Perioperative Neuroprotektion C. Werner Schlaganfall, zerebrale Ischämie nach Herz-Kreislaufstillstand, Schädelhirntrauma, Subarachnoidalblutung, sowie oft unvermeidbare zerebrale Belastungen während kardio­ chirurgischer, gefäßchirurgischer oder neurochirurgischer Eingriffe stellen nach wie vor eine große Herausforderung für die perioperative Medizin dar. Die genannten Erkrankungen und Interventionen besitzen ein beträchtliches Schädigungspotential mit zum Teil hoher Mortalität oder nur mäßiger Rehabilitation mit fehlender Wiedereingliederung der betroffenen Patienten in die Gesellschaft. Die gemeinsame pathophysiologische Endstrecke o.g. Ereignisse ist stets die inadäquate Versorgung des zentralen Nervensystems mit Sauerstoff und Glukose, welche charak­ teristische Destruktionsprozesse triggert, die ultimativ zum akuten oder programmierten neuronalen Zelltod führen. Konsequenterweise wurde über Jahrzehnte hinweg intensiv untersucht, inwieweit physikalische, hämodynamische oder pharmakologische Interventionen neuroprotektives Potential besitzen, um auf den unterschiedlichen Ebenen der ischämischen Kaskade zerstörerische Prozesse aufzuhalten. Allerdings blieben die Untersuchungen zu Anästhetika, freien Radikalfängern, Antagonisten exzitatorischer Aminosäurerezeptoren, Calciumkanalblockern, Ionenpumpenmodulatoren, Wachstumsfakto­‑ ren, Immunomodulatoren, Steroiden und Genprodukten bisher erfolglos, obwohl diese Substanzen in laborexperimentellen Systemuntersuchungen ein zum Teil erstaunliches neruoprotektives Potential entfaltet hatten. Nach Expertenmeinung ist die fehlende Translation unter anderem durch die Existenz multipler Schädigungsmechanismen, inadäquate Dosierung, nicht verfügbare Therapiezeitfenster, miserable Biometrie etc. erklärbar. Andereseits hat die vorliegende Forschungsleistung klargestellt, dass die derzeit wich­ tigste Strategie zu perioperativer Neuroprotektion in der profunden Kenntnis der zerebralen Physiologie und Homöostase des gesunden und kranken Patienten liegt. Die vorliegende Übersicht diskutiert essentielle physiologische Mechanismen und therapeutische Vorgehensweisen zur Homöostase, die eine adäquate Balance aus Sauerstoff- und Glukose­angebot und -bedarf des zentralen Nervensystems verwirklichen sollen. Darüber hinaus wird das potentielle neuroprotektive Potential von Substanzen im Kontext der perioperativen Medizin analysiert. Management des zerebralen Perfusionsdruckes (CPP) Pathologische Veränderungen der Hirndurchblutung (z.B. bei Patienten mit zerebralem Vasospasmus nach Subarachnoidalblutung oder während intrakranieller Hypertension) verlangen ein individualisiertes Management des zerebralen Perfusiondrucks. Nach wie vor existieren zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedliche CPP-Managementstrategien (Philosophien), die zerebrale Perfusion auf einem für die Hirnversorgung mit Sauerstoff und Glukose adäquaten Niveau zu halten. Obwohl beide Konzepte unterschiedliche CPP Niveaus favorisieren, mag jedes der Konzepte bei individuellen Patienten in Abhängig­‑ keit vom Zustand der zerebralen Autoregulation und der Blut-Hirnschranke Berechtigung finden. 1. Kaskade der zerebralen Vasodilatation und Vasokonstriktion („Rosner Konzept“, „Edinburgh-Konzept“) Studien an Patienten nach Schädelhirntrauma konnten zeigen, dass arterielle Hypotension bzw. ein niedriger CPP unabhängige Risikofaktoren in der Entstehung des sekundären Hirnschadens darstellen. So ist z.B. die Häufigkeit des Auftretens, die 17 Ausprägung und die Dauer einer arteriellen Hypotension respektive eines CPP unter 80 mmHg mit einer signifikant erhöhten Mobidität und Mortalität bei diesen Patienten vergesellschaftet. Der hier empfohlene Ansatz zum Management des CPP verlangt eine intakte zerebrovaskuläre Auotregulation, um autoregulative Vasokonstriktion für die Hirndruckkontrolle zu nutzen. Ist die Autoregulation intakt, werden Zunahmen des CPP eine Vasokontriktion herbeiführen, um die Hirndurchblutung konstant zu halten. Gleichzeitig wird diese autoregulatorische Vasokonstriktion das intrakranielle Blutvolumen und sekundär den Hirndruck reduzieren. Dieses Konzept gilt ebenfalls für Patienten, bei denen ein Shift der autoregulativen Kurve hin zur höheren Drücken vorliegt, d.h. bei normalen CPP Werten sind diese Patienten noch druckpassiv perfundiert, während eine therapeutische Steigerung des CPP sie in die autoregulierte Druck-Flussbeziehung zurückführt. Die o.g. Überlegungen sind in Übereinstimmung mit klinischen Daten nach Schädelhirntrauma, nach denen bei hochnormalen CPP Werten zwischen 75 und 95 mmHg seltener kritische Hirndruckepisoden auftreten. Allerdings gehen CPP Werte von mehr als 75 mmHg mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten eines ARDS einher. Rosner, Robertson 2. Behandlung des posttraumtischen Hirnödems („Lund-Konzept“) Dieser therapeutische Ansatz geht von einer defekten Blut-Hirnschranke sowie einer aufgehobenen zerebrovaskulären Autoregulation aus. Konsequenterweise zielt das Lund-Konzept darauf ab, niedrige präkapilläre hydrostatische Drücke und eine zerebrovenöse Konstriktion zu erzeugen, um die Ausbildung eines Hirnödems ebenso wie das zerebrale Blutvolumen im venösen Schenkel durch Infusion von a) Dehydroergotamin b) alpha 2 – Agonisten und beta 1 – Antagonisten c) der Normalisierung des kolloidosmotischen Druckes Plasmaalbuminkonzentra­ tion von mehr als 40 g/l herbeizuführen. Während tatsächlich Subgruppen von Patienten von der Reduktion des präkakapil­ lären hydrostatischen Druckes zusammen mit einer zerebrovenösen Konstriktion profitieren mögen, existieren noch immer keine überzeugenden Daten, die einen verbesserten Heilverlauf (outcome) durch das Lund-Konzept belegen. Allerdings ist gegenwärtig klinischer Konsens, dass CPP Zielwerte von weniger als 50 mmHg mit einem erhöhten Risiko für zerebrale Ischämien einhergehen und sicher inakzeptabel für Patienten sind, bei denen ein zerebraler Vasospasmus vorliegt. So ist der gegenwärtige Expertenrat, dass ein Behandlungskorridor für den CPP von 50 – 70 mmHG durch die Gabe von Sedativa, Osmodiuretika das Aufrechterhalten einer Normovolämie und ggf. den Einsatz von Vasopressoren das neurologische Endergebnis bei Patienten mit ischämischen oder traumatischen Provokationen verbessern kann. Anästhetika Volatile Anästhetika Isofluran, Sevofluran und Desfluran erzeugen eine dosisabhängige Reduktion des Hirnstoffwechsels. Dieser Effekt legt nahe, dass volatile Anästhetika die Balance zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf während zerbraler Ischämien korrigieren kön­nen. Tatsächlich konnten vorexperimentelle Untersuchungen an Modellen fokaler oder Hemis­ phärenischämie belegen, dass die genannten Inhalationsanästhetika die Infarktgröße reduzieren und das neurologische Endergebnis verbessern können, wenn die Medikamente vor der ischämischen Provokation das Endorgan erreicht hatten. Diese experimentellen Daten sind konsistent mit Untersuchungen an Sevofluran – anästhesierten Patienten, die sich einer Carotisdesobliteration unterziehen mussten. Diese Patienten 18 zeigten eine erhöhte Toleranz gegenüber ligaturbedingten Hirndurchblutungsreduktionen. Im Gegensatz hierzu besitzen Inhalationsanästhetika keine neuroprotektive Wirkung in Zusammenhang mit globalen zerebralen Ischämien oder wenn sie nach einem Insult verabreicht werden. Im Vergleich zu Isofluran und Desfluran besitzt Sevofluran eine nur sehr geringe zerbrovasodilatierende Wirkung in Konzentrationen unter 1 MAC endexpiratorisch, was diese Substanz für neurochirurgische Patienten mit erschöpfter intrakrankieller Elastance empfiehlt. Hypnotika Laborexperimentelle Untersuchungen ergaben, dass Barbiturate ebenso wie Propofol die Infarktgröße reduzieren und das neurologische Endergebnis verbessern können, wenn in Zusammenhang mit fokaler oder inkomplett globaler zerebraler Ischämie physiologische Variablen währen der Experimente konstant gehalten wurden. Im Gegensatz hierzu ergab sich für Etomidat eine Verschlechterung des neurologischen Befundes. Während experimentelle Studien die präventive neuroprotektive Gabe von Hypnotika nahelegen, fehlt hingegen jede klinische Evidenz für diesen Ansatz. Trotz der hirndrucksenkenden Effekte von Barbituraten und Propofol konnte für diese Substanzgruppe bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellen Druck keine outcome-verbessernde Wirkung in klinischen Studien belegt werden. Anästhetika und zerebraler Perfusionsdruck Der CPP (s.o.) errechnet sich aus der Differenz zwischen mittlerem arteriellem Blutdruck und intrakraniellem Druck. Insofern verlangt die Interpretation von Anästhesieeffekten auf den CPP, deren Einfluss auf Blutdruck und Hirndruck zu charakterisieren. Grundsätzlich besitzen sämtliche Anästhetika (Barbiturate, Propofol, Benzodiazepine, Opioide, Dexmedetonidin, Sevofluran, Desfluran und Isofluran) das Potential, den arteriellen Blutdruck dosisabhängig zu reduzieren. Die Ausprägung dieser hämodynamischen Suppres­ sion ist darüber hinaus abhängig von der Applikationsgeschwindigkeit des Medikamentes und dem vorbestehenden Volumenstatus des Patienten. Das einzige Medikament, welches die systemische Hämodynamik augmentiert, ist Ketamin. Im Gegensatz hierzu reduzieren Barbiturate und Propofol den Hirndruck. Benzodiaze­ pine, Ketamin, Dexmedetonidin und Sevofluran (weniger als 1 MAC) haben wenig Einfluss auf den Hirndruck, während Desfluran und Isofluran potente zerebrale Vasodilatatoren sind, was zu einer Zunahme des zerebralen Blutvolumens und des Hirndruckes führt. In Abwägung der o.g. Wirkungen auf Blutdruck und Hirndruck können Barbiturate und Propofol zu einer Zunahme des CPP führen, wenn die Gabe der Substanzen nicht gleichzeitig mit einem Abfallen des Blutdruckes assoziiert ist. Während Benzodiazepine und Opioide wenig Einfluss auf den CPP besitzen, kann Ketamin diesen als Folge der hämodynamischen Stimulation steigern. Dexmedetonidin, Desfluran und Isofluran reduzieren den CPP, nachdem sie den Blutdruck reduzieren und / oder den Hirndruck erhöhen. Triple – H – Therapie Die Kombination einer induzierten Hypertension, einer Hypervolämie und einer Hämo­ dilution ist ein verbreitetes Konzept in der Prävention und Therapie des zerebralen Vasospasmus nach aneurysmatischer Subarachnoidalblutung. Trotz der Popularität der Triple – H – Therapie ist diese Vorgehensweise erstaunlicherweise noch nie in adäquaten klinischen Untersuchungen als heilverlaufsverbessernd belegt worden. Dies liegt vor allem an den Nebenwirkungen des verfahrens, zu denen das Lungenödem, die Myokard­ ischämie, die Hyponatriämie, das Nierenversagen, die Hirnblutung, das Hirnödem sowie Einschwemmkatheter-assoziierte Komplikationen zählen. Osmodiuretika Mannitol und hypertone Kochsallösung sind Osmodiuretika, welches den Hirndruck reduzieren, den CPP erhöhen und eine konsekutive Verbesserung der Hirndurchblutung 19 herbeiführen. Diese Effekte sind durch Plasmaexpansion, konsekutive Reduktion des Hämatokrites und der Plasmaviskosität ebenso erklärbar wie mit der Mobilisation extrazellulärer Flüssigkeit entlang des osmotischen Gradienten. Die Behandlung einer intrakraniellen Hypertension mit Mannitol oder hypertoner Kochsalzlösung scheint effektiver als die Infusion von Barbituraten. Es ist indiziert, auf der Basis von Hirndruckmonitoring Bolusgaben der jeweiligen Substanz zu veranlassen und nicht eine kontinuierliche oder prophylaktische Infusionsstrategie als Teil eines rigiden Algorithmus zur Kontrolle des Hirndruckes anzuordnen. Nebenwirkungen der Osmodiurektika sind die akute tubuläre Nekrose, weswegen die Plasmaosmolarität 320 mosmol/l nicht übersteigen sollte. Sorgen um einen Rebound-Effekt von Osmodiuretika (d.h. der Akkumulation des Osmodiuretikums innerhalb des extrazellulären Raumes) scheinen nur bei defekter Blut – Hirnschranke und einer länger dauernden Therapie relevant zu sein. Nach Expertenmeinung können Mannitol oder hypertone Kochsalzlösungen auch jenseits dieser genannten Endpunkte eingesetzt werden, solange kritische ICP Erhöhungen osmosensitiv bleiben. Plasmaglukosekonzentration Laborexperimentelle und klinische Untersuchungen konnten zeigen, dass Hyperglykä­‑ mie ebenso wie Hypoglykämie mit unvorteilhaften Intensivbehandlungsverläufen und ungünstigem neurologischem Endergebnis nach zerebrovaslulären oder neurotraumatologischen Ereignissen einhergehen. Zu den Mechanismen, über die eine normoglykäme Patientenführung neuronales Gewebe schützen können, zählen die Reduktion der intrazellulären Laktatazidose, der Permeabilität biologischer Membranen und des Ödems endothelialer Zellen sowie von Neuroglia und Neuronen. Als pragmatischer Ansatz wird derzeit eine Plasmaglukosekonzentration innerhalb eines Behandlungskorridors von 110 – 140 mg/dl parallel zu zweistündlichen Blutzuckerkontrollen empfohlen, um eine Hypoglykämie als überschießende Therapieantwort zu vermeiden. Calciumantagonisten Der vermutete Mechanismus neuronaler Protektion durch Calciumkanalblocker beinhaltet die Auslösung einer zerebralen Vasodilatation, die Prävention des Vasospasmus, einer reduzierten Calciumeinstrom in postsynaptische Zellen sowie die Modulation des Stoffwechsels freier Fettsäuren. Unglücklicherweise sind die Resultate zur Neuroprotektion durch diese Substanzgruppe bereits auf laborexperimenteller Ebene eher widersprüchlich. Während einige Studien Reduktionen des neuronalen Schadens und einer Verbesserung der neurologischen Funktion nach Ischämie ergaben, gelang es anderen Studien nicht, derartige hoffnungsvolle Ergebnisse zu bestätigen. Klinische Untersuchungen haben die neuroprotektive Wirkung des L-Typ-Calciumkanalblockers Nimodipin an Patienten mit ischämischem Schlaganfall und aneurysmatischer oder traumatischer Subarachnoidal­ blutung untersucht. Nach einer Metaanalyse bleibt als neuroprotektive Indikation für Nimodipin ausschließlich die aneurysmatische Subarachnoidalblutung, bei der diese Subs­ tanzgruppe im Falle oraler Applikation eine 5,1 % -ige Risikoreduktion erzeugen konnte. Magnesium Das potentielle neuroprotektive Potential von Magnesium beinhaltet die Reduktion der präsynaptischen Glutamatfreisetzung, die Blockade der NMDA–Rezeptoren, eine Verbesserung des mitochondrialen Calciumpuffersystems, einer Blockade des Calciumeinstroms über spannungsabhängige Kanäle sowie die Relaxierung glatter Muskelzellen, die für Patienten mit zerebralem Vasospasmus von Belang sein mag. Leider konnten bisher selbst exzellent angelegte klinische Untersuchungen das theoretische neuroprotektive Potential von Magnesium nicht bestätigen. Erythropoietin Zerebrales Erythropoietin wird im Hippocampus, in der inneren Kapsel, im Cortex, den Endothelzellen, den Astrozyten gebildet und seine Rezeptoren werden von Neuronen, 20 Microglia, Astrozyten und zerbralen Endothelzellen exprimiert. Hypoxie und Ischämie wurden als bedeutende Triggermechanismen für die Erythropoietinexpression im Gehirn identifiziert, woraus man schloss, dass Erythropoietin Teil eines selbstregulierenden physiologischen Protektionsmechanismus sein könnte. Die systemische Applikation von Erythropoietin stimuliert Neurogenese, neuronale Differenzierung und aktiviert neuro­ trophe, antiapoptotische, antioxidative und antiinflammatorische Signalwege. In einer klinischen Untersuchung an 80 Patienten nach aneurysmatischer Subarachnoidalblutung schien diese Substanz tatsächlich die Ausprägung des zerebralen Vasospasmus sowie die Dimension der verzögert auftretenden zerebralen Ischämie günstig beeinflussen zu können. Allerdings verdient dieser Ansatz größere, bestätigende Untersuchungen, um eine sichere Indikation für die Substanz stellen zu können. Statine Statine sind HMG - CoA Reduktase Inhibitoren, die bei Patienten mit Hypercholeste­ rinämie indiziert sind, nachdem sie die Morbidität und Mortalität als Folge von kardialen, zerebralen oder peripher vaskulären Erkrankungen reduzieren können. Darüber hinaus scheinen Statine zu einer pleiotropen Wirkung fähig zu sein, deren günstige Effekte völlig unabhängig von Veränderungen des Serum Cholesterinwertes sind und vaskuläre In­flammation, verbesserte endotheliale Zellfunktion, Stabilisierung arteriosklerotischer Plaques, reduzierte Gefäßmuskelmigration und Proliferation etc. beinhalten. Metaanalysen, die den Einfluss von Statinen auf das neurologische Endergebnis nach aneurysmatischer Subarachnoidalblutung untersucht haben, haben widersprüchliche Resultate ergeben. Während ein systematischer Review mit 3 RCTs eine Reduktion des Auftretens von Vasospasmus sowie verzögerter zerebraler Ischämie und Mortalität für statinbehandelte Patienten ergab, wurde in einer erweiterten Metaanalyse von 4 RCTs auf der Basis statistischer Re-Evaluation die günstige Statinwirkung in Frage gestellt. Es scheint, dass der Konflikt dieser beiden Metaanalysen durch unterschiedliche Philoso­ phien in der biometrischen Herangehensweise herbeigeführt wurde: so wird gefordert, dass die Autoren dieser Metananalysen nicht auf die Null – Hypothese für das 5 % Niveau testen sollten, sondern eher die Dimension des Behandlungseffektes und seine Richtung betrachten sollten. Darüber hinaus wird reklamiert, dass die Dimension Konfidenzintervalles oft unberücksichtigt bleibt. Als Folge der o.g. Unterschiede im Ansatz der Interpretation von Daten mögen beide Metaanalysen „in der Nähe der Wahrheit liegen“. Konsequenterweise scheint die Gabe von Statinen gerechtfertigt zu sein, ohne dass diese als einziges Werkzeug in der Behandlung periopertiver zerebraler Ischämien empfehlbar wären. Glukokortikoide Die Rationale für die Gabe von Glukokortikoiden basiert auf der Erwartung, dass diese Substanzen freie Radikale abfangen, Membranstabilisierung herbeiführen, die Akku­ mulation freier Fettsäuren reduzieren und die Lipidperoxidation inhibieren. Gleichwohl existieren nur zwei sichere Indikationen für die Gabe dieser Substanzgruppen: a. Perifokales Ödem b. Pneumokokkenmeningitis Fragliche Indikationen stellen akute (weniger als 8 Stunden) Rückenmarkläsionen sowie die Gabe der Substanz während Kraniotomien dar. Keine Indikationen existieren für Patienten mit Schädelhirntrauma, Schlaganfall oder Subarachnoidalblutung, nachdem hier therapieassoziierte Nebenwirkungen wie Hyperglykämie, Elektrolytimbalance und Immunkompetenz überwiegen. Hypothermie Das Interesse an thermalen Interventionen wurde bereits früh durch Erkenntnisse zu ­charakteristischen zerebralen Effekten einer moderaten oder milden Hypothermie sowohl 21 in laborexperimentellen als auch klinischen Unersuchungen ausgelöst. Hypotherme ­Neuroprotektion ist herbeigeführt durch die Supression nahezu aller biochemischer Prozesse wie des zerebralen Hirnstoffwechsels, der Reduktion exzitatorischer Neurotrans­ mitterfreisetzung, der Inhibition von Lipidperoxidation und freier Radikalbildung. Darüber hinaus vermag eine milde Hyperthermie die Hirndurchblutung zu ökonomisieren und postischämische Hyper- oder Hypoperfusionen sowie Hirnödemformationen zu vermeiden. In der perioperativen Situation ist eine milde Hypothermie (leitliniengerecht) nach beobachtetem Herz-Kreislaufstillstand ebenso gerechtfertigt wie nach perinataler Hypoxie. Eine intraoperative Hypothermie, z.B. in der zerebralen Aneurysmachirurgie oder nach adultem oder kindlichem Schädelhirntrauma ist nicht gerechtfertigt. Unstrittig ist, dass eine Hyperthermie zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität sowie einer verlängerten Intensiv- sowie Krankenhausverweildauer führt. Zusammenfassung Die Komplexität neuronaler Schädigung nach Schlaganfall, globaler zerebraler Ischämie, Subarachnoidalblutung oder Schädelhirntrauma verlangt nach einem vieldimensionalen, der Homöostase geschuldeten Therapieansatz. So gilt es als allgemeines Therapieprinzip, eine Normovolämie, Normotension, Normocapnie, Normoxämie, Normoglykämie und Normothermie umzusetzen. Zu spezifischen Interventionen zählt die Kontrolle des intrakraniellen Druckes durch Osmodiuretika und ggf. Hyperventilation oder Hypnotika. Hypothermie ist gerechtfertigt nach kardiopulmonaler Reanimation sowie perinataler Hypoxie, während der Calciumantagonist Nimodipin bei oraler Gabe streng auf die aneurysmatische Subarachnoidalblutung beschränkt bleiben muss. Steroide können ­ bei perifokalem Ödem oder Meningitiden verabreicht werden, während die Gabe von Statinen beim Schlaganfall gerechtfertigt sein mag. Triple – H – Therapie, Magnesium oder Erythropoietin sind derzeit nicht inidiziert. Weiterführende Referenzen G. F. Strandvik. Hypertonic saline in critical care: a review of the literature and guidelines for use in hypotensive states and raised intracranial pressure. Anaesthesia 2009, 64,990 – 1003. S C Lewis. General anaesthesia versus local anaesthesia for carotid surgery (GALA): a multicentre, randomi­ sed controlled trial. The Lancet; Dec 20, 2008/Jan 2, 2009; 372, 9656; Academic Research, pg. 2132. Guy L Clifton. 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