Herausgeber Centrála cestovního ruchu – Jižní Morava, z. s. p. o. (Südmährische Touristenzentrale) Radnická 2, CZ-602 00 Brno www.ccrjm.cz Halle A, Messegelände, Brno-Pisárky Text Lenka Kudělková Űbersetzung Mette Dvorská Grafik Ladislav Němeček Foto Zdeněk Borovanský, Archiv der Autorin, Museum der Stadt Brünn, Pixmac Produktion Advertum s.r.o. Propag servis Brno, s.r.o. Druck Tiskárna EXPODATA – DIDOT, spol. s r.o. Jahr der Herausgabe 2009 Pavillon des Landes Mähren, Messegelände, Brno-Pisárky Halle A, Messegelände, Brno-Pisárky AUF AUF DEN SPUREN DEN SPUREN FUNKTIO DES FUNKTI0 NALIS NALI MUS SMUS 1 Mährische Bank (heute Komerční banka) Bohuslav Fuchs – Ernst Wiesner; Brünn, Platz náměstí Svobody 21, 1928-30 1928 schrieb der Vorstand der Mährischen Bank (Moravská banka) einen Wettbewerb für den Neubau ihres Sitzes anstelle des abgerissenen Kaunitz-Palais aus. Die höchsten Preise gingen an B. Fuchs und E. Wiesner, die anschließend das Durchführungsprojekt erstellten. Nach dem Baubeginn im September 1929 erfolgte die Fertigstellung im darauf folgenden Jahr. Das sechsgeschossige Reihengebäude mit Flachdach, mit durchgehender Loggia im 5. Stockwerk mit Wohnungen und mit dem zurückgesetzten höchsten Geschoss, das gleichfalls für Wohnzwecke vorgesehen war, erstreckte sich über die volle Tiefe der Parzelle zwischen dem Platz und der Straße Veselá ulice. Die innere Anordnung konzentrierte sich um die zentrale Halle über zwei Stockwerke und mit Lichteinfall durch eine Glasbetondecke und um das große darüber liegende Oberlicht. Zwischen der zweiten und dritten Etage war eine Installationsetage eingeschoben, die eine Anordnungsvariabilität der Verwaltungsräume unterhalb der Wohnetagen gestattete. Das Gebäude mit der breiten Geschäftspassage, die über eine Treppe in die Straße Veselá ulice einmündet, bedeutete einen wesentlichen Eingriff in das Aussehen des Brünner Hauptplatzes. Den größten Anteil daran hatte die Stahlbetonkonstruktion mit Ziegelvermauerungen, die es gestattete, beide Fassaden als leichten Glasvorhang (Opaxitvorhang) zu gestalten, dessen vertikale Elemente der Fassadenfläche nur eine Gliederung verliehen. An der Konzeption der Fassade, die den ganzen Bau leichter erscheinen lässt, hat sich wohl auch Wiesner beteiligt, der in der Regel nur als Autor der Innenräume betrachtet wird. 2 Kaufhaus Brouk & Babka (heute Kaufhaus Baťa) Miloslav Kopřiva; Brünn, Straße Česká ulice 4; 1934 Das Kaufhaus entstand an der Stelle des alten ZierotinPalais, auf das im 19. Jahrhundert ein dreigeschossiges Haus folgte, in dem 1894 das erste tschechische Geschäft in Brünn eröffnete, und zwar die Buchhandlung Barvičovo knihkupectví. Das älteste, nach einem Wettbewerbsentwurf von Kopřiva errichtete reine Geschäftsgebäude in der Stadt wuchs in Rekordzeit empor: im März, als noch das vorhergehende Haus stand, wurde der Architekt mit der Ausarbeitung des Projekts beauftragt, im Mai erfolgte die Auswahl der Baufirma V. Nekvasil und es begann die Ausschachtung des Fundaments. Das Kaufhaus sollte einschließlich Inneneinrichtung bis Ende September fertig gestellt sein, der Termin wurde jedoch verkürzt, wodurch Brouk & Babka schon am 22. September 1934 feierlich eröffnen konnten. Der siebengeschossige Skelett-Reihenbau mit zurückgesetztem oberstem Geschoss, den ein Flachdach bedeckt, ist ein typisches Beispiel für die konservativere Strömung des Brünner Funktionalismus. Die flache Fassade ist auf dem Prinzip des ruhigen Gleichgewichts zwischen den horizontalen rechteckigen Fenstern und dem Geländer wie auf einem Dampfer an der höchsten Etage sowie senkrechten Reihen heller Wandfliesen konzipiert. Die strenge Orthogonalität der Fassade gleicht das Parterre aus drei längs angeordneten Schaufenstervitrinen und breiten Eingängen dazwischen aus. Die runden Ecken der Auslagen aus Glasscheiben besitzen neben ihrer ästhetischen auch eine „psychologische“ Funktion, denn sie ziehen mit ihrer Form den Passanten in gewisser Weise in das Geschäft hinein. 3 Miethaus mit Geschäften, sog. Convalaria (heute polyfunktionelles Geschäfts- und Wohngebäude, Redaktion der Tageszeitung Mladá fronta Dnes) Oskar Poříska; Brünn, Straße Česká ulice 19-21/Veselá ulice 26; 1937-39 Einen Beitrag für den wertvollen Bestand der funktionalistischen Architektur in Brünn (Brno) leistetet zum Ende der neunzehnhundertdreißiger Jahre auch Oskar Poříska mit dem Miethaus mit Geschäften, einem Café und einer Passage an der exponierten Stelle des Zusammenlaufs der Straßen Česká und Veselá. Im Erdgeschoss und im leicht vorgesetzten Stockwerk hielt der Autor den Maßstab der vorangegangenen kleinen Bebauung ein, ab dem zweiten Stockwerk verlieh er dem Gebäude jedoch mit dem vergrößerten Grundriss und der individualisierten Fassadengestaltung Großstadtcharakter. Während er den Seitenfronten an den Straßen Česká und Veselá das Konzept einer Miethausfassade gab, monumentalisierte er die Hauptseite am Endpunkt des Zusammenlaufs der beiden Straßen mit Bändern hoher Fenster ähnlich der Wand eines Geschäftshauses. Die Kompaktheit der Gebäudehülle konnte er trotzdem durch die Abrundung der Hausecken und die durchgehende Verkleidung der Mauern mit Keramikplatten aufrechterhalten. Das Convalaria wurde somit zum würdigen Visavis des Hotels Avion, die beide einen wesentlichen Anteil an der modernen Ausstrahlung dieses am meisten von Fußgängern belebten Teils der Innenstadt besaßen. In welch großem Maße sich der Autor der Frequenz im nahen Umfeld des Hauses bewusst war, zeigen die Anordnung des Eingangs in die Parfümerie, die dem Gebäude seinen Namen gab, auf der Seitenfront und die Einpassung des Durchgangs – der kleinsten Passage in der Stadt – zwischen beide Straßen. Ein Besuchermagnet im Convalaria war das exklusive Café Dorotíkova kavárna mit Konditorei in der ersten Etage, das vom jungen Architekten K. Růžička entworfen wurde. 4 Hotel Avion Bohuslav Fuchs; Brünn, Straße Česká ulice 20; 1926/27 Das Hotel Avion rückte an die Stelle des Gasthauses von I. Kostelecký, dessen Sohn hier und auf der benachbarten Parzelle das erste Hotel der Nachkriegszeit in Brünn (Brno) nach einem Entwurf von B. Fuchs errichten ließ. Der Hotelbau wurde aufgrund seiner originellen Lösung bald zu einem der Symbole der Brünner avantgardistischen Architektur. In diesem Fall stand vor dem Architekten eine sehr schwierige Aufgabe. Er sollte auf der engen Parzelle ein Hotel mit Café entwerfen, was eine zweckmäßige Anordnung des Raumes über dem Grundriss erforderte, der bei einer Tiefe von 34 Metern nur eine 8,5 Meter breite Straßenfassade vorwies. Der junge Fuchs schaffte es, die ungünstige Form der Baufläche meisterhaft zu Gunsten des Baus zu nutzen. Nach den Plänen vom Dezember 1926 begannen die Bauarbeiten gleich im darauf folgenden Jahr, in dem das Hotel auch fertig gestellt wurde. In dem neungeschossigen Hotel sind die zwei niedrigsten Etagen für das Café vorgesehen, die übrigen Etagen belegen die Hotelzimmer. Bereits in der Eingangshalle sind der Betrieb des Büfetts im Erdgeschoss, des Wohnteils und des Cafés klar voneinander getrennt. Mit der Innenstruktur des Gebäuderaumes arrangierte sich der Architekt in einer recht individuellen Art. Mit der gewagten Lösung, die aus der Konstruktion die mittleren Mauern entfernte und die Decke auf Stahlbetonpfeilern in den Giebelwänden lagerte, konnte er im Café den Eindruck von Bedrängtheit unterdrücken und die Idee vom kontinuierlichen Raum in der Praxis überprüfen. Dieser begründet sich hier nicht auf der mechanischen Aneinanderreihung von Raumeinheiten, sondern die benachbarten Räume sind frei miteinander verbunden, sie gehen von einem in den anderen fließend über und bilden ein einheitliches Ganzes, zum Teil abgetrennt durch Möbel oder Glas. Die Säle sind darüber hinaus nicht nur in waagerechter, sondern auch senkrechter Richtung durchgängig. Vertikal fließen sie ineinander über, die höhenmäßig differenzierten Halbgeschosse sind zu größeren Komplexen mit ästhetisch ungewöhnlich wirkenden Durchsichten verbunden, deren poetische Resonanz zusätzlich durch Spiegelwände gesteigert wird. Die architektonischen Qualitäten des Hotels reflektierte ferner die Straßenfassade, die durch große Fensterflächen, Porzellankacheln und weißes Opalglas entlastet wird. An dieser Außenwand ist gleichfalls die Innenanordnung des Gebäudes zu erkennen – der leicht vorgeschobene Erker mit den großen Glasscheiben gehört zum Café, die kleineren Fensterfluchten in den höheren Stockwerken bringen Licht in die Gästezimmer. 1948 wurde das Avion verstaatlicht und dem volkseigenen Betrieb „Tschechoslowakische Hotels“ übergeben. Bis in die neunzehnhundertneunziger Jahre bewahrte es sich seine ursprüngliche Funktion und mit Unterbrechungen blieb es ein Hotel- und Gastronomieunternehmen, nachdem es Privatbesitzer erwarben. Infolge der unklaren Eigentumsverhältnisse, der mangelnden Instandhaltung und nicht zuletzt Veränderung der Klientel rutschte es in die graue Masse der restlichen Hotels aus den zwanziger und dreißiger Jahren ab, deren charakteristisches Esprits mit den politischen Veränderungen im Jahr 1948 unwiederbringlich verloren ging. 5 Café Savoy Jindřich Kumpošt; Brünn, Straße Běhounská ulice 9/ Platz Jakubské náměstí 1, 1928-29 Das Café von J. Nekvapil Savoy entstand durch den Umbau der unteren Geschosse des Eckhauses, des so genannten Thonethofes, und zwar auf dem Grundriss zweier Flügel mit Eckabschrägung. Obwohl sich an dieser Stelle die Platzierung des Eingangs in der direkten Achse der abgeschnittenen Ecke anbot, nutzte der Architekt das Erdgeschoss und das Stockwerk zur Gestaltung der Haupträume des Cafés und er verlagerte den Eingang seitlich in die Straße Běhounská ulice. Die Umsetzung der modernen technischen Neuerungen gestattete diese Räumlichkeiten aus der Sicht der Konstruktion sehr mutig zu gestalten. Der zentrale Saal in der Mitte mit zwei schlanken Stahlsäulen, welche die oberen Stockwerke trugen, blieb völlig frei, mit dem teilweise herabgesenkten ersten Stockwerk, das in der Mitte weit geöffnet ist, verband ihn die Dominante des zweiarmigen geschwungenen Treppenaufgangs. Dieser verzweigte sich in die symmetrisch angeordneten Trakte an der Straße Běhounská ulice und am Platz Jakubské náměstí. Ein nicht alltägliches Erlebnis versprach den Besuchern die scharfsinnige architektonische Lösung der Säle auf mehreren Ebenen mit vielen malerischen Durchsichten, Lichteffekten, dekorativen Gebilden und edlen Materialien. Die Innenräume des Cafés wurden zum Beginn der neunzehnhundertfünfziger Jahre bei einem rücksichtslosen Umbau in ein Textilgeschäft stark entwertet. Erst 2008 konnte dem Ort mit langer Kaffeehaustradition seine einstige Mission sowie zum Teil auch sein ursprüngliches Aussehen zurückgegeben werden. 6 Café Zeman Bohuslav Fuchs; Brünn, Straße Koliště; 1925 Der Umbau des Cafés Zeman im Jahr 1925 brachte die einschneidende Wende in der Entwicklung der Brünner Architektur der Zwischenkriegszeit. Er beendete die Etappe der Suche nach neuen Konzeptionen und gab die Richtung des weiteren Werdegangs in Gestalt von Le Corbusiers revolutionärer Architekturauffassung vor. Das nicht große Objekt aus Stahlbeton mit leichten Ziegelvermauerungen, das im Park am Glacis (Koliště) an der Stelle des früheren Schopp Café Pavillon mit Gartenrestaurant errichtet wurde, repräsentiert eines der ersten konsequent funktionalistischen Gebäude nicht nur in Brünn, sondern in der ganzen Tschechoslowakei. Das Café war nicht mehr nur die reine Summe von eigenständigen Räumen, sondern ein kompakter Bauorganismus, dessen zweckmäßiger Grundriss nach außen hin durch große Schiebefenster zum Ausdruck kam, welche den Innenraum mit der Terrasse und dem Park verband. Der harmonische Gebäudekomplex wurde mit einem Minimum an traditionellen ästhetischen Mitteln einfühlsam in die umliegende Grünanlage eingebettet. Der Innen- und Außenputz blieb ohne Farbe, die Metallrahmen der Fenster waren innen und außen rot. Dieser einzigartige Bau wurde unüberlegt 1964 abgerissen, als er dem Janáček-Theater weichen musste. 1991 tauchte erstmals der Gedanke an den Wiederaufbau des Cafés auf, jedoch an einer anderen Stelle. Sein Nachbau wurde endlich am 24. März 1995 zum 100. Geburtstag von Fuchs eröffnet. 7 Kaufhaus Baťa (heute Kaufhaus Centrum) Vladimír Karfík; Brünn, Straße Kobližná 24; 1930/31 Der ersten großen Arbeit von Baťas Hauptprojektant nach dessen Rückkehr aus den USA nach seiner Praxiszeit und seinem einzigen Bau der Zwischenkriegszeit in Brünn (Brno) ging die komplizierte Geschichte des Wettbewerbs für den Baťa-Schuhpalast voraus, in dem Namen wie J. Kumpošt, B. Fuchs, J. Gočar und F.L. Gahura vertreten waren. Auch Karfíks Arbeit war von Komplikationen begleitet, die radikale Änderungen seines ursprünglichen Entwurfs zur Folge hatten. Die erste Vision beruhte auf einem Wolkenkratzer mit 23 (28?) Stockwerken. Doch die Geschossanzahl musste aufgrund des instabilen Geländes mit durchfließendem unterirdischen Bach und aufgrund von Zweifeln an der Richtigkeit der statischen Berechnungen unter der Missbilligung des Erbauers auf nur acht herabgesetzt werden, die von der Stahlbetonkonstruktion auf Piloten sicher getragen werden konnten. Trotz zahlreicher Unterbrechungen des Baus wurde das Kaufhaus in kurzer Zeit fertig gestellt: bereits 1931 siedelte das frühere Bata-Geschäft aus dem nahen Palais Morava in das Gebäude um, und kurz darauf öffnete es seine Türen. Nach dem Krieg zog das Kaufhaus Centrum in den Schuhpalast ein. Für die neue Verwendung wurde dieser herausragende Beleg des Brünner Funktionalismus 1966 nach einem Projekt von J. Brichta unsensibel umgebaut. Das Gebäude, das in den neunzehnhundertdreißiger Jahren ein Symbol für die moderne Stadt war, verlor somit die sich abwechselnden charakteristischen horizontalen Bänder aus Klar- und Weißglas und somit auch die Zartheit der ganzen nicht tragenden Fassadenhülle. 8 Palais Alfa Karel Bezrouk, technisches Büro für Bauunternehmungen von František Hrdina (unter anfänglicher Zusammenarbeit mit Bohuslav Fuchs); Brünn, Straße Jánská ulice 11, 13 /Poštovská ulice 10, 8, 6, 4; 1929-37 Für den ältesten, nicht realisierten Plan von Bezrouk aus dem Jahr 1929, der eine sehr gewagte Lösung darstellte, lieferte der Wettbewerb für Baťas Wolkenkratzer in der nahen Straße Kobližna die Inspiration, denn er sollte in seinem höchsten Teil 14 Stockwerke messen. 1930 wurde B. Fuchs zum Bau hinzugezogen, dessen Entwurf für ein monumentales Eckgebäude mit Kino im Erdgeschoss, einer Passage und einer Galerie darüber sowie mit terrassenartig abgesetzten höchsten Wohngeschossen Bezrouk die Unterlage für sein Projekt lieferte, das zwischen 1931 und 1937 realisiert wurde. Das achtgeschossige Objekt, eine der Dominanten der modernen Stadt Brünn, weckt Aufmerksamkeit mit seinen Fassaden aus hellen Opaxit-Platten. Bald nach seiner Fertigstellung wurde es zudem eine beliebte und gefragte Adresse mit Geschäften und Unterhaltungsmöglichkeiten. Außer dem großen Café im Zwischengeschoss befanden sich im Souterrain auch ein Lichtspielhaus und das Nachlokal Metro-Hall. Die höheren Etagen belegten vorwiegend kleinere, jedoch komfortabel ausgestattete Wohnungen. Die Haupthalle war über eine Passage mit einem Haus am Platz náměstí Svobody sowie den Straßen Jánská und Poštovská verbunden. Dieses hoch entwickelte Bespiel für die Anordnung und die formale Lösung eines Polyfunktionsbaus in der Großstadt aus der Periode des Hochfunktionalismus, der im Krieg starke Beschädigungen erlitt, gehört heute zu den wertvollsten Denkmälern der Brünner modernen Architektur. 9 Erste Mährische Sparkasse (heute Česká spořitelna) Heinrich Blum – Josef Polášek – Otakar Oplatek; Brünn, Straße Jánská ulice 4-10; 1937-39 Im Kern besteht die sechsgeschossige Sparkasse in der Häuserzeile aus einer großen Halle und einem ovalen Vestibül mit einer Wendeltreppe. Sie führt in die offene Halle des Obergeschosses, das von einer Stahlbetonkuppel mit Butzenscheiben erleuchtet wird. Auf die Anzahl der architektonischen Mittel, welche die Autoren für ihr Werk auswählten, hatte vor allem der Komplex der Funktionen einen Einfluss, die unter dem gemeinsamen Dach vereint werden sollten. Die Auswahl dieser Mittel, ihre Einsetzung und ihre resultierende Form beruhten auch auf den Bemühungen, das grundlegende funktionalistische Postulat des reibungslosen Betriebs mit noch weiteren Qualitäten zu bereichern, die zwar von der Funktion abgeleitet sind, jedoch in die Kategorie der emotionalen und ästhetischen Wirkung der Architektur fallen. Dies betraf sowohl den Raum der Sparkasse hinter der vorgesetzten, konkav geschwungenen Partie der Fassade, als auch die Gestaltung des Vestibüls und besonders der Haupthalle mit ihren großen „Kajütefenstern“. Gerade die Halle reflektierte am sichtbarsten die Beziehungen zwischen Masse, Raum und Licht, ohne dass dabei die zarte Eleganz ihres Zusammenspiels an Megalomanie erinnern würde, die oftmals für diesen Bautyp bezeichnend ist. Vornehmlich aufgrund dieser Eigenschaften avancierte die Sparkasse, die schon in der Zeit ihrer Entstehung enorme Aufmerksamkeit weckte, zu einem der bedeutendsten Bauten des späten – nicht nur Brünner – Funktionalismus. 10 Städtisches Übernachtungsvermittlungsbüro (heute Reisebüro Čedok) Oskar Poříska; Brünn, Straße Nádražní ulice /Bašty 2; 1927-28 Das typologisch ungewöhnliche Gebäude, das nicht sehr große Informationsbüro, das 1928 im Zuge der Vorbereitungen auf die Ausstellung der zeitgenössische Kultur in der Tschechoslowakei entstand, charakterisierten Eigenschaften, die schon bei vielen anderen um die Mitte des 20. Jahrhunderts errichteten Gebäuden in Brünn bekannt sind. Es handelte sich vorrangig um die Komposition der Massen, die aus kubischen Basisgebilden über einem zweckmäßig aufgeteilten Grundriss zusammengesetzt waren, und um einfache Formen, die sowohl mit der puristisch-funktionalistischen Reinheit der Kuben, als auch mit den Funktionen der einzelnen Räume und ihrer Mitteilung nach außen korrespondierten. Hier dominierte die große Wand aus Stahlbeton und Glas, die in diesem Fall in Brünn erstmals zur Anwendung kam. Die Bedeutung von Pořískas Bau beruhte jedoch vornehmlich auf seiner höchst einfühlsamen Platzierung im historischen Umfeld unmittelbar am Hauptbahnhof. Er respektierte die ältere Bebauung an der Stadtmauer und nicht zuletzt das fließende Verkehrstreiben am damals noch seltenen Halbkreisgrundriss der Eckpartie. 11 Bahnhofspost Bohuslav Fuchs; Brünn, Straße Nádražní ulice 7; 1937-38 Das Gebäude wurde auf einem recht instabilen Untergrund an der Stelle des früheren Grabens der Stadtmauern in der Nachbarschaft zum Hauptbahnhof errichtet. Das Erdgeschoss beherbergte die Haupthalle mit einer Galerie und der Paketsortierstelle, das Obergeschoss war für die Briefdienstleistungen vorgesehen. Auf der Straßenseite grenzte an das Gebäude ein ebenerdiger Garagenanbau und auf der Bahnhofsseite ein verglaster Bahnsteig. Bei diesem überwiegend technischen Bau dominieren Glas und Metall, denn seine Stahlkonstruktion bleibt sichtbar und die Trennwände und die Umhüllung sind zum Großteil verglast. Wichtiger als die formale Anordnung der lang gestreckten Postfassade war ihre Konstruktionslösung. Einerseits machte der vom Grundwasser aufgeweichte Boden des Wallgrabens eine mächtige Stahlbetonwanne über zwei Untergeschosse erforderlich, andererseits musste das leichte Stahlskelett auf ihr derart konstruiert sein, dass die Innenaufteilung des Gebäudes hinsichtlich der Kompliziertheit des Betriebs mühelos verändert und zukünftig eventuell ausgebaut werden kann. Eine wichtige Funktion hatte trotzdem auch die Fassade, die aus Spargründen eine einfachere Variante erhielt, wobei der beabsichtige Stein durch künstliche Materialien ersetzt wurde: mit der durchgehenden Aufteilung in zwei Hauptgeschosse führte die Fassade die unterschiedlichen Höhen sowie die Funktionsvielfalt der Innenräume wieder zusammen und überdeckte mit ihrem ruhigen Kompositionsrhythmus den hektischen Betrieb im Inneren. 12 Versicherungsgesellschaft Riunione Adriatica di Sicurtà (heute polyfunktionelles Verwaltungs- und Wohngebäude) Karel Kotas; Brünn, Straße Nádražní ulice 2; 1936-38 Eine weitere architektonische „Visitenkarte“ der Stadt und zugleich einen Beleg für die Lebensfähigkeit des funktionalistischen Formsystems bietet das Mehrzweckhaus der italienischen Versicherungsgesellschaft, das 1937 und 1938 nach einem Projekt von Karel Kotas aus dem Jahr 1936 errichtet wurde. Das siebengeschossige Reihengebäude auf dem Grundriss eines unregelmäßigen Rechtecks besitzt in allen Etagen eine regelmäßige Innenanordnung. Der Kern des Erdgeschosses mit Geschäften besteht aus einem zentralen Vestibül mit zwei seitlichen Treppenaufgängen, die in das nächste, ein Verwaltungsstockwerk, einmünden. Die darauf folgenden Etagen werden durch die gleichmäßige Komposition aus Drei- und Einraumwohnungen charakterisiert. Die Symmetrie zeigt sich zugleich auf der Fassade, die mit gelblichem Naturstein verkleidet ist. Ihr auffälliges Motiv ist die flach hervortretende Masse der Wohnetagen, welche den Bau monumentalisiert und zugleich mit der Vergrößerung der Fläche in die Innenräume reflektiert und die in der 6. Etage einen Balkonsockel bildet. Das zurückversetzte höchste Geschoss bedeckt ein Flachdach, das leicht über die Fassadenfläche hinausragt und von regelmäßig angeordneten Pfeilern getragen wird. Den vorderen Platz in der Architektur von Brünn verdankt das Gebäude einigen Elementen, die dem reinen Funktionalismus etwas fremd sind, wie beispielsweise der „vertikalen“ Gestaltung des Erdgeschosses und des höchsten Stockwerks oder der Symmetrie der Hauptfassade, die es eher den Beispielen der neoklassizistischen Variante des späten Funktionalismus zuordnet. 13 Messegelände Brünn-Pisárky; 1926-28 Das Brünner Ausstellungsgelände entstand auf der so genannten Bauer-Rampe, im Becken des Schreibwaldes (Pisárky), im Erholungsgebiet der Stadt am Fluss Schwarzawa (Svratka). Den Anlass für den Bau gaben die Vorbereitungen auf die „Ausstellung der zeitgenössischen Kultur in der Tschechoslowakei“, ein großzügig konzipiertes Unternehmen, das zum 10. Jahrestag der Gründung der Republik veranstaltet wurde. Neben dem schon vergessenen Ideeninhalt der Ausstellung war auch der Bau des Ausstellungsgeländes eine ebenso schwierige Aufgabe. Es mussten nicht nur die Pläne für das komplizierte Grundrisssystem des Areals, sondern auch für die ständigen und provisorischen Hallen sowie weiteren Objekte entworfen werden. Die Anfänge der Geschichte dieser schweren städtebaulichen und architektonischen Aufgabe gehen schon auf das Jahr 1924 zurück, in dem ein Wettbewerb für die Ausarbeitung von Entwürfen für das ständige Landesausstellungsgelände ausgeschrieben wurde. Zuerst wurde das Projekt des Siegers J. Kalous aus Prag zur Realisierung empfohlen, mit der definitiven städtebaulichen Lösung wurde jedoch 1926 E. Kralík beauftragt, der auf kreative Weise seine eigenen Ideen mit denen von Kalous zu vereinen wusste. Die Anordnung des Geländes entwickelt sich vom zentralen Tor, an dem die zwei Hauptachsen des Ausstellungsgeländes beginnen und den zentralen Pavillon, den Palast für Industrie und Handel (heute Halle A) von J. Kalous und J. Valenta, einschließen. Auch diese architektonische Dominante des Ausstellungsgeländes durchlief eine komplizierte Entwicklung. Kalous verstand sie zuerst als ein System aus Halbkreisbögen, einer geraden Decke und einer Galerie, ähnlich einem dreischiffigen Kirchenraum. Die dem Eindruck nach verzettelte Konstruktion der Halle veränderte der Brünner Statiker J. Valenta von Grund auf, indem er sie durch dynamischere und den Raum vereinheitlichende Tragebögen mit parabolischer Form ersetzte. Das resultierende Ergebnis aus Stahlbeton und Glas gehörte zu den am meisten gelungenen Arbeiten im Bereich der technischen Architektur in der damaligen Tschechoslowakei. Am Ende der Ausstellungsstraße entlang der Straße Hlinky stand der Pavillon der „Brünner Ausstellungsmärkte“ von B. Čermák (heute Halle G) mit verglastem Aussichtsturm. Einen wesentlichen Einfluss auf das Aussehen des Ausstellungsgeländes übte auch B. Fuchs aus, der Autor des „Pavillons der Stadt Brünn“, eines einfachen Ziegelprismas mit Wendeltreppe an der Rückfassade, der bezüglich der Masse und des Aussehens mit dem benachbarten „Pavillon des Landes Mähren“ von V. Chroust korrespondierte. Eine utilitäre Gliederung und eine ausgeglichene gestalterische Konzeption charakterisierten gleichfalls die übrigen Bauten, von denen viele nach der Ausstellung abgerissen und die von Architekten außerhalb von Brünn entworfen wurden, darunter von den Architekten aus Prag J. Gočár (Pavillon der Akademie der bildenden Künste in Prag), P. Janák (Pavillon der Kunstgewerbeschule in Prag), K. Roškot (Pavillon der Stadt Prag) oder von F.L. Gahura aus Zlín (Pavillon des Kreises und der Stadt Zlín). Ein Beispiel für die zweckentsprechende Konzeption und zugleich das hohe ästhetische Niveau war unter anderen der Pavillon des „Werkbunds der Deutschen“ von V. Baier oder der „Pavillon der tschechoslowakischen Baumeister“ von J. Rössler aus Prag. Alle diese Objekte wurden jedoch vom Kino-Theater und Café von E. Kralík übertroffen. Die doppelte Funktion wurde hier einerseits durch die ungegliederte Fläche der Fassade, die vom Grundriss und der dominierenden Kurve der Galerie des Kino- und Theatersaales eingeschlossen war, andererseits durch die leichte Konstruktion des Cafés mit der Glasfassade, dem offenen Treppenaufgang und der Galerie sowie ihren konstruktivistischen Details ausgedrückt (z.B. „Dampfergeländer“). Eine eigenständige Kategorie der „Exponate“ waren die experimentellen Wohnbauten, welche die zeitgenössischen Vorstellungen vom modernen Wohnen demonstrierten. Den Versuch eines sparsamen Serientyps für ein Familienhaus repräsentierte das Stockhaus mit Dachterrasse von O. Starý. Das Miethaus des „Verbands des tschechoslowakischen Werks“ von J. Havlíček vermittelte eine neue Konzeption dieses Bautyps und es dachte auch an seine breitere städtebauliche Einbindung. Das dreigeschossige Objekt mit dem Treppenhausvorbau, Eckbalkonen und Wohnterrasse auf dem Flachdach, in dessen Räumen der Verband Wohnungseinrichtungen führender Architekten installierte, stellte nämlich die zwei mittleren Sektionen eines Blocks in einer großen Siedlung aus Häusern im Gürtel dar. Der Bau des Ausstellungsgeländes, der sich bis heute durch eine unübertroffene tatkräftige Aktivität und Energie auszeichnet, wurde somit nicht nur zum einzigartigen kulturellen Ereignis, sondern zugleich zur Krönung der bisherigen Entwicklung der Architektur und des Städtebaus, sowie zur siegreichen Manifestation des Funktionalismus als tragende und Hauptströmung der tschechoslowakischen Architektur. 14 Familienhauskolonie „Neues Haus“ Bohuslav Fuchs, Josef Štěpánek, Jaroslav Grunt, Jiří Kroha, Hugo Foltýn, Miroslav Putna, Jan Víšek, Jaroslav Syřiště, Ernst Wiesner; Brünn, Straße Petřvaldská ulice 2-10, Šmejkalová ulice 144-148, Drnovická ulice 2-12, Bráfova ulice 109-111; 1927-28 Die experimentelle „Ausstellung des modernen Wohnens – Neues Haus“ sollte der Öffentlichkeit die Ergebnisse der bisherigen Bemühungen um das moderne Aussehen eines kleineren Familienhauses unter Nutzung der Bauneuigkeiten vorstellen. Der Aktion, an der sich neun Architekten beteiligten, ging die Grundstücksteilung unterhalb des WilsonWaldes voran, sie wurde von den zwei beteiligten Autoren J. Grunt und B. Fuchs durchgeführt. Sie gruppierten die Objekte in einer radialen, längssymmetrischen Anordnung, die ursprünglich nur Fußwege vorsah. Alle 16 Häuser präsentierten moderne Lösungen. Das Wirtschaftsgeschoss sollte die Keller und die technische Infrastruktur konzentrieren, das erste Stockwerk war der zentrale Wohnraum mit Essecke an einer kleinen, jedoch zweckmäßigen Küche. Das zweite Stockwerk beherbergte die Schlafzimmer und das Badezimmer, die oftmals zur Sonnenterrasse auf dem Flachdach führten. Die Ausstellung erfüllte ihre Aufgabe nur zum Teil, denn nur einige Häuser, wie die von Víšek, Fuchs und Grunt, befassten sich mit der aktuellen Frage des Wohnens auf kleiner Fläche. Trotzdem erwarb die Kolonie nicht nur als Manifest des Wohnens im eigenen Haus, sondern bald auch als vorbehaltlose Zugehörigkeit zum Funktionalismus Anerkennung. 15 Hus-Gemeinde der tschechoslowakischen Hussitenkirche Jan Víšek; Brünn, Straße Botanická ulice 1; 1926-29 Eine der ersten Kirchenbauten der Nachkriegszeit in Brünn war die Hus-Gemeinde in der Straße Botanická ulice, sie wurde zwischen 1927 und 1929 basierend auf den Ergebnissen eines Wettbewerbs errichtet, den die tschechoslowakische Kirche 1926 ausschrieb und den J. Víšek gewann. Die Räume des frei stehenden Gebäudes mit Flachdach unterscheiden sich in ihren Funktionen, sie reihen sich auf der Längsachse parallel zur Straße hintereinander. Die grundlegende Anordnung ist vom Plan einer christlichen Kirche mit länglichem Schiff und schlankem prismatischen Turm an der Seite abgeleitet, der auf Wunsch der Kirchenvertreter symbolisch mit der Hussitensonne abgeschlossen ist. Im Erdgeschoss befindet sich ein gesellschaftlicher Mehrzwecksaal und im ersten Stockwerk ein Gebetraum, der über die Terrasse erreichbar ist, zu der eine Außentreppe führt. Der Eingang in den gesellschaftlichen Saal im Erdgeschoss befindet sich direkt an der Straße. Das einfache, in der Masse ausgewogene Gebäude der HusGemeinde nimmt im Kontext von Víšeks Arbeit eine Sonderstellung ein, unter anderem auch durch die bemerkenswert zivile Konzeption dieses Sakralbaus. Er verweist mit seiner Komposition aus klar begrenzten weißen Kuben jedoch vornehmlich auf die puristische Strömung der Architektur, die in Brünn ihren festen Platz auch in einer Zeit hatte, als ihre ursprünglich „reinigende“ Mission bereits zu Ende war, und die gerade in J. Víšek den echtesten Vertreter fand, wie auch seine jüngeren Arbeiten überzeugend belegen. 16 Masaryk-Studentenwohnheim (heute Kinderheim) Bohuslav Fuchs; Brünn, Straße Cihlářská ulice 21; 1929-30 Auf der Parzelle zwischen den Straßen Cihlářská, Botanická und Burešová sollte zuerst nur eine Mittelschulmensa und eine Klinik entstehen. 1926 wurde die Aufgabenstellung um ein Internat für Studenten mit Wohnsitz außerhalb von Brünn und um ein Zentrum für ihr gesellschaftliches Leben erweitert. In der Wettbewerbsausschreibung mit diesem Programm ging B. Fuchs als Sieger hervor und er erhielt den Auftrag für die Ausarbeitung des Durchführungsprojekts. Der Komplex besteht aus zwei mit einer Treppe verbundenen Gebäuden. Das niedrigere Gebäude war für die Mensa und Klubräume in der Zwischenetage sowie den Vortragssaal im Obergeschoss vorgesehen. Im zweiten Gebäude mit vier Geschossen befanden sich die Studentenzimmer, Studierzimmer und Arztpraxen. Die schmaleren Fassaden des Internats sind mit durchgehenden Balkonen, die breiteren mit horizontalen Fenstern gegliedert. Der Flügel mit der Mensa gewinnt mit den verglasten Flächen der Fensterbänder und den vollen weißen Mauern eine größere Dynamik. Die zwei Komponenten des Bauprogramms, d.h. der gesellschaftliche Teil und der Wohnteil, wurden hier durch die wirkungsvolle Komposition der prismatischen Körper ausgedrückt, die eine gegliederte Gesamtheit gestalten, die ursprünglich zusätzlich farblich betont war. Die Differenzierung der Massen, unterstrichen durch die Balkone, die verglaste Wand und das vorgesetzte kleine Dach über dem Eingang, harmonisierte die städtebauliche Eingliederung des Gebäudes in die umliegende Bebauung. Das Wohnheim schloss somit den Häuserblock an den Straßen Cihlářská und Botanická und schuf einen kleinen Freiraum vor der Dominante des Allgemeinen Pensionsinstituts. 17 Allgemeines Pensionsinstitut (heute Oberstes Gericht der Tschechischen Republik) Emil Kralík; Brünn, Straße Burešova ulice 20; 1930-32 Im Juli 1930 wurde ein Wettbewerb für das Pensionsinstitut auf dem Bauplatz gegenüber dem gerade fertig gestellten Masaryk-Studentenwohnheim ausgeschrieben. Der Auftrag für die Erstellung des definitiven Projekts erging im November 1930 an E. Kralík. Der Bau begann im Juni 1931 und schon am 20. September 1932 nahmen sowohl die tschechische als auch die deutsche Geschäftsstelle ihre Arbeit auf. Die Zeit nach dem Krieg bedeutete ein Kommen und Gehen mehrerer Institutionen, bis das Sekretariat des Bezirksausschusses der Kommunistischen Partei KSČ das Gebäude ab den neunzehnhundertsechziger Jahren in Besitz nahm, für dessen Zwecke 1986 ein unsensibler Überbau und der Einbau eines abgestuften Saales im Hof nach einem Projekt von M. Steinhauser durchgeführt wurden. Zum Beginn der neunziger Jahre zogen das Rektorat und das Institut für Computertechnik der Masaryk-Universität Brünn ein. 1993 wurde das Gebäude dem Obersten Gericht der Tschechischen Republik zur Nutzung übergeben. Das sechsgeschossige Stahlbetonskelett auf U-förmigem Grundriss mit kürzeren Seitentrakten dominiert auf dem nicht großen, leicht abschüssigen Gelände. Auf dem Sockel, der vom Erdgeschoss und dem leicht eingeschobenen Zwischengeschoss gebildet wird, ruht die Masse des Hauptflügels. Trotz der monoton gegliederten Fassade vermittelt das Gebäude einen ausgeglichenen Eindruck, der vom edlen verglasten Eingang und dem Vestibül mit Marmorverkleidung unterstrichen wird. Die übersichtliche Anordnung, die Fülle an Licht und Luft und vornehmlich der menschliche Maßstab ordnen das Gebäude zu Recht unter den wertvollsten Denkmälern der modernen Architektur in Brünn ein. 18 Miethäuser Václav Dvořák – Jaroslav Brázda; Brünn, Straße Kotlářská ulice 34-50; 1938-39 Den Grundstein für das Großstadtambiente der Straße Kotlářská ulice legte bereits ihre ältere Bebauung, den entscheidenden Impuls gab jedoch ihre schrittweise Sanierung, beispielsweise mit den Gebäuden an der Ecke der Straße Botanická ulice von A. Kuba und V. Dvořák aus den Jahren 1930-31 und vornehmlich mit den Miethäusern Nr. 34 bis 50, die zum Ende der dreißiger Jahre nach einem Projekt von V. Dvořák und J. Brázda realisiert wurden. Das architektonische Niveau der neun fünfgeschossigen Reihenhäuser mit ausgebautem Dach war bemerkenswert hoch, und zwar zum einen bezüglich der Wohnqualität, die nicht nur durch den ausgeklügelten Grundrissplan der Wohnungen, ihre sozial differenzierte Kategorisierung und den Grad der Ausstattung (Balkon, Wintergarten, Garage, Aufzug, Gestaltung des Hausumfelds), sondern auch durch das Bemühen um Ästhetisierung ihres Aussehens erreicht wurde. Diese Bemühung zeigte sich in diesem Fall mit der schwarzen und hellen Verkleidung der Fassaden, den Erkern, den durchgehenden Fenstern, den Nischen mit Balkonen und nicht zuletzt mit den abgeschrägten Mauerpartien, die sich immer bei jedem Haus wiederholen und ein plastisches und dynamisches Element in die statische Orthogonalität der Hauptfassaden einbrachten. Der Häuserkomplex sollte die nicht ausgeführte Dominante des Hochhauses an der Ecke der Straßen Lidická und Kotlářská ulice steigern. 19 Landesmilitärkommando und Kommandostelle des 3. Korps in Brünn (heute Universität für Verteidigung) Bohuslav Fuchs; Brünn, Straße Kounicova ulice 65; 1936 Auf der Baustelle an der Ecke der Straßen Kounicova und Zahradníkova ulice ist der Architekt zum zweiten Mal, denn gemeinsam mit J. Kumpošt hatte er sich schon 1931 in einer nicht realisierten Regulierungsstudie des Akademieplatzes mit der Bebauung dieses Gebiets befasst. Die Pläne für das Hochschulareal mit Universitätsbibliothek verliefen im Sande und an seine Stelle trat die Militärkommandostelle nach einem Wettbewerbsprojekt von Fuchs. Ihre originelle Biegung im Segment der Eingangsfassade ist beachtenswert, sie sollte im symmetrisch gestalteten Bezirksgerichtsgebäude vom selben Autor ihr Pendant erhalten. Die Durchbiegung des lang gezogenen ungegliederten Blocks ist das Ergebnis der städtebaulichen Konzeption der Aufgabe. Die Kurven der Militärkommandostelle und des geplanten Bezirksgerichts sollten den Knick der Straße Kounicova ulice vor dem Eingang in den Freiraum zwischen ihnen optisch korrigieren und hinzukommend im Geiste der städtebaulichen Prinzipien des Funktionalismus die Illusion des geraden Straßenverlaufs hervorrufen. Der Bau wurde somit einerseits zum „reinen“ Werkzeug für die städtebaulichen Erwägungen, andererseits unterdrückte die Dynamisierung seines Grundrisses durch die Biegung im Segment die Monotonie der lang gezogenen Hauptfassade. Durch die Großzügigkeit seines Maßstabs und mit seinem städtebaulichen Effekt avancierte das Gebäude somit zur Dominante in einer der Hauptstraßen von Brünn. 20 Miethausensemble Jindřich Kumpošt; Brünn, Straße Pod kaštany 26-30, Tábor 28a, 28b, 28c, 34a, 34b, 34c, Kounicova 93-97; 1931 Eine der fortschrittlichsten Arbeiten im Bereich des Miethauses mit mittelgroßen und kleinen Wohnungen repräsentierte um 1930 das Projekt von Kumpošt mit mehreren Varianten des Dreisektionsmiethauses der Genossenschaften Stavog und Blahobyt. Und zwar zum einen städtebaulich, wobei der Autor bei ihrer Anordnung erstmals in Brünn die Zeilenbauweise anwendete, zum anderen aufgrund der Betonung auf der sozialen Konzeption, die sich hier in der äußerst sparsamen Lösung der Wohnungen zeigte, und letztendlich durch den Versuch der Gestaltung eines kleinen Zentrums mit Dienstleistungen und Kindergarten inmitten von Grünflächen mit Kinderspielplatz. Die Gruppe der Viergeschosshäuser, die 220 Einraum- bis Zweieinhalbraumwohnungen boten, bedeckten ursprünglich Flachdächer. Sie bestand aus vier Blöcken mit jeweils drei Sektionen mit eigenem Eingang. Formell gesehen ist für die Häuser die Umsetzung eines der funktionalistischen Grundgedanken charakteristisch, und zwar des Fensterbandes und des Bandes der zurückgesetzten Balkone, die in diesem Fall in einem langen gemeinsamen Streifen verbunden sind, dem einzigen, dafür ungewöhnlich markanten Gestaltungsmotiv der glatten hellen Fassade. Zu der typisch funktionalistischen Zeilenhausbebauung kamen 1940 zwei mittlere Blöcke hinzu, die nach einem Projekt des Stadtbauamts in Brünn errichtet wurden. 21 Café Era Josef Kranz; Brünn, Straße Zemědělská ulice 30; 1927-29 Das ursprünglich frei stehende Wohnhaus von J. Špunar mit Café, das von 1927 bis 1929 nach einem Entwurf von J. Kranz errichtet wurde, gehört zu den architektonisch ungewöhnlich wertvollen Bauten des Brünner Frühfunktionalismus. Mit dem Entwurf eines Cafés und der Wohnung des Besitzers unter einem Dach in der Form, dass sie voneinander getrennt sind, meisterte der junge Architekt mit Bravour eine nicht leichte Aufgabe. Er gliederte das Objekt horizontal in zwei Einheiten mit unterschiedlicher Funktion, d.h. das Café belegte das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss, die Wohnung das zweite Obergeschoss. Der Innenraum des Cafés war als einheitlicher Raum gestaltet, den nur eine Tragkonstruktion und der aufgehängte Arm der geschwungenen Treppe gliederten, deren gestalterischer Effekt durch die markante Plastizität und Farbigkeit zusätzlich gesteigert wurde. Die magische Atmosphäre des Lichts und den Eindruck von Intimität erreichte der Architekt durch den schrägen Lichteinfall von der Straße durch große Fenster und vom Hof durch eine Glasziegelwand. Die bezeichnende Eigenschaft des Cafés bestand in ihrer ausgewogenen menschlichen Dimension, die mit der Verflechtung und Gliederung der einzelnen Segmente und oftmaligen Verwendung der Schrift an einigen Tragelementen und an der Treppe erzielt wurde. Die Inspiration für die grafisch reine Komposition der Straßenfront, wo die plastischen Glieder so weit reduziert wurden, dass sie fast zweidimensional wie ein Plakat wirkte, stammte wohl von der Fassade des nur wenig älteren Cafés De Union in Rotterdam von J.J.P. Oud. 22 Villa von Grete und Fritz Tugendhat Ludwig Mies van der Rohe; Brünn, Straße Černopolní ulice 45; 1928-30 Zum Umbruch der 20er zu den 30er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts entstand in Brünn (Brno) nach einem Entwurf von Mies van der Rohe die Villa des Ehepaares Tugendhat, die aufgrund des Radikalismus ihres Kerngedanken und der ihrer Zeit weit voraus eilenden formalen und technischen Lösung als des Architekten bedeutendstes Werk der Vorkriegsepoche gilt. Die Grundanordnung, die Gestaltung der Fassade und die Horizontalität der Villa waren auf das abschüssige Gelände abgestimmt, das anfänglich neben dem Haus der Eltern von Grete in der Straße Drobného ulice lag. In der Eingangsetage befanden sich die Halle und die Schlafzimmer, ein selbständiger Flügel beherbergte die Garage und die Wohnung des Personals. Die zweite Etage belegten der Hauptwohnraum mit dem Wintergarten, der durch eine Wand aus Onyx, eine Wand aus Makassar-Ebenholz und niedrige Möbel gegliedert war, und die Küche mit dem Zubereitungsraum. Die unterste Etage konzentrierte die technischen Anlagen. Das Werk des ausländischen Projektanten war dem Programm der Brünner Architektur nicht vollkommen fremd, es hat nur im größeren Ausmaß das realisiert, was schon die Leitidee von B. Fuchs beim Café Zeman, beim Café des Hotels Avion oder bei seinem eigenen Haus war. Allen diesen Arbeiten lag der gemeinsame Gedanke zugrunde, die traditionellen geteilten Räume durch einen einzigen „fließenden“ Raum zu ersetzen, der mit dem Umfeld verbunden war. In der Villa Tugendhat wurde diese Tendenz bis zur Perfektion vollendet, ebenso wie die radikale Beziehung des Innenraums zur Umgebung. Während die Eingangsetage auf der Stra- ßenseite mit einer Vollmauer abgeschlossen ist, öffnet sich die Wohnetage über Glaswände dem Garten. Diese Variante wird durch die absenkbaren großen Fenster in das Souterrain und die dezenten Farben des Interieurs unterstrichen, mit denen das Farbenspiel der umgebenden Natur betont wird. Formvollendet zeigen sich auch die Möbel von Mies, die noch heute im Ausland angefertigt werden. Selbst der Entwurf des Gartens, der von der Gartenarchitektin G. Roderová aus Brünn umgesetzt wurde, ist eine Arbeit von Mies. Er berücksichtigte hierbei die Wünsche der Bauherren, wie es auch beim Entwurf des Hauses der Fall war. Die Außergewöhnlichkeit des Baus zeigt sich ferner in den technischen Neuigkeiten, zu denen die Klimatisierung und eine elektronische Sicherheitsanlage mit Fotozelle gehörten. Die jüdische Familie bewohnte die Villa nur bis zu ihrer Emigration im Jahr 1938. Danach zogen die Büros einer deutschen Firma für Flugzeugmotoren ein, 1945 übernahm die sowjetische Armee das Haus und zerstörte vor allem die Innenräume. Die Baustruktur der Villa blieb aber auch bei der Nutzung durch eine Tanzschule und die Rehabilitationsabteilung des Kinderkrankenhauses erhalten. Schon ab den neunzehnhundertsechziger Jahren verstärkten sich die Stimmen für eine Erneuerung des Hauses, was zum Teil erst zwanzig Jahre später gelang, als die wieder hergerichtete Villa vom Nationalausschuss der Stadt Brünn genutzt wurde. Gleich nach der Wende im November 1989 wurde ein würdigerer Verwendungszweck gefordert, infolge dessen sie 1994 in die Hand des Museums der Stadt Brünn gelangte und für Besucher geöffnet wurde. Ein Jahr später erlangte die Villa den Status des Nationalen Kulturdenkmals und im Jahr 2001 erfolgte ihre Eintragung in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. 23 Tschechische MasarykVolksschule für Jungen und Mädchen (heute Grundschule) Mojmír Kyselka sen.; Brünn, Straße Zemědělská 29; 1930-31 Eine der wertvollsten Umsetzungen des Brünner Funktionalismus, das in der Masse reich gegliederte symmetrische Gebäude mit höchst eindrucksvoller Flächenkomposition, ist auch mit seiner Anordnung auf dem Prinzip einer Hallenschule bemerkenswert. Die Symmetrie der Innenaufteilung mit Halle, Speise- und Lesesaal in der Mitte, die dem Typ der gemeinsamen Jungen- und Mädchenschule gerecht wird, zeigte sich im vollen Umfang auch bei der Konfiguration der Hauptfassade der Schule und am axialen Eingangsvorbau mit Terrasse. Diese Front avancierte zugleich zum Hauptträger der gestalterischen Werte des Gebäudes. Die mit höchster Sensibilität geschaffene Ausgewogenheit zwischen den Dimensionen des horizontal orientierten Blocks, der Form der Fenster und ihrer Beziehung zur umliegenden Fläche und der nur mit minimalen Mitteln erreichten Gebäudeeleganz allgemein verweisen auf den starken Einfluss der funktionalistischen Architektur von Le Corbusiers Auffassung. Die Schule, der ein Kindergarten angeschlossen war, stand in einem weitläufigen Garten mit zwei großen Sportplätzen und einem Schwimmbecken, sie verfügte zudem über eine Schwimmhalle mit Duschen und sogar die Beratungsstelle eines Kinderarztes. Kyselkas Schule weckte aufgrund ihres anspruchsvollen Programms und des hohen Niveaus ihrer gestalterischen Form bereits in der Zeit ihrer Entstehung Aufmerksamkeit, und zwar nicht nur in tschechischen Fachkreisen, sondern auch im Ausland. 24 Stadtbad Bohuslav Fuchs; Brünn, Straße Zábrdovická ulice 25; 1929-31 1929 wurde ein Wettbewerb für den Bau eines Stadtbades ausgeschrieben, in dem B. Fuchs als Sieger hervorging. Das Durchführungsprojekt arbeitete er gemeinsam mit den Angestellten der Städtischen Wasserwerke aus. Der Bau begann im Mai 1931 und im Juni des darauf folgenden Jahres erfolgte die feierliche Eröffnung. Die unter den städtebaulich unvorteilhaften Bedingungen der Industrievorstadt geplante Badeanstalt war als zwei eigenständige Betriebsteile für Sommer und Winter konzipiert. Das Stahlbetonskelett des prismatischen zweigeschossigen Gebäudes des Winterbades, das viele Dienstleistungen und Funktionen unter seinem Dach vereinte, ermöglichte eine zweckmäßige Anordnung, auch außen kam es als effektive Komposition aus hellen Konstruktionsrahmen und leichten Füllungen aus Rohziegeln zur Geltung. Dem Sommerbad mit Schwimmbecken, Rasenflächen und Sportplätzen verlieh der eingeschossige Garderobenbau mit vorgesetzter Treppe, durchgehenden Kommunikationsrundgängen und Sonnenterrasse den eindrucksvollen architektonischen Rahmen. Die ihrer Zeit vorauseilende Resonanz der Badeanstalt in Zábrdovice beruht jedoch nicht nur auf ihrer architektonischen Gestaltung mit enthaltsamen funktionalistischen Mitteln und auf der perfekten Lösung der Aufgabe betreffend des schwierigen Betriebs, sondern besonders auf dem Gefühl für Harmonie, Zwanglosigkeit, Gesundheit und Freude, die das Areal hervorrief. Schon deshalb hat die heutige Fachliteratur das Stadtbad mit Recht als eine der am höchsten entwickelten Bauten der tschechoslowakischen Architekturavantgarde bezeichnet. 25 Eigenes Familienhaus („Haus für zwei Junggesellen“) Otto Eisler; Brünn, Straße Neumannova ulice 10; 1930-31 Die originelle Bezeichnung des Hauses, die häufig in der Fachliteratur zu lesen ist, wählte der Projektant selbst, weil er darin mit seinem gleichfalls ledigen Bruder Moritz lebte. Wie die Bezeichnung ist auch die Innenanordnung des Hauses individuell, sie entspricht dem Lebensstil und den Vorlieben des Architekten, der ein begeisterter Sportler, Amateurmusiker, Botaniker und Zoologe war. Das Haus steht in der Mitte eines abschüssigen alten Obstgartens, dessen Ursprünglichkeit der Architekt im höchsten Grade beließ. Auf dem Souterrain mit den Wirtschaftseinrichtungen lagert das Erdgeschoss, das von einem großen Wohnraum beherrscht wird, der sich mit breiten Glastüren in den Garten öffnet. Im Obergeschoss befinden sich zwei Schlafzimmer und dazwischen ein gemeinsames Zimmer, das auf einen Balkon führt, der sich über die ganze Breite der Süd- und Ostfassade zieht. Das Dachgeschoss bietet einen Wintergarten mit Voliere, Dusche und offener Terrasse für gymnastische Übungen. Das Haus für zwei Junggesellen belegt den allmählichen Entwicklungsweg des Projektanten vom rationalen Purismus zum Funktionalismus, die Verwandtschaft mit den Werken von Eislers Lehrern an der Brünner Deutschen Technischen Hochschule und letztendlich die Lehren aus den Villen von A. Loos und E. Wiesner, deren ausgesprochene Exklusivität er für die Bedürfnisse der höheren Mittelschichten umtransformierte. 26 Fachschule für Frauenberufe Vesna (heute Medizinische Mittelschule und Höhere medizinische Fachschule) Bohuslav Fuchs – Josef Polášek; Brünn, Straße Lipova ulice 16-18; 1929-30 Eliška-Machová-Heim (heute Kinderheim) Bohuslav Fuchs; Brünn, Straße Lipová ulice 16-18; 1929-30 Die zweigeschossige frei stehende Schule mit Dachterrasse und vorgesetzter Turnhalle wurde ohne die üblichen Gänge projektiert, deren Funktion ein durchlaufender Balkon übernahm. Die mittlere Tragwand ersetzten Pfeiler und Faltwände, die eine Erweiterung des Unterrichtsraumes um die angrenzenden Arbeitsräume gestatteten, die durch Einbaumöbel abgetrennt waren. An die Schule band baulich und kommunikativ das viergeschossige Heim an, das ursprünglich als Mädchenpensionat und Internat für berufstätige Frauen geplant war. Beide Gebäude offerierten mit ihrem Programm und ihrer Realisierung viele Neuigkeiten. Bei der Aufteilung der Schule wurden die fortschrittlichsten Lehrmethoden bedacht und bei beiden Gebäuden kam wohl erstmalig in der Tschechoslowakei ein neues Konstruktionssystem zur Anwendung. Dieses System beruhte auf der Übertragung der Tragfunktion von den Längsmauern auf die Mauern zwischen den Räumen und auf der Querlagerung der Decken. Die Masse der Fassade wurde dadurch soweit entlastet, dass von ihr nur ein Skelettraster mit großen Fenstern übrig blieb. Wie die Fassade des Heims zeigte, ermöglichte das neue System kastenförmig zurückgesetzte Balkone, mit denen sich der Bau dem Umfeld öffnete und zugleich Licht und Luft hereinließ. Das Konstruktionssystem verkürzte zudem die Ausführungszeit für den Rohbau des Zimmergeschosses des Heims auf nur 5 bis 6 Tage. 27 Eigenes Familienhaus Jiří Kroha; Brünn, Straße Sedlákova ulice 45; 1928-29 Das zweigeschossige Eckhaus auf länglichem Grundriss steht am Ende der Straßenbebauung am Fuß eines steilen Hangs, von dem ein Teil als Ziergarten gestaltet ist. Durch den Garten an der Straße Sedlákova ulice gelangt man auf den kleinen Hof, wo sich der Haupteingang in das Haus befindet. Das Erdgeschoss konzentriert die technischen Einrichtungen, im ersten Obergeschoss findet das Familienleben statt: Halle, Wohnzimmer mit Essecke, eine kleine Küche und Betriebsfläche. Die höchste Etage mit den Schlafzimmern besitzt auch eine Erholungsfunktion, denn hier liegt der Balkon mit der anbindenden Sonnenterrasse. Originell ist die Konzeption der Wohnetage, die aus einem System von miteinander verbundenen Räumen mit Durchsichten in das Innere und in den Garten besteht, ebenso wie die Ausführung der Fassaden. Während die nur mit einem farblich abgesetzten Vorbau belebte Straßenfront einen geschlossenen Eindruck vermittelt, überrascht die Gartenfassade mit dem vorherrschenden großen Fensterband durch ihre Gliederung. Am plastisch betonten Effekt des Gebäudes hat auch die Fassadenfarbe ihren Anteil, sie ist eine dynamische Komposition aus Olivgrün, Weiß, Rot und Schwarz. Das Haus repräsentiert eines der Beispiele für Krohas dichte Annäherung an die Grenzen des Funktionalismus, die er jedoch niemals überschritten hat. Er bemühte sich in seiner Arbeit immer um die Symbiose der technischen und der gestalterischen Komponente, was im jähen Widerspruch zu den Grundpostulaten besonders des Hochfunktionalismus stand. 28 Eigenes Familienhaus Bohuslav Fuchs; Brünn, Straße Hvězdárenská ulice 2; 1927-28 Die Garage und die Betriebseinrichtungen des zweigeschossigen, frei stehenden Hauses belegen das Souterrain, das Erdgeschoss und die erste Etage bilden die einstöckige Wohnhalle mit umlaufender Galerie – der Bibliothek. Zur Halle gehören ein Wintergarten und ein Speisezimmer mit anbindender zweckmäßiger Küche. Das erste Obergeschoss beherbergte neben der Bibliothek auch das Projektierungsbüro und das Atelier von Fuchs. Die höchste Etage war für die Schlafzimmer, die Gästezimmer, das Ankleidezimmer und das Badezimmer vorgesehen. Das gerade Dach war zugleich die Ruheterrasse. Für die vertikale Kommunikation zwischen Erdgeschoss und Dachterrasse sorgte eine Wendeltreppe. Die Straßenfront ist schlicht, auf der Gartenseite dominiert das einstöckige Fenster der Halle. Das Hausinnere konzipierte der Architekt abermals nicht in der Art der traditionellen Anordnung genau definierter Räume, sondern durch die Verwendung des variablen Grundrisses sowie des Schiebesegments der „Mauer“ und der Vorhänge in der Wohnhalle als horizontal und über Durchsichten in die Etage auch vertikal einheitlichen Raum. Das Haus sollte demnach nicht mehr nur eine gut funktionierende „Maschine zum Wohnen“ sein, sondern eine inspirierende Atmosphäre bieten, die den geistigen Bedürfnissen der Benutzer förderlich ist. Mit der Realisierung seines Vorhabens, das von der Arbeit Le Corbusiers beeinflusst war, überwand Fuchs die frühe, rationelle Phase des Funktionalismus hin zur ästhetischemotionalen Auffassung, und im gewissen Maße nahm er die radikale Interpretation des Innenraums durch Mies van der Rohe vorweg. Sparkasse der Stadt Tišnov (heute Komerční banka) Bohuslav Fuchs – Jindřich Kumpošt; Tišnov, Platz Komenského náměstí 4; 1931-33 Der Neubau der Sparkasse der Stadt Tišnov entstand Anfang der neunzehnhundertdreißiger Jahre in der exponierten Ecklage an der Stelle des Zusammentreffens zweier zum Hauptplatz führender, steil ansteigender Straßen auf dem Grund des früheren Hotels „Zum Goldenen Hirsch“. Die reife funktionalistische Arbeit der Brünner Spitzenarchitekten gründet sich als zweiflügeliger viergeschossiger Mehrzweckbau auf den subtilen Pfeilern der stellenweise nach außen hin gebilligten tragenden Stahlkonstruktion. In den niedrigeren Etagen des Hauptflügels, der an die älteren Reihenhäuser anbindet, lagen die Räumlichkeiten für den Publikumsverkehr, der hintere Trakt diente der internen Verwaltung der Institution, in den höheren Stockwerken waren Arztpraxen und Wohnungen projektiert. Das Gebäude bedeutete einen radikalen Eingriff in die umliegende historische Bebauung, und zwar aufgrund des auffallenden entlasteten prismatischen Körpers des Hauptflügels, durch Zurücksetzen des breiten Eingangs, durch den verglasten Hallenerker, der den Balkon trug, durch die Fensterbänder mit kleinen Zwischenpfeilern, welche die zweckmäßige Innenanordnung nach außen reflektierten, durch große Glasziegelflächen für die Lichtversorgung des Treppenaufgangs, und letztendlich durch die offene Terrasse in der zweiten Etage an der abgeschrägten Ecke. Das Gebäude des Geldinstituts bewahrte sich seine ursprüngliche Mission bis heute, auch wenn der jetzige Nutzer – die Bank Komerční banka, vornehmlich die originell gestalteten Innenräume für ihre eigenen Zwecke veränderte. Mährische Bank (heute Sparkasse Česká spořitelna) Josef Polášek; Boskovice, Platz Masarykovo náměstí 14; 1936-37 Das dreigeschossige Reihenhaus, das an der Stelle eines Bürgerhauses vom ausgehenden 18. Jahrhundert gebaut wurde, hat einen trapezförmigen Grundriss, der sich zum Hof hin verbreitert, wo ein quer orientiertes Erdgeschossobjekt mit Dienstwohnung steht. Die Räumlichkeiten für den Publikumsverkehr und das Büro des Direktors befinden sich im Erdgeschoss, in den zwei höheren Etagen liegen Wohnungen, sie verfügen zum Platz hin über zwei zweiteilige Fenster, die in Richtung zum länglichen Balkon gehen, und ein vierteiliges Fenster. Das Gebäude bedeckt ein Flachdach, das die umliegende Bebauung nicht überragt. Die ausdrucksvolle horizontale Tendenz, die in den Stockwerken durch die Balkone und Fensterreihen zum Ausdruck kommt, zeigt sich ferner an der Zwischenetage und am Parterre mit den zurückgesetzten Eingängen in die Bank sowie am Treppenaufgang zu den Wohnungen und an den zwei Schaufenstern. Die ursprüngliche Decke – das Raster aus Milchglastafeln und Metallstäben -, die Eingangstür, die Kalktuffverkleidung der Wände und der Tragsäule belegen die hohe Qualität der Ausführung, die auch an den Auslagen aus Klarglas im Metallrahmen im Erdgeschoss und an den durchsichtigen Flächen zu sehen ist, die zur Zwischenetage gehören. Überlegte Enthaltsamkeit charakterisieren auch die Innenräume der Bank mit überlieferten „kleinen Spielen“, wie den runden Schuhabtretern und den Beleuchtungskörpern ähnlicher Form über ihnen. Die gestalterische Dominante der Hoffassade ist die bei Polášek beliebte Vertikale des Treppenfensters, das aus Glasbausteinen zusammengesetzt ist. Kreiskrankenkasse (heute Grundschule für Kunst) Jindřich Kumpošt; Boskovice, Platz náměstí 9. května 7; 1928-32 Der längere zweigeschossige Gebäudetrakt auf einem Grundriss in L-Form ist horizontal in den Sockel (Erdgeschoss), der mit Naturstein verkleidet ist, und in das Obergeschoss mit einer Reihe regelmäßig angeordneter Fenster mit Zwischenpfeilern unterteilt, die auch im Erdgeschoss auftreten. An diesen Flügel bindet rechtwinklig der kürzere dreigeschossige Trakt mit Satteldach an, der im Erdgeschoss auch mit Stein verkleidet ist. Die gestalterische Betonung der Fenster in der zweiten Etage dieses Objektteils mit Hilfe plastischer Simse aus farbigem kontrastierendem Material verrät, dass sich hinter ihnen die für den Betrieb wichtigen Räume wie der Sitzungssaal befanden. Die Dominante des Gebäudes ist der überdimensionierte „Turm“, der mit dreieckigen Spitzen abgeschlossen ist. Den freien Teil des Erdgeschosses mit dem Haupteingang überdeckt der Sockel des Eckbalkons, der von einem Steinpfeiler getragen wird. Das betonende Element der Seitenfassade des „Turms“ ist das schmale vertikale Treppenfenster. Für den originellen „Turm“, der wohl vom deutschen Expressionismus der beginnenden neunzehnhundertzwanziger Jahre inspiriert wurde, ist nur schwer eine Erklärung zu finden, besonders wenn er im Umfeld der kleinen Stadt derart fremdartig wirkt und den gestalterischen Effekt des ansonsten nüchternen Baus aus dem Gleichgewicht bringt. Bemerkenswert sind jedoch die Innenräume, und zwar durch die vielen erhaltenen authentischen Elemente, von denen im Vestibül die Säule mit figuralen Reliefs des Brünner Bildhauers F. Fabiánek den Ton angibt. Geschäfts- und Wohnhaus von Eduard Sedlmajer (heute Verkaufsstelle Mountfield) Václav Hilský – Rudolf Jasenský; Rousínov, Platz Sušilovo náměstí 25; 1939 Die Tradition der Möbelproduktion reicht in Rousínov bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück und sie ist hier mit der Familie Sedlmajer verbunden, die schon damals ihr Gewerbe am heutigen Platz Sušilovo námestí 25 betrieb. An seiner Stelle entstand 1939 ein Neubau, der unter seinem Dach einen geräumigen Ausstellungsraum mit Verkaufsstätte im Erdgeschoss, eine Werkstatt im Hof und eine Vier-RaumWohnung mit Zubehör im Obergeschoss vereinte, das über eine Holztreppe mit dem Erdgeschoss verbunden war. Zwei der drei Räume zum Platz hin erhielten durch das Fensterband Licht, der dritte und größte Raum verfügte über eine flache Loggia mit Wintergarten. Die in der Masse geschlossene, streng geometrische bis grafisch reine Fassade, die mit braunen und weißen Keramikfliesen verkleidet war, erhielt durch den horizontalen Wechsel der Glasflächen der Schaufenster und Fenster mit den Vollmauersegmenten Rhythmus. Einen effektvollen gestalterischen Akzent bot die Firmenaufschrift auf dem Dachaufsatz. Das Reihenhaus mit kleinerer Dimension, das sich sensibel in das Umfeld der kleinen Stadt einfügt und kultiviert an die ältere benachbarte Turnhalle angrenzt, repräsentiert ein hochqualitatives Beispiel für die ausklingende funktionalistische Konzeption eines Mehrzweckbaus. Seine Autoren haben jedoch selbst in einer derart späten Phase konsequent an der rechtwinkligen Ordnung des Hochfunktionalismus festgehalten, der damals schon allgemein durch seine weichere, „emotionale“ Position ersetzt wurde. Sparkasse der Stadt Kyjov (heute Česká spořitelna) Miloslav Kopřiva; Kyjov, Platz Masarykovo náměstí 2; 1925-26 Das Gebäude repräsentiert ein Beispiel des frühen, äußerst enthaltsamen Funktionalismus, der sich nur zögerlich sowohl in der Arbeit von Kopřiva, als auch im Umfeld der kleineren Stadt durchsetzte. Der einfache Neubau der Sparkasse entstand an der exponierten Stelle an der Frontseite des Hauptplatzes neben dem Renaissancerathaus. Diesem passt sich das dreigeschossige Objekt mit vier Fensterachsen in seiner Höhe an, zudem stellt es eine Beziehung über den Stockerker her, eine moderne Parallele zum gleichfalls hervortretenden, aber höheren Rathausturm. Während die oberen zwei Etagen der Sparkasse mit einer Reihe kleinerer rechteckiger Fenster in plastischen Einfassungen durchbrochen sind, ist das Erdgeschoss mit drei großen Glasflächen, die eher an Schaufenster erinnern, schon absolut modern gestaltet. Die neue Konzeption des offenen Erdgeschossbereichs hebt sich besonders im Kontrast zum nicht großen Eingang hervor, der in ein traditionelles, mehrfach abgesetztes Gewände eingepasst ist. Die Angemessenheit des Ausdrucks des Gebäudes ist bis zu einem gewissen Grad zweifellos beabsichtigt. Aus derselben Zeit stammt auch die Kreiskrankenkasse von Kopřiva in der nahe gelegenen Stadt Uherský Ostroh, ein überraschend dynamisches Objekt, das aus mehreren, sich untereinander durchdringenden kubischen Körpern zusammensetzt ist. In Kyjov arbeitete der Architekt jedoch inmitten der historischen Bebauung, die er gerade mit der enthaltsamen Konzeption der Sparkasse sensibel zu respektieren versuchte. Familienhaus von Stella und Arnošt Hayek Bohumil Tureček; Kyjov, Platz Seifertovo náměstí 21; 1931-32 Das Haus steht im Stadtteil Na Újezde, im Gartenviertel, wo in der Zwischenkriegszeit eine Reihe typologisch unterschiedlicher Wohnhäuser für private Kunden entstand – Familienhäuser, kleine Mietvillen oder auch kleinere Miethäuser. Das Gebäude steht frei auf einem unregelmäßigen Grundriss, der konsequent mit rechtwinkligen Linien begrenzt ist. Die übersichtliche Anordnung entwickelt sich von innen nach außen und sie reflektiert sich zudem in der Aufteilung der Fenster und Türen. Der Kern des Erdgeschosses besteht aus der zentralen Halle mit dominierendem Kamin, die von den Hauptwohn- und Kommunikationsräumen umringt ist. Von der Halle führt eine Treppe in das unvollständige Dachhalbgeschoss mit Gästezimmer, später ein Kinderzimmer, ferner Wäsche- und Trockenraum. Auf dem restlichen Teil dieser Etage erstreckte sich eine große Ruheterrasse, die mit subtilen Rohrgeländern mit Feldern aus leichten Drahtnetzen abgeschlossen ist. Der Haupteingang befindet sich in der Südfassade, die zum Großteil aus der Glaswand der Veranda besteht, die leicht in das Hausinnere zurückversetzt ist. Das Fensterband des leicht hervortretenden Speiseraums bringt zudem auch der Westwand eine deutliche Entlastung. Die klare Komposition der effektvoll gesteigerten Massen verschwand nach den rücksichtslosen Umbauten nach dem Krieg, als das frühere Eigentum der jüdischen Familie in den Besitz des tschechoslowakischen Staates gelangte. Familienhaus von Marie und Metoděj Souček Josef Polášek; Kyjov, Straße U Parku 2; 1929-30 Das frei stehende Haus verfügt über einen übersichtlichen Grundriss in L-Form mit den Hauptwohnräumen im längeren Flügel und einer Kunstgalerie im kürzeren Trakt. Die Galerie, in der Werke aus Součeks eigener Sammlung ausgestellt waren, wird mit indirektem Streulicht erhellt, das über den verglasten Dachreiter in der Form einer lang gezogenen Pyramide einfällt. Der Erdgeschossbau ist aufgrund des abschüssigen Geländes zum Teil in den Boden eingesenkt. Das Souterrain beherbergt die technischen Einrichtungen für das Haus und die Garage, deren überirdischer Teil schräg zur Fassade errichtet ist, was an die Form eines Schiffskiels erinnert, eines der vom Architekten mit Vorliebe eingesetzten nautischen Motive. Die Masse der Garage dient zugleich als Sockel für die Terrasse des Wohnzimmers, das mit einem langen Fensterband durchbrochen ist. Das Objekt bedeckt – ausgenommen der Galerie – ein Flachdach, das als Ruheterrasse genutzt wird, die ein subtiles „Dampfschiffgeländer“ begrenzt. Die erste Arbeit von Polášek für einen privaten Bauherrn ist das älteste Glied in einer Kette von mindestens zwölf Familienhäusern, die nach seinen Projekten in Kyjov gebaut wurden. Eine Ausnahme bildet die bei uns weniger häufig angewendete Erdgeschossanordnung, die auf die holländische Architektur verweist, konkret auf die eigene Villa des Architekten H. Wegerif in der Nähe von Haag, die Polášek 1928 während seines Studienaufenthaltes in Holland kennen lernte. Kreisamt (heute Arbeitsamt) Jan Víšek; Hodonín, Straße Národní třída 25; 1936-39 Das letzte, in der Zwischenkriegszeit realisierte große Projekt der Stadt Hodonín war in der zweiten Hälfte der 30er Jahre der mehrfach verschobene Bau des Kreisamtes, das an der Stelle der gleichlaufenden Straßen Národní třída und Velkomoravská ulice entstand. Das Projekt erstellte 1936 J. Víšek, der mit der klaren rational begründeten Konzeption dieses Objekts in die puristische Etappe seiner Arbeit zurückkehrte, die ihm sein Leben lang sehr nahe stand. Der nüchterne Bau, der auf strengen und genauen, fast „mathematischen“ Proportionen und Beziehungen fußte, beherrschte mit seiner Monumentalität vollständig die exponierte Stelle im Kern der Stadt und er setzte hinter das Vordringen der regionalen „Eigentümlichkeit“ in die örtliche moderne Architektur einen Schlusspunkt. Dieser Punkt war aber recht hart. Das in der Masse überdimensionierte viergeschossige Gebäude mit zwei Flügeln auf einem Grundriss mit dem Buchstaben L mit langen Straßenfassaden, dem nur der monotone Rhythmus der Fensteröffnungen Gliederung verlieh, verschluckte vollständig die umliegende kleinere Bebauung, woran auch die großen geschlossenen Flächen des hellen Putzes keinen geringen Anteil hatten. Auch wenn das Gebäude einerseits ein überzeugendes Beispiel für den Einfluss der überregionalen, vielleicht übernationalen Tendenzen repräsentiert, die schon früher aus dem Kreis von Víšeks lebenslangem Vorbild A. Loos bekannt waren, stellt sich andererseits die Frage, ob die Architektur in kleineren Städten diesen Weg beschreiten sollte. Höhere weiterführende Schule Masaryk (heute Mittelschule für Gewerbe und Kunst und Höhere Fachschule) Jaroslav Grunt; Hodonín, Straße Brandlova 32; 1929-30 An den zweigeschossigen frei stehenden Block lehnte sich an der einen Seite mit einem schmalen Hals senkrecht der prismatische Pavillon mit den Werkstätten und auf der anderen Seite in der Längsachse ein Vordach für die Fahrräder und ein Lager an. Das Hauptgebäude war als Zweitrakt mit Unterrichtsräumen in Richtung zum Hof und den übrigen Räumen (Direktionszimmer, Lehrerzimmer, Kabinette u.a.) in Richtung zur Straße projektiert. Die Kabinette und die Unterrichtsräume waren miteinander verbunden und mit Einbaumöbeln ausgestattet. Die Separation der Metallwerkstatt und der Holzwerkstatt in den Seitenpavillon trennte den lärmintensiven vom leisen Betrieb der Schule. Die längliche Fassade des Hauptgebäudes ist mit den drei horizontalen Linien der regelmäßig angeordneten Fenster, dem Eingang mit dreieckförmigen Dach, das von einer schlanken Säule getragen wird, und den zwei großen länglichen Fensteröffnungen darüber gegliedert. Die Seitenfassade zeichnet sich durch die Vertikale des Treppenfensters aus Glasziegeln aus. Das Flachdach mit Rohrgeländer wurde als Terrasse genutzt. Grunts erste architektonische Aufgabe für Hodonín zum Umbruch der 20er und 30er Jahre ist ein wichtiger Meilenstein in der Baugeschichte der Stadt, der gleichsam symbolisch einen Trennstrich zwischen dem zu Ende gehenden Jahrzehnt, das von der recht einseitigen Arbeit von A. Blažek repräsentiert war, und der nachfolgenden Dekade zieht , die durch die gemäßigte, „regionale“ Form des Purismus und Funktionalismus charakterisiert wurde. Tyrš-Volksschule und Kindergarten (heute Grundschule und Kindergarten) Bohuslav Fuchs; Znojmo, Straße Vrchlického ulice 1; 1931 (Städtische Volksschule; Bohuslav Fuchs; Znojmo, Straße Slovenská ulice 33; 1931 Weil die Kapazität der Schulen in Znojmo zum Beginn der dreißiger Jahre an ihre Grenzen stieß, entschied der Stadtrat für den Bau von zwei tschechischen Volksschulen mit angeschlossenen Kindergärten. Mit der Ausarbeitung des Projekts wurde B. Fuchs beauftragt. Er entwarf die Schulen an zwei Lokalitäten als fast identische, nur seitenverkehrte Objekte. Jedes von ihnen verfügt über einen lesbaren Grundriss, der aus zwei in der Längsachse aneinander liegenden Rechtecken zusammengesetzt ist. Der zweigeschossige Teil mit neun Fensterachsen war für die Volksschule reserviert, im Erdgeschossblock mit sechs Achsen befand sich der Kindergarten. Das Gebäude bedeckt ein in der Höhe differenziertes Flachdach, das über dem Kindergarten als Spielterrasse genutzt wurde, die ein Metallgeländer mit leichten Drahtfeldern begrenzte. Die länglichen Fassaden erhalten ihren Rhythmus mit Reihen großer Fenster, welche die Innenräume mit viel Licht und Luft versorgen. Den entlasteten, fast spielerischen Eindruck von diesem psychologisch günstig dimensionierten Bau steigert der einheitliche helle Putz, der die ursprünglich entworfene farbliche Unterscheidung und Verkleidung der Fassaden ersetzte. Das Gebäude wurde somit zwar um ein ausdrucksvolles gestalterisches Element gebracht, was die Farbe und die Kombination verschiedener Materialien zweifellos ist, trotzdem, oder gerade deshalb gehört es zu den reinsten Belegen des Hochfunktionalismus in Znojmo. Kaufhaus Kratochwil & Wozelka (heute Spielhalle) Robert Farsky; Znojmo, Platz Slepičí trh 5; 1930 Den größten Eingriff in das historische Zentrum von Znojmo (Znaim) bedeutete der Neubau des Kaufhauses für Textilien und Kurzwaren der Firma Kratochwil & Wozelka an der Ecke der Straße Kovářská ulice zum Platz Slepičí trh, der nach dem Projekt des Brünner deutschen Architekten an der Stelle des Loosschen Buchladens entstand. Die Konzeption der Hauptfassade des zweigeschossigen Gebäudes, die zum Platz Horní náměstí gerichtet ist, entwickelt sich vom leicht tiefer liegenden Ecksegment, das mit schlanken „Halbsäulenvorlagen“ an der Wand und schmalen Fenstern zwischen ihnen reich gegliedert ist. Zur gestalterisch wirksamen plastischen Modellierung der Masse und zugleich zu ihrer Entlastung tragen im Wesentlichen auch die offenen Balkone bei, die sich mit den Fenstertafelflächen und Vollmauerabschnitten abwechseln. Der Fassade dominiert die schmale Vertikale aus Milchglas im Metallrahmen, in dem vermutlich die Firmeninschrift platziert war. Der Großstadtcharakter des Hauses wird mit dem modern gelösten Erdgeschossbereich mit großen verglasten Schaufenstern der Geschäfte abgerundet, eine Steigerung bringt abermals der segmentierte, nach innen gezogene Eckeingang mit einer gleichfalls aus Milchglas und Metall gearbeiteten Decke. In erster Linie die frühe Verwendung der Kurve und der vertikalen Gliederung reiht dieses wenig bekannte, aber originelle Objekt, das mit seiner Größe auch die umliegende Bebauung respektiert, schon fast in die Kategorie des späten, so genannten emotionalen Funktionalismus ein. Haus der Dienste Baťa (heute Schuhgeschäft Baťa) František Lydie Gahura – Arnošt Sehnal; Znojmo, Platz Horní náměstí 1; 1928-29 Ende der neunzehnhundertzwanziger Jahre entstand im historischen Zentrum von Znaim (Znojmo) das älteste hiesige funktionalistische Gebäude – das Haus der Dienste Baťa. Obwohl die Firma schon 1928 das alte Eckhaus gekauft hatte, an dessen Stelle der Neubau rücken sollte, erhielt sie infolge der Differenzen mit dem Denkmalinstitut in Brünn (Brno) erst im darauf folgenden Jahr die Abriss- und Baugenehmigung, und zwar anfangs hinzukommend unter der Bedingung, dass nur ein Teil des bestehenden Hauses abgerissen und der zweite Teil für die Erfordernisse der Firma umgebaut wird. Die Pläne arbeitete ursprünglich F.L. Gahura aus, später wurden sie jedoch von Projektant A. Sehnal aus Zlín abgeändert, der – mit Sicherheit zum Nachteil der endgültigen Realisierung – vermutlich die beabsichtigen Fensterbänder dieses ersten Stahlbetonbaus in der Stadt durch fade Reihen typisierter dreiteiliger Fenster ersetzte. Der kompakte Kubus des viergeschossigen Objekts an der Ecke des Platzes Horní náměstí und der Straße Kovářská ulice erhielt somit ein schwerfälliges Aussehen, das zusätzlich durch das Minimum an gliedernden Elementen betont wurde, und er erdrückte vollständig die kleinere umgebende Bebauung. Die offensichtliche schöpferische Ratlosigkeit der Autoren dieses in der Höhe und in der Masse überdimensionierten Würfels, dessen gestalterische Qualitäten höchstens im verglasten Parterre mit abgeschrägter Eingangszone gesehen werden konnten, trat im Vergleich mit dem unweit gelegenem originell gelösten Kaufhaus Kratochwil & Wozelka noch stärker hervor. Villa von JUDr. Josef Mareš Jan Víšek; Znojmo, Straße Na Vyhlídce 4; 1931-32 Für seinen Repräsentationssitz wählte sich der damalige Bürgermeister der Stadt Znaim (Znojmo) den exponierten Platz über dem Tal der Dyje (Thaya). Der Freund der Familie J. Víšek entwarf einen effektvollen Bau, den mit gewissen Änderungen unter Zustimmung des Autors der ansässige Baumeister L. Všetečka realisierte. Das dreigeschossige Haus mit Dachhalbgeschoss beherbergt im Erdgeschoss neben der Wohnung für den Hausmeister eine Eingangshalle, die über eine Treppe mit der nächsten Etage verbunden ist. In dieser Etage befanden sich die Wohnung der Mutter von Mareš, das Esszimmer und die Wohnhalle. In der darüber liegenden Etage lagen die Schlafzimmer und die Küche. Etwa ein Drittel der Fläche des geraden Daches nimmt die Terrasse ein. Die Zimmer des Dienstmädchens und des Gastes waren im Dachhalbgeschoss untergebracht. Die erwähnten Änderungen betrafen vornehmlich das Äußere des Hauses, wo ein Teil der ursprünglich offenen Terrassen als Wohnräume genutzt wurde. Einen dynamischeren Ausdruck verliehen dem Gebäude die gegenüberliegenden abgerundeten Ecken, durch die Fensterbänder verlaufen, welche die Masse optisch entlasten. Im Gegensatz zu den hellen Fassadenflächen mit den dunkelgrünen Rahmen der Fenster und Geländer steht jedoch die konservative Einrichtung der Innenräume, die eine ansässige Möbeltischlerei anfertigte und die mit historischen Möbeln aus dem Familienbesitz kombiniert war. Die gepflegte Villa, die noch heute Eigentum der Familie von Mareš ist, gehört ohne Übertreibung zu den bedeutendsten Beispielen der privaten Wohnbauten des „funktionalistischen“ Südmährens. Auf den Spuren des Funktionalismus Brno 20 23 21 28 19 18 22 17 16 14 15 Der Funktionalismus, der ab dem Ende der zwanziger und in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in der tschechoslowakischen Architektur vorherrschte, ist in der Regel mit großen Zentren verbunden – in Südmähren vornehmlich mit der Stadt Brünn (Brno). Das Interesse am Brünner Funktionalismus, der aufgrund seiner herausragenden Qualität schon in der Zeit seiner Entstehung geschätzt war, ist auch heute nicht erloschen. Die Arbeiten der hiesigen Architekten haben nicht nur das Gesicht vom Brünn der Zwischenkriegszeit ausdrucksvoll gestaltet, das sich durch ihren Impuls in eine moderne Metropole verwandelte. Darüber hinaus verhalfen sie zur Verbreitung der funktionalistischen Ideen außerhalb von Brünn, obwohl sie sich dort nur zögerlich durchzusetzen vermochten. Ausgenommen der Städte Kyjov und Znojmo mit einer größeren Anzahl funktionalistischer Bauten handelte es sich vorwiegend um einzelne Gebäude, was sicher durch die örtliche politische, wirtschaftliche und kulturelle Situation bedingt war. In Südostmähren, vorrangig in Hodonín, wo die authentische volkstümliche Kultur lange lebendig blieb, übte zudem das volkstümliche Bauwesen einen anhaltend starken Einfluss aus. Trotzdem entstanden auch hier und an anderen Orten überraschend moderne Gebäude, die einen Vergleich mit den Brünner Arbeiten nicht scheuen mussten. Davon können sich übrigens die Besucher von Südmähren überzeugen, wenn sie sich auf die Wanderung zur funktionalistischen Architektur dieser interessanten Region in der Tschechischen Republik begeben. Lenka Kudělková 24 27 3 4 26 25 6 2 5 1 7 8 9 10 12 11 13 ZEICHENERKLÄRUNG 1. Mährische Bank (heute Komerční banka) 2. Kaufhaus Brouk & Babka (heute Kaufhaus Baťa) 3. Miethaus mit Geschäften, sog. Convalaria (heute polyfunktionelles Geschäfts- und Wohngebäude, Redaktion der Tageszeitung Mladá fronta Dnes) 4. Hotel Avion 5. Café Savoy 6. Café Zeman 7. Kaufhaus Baťa (heute Kaufhaus Centrum) 8. Palais Alfa 9. Erste Mährische Sparkasse (heute Česká spořitelna) 10. Städtisches Übernachtungsvermittlungsbüro (heute Reisebüro Čedok) 11. Bahnhofspost 12. Versicherungsgesellschaft Riunione Adriatica di Sicurtà (heute polyfunktionelles Verwaltungs- und Wohngebäude) 13. Messegelände 14. Familienhauskolonie „Neues Haus“ 15. Hus-Gemeinde der Tschechoslowakischen Hussitenkirche 16. Masaryk-Studentenwohnheim (heute Kinderheim) 17. Allgemeines Pensionsinstitut (heute Oberstes Gericht der Tschechischen Republik) 18. Miethäuser, Straße Kotlářská ulice 19. Landesmilitärkommando und Kommandostelle des 3. Korps in Brünn (heute Universität für Verteidigung) 20. Miethausensemble, Straße Pod Kaštany 21. Café Era 22. Villa von Grete und Fritz Tugendhat 23. Tschechische Masaryk-Volksschule für Jungen und Mädchen (heute Grundschule) 24. Stadtbad 25. Eigenes Familienhaus („Haus für zwei Junggesellen“); Otto Eisler 26. Fachschule für Frauenberufe Vesna (heute Medizinische Mittelschule und Höhere medizinische Fachschule), Eliška-Machová-Heim 27. Eigenes Familienhaus; Jiří Kroha 28. Eigenes Familienhaus; Bohuslav Fuchs