funktio nali smus - Centrála cestovního ruchu – Jižní Morava

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Herausgeber
Centrála cestovního ruchu – Jižní Morava, z. s. p. o.
(Südmährische Touristenzentrale)
Radnická 2, CZ-602 00 Brno
www.ccrjm.cz
Halle A, Messegelände, Brno-Pisárky
Text
Lenka Kudělková
Űbersetzung
Mette Dvorská
Grafik
Ladislav Němeček
Foto
Zdeněk Borovanský, Archiv der Autorin, Museum der Stadt
Brünn, Pixmac
Produktion
Advertum s.r.o.
Propag servis Brno, s.r.o.
Druck
Tiskárna EXPODATA – DIDOT, spol. s r.o.
Jahr der Herausgabe 2009
Pavillon des
Landes Mähren,
Messegelände,
Brno-Pisárky
Halle A, Messegelände, Brno-Pisárky
AUF
AUF
DEN
SPUREN
DEN SPUREN
FUNKTIO
DES FUNKTI0
NALIS
NALI
MUS
SMUS
1
Mährische Bank
(heute Komerční banka)
Bohuslav Fuchs – Ernst Wiesner;
Brünn, Platz náměstí Svobody 21, 1928-30
1928 schrieb der Vorstand der Mährischen Bank (Moravská banka) einen Wettbewerb für den Neubau ihres Sitzes
anstelle des abgerissenen Kaunitz-Palais aus. Die höchsten
Preise gingen an B. Fuchs und E. Wiesner, die anschließend
das Durchführungsprojekt erstellten. Nach dem Baubeginn
im September 1929 erfolgte die Fertigstellung im darauf folgenden Jahr.
Das sechsgeschossige Reihengebäude mit Flachdach, mit
durchgehender Loggia im 5. Stockwerk mit Wohnungen und
mit dem zurückgesetzten höchsten Geschoss, das gleichfalls
für Wohnzwecke vorgesehen war, erstreckte sich über die
volle Tiefe der Parzelle zwischen dem Platz und der Straße
Veselá ulice. Die innere Anordnung konzentrierte sich um
die zentrale Halle über zwei Stockwerke und mit Lichteinfall durch eine Glasbetondecke und um das große darüber
liegende Oberlicht. Zwischen der zweiten und dritten Etage
war eine Installationsetage eingeschoben, die eine Anordnungsvariabilität der Verwaltungsräume unterhalb der
Wohnetagen gestattete.
Das Gebäude mit der breiten Geschäftspassage, die über
eine Treppe in die Straße Veselá ulice einmündet, bedeutete einen wesentlichen Eingriff in das Aussehen des Brünner
Hauptplatzes. Den größten Anteil daran hatte die Stahlbetonkonstruktion mit Ziegelvermauerungen, die es gestattete,
beide Fassaden als leichten Glasvorhang (Opaxitvorhang)
zu gestalten, dessen vertikale Elemente der Fassadenfläche
nur eine Gliederung verliehen. An der Konzeption der Fassade, die den ganzen Bau leichter erscheinen lässt, hat sich
wohl auch Wiesner beteiligt, der in der Regel nur als Autor
der Innenräume betrachtet wird.
2
Kaufhaus Brouk & Babka
(heute Kaufhaus Baťa)
Miloslav Kopřiva; Brünn, Straße Česká ulice 4; 1934
Das Kaufhaus entstand an der Stelle des alten ZierotinPalais, auf das im 19. Jahrhundert ein dreigeschossiges
Haus folgte, in dem 1894 das erste tschechische Geschäft
in Brünn eröffnete, und zwar die Buchhandlung Barvičovo
knihkupectví. Das älteste, nach einem Wettbewerbsentwurf
von Kopřiva errichtete reine Geschäftsgebäude in der Stadt
wuchs in Rekordzeit empor: im März, als noch das vorhergehende Haus stand, wurde der Architekt mit der Ausarbeitung des Projekts beauftragt, im Mai erfolgte die Auswahl
der Baufirma V. Nekvasil und es begann die Ausschachtung
des Fundaments. Das Kaufhaus sollte einschließlich Inneneinrichtung bis Ende September fertig gestellt sein, der Termin wurde jedoch verkürzt, wodurch Brouk & Babka schon
am 22. September 1934 feierlich eröffnen konnten.
Der siebengeschossige Skelett-Reihenbau mit zurückgesetztem oberstem Geschoss, den ein Flachdach bedeckt, ist
ein typisches Beispiel für die konservativere Strömung des
Brünner Funktionalismus. Die flache Fassade ist auf dem
Prinzip des ruhigen Gleichgewichts zwischen den horizontalen rechteckigen Fenstern und dem Geländer wie auf einem
Dampfer an der höchsten Etage sowie senkrechten Reihen
heller Wandfliesen konzipiert. Die strenge Orthogonalität
der Fassade gleicht das Parterre aus drei längs angeordneten Schaufenstervitrinen und breiten Eingängen dazwischen
aus. Die runden Ecken der Auslagen aus Glasscheiben besitzen neben ihrer ästhetischen auch eine „psychologische“
Funktion, denn sie ziehen mit ihrer Form den Passanten in
gewisser Weise in das Geschäft hinein.
3
Miethaus mit Geschäften,
sog. Convalaria
(heute polyfunktionelles Geschäfts- und Wohngebäude, Redaktion der Tageszeitung Mladá fronta Dnes)
Oskar Poříska; Brünn,
Straße Česká ulice 19-21/Veselá ulice 26; 1937-39
Einen Beitrag für den wertvollen Bestand der funktionalistischen Architektur in Brünn (Brno) leistetet zum Ende
der neunzehnhundertdreißiger Jahre auch Oskar Poříska
mit dem Miethaus mit Geschäften, einem Café und einer
Passage an der exponierten Stelle des Zusammenlaufs der
Straßen Česká und Veselá. Im Erdgeschoss und im leicht vorgesetzten Stockwerk hielt der Autor den Maßstab der vorangegangenen kleinen Bebauung ein, ab dem zweiten Stockwerk verlieh er dem Gebäude jedoch mit dem vergrößerten
Grundriss und der individualisierten Fassadengestaltung
Großstadtcharakter. Während er den Seitenfronten an den
Straßen Česká und Veselá das Konzept einer Miethausfassade gab, monumentalisierte er die Hauptseite am Endpunkt
des Zusammenlaufs der beiden Straßen mit Bändern hoher
Fenster ähnlich der Wand eines Geschäftshauses. Die Kompaktheit der Gebäudehülle konnte er trotzdem durch die Abrundung der Hausecken und die durchgehende Verkleidung
der Mauern mit Keramikplatten aufrechterhalten. Das Convalaria wurde somit zum würdigen Visavis des Hotels Avion,
die beide einen wesentlichen Anteil an der modernen Ausstrahlung dieses am meisten von Fußgängern belebten Teils
der Innenstadt besaßen. In welch großem Maße sich der Autor der Frequenz im nahen Umfeld des Hauses bewusst war,
zeigen die Anordnung des Eingangs in die Parfümerie, die
dem Gebäude seinen Namen gab, auf der Seitenfront und
die Einpassung des Durchgangs – der kleinsten Passage in
der Stadt – zwischen beide Straßen.
Ein Besuchermagnet im Convalaria war das exklusive Café
Dorotíkova kavárna mit Konditorei in der ersten Etage, das
vom jungen Architekten K. Růžička entworfen wurde.
4
Hotel Avion
Bohuslav Fuchs;
Brünn, Straße Česká ulice 20; 1926/27
Das Hotel Avion rückte an die Stelle des Gasthauses von I.
Kostelecký, dessen Sohn hier und auf der benachbarten Parzelle das erste Hotel der Nachkriegszeit in Brünn (Brno) nach
einem Entwurf von B. Fuchs errichten ließ. Der Hotelbau
wurde aufgrund seiner originellen Lösung bald zu einem der
Symbole der Brünner avantgardistischen Architektur.
In diesem Fall stand vor dem Architekten eine sehr schwierige
Aufgabe. Er sollte auf der engen Parzelle ein Hotel mit Café entwerfen, was eine zweckmäßige Anordnung des Raumes über
dem Grundriss erforderte, der bei einer Tiefe von 34 Metern nur
eine 8,5 Meter breite Straßenfassade vorwies. Der junge Fuchs
schaffte es, die ungünstige Form der Baufläche meisterhaft zu
Gunsten des Baus zu nutzen. Nach den Plänen vom Dezember
1926 begannen die Bauarbeiten gleich im darauf folgenden
Jahr, in dem das Hotel auch fertig gestellt wurde.
In dem neungeschossigen Hotel sind die zwei niedrigsten Etagen für das Café vorgesehen, die übrigen Etagen belegen die
Hotelzimmer. Bereits in der Eingangshalle sind der Betrieb des
Büfetts im Erdgeschoss, des Wohnteils und des Cafés klar voneinander getrennt. Mit der Innenstruktur des Gebäuderaumes
arrangierte sich der Architekt in einer recht individuellen Art.
Mit der gewagten Lösung, die aus der Konstruktion die mittleren Mauern entfernte und die Decke auf Stahlbetonpfeilern
in den Giebelwänden lagerte, konnte er im Café den Eindruck
von Bedrängtheit unterdrücken und die Idee vom kontinuierlichen Raum in der Praxis überprüfen. Dieser begründet sich
hier nicht auf der mechanischen Aneinanderreihung von
Raumeinheiten, sondern die benachbarten Räume sind frei
miteinander verbunden, sie gehen von einem in den anderen fließend über und bilden ein einheitliches Ganzes, zum
Teil abgetrennt durch Möbel oder Glas. Die Säle sind darüber
hinaus nicht nur in waagerechter, sondern auch senkrechter
Richtung durchgängig. Vertikal fließen sie ineinander über,
die höhenmäßig differenzierten Halbgeschosse sind zu größeren Komplexen mit ästhetisch ungewöhnlich wirkenden
Durchsichten verbunden, deren poetische Resonanz zusätzlich durch Spiegelwände gesteigert wird.
Die architektonischen Qualitäten des Hotels reflektierte
ferner die Straßenfassade, die durch große Fensterflächen,
Porzellankacheln und weißes Opalglas entlastet wird. An
dieser Außenwand ist gleichfalls die Innenanordnung des
Gebäudes zu erkennen – der leicht vorgeschobene Erker mit
den großen Glasscheiben gehört zum Café, die kleineren
Fensterfluchten in den höheren Stockwerken bringen Licht
in die Gästezimmer.
1948 wurde das Avion verstaatlicht und dem volkseigenen
Betrieb „Tschechoslowakische Hotels“ übergeben. Bis in die
neunzehnhundertneunziger Jahre bewahrte es sich seine
ursprüngliche Funktion und mit Unterbrechungen blieb es
ein Hotel- und Gastronomieunternehmen, nachdem es Privatbesitzer erwarben. Infolge der unklaren Eigentumsverhältnisse, der mangelnden Instandhaltung und nicht zuletzt
Veränderung der Klientel rutschte es in die graue Masse der
restlichen Hotels aus den zwanziger und dreißiger Jahren
ab, deren charakteristisches Esprits mit den politischen Veränderungen im Jahr 1948 unwiederbringlich verloren ging.
5
Café Savoy
Jindřich Kumpošt; Brünn, Straße Běhounská ulice 9/
Platz Jakubské náměstí 1, 1928-29
Das Café von J. Nekvapil Savoy entstand durch den Umbau
der unteren Geschosse des Eckhauses, des so genannten
Thonethofes, und zwar auf dem Grundriss zweier Flügel
mit Eckabschrägung. Obwohl sich an dieser Stelle die Platzierung des Eingangs in der direkten Achse der abgeschnittenen Ecke anbot, nutzte der Architekt das Erdgeschoss
und das Stockwerk zur Gestaltung der Haupträume des
Cafés und er verlagerte den Eingang seitlich in die Straße
Běhounská ulice. Die Umsetzung der modernen technischen
Neuerungen gestattete diese Räumlichkeiten aus der Sicht
der Konstruktion sehr mutig zu gestalten. Der zentrale Saal
in der Mitte mit zwei schlanken Stahlsäulen, welche die
oberen Stockwerke trugen, blieb völlig frei, mit dem teilweise herabgesenkten ersten Stockwerk, das in der Mitte weit
geöffnet ist, verband ihn die Dominante des zweiarmigen
geschwungenen Treppenaufgangs. Dieser verzweigte sich
in die symmetrisch angeordneten Trakte an der Straße
Běhounská ulice und am Platz Jakubské náměstí. Ein nicht
alltägliches Erlebnis versprach den Besuchern die scharfsinnige architektonische Lösung der Säle auf mehreren Ebenen
mit vielen malerischen Durchsichten, Lichteffekten, dekorativen Gebilden und edlen Materialien.
Die Innenräume des Cafés wurden zum Beginn der neunzehnhundertfünfziger Jahre bei einem rücksichtslosen Umbau in ein Textilgeschäft stark entwertet. Erst 2008 konnte
dem Ort mit langer Kaffeehaustradition seine einstige Mission sowie zum Teil auch sein ursprüngliches Aussehen zurückgegeben werden.
6
Café Zeman
Bohuslav Fuchs; Brünn, Straße Koliště; 1925
Der Umbau des Cafés Zeman im Jahr 1925 brachte die einschneidende Wende in der Entwicklung der Brünner Architektur der Zwischenkriegszeit. Er beendete die Etappe der
Suche nach neuen Konzeptionen und gab die Richtung des
weiteren Werdegangs in Gestalt von Le Corbusiers revolutionärer Architekturauffassung vor.
Das nicht große Objekt aus Stahlbeton mit leichten Ziegelvermauerungen, das im Park am Glacis (Koliště) an der Stelle des früheren Schopp Café Pavillon mit Gartenrestaurant
errichtet wurde, repräsentiert eines der ersten konsequent
funktionalistischen Gebäude nicht nur in Brünn, sondern in
der ganzen Tschechoslowakei. Das Café war nicht mehr nur
die reine Summe von eigenständigen Räumen, sondern ein
kompakter Bauorganismus, dessen zweckmäßiger Grundriss nach außen hin durch große Schiebefenster zum Ausdruck kam, welche den Innenraum mit der Terrasse und dem
Park verband. Der harmonische Gebäudekomplex wurde
mit einem Minimum an traditionellen ästhetischen Mitteln
einfühlsam in die umliegende Grünanlage eingebettet. Der
Innen- und Außenputz blieb ohne Farbe, die Metallrahmen
der Fenster waren innen und außen rot.
Dieser einzigartige Bau wurde unüberlegt 1964 abgerissen,
als er dem Janáček-Theater weichen musste. 1991 tauchte
erstmals der Gedanke an den Wiederaufbau des Cafés auf,
jedoch an einer anderen Stelle. Sein Nachbau wurde endlich
am 24. März 1995 zum 100. Geburtstag von Fuchs eröffnet.
7
Kaufhaus Baťa
(heute Kaufhaus Centrum)
Vladimír Karfík;
Brünn, Straße Kobližná 24; 1930/31
Der ersten großen Arbeit von Baťas Hauptprojektant nach
dessen Rückkehr aus den USA nach seiner Praxiszeit und
seinem einzigen Bau der Zwischenkriegszeit in Brünn (Brno)
ging die komplizierte Geschichte des Wettbewerbs für den
Baťa-Schuhpalast voraus, in dem Namen wie J. Kumpošt,
B. Fuchs, J. Gočar und F.L. Gahura vertreten waren. Auch
Karfíks Arbeit war von Komplikationen begleitet, die radikale Änderungen seines ursprünglichen Entwurfs zur Folge
hatten. Die erste Vision beruhte auf einem Wolkenkratzer
mit 23 (28?) Stockwerken. Doch die Geschossanzahl musste
aufgrund des instabilen Geländes mit durchfließendem unterirdischen Bach und aufgrund von Zweifeln an der Richtigkeit der statischen Berechnungen unter der Missbilligung
des Erbauers auf nur acht herabgesetzt werden, die von der
Stahlbetonkonstruktion auf Piloten sicher getragen werden
konnten. Trotz zahlreicher Unterbrechungen des Baus wurde das Kaufhaus in kurzer Zeit fertig gestellt: bereits 1931
siedelte das frühere Bata-Geschäft aus dem nahen Palais
Morava in das Gebäude um, und kurz darauf öffnete es seine Türen.
Nach dem Krieg zog das Kaufhaus Centrum in den Schuhpalast ein. Für die neue Verwendung wurde dieser herausragende Beleg des Brünner Funktionalismus 1966 nach einem
Projekt von J. Brichta unsensibel umgebaut. Das Gebäude,
das in den neunzehnhundertdreißiger Jahren ein Symbol für
die moderne Stadt war, verlor somit die sich abwechselnden
charakteristischen horizontalen Bänder aus Klar- und Weißglas und somit auch die Zartheit der ganzen nicht tragenden Fassadenhülle.
8
Palais Alfa
Karel Bezrouk, technisches Büro für Bauunternehmungen von František Hrdina (unter anfänglicher
Zusammenarbeit mit Bohuslav Fuchs); Brünn, Straße Jánská ulice 11, 13 /Poštovská ulice 10, 8, 6, 4;
1929-37
Für den ältesten, nicht realisierten Plan von Bezrouk aus
dem Jahr 1929, der eine sehr gewagte Lösung darstellte,
lieferte der Wettbewerb für Baťas Wolkenkratzer in der nahen Straße Kobližna die Inspiration, denn er sollte in seinem
höchsten Teil 14 Stockwerke messen. 1930 wurde B. Fuchs
zum Bau hinzugezogen, dessen Entwurf für ein monumentales Eckgebäude mit Kino im Erdgeschoss, einer Passage
und einer Galerie darüber sowie mit terrassenartig abgesetzten höchsten Wohngeschossen Bezrouk die Unterlage
für sein Projekt lieferte, das zwischen 1931 und 1937 realisiert wurde.
Das achtgeschossige Objekt, eine der Dominanten der modernen Stadt Brünn, weckt Aufmerksamkeit mit seinen Fassaden aus hellen Opaxit-Platten. Bald nach seiner Fertigstellung wurde es zudem eine beliebte und gefragte Adresse mit
Geschäften und Unterhaltungsmöglichkeiten. Außer dem
großen Café im Zwischengeschoss befanden sich im Souterrain auch ein Lichtspielhaus und das Nachlokal Metro-Hall.
Die höheren Etagen belegten vorwiegend kleinere, jedoch
komfortabel ausgestattete Wohnungen. Die Haupthalle war
über eine Passage mit einem Haus am Platz náměstí Svobody sowie den Straßen Jánská und Poštovská verbunden.
Dieses hoch entwickelte Bespiel für die Anordnung und die
formale Lösung eines Polyfunktionsbaus in der Großstadt
aus der Periode des Hochfunktionalismus, der im Krieg starke Beschädigungen erlitt, gehört heute zu den wertvollsten
Denkmälern der Brünner modernen Architektur.
9
Erste Mährische
Sparkasse
(heute Česká spořitelna)
Heinrich Blum – Josef Polášek – Otakar Oplatek;
Brünn, Straße Jánská ulice 4-10; 1937-39
Im Kern besteht die sechsgeschossige Sparkasse in der Häuserzeile aus einer großen Halle und einem ovalen Vestibül
mit einer Wendeltreppe. Sie führt in die offene Halle des
Obergeschosses, das von einer Stahlbetonkuppel mit Butzenscheiben erleuchtet wird.
Auf die Anzahl der architektonischen Mittel, welche die Autoren für ihr Werk auswählten, hatte vor allem der Komplex
der Funktionen einen Einfluss, die unter dem gemeinsamen
Dach vereint werden sollten. Die Auswahl dieser Mittel, ihre
Einsetzung und ihre resultierende Form beruhten auch auf
den Bemühungen, das grundlegende funktionalistische
Postulat des reibungslosen Betriebs mit noch weiteren Qualitäten zu bereichern, die zwar von der Funktion abgeleitet
sind, jedoch in die Kategorie der emotionalen und ästhetischen Wirkung der Architektur fallen. Dies betraf sowohl
den Raum der Sparkasse hinter der vorgesetzten, konkav
geschwungenen Partie der Fassade, als auch die Gestaltung
des Vestibüls und besonders der Haupthalle mit ihren großen „Kajütefenstern“. Gerade die Halle reflektierte am sichtbarsten die Beziehungen zwischen Masse, Raum und Licht,
ohne dass dabei die zarte Eleganz ihres Zusammenspiels an
Megalomanie erinnern würde, die oftmals für diesen Bautyp
bezeichnend ist.
Vornehmlich aufgrund dieser Eigenschaften avancierte die
Sparkasse, die schon in der Zeit ihrer Entstehung enorme
Aufmerksamkeit weckte, zu einem der bedeutendsten Bauten des späten – nicht nur Brünner – Funktionalismus.
10
Städtisches Übernachtungsvermittlungsbüro
(heute Reisebüro Čedok)
Oskar Poříska;
Brünn, Straße Nádražní ulice /Bašty 2; 1927-28
Das typologisch ungewöhnliche Gebäude, das nicht sehr
große Informationsbüro, das 1928 im Zuge der Vorbereitungen auf die Ausstellung der zeitgenössische Kultur in
der Tschechoslowakei entstand, charakterisierten Eigenschaften, die schon bei vielen anderen um die Mitte des 20.
Jahrhunderts errichteten Gebäuden in Brünn bekannt sind.
Es handelte sich vorrangig um die Komposition der Massen,
die aus kubischen Basisgebilden über einem zweckmäßig
aufgeteilten Grundriss zusammengesetzt waren, und um
einfache Formen, die sowohl mit der puristisch-funktionalistischen Reinheit der Kuben, als auch mit den Funktionen der
einzelnen Räume und ihrer Mitteilung nach außen korrespondierten. Hier dominierte die große Wand aus Stahlbeton
und Glas, die in diesem Fall in Brünn erstmals zur Anwendung kam. Die Bedeutung von Pořískas Bau beruhte jedoch
vornehmlich auf seiner höchst einfühlsamen Platzierung im
historischen Umfeld unmittelbar am Hauptbahnhof. Er respektierte die ältere Bebauung an der Stadtmauer und nicht
zuletzt das fließende Verkehrstreiben am damals noch seltenen Halbkreisgrundriss der Eckpartie.
11
Bahnhofspost
Bohuslav Fuchs; Brünn, Straße Nádražní ulice 7;
1937-38
Das Gebäude wurde auf einem recht instabilen Untergrund
an der Stelle des früheren Grabens der Stadtmauern in der
Nachbarschaft zum Hauptbahnhof errichtet. Das Erdgeschoss beherbergte die Haupthalle mit einer Galerie und der
Paketsortierstelle, das Obergeschoss war für die Briefdienstleistungen vorgesehen. Auf der Straßenseite grenzte an das
Gebäude ein ebenerdiger Garagenanbau und auf der Bahnhofsseite ein verglaster Bahnsteig. Bei diesem überwiegend
technischen Bau dominieren Glas und Metall, denn seine
Stahlkonstruktion bleibt sichtbar und die Trennwände und
die Umhüllung sind zum Großteil verglast.
Wichtiger als die formale Anordnung der lang gestreckten
Postfassade war ihre Konstruktionslösung. Einerseits machte
der vom Grundwasser aufgeweichte Boden des Wallgrabens
eine mächtige Stahlbetonwanne über zwei Untergeschosse erforderlich, andererseits musste das leichte Stahlskelett
auf ihr derart konstruiert sein, dass die Innenaufteilung des
Gebäudes hinsichtlich der Kompliziertheit des Betriebs mühelos verändert und zukünftig eventuell ausgebaut werden
kann. Eine wichtige Funktion hatte trotzdem auch die Fassade, die aus Spargründen eine einfachere Variante erhielt,
wobei der beabsichtige Stein durch künstliche Materialien
ersetzt wurde: mit der durchgehenden Aufteilung in zwei
Hauptgeschosse führte die Fassade die unterschiedlichen
Höhen sowie die Funktionsvielfalt der Innenräume wieder
zusammen und überdeckte mit ihrem ruhigen Kompositionsrhythmus den hektischen Betrieb im Inneren.
12
Versicherungsgesellschaft Riunione
Adriatica di Sicurtà
(heute polyfunktionelles Verwaltungs- und Wohngebäude)
Karel Kotas;
Brünn, Straße Nádražní ulice 2; 1936-38
Eine weitere architektonische „Visitenkarte“ der Stadt und
zugleich einen Beleg für die Lebensfähigkeit des funktionalistischen Formsystems bietet das Mehrzweckhaus der italienischen Versicherungsgesellschaft, das 1937 und 1938 nach
einem Projekt von Karel Kotas aus dem Jahr 1936 errichtet
wurde.
Das siebengeschossige Reihengebäude auf dem Grundriss
eines unregelmäßigen Rechtecks besitzt in allen Etagen eine
regelmäßige Innenanordnung. Der Kern des Erdgeschosses
mit Geschäften besteht aus einem zentralen Vestibül mit
zwei seitlichen Treppenaufgängen, die in das nächste, ein
Verwaltungsstockwerk, einmünden. Die darauf folgenden
Etagen werden durch die gleichmäßige Komposition aus
Drei- und Einraumwohnungen charakterisiert. Die Symmetrie zeigt sich zugleich auf der Fassade, die mit gelblichem
Naturstein verkleidet ist. Ihr auffälliges Motiv ist die flach
hervortretende Masse der Wohnetagen, welche den Bau
monumentalisiert und zugleich mit der Vergrößerung der
Fläche in die Innenräume reflektiert und die in der 6. Etage einen Balkonsockel bildet. Das zurückversetzte höchste
Geschoss bedeckt ein Flachdach, das leicht über die Fassadenfläche hinausragt und von regelmäßig angeordneten
Pfeilern getragen wird.
Den vorderen Platz in der Architektur von Brünn verdankt
das Gebäude einigen Elementen, die dem reinen Funktionalismus etwas fremd sind, wie beispielsweise der „vertikalen“
Gestaltung des Erdgeschosses und des höchsten Stockwerks
oder der Symmetrie der Hauptfassade, die es eher den Beispielen der neoklassizistischen Variante des späten Funktionalismus zuordnet.
13
Messegelände
Brünn-Pisárky; 1926-28
Das Brünner Ausstellungsgelände entstand auf der so genannten Bauer-Rampe, im Becken des Schreibwaldes (Pisárky), im Erholungsgebiet der Stadt am Fluss Schwarzawa (Svratka). Den Anlass für den Bau gaben die Vorbereitungen auf
die „Ausstellung der zeitgenössischen Kultur in der Tschechoslowakei“, ein großzügig konzipiertes Unternehmen, das zum
10. Jahrestag der Gründung der Republik veranstaltet wurde.
Neben dem schon vergessenen Ideeninhalt der Ausstellung
war auch der Bau des Ausstellungsgeländes eine ebenso
schwierige Aufgabe. Es mussten nicht nur die Pläne für das
komplizierte Grundrisssystem des Areals, sondern auch für die
ständigen und provisorischen Hallen sowie weiteren Objekte
entworfen werden. Die Anfänge der Geschichte dieser schweren städtebaulichen und architektonischen Aufgabe gehen
schon auf das Jahr 1924 zurück, in dem ein Wettbewerb für
die Ausarbeitung von Entwürfen für das ständige Landesausstellungsgelände ausgeschrieben wurde. Zuerst wurde das
Projekt des Siegers J. Kalous aus Prag zur Realisierung empfohlen, mit der definitiven städtebaulichen Lösung wurde
jedoch 1926 E. Kralík beauftragt, der auf kreative Weise seine
eigenen Ideen mit denen von Kalous zu vereinen wusste.
Die Anordnung des Geländes entwickelt sich vom zentralen
Tor, an dem die zwei Hauptachsen des Ausstellungsgeländes
beginnen und den zentralen Pavillon, den Palast für Industrie und Handel (heute Halle A) von J. Kalous und J. Valenta,
einschließen. Auch diese architektonische Dominante des
Ausstellungsgeländes durchlief eine komplizierte Entwicklung. Kalous verstand sie zuerst als ein System aus Halbkreisbögen, einer geraden Decke und einer Galerie, ähnlich
einem dreischiffigen Kirchenraum. Die dem Eindruck nach
verzettelte Konstruktion der Halle veränderte der Brünner
Statiker J. Valenta von Grund auf, indem er sie durch dynamischere und den Raum vereinheitlichende Tragebögen mit
parabolischer Form ersetzte. Das resultierende Ergebnis aus
Stahlbeton und Glas gehörte zu den am meisten gelungenen Arbeiten im Bereich der technischen Architektur in der
damaligen Tschechoslowakei.
Am Ende der Ausstellungsstraße entlang der Straße Hlinky
stand der Pavillon der „Brünner Ausstellungsmärkte“ von B.
Čermák (heute Halle G) mit verglastem Aussichtsturm. Einen
wesentlichen Einfluss auf das Aussehen des Ausstellungsgeländes übte auch B. Fuchs aus, der Autor des „Pavillons
der Stadt Brünn“, eines einfachen Ziegelprismas mit Wendeltreppe an der Rückfassade, der bezüglich der Masse und
des Aussehens mit dem benachbarten „Pavillon des Landes
Mähren“ von V. Chroust korrespondierte. Eine utilitäre Gliederung und eine ausgeglichene gestalterische Konzeption
charakterisierten gleichfalls die übrigen Bauten, von denen
viele nach der Ausstellung abgerissen und die von Architekten außerhalb von Brünn entworfen wurden, darunter von
den Architekten aus Prag J. Gočár (Pavillon der Akademie
der bildenden Künste in Prag), P. Janák (Pavillon der Kunstgewerbeschule in Prag), K. Roškot (Pavillon der Stadt Prag)
oder von F.L. Gahura aus Zlín (Pavillon des Kreises und der
Stadt Zlín). Ein Beispiel für die zweckentsprechende Konzeption und zugleich das hohe ästhetische Niveau war unter
anderen der Pavillon des „Werkbunds der Deutschen“ von
V. Baier oder der „Pavillon der tschechoslowakischen Baumeister“ von J. Rössler aus Prag. Alle diese Objekte wurden
jedoch vom Kino-Theater und Café von E. Kralík übertroffen.
Die doppelte Funktion wurde hier einerseits durch die ungegliederte Fläche der Fassade, die vom Grundriss und der dominierenden Kurve der Galerie des Kino- und Theatersaales
eingeschlossen war, andererseits durch die leichte Konstruktion des Cafés mit der Glasfassade, dem offenen Treppenaufgang und der Galerie sowie ihren konstruktivistischen
Details ausgedrückt (z.B. „Dampfergeländer“).
Eine eigenständige Kategorie der „Exponate“ waren die experimentellen Wohnbauten, welche die zeitgenössischen
Vorstellungen vom modernen Wohnen demonstrierten. Den
Versuch eines sparsamen Serientyps für ein Familienhaus
repräsentierte das Stockhaus mit Dachterrasse von O. Starý.
Das Miethaus des „Verbands des tschechoslowakischen
Werks“ von J. Havlíček vermittelte eine neue Konzeption
dieses Bautyps und es dachte auch an seine breitere städtebauliche Einbindung. Das dreigeschossige Objekt mit dem
Treppenhausvorbau, Eckbalkonen und Wohnterrasse auf
dem Flachdach, in dessen Räumen der Verband Wohnungseinrichtungen führender Architekten installierte, stellte
nämlich die zwei mittleren Sektionen eines Blocks in einer
großen Siedlung aus Häusern im Gürtel dar.
Der Bau des Ausstellungsgeländes, der sich bis heute
durch eine unübertroffene tatkräftige Aktivität und Energie auszeichnet, wurde somit nicht nur zum einzigartigen
kulturellen Ereignis, sondern zugleich zur Krönung der bisherigen Entwicklung der Architektur und des Städtebaus,
sowie zur siegreichen Manifestation des Funktionalismus
als tragende und Hauptströmung der tschechoslowakischen Architektur.
14
Familienhauskolonie
„Neues Haus“
Bohuslav Fuchs, Josef Štěpánek, Jaroslav Grunt, Jiří
Kroha, Hugo Foltýn, Miroslav Putna, Jan Víšek, Jaroslav Syřiště, Ernst Wiesner; Brünn, Straße Petřvaldská
ulice 2-10, Šmejkalová ulice 144-148, Drnovická ulice
2-12, Bráfova ulice 109-111; 1927-28
Die experimentelle „Ausstellung des modernen Wohnens
– Neues Haus“ sollte der Öffentlichkeit die Ergebnisse der
bisherigen Bemühungen um das moderne Aussehen eines
kleineren Familienhauses unter Nutzung der Bauneuigkeiten vorstellen. Der Aktion, an der sich neun Architekten beteiligten, ging die Grundstücksteilung unterhalb des WilsonWaldes voran, sie wurde von den zwei beteiligten Autoren
J. Grunt und B. Fuchs durchgeführt. Sie gruppierten die Objekte in einer radialen, längssymmetrischen Anordnung, die
ursprünglich nur Fußwege vorsah. Alle 16 Häuser präsentierten moderne Lösungen. Das Wirtschaftsgeschoss sollte
die Keller und die technische Infrastruktur konzentrieren,
das erste Stockwerk war der zentrale Wohnraum mit Essecke
an einer kleinen, jedoch zweckmäßigen Küche. Das zweite
Stockwerk beherbergte die Schlafzimmer und das Badezimmer, die oftmals zur Sonnenterrasse auf dem Flachdach
führten.
Die Ausstellung erfüllte ihre Aufgabe nur zum Teil, denn nur
einige Häuser, wie die von Víšek, Fuchs und Grunt, befassten
sich mit der aktuellen Frage des Wohnens auf kleiner Fläche.
Trotzdem erwarb die Kolonie nicht nur als Manifest des Wohnens im eigenen Haus, sondern bald auch als vorbehaltlose
Zugehörigkeit zum Funktionalismus Anerkennung.
15
Hus-Gemeinde der
tschechoslowakischen
Hussitenkirche
Jan Víšek; Brünn, Straße Botanická ulice 1; 1926-29
Eine der ersten Kirchenbauten der Nachkriegszeit in Brünn
war die Hus-Gemeinde in der Straße Botanická ulice, sie wurde zwischen 1927 und 1929 basierend auf den Ergebnissen
eines Wettbewerbs errichtet, den die tschechoslowakische
Kirche 1926 ausschrieb und den J. Víšek gewann.
Die Räume des frei stehenden Gebäudes mit Flachdach unterscheiden sich in ihren Funktionen, sie reihen sich auf der
Längsachse parallel zur Straße hintereinander. Die grundlegende Anordnung ist vom Plan einer christlichen Kirche
mit länglichem Schiff und schlankem prismatischen Turm
an der Seite abgeleitet, der auf Wunsch der Kirchenvertreter
symbolisch mit der Hussitensonne abgeschlossen ist. Im Erdgeschoss befindet sich ein gesellschaftlicher Mehrzwecksaal
und im ersten Stockwerk ein Gebetraum, der über die Terrasse erreichbar ist, zu der eine Außentreppe führt. Der Eingang
in den gesellschaftlichen Saal im Erdgeschoss befindet sich
direkt an der Straße.
Das einfache, in der Masse ausgewogene Gebäude der HusGemeinde nimmt im Kontext von Víšeks Arbeit eine Sonderstellung ein, unter anderem auch durch die bemerkenswert
zivile Konzeption dieses Sakralbaus. Er verweist mit seiner
Komposition aus klar begrenzten weißen Kuben jedoch vornehmlich auf die puristische Strömung der Architektur, die
in Brünn ihren festen Platz auch in einer Zeit hatte, als ihre
ursprünglich „reinigende“ Mission bereits zu Ende war, und
die gerade in J. Víšek den echtesten Vertreter fand, wie auch
seine jüngeren Arbeiten überzeugend belegen.
16
Masaryk-Studentenwohnheim
(heute Kinderheim)
Bohuslav Fuchs; Brünn, Straße Cihlářská ulice 21;
1929-30
Auf der Parzelle zwischen den Straßen Cihlářská, Botanická
und Burešová sollte zuerst nur eine Mittelschulmensa und
eine Klinik entstehen. 1926 wurde die Aufgabenstellung
um ein Internat für Studenten mit Wohnsitz außerhalb von
Brünn und um ein Zentrum für ihr gesellschaftliches Leben
erweitert. In der Wettbewerbsausschreibung mit diesem
Programm ging B. Fuchs als Sieger hervor und er erhielt den
Auftrag für die Ausarbeitung des Durchführungsprojekts.
Der Komplex besteht aus zwei mit einer Treppe verbundenen
Gebäuden. Das niedrigere Gebäude war für die Mensa und
Klubräume in der Zwischenetage sowie den Vortragssaal
im Obergeschoss vorgesehen. Im zweiten Gebäude mit vier
Geschossen befanden sich die Studentenzimmer, Studierzimmer und Arztpraxen. Die schmaleren Fassaden des Internats sind mit durchgehenden Balkonen, die breiteren mit
horizontalen Fenstern gegliedert. Der Flügel mit der Mensa
gewinnt mit den verglasten Flächen der Fensterbänder und
den vollen weißen Mauern eine größere Dynamik.
Die zwei Komponenten des Bauprogramms, d.h. der gesellschaftliche Teil und der Wohnteil, wurden hier durch
die wirkungsvolle Komposition der prismatischen Körper
ausgedrückt, die eine gegliederte Gesamtheit gestalten, die
ursprünglich zusätzlich farblich betont war. Die Differenzierung der Massen, unterstrichen durch die Balkone, die
verglaste Wand und das vorgesetzte kleine Dach über dem
Eingang, harmonisierte die städtebauliche Eingliederung
des Gebäudes in die umliegende Bebauung. Das Wohnheim
schloss somit den Häuserblock an den Straßen Cihlářská
und Botanická und schuf einen kleinen Freiraum vor der Dominante des Allgemeinen Pensionsinstituts.
17
Allgemeines
Pensionsinstitut
(heute Oberstes Gericht der Tschechischen Republik)
Emil Kralík; Brünn, Straße Burešova ulice 20;
1930-32
Im Juli 1930 wurde ein Wettbewerb für das Pensionsinstitut
auf dem Bauplatz gegenüber dem gerade fertig gestellten
Masaryk-Studentenwohnheim ausgeschrieben.
Der Auftrag für die Erstellung des definitiven Projekts erging
im November 1930 an E. Kralík. Der Bau begann im Juni
1931 und schon am 20. September 1932 nahmen sowohl
die tschechische als auch die deutsche Geschäftsstelle ihre
Arbeit auf. Die Zeit nach dem Krieg bedeutete ein Kommen
und Gehen mehrerer Institutionen, bis das Sekretariat des
Bezirksausschusses der Kommunistischen Partei KSČ das
Gebäude ab den neunzehnhundertsechziger Jahren in Besitz nahm, für dessen Zwecke 1986 ein unsensibler Überbau
und der Einbau eines abgestuften Saales im Hof nach einem
Projekt von M. Steinhauser durchgeführt wurden. Zum Beginn der neunziger Jahre zogen das Rektorat und das Institut für Computertechnik der Masaryk-Universität Brünn ein.
1993 wurde das Gebäude dem Obersten Gericht der Tschechischen Republik zur Nutzung übergeben.
Das sechsgeschossige Stahlbetonskelett auf U-förmigem
Grundriss mit kürzeren Seitentrakten dominiert auf dem
nicht großen, leicht abschüssigen Gelände. Auf dem Sockel,
der vom Erdgeschoss und dem leicht eingeschobenen Zwischengeschoss gebildet wird, ruht die Masse des Hauptflügels. Trotz der monoton gegliederten Fassade vermittelt das
Gebäude einen ausgeglichenen Eindruck, der vom edlen
verglasten Eingang und dem Vestibül mit Marmorverkleidung unterstrichen wird. Die übersichtliche Anordnung, die
Fülle an Licht und Luft und vornehmlich der menschliche
Maßstab ordnen das Gebäude zu Recht unter den wertvollsten Denkmälern der modernen Architektur in Brünn ein.
18
Miethäuser
Václav Dvořák – Jaroslav Brázda;
Brünn, Straße Kotlářská ulice 34-50; 1938-39
Den Grundstein für das Großstadtambiente der Straße
Kotlářská ulice legte bereits ihre ältere Bebauung, den entscheidenden Impuls gab jedoch ihre schrittweise Sanierung,
beispielsweise mit den Gebäuden an der Ecke der Straße
Botanická ulice von A. Kuba und V. Dvořák aus den Jahren
1930-31 und vornehmlich mit den Miethäusern Nr. 34 bis 50,
die zum Ende der dreißiger Jahre nach einem Projekt von V.
Dvořák und J. Brázda realisiert wurden.
Das architektonische Niveau der neun fünfgeschossigen
Reihenhäuser mit ausgebautem Dach war bemerkenswert
hoch, und zwar zum einen bezüglich der Wohnqualität,
die nicht nur durch den ausgeklügelten Grundrissplan der
Wohnungen, ihre sozial differenzierte Kategorisierung und
den Grad der Ausstattung (Balkon, Wintergarten, Garage,
Aufzug, Gestaltung des Hausumfelds), sondern auch durch
das Bemühen um Ästhetisierung ihres Aussehens erreicht
wurde. Diese Bemühung zeigte sich in diesem Fall mit der
schwarzen und hellen Verkleidung der Fassaden, den Erkern,
den durchgehenden Fenstern, den Nischen mit Balkonen
und nicht zuletzt mit den abgeschrägten Mauerpartien, die
sich immer bei jedem Haus wiederholen und ein plastisches
und dynamisches Element in die statische Orthogonalität
der Hauptfassaden einbrachten.
Der Häuserkomplex sollte die nicht ausgeführte Dominante des Hochhauses an der Ecke der Straßen Lidická und
Kotlářská ulice steigern.
19
Landesmilitärkommando und Kommandostelle
des 3. Korps in Brünn
(heute Universität für Verteidigung)
Bohuslav Fuchs; Brünn,
Straße Kounicova ulice 65; 1936
Auf der Baustelle an der Ecke der Straßen Kounicova und
Zahradníkova ulice ist der Architekt zum zweiten Mal, denn
gemeinsam mit J. Kumpošt hatte er sich schon 1931 in einer nicht realisierten Regulierungsstudie des Akademieplatzes mit der Bebauung dieses Gebiets befasst. Die Pläne für
das Hochschulareal mit Universitätsbibliothek verliefen im
Sande und an seine Stelle trat die Militärkommandostelle
nach einem Wettbewerbsprojekt von Fuchs. Ihre originelle
Biegung im Segment der Eingangsfassade ist beachtenswert, sie sollte im symmetrisch gestalteten Bezirksgerichtsgebäude vom selben Autor ihr Pendant erhalten. Die Durchbiegung des lang gezogenen ungegliederten Blocks ist das
Ergebnis der städtebaulichen Konzeption der Aufgabe. Die
Kurven der Militärkommandostelle und des geplanten Bezirksgerichts sollten den Knick der Straße Kounicova ulice
vor dem Eingang in den Freiraum zwischen ihnen optisch
korrigieren und hinzukommend im Geiste der städtebaulichen Prinzipien des Funktionalismus die Illusion des geraden Straßenverlaufs hervorrufen. Der Bau wurde somit
einerseits zum „reinen“ Werkzeug für die städtebaulichen
Erwägungen, andererseits unterdrückte die Dynamisierung
seines Grundrisses durch die Biegung im Segment die Monotonie der lang gezogenen Hauptfassade. Durch die Großzügigkeit seines Maßstabs und mit seinem städtebaulichen
Effekt avancierte das Gebäude somit zur Dominante in einer
der Hauptstraßen von Brünn.
20
Miethausensemble
Jindřich Kumpošt; Brünn, Straße Pod kaštany 26-30,
Tábor 28a, 28b, 28c, 34a, 34b, 34c, Kounicova 93-97;
1931
Eine der fortschrittlichsten Arbeiten im Bereich des Miethauses mit mittelgroßen und kleinen Wohnungen repräsentierte
um 1930 das Projekt von Kumpošt mit mehreren Varianten
des Dreisektionsmiethauses der Genossenschaften Stavog
und Blahobyt. Und zwar zum einen städtebaulich, wobei
der Autor bei ihrer Anordnung erstmals in Brünn die Zeilenbauweise anwendete, zum anderen aufgrund der Betonung
auf der sozialen Konzeption, die sich hier in der äußerst
sparsamen Lösung der Wohnungen zeigte, und letztendlich
durch den Versuch der Gestaltung eines kleinen Zentrums
mit Dienstleistungen und Kindergarten inmitten von Grünflächen mit Kinderspielplatz.
Die Gruppe der Viergeschosshäuser, die 220 Einraum- bis
Zweieinhalbraumwohnungen boten, bedeckten ursprünglich Flachdächer. Sie bestand aus vier Blöcken mit jeweils
drei Sektionen mit eigenem Eingang. Formell gesehen ist
für die Häuser die Umsetzung eines der funktionalistischen
Grundgedanken charakteristisch, und zwar des Fensterbandes und des Bandes der zurückgesetzten Balkone, die in diesem Fall in einem langen gemeinsamen Streifen verbunden
sind, dem einzigen, dafür ungewöhnlich markanten Gestaltungsmotiv der glatten hellen Fassade.
Zu der typisch funktionalistischen Zeilenhausbebauung kamen 1940 zwei mittlere Blöcke hinzu, die nach einem Projekt
des Stadtbauamts in Brünn errichtet wurden.
21
Café Era
Josef Kranz; Brünn, Straße Zemědělská ulice 30;
1927-29
Das ursprünglich frei stehende Wohnhaus von J. Špunar mit
Café, das von 1927 bis 1929 nach einem Entwurf von J. Kranz
errichtet wurde, gehört zu den architektonisch ungewöhnlich wertvollen Bauten des Brünner Frühfunktionalismus.
Mit dem Entwurf eines Cafés und der Wohnung des Besitzers unter einem Dach in der Form, dass sie voneinander
getrennt sind, meisterte der junge Architekt mit Bravour
eine nicht leichte Aufgabe. Er gliederte das Objekt horizontal in zwei Einheiten mit unterschiedlicher Funktion, d.h. das
Café belegte das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss,
die Wohnung das zweite Obergeschoss. Der Innenraum
des Cafés war als einheitlicher Raum gestaltet, den nur eine
Tragkonstruktion und der aufgehängte Arm der geschwungenen Treppe gliederten, deren gestalterischer Effekt durch
die markante Plastizität und Farbigkeit zusätzlich gesteigert
wurde. Die magische Atmosphäre des Lichts und den Eindruck von Intimität erreichte der Architekt durch den schrägen Lichteinfall von der Straße durch große Fenster und vom
Hof durch eine Glasziegelwand. Die bezeichnende Eigenschaft des Cafés bestand in ihrer ausgewogenen menschlichen Dimension, die mit der Verflechtung und Gliederung
der einzelnen Segmente und oftmaligen Verwendung der
Schrift an einigen Tragelementen und an der Treppe erzielt
wurde. Die Inspiration für die grafisch reine Komposition der
Straßenfront, wo die plastischen Glieder so weit reduziert
wurden, dass sie fast zweidimensional wie ein Plakat wirkte,
stammte wohl von der Fassade des nur wenig älteren Cafés
De Union in Rotterdam von J.J.P. Oud.
22
Villa von Grete und
Fritz Tugendhat
Ludwig Mies van der Rohe; Brünn, Straße Černopolní
ulice 45; 1928-30
Zum Umbruch der 20er zu den 30er Jahren des zwanzigsten
Jahrhunderts entstand in Brünn (Brno) nach einem Entwurf
von Mies van der Rohe die Villa des Ehepaares Tugendhat,
die aufgrund des Radikalismus ihres Kerngedanken und der
ihrer Zeit weit voraus eilenden formalen und technischen Lösung als des Architekten bedeutendstes Werk der Vorkriegsepoche gilt.
Die Grundanordnung, die Gestaltung der Fassade und die
Horizontalität der Villa waren auf das abschüssige Gelände
abgestimmt, das anfänglich neben dem Haus der Eltern von
Grete in der Straße Drobného ulice lag. In der Eingangsetage
befanden sich die Halle und die Schlafzimmer, ein selbständiger Flügel beherbergte die Garage und die Wohnung des
Personals. Die zweite Etage belegten der Hauptwohnraum
mit dem Wintergarten, der durch eine Wand aus Onyx, eine
Wand aus Makassar-Ebenholz und niedrige Möbel gegliedert war, und die Küche mit dem Zubereitungsraum. Die unterste Etage konzentrierte die technischen Anlagen.
Das Werk des ausländischen Projektanten war dem Programm der Brünner Architektur nicht vollkommen fremd, es
hat nur im größeren Ausmaß das realisiert, was schon die
Leitidee von B. Fuchs beim Café Zeman, beim Café des Hotels Avion oder bei seinem eigenen Haus war. Allen diesen
Arbeiten lag der gemeinsame Gedanke zugrunde, die traditionellen geteilten Räume durch einen einzigen „fließenden“
Raum zu ersetzen, der mit dem Umfeld verbunden war. In der
Villa Tugendhat wurde diese Tendenz bis zur Perfektion vollendet, ebenso wie die radikale Beziehung des Innenraums
zur Umgebung. Während die Eingangsetage auf der Stra-
ßenseite mit einer Vollmauer abgeschlossen ist, öffnet sich
die Wohnetage über Glaswände dem Garten. Diese Variante
wird durch die absenkbaren großen Fenster in das Souterrain und die dezenten Farben des Interieurs unterstrichen,
mit denen das Farbenspiel der umgebenden Natur betont
wird. Formvollendet zeigen sich auch die Möbel von Mies,
die noch heute im Ausland angefertigt werden. Selbst der
Entwurf des Gartens, der von der Gartenarchitektin G. Roderová aus Brünn umgesetzt wurde, ist eine Arbeit von Mies.
Er berücksichtigte hierbei die Wünsche der Bauherren, wie
es auch beim Entwurf des Hauses der Fall war. Die Außergewöhnlichkeit des Baus zeigt sich ferner in den technischen
Neuigkeiten, zu denen die Klimatisierung und eine elektronische Sicherheitsanlage mit Fotozelle gehörten.
Die jüdische Familie bewohnte die Villa nur bis zu ihrer Emigration im Jahr 1938. Danach zogen die Büros einer deutschen Firma für Flugzeugmotoren ein, 1945 übernahm die
sowjetische Armee das Haus und zerstörte vor allem die
Innenräume. Die Baustruktur der Villa blieb aber auch bei
der Nutzung durch eine Tanzschule und die Rehabilitationsabteilung des Kinderkrankenhauses erhalten. Schon ab
den neunzehnhundertsechziger Jahren verstärkten sich die
Stimmen für eine Erneuerung des Hauses, was zum Teil erst
zwanzig Jahre später gelang, als die wieder hergerichtete
Villa vom Nationalausschuss der Stadt Brünn genutzt wurde. Gleich nach der Wende im November 1989 wurde ein
würdigerer Verwendungszweck gefordert, infolge dessen
sie 1994 in die Hand des Museums der Stadt Brünn gelangte
und für Besucher geöffnet wurde. Ein Jahr später erlangte
die Villa den Status des Nationalen Kulturdenkmals und im
Jahr 2001 erfolgte ihre Eintragung in die UNESCO-Liste des
Weltkulturerbes.
23
Tschechische MasarykVolksschule für Jungen
und Mädchen
(heute Grundschule)
Mojmír Kyselka sen.; Brünn, Straße Zemědělská 29;
1930-31
Eine der wertvollsten Umsetzungen des Brünner Funktionalismus, das in der Masse reich gegliederte symmetrische
Gebäude mit höchst eindrucksvoller Flächenkomposition,
ist auch mit seiner Anordnung auf dem Prinzip einer Hallenschule bemerkenswert.
Die Symmetrie der Innenaufteilung mit Halle, Speise- und
Lesesaal in der Mitte, die dem Typ der gemeinsamen Jungen- und Mädchenschule gerecht wird, zeigte sich im vollen
Umfang auch bei der Konfiguration der Hauptfassade der
Schule und am axialen Eingangsvorbau mit Terrasse. Diese
Front avancierte zugleich zum Hauptträger der gestalterischen Werte des Gebäudes. Die mit höchster Sensibilität
geschaffene Ausgewogenheit zwischen den Dimensionen
des horizontal orientierten Blocks, der Form der Fenster und
ihrer Beziehung zur umliegenden Fläche und der nur mit
minimalen Mitteln erreichten Gebäudeeleganz allgemein
verweisen auf den starken Einfluss der funktionalistischen
Architektur von Le Corbusiers Auffassung.
Die Schule, der ein Kindergarten angeschlossen war, stand
in einem weitläufigen Garten mit zwei großen Sportplätzen
und einem Schwimmbecken, sie verfügte zudem über eine
Schwimmhalle mit Duschen und sogar die Beratungsstelle
eines Kinderarztes. Kyselkas Schule weckte aufgrund ihres
anspruchsvollen Programms und des hohen Niveaus ihrer
gestalterischen Form bereits in der Zeit ihrer Entstehung
Aufmerksamkeit, und zwar nicht nur in tschechischen Fachkreisen, sondern auch im Ausland.
24
Stadtbad
Bohuslav Fuchs;
Brünn, Straße Zábrdovická ulice 25; 1929-31
1929 wurde ein Wettbewerb für den Bau eines Stadtbades
ausgeschrieben, in dem B. Fuchs als Sieger hervorging. Das
Durchführungsprojekt arbeitete er gemeinsam mit den Angestellten der Städtischen Wasserwerke aus. Der Bau begann im Mai 1931 und im Juni des darauf folgenden Jahres
erfolgte die feierliche Eröffnung.
Die unter den städtebaulich unvorteilhaften Bedingungen
der Industrievorstadt geplante Badeanstalt war als zwei eigenständige Betriebsteile für Sommer und Winter konzipiert.
Das Stahlbetonskelett des prismatischen zweigeschossigen
Gebäudes des Winterbades, das viele Dienstleistungen und
Funktionen unter seinem Dach vereinte, ermöglichte eine
zweckmäßige Anordnung, auch außen kam es als effektive
Komposition aus hellen Konstruktionsrahmen und leichten
Füllungen aus Rohziegeln zur Geltung. Dem Sommerbad
mit Schwimmbecken, Rasenflächen und Sportplätzen verlieh der eingeschossige Garderobenbau mit vorgesetzter
Treppe, durchgehenden Kommunikationsrundgängen und
Sonnenterrasse den eindrucksvollen architektonischen Rahmen.
Die ihrer Zeit vorauseilende Resonanz der Badeanstalt in Zábrdovice beruht jedoch nicht nur auf ihrer architektonischen
Gestaltung mit enthaltsamen funktionalistischen Mitteln
und auf der perfekten Lösung der Aufgabe betreffend des
schwierigen Betriebs, sondern besonders auf dem Gefühl für
Harmonie, Zwanglosigkeit, Gesundheit und Freude, die das
Areal hervorrief. Schon deshalb hat die heutige Fachliteratur
das Stadtbad mit Recht als eine der am höchsten entwickelten Bauten der tschechoslowakischen Architekturavantgarde bezeichnet.
25
Eigenes Familienhaus
(„Haus für zwei Junggesellen“)
Otto Eisler; Brünn, Straße Neumannova ulice 10;
1930-31
Die originelle Bezeichnung des Hauses, die häufig in der
Fachliteratur zu lesen ist, wählte der Projektant selbst, weil er
darin mit seinem gleichfalls ledigen Bruder Moritz lebte. Wie
die Bezeichnung ist auch die Innenanordnung des Hauses
individuell, sie entspricht dem Lebensstil und den Vorlieben
des Architekten, der ein begeisterter Sportler, Amateurmusiker, Botaniker und Zoologe war.
Das Haus steht in der Mitte eines abschüssigen alten Obstgartens, dessen Ursprünglichkeit der Architekt im höchsten
Grade beließ. Auf dem Souterrain mit den Wirtschaftseinrichtungen lagert das Erdgeschoss, das von einem großen
Wohnraum beherrscht wird, der sich mit breiten Glastüren
in den Garten öffnet. Im Obergeschoss befinden sich zwei
Schlafzimmer und dazwischen ein gemeinsames Zimmer,
das auf einen Balkon führt, der sich über die ganze Breite der
Süd- und Ostfassade zieht. Das Dachgeschoss bietet einen
Wintergarten mit Voliere, Dusche und offener Terrasse für
gymnastische Übungen.
Das Haus für zwei Junggesellen belegt den allmählichen
Entwicklungsweg des Projektanten vom rationalen Purismus
zum Funktionalismus, die Verwandtschaft mit den Werken
von Eislers Lehrern an der Brünner Deutschen Technischen
Hochschule und letztendlich die Lehren aus den Villen von
A. Loos und E. Wiesner, deren ausgesprochene Exklusivität
er für die Bedürfnisse der höheren Mittelschichten umtransformierte.
26
Fachschule für Frauenberufe Vesna
(heute Medizinische Mittelschule und Höhere medizinische Fachschule)
Bohuslav Fuchs – Josef Polášek;
Brünn, Straße Lipova ulice 16-18; 1929-30
Eliška-Machová-Heim
(heute Kinderheim)
Bohuslav Fuchs; Brünn, Straße Lipová ulice 16-18;
1929-30
Die zweigeschossige frei stehende Schule mit Dachterrasse
und vorgesetzter Turnhalle wurde ohne die üblichen Gänge projektiert, deren Funktion ein durchlaufender Balkon
übernahm. Die mittlere Tragwand ersetzten Pfeiler und Faltwände, die eine Erweiterung des Unterrichtsraumes um die
angrenzenden Arbeitsräume gestatteten, die durch Einbaumöbel abgetrennt waren. An die Schule band baulich und
kommunikativ das viergeschossige Heim an, das ursprünglich als Mädchenpensionat und Internat für berufstätige
Frauen geplant war.
Beide Gebäude offerierten mit ihrem Programm und ihrer
Realisierung viele Neuigkeiten. Bei der Aufteilung der Schule
wurden die fortschrittlichsten Lehrmethoden bedacht und
bei beiden Gebäuden kam wohl erstmalig in der Tschechoslowakei ein neues Konstruktionssystem zur Anwendung.
Dieses System beruhte auf der Übertragung der Tragfunktion von den Längsmauern auf die Mauern zwischen den
Räumen und auf der Querlagerung der Decken. Die Masse
der Fassade wurde dadurch soweit entlastet, dass von ihr
nur ein Skelettraster mit großen Fenstern übrig blieb. Wie die
Fassade des Heims zeigte, ermöglichte das neue System kastenförmig zurückgesetzte Balkone, mit denen sich der Bau
dem Umfeld öffnete und zugleich Licht und Luft hereinließ.
Das Konstruktionssystem verkürzte zudem die Ausführungszeit für den Rohbau des Zimmergeschosses des Heims auf
nur 5 bis 6 Tage.
27
Eigenes Familienhaus
Jiří Kroha; Brünn, Straße Sedlákova ulice 45;
1928-29
Das zweigeschossige Eckhaus auf länglichem Grundriss
steht am Ende der Straßenbebauung am Fuß eines steilen
Hangs, von dem ein Teil als Ziergarten gestaltet ist. Durch
den Garten an der Straße Sedlákova ulice gelangt man auf
den kleinen Hof, wo sich der Haupteingang in das Haus befindet. Das Erdgeschoss konzentriert die technischen Einrichtungen, im ersten Obergeschoss findet das Familienleben statt: Halle, Wohnzimmer mit Essecke, eine kleine Küche
und Betriebsfläche. Die höchste Etage mit den Schlafzimmern besitzt auch eine Erholungsfunktion, denn hier liegt
der Balkon mit der anbindenden Sonnenterrasse. Originell
ist die Konzeption der Wohnetage, die aus einem System
von miteinander verbundenen Räumen mit Durchsichten in
das Innere und in den Garten besteht, ebenso wie die Ausführung der Fassaden. Während die nur mit einem farblich
abgesetzten Vorbau belebte Straßenfront einen geschlossenen Eindruck vermittelt, überrascht die Gartenfassade
mit dem vorherrschenden großen Fensterband durch ihre
Gliederung. Am plastisch betonten Effekt des Gebäudes hat
auch die Fassadenfarbe ihren Anteil, sie ist eine dynamische
Komposition aus Olivgrün, Weiß, Rot und Schwarz.
Das Haus repräsentiert eines der Beispiele für Krohas dichte Annäherung an die Grenzen des Funktionalismus, die er
jedoch niemals überschritten hat. Er bemühte sich in seiner
Arbeit immer um die Symbiose der technischen und der gestalterischen Komponente, was im jähen Widerspruch zu den
Grundpostulaten besonders des Hochfunktionalismus stand.
28
Eigenes Familienhaus
Bohuslav Fuchs;
Brünn, Straße Hvězdárenská ulice 2; 1927-28
Die Garage und die Betriebseinrichtungen des zweigeschossigen, frei stehenden Hauses belegen das Souterrain,
das Erdgeschoss und die erste Etage bilden die einstöckige
Wohnhalle mit umlaufender Galerie – der Bibliothek. Zur
Halle gehören ein Wintergarten und ein Speisezimmer mit
anbindender zweckmäßiger Küche. Das erste Obergeschoss
beherbergte neben der Bibliothek auch das Projektierungsbüro und das Atelier von Fuchs. Die höchste Etage war für
die Schlafzimmer, die Gästezimmer, das Ankleidezimmer
und das Badezimmer vorgesehen. Das gerade Dach war
zugleich die Ruheterrasse. Für die vertikale Kommunikation
zwischen Erdgeschoss und Dachterrasse sorgte eine Wendeltreppe. Die Straßenfront ist schlicht, auf der Gartenseite
dominiert das einstöckige Fenster der Halle.
Das Hausinnere konzipierte der Architekt abermals nicht in
der Art der traditionellen Anordnung genau definierter Räume, sondern durch die Verwendung des variablen Grundrisses sowie des Schiebesegments der „Mauer“ und der Vorhänge in der Wohnhalle als horizontal und über Durchsichten in
die Etage auch vertikal einheitlichen Raum. Das Haus sollte
demnach nicht mehr nur eine gut funktionierende „Maschine zum Wohnen“ sein, sondern eine inspirierende Atmosphäre bieten, die den geistigen Bedürfnissen der Benutzer
förderlich ist.
Mit der Realisierung seines Vorhabens, das von der Arbeit
Le Corbusiers beeinflusst war, überwand Fuchs die frühe,
rationelle Phase des Funktionalismus hin zur ästhetischemotionalen Auffassung, und im gewissen Maße nahm er
die radikale Interpretation des Innenraums durch Mies van
der Rohe vorweg.
Sparkasse
der Stadt Tišnov
(heute Komerční banka)
Bohuslav Fuchs – Jindřich Kumpošt;
Tišnov, Platz Komenského náměstí 4; 1931-33
Der Neubau der Sparkasse der Stadt Tišnov entstand Anfang
der neunzehnhundertdreißiger Jahre in der exponierten Ecklage an der Stelle des Zusammentreffens zweier zum Hauptplatz führender, steil ansteigender Straßen auf dem Grund
des früheren Hotels „Zum Goldenen Hirsch“.
Die reife funktionalistische Arbeit der Brünner Spitzenarchitekten gründet sich als zweiflügeliger viergeschossiger
Mehrzweckbau auf den subtilen Pfeilern der stellenweise
nach außen hin gebilligten tragenden Stahlkonstruktion.
In den niedrigeren Etagen des Hauptflügels, der an die älteren Reihenhäuser anbindet, lagen die Räumlichkeiten für
den Publikumsverkehr, der hintere Trakt diente der internen
Verwaltung der Institution, in den höheren Stockwerken waren Arztpraxen und Wohnungen projektiert. Das Gebäude
bedeutete einen radikalen Eingriff in die umliegende historische Bebauung, und zwar aufgrund des auffallenden
entlasteten prismatischen Körpers des Hauptflügels, durch
Zurücksetzen des breiten Eingangs, durch den verglasten
Hallenerker, der den Balkon trug, durch die Fensterbänder
mit kleinen Zwischenpfeilern, welche die zweckmäßige Innenanordnung nach außen reflektierten, durch große Glasziegelflächen für die Lichtversorgung des Treppenaufgangs,
und letztendlich durch die offene Terrasse in der zweiten Etage an der abgeschrägten Ecke.
Das Gebäude des Geldinstituts bewahrte sich seine ursprüngliche Mission bis heute, auch wenn der jetzige Nutzer
– die Bank Komerční banka, vornehmlich die originell gestalteten Innenräume für ihre eigenen Zwecke veränderte.
Mährische Bank
(heute Sparkasse Česká spořitelna)
Josef Polášek;
Boskovice, Platz Masarykovo náměstí 14; 1936-37
Das dreigeschossige Reihenhaus, das an der Stelle eines Bürgerhauses vom ausgehenden 18. Jahrhundert gebaut wurde, hat einen trapezförmigen Grundriss, der sich zum Hof
hin verbreitert, wo ein quer orientiertes Erdgeschossobjekt
mit Dienstwohnung steht. Die Räumlichkeiten für den Publikumsverkehr und das Büro des Direktors befinden sich im
Erdgeschoss, in den zwei höheren Etagen liegen Wohnungen, sie verfügen zum Platz hin über zwei zweiteilige Fenster,
die in Richtung zum länglichen Balkon gehen, und ein vierteiliges Fenster. Das Gebäude bedeckt ein Flachdach, das
die umliegende Bebauung nicht überragt. Die ausdrucksvolle horizontale Tendenz, die in den Stockwerken durch die
Balkone und Fensterreihen zum Ausdruck kommt, zeigt sich
ferner an der Zwischenetage und am Parterre mit den zurückgesetzten Eingängen in die Bank sowie am Treppenaufgang zu den Wohnungen und an den zwei Schaufenstern.
Die ursprüngliche Decke – das Raster aus Milchglastafeln
und Metallstäben -, die Eingangstür, die Kalktuffverkleidung
der Wände und der Tragsäule belegen die hohe Qualität
der Ausführung, die auch an den Auslagen aus Klarglas im
Metallrahmen im Erdgeschoss und an den durchsichtigen
Flächen zu sehen ist, die zur Zwischenetage gehören. Überlegte Enthaltsamkeit charakterisieren auch die Innenräume
der Bank mit überlieferten „kleinen Spielen“, wie den runden
Schuhabtretern und den Beleuchtungskörpern ähnlicher
Form über ihnen.
Die gestalterische Dominante der Hoffassade ist die bei
Polášek beliebte Vertikale des Treppenfensters, das aus Glasbausteinen zusammengesetzt ist.
Kreiskrankenkasse
(heute Grundschule für Kunst)
Jindřich Kumpošt;
Boskovice, Platz náměstí 9. května 7; 1928-32
Der längere zweigeschossige Gebäudetrakt auf einem
Grundriss in L-Form ist horizontal in den Sockel (Erdgeschoss), der mit Naturstein verkleidet ist, und in das Obergeschoss mit einer Reihe regelmäßig angeordneter Fenster
mit Zwischenpfeilern unterteilt, die auch im Erdgeschoss
auftreten. An diesen Flügel bindet rechtwinklig der kürzere
dreigeschossige Trakt mit Satteldach an, der im Erdgeschoss
auch mit Stein verkleidet ist. Die gestalterische Betonung
der Fenster in der zweiten Etage dieses Objektteils mit Hilfe
plastischer Simse aus farbigem kontrastierendem Material
verrät, dass sich hinter ihnen die für den Betrieb wichtigen
Räume wie der Sitzungssaal befanden. Die Dominante des
Gebäudes ist der überdimensionierte „Turm“, der mit dreieckigen Spitzen abgeschlossen ist. Den freien Teil des Erdgeschosses mit dem Haupteingang überdeckt der Sockel des
Eckbalkons, der von einem Steinpfeiler getragen wird. Das
betonende Element der Seitenfassade des „Turms“ ist das
schmale vertikale Treppenfenster.
Für den originellen „Turm“, der wohl vom deutschen Expressionismus der beginnenden neunzehnhundertzwanziger
Jahre inspiriert wurde, ist nur schwer eine Erklärung zu finden, besonders wenn er im Umfeld der kleinen Stadt derart
fremdartig wirkt und den gestalterischen Effekt des ansonsten nüchternen Baus aus dem Gleichgewicht bringt. Bemerkenswert sind jedoch die Innenräume, und zwar durch die
vielen erhaltenen authentischen Elemente, von denen im
Vestibül die Säule mit figuralen Reliefs des Brünner Bildhauers F. Fabiánek den Ton angibt.
Geschäfts- und Wohnhaus von Eduard
Sedlmajer
(heute Verkaufsstelle Mountfield)
Václav Hilský – Rudolf Jasenský; Rousínov, Platz
Sušilovo náměstí 25; 1939
Die Tradition der Möbelproduktion reicht in Rousínov bis in
die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück und sie ist hier mit der
Familie Sedlmajer verbunden, die schon damals ihr Gewerbe am heutigen Platz Sušilovo námestí 25 betrieb. An seiner
Stelle entstand 1939 ein Neubau, der unter seinem Dach
einen geräumigen Ausstellungsraum mit Verkaufsstätte im
Erdgeschoss, eine Werkstatt im Hof und eine Vier-RaumWohnung mit Zubehör im Obergeschoss vereinte, das über
eine Holztreppe mit dem Erdgeschoss verbunden war. Zwei
der drei Räume zum Platz hin erhielten durch das Fensterband Licht, der dritte und größte Raum verfügte über eine
flache Loggia mit Wintergarten. Die in der Masse geschlossene, streng geometrische bis grafisch reine Fassade, die mit
braunen und weißen Keramikfliesen verkleidet war, erhielt
durch den horizontalen Wechsel der Glasflächen der Schaufenster und Fenster mit den Vollmauersegmenten Rhythmus.
Einen effektvollen gestalterischen Akzent bot die Firmenaufschrift auf dem Dachaufsatz.
Das Reihenhaus mit kleinerer Dimension, das sich sensibel
in das Umfeld der kleinen Stadt einfügt und kultiviert an die
ältere benachbarte Turnhalle angrenzt, repräsentiert ein
hochqualitatives Beispiel für die ausklingende funktionalistische Konzeption eines Mehrzweckbaus. Seine Autoren haben jedoch selbst in einer derart späten Phase konsequent
an der rechtwinkligen Ordnung des Hochfunktionalismus
festgehalten, der damals schon allgemein durch seine weichere, „emotionale“ Position ersetzt wurde.
Sparkasse
der Stadt Kyjov
(heute Česká spořitelna)
Miloslav Kopřiva; Kyjov, Platz Masarykovo náměstí
2; 1925-26
Das Gebäude repräsentiert ein Beispiel des frühen, äußerst
enthaltsamen Funktionalismus, der sich nur zögerlich sowohl in der Arbeit von Kopřiva, als auch im Umfeld der kleineren Stadt durchsetzte.
Der einfache Neubau der Sparkasse entstand an der exponierten Stelle an der Frontseite des Hauptplatzes neben dem
Renaissancerathaus. Diesem passt sich das dreigeschossige
Objekt mit vier Fensterachsen in seiner Höhe an, zudem stellt
es eine Beziehung über den Stockerker her, eine moderne Parallele zum gleichfalls hervortretenden, aber höheren Rathausturm. Während die oberen zwei Etagen der Sparkasse
mit einer Reihe kleinerer rechteckiger Fenster in plastischen
Einfassungen durchbrochen sind, ist das Erdgeschoss mit
drei großen Glasflächen, die eher an Schaufenster erinnern,
schon absolut modern gestaltet. Die neue Konzeption des
offenen Erdgeschossbereichs hebt sich besonders im Kontrast zum nicht großen Eingang hervor, der in ein traditionelles, mehrfach abgesetztes Gewände eingepasst ist.
Die Angemessenheit des Ausdrucks des Gebäudes ist bis zu
einem gewissen Grad zweifellos beabsichtigt. Aus derselben
Zeit stammt auch die Kreiskrankenkasse von Kopřiva in der
nahe gelegenen Stadt Uherský Ostroh, ein überraschend
dynamisches Objekt, das aus mehreren, sich untereinander
durchdringenden kubischen Körpern zusammensetzt ist.
In Kyjov arbeitete der Architekt jedoch inmitten der historischen Bebauung, die er gerade mit der enthaltsamen Konzeption der Sparkasse sensibel zu respektieren versuchte.
Familienhaus von Stella
und Arnošt Hayek
Bohumil Tureček;
Kyjov, Platz Seifertovo náměstí 21; 1931-32
Das Haus steht im Stadtteil Na Újezde, im Gartenviertel,
wo in der Zwischenkriegszeit eine Reihe typologisch unterschiedlicher Wohnhäuser für private Kunden entstand – Familienhäuser, kleine Mietvillen oder auch kleinere Miethäuser.
Das Gebäude steht frei auf einem unregelmäßigen Grundriss, der konsequent mit rechtwinkligen Linien begrenzt ist.
Die übersichtliche Anordnung entwickelt sich von innen
nach außen und sie reflektiert sich zudem in der Aufteilung
der Fenster und Türen. Der Kern des Erdgeschosses besteht
aus der zentralen Halle mit dominierendem Kamin, die von
den Hauptwohn- und Kommunikationsräumen umringt ist.
Von der Halle führt eine Treppe in das unvollständige Dachhalbgeschoss mit Gästezimmer, später ein Kinderzimmer,
ferner Wäsche- und Trockenraum. Auf dem restlichen Teil
dieser Etage erstreckte sich eine große Ruheterrasse, die mit
subtilen Rohrgeländern mit Feldern aus leichten Drahtnetzen abgeschlossen ist.
Der Haupteingang befindet sich in der Südfassade, die zum
Großteil aus der Glaswand der Veranda besteht, die leicht
in das Hausinnere zurückversetzt ist. Das Fensterband des
leicht hervortretenden Speiseraums bringt zudem auch der
Westwand eine deutliche Entlastung.
Die klare Komposition der effektvoll gesteigerten Massen
verschwand nach den rücksichtslosen Umbauten nach dem
Krieg, als das frühere Eigentum der jüdischen Familie in den
Besitz des tschechoslowakischen Staates gelangte.
Familienhaus von Marie
und Metoděj Souček
Josef Polášek; Kyjov, Straße U Parku 2; 1929-30
Das frei stehende Haus verfügt über einen übersichtlichen
Grundriss in L-Form mit den Hauptwohnräumen im längeren Flügel und einer Kunstgalerie im kürzeren Trakt. Die
Galerie, in der Werke aus Součeks eigener Sammlung ausgestellt waren, wird mit indirektem Streulicht erhellt, das über
den verglasten Dachreiter in der Form einer lang gezogenen
Pyramide einfällt.
Der Erdgeschossbau ist aufgrund des abschüssigen Geländes zum Teil in den Boden eingesenkt. Das Souterrain beherbergt die technischen Einrichtungen für das Haus und die
Garage, deren überirdischer Teil schräg zur Fassade errichtet
ist, was an die Form eines Schiffskiels erinnert, eines der vom
Architekten mit Vorliebe eingesetzten nautischen Motive.
Die Masse der Garage dient zugleich als Sockel für die Terrasse des Wohnzimmers, das mit einem langen Fensterband
durchbrochen ist. Das Objekt bedeckt – ausgenommen der
Galerie – ein Flachdach, das als Ruheterrasse genutzt wird,
die ein subtiles „Dampfschiffgeländer“ begrenzt.
Die erste Arbeit von Polášek für einen privaten Bauherrn ist
das älteste Glied in einer Kette von mindestens zwölf Familienhäusern, die nach seinen Projekten in Kyjov gebaut
wurden. Eine Ausnahme bildet die bei uns weniger häufig
angewendete Erdgeschossanordnung, die auf die holländische Architektur verweist, konkret auf die eigene Villa des
Architekten H. Wegerif in der Nähe von Haag, die Polášek
1928 während seines Studienaufenthaltes in Holland kennen lernte.
Kreisamt
(heute Arbeitsamt)
Jan Víšek; Hodonín, Straße Národní třída 25;
1936-39
Das letzte, in der Zwischenkriegszeit realisierte große Projekt
der Stadt Hodonín war in der zweiten Hälfte der 30er Jahre
der mehrfach verschobene Bau des Kreisamtes, das an der
Stelle der gleichlaufenden Straßen Národní třída und Velkomoravská ulice entstand.
Das Projekt erstellte 1936 J. Víšek, der mit der klaren rational
begründeten Konzeption dieses Objekts in die puristische
Etappe seiner Arbeit zurückkehrte, die ihm sein Leben lang
sehr nahe stand. Der nüchterne Bau, der auf strengen und
genauen, fast „mathematischen“ Proportionen und Beziehungen fußte, beherrschte mit seiner Monumentalität vollständig die exponierte Stelle im Kern der Stadt und er setzte
hinter das Vordringen der regionalen „Eigentümlichkeit“ in
die örtliche moderne Architektur einen Schlusspunkt. Dieser
Punkt war aber recht hart. Das in der Masse überdimensionierte viergeschossige Gebäude mit zwei Flügeln auf einem
Grundriss mit dem Buchstaben L mit langen Straßenfassaden, dem nur der monotone Rhythmus der Fensteröffnungen
Gliederung verlieh, verschluckte vollständig die umliegende
kleinere Bebauung, woran auch die großen geschlossenen
Flächen des hellen Putzes keinen geringen Anteil hatten.
Auch wenn das Gebäude einerseits ein überzeugendes Beispiel für den Einfluss der überregionalen, vielleicht übernationalen Tendenzen repräsentiert, die schon früher aus dem
Kreis von Víšeks lebenslangem Vorbild A. Loos bekannt waren, stellt sich andererseits die Frage, ob die Architektur in
kleineren Städten diesen Weg beschreiten sollte.
Höhere weiterführende
Schule Masaryk
(heute Mittelschule für Gewerbe und Kunst und Höhere Fachschule)
Jaroslav Grunt; Hodonín, Straße Brandlova 32;
1929-30
An den zweigeschossigen frei stehenden Block lehnte sich
an der einen Seite mit einem schmalen Hals senkrecht der
prismatische Pavillon mit den Werkstätten und auf der anderen Seite in der Längsachse ein Vordach für die Fahrräder
und ein Lager an. Das Hauptgebäude war als Zweitrakt mit
Unterrichtsräumen in Richtung zum Hof und den übrigen
Räumen (Direktionszimmer, Lehrerzimmer, Kabinette u.a.)
in Richtung zur Straße projektiert. Die Kabinette und die
Unterrichtsräume waren miteinander verbunden und mit
Einbaumöbeln ausgestattet. Die Separation der Metallwerkstatt und der Holzwerkstatt in den Seitenpavillon trennte
den lärmintensiven vom leisen Betrieb der Schule.
Die längliche Fassade des Hauptgebäudes ist mit den drei
horizontalen Linien der regelmäßig angeordneten Fenster, dem Eingang mit dreieckförmigen Dach, das von einer
schlanken Säule getragen wird, und den zwei großen länglichen Fensteröffnungen darüber gegliedert. Die Seitenfassade zeichnet sich durch die Vertikale des Treppenfensters aus
Glasziegeln aus. Das Flachdach mit Rohrgeländer wurde als
Terrasse genutzt.
Grunts erste architektonische Aufgabe für Hodonín zum
Umbruch der 20er und 30er Jahre ist ein wichtiger Meilenstein in der Baugeschichte der Stadt, der gleichsam symbolisch einen Trennstrich zwischen dem zu Ende gehenden
Jahrzehnt, das von der recht einseitigen Arbeit von A. Blažek
repräsentiert war, und der nachfolgenden Dekade zieht , die
durch die gemäßigte, „regionale“ Form des Purismus und
Funktionalismus charakterisiert wurde.
Tyrš-Volksschule
und Kindergarten
(heute Grundschule und Kindergarten)
Bohuslav Fuchs; Znojmo, Straße Vrchlického ulice 1;
1931
(Städtische Volksschule; Bohuslav Fuchs; Znojmo, Straße
Slovenská ulice 33; 1931
Weil die Kapazität der Schulen in Znojmo zum Beginn der
dreißiger Jahre an ihre Grenzen stieß, entschied der Stadtrat für den Bau von zwei tschechischen Volksschulen mit
angeschlossenen Kindergärten. Mit der Ausarbeitung des
Projekts wurde B. Fuchs beauftragt. Er entwarf die Schulen
an zwei Lokalitäten als fast identische, nur seitenverkehrte
Objekte.
Jedes von ihnen verfügt über einen lesbaren Grundriss, der
aus zwei in der Längsachse aneinander liegenden Rechtecken zusammengesetzt ist. Der zweigeschossige Teil mit
neun Fensterachsen war für die Volksschule reserviert, im
Erdgeschossblock mit sechs Achsen befand sich der Kindergarten. Das Gebäude bedeckt ein in der Höhe differenziertes Flachdach, das über dem Kindergarten als Spielterrasse genutzt wurde, die ein Metallgeländer mit leichten
Drahtfeldern begrenzte. Die länglichen Fassaden erhalten
ihren Rhythmus mit Reihen großer Fenster, welche die Innenräume mit viel Licht und Luft versorgen. Den entlasteten, fast spielerischen Eindruck von diesem psychologisch
günstig dimensionierten Bau steigert der einheitliche helle
Putz, der die ursprünglich entworfene farbliche Unterscheidung und Verkleidung der Fassaden ersetzte. Das Gebäude
wurde somit zwar um ein ausdrucksvolles gestalterisches
Element gebracht, was die Farbe und die Kombination
verschiedener Materialien zweifellos ist, trotzdem, oder gerade deshalb gehört es zu den reinsten Belegen des Hochfunktionalismus in Znojmo.
Kaufhaus
Kratochwil & Wozelka
(heute Spielhalle)
Robert Farsky; Znojmo, Platz Slepičí trh 5; 1930
Den größten Eingriff in das historische Zentrum von Znojmo
(Znaim) bedeutete der Neubau des Kaufhauses für Textilien
und Kurzwaren der Firma Kratochwil & Wozelka an der Ecke
der Straße Kovářská ulice zum Platz Slepičí trh, der nach dem
Projekt des Brünner deutschen Architekten an der Stelle des
Loosschen Buchladens entstand.
Die Konzeption der Hauptfassade des zweigeschossigen Gebäudes, die zum Platz Horní náměstí gerichtet ist, entwickelt
sich vom leicht tiefer liegenden Ecksegment, das mit schlanken „Halbsäulenvorlagen“ an der Wand und schmalen Fenstern zwischen ihnen reich gegliedert ist. Zur gestalterisch
wirksamen plastischen Modellierung der Masse und zugleich
zu ihrer Entlastung tragen im Wesentlichen auch die offenen
Balkone bei, die sich mit den Fenstertafelflächen und Vollmauerabschnitten abwechseln. Der Fassade dominiert die
schmale Vertikale aus Milchglas im Metallrahmen, in dem
vermutlich die Firmeninschrift platziert war. Der Großstadtcharakter des Hauses wird mit dem modern gelösten Erdgeschossbereich mit großen verglasten Schaufenstern der
Geschäfte abgerundet, eine Steigerung bringt abermals der
segmentierte, nach innen gezogene Eckeingang mit einer
gleichfalls aus Milchglas und Metall gearbeiteten Decke.
In erster Linie die frühe Verwendung der Kurve und der vertikalen Gliederung reiht dieses wenig bekannte, aber originelle Objekt, das mit seiner Größe auch die umliegende Bebauung respektiert, schon fast in die Kategorie des späten,
so genannten emotionalen Funktionalismus ein.
Haus der Dienste Baťa
(heute Schuhgeschäft Baťa)
František Lydie Gahura – Arnošt Sehnal; Znojmo,
Platz Horní náměstí 1; 1928-29
Ende der neunzehnhundertzwanziger Jahre entstand im
historischen Zentrum von Znaim (Znojmo) das älteste hiesige funktionalistische Gebäude – das Haus der Dienste Baťa.
Obwohl die Firma schon 1928 das alte Eckhaus gekauft
hatte, an dessen Stelle der Neubau rücken sollte, erhielt sie
infolge der Differenzen mit dem Denkmalinstitut in Brünn
(Brno) erst im darauf folgenden Jahr die Abriss- und Baugenehmigung, und zwar anfangs hinzukommend unter der
Bedingung, dass nur ein Teil des bestehenden Hauses abgerissen und der zweite Teil für die Erfordernisse der Firma
umgebaut wird.
Die Pläne arbeitete ursprünglich F.L. Gahura aus, später
wurden sie jedoch von Projektant A. Sehnal aus Zlín abgeändert, der – mit Sicherheit zum Nachteil der endgültigen
Realisierung – vermutlich die beabsichtigen Fensterbänder
dieses ersten Stahlbetonbaus in der Stadt durch fade Reihen typisierter dreiteiliger Fenster ersetzte. Der kompakte
Kubus des viergeschossigen Objekts an der Ecke des Platzes
Horní náměstí und der Straße Kovářská ulice erhielt somit ein
schwerfälliges Aussehen, das zusätzlich durch das Minimum
an gliedernden Elementen betont wurde, und er erdrückte
vollständig die kleinere umgebende Bebauung. Die offensichtliche schöpferische Ratlosigkeit der Autoren dieses in der
Höhe und in der Masse überdimensionierten Würfels, dessen
gestalterische Qualitäten höchstens im verglasten Parterre
mit abgeschrägter Eingangszone gesehen werden konnten,
trat im Vergleich mit dem unweit gelegenem originell gelösten Kaufhaus Kratochwil & Wozelka noch stärker hervor.
Villa
von JUDr. Josef Mareš
Jan Víšek; Znojmo, Straße Na Vyhlídce 4; 1931-32
Für seinen Repräsentationssitz wählte sich der damalige
Bürgermeister der Stadt Znaim (Znojmo) den exponierten
Platz über dem Tal der Dyje (Thaya). Der Freund der Familie J. Víšek entwarf einen effektvollen Bau, den mit gewissen
Änderungen unter Zustimmung des Autors der ansässige
Baumeister L. Všetečka realisierte.
Das dreigeschossige Haus mit Dachhalbgeschoss beherbergt im Erdgeschoss neben der Wohnung für den Hausmeister eine Eingangshalle, die über eine Treppe mit der
nächsten Etage verbunden ist. In dieser Etage befanden sich
die Wohnung der Mutter von Mareš, das Esszimmer und die
Wohnhalle. In der darüber liegenden Etage lagen die Schlafzimmer und die Küche. Etwa ein Drittel der Fläche des geraden Daches nimmt die Terrasse ein. Die Zimmer des Dienstmädchens und des Gastes waren im Dachhalbgeschoss
untergebracht.
Die erwähnten Änderungen betrafen vornehmlich das Äußere des Hauses, wo ein Teil der ursprünglich offenen Terrassen als Wohnräume genutzt wurde. Einen dynamischeren
Ausdruck verliehen dem Gebäude die gegenüberliegenden
abgerundeten Ecken, durch die Fensterbänder verlaufen,
welche die Masse optisch entlasten. Im Gegensatz zu den
hellen Fassadenflächen mit den dunkelgrünen Rahmen der
Fenster und Geländer steht jedoch die konservative Einrichtung der Innenräume, die eine ansässige Möbeltischlerei
anfertigte und die mit historischen Möbeln aus dem Familienbesitz kombiniert war.
Die gepflegte Villa, die noch heute Eigentum der Familie von
Mareš ist, gehört ohne Übertreibung zu den bedeutendsten
Beispielen der privaten Wohnbauten des „funktionalistischen“ Südmährens.
Auf den Spuren
des Funktionalismus
Brno
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Der Funktionalismus, der ab dem Ende der zwanziger und in
den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in der tschechoslowakischen Architektur vorherrschte, ist in der Regel
mit großen Zentren verbunden – in Südmähren vornehmlich
mit der Stadt Brünn (Brno).
Das Interesse am Brünner Funktionalismus, der aufgrund
seiner herausragenden Qualität schon in der Zeit seiner
Entstehung geschätzt war, ist auch heute nicht erloschen.
Die Arbeiten der hiesigen Architekten haben nicht nur das
Gesicht vom Brünn der Zwischenkriegszeit ausdrucksvoll
gestaltet, das sich durch ihren Impuls in eine moderne
Metropole verwandelte. Darüber hinaus verhalfen sie zur
Verbreitung der funktionalistischen Ideen außerhalb von
Brünn, obwohl sie sich dort nur zögerlich durchzusetzen vermochten. Ausgenommen der Städte Kyjov und Znojmo mit
einer größeren Anzahl funktionalistischer Bauten handelte
es sich vorwiegend um einzelne Gebäude, was sicher durch
die örtliche politische, wirtschaftliche und kulturelle Situation
bedingt war. In Südostmähren, vorrangig in Hodonín, wo die
authentische volkstümliche Kultur lange lebendig blieb, übte
zudem das volkstümliche Bauwesen einen anhaltend starken
Einfluss aus. Trotzdem entstanden auch hier und an anderen
Orten überraschend moderne Gebäude, die einen Vergleich
mit den Brünner Arbeiten nicht scheuen mussten.
Davon können sich übrigens die Besucher von Südmähren
überzeugen, wenn sie sich auf die Wanderung zur funktionalistischen Architektur dieser interessanten Region in der
Tschechischen Republik begeben.
Lenka Kudělková
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ZEICHENERKLÄRUNG
1. Mährische Bank (heute Komerční banka)
2. Kaufhaus Brouk & Babka (heute Kaufhaus Baťa)
3. Miethaus mit Geschäften, sog. Convalaria (heute polyfunktionelles
Geschäfts- und Wohngebäude, Redaktion der Tageszeitung Mladá
fronta Dnes)
4. Hotel Avion
5. Café Savoy
6. Café Zeman
7. Kaufhaus Baťa (heute Kaufhaus Centrum)
8. Palais Alfa
9. Erste Mährische Sparkasse (heute Česká spořitelna)
10. Städtisches Übernachtungsvermittlungsbüro (heute Reisebüro Čedok)
11. Bahnhofspost
12. Versicherungsgesellschaft Riunione Adriatica di Sicurtà (heute
polyfunktionelles Verwaltungs- und Wohngebäude)
13. Messegelände
14. Familienhauskolonie „Neues Haus“
15. Hus-Gemeinde der Tschechoslowakischen Hussitenkirche
16. Masaryk-Studentenwohnheim (heute Kinderheim)
17. Allgemeines Pensionsinstitut (heute Oberstes Gericht der
Tschechischen Republik)
18. Miethäuser, Straße Kotlářská ulice
19. Landesmilitärkommando und Kommandostelle des 3. Korps
in Brünn (heute Universität für Verteidigung)
20. Miethausensemble, Straße Pod Kaštany
21. Café Era
22. Villa von Grete und Fritz Tugendhat
23. Tschechische Masaryk-Volksschule für Jungen und Mädchen
(heute Grundschule)
24. Stadtbad
25. Eigenes Familienhaus („Haus für zwei Junggesellen“); Otto Eisler
26. Fachschule für Frauenberufe Vesna (heute Medizinische Mittelschule und Höhere medizinische Fachschule), Eliška-Machová-Heim
27. Eigenes Familienhaus; Jiří Kroha
28. Eigenes Familienhaus; Bohuslav Fuchs
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