfolgen (NCCN-Guidelines 2007). Auch für diese Situation existieren keine ausreichenden Daten. Wenn es zu einem guten Ansprechen der Chemotherapie präoperativ gekommen ist und es die Leberfunktion erlaubt, ist eine Fortsetzung derselben Therapie für weitere 12 Wochen postoperativ sinnvoll. Lebermetastasen primär nicht R0-resektabel Bei Lebermetastasen, die primär nicht resektabel sind, ist eine möglichst remissionsaktive neoadjuvante Chemotherapie indiziert. Maximal remissionsinduzierende Protokolle außerhalb von Studien sind derzeit - FOLFIRI + Oxaliplatin = FOLFOXIRI (Falcone A. ASCO 2007, #4026) - FOLFIRI oder FOLFOX + Cetuximab bei KRAS-Wildtyp - FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI + Bevacizumab bei KRAS-Mutation und KRAS-Wildtyp Für FOLFOXIRI liegen nur wenige Daten vor. Die Remissionsraten sind hoch (60%), die Toxizität ist zwar „manageable“, aber ebenfalls hoch. Cetuximab in Kombination mit FOLFOX oder FOLFIRI ist nur bei KRAS-Wildtyp einsetzbar und zeigt ebenfalls hohe Remissionsraten um 60%. Bevacizumab in Kombination mit FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI zeigt eher etwas geringere Remissionsraten als Cetuximab-Kombinationen, allerdings lag die Ansprechrate in der Hurwitz-Studie (Bevacizumab + IFL) bei KRAS-Wildtyp ebenfalls bei 60%. Entscheidend ist, dass die Hepatotoxizität des entsprechenden Chemotherapieprotokolls sowie eine eventuell bestehende Vorschädigung der Leber in die therapeutische Entscheidung und OP-Planung mit einbezogen werden. Sekundäre Resektionen nach Bevacizumab sind sicher ohne Erhöhung der Komplikationsrate durchführbar. Ein protektiver Effekt von Bevacizumab im Hinblick auf die Hepatotoxizität durch Oxaliplatin wird diskutiert. Eine Reevaluation der Operabilität muss alle 2-3 Monate erfolgen. Die Lebermetastasen sollen reseziert werden, wenn sie resektabel und bevor sie verschwunden sind, da sie dann chirurgisch schwer auffindbar sind und die Leberschädigung durch die weitere Chemotherapie erhöht wird. Ziel einer präoperativen Therapie ist, eine Resektabilität zu erreichen, nicht eine Vollremission. Vollremissionen, dokumentiert mit bildgebenden Verfahren, bedeuten in der Regel keine Heilung. Die Rezidivrate liegt bei 85%. Die chirurgische Therapie aller Ausgangsläsionen ist anzustreben. Eine postoperative Chemotherapie kann als individuelle Entscheidung in Abhängigkeit vom Ansprechen auf die Vortherapie, von der Dauer der Vortherapie und der Leberfunktion postoperativ erfolgen. 343 Lebermetastasen Resektabilität, Prognosefaktoren, Fong-Score Resektabilität von Lebermetastasen Weitgehender Konsens herrscht im Hinblick auf die Kriterien der Irresektabilität. In dem „ONCOSURGE Decision Model“ (Haller D.G. et al., GI-ASCO 2005), das als Entscheidungsmodell für das Management von Lebermetastasen entwickelt wurde, werden als Kontraindikationen zur Leberteilresektion aufgeführt: - nicht resezierbare extrahepatische Erkrankungen - ausgedehnte Beteiligung der Leber mit Beteiligung von mehr als sechs Segmenten - mehr als 70% des Leberparenchyms oder - Befall aller drei Lebervenen - Leberparenchyminsuffizienz - Patient allgemein inoperabel oder lehnt die Operation ab. Präoperative Prognosefaktoren – FONG-Score In die Entscheidung über eine Resektion gehen auch Prognosefaktoren, insbesondere die Zahl der Metastasen ein. Die wichtigsten Prognosefaktoren sind in einem Score zusammengefasst. Der am häufigsten verwendete Score ist der FONG-Score. Er beinhaltet Informationen, die präoperativ zur Verfügung stehen. Bei einem FONG-Score ≥ 3 wird von einer Metastasenresektion eher abgeraten. FONG-Score Anzahl der Lebermetastasen (>1) Größe der Lebermetastasen (>5 cm) Krankheitsfreies Intervall (<12 Monate) Tumorstadium des Primärtumors (N+) Höhe des CEA (> 200 μg/l) Gesamtüberleben (%) Score 0 1 2 3 4 5 1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre Median (Monate) 93 91 89 86 70 71 79 76 73 67 45 45 72 66 60 42 38 27 60 54 51 25 29 14 60 44 40 20 25 14 74 51 47 33 20 22 Jeder Risikofaktor bedeutet einen Punkt. Daraus ergibt sich die Überlebenswahrscheinlichkeit, wie aus der nebenstehenden Tabelle hervorgeht (Fong Y et al. Ann Surg 1999; 230:309-18) Prognose nach Resektion Adam analysierte die Daten der Patienten, die sekundär nach neoadjuvanter Chemotherapie in seiner Klinik Leber-reseziert wurden, in einer Langzeitbeobachtung. Das 5-Jahres-Überleben betrug 33% und das 10-JahresÜberleben 23% (Adam R. et al., Ann Surg 2004; 240:644-57). Es war damit zwar schlechter als das der primär resezierten Patienten (48% und 30%), belegte aber, dass bei auf die Leber begrenzten Metastasen mit einem kombinierten Konzept ein Langzeitüberleben möglich ist. Aus dieser Arbeit entwickelte er auch einen Prognosescore zur Abschätzung der Prognose nach Leberresektion. Lag keiner der folgenden Risikofaktoren vor, lag das geschätzte 5-Jahres-Überleben bei 60%. Lagen 3 oder mehr der folgenden Risikofaktoren vor, betrug das 5-Jahres-Überleben < 1%: o mehr als 2 Lebermetastasen o Lebermetastasen > 10 cm o Erhöhter Tumormarker CA 19-9 o R1-Resektion o Primärtumor im Rektum o Wiederholte Leberresektionsoperation Es gibt also Patienten, die trotz technischer Durchführbarkeit kaum von einer Leberresektion profitieren. 344 Lebermetastasen Prognosescore nach Nordlinger Die chirurgische Resektion von Lebermetastasen ist inzwischen eine allgemein akzeptierte therapeutische Maßnahme. Mindestens zwei Drittel der Patienten erleiden ein Rezidiv. Eine nicht unerhebliche Anzahl von Patienten profitiert letztendlich nicht von der Operation. Um präoperativ eine Aussage zu treffen, ob eine Resektion für den Patienten sinnvoll ist, wurde ein einfacher Prognosescore entwickelt. Dieser wurde retrospektiv anhand der Daten von 1568 Patienten erstellt, die an Lebermetastasen nach einem kolorektalen Karzinom operiert worden waren (Nordlinger B et al. Cancer 1996; 77: 1254-62). Aus den Daten wurden folgende prognostische Faktoren entwickelt: Faktor 0 Punkte 1 Punkt Alter ≤ 60 Jahre > 60 Jahre Ausdehnung des Primärtumors auf die Serosa nein ja Zeit bis zum Auftreten der Lebermetastasen > 2 Jahre ≤ 2 Jahre < 5 cm ≥ 5 cm 1-3 ≥4 ≥ 1 cm < 1 cm nicht vorhanden vorhanden Größe der größten Metastase Anzahl der Metastasen Sicherheitsabstand bei der Resektion Lymphknotenmetastasen des Primärtumors Die Verteilung der Metastasen auf ein oder zwei Leberlappen oder das Ausmaß der Leberresektion waren nicht mit dem Überleben korreliert. Falls der Sicherheitsabstand für die Resektion der Lebermetastasen präoperativ nicht ausreichend sicher bestimmt werden kann, wird der Patient einer Risikogruppe zugeordnet, ohne diesen Punkt zu berücksichtigen. Hierbei wurden nur ca. 10% der Patienten in eine „falsche“ Gruppe eingeordnet. Bei dem Anteil von ca. 60% der Patienten, bei denen der präoperative CEA-Wert bekannt war, konnte dieser die Faktoren „Alter“ und „Größe der größten Metastase“ ersetzen. Dabei ergab ein CEA <5 ng/ml 0 Punkte, CEA ≥5 und ≤30 1 Punkt und ein CEA-Wert von >30 ng/ml 2 Punkte. Prognosegruppen Nach dem Nordlinger-Score lassen sich drei Prognosegruppen unterscheiden. Risikogruppe Punktzahl 2-Jahres-Überlebensrate Low risk 0-2 Punkte 79% Intermediate risk 3-4 Punkte 60% High risk 5-7 Punkte 43% Der am meisten verwendete Prognosescore ist der FONG-Score (siehe vorangehende Seite) 345 Lebermetastasen Adjuvante Chemotherapie nach Metastasenresektion Obwohl eine Resektion kolorektaler Lebermetastasen das Überleben der betroffenen Patienten erheblich verlängern kann, rezidivieren viele Patienten sowohl intra- als auch extrahepatisch. Nur wenige prospektive Studien haben sich mit dem Stellenwert einer adjuvanten Chemotherapie nach Lebermetastasenresektion beschäftigt. Diese verwendeten ausschließlich 5-FU-haltige Therapien. Eine deutsche Studie, die Capecitabin/Oxaliplatin versus keine Therapie testete (ADHOC, siehe folgende Seiten), wurde wegen schleppender Rekrutierung vor kurzem gestoppt. Metaanalyse von 2 randomisierten Studien (Mitry E. et al., ASCO 2006, Abstract 3524) Zwei Phase-III-Studien (FFCD 9002 und EORTC/NCIC/CTG/GIVIO Trials) mit einem ähnlichen Design wurden wegen schlechter Rekrutierung abgebrochen. Es waren Patienten eingeschlossen, die ein histologisch gesichertes KRK hatten mit einer R0-Resektion des Primärtumors und von weniger als 4 Lungen- oder Lebermetastasen. Es wurde randomisiert zwischen einer adjuvanten 5-FU/Folinsäure-Bolus-Chemotherapie für 6 Zyklen und keiner adjuvanten Therapie. Die Ergebnisse wurden zunächst auf dem ASCO 2006 vorgestellt. Ergebnisse n PFS OS 5-FU/FS 137 27,9 Mon. 62,2 Mon. Kontrolle 137 18,8 Mon. 47,3 Mon. In der Metaanalyse zeigte sich für die adjuvante Chemotherapie eine deutliche Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS), die knapp unter dem Wert für eine statistische Signifikanz (p=0,58) blieb. Das Gesamtüberleben (OS) war nicht signifikant verbessert. Update (Portier G. et al.,J Clin Oncol 2006; 24:476-4982) Aktuell wurde diese Studie als Vollpublikation mit längerem Verlauf vorgestellt (Portier, JCO 2006 s.o.). Es zeigte sich erstmals eine signifikante Verbesserung des 5-Jahres-krankheitsfreien Überlebens durch die 5-FU/Folinsäure-Bolustherapie für die Patienten in der Chemotherapiegruppe (33,5% versus 26,7%). Für das Gesamtüberleben (OS) ergab sich ein Trend zugunsten der Chemotherapiegruppe, der jedoch keine statistische Signifikanz erreichte. (5Jahres-OS 51,1% versus 41,1%). Adjuvante Chemotherapie nach Lebermetastasenresektion: verlängertes krankheitsfreies Überleben, tendenziell längeres Gesamtüberleben. Adjuvante Chemotherapie mit Irinotecan/5-FU/FS versus 5-FU/FS (Ychou M. et al. ASCO 2008 Abstr. LBA4013) Vergleich einer adjuvanten Chemotherapie mit 5-FU/Folinsäure-Infusionsschema + Irinotecan 180 mg/m2 (alle 14 Tage) versus 5-FU/Folinsäure-Infusionsschema nach R0-Resektion von Lebermetastasen. Ergebnisse: Die Zugabe von Irinotecan führte nicht zu einer signifikanten Verlängerung des DFS. Adjuvant regional + systemisch vs. Kontrollarm (Kemeny MM et al., ASCO 1999; Abstract 1012) In einer Studie der ECOG und SWOG wurden 109 Patienten nach hepatischer Metastasenresektion randomisiert, entweder keine weitere Therapie zu erhalten oder eine Adjuvanzbehandlung mit regionaler und systemischer Chemotherapie. Letztendlich wurden jedoch, z.B. wegen Vorhandensein von mehr als 3 Metastasen oder zusätzlichen extrahepatischen Metastasen, nur 45 Patienten im Kontrollarm und 30 Patienten im Chemotherapiearm verglichen. Die Chemotherapiegruppe erhielt vier Zyklen einer hepatischen intraarteriellen Therapie (HAI) mit FUDR und eine systemische Chemotherapie mit 12 Gaben einer HD-5-FU-Dauerinfusionsbehandlung. Ergebnisse: Es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede bzgl. des medianen Überlebens, aber signifikante Unterschiede beim krankheitsfreien Überleben nach 3 Jahren. Hier fand sich für die Chemotherapiegruppe ein Anteil Überlebender von 58% vs. 34% im Kontrollarm. Die Leber war als Rezidivort in der Chemotherapiegruppe mit 8 mal vs. 24 mal Befall im Kontrollarm vertreten. Fazit: Aufgrund der Daten von Portier, die mit einem Regime von eher bescheidener Effektivität und hoher Toxizität erreicht wurden, sollte die Indikation zu einer adjuvanten Therapie nach Lebermetastasenresektion großzügig gestellt und ein Regime analog der adjuvante Chemotherapie im Stadium III gewählt werden. Die NCCNGuidelines empfehlen mit Hinweis auf die limierte Datenlage nach kompletter Resektion von Lebermetastasen eine 4-6-monatige adjuvante Chemotherapie. Aktuelle Studien in den USA untersuchen die Bedeutung der HAI in Kombination mit modernen Chemotherapien. S3-Leitlinie 2008: Nach R0-Resektion synchroner oder metachroner Lebermetastasen kann eine adjuvante Chemotherapie erwogen werden. 346 Lebermetastasen EORTC 40983-Studie, perioperative Chemotherapie Zwischen September 2000 und Juli 2004 war ein Protokoll der EORTC (und mehrerer anderer Gruppen) aktiv, in dem die prä- und postoperative Chemotherapie mit Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure gegenüber einer alleinigen chirurgischen Therapie primär resektabler Lebermetastasen in einer Phase-III-Studie geprüft wurde. Studienkoordination B. Nordlinger, Paris, Tel. 0033/1/49095586 Ein- und Ausschlusskriterien Potentiell resektable Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms ohne erkennbare extrahepatische Tumormanifestation. Patienten mit synchronen Metastasen hatten ihre Primärtumorop. ≥1 Monat vor Randomisation und Pat. mit metachronen Metastasen hatten eine R0-Resektion. Patienten mit synchronen Metastasen, bei denen die Primärtumoroperation und die Metastasenresektion in einer Prozedur durchgeführt werden können und diese um 3-4 Monate verschoben werden kann. Keine vorangegangene Chemotherapie des fortgeschrittenen Stadiums, eine vorangegangene adjuvante Chemotherapie ist erlaubt, sofern sie kein Oxaliplatin enthielt. Adäquate KM-, Nieren- und Leberfunktion. Keine periphere PNP > Grad 1. Chemotherapie: FOLFOX-Schema Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1 Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2 5-FU 400 i.v. Bolus 1, 2 5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2 Wiederholung: Tag 15 Ablauf Die Patienten im Chemotherapiearm erhalten 6 Zyklen prä- und 6 Zyklen postoperative Therapie. Die Chemotherapie wird beendet, falls nach 3 Zyklen eine Progression eintritt oder bei lebensbedrohlicher °IV-Toxizität oder bei wiederholter nicht lebensbedrohlicher °IV-Toxizität trotz adäquater Dosisreduktion. Die Leberresektion sollte 2-5 Wochen nach der letzten Chemotherapieapplikation durchgeführt werden, die postoperative Therapie 2-5 Wochen nach der Resektion beginnen. Die übrigen Patienten erhalten eine alleinige chirurgische Therapie. Zielgröße ist das progressionsfreie Überleben. 347 Lebermetastasen EORTC-Studie 40983, Zwischenergebnisse EORTC-Studie 40983 (B.Nordlinger et al. EORTC, ASCO 2005, Abstract 3528) Diese Studie evaluiert die prä- und postoperative Chemotherapie bei resektablen Lebermetastasen. 364 Patienten mit potentiell resektablen Lebermetastasen wurden randomisiert zwischen prä- sowie postoperativ 6 Zyklen FOLFOX-4 und alleiniger Chirurgie. EORTC-Studie 40983 Neoadjuvante Therapie alleinige Chirurgie Operation durchgeführt 92,5% 96,7% R0-Resektionsrate 96,7% 88,5% Chir. Komplikationen (30 Tage) 24,5% 13,3% Re-Operation 4,5% 2,3% Perioperative Letalität 0,9% 1,6% Transientes Leberversagen 6,4% 1,6% Galleleck 5,5% 1,6% Blutung 2,7% 2,3% Wundinfekt 2,7% 3,1% Intraabdomineller Infekt 4,5% 0,8% Kardiopulmonales Versagen 2,7% 1,6% Die Interimsanalyse zeigt, dass die R0-Resektionsraten im neoadjuvant behandelten Arm höher waren. Chirurgische Komplikationen traten häufiger auf in der neoadjuvant behandelten Gruppe, die perioperative Letalität war jedoch vergleichbar. EORTC-Studie 40983 (Grünberger T. et al, ASCO 2006, Abstract 3500) Auf dem ASCO 2006 wurden weitere Daten vorgestellt. Unter der neoadjuvanten präoperativen Chemotherapie kam es zu einer Verkleinerung der Metastasen radiologisch von 35 auf 25 mm im Median. FOLFOX / OP / FOLFOX n = 182 OP n = 182 Operation durchgeführt 158 (87%) 167 (92%) Reseziert 151 (83%) 149 (82%) 25 mm 34,5 mm 1 (0,7%) 2 (1,3%) Perioperative Komplikationen 30 (21,1%) 15 (9,7%) Intraabdominelle Infektionen 8 (5,6%) 2 (1,3%) Pulmonale Komplikationen 7 (4,9%) 0 (0%) Gallefistel 6 (4,2%) 2 (1,3%) Reoperation 5 (3,5%) 3 (1,9%) EORTC 40983 Größte Läsion (Pathologie) Klinik Postoperative Letalität 348 Lebermetastasen Perioperative Chemotherapie, EORTC-Studie, Ergebnisse Die EORTC-Studie 40983 evaluierte die Wertigkeit einer prä- und postoperativen Chemotherapie mit FOLFOX-4 (jeweils 6 Gaben = 3 Monate) bei Patienten mit resektablen Lebermetastasen eines KRK gegenüber einer alleinigen Operation. Die ersten Sicherheits- und Remissionsdaten wurden bereits 2005 und 2006 vorgestellt (siehe vorangehende Seiten). Primärer Endpunkt war eine Verbesserung des PFS um 40% durch die perioperative Therapie im Vergleich zur alleinigen Operation. Die Ergebnisse zur Effektivität wurden auf dem ASCO 2007 in der Plenary Session präsentiert. Ergebnisse (Nordlinger B. et al., ASCO 2007, Abstract LBA5 und Lancet 2008;371:963-5) 364 Patienten wurden im Rahmen der Studie behandelt. Die meisten Patienten hatten 1-3 Metastasen und die Metastasen traten weniger als 2 Jahre seit der Primäroperation auf. In jedem Arm kamen jeweils 11 der 182 Patienten wegen fortgeschrittenem Stadium für eine weitere Behandlung in der Studie nicht in Frage. 78% der Patienten erhielten alle 6 präoperativen Chemotherapiezyklen. Die Ansprechrate auf die neoadjuvante Therapie war 44%, 6,6% der Patienten waren progredient unter der Therapie. 87% der Patienten im Chemotherapiearm und 93% der Patienten im alleinigen Chirurgiearm wurden operiert, jeweils 83% wurden reseziert. Nur 63% der randomisierten Patienten erhielten die postoperative Chemotherapie. Die perioperative Chemotherapie verbesserte das 3-Jahres-progressionsfreie Überleben (PFS) in der intent to treat Analyse aller Patienten von 28,1% auf 35,4%. Diese Verbesserung war überraschenderweise statistisch nicht signifikant und verfehlte das Studienziel. Bei den tatsächlich resezierten Patienten (n=303) war die Verbesserung des PFS deutlich (33,2 versus 42,4%) und erreichte Signifikanz. Schlussfolgerung der Autoren: Die Perioperative Chemotherapie mit FOLFOX4 verbessert das progressionsfreie Überleben gegenüber der alleinigen Chirurgie bei Patienten, deren Metastasen reseziert wurden. Der Benefit war etwas verwässert, weil auch Patienten mit einbezogen wurden, die aufgrund der Bildgebung resektabel erschienen, aber nicht reseziert werden konnten. Anmerkung: Die Resultate dieser Studie werden kontrovers diskutiert. Insgesamt sind die Ergebnisse für die neoadjuvante Chemotherapie eher etwas enttäuschend. Die primäre Resektion ist nach wie vor eine gute Option für resektable Metastasen (nur wenn Fong-Score ≤ 2). Die durch die Chemotherapie induzierte Schädigung des gesunden Lebergewebes muss berücksichtigt werden. Es gibt bisher keinen Vergleich zwischen einer neoadjuvanten und einer adjuvanten Chemotherapie bei resektablen Lebermetastasen. In Frankreich und in anderen Ländern wird die perioperative Therapie bei resektablen Lebermetastasen trotz der nicht überzeugenden Ergebnisse als Standard angesehen. So vergleicht die neue EORTC-Studie 40051 (Bos) zwei perioperative Therapiearme, nämlich FOLFOX + Bevacizumab + Cetuximab versus FOLFOX + Cetuximab. 349 Lebermetastasen Neoadjuvante Chemotherapie, nicht resektable Metastasen Nur bei 10-15% der Patienten mit Lebermetastasen ist die primäre operative Entfernung der Metastasen möglich. Eine Metastasenresektion ist die einzige Chance auf Kuration. Durch die Einführung neuer Substanzen können hohe Remissionsraten erzielt werden, die zu einer Resektabilität von primär nicht resezierbaren Lebermetastasen führen. Schon 1974 zeigten Wilson SM und Adson MA in einer Studie, dass Patienten, deren Lebermetastasen entfernt wurden, eine 5-Jahres-Überlensrate von 25% hatten, wogegen die nicht operierten Patienten alle verstorben waren. Überlebenswahrscheinlichkeit bei metastasiertem KRK ohne Operation und nach Resektion von Lebermetastasen (S.M. Wilson, M.A.Adson, Arch. Surg.,1974) Giacchetti-Studie (Ann Oncol 1999; 10:663-9) Giacchetti, Villejuif in Frankreich, untersuchte in einer retrospektiven Studie den klinischen Nutzen einer chronomodulierten Chemotherapie mit Oxaliplatin, 5-FU und Folinsäure. Es wurden die Daten von 151 Patienten mit nicht resektablen Lebermetastasen bei CRC erhoben. • Die Größe der Lebermetastasen reduzierte sich unter der Therapie bei 89 Patienten (59%) um mehr als 50%. • Das mediane Gesamtüberleben betrug 24 Monate, wobei insgesamt 28% nach 5 Jahren noch am Leben waren. • Eine kurative chirurgische Resektion wurde bei 77 Patienten (51%) versucht, eine komplette makroskopische Resektion der Lebermetastasen gelang bei 58 Pat. (38%), bei 48 waren die Ränder mikroskopisch tumorfrei. • Das mediane Überleben der 77 operierten Patienten war 48 Monate (25-71) bei einer 5-Jahres-Überlebensrate von 50%. Nach 7 Jahren lebten noch 30%. • Das Intervall zwischen Chemotherapie-Beginn und Operation betrug im Mittel 5,5 Monate (zwischen 3 und 21). Es gab keine intraoperative oder postoperative Mortalität innerhalb von 2 Monaten nach dem Eingriff. Auch mit primär nicht resektablen Lebermetastasen ergibt sich bei einem Downstaging durch die Chemotherapie eine Abhängigkeit der Überlebenswahrscheinlichkeit von der Chance auf ein Langzeitüberleben. chirurgischen Resektabilität (n =151 Patienten) 5-Jahres-OS nach Leberresektion primär nicht resektabler Metastasen Zwischen 1988 und 1996 erhielten 701 Patienten mit nicht resektablen Lebermetastasen eine neoadjuvante Chemotherapie (Paul-BrousseHospital, Villejuif, Frankreich). 95 Patienten (13,5%) konnten sekundär reseziert werden. 87 Patienten konnten 5 Jahre nachbeobachtet werden. Das 5-Jahres-Überleben (5-J-OS) nach Resektion betrug 39%. Resektion nicht resektabler Lebermetastasen nach neoadjuvanter Chemotherapie: 5-J-OS der Patienten mit 5-Jahre-Follow-up (Adam R. et al., Ann Surg Oncol 2001;8:347-353) Initial irresektable Lebermetastasen, Heilung ? (Adam R et al. ASCO 2008 Abstract 4023) Einschluss aller Patienten mit initial irresektablen Lebermetastasen, die einer Metastasenresektion unterzogen wurden und ein Follow-up von minimal 5 Jahren aufwiesen. Ergebnisse: 184 Patienten, die zwischen 1988 und 2002 reseziert wurden, hatten ein Durchschnittsalter von 56,9 Jahren. Die durchschnittliche Zahl an Lebermetastasen betrug 5,3. 27% hatten eine extrahepatische Metastasierung. Eine chirurgische Resektion war bei 74% der Patienten nach einer First-line Chemotherapie, bei 26% nach weiteren Chemotherapien möglich. Das 5- und 10 Jahres-Überleben betrug 33% und 27%. Von 148 Patienten mit einem Follow up mehr als 5 Jahre wurden 24 (entsprechend 16%) als geheilt betrachtet. 12 geheilte Patienten hatten ein DFS über 10 Jahre. Die multivariate Analyse identifizierte als unabhängige Prädiktoren einer Heilung: Maximale Metastasengrösse < 30 mm bei Diagnose, Zahl der Metastasen bei der Resektion <3, komplette pathologische Response auf die Chemotherapie. 350 Lebermetastasen Neoadjuvante Chemotherapie, Therapiestudien Zunehmend wird auch in den palliativen first-line-Studien die sekundäre Resektionsrate als eigenständiger Endpunkt verwendet. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass Patienten mit einer sekundären Resektion eine Chance auf Kuration besitzen. In einer Metaanalyse von Studien zur Chemotherapie bei metastasiertem CRC konnte Folprecht (Ann Oncol 2005;16:1311-1319) zeigen, dass eine Korrelation besteht zwischen dem Ansprechen der Chemotherapie und der Möglichkeit, sekundär Lebermetastasen zu resezieren. Letztendlich ist nicht geklärt, welches Regime am besten geeignet ist, eine sekundäre Resektabilität zu erzielen, wobei auch die Hepatotoxizität der Behandlung zu berücksichtigen ist. Korrelation zwischen Response- und Resektionsrate Therapiestudien Auf dem ASCO 2007 wurden mehrere Studien vorgestellt, die die sekundäre Resektionsrate zum Endpunkt hatten. Für die Kombination FOLFOXIRI versus FOLFIRI konnten Falcone et al. (Abstract 4026) ihre Daten von 2006 mit einer Verbesserung der sekundären Resektionsrate für alle Patienten von 6% auf 15% bestätigen bei sehr hohen Ansprechraten von 60%. Für Patienten mit Metastasen ausschließlich in der Leber war eine Verbesserung der sekundären Resektionsrate sogar von 12 % auf 36% möglich. Im Rahmen der Crystal-Studie (van Cutsem E. et al., ASCO 2007, Abstr. 4000) wurde eine Verbesserung der Resektionsrate von 2,8 auf 4,3% durch die Hinzugabe von Cetuximab zu Irinotecan/5FU/Folinsäure erreicht. Watkins DJ et al. teilten die Patienten in 3 Gruppen ein: nicht resektable, potentiell resektable und primär resektable Leberfiliae. Alle Patienten erhielten eine mittlere Anzahl von 8 Zyklen CapOx. Es zeigte sich eine sekundäre Resektionsrate von 5% für Patienten mit initial nicht resektablen Metastasen und von 48% für potentiell resektable Patienten. Für resektable Patienten konnte nur eine Rate von 59% errechnet werden. Durch diese Daten wird die große Variationsbreite der potentiell heilbaren Patienten demonstriert. Bevacizumab in Kombination mit FOLFOX, FOLFIRI oder CapOx führte zu einer sekundären Resektionsrate von 4% (Kretschmar A. et al., GI- ASCO 2007, Abstr. 343). Durch die zusätzliche Gabe von Cetuximab zu Irinotecan, Oxaliplatin oder OxIri nach Therapieversagen auf mindestens 2 Vortherapien konnte in einer Studie von Aloia T. et al. (ASCO 2007, Abstr. 4061) eine sekundäre Resektionsrate von 17% erreicht werden. 351 Lebermetastasen Neoadjuvante Chemotherapie, nicht resektable Metastasen First-BEAT Studie, Resektion von Lebermetastasen (Michael M. et al. ASCO 2006, Abstract 3523) Die First-BEAT Studie wurde im Juni 2004 gestartet, um die Sicherheit von Bevacizumab zu Leber 40 evaluieren. Sie schloss 1927 Lunge 2 Patienten aus 41 Ländern Peritoneal 1 weltweit ein, die Bevacizumab 5 Paraaortale Lymphknoten 1 mg/kg q2w oder 7,5 mg/m2 q3w Keine residuelle Erkrankung 25 in Kombination FOLFOX, Residuen 9 FOLFIRI, CAPOX oder Xeloda Unbekannt/sonstige 10 erhielten. Im Rahmen dieser Mediane Zeit Beginn Bevacizumab bis Resektion (Tage) 183 Studie wurden auch Patienten Mediane Zeit Ende Bevacizumab bis Resektion (Tage) 67 mit Resektionen evaluiert. Kriterien für die initiale Irresektabilität waren nicht definiert und basierten auf der Einschätzung des behandelnden Arztes. Ergebnisse: 44 Patienten wurden sekundär reseziert, davon 40 im Bereich der Leber. Bei 29 Patienten wurden keine Komplikationen gesehen, insbesondere keine Wundheilungsstörungen oder Nachblutungen. Bei 3 Patienten wurden nicht operationsbezogene Komplikationen als möglicherweise Bevacizumab-assoziiert gewertet: je eine Magen-perforation, Insgesamt Bevacizumabein Myo-kardinfarkt sowie eine Komplikationen n = 43 bedingt ? Portalvenenthrombose. Die Zeit Keine 29 zwischen der letzten Unbekannt 1 Bevacizumabgabe und der Postoperative Blutungen 0 Metastasektomie betrug 6-8 Wochen. Wundheilungsstörungen 0 Die Effektivitätsdaten stehen noch Infektionen der OP-Wunde 5 Nein aus. Die Autoren kommen zu dem Magenperforation 1 Möglich Schluss, dass eine Metastasektomie Portalvenenthrombose 1 Möglich sicher ist nach einer 6 wöchigen Bevacizumab-Pause. Myokardinfarkt 1 Möglich Resektionen nach Bevacizumab First-BEAT, Ergebnisse 2008 Pat. insgesamt n = 44 ( Cassidy J. et al. ASCO 2008, Abstract 4022) Die R0-Resektionsrate betrug insgesamt 9,0% (173 Patienten). War die Leber das einzige von Metastasen betroffene Organ, konnten 15,2% der Patienten (107 von 704 Pat.) mit kurativer Absicht operiert werden. Die R0-Resektionsrate lag in diesem Fall bei 12,1% (85 Pat.). Ernste Wundheilungsstörungen wurden nur bei 1,3% der operierten Patienten beobachtet, ernste Blutungen nur bei 0,4%. Das 2-Jahres-Überleben der Patienten, bei denen die Lebermetastasen R0-reseziert werden konnten betrug 89% -gegenüber 47%, wenn nicht R0 reseziert werden konnte. N0 16966-Studie, Resektion von Lebermetastasen ( Cassidy J. et al. ASCO 2008, Abstract 4022) In dieser Studie erhielten 1401 Patienten mit metastasiertem KRK die Chemotherapie FOLFOX oder XELOX und randomisiert zusätzlich Bevacizumab oder Placebo. Das Erzielen von Resektabilität war dabei kein Studienziel – eine geplante grössere Operation stellte vielmehr ein Ausschlusskriterium dar. Dennoch konnten 59 Patienten im Bevacizumab-Arm und 43 Patienten im Placebo-Arm mit kurativer Absicht operiert werden. Ergebnisse: Die R0-Resektionsrate betrug im Bevacizumab-Arm 6,3% (44 von 699 Patienten) versus 4,9% (34 von 701 Patienten) im Placebo-Arm. Bei den Patienten, bei denen die Leber das einzige von Metastasen befallene Organ war, betrug die R0Resektionsrate im Bevacizumab-Arm 12,3% (26 von 211 Patienten) versus 11,6% (24 von 207 Patienten) im Vergleichsarm. Das 2 Jahres-Überleben bei ausschließlichem Leberbefall betrug für Bevacizumab 92,3% versus 79,0% im Placebo-Arm. Wenn keine R0-Resektion erfolgen konnte, betrug das 2-Jahres-Überleben 45,1% für Bevacizumab versus 41,5% für Placebo. 352 Lebermetastasen Neoadjuvante Chemotherapie, Studienergebnisse, Bevacizumab Neoadjuvante Chemotherapie mit Bevacizumab/XELOX bei nicht optimal resezierbaren Lebermetastasen (Gruenberger B. et al. J Clin Oncol 2008; 26:1830-5) Insgesamt 56 Patienten mit potentiell resektablen Lebermtetastasen, aber hohem Risiko eines Frührezidivs., das definiert war mit einem Fong-Score ≥ 1, wurden in diese unizentrische Phase-II-Studie eingeschlossen. Die Patienten erhielten eine Kombination aus Bevacizumab 14-tägig plus XELOX für 6 Zyklen (12 Wochen), wobei im 6. Zyklus das Bevacizumab weggelassen wurde, sodass zwischen der letzten Bevacizumab-Gabe und der Operation 5 Wochen lagen. Ergebnisse: Die Ansprechrate betrug insgesamt 73,2 % (41 Patienten) mit einer pathologischen CR von 8,9% (entsprechend 5 Patienten). Nur 5,4% der Patienten (3 Pat.) waren unter der neoadjuvanten Chemotherapie progredient. Insgesamt 52 Patienten wurden reseziert. Es kam zu keinen vermehrten intraoperativen Blutungen oder Wundheilungsstörungen, und nur 3 Patienten (6%) benötigten perioperativ Bluttransfusionen. Eine erneute chirurgische Intervention war nur bei einem Patienten erforderlich. Die postoperative Leberfunktion und Regeneration war normal, bis auf einen Patienten, der an einer prolongierten Leberfunktionsstörung aufgrund einer Steatohepatitis litt. Es kam zu keiner postoperativen Mortalität, die postoperative Morbidität betrug 20%. Die mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer betrug 9 Tage. Komplikationen nach Leberresektion Komplikationen n % Keine Komplikationen 42 79 Komplikationen gesamt 11 21 Anastomoseninsuffizienz 1 2 Galleleck 1 2 Hyperbilirubinämie 2 4 Sepsis mit positiver Blutkultur 2 4 Sepsis mit intermittierender Niereninsuffizienz 1 2 Dünndarmperforation mit Reoperation 1 2 Harnwegsinfekt 1 2 Wundhämatom 1 2 Wundinfektion 1 2 Eingeschlossene Patienten n = 56 Ansprechen n % pCR (komplette pathol. Response) 5 8,9 Partielle Remission 36 64,3 Stabile Erkrankung 12 21,4 Krankheitskontrolle (CR+PR+SD) 53 94,6 Progrediente Erkrankung 3 5,4 Fazit: Bevacizumab kann bis 5 Wochen vor Leberresektion sicher appliziert werden, ohne dass es zu schwerwiegenden Wundheilungsstörungen und Blutungen kommt. Bevacizumab beeinträchtigt nicht die Leberregeneration. Die hohe Effektivität der Therapie in dieser Studie mag auch dadurch bedingt sein, dass Patienten nur mit Lebermetastasen (und keine sonstigen) eingeschlossen wurden und alle Patienten einen guten Performance Status hatten. Eine eventuelle Wiederaufnahme von Bevacizumab wird frühestens 28 Tagen nach grösseren chirurgischen Eingriffen empfohlen, vorausgesetzt die Wundheilung ist komplett abgeschlossen. 353 Lebermetastasen Neoadjuvante Chemotherapie, CELIM-Studie Studientitel Cetuximab zur neoadjuvanten Therapie von Patienten mit inoperablen Lebermetastasen kolorektaler Karzinome. Randomisierte multizentrische Phase-II-Studie. Studienziel Primäres Studienziel ist das Tumoransprechen nach RECIST-Kriterien. Sekundäre Ziele sind die Rate der Leberresektionen (R0), das progressionsfreie Überleben, das krankheitsfreie Überleben nach Resektion, die Sicherheit der Therapie und die Evaluation von molekularen prädiktiven Markern für Response und Toxizität. Studienleitung Prof. Dr. Claus-Henning Köhne, Klinik für Hämatologie und Onkologie, Oldenburg Koordination: PD Dr. J. T. Hartmann, Abt.2, Medizinische Klinik, E-mail: [email protected] Dr. C. Burkart, Zentrum für Gastroint. Onkologie, E-mail: [email protected] Zentrum für Gastrointestinale Onkologie, Universitätskl. Tübingen, Otfried-Müller-Str. 10, D-72076 Tübingen Tel.: 07071-29-82121 oder -82122, Fax: 07071-29-5357, E-Mail: [email protected] Studiendesign Cetuximab + FOLFOX (Arm A) R EGFR-exprimierende Lebermetastase Cetuximab + FOLFIRI (Arm B) nicht EGFR-exprimierende Lebermetastase FOLFOX (Arm C) Einschlusskriterien Nicht resektable (≥ 5 Metast. oder technisch nicht resektabel), histologisch bestätigte, synchrone (wenn Primärtumor mind. 1 Monat vor Beginn der Chemotherapie reseziert wurde) oder metachrone kolorektale Lebermetastasen Alter > 18 Jahre, Karnofsky-Index > 80% Adäquate Organfunktion (Neutr > 1,5/nl; Thromb > 100/nl; Hb > 8 g/dl; Bilirubin < 1,5 x obere Norm und Anstieg ≤ 25% innerhalb der letzten 4 Wochen; ALAT und ASAT < 5 x obere Norm; Kreatinin < 1,5 x obere Norm) Ausschlusskriterien Extrahepatische Metastasen, Lymphknotenmetastasen oder Rezidiv des Primärtumors Vorangegangene Chemotherapie (außer adjuvant vor ≥ 6 Monaten) oder Therapie gegen den EGF-Rezeptor Therapiedurchführung Arm C entspricht Arm A ohne Cetuximab. Ab 6. Zyklus 5-FU 3000 mg/m2, wenn keine Toxizität ≥ CTC 2. Erst nach 8 Zyklen, dann alle 4 Zyklen Überprüfung der Resektabilität. Nach Resektion adjuvant 6 weitere Zyklen. FOLFOX + Cetuximab (Arm A) Substanz Cetuximab-Erstgabe Cetuximab Oxaliplatin Folinsäure 5-FU 5-FU Wiederholung Tag 15 2 Dosis [mg/m /d] 400 250 100 400 400 2400 (- 3000) Applikationsform 2-Std.-Infusion 1-Std.-Infusion 2-Std.-Infusion 2-Std.-Infusion Bolus 46-Std.-Infusion FOLFIRI + CETUXIMAB (ARM B) Substanz Dosis [mg/m2/d] Cetuximab-Erstgabe 400 Cetuximab 250 Irinotecan 180 Folinsäure 400 5-FU 400 5-FU 2400 (- 3000) Applikationsform 2-Std.-Infusion 1-Std.-Infusion 2-Std.-Infusion 2-Std.-Infusion Bolus 46-Std.-Infusion Therapietage 1 (1), 8 1 1 1 1 Wiederholung Tag 15 Therapietage 1 (1), 8 1 1 1 1 Zwischenergebnisse (Folprecht G. et al. ESMO 2008, Abstract 510) 56 Patienten erhielten FOLFOX-Cetuximab und 55 Patienten FOLFIRI-Cetuximab. Bei der Interimsanalyse im März 2008 waren 81 Patienten auswertbar. Der Kras-Status war bei 86 Patienten vorhanden. 79% der Patienten mit Kras Wildtyp zeigten ein Ansprechen mit Tumorverkleinerung, sodass eine Resektion bei 43% dieser Patienten möglich war mit einer R0-Resektion bei 34%. Somit zeigt die Interimsanalyse eine hohe Aktivität der Chemotherapie sowie eine ermutigende Rate von Leberresektionen 354 Lebermetastasen Bildgebung Häufig besteht das Problem einer inadäquaten präoperativen Diagnostik bei kolorektalen Lebermetastasen. In einer Arbeit von Elias et al (Ann Surg Oncol 2005) bei 506 Patienten zwischen 1985 -2003 zeigten sich bei der Laparotomie im Vergleich zur präoperativen Diagnostik, die in der Regel in Form eines CT stattfand, bei 41,3% der Patienten unerwartete Metastasen. Zum einen fanden sich zusätzliche Lebermetastasen in 30% und extrahepatische Metastasen in16,3%. Intraoperativer Ultraschall (IOUS) (Bhattacharjya S. et al., Br J Surg 2004) Sens. 73 % 87 % 81 % 95 % CT CT-AP NMR IOUS Spez. 96 % 89 % 93 % 100 % Nach dieser Arbeit ist der intraoperative Ultraschall am sensitivs.ten zur Quantifizierung von Lebermetastasen. FDG-PET (Joyce DL et al., Arch Surg 2006;141:1220-26) Bei 71 Patienten wurde zwischen 2000-2002 die Rolle des FDG-PET in der präoperativen Diagnostik bei Lebermetastasen prospektiv evaluiert. Die Standard-Diagnostik bestand in CT-Abdomen/Becken/Thorax und NMR. Im FDG-PET zeigten sich bei 23 Patienten ( = 32%) neue Befunde, davon 57% extraabdominell, 22% intraabdominell extrahepatisch und 17% intrahepatisch. Aufgrund des PET-Befundes änderte sich die Therapiestrategie bei 24% aller Patienten. Zu berücksichtigen sind allerdings 2-5% falsch positive PET-Befunde und 10-15% falsch negative PET-Befunde. Bildgebung nach neoadjuvanter Chemotherapie (Nordlinger B. et al. ASCO 2006, Abstract 3501) Zwischen 1998 und 2004 wurden 586 Patienten wegen kolorektaler Lebermetastasen (LM) in einer Institution chemotherapiert. 38 Patienten mit den folgenden Kriterien wurden in die Studie aufgenommen: weniger als 10 Lebermetastasen vor der Chemotherapie, Verschwinden von einer oder mehrerer Lebermetastasen im Spiral-CT und in der Sonographie nach Chemotherapie, Operation mit Untersuchung der Leber sowie intraoperativem Ultraschall innerhalb von 4 Wochen nach Bildgebung, 66 LM mit kompletter Response im CT nach Chemotherapie keine extrahepatischen Metastasen, Followup mindestens ein Jahr postoperativ. Ergebnisse: 66 Lebermetastasen (LM) Chirurgie: verschwanden in der Bildgebung nach Makroskopisch Tumor: 20 LM Chemotherapie (38 Patienten). Bei 9 Keine Läsion: 46 LM Patienten fand sich bei der Operation makroskopisch Tumorgewebe an insgesamt 15 Lokalisationen reseziert 31 Lokalisationen nicht reseziert 20 Lokalisationen (der initial 66 Metastasen). Persistierende makroskopische oder mikroskopische Residualerkrankung Vitale Tumorzellen: 12 In situ Rezidiv: 23 oder ein frühes Lokalrezidiv wurden bei 55 von 66 Lebermetastasen beobachtet, die radiologisch eine komplette Response (CR) 55/66 (83%) der Metastasen waren nicht „geheilt“ gezeigt hatten (32 von 38 Patienten). Fazit Eine radiologische CR nach neoadjuvanter Chemotherapie ist ein nützliches Instrument, den Effekt der Chemotherapie zu evaluieren, aber sie bedeutet keine Heilung für die meisten Patienten. Vorschlag der Autoren Resektable Lebermetastasen sollten vor dem kompletten Verschwinden reseziert werden und die ehemalige Lokalisation sollte reseziert werden sofern dies möglich ist. Fazit: Präoperative Bildgebung bei potentiell resektablen kolorektalen Lebermetastasen 3-Phasen-CT-der Leber (alternativ: NMR mit KM), CT-Abdomen/Becken/Thorax FDG-PET zumindest bei Hochrisiko-Patienten (FONG-Score > 2) sinnvoll Intraoperativer Ultraschall obligat 355 Lebermetastasen Chemotherapie-assoziierte Hepatotoxizität Durch deutlich verbesserte Remissionsraten bei Anwendung moderner Kombinationschemotherapien vor allem mit Oxaliplatin und Irinotecan und neuerdings auch Biologicals wird ein Teil der primär irresektablen Leberfiliae resektabel. Auch primär kurativ operable Lebermetastasen werden bei schlechten Prognoseparametern perioperativ mit einer Chemotherapie behandelt. Insbesondere bei Patienten mit Lebervorschädigung können chemotherapeutische Substanzen zu schweren Leberveränderungen führen. Grundsätzlich können alle Zellen der Leber-Hepatozyten, Cholangiozyten und Sinusendothelzellen durch die Medikamente geschädigt werden. Cholangiozyten gelten als relativ widerstandsfähig, sodass Schäden primär an Hepatozyten und Gefäßendothelien sichtbar werden. Die Veränderungen reichen von reinen Fetteinlagerungen in hepazozyten bis hin zur Fettleberhepatitis mit Fibrose begleitet von Gefässwandschäden und parenchymatösen Blutungen. (Tannapfel A, Reinacher-Schick A., Z Gastroenterol 2008;46:435-440) Zielzellen der Lebertoxizität CASH = Chemotherapieassoziierte Steatohepatitis CASH – Steatosis, Entzündung In Analogie zur nicht alkoholischen Steatohepatitis (NASH) wird der Begriff „CASH“ empfohlen. Die Fetteinlagerung einer Leberzelle ist grundsätzlich reversibel. Ein Hepatozyt mit einer Leberzellverfettung befindet sich jedoch in einem „Zellstress“, sodass eine weitere Schädigung zu Entzündung und Nekrose oder Apoptose führen kann. Der Topoisomerasehemmer Irinotecan gilt als Auslöser der CASH in einer vorher ungeschädigten Leber. Da Irinotecan meist mit 5-FU, das ebenfalls zu einer (reversiblen) Leberzellverfettung führen kann, in der Therapie des KRK häufig kombiniert wird, können sich hepatotoxische Wirkungen addieren. SOS = Sinusoidales Obstruktionssyndrom Die früher als „Veno-occlusive disease (VOD)“ bezeichnete Erkrankung, bei der die Sinusendothelzellen durch oxidativenress geschädigt werden, wird heute als sinusoidales Obstruktionssyndrom (SOS) bezeichnet und ist mit einer signifikanten Morbidität nach Leberresektion assoziiiert. Durch die Zellschädigung der die Gefässe auskleidenden Sinuswandzellen kommt es zu Entzündung, Fibrose und lokaler Thrombose mit embolischem Verschluss nachgeschalteter kleinerer und grösserer Gefässe. Makroskopisch imponiert diese Leber als blutreich und livide verfärbt ( sogenannte „blue liver“) und ist brüchig. Insbesondere platinhaltige Substanzen wie Oxaliplatin führen zu Veränderungen der intrahepatischen Mikrozirkulation und damit zum Sinusoidales Obstruktionssyndrom – SOS. Die Beziehung von Leberzellverfettung und SOS ist aufgrund der VOD-ähnlich bisher bekannten Daten nicht klar. Denkbar ist ein additiver Effekt insbesondere bei Kombinationstherapie mehrerer Substanzen. Eine Vorschädigung der Leber hat sicher einen potenzierenden Effekt. Bei Patienten mit Risikofaktoren für die Entwicklung einer Fettleber sollte eine besondere Überwachung der Leberfunktion vor Leberresektion erfolgen. Chemotherapiezyklen und Morbidität (Karoui M, Nordlinger B, Ann Surg 2006) In dieser unizentrischen Studie wurde bei 67 Patienten mit einer „major“ Leberresektion bei KRK die Zahl der präoperativen Chemotherapiezyklen mit der postoperativen Morbidität korreliert. Ergebnis: Bei mehr als 6 präoperativen Chemotherapiezyklen steigt die Morbidität steil an. Sie korreliert mit der Zahl der Chemotherapiezyklen jedoch nicht mit der Art der Chemotherapie. Allerdings gab es keine postoperative Mortalität. 356 Chemotherapiezyklen und Morbidität Lebermetastasen Chemotherapie-assoziierte Hepatotoxizität, Therapiestudien Neoadjuvante Chemotherapie und perioperative Mortalität (Vauthey J. et al.J Clin Oncol 2006; 24: 2065-72) Eine präoperative Chemotherapie kann regimespezifische histopathologische Leberveränderungen induzieren. Bei 406 Patienten wurden zwischen 1992 und 2005 Lebermetastasen reseziert. Die pathologischen Leberveränderungen sowie die perioperative Morbidität wurden analysiert Ergebnisse: Nach neoadjuvanter Chemotherapie mit Oxaliplatin/5-FU kommt es zu einer höheren Rate an sinusoidaler Obstruktion (Bild der blauen Leber), die die postoperative Mortalität aber nicht beeinflusst. Keiner der 22 Patienten (5,4%) mit sinusoidaler Obstruktion verstarb. 34 Patienten (8,4%) hatten eine Steatohepatitis Eine Irinotecankombination führte zu einem erhöhten Steatohepatitisrisiko. 6 Patienten, die starben, hatten eine höhergradige Steatose oder Steatohepatitis. Patienten mit Steatophepatitis hatten eine erhöhte 90-TageMortalität im Vergleich zu Patienten ohne Steatohepatitis ( 14,7% versus 1,6%). Schlussfolgerung der Autoren: Das Chemotherapieregime sollte mit Vorsicht überdacht werden, da das Risiko der Hepatotoxizität signifikant ist. Oxaliplatin und Sinusoidale Dilatation (Nakano H et al., Ann Surg 2008; 247:118-124) Zwischen 2003 und 2005 wurde bei 90 Patienten mit Lebermetastasen , die sich einer elektiven Leberresektion nach präoperativer Chemotherapie unterzogen, das Ausmass der sinusoidalen Schädigung und die perioperative Morbidität evaluiert. Ergebnisse: Eine oxaliplatinbasierte Chemotherapie war assoziiert mit einer signifikant höheren Inzidenz einer Sinusoidalen Dilatation. Patienten mit sinusodaler Dilatation hatten eine signifikant erhöhte Morbidität (40 vs. 6%, p = 0,026), einen verlängerten Krankenhausaufenthalt (17 vs. 11 Tage) und eine erhöhte Rate an Reoperationen. Die multivarate Analyse zeigte als Risikofaktoren für eine sinusoidale Dilatation: weibliches Geschlecht, mehr als 6 Zyklen oxaliplatinhaltige Therapie, Transaminasenerhöhung und eine eingeschränkte Leberfunktion (ICG-R15 > 10% = indocyanine green retention rate). Bevacizumab als protektive Substanzen gegen SOS ? Die histologischen Veränderungen nach neoadjuvanter Therapie mit Biologicals und anschließender Leberresektion sind bisher nicht untersucht. In einer retrospektive Analyse von Ribero et al. (Cancer wurde das Ausmass des sinusoidalen 2007) Obstruktionssyndroms (SOS) nach einer oxaliplatin/5-FUTherapie mit Bevacizumab ( n = 62) und ohne Bevacizumab (n = 43) verglichen. Es zeigte sich eine signifikante Reduktion insbesondere der höheren Schweregrade des SOS in der Patientengruppe, die Oxaliplatin und Bevacizumab erhielt, sodass ein protektiver Effekt von Bevacizumab im Hinblick auf ein SOS vermutet wird. Auch die Wiener Gruppe um Grünberger (Klinger M. et al. ASCO 2008, Abstract 4082) hat den Effekt von Bevacizumab auf die Lebertoxizität bei oxaliplatinbasierter Chemotherapie untersucht. Es wurden insgesamt 99 Patienten evaluiert, die entweder 6 Zyklen XELOX mit Bevacizumab (im letzten Zyklus präoperativ kein Bevacizumab) oder nur 6 Zyklen XELOX oder FOLFOX 4 erhielten und anschließend leberreseziert wurden. Ergebnisse: Es fand sich kein Unterschied in der Ausprägung der Steatohepatitis zwischen beiden Gruppen. Die Inzidenz einer sinusoidalen Dilatation Grad 2 und 3 war jedoch signifikant höher bei den Patienten ohne Bevacizumab. Fazit: Die Autoren schließen, dass die Zugabe von Bevacizumab zu XELOX/FOLFOX4 einen protektiven Effekt gegen die sinusoidale Schädigung hat. Der potentielle Wirkmechanismus beruht auf der generellen Gefässprotektion durch die VEGF-Blockade. 357 Loko-regionale Therapieverfahren Radiofrequenzablation Seit einigen Jahren etablieren sich mehrere Modalitäten in der lokalen nicht-chirurgischen Therapie von Lebermetastasen kolorektaler Karzinome. Diese Therapieformen werden vor allem von interventionellen Radiologen durchgeführt und erforscht, da sie auf einer CT-gesteuerten Punktion der Metastasen und verschiedenen Methoden der Herbeiführung einer Nekrose beruhen. Die Methoden basieren auf den Erfahrungen mit primären Leberzellkarzinomen (siehe auch dort). Klinik für Radiologie der RWTH Aachen Dort werden die u.g. Methoden bis auf die Laserablation durchgeführt. Ansprechpartner: PD Dr A. Mahnken, Klinik für Radiologische Diagnostik, Pauwelsstr. 30, 52057 Aachen, Tel: 0241-800, Fax: 0241-8082480, e-mail: [email protected] Indikation Lebermetastasen bis zu einer Größe von 5 cm, bei denen eine technische oder durch Komorbidität bedingte Inoperabilität besteht, oder bei Therapieversagen nach Chemotherapie. Metastasen bis 3 cm können vollständig beseitigt, über 3 cm palliativ abladiert werden. Bei größeren Läsionen wird mit mehreren Sonden vorgegangen. Es darf keine diffuse Metastasierung bestehen, die Anzahl der Metastasen darf 5 nicht überschreiten. Methoden Äthanolinstillation „Hitzeverkochung“= Radiofrequenzablation Kryo-Ablation 20-22 G Nadeln, Applikation von 3-10 ml 95% Alkohol Laserablation Neodyn-YAG (1064 nm Wellenlänge) mit gekühltem Applikator Monopolare Elektroden 30-50 W mit gekühlten Applikatoren 2-3mm Sonden, Argon unter 300bar mit –150°C Die Äthanolinstillation erfordert den geringsten technischen Aufwand, hierbei ist die Verteilung des Alkohols jedoch nicht exakt vorhersehbar. Außerdem kann die Behandlung sehr schmerzhaft sein und macht u.U. eine Allgemeinnarkose notwendig. Letzteres gilt auch für die Radiofrequenzablation, bei dieser Methode dürfen auch keine Metallfremdkörper (Clips, Naht etc.) in der Nähe vorhanden sein. Bei der Kryotherapie werden je 2 Tau-/Frier-Zyklen à 10 Minuten durchgeführt. Es entsteht eine Koagulationsnekrose von 2-3 cm Durchmesser, bei Mehrsondentechnik bis 5 cm. Der Vorteil liegt in der guten Steuerbarkeit und in der völligen Schmerzfreiheit. Die Laserablation ist besonders aufwendig, da temperatursensitive Sequenzen mit entsprechender Software erfolgen. Eine eindeutige Präferenz für eine bestimmte Methode kann noch nicht gegeben werden. Die Wahl hängt nicht zuletzt von den logistischen Möglichkeiten ab. Ergebnisse Aussagekräftige Phase-III-Studien existieren bislang weder zum methodischen Vergleich noch dazu, ob durch diese Therapieverfahren eine Lebensverlängerung herbeigeführt werden kann. Eine größere Studie an 140 Patienten mit Kryotherapie bei kolorektalen Lebermetastasen erbrachte bei einem Follow-up von 26 Monaten eine Überlebensrate von 46% (Weaver ML et al. Cancer 1995; 76:210-14). Siehe auch folgende Seite „CLOCC- Trial“. 1 2 3 Radiofrequenzablation. Links: Sonden. 1: Ausgangsbefund, 2: Intraläsionale Lage der Sonde. 3: Nekrosehöhle nach erfolgter Verkochung. Die Abbildungen wurden freundlicherweise von Herrn PD Dr. J. Tacke, Aachen zur Verfügung gestellt. 358 Radiofrequenzablation EORTC-Studie 40004/CLOCC-Trial CLOCC-Trial Chemotherapie + lokale Ablation versus Chemotherapie allein bei nicht-resektablen Lebermetastasen infolge eines kolorektalen Karzinoms. Multizentrische Studie Eine internationale randomisierte Phase-III-Studie prüft den Stellenwert der interventionellen Therapieverfahren. Studienvorsitz: Dr. T. Ruers, Abteilung für Chirurgie, Academic Hospital St. Radboud, Nijmegen, Tel.: 0031/24/3616421, e-mail: [email protected] Beteiligte Gruppe in Deutschland: Arbeitsgruppe Lebermetastasen und Tumoren ALM in der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Onkologie (CAO) Leiter: W.O. Bechstein Universitätsklinik Frankfurt a. M., Chirurgische Klinik, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt Tel: 069/6314346 e-mail: [email protected] homepage:http://kgu.de/alm Ziele und Rationale Es soll geprüft werden, ob bei Patienten mit nicht resezierbaren Lebermetastasen eine Radiofrequenzablation in Kombination mit einer Chemotherapie zu einem besseren Gesamtüberleben führt als eine alleinige Chemotherapie. Die bislang in der Literatur berichteten guten Ergebnisse könnten auf Patientenselektion beruhen, sodass z.B. die Patienten mit weniger Metastasen eher lokal therapiert wurden und die mit diffuser Metastasierung häufiger nur chemotherapiert wurden. Die Kombination mit Chemotherapie wird u.a. gewählt, weil die Therapieversager bzw. Rezidive bei der Lokaltherapie hauptsächlich entweder in vorher nicht betroffenen Arealen der Leber oder extrahepatisch auftraten. Nach der Radiofrequenzablation ist auch eine zusätzliche chirurgische Resektion von verbliebenen Metastasen erlaubt. Einschlusskriterien Patienten mit nicht-resektablen Lebermetastasen von kolorektalen Karzinomen ohne nachweisbare extrahepatische Metastasen. Die Nichtresezierbarkeit ist definiert als Unmöglichkeit, eine komplette Resektion aller Metastasen zu erreichen. Das schließt ein: Metastasen können nicht vollständig reseziert werden aufgrund ihrer Größe, der Lokalisation und ihrer Zahl. Metastasen infiltrieren den rechten und linken Ast der Arteria hepatica oder der Pfortader. Metastasen zeigen eine Ausdehnung zu den drei Hauptvenen. Die Feststellung der Nichtresezierbarkeit verlangt eine Bewertung durch den Chirurgen und den Radiologen. Keine vorausgegangene Chemotherapie mit Ausnahme für die Lebermetastasen. Eine adäquate Behandlung aller metastastischen Läsionen durch eine Radiofrequenzablation alleine oder durch eine Kombination von Operation resektabler Läsionen und der Radiofrequenzablation der verbliebenen nichtresektablen Metastasen. Zahl der Metastasen < 10, metastatische Infiltration der Leber < 50%. Maximaler Durchmesser der Läsionen, die durch RFA behandelt werden sollen = 4 cm. Vorgehen Als lokales Therapieverfahren kommt die Radiofrequenzablation wegen der geringen Komplikationsrate und der relativen Schnelligkeit zum Einsatz. Für die Radiofrequenzablation ist ein offen chirurgisches, laparoskopisches oder perkutanes Vorgehen vorgesehen. Als Chemotherapieregime wird das FOLFOX-Schema nach de-Gramont verwendet. Die in beiden Armen identische Chemotherapie soll bis 6 Wochen nach RF-Ablation / OP begonnen werden bzw. im alleinigen Chemotherapiearm innerhalb 3 Wochen nach der Randomisation. Falls in dieser Gruppe eine Resektabilität nach Chemotherapie erreicht wird, ist diese erlaubt. Die Dauer der Chemotherapie ist für 12 Zyklen geplant, bei Progression ist eine second-line-Chemotherapie nach Wahl erlaubt, eine erneute RF-Ablation jedoch nur im Kombinationsarm. 359 Lebermetastasen CLOCC-Trial Studientitel CLOCC-Trial (Chemotherapie + lokale Ablation versus Chemotherapie allein bei nicht-resektablen Lebermetastasen infolge eines kolorektalen Karzinoms. Multizentrische Studie). Randomisation Radiofrequenzablation (RFA) vs. RFA + Chemotherapie (Arm B) Chemotherapie Die Oxaliplatin-haltige Chemotherapie (FOLFOX) kann in drei verschiedenen Versionen durchgeführt werden. Empfohlen wird das Schema I Schema I Oxaliplatin Folinsäure 5-FU 85 mg/m2 200 mg/m2 2.600 mg/m2 500 ml Glukose 5% 2h NaCl 0,9%/500 ml 2h 24h-Infusion d 1, 15, 29 d 1, 8, 15, 22, 29, 36 d 1, 8, 15, 22, 29, 36 Woche 7 Therapiepause, Wiederholung Tag 50, jedoch ohne Oxaliplatin Schema II Oxaliplatin L-Folinsäure 5-FU 5-FU 85 mg/m2 200 mg/m2 400 mg/m2 2.400 mg/m2 500 ml Glukose 5% 2h* 250 ml Glukose/2h* i.v. Bolus Kontinuierliche Infusion (Pumpe)/46h d1 d1 d1 d1 500 ml Glukose 5% 2h 250 ml ml NaCl 0,9% 2h i.v. Bolus c.i. 22h Tag 1 Tag 1, 2 Tag, 1, 2 Tag 1, 2 * zeitgleiche Gabe. Wiederholung Tag 15. Schema III Oxaliplatin 85 mg/m2 Folinsäure 200 mg/m2 5-FU 400 mg/m2 5-FU 600 mg/m2 Wiederholung Tag 15 Messpunkte: Primär: Gesamtüberleben Sekundär: DFS, Lebensqualität Ergebnisse (Ruers T. et al., ASCO 2008, Abstract 4012) Eingebracht wurden insgesamt 119 Patienten, die angestrebte Zahl von 152 wurde wegen schlechter Rekrutierung nicht erreicht. Aufgenommen wurden Patienten mit maximal 9 nicht resektablen Lebermetastasen, die maximale Grösse der Leberherde für die RFA lag bei 4 cm. Beide Behandlungsarme waren gut balanciert, allerdings erhielten im Arm B 15% der Patienten keine Chemotherapie. Das progressionsfreie Überleben ist im Kombinationsarm B mit 16,6 Monaten versus 10 Monaten im Chemotherapiearm signifikant verlängert (p = 0,0267). Die Toxizitätsprofile beider Arme sind vergleichbar. Im Kombinationsarm gab es etwas mehr Nebenwirkungen Grad-3/4: Neutropenie 27% vs. 20%); Kardiotoxizität (9,8 % vs. 1,7 %); Neuropathie (17,6% vs. 13,6%); Fatigue (13,7 vs. 6,8%). Die Mortalität lag im Kombinationsarm bei 1,8%. Fazit: Die Kombinationstherapie verlängert das PFS im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie bei akzeptabler Toxizität, der primäre Studienendpunkt (30 Monate Gesamtüberleben) wurde jedoch bisher noch nicht erreicht. Offen bleibt die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt der RFA 360 Lebermetastasen Regionale Chemotherapie Bei Patienten mit auf die Leber beschränkten Metastasen kann eine lokoregionäre Maßnahme wie die arterielle Leberperfusion in manchen Situationen in Betracht gezogen werden, insbesondere als „Last-line-approach“. Arterielle Leberperfusion Voraussetzung ist das Einbringen eines Verweilkatheters in die A. hepatica entweder als Perkutankatheter, arterieller Port oder als vollimplantierbares Pumpsystem. Zur Vermeidung einer medikamentös bedingten Cholezystitis ist eine gleichzeitige Cholezystektomie notwendig. Für die Praxis kann die Therapie außerhalb von Studien erwogen werden, wenn eine synchrone Operation des Primärtumors erfolgte, oder wenn im Rahmen einer geplanten Mestastasenresektion diese als nicht möglich bzw. erfolgreich erscheint. Indikation Eine regionale Chemotherapie kann sinnvoll sein, wenn eine alleinige nichtresektable hepatische Filialisierung ohne Nachweis von extrahepatischen Absiedlungen besteht. Vorteile : Hohe Zytostatikakonzentration auf das Tumorgewebe. Meist geringe systemische Chemotherapiewirkung. Nachteile: Hospitalisation mit Operationstrauma und Op-Risiko. Infektionsprobleme, technische Schwierigkeiten mit den Pumpsystemen. Medikamentenbedingte Ulcera ventriculi und duodeni sowie eine chemische Hepatitis. Außerdem als Nebenwirkung gefürchtet ist eine biliäre Sklerose (Inzidenz nach i.a. FUDR 635%). Aus diesem Grunde wird die Substanz in Deutschland nicht mehr eingesetzt. Ergebnisse In mehreren randomisierten Studien (1, 2, 3, 4) wurde ein messbarer Überlebensvorteil für regional mit FUDR behandelte Pat. im Vergleich zu einer systemischen Therapie mit 5-FU gefunden. ROUGIER et al.3) fanden einen 2 Jahres-Überlebensvorteil von 23% vs. 13%; ALLEN-MERSH et al.2) von 13,5 vs. 7,5 Monaten gegenüber der systemischen Therapie. Die durchschnittlich erzielten objektiven Ansprechraten auf eine regionale Chemotherapie liegen bei etwa 50%. Inzwischen wurde auch eine Studie veröffentlicht, die einen randomisierten Vergleich von i.a. FU/FA mit i.a. FUdR und systemischer i.v. FU/FA-Gabe zum Inhalt hatte. Bei 168 Patienten ergab sich eine mit 45 bzw. 43% gegenüber 20% bei der i.v.-Therapie signifikant höhere Ansprechrate. Das progressionsfreie Überleben war jedoch mit 9,2 Mon. nur bei der i.a. FU/FA-Therapie höher als mit 5,9 Monaten bei i.a. FUdR und 6,6 Monaten bei der systemischen Therapie. Das mediane Überleben war bei systemischer und i.a. Gabe von FU/FA mit 17,6 bzw.18,7 Monaten vergleichbar und länger als bei i.a. FUdR mit 12,7 Monaten. Chemotherapie Portpunktion unter sterilen Kautelen. Tragbare Injektionspumpe. Folinsäure 200 mg / m²/d 5-FU 1000/mg/m ²/d Wiederholung Tag 29. 10-Min-Infusion i.v. 24-Std.-Perfusion i.a. Tag 1 – 5 Tag 1 – 5 FUDR 0,2 mg/kg/d Wiederholung Tag 29 24-Std.-Perfusion i.a. Tag 1 - 14 5-FU 600 mg/m ²/d Mitomycin 10 mg/m² Wiederholung Tag 29 24-Std.-Perfusion i.a. i.v. Infusion Tag 1 – 5 Tag 1 Alternativ Neue Substanzen (ASCO 2005, Abstr. 3616) M. Bouchada (Paul Brousse, Villejuif) stellte eine Studie vor, bei der massiv vorbehandelte Patienten durch eine regionale Chemotherapie mit Irinotecan, Oxaliplatin, 5-FU sogar eine R0-Resektion von Lebermetastasen erreichten. 3 drug hepatic artery circadian delivery (HACD): Irinotecan, Oxaliplatin, 5 FU 25 vorbehandelte Patienten, mitteres Alter 63 J. Anzahl der Vorbehandlungen: 1 (n=3), 2 (n=4), 3 (n=7) 4+(n=11) 22 Patienten mit messbaren Läsionen: 11 PD (außerhalb der Leber 3), PR/SD 11(50%), 2 x R0 Resektion der Leber PFS median 5 Monate, OS median 19,5 Monate 1) HOHN, D.C., R.J.STAGG, M.A. FRIEDMAN et al. J.Clin.Oncol. 7, 1989, 1646-54 ALLEN-MERSH, T.G., S.ERLAM, C.FORDY et al. Lancet 344, 1994, 1255-1260 3) ROUGIER, P., A. LAPLANCHE, M. HUGUIER et al. J.Clin.Oncol.10, 1992, 1112-1118 4) HOTTENROTT, C., M.LORENZ, Onkologie18, 1995, 240-244 2) 361 Lebermetastasen SIRT SIRT steht für „Selektive Interne Radio-Therapie“ und ist eine innovative Behandlungsform von malignenTumoren in der Leber. Bei der SIRT wird 90Yttrium, ein Betasstrahlen emittierendes Isotop mit einer physikalischen Halbwertszeit von 64,2 Stunden, verwendet. Die Betastrahlen von 90Yttrium haben eine durchschnittliche Penetration in Weichgewebe von 2,5 mm. Für die SIRT ist dieser Betastrahler an unlösliche Harzmikrosphären (SIR-Spheres) mit einem mittleren Durchmesser von 32 μm gekoppelt. Die Mikrosphären werden über einen transfemoral eingebrachten Katheter in die Aa. hepatica dextra und sinistra appliziert. Technisch durchführbar ist die Behandlung, wenn die Leberarterien mit einem Katheter zugänglich und sondierbar sind, keine wesentliche Anomalie der Gefäßversorgung vorliegt, Äste, die andere Organe versorgen, vor Therapie ohne Risiko verschlossen werden können und die Pfortader frei durchgängig ist. Da das normale Lebergewebe sein nährstoffreiches Blut ganz überwiegend aus der Pfortader bezieht, und umgekehrt das gefäßreiche Tumorgewebe in der Leber stark mit arteriellem Blut versorgt wird, führt die Gabe von SIR-Spheres® in die Leberarterien zu einer bevorzugten Anreicherung im malignen Gewebe. Die Strahlung, die von den Mikrosphären ausgeht, schädigt und zerstört damit in erster Linie das umgebende Tumorgewebe und belastet das normale Lebergewebe dabei nur relativ wenig. Die SIRT ist somit eine Art Brachytherapie mit hoher lokaler Strahlendosis unter Schonung des umliegenden, gesunden Lebergewebes. Einschlusskriterien für eine SIRT-Behandlung (Coldwell D. et al. World Conference on Interventional Oncology 2008, # P79) Nicht-resektable Lebertumore oder vorwiegend in der Leber lokalisierte Tumore bei primärem Leberzellkarzinom oder metastasierter Erkrankung. Lebenserwartung über 12 Wochen, ECOG Performance Status ≤ 2 Absolute Ausschlusskriterien Ascites oder andere klinische Zeichen einer Leberfunktionsstörung, Schwangerschaft, potentielle Überschreitung einer Strahlenexposition der Lunge >30 Gy bei pulmonalem Shunt, die durch eine prätherapeutische Radionukliduntersuchung bestimmt wird. Shunts zum Gastrointestinaltrakt (Magen, Darm oder Pankreas), die nicht durch Embolisation verschliessbar sind, was im Rahmen einer prätherapeutischen Angiographie evaluiert wird. Relative Ausschlusskriterien Nicht frei durchgängige Portalvene, Vorbestrahlung der Leber, exzessive Tumorlast mit limitierter Leberreserve, abnorme Organ- oder Knochenmarkfunktion z.B. Leukozyten < 2,5 G/l, Neutrophile <1,5 G/l, Thrombozyten < 60 G/l, Creatinin > 2,5 mg/dl, Transaminasen mehr als 5fach erhöht, Bilirubin > 2,0 mg/dl. Nebenwirkungen, Toxizität Häufige Nebenwirkungen sind Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Fieber, Müdigkeit und verringerter Appetit. Schwerwiegende Toxizität bei Abfluß von Mikrosphären in andere Organe (pulmonale Komplikationen, Pankreatitis oder Cholezystitis in <1%). Zeitweilige oder bleibende Verschlechterung der Leberfunktion (Grad 3 in 2%). Dieser Effekt ist in der Regel erst ca. 2 Monate nach der Therapie zu beobachten. Studien mit SIRT bei metastasiertem KRK Die Daten der angeführten Studien zeigen, dass Patienten von einer SIRT vor allem als Salvage-Therapie bei chemotherapierefraktärer Erkrankung profitieren können. Weitere Fortschritte sind möglicherweise auch durch Einsatz der SIRT in der Erstund Zweitlinientherapie in Verbindung mit einer Kombinationschemotherapie zu erreichen. Bei der SIRT-Therapie handelt es sich derzeit um keine etablierte Therapie. Sie sollte am besten im Rahmen von Studien erfolgen. Liste von Kliniken, die eine SIRT-Therapie durchführen unter: www.sirtex.com. 362 Lebermetastasen Perkutane stereotaktische Radiotherapie Für Patienten mit isolierten Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms ist die chirurgische Resektion mit kompletter Entfernung des Tumors die einzige Methode mit erwiesenem Langzeitüberleben. Neben dem klassischen operativen Vorgehen werden eine Fülle weiterer lokal wirksamer Verfahren angeboten: Radiofrequenzablation (RFA), laserinduzierte interstitielle Thermotherapie (LITT), die Mikrowellentherapie, die CT-geführte Brachytherapie, die selektive interne Radiotherapie und die transarterielle Chemoembolisation. Die perkutane fokussierte stereotaktische Strahlentherapie inoperabler Lebermetastasen führt zu einer guten lokalen Tumorkontrolle und hat gegenüber der RFA, der LITT oder der CT-geführten Brachytherapie den Vorteil der fehlenden Invasivität und Tumorzellverschleppung. Die lokale Strahlentherapie wird nicht vom Blutfluss beeinflußt. Für eine hohe Fokussierung der Dosisapplikation im Zielgebiet wird das Verfahren der neurochirurgischen Stereotaxie adaptiert. Durch eine Lagerung und Fixierung des Patienten in einem definierten dreidimensionalen Raum kann jeder nicht unmittelbar sichtbare Punkt in diesem Raum sowohl im diagnostischen Schnittbild als auch in-vivo über dessen Raumkoordinaten zugeordnet werden. In den 1990er Jahren wurde am Karolinska-Institut in Stockholm ein stereotaktisches System für den Einsatz am Körperstamm entwickelt. Entscheidend ist die Darstellung eines räumlichen Koordinatensystems, die präzise Reproduzierbarkeit der Körperposition und die Reduktion physiologischer Bewegungen des Zielgebietes – z. B. durch Atmung während der Bestrahlung. In einer oben offenen Halbschale wird der Patient in einem Vakuumbett gelagert. Für die Überprüfung der Körperposition sind Laserzielsysteme integriert, die mit Tätowierpunkten am Körper zur Deckung gebracht werden. Das für die Schnittbilddiagnostik notwendige Koordinatensystem ist im Rahmen der Halbschale eingebracht. Da sich die Achsen aller Bewegungen des Axiale computertomographische Darstellung des Patienten im Linearbeschleunigers in einem Punkt, dem soge- stereotaktischen Rahmen. Im Rahmen sind beidseitig die in der nannten Isozentrum treffen, wird der Schwerpunkt Bildgebung sichtbaren Koordinatensysteme integriert. Die Bestrahlung erfolgt über mehrere Stehfelder auf das Isozentrum. Die des Zielgebietes als Isozentrum gewählt und mittels Dosisverteilung (kleine Abbildung) zeigt einen steilen Dosisabfall stereotaktischer Koordinaten definiert. Die atemab- peripher des Zielgebietes. hängige Mobilität der Leber wird mit einer Kompression des Oberbauches oder spezieller Atemadaptionen minimiert. Die Strahlapplikation erfolgt über eine Vielzahl von Strahlfeldern. Die irreguläre Form des Feldes umschließt exakt das Zielvolumen. Die Addition der Dosis im Zielgebiet und die Minimierung der Dosis im peripher durchstrahlten Körperanteil eines Einzelfeldes führen in Abhängigkeit von der Feldanzahl zu einer hohen Fokussierung der Dosis. Die Gesamtdosis wird hypofraktioniert in wenigen Portionen oder als Einzeldosis, welches als Radiochirurgie bezeichnet wird, appliziert. Ergebnisse: Die schwedische Arbeitsgruppe (Blomgren, Lax) behandelte 21 Patienten hypofraktioniert mit 2 Fraktionen von jeweils 10-15 Gy. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 9,6 Monaten trat lediglich ein lokales Rezidiv auf. In Würzburg (Wulf) wurden 23 Patienten ebenfalls hypofraktioniert mit 3 x 10 Gy behandelt. Die lokale Kontrolle betrug 83% nach einer medianen Nachbeobachtung von 9 Monaten. Im Folgenden wurde in Heidelberg (Herfarth) eine Phase-I/II-Studie begonnen. Insgesamt wurden 60 Tumore bei 40 Patienten behandelt. Im Rahmen der Phase-II-Studie wurde radiochirurgisch einmalig mit 22 Gy bestrahlt. Die aktuarische lokale Tumorkontrolle betrug 81% nach 18 Monaten. Als Nebenwirkungen werden eine kurzzeitige Übelkeit, Fieber und Schüttelfrost bei etwa einem Drittel der Patienten beobachtet, die wenige Stunden nach der Therapie auftreten. In der Bildgebung zeigt sich nach der Therapie im Hochdosisgebiet eine asymptomatische fokale Gewebereaktion i. S. einer venookklusiven Erkrankung, die sich mit der Zeit zurückbildet. Mit der stereotaktischen Bestrahlung kann ein nicht-invasives Verfahren eingesetzt werden, welches bei limitierter Lebermetastasierung und Inoperabilität eine hohe Tumorkontrollwahrscheinlichkeit (80%) bei geringer Morbidität erzielt. Aufgrund einer Vielzahl kompetitiver lokaler Verfahren sind die Erfahrungen auf wenige Zentren begrenzt. 363