DIREKTVERKAUF | VENTE DIRECTE Essig herstellen als Erwerbszweig JOSEF CHRISTEN, SOV Essig dürfte, wie so vieles auf der Welt, per Zufall entdeckt worden sein. Die natürliche Umwandlung von vergorenen Säften war schon in der Antike bekannt. Die dafür verantwortlichen Essigbakterien wurden aber erst 1879 entdeckt. Wie bereits vor 8000 Jahren wird der Essig auch heute noch zum Würzen von Speisen und zur Konservierung von Lebensmitteln verwendet. In letzter Zeit gewinnt die Essigherstellung wieder vermehrt an Bedeutung: Essig gehört zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung. Die Essigherstellung kann besonders für Obstproduzenten, Mostereien und Brennereien eine mögliche zusätzliche Erwerbsquelle sein. Auf diesen Betrieben sind die Grundstoffe der Essigherstellung – Obst, Beeren, vergorene Säfte und Destillate – bereits vorhanden. Die Agroscope führte vor Kurzem in Wädenswil ein Essigseminar durch; das Interesse war gross, sogar aus Deutschland und Österreich nahmen Obstproduzenten und Direktvermarkter daran teil. Die einen haben es eilig, die anderen nicht Die Essigherstellung ist eigentlich nichts anderes als die Umwandlung von Alkohol in Essigsäure. «Wir sind eine grosse Alkoholvernichtungsfabrik», erklärte denn auch JeanDaniel Feller von der Ötterli AG aus Solothurn mit einem verschmitzten Lächeln. Die Ötterli AG ist eine der grössten Essigproduzentinnen der Schweiz, mehr als 1 Mio Liter Essig werden jährlich produziert. In riesigen Tanks, den sogenannten «Acetatoren», mit bis zu 50 000 Litern Inhalt, entstehen aus diversen Grundstoffen die verschiedensten Essigarten. In diesen Acetatoren geschieht die Umwandlung von Alkohol in Essig durch das Submersverfahren sehr schnell (siehe auch Kasten). Die Firma Ötterli kauft für die Essigproduktion fertige Maische mit standardisiertem Alkoholgehalt von 13.8 % Vol. Etwas mehr Zeit gewährt Bettina Kramm von der Montaniola AG, Wald ZH, ihren Essigen. Auch bei der kleinen Essigmanufaktur von Frau Kramm wird mit dem Submersverfahren gearbeitet. Die Tanks sind aber viel kleiner und die Belüftung ist weniger intensiv als 26 bei der industriellen Produktion. «Wir arbeiten mit wenig Luft, die Fermentation dauert deshalb länger, dafür behalten die Produkte ihr Aroma besser», erklärte sie. Sobald der gewünschte Essigsäuregehalt erreicht ist, wird der Essig in Lagertanks oder Fässer umgepumpt und bis zu 12 Monaten gelagert. Frau Kramm verzichtet konsequent auf die Zugabe von Zucker, Sirupen, Schwefel, Aromen und Geschmacksverstärkern sowie auf das Pasteurisieren und Filtrieren. Guter Essig nur aus einwandfreien Rohstoffen Grundsätzlich lassen sich fast alle zuckerhaltigen und vergärbaren Rohstoffe zur Essigherstellung verwenden: Obst, Beeren, Wein, Bier, aber auch Tomaten, Karotten, Getreide, Honig usw. Bei der Essigherstellung gilt wie bei allen anderen Verarbeitungsarten: Nur aus einwandfreien Rohstoffen entsteht ein guter Essig. Damit die Essigsäureproduktion richtig in Gang kommt, wird die Maische mit Essigbakterien beimpft. Für das Impfen verwendet man entweder bereits vorhandenen Essig oder im Handel erhältliche Essigbakterien. Die Essigbakterien benötigen für ihr Wachstum Alkohol, Sauerstoff und eine Temperatur zwischen 25 bis 28 °C. Der «Feind» der Essigbakterien ist Schwefel (SO2); dies spielt Mit einer solchen Essiganlage lassen sich im Submersverfahren 10 bis 15 Liter Essig pro Woche produzieren. Avec un tel appareil, on peut produire par le procédé à submersion 10 à 15 litres de vinaigre par semaine. Photo: Josef Christen, SOV vor allem bei der Weinessigherstellung eine wichtige Rolle, da Wein oft einen hohen Schwefelgehalt aufweist. n Essigbakterien für die Beimpfung sind erhältlich bei der Agridea Lindau, Telefon 052 354 97 00, www.agridea.ch. HERSTELLUNGSVERFAHREN Oberflächenverfahren Das einfachste und wohl auch älteste Verfahren ist das Oberflächenverfahren. Die Flüssigkeit (Apfelwein, Wein u.ä.) wird in ein offenes Gefäss eingefüllt und mit Essigbakterien beimpft. Nach einiger Zeit bildet sich auf der Oberfläche eine gallertige Schicht, die Essigmutter. Das Verfahren ist sehr langsam. Bis der Essig stark genug ist, dauert es mehrere Wochen. Als Gefäss eignet sich ein Topf oder eine Flasche mit einer grossen Öffnung. Fesselverfahren, Spanbildner Die Essigbakterien werden auf ein Trägermaterial (z.B. Buchenholzspäne) aufgebracht. Mit einer Pumpe wird die Flüssigkeit im Rundlauf über das Trägermaterial versprüht. Durch die intensive Belüftung verläuft die Essigbildung relativ rasch. Die Gefahr besteht aber, dass Aromastoffe verloren gehen. Submersverfahren Dies ist die modernste und schnellste Art der Essigherstellung. Pro Stunde wird in Submersanlagen bis zu 0.3 % Essigsäure pro Stunde produziert. Die Bakterien schwimmen in der Flüssigkeit. Durch Schütteln oder Belüften werden diese ständig in Bewegung gehalten. Im Handel gibt es Submersanlagen bereits ab einer Grösse von 20 Litern, pro Woche lässt sich damit 10 bis 15 Liter Essig produzieren. Früchte & Gemüse 1/2014 Fruits & Légumes