"Zu Gast in Hilberts Hotel" von Natalie Ritzer

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Seminararbeit
Zu Gast in Hilberts Hotel
Ein Gedankenspiel zur Unendlichkeit
verfasst von
Fachbereich:
Mathematik
Betreuung:
Frau Dr. Miriam Ossa
Abgabetermin:
01.10.2015
Schuljahr:
2015/2016
Natalie Ritzer
Ausbildungsrichtung: Wirtschaft, Verwaltung und Recht
Lizenz dieser Arbeit: Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ................................................................................................................. 2
2.Theoretische Grundlagen .......................................................................................... 3
3. Hilberts Hotel ............................................................................................................ 6
3.1 David Hilbert ....................................................................................................... 6
3.2 Das Gedankenspiel............................................................................................. 6
3.2.1 Ein zusätzlicher Gast .................................................................................... 6
3.2.2 Massenandrang ............................................................................................ 8
3.2.3 Spitzenandrang .......................................................................................... 10
3.2.4 Endgültig Ausgebucht ................................................................................. 11
3.3 Paradoxon ........................................................................................................ 14
3.4 Eigenes Beispiel ............................................................................................... 15
3.5 Unendlichkeit .................................................................................................... 16
4. Schluss................................................................................................................... 17
5. Quellen und Literaturverzeichnis ............................................................................ 18
6. Abbildungsverzeichnis ............................................................................................ 19
7. Graphikverzeichnis ................................................................................................. 19
8. Erklärung ................................................................................................................ 20
1
1. Einleitung
Die Unendlichkeit ist schon immer ein schwer begreifbares Thema gewesen. Sie ist in
natürlichen Abläufen kaum aufzufinden und somit für den menschlichen Verstand nur
schwer zu erfassen. Der Mathematiker Georg Cantor (*1845 †1918) gilt als Begründer
der modernen Mengenlehre und der damit verbundenen begründeten Unendlichkeit1.
Um Cantors erdachte Ideen zu illustrieren, erfindet der Mathematiker David Hilbert das
Gedankenexperiment vom unendlich großen Hotel Hilbert, um das scheinbare Paradoxon zu lösen, dass ein Hotel welches komplett ausgebucht ist, trotzdem neuen Gäste ein Zimmer ermöglichen kann. Das Hotel Hilbert ist ein Hotel mit unendlich vielen
durchnummerierten Zimmern welches bereits ausgebucht ist.2 Somit befindet sich in
jedem Zimmer des Hotels ein Gast. In dieser Seminararbeit sind verschiedene Fälle zu
lösen, in denen, ein unterschiedliche Anzahl an neuen Gästen ein Zimmer zu geben
ist. Mithilfe dieses Hotels liefert Hilbert der Öffentlichkeit ein verständliches Beispiel um
die Unendlichkeit zu beschreiben, welches auch für Personen ohne mathematische
Kenntnisse nachvollziehbar ist. Die Schwerpunkte der Seminararbeit liegen auf den
verschiedenen Fällen des Gedankenexperiments Hilberts Hotel und seinen mathematischen Formalisierungen. Da es zum einen wichtig ist, eine einfache bildliche Darstellung zu kreieren und zum anderen, die dazugehörige Erklärung mit einer mathematischen Formalisierung festzulegen. Des Weiteren sind die theoretischen Grundlagen,
welche zu Anfang in der Seminararbeit erläutert werden von großer Bedeutung, da
diese elementar für die darauf folgenden mathematischen Zusammenhänge sind. Der
Grundgedanke ist es, mit dieser Seminararbeit einen einfachen Einblick in die Mengenlehre zu schaffen, speziell in die Unendlichkeit einzudringen und deren Handhabung in
der Mathematik zu erläutern. Hierzu sollte es möglich sein ohne große mathematische
Vorkenntnisse, nur anhand der aufgeführten theoretischen Grundlagen, den Erklärungen und Zusammenhängen der Seminararbeit zu folgen. Die Methoden, die den konzeptionellen Gedanken unterstützen, sind zum einen, eine visuelle Darstellung der verschiedenen Fälle von Hilberts Hotel, zum anderen einfache und leicht verständliche
Erklärungen und die zuvor geklärten theoretischen Grundlagen. Das Ergebnis dieser
Seminararbeit ist es eine Formalisierung des Gedankenspiels Hilberts Hotel und den
damit verbunden Begriffe der Unendlichkeit zu erläutern.
1
Lehning, Hervé: Cantors Diagonale; in: Spektrum der Wissenschaft, Spezial 2/05, 48-49
Hilbert, David: Über das Unendliche; in: Ewald, William/ Sieg, Wilfried (Hg.): David Hilbert's
Lectures on the Foundations of Arithmetic and Logic 1917-1933, Berlin (u.a.), 2013, 729-733
2
2
2.Theoretische Grundlagen
Bevor das Gedankenspiel Hilberts Hotel explizit erläutert wird, ist es sinnvoll noch einige mathematische Grundlagen zu klären, um verschiedene Zusammenhänge besser
nachvollziehen zu können.
2.1 Menge und Eigenschaften einer Menge
Hilberts Hotel erschließt sich über Mengenbegriffe. Zunächst wird geklärt, um was es
sich bei einer Menge und Elemente einer Menge handelt.
2.1.1 Element
Definition: Ein Element ist ein Teil vom Ganzen. Man spricht auch π‘₯ ist ein Element von
𝑦. Die Schreibweise hierfür ist π‘₯ ∈ 𝑦.3
2.1.2 Menge
Das Wort Menge lässt sich auf verschiedene Weise definieren. Eine der ältesten Definitionen stammt von Georg Cantor, auch genannt als Schöpfer der Mengenlehre.
Definition (Georg Cantor): „Unter einer 'Menge' verstehen wir jede Zusammenfassung
𝑀 von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten π‘š unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die 'Elemente' von 𝑀 genannt werden) zu einem Ganzen.“4
Diese ist mit einer der bekanntesten Definition die in der Mathematik verwendet werden. Eine etwas andere Definition könnte lauten:
Definition: Eine Menge besteht aus verschieden Dingen die zusammen eine Einheit
bilden. Eine Menge 𝑀 kann eine Teilmenge einer Menge 𝑁 sein 𝑀 ⊆ 𝑁. Das bedeutet,
dass die Elemente in der Menge 𝑀 alle in der Menge 𝑁 vorhanden sind. Des Weiteren
gibt es die leere Menge ∅. Diese beinhaltet kein Element und ist sozusagen Teilmenge
jeder beliebigen Menge.
Da die Begriffe Menge und Elemente einer Menge nun geklärt sind, werden als nächstes die Eigenschaften einer Menge erläutert. Eigenschaften die des Weiteren relevant
für das kommende Gedankenexperiment sind, lauten, Mächtigkeit, Abzählbarkeit und
Überzählbarkeit.
3
vgl. Deiser, Oliver: Einführung in die Mengenlehre, 2.Auflage, Berlin 2004, 15
Cantor, Georg: Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre; in: Klein, Felix/ Dyck,
Walter u.a (Hg.): Mathematische Annalen, Berlin/Heidelberg 1895, 481-512, 481
4
3
2.1.3 Mächtigkeit
Definition: Eine Menge 𝑀 kann verschieden viele Elemente haben. Die Anzahl der
Elemente wird als Mächtigkeit bezeichnet. Die Schreibweise lautet |𝑀| und wird Mächtigkeit von M gelesen.5 Ein Synonym für Mächtigkeit lautet Kardinalität.
Ein Beispiel hierfür ist, es gibt die Menge 𝐴 mit den Elementen π‘₯, 𝑦 und 𝑧. Somit hat die
Menge 𝐴 drei Elemente, dies entspricht der Mächtigkeit von drei (|𝐴| = 3).
2.1.4 Abzählbarkeit
Definition: Eine Menge 𝑀 ist abzählbar, wenn die Mächtigkeit von 𝑀 kleiner oder gleich
der Mächtigkeit der natürlichen Zahlen entspricht |𝑀| ≤ |β„•|.6
2.1.5 Überzählbarkeit
Definition: Eine Menge 𝑀 ist überabzählbar, wenn sie nicht abzählbar ist. Das bedeutet, dass die Mächtigkeit von 𝑀 größer als die Mächtigkeit der natürlichen Zahlen
ist |𝑀| > |β„•|.7
Da im oberen Abschnitt nun Grundlagen der Mengenlehre erläutert worden sind, wird
im Folgenden ein weiter Teil besprochen, der ebenfalls für das folgende Gedankenspiel relevant ist.
2.2 Funktion und Eigenschaften einer Funktion
Um das kommende Gedankenexperiment Hilberts Hotel auch lösen zu können, sollten
Wörter wie Funktion und verschiedene Zuordnungen einer Funktion bekannt sein.
2.2.1 Funktion
Definition: Eine Funktion hat drei spezifische Eigenschaften. Zum einen hat sie die
Menge, die auch Definitionsbereich genannt wird. Zum anderen hat sie eine weitere
Menge, die wir Zielbereich nennen. Als drittes existiert eine Zuordnung zwischen den
beiden Mengen, die jedem Element des Definitionsbereichs genau eine Menge des
Zielbereichs zuordnet.8
5
vgl. Ebbinghaus, Heinz-Dieter: Einführung in die Mengenlehre, 4.Auflage, Heidelberg 2003, 77
vgl. Reiss, Kristina/ Schmieder, Gerald: Mengen; in: Reiss, Kristina/ Scharlau, Rudolf, u.a.
(Hg.): Basiswissen Zahlentheorie, Berlin 2007, 4-12,
6
vgl. Deiser, Oliver: Einführung in die Mengenlehre, 2.Auflage, Heidelberg 2004, 109
7
a.a.O., 120
8
vgl. Ebbinghaus, Heinz-Dieter: Einführung in die Mengenlehre, 4.Auflage, Heidelberg 2003, 55
4
2.2.1 Injektion
Definition: Eine Funktion ist injektiv, wenn jedem Element der Menge 𝐴 mit 𝐴 =
{1,2,3} höchstens einem Element der Menge 𝐡 mit 𝐡 = {π‘Ž, 𝑏, 𝑐, 𝑑} zugeordnet werden
kann.9
Die Abbildung ist
injektiv aber nicht
surjektiv.
A
B
1
2
3
a
Beispiel: 𝑓(π‘₯) = 5π‘₯
b
c
d
Abbildung 1: Injektion
Graph 1: Injektion
2.2.2 Surjektion
Definition: Eine Funktion ist surjektiv, wenn jedem Element der Menge 𝐴 mit 𝐴 =
{1,2,3,4} mindestens einem Element der Menge 𝐡 mit 𝐡 = {π‘Ž, 𝑏, 𝑐} zugeordnet werden
kann.10
Die Abbildung ist
surjektiv aber nicht
injektiv.
2.2.3 Bijektion
A
B
1
2
a
3
4
c
Beispiel: 𝑓(π‘₯) = π‘₯ 5 + 4π‘₯ 2
b
Abbildung 2: Surjektion
Graph 2: Surjektion
Definition: Eine Funktion ist bijektiv (eindeutig), wenn 𝑓 sowohl injektiv als auch surjektiv ist. Für eine Bijektion wird jedes Element der Menge 𝐴 mit 𝐴 = {1,2,3,4} nur einem
Element der Menge 𝐡 mit 𝐡 = {π‘Ž, 𝑏, 𝑐, 𝑑} zugeordnet und dies gilt auch umgekehrt. Daher spricht man auch von einer umkehrbar eindeutigen oder Eins-zu-eins-Abbildung.11
Die Abbildung ist
surjektiv und injektiv.
A
B
1
2
3
4
a
b
c
d
Beispiel: 𝑓(π‘₯) = π‘₯
Graph 3: Bijektion
Abbildung 3: Bijektion
9
vgl. Casiro, Francis/Cohen, Gilles: Erster Vorstoß ins Unendliche: Bijektion; in: Spektrum der
Wissenschaft, Spezial 2/05, 6-9
10
ebd.
11
ebd.
5
Hier noch ein weiteres Beispiel einer Funktion welche weder injektiv noch surjektiv ist.
Es wird nicht jedem Element der Menge 𝐴 mit 𝐴 = {1,2,3} höchstens ein Element der
Menge 𝐡 mit 𝐡 = {π‘Ž, 𝑏, 𝑐, 𝑑} und es wird nicht jedem Element der Menge 𝐴 mindestens
ein Element der Menge 𝐡 zugeordnet.
Die Abbildung ist
nicht surjektiv und
A
B
1
2
3
a
b
c
d
nicht injektiv.
Beispiel: 𝑓(π‘₯) = π‘₯ 2 π‘šπ‘–π‘‘ 𝑓: ℝ → ℝ
Abbildung 4: Nicht sujektiv und nicht injektiv
Graph 4: Nicht surjektiv und nicht injektiv
3. Hilberts Hotel
3.1 David Hilbert
Wie der Name Hilberts Hotel bereits verratet, stammt dieser Name von dem Mathematiker David Hilbert (*1862 †1943). Hilberts Interessen gehen in verschiedenen Richtungen der Mathematik, von Grundlagen der Geometrie, Analysis, algebraische Zahlentheorie, Invariantentheorie bis hin zur Relativitätstheorie. Im Jahre 1900 stellte David
Hilbert einer Liste von 23 mathematischen Problemen auch „hilbertschen Probleme“
vor, welche bis heute noch ungelöst ist.12
3.2 Das Gedankenspiel
Stellen wir uns ein imaginäres Hotel vor, welches unendlich groß und unendlich viele
Zimmer hat (Abbildung 5: Ein Gast dazu). Daraus ergibt sich, dass nach jeder Zimmernummer 𝑛 eine Zimmernummer 𝑛 + 1 folgen muss.13
3.2.1 Ein zusätzlicher Gast
Es kommt ein Gast an die Rezeption des Hotels Hilbert und fragt den Portier nach einem Zimmer. Der Portier antwortet, dass momentan unendlich viele Gäste im Hotel
sind und alle Zimmer belegt seien. Jedoch sei es kein Problem dem neuen Gast ein
weiteres Zimmer zu geben. Dieses scheinbare Paradoxon wird im Späteren noch genauer erläutert. Der neue Gast ist etwas verwirrt und fragt den Portier wie er ihm ein
12
vgl.Blumenthal, Otto: Lebensgeschichte; in: Hilbert, David (Hg.): Gesammelte Abhandlungen
/ 3: Analysis, Grundlagen der Mathematik, Physik, Verschiedenes : nebst einer Lebensgeschichte, Berlin, 1935, 388-429
13
vgl. Casiro, Francis: Das Hotel Hilbert; in: Spektrum der Wissenschaft, Spezial 2/05, 76-80
6
weiteres Zimmer ermöglichen will. Der Portier erklärt: „Ganz einfach, ich habe einen
Lautsprecher14, mit dem ich jeden Gast in jedem Zimmer gleichzeitig erreichen kann.
Zunächst bitte ich jeden Gast aus seinem Zimmer herauszukommen und in das nächste Zimmer rechts von ihm einzuziehen (Abbildung 5: Ein Gast dazu. Somit zieht der
Gast von Zimmer Nummer 1 in Zimmer Nummer 2, Gast von Zimmer Nummer 2 in
Zimmer Nummer 3 und so weiter (𝑛 + 1). Nun ist das Zimmer Nummer 1 frei und der
neue Gast kann einziehen.15
1
2
3
4
5
Abbildung 5: Ein Gast dazu
Mathematische Formalisierung:
Satz:
Es seien 𝐴 und 𝐡 zwei Mengen mit 𝐴 = β„• und 𝐡 = β„•\{1}. Dann sind beide
Mengen gleichmächtig, d.h. es gilt: |β„•| = |β„•\{1}|.
Beweis: Gesucht ist eine bijektive Abbildung 𝑓 zwischen 𝐴 und 𝐡.
Sei 𝑓 die Abbildung 𝑓: 𝐴 → 𝐡 mit 𝑓: 𝑛 ⟼ 𝑛 + 1
Zu zeigen: die Abbildung 𝑓 ist bijektiv.
1.) 𝑓 ist surjektiv: Zu jedem 𝑦 ∈ 𝐡 gibt es ein π‘₯, nämlich π‘₯ = 𝑦 − 1, so dass
𝑓(π‘₯) = π‘₯ + 1 = 𝑦
2.) 𝑓 ist injektiv: Für je zwei π‘₯1, π‘₯2 ∈ 𝐴 mit π‘₯1 ≠ π‘₯2 gilt
𝑓(π‘₯1 ) = π‘₯1 + 1 ≠ π‘₯2 + 1 = 𝑓(π‘₯2 )
Da 𝑓 surjektiv und injektiv ist, ist 𝑓 bijektiv.
QED.
14
vgl. Ross-Pirie, Caroline: Film Hotel Hilbert, 1996;unter:https://www.vismath.eu/de/filme/hotelhilbert [Stand: 04.09.2015]
15
vgl. Casiro, Francis: Das Hotel Hilbert; in: Spektrum der Wissenschaft, Spezial 2/05, 76-80
7
Diese Methode ist anwendbar solange die anfragende Anzahl an Gästen kleiner als die
natürlichen Zahlen ist, z.B. es Fragen zwei Gäste nach einem Zimmer. Daraus folgt,
dass der Gast aus Zimmernummer 1 nicht ein Zimmer weiter zieht, sondern zwei Zimmer weiter. Somit gilt für jeden Gast 𝑛 + 2.
Alternative Möglichkeit
Damit nicht jeder Gast sein Zimmer wechseln muss, gibt es die Möglichkeit, dass z.B.
nur die Gäste mit der Potenz von 10 ihr Zimmer wechseln zu lassen. Daraus folgt, dass
Gast Zimmernummer 10 wechselt in Zimmernummer 100, Gast Zimmernummer 100
wechselt in Zimmernummer 1000 und so weiter. Dies hätte zur Folge, dass eine Großzahl der Gäste ihre Zimmer behalten kann und nicht extra wechseln muss. Aus diesem
Bespiel geht hervor, dass in diesem Gedankenexperiment noch weitere Lösungen
möglich sind.
3.2.2 Massenandrang
Nun stellt sich der Gast die Frage, was wohl passieren würde wenn ein Bus mit unendlich vielen Passagieren anreist und weiterhin alle Zimmer belegt sind. Der Portier erwidert: „Gar kein Problem, diesen Fall hatten wir bereits. Als erstes benötige ich meinen
Lautsprecher16 und bitte jeden Gast aus seinem Zimmer heraus zu kommen wie gehabt. Danach multipliziert jeder Gast seine Zimmernummer mit 2 und geht in das sich
ergebende Zimmer.“ Daraus folgt, dass Gast Zimmernummer 1 in das Zimmernummer
2, Gast Zimmernummer 2 in das Zimmernummer 4 und so weiter geht (2𝑛). Somit werden alle Zimmer mit ungerader Nummer frei, da nun alle Gäste in Zimmern mit gerader
Zahl verlegt worden sind. Nun hat das Hotel genug Platz für die neuen unendlich vielen
Gäste.17
1
2
3
4
5
6
Abbildung 6: Massenandrang
16
vgl. Ross-Pirie, Caroline: Film Hotel Hilbert, 1996;unter:https://www.vismath.eu/de/filme/hotelhilbert [Stand: 04.09.2015]
17
vgl. Casiro, Francis: Das Hotel Hilbert; in: Spektrum der Wissenschaft, Spezial 2/05, 76-80
8
Mathematische Formalisierung:
Satz:
Es seien 𝐴 und 𝐡
zwei Mengen mit 𝐴 = β„•\{2𝑛 − 1|𝑛 ∈ β„•} und 𝐡 =
β„•\{2𝑛|𝑛 ∈ β„•}. Dann sind beide Mengen gleichmächtig mit der Menge der natürlichen Zahlen, d.h. es gilt:
|β„•\{2𝑛 − 1|𝑛 ∈ β„•}| = |β„•|
und |β„•\{2𝑛|𝑛 ∈ β„•}| = |β„•|
Beweis: Gesucht ist eine bijektive Abbildung 𝑓 zwischen β„• und 𝐴.
Sei 𝑓 die Abbildung 𝑓: β„• → 𝐴 mit 𝑓: 𝑛 ↦ 2𝑛
Zu zeigen: Die Abbildung 𝑓 ist bijektiv.
𝑦
1.) 𝑓 ist surjektiv: Zu jedem 𝑦 ∈ 𝐴 gibt es ein π‘₯, nämlich π‘₯ = 2 , sodass
𝑓(π‘₯) = 2π‘₯ = 𝑦
2.) 𝑓 ist injektiv: Für je zwei π‘₯1 , π‘₯2 ∈ β„• mit π‘₯1 ≠ π‘₯2 gilt
𝑓(π‘₯1 ) = 2π‘₯1 ≠ 2π‘₯2 = 𝑓(π‘₯2 )
Da 𝑓 surjektiv und injektiv ist, ist 𝑓 bijektiv.
Gesucht ist eine bijektive Abbildung zwischen β„• und 𝐡.
Sei 𝑔 die Abbildung 𝑔: β„• → 𝐡 mit 𝑔: 𝑛 ↦ 2𝑛 − 1
Zu zeigen: Die Abbildung 𝑔 ist bijektiv.
1.) 𝑔 ist surjektiv: Zu jedem 𝑦 ∈ 𝐡 gibt es ein π‘₯, nämlich π‘₯ =
𝑦+1
,
2
so dass
𝑦+1
𝑔(π‘₯) = 2π‘₯ − 1 = 2 (
)−1 = 𝑦
2
2.) 𝑔 ist injektiv: für je zwei π‘₯1 , π‘₯2 ∈ β„• mit π‘₯1 ≠ π‘₯2 gilt
𝑔(π‘₯1 ) = 2π‘₯1 − 1 ≠ 2π‘₯2 − 1 = 𝑔(π‘₯2 )
Da 𝑔 surjektiv und injektiv ist, ist 𝑔 bjektiv.
Korollar: Die Mengen 𝐴 und 𝐡 sind bijektiv zu den natürlichen Zahlen. Daraus folgt,
dass 𝐴 mit 𝐴 = β„•\{2𝑛 − 1|𝑛 ∈ β„•} gleichmächtig ist zu 𝐡 mit 𝐡 = β„•\{2𝑛|𝑛 ∈ β„•}.
Bemerkung: Die Menge 𝐴 ∪ 𝐡 mit 𝐴 = β„•\{2𝑛 − 1|𝑛 ∈ β„•} und 𝐡 = β„•\{2𝑛|𝑛 ∈ β„•}
entspricht der Mengen der natürlichen Zahlen β„•.
QED.
9
Dieser Lösungsweg ist ebenfalls anwendbar solange die Anzahl der ankommenden
Busse kleiner den natürlichen zahlen ist, vgl. 3.2.1 Ein zusätzlicher Gast. Danach werden die Passagiere mit einem abwechselnden Verfahren den freien Zimmern zugeteilt.
Nach 3.2.1 Ein besteht analog die alternative Möglichkeit, dass nicht jeder Gast das
Zimmer wechseln muss.
3.2.3 Spitzenandrang
Der Gast ist begeistert von dem unendlich großem Hotel Hilbert und fragt den Portier,
ob es möglich ist unendlich viele Busse, welche unendlich viele Reisende haben, ein
Zimmer zu geben. Der Portier erwidert, dies sei schwer dennoch möglich mithilfe Cantors erstem Diagonalargument. Zunächst wird wie in dem vorherigen Fall 3.2.2 Massenandrang, jeder Gast gebeten in das Zimmer 2𝑛 zu wechseln. Anschließend wird
jedem Bus eine Nummer zugeteilt z.B. 𝑏1 , 𝑏2 , 𝑏3 , ... ad Infinitum. Wir geben den Passagieren in den Bussen ebenfalls eine Nummer z.B. 𝑝1 , 𝑝2 , 𝑝3 , ... ad Infinitum.18
Danach werden die ungeraden freien Zimmer an die Passagiere der Busse mit Hilfe
Cantors erstem Diagonalargument verteilt.
Passagier 2
Passagier 3
Passagier 4
𝑏1 /𝑝4
1
𝑏1 /𝑝2
3
𝑏1 /𝑝3
𝑏2 /𝑝1
𝑏2 /𝑝2
𝑏2 /𝑝3
𝑏2 /𝑝4
...
...
...
15
25
𝑏3 /𝑝4
...
Passagier 1
Bus 1
Bus 2
𝑏1 /𝑝1
9
5
Bus 3
Bus 5
13
𝑏3 /𝑝2
𝑏3 /𝑝3
17
23
𝑏4 /𝑝1
𝑏4 /𝑝2
𝑏4 /𝑝3
𝑏4 /𝑝4
...
19
21
𝑏5 /𝑝1
𝑏5 /𝑝2
𝑏5 /𝑝3
𝑏5 /𝑝4
...
𝑏3 /𝑝1
7
Bus 4
11
...
...
...
...
...
Abbildung 7: Cantors erstes Diagonalargument
Schließlich teilen wir jedem Passagier ein Zimmer in der Reihenfolge des Wegs entlang der Pfeile zu:
18
vgl. Casiro, Francis: Das Hotel Hilbert; in: Spektrum der Wissenschaft, Spezial 2/05, 76-80
10
Zimmer Nr.1
Zimmer Nr.3
Zimmer Nr.5
Zimmer Nr.7
Zimmer Nr.9
...
𝑏1 /𝑝1
𝑏1 /𝑝2
𝑏2 /𝑝1
𝑏3 /𝑝1
𝑏2 /𝑝2
Abbildung 8: Zuteilung Gast/Zimmer Rekordandrang
Satz: Es sei die Anzahl der Elemente der Menge 𝐴 mit 𝐴 = β„• multipliziert mit der Anzahl der Elemente der Menge 𝐡 mit 𝐡 = β„• gleich die Menge 𝐢. Dann ist die Menge 𝐢
gleichmächtig mit der Menge der natürlichen Zahlen β„•, d.h. es gilt:
𝑓: 𝑛 ↦ π‘š × π‘›
|𝑁 × π‘| = |β„•|.
Beweis: Gesucht ist eine bijektive Abbildung 𝑓 zwischen β„• und 𝐢.
Zu zeigen: Die Abbildung 𝑓 ist bijektiv.
1.) 𝑓 ist surjektiv: Zu jedem 𝑦 ∈ 𝐢 gibt es ein π‘₯, da jedes 𝑦 genau einmal vorkommt durch das Diagonalverfahren und jedes 𝑦 erfasst wird.
2.) 𝑓 ist injektiv: Da nach dem Diagonalverfahren die Pfeile parallel von links
nach rechts und rechts nach links gehen, werden alle natürlichen Zahlen genau einmal erfasst.
Da 𝑓 surjektiv und injektiv ist, ist 𝑓 bijektiv.
3.2.4 Endgültig Ausgebucht
Der Gast ist ganz erstaunt, dass das Hotel Hilbert eine Anzahl an unendlich vielen
Gästen aufnehmen kann. Aber dennoch stellt er sich die Frage, ob es möglich sei,
dass das Hotel endgültig ausgebucht ist? Kann das Hotel voll besetzt sein, sodass es
keinem neuen Gast ein weiteres Zimmer anbieten kann?
Hierzu muss zunächst geklärt werden, ob eine größere Unendlichkeit existiert als die
der natürlichen Zahlen. Vergleichen wir die Mächtigkeit der natürlichen Zahlen β„• mit
der Mächtigkeit der reellen Zahlen ℝ. Es sei 𝐢 die Menge der reellen Zahlen im Intervall von ]0; 1[. Wenn wir zeigen, dass, die Menge 𝐢 ist mächtiger als die Menge der
natürlichen Zahlen, folgt, dass die Menge der reellen Zahlen erst recht mächtiger als
die Menge der natürlichen Zahlen ist. Dies wird mit Hilfe der Ordinalzahlen, Kardinalzahlen, transfiniten Zahlen und Aleph genauer erklärt.
11
3.2.4.1 Kardinalzahlen
Definition: Die Mächtigkeiten von Mengen werden Kardinalzahlen genannt.19
Beispiel: Die endliche Menge 𝑀 etwa mit den Elementen 𝑀 = {π‘Ž; 𝑏; 𝑐; 𝑑} hat eine
Mächtigkeit von 4.
Man schreibt auch |𝑀| = 4. Die Zahl 4 ist hier die Kardinalzahl.
3.2.4.2 Ordinalzahlen
Definition: Zahlen, welche Ordnungstypen von Wohlordnungen sind,was wir hier nicht
genau definieren, sondern intuitivauffassen wollen werden Ordinalzahlen genannt.20
Beispiel: Eine geordnete Menge 𝑀 hat die Elemente {π‘Ž; 𝑏; 𝑐; 𝑑}. Das Element π‘Ž ist das
erste, 𝑏 das zweite, 𝑐 das dritte und 𝑑 ist das vierte in der Reihe. Ordnungszahlen sind
„erste“, „zweite“, „dritte“ und „vierte“ in diesem Beispiel.
3.2.4.3 Transfinite Zahlen
Definition (Georg Cantor): „Die Mengen mit endlicher Cardinalzahl heissen ‚endliche
Mengen‘, alle anderen wollen wir ‚transfinite Mengen‘ und ihnen zukommenden Cardinalzahlen ‚transfinite Cardinalzahl‘ nennen.“21 Folgend eine kürzere Definition.
Definition: Alle unendlichen Mengen werden auch transfinite Mengen genannt.
3.2.4.4 Aleph
Definition: Das Aleph wird verwendet um die Kardinalität einer unendlichen Menge
auszudrücken. Die kleinste unendliche Menge ist die der natürlichen Zahlen β„• und wird
mit ℵ0 (aleph 0) bezeichnet.22 Die Mächtigkeit der reellen Zahlen wird mit 2ℵ0 beschrieben.23
Da die notwendigen Begriffe geklärt sind, kommt nun die Formalisierung des letzten
Falls zu Hilberts Hotel.
Satz: Es seien 𝐡 und 𝐢 zwei Mengen, mit 𝐡 = β„• und 𝐢 = {π‘₯ ∈ ℝ|0 < π‘₯ < 1}. Dann ist
die Menge 𝐢 mächtiger als die Menge 𝐡. Daraus folgt, dass die Menge 𝐴 mit 𝐴 = ℝ
ebenfalls mächtiger als die Menge 𝐡 ist, d.h.:
|β„•| < |ℝ|
19
vgl. Deiser, Oliver: Einführung in die Mengenlehre, 2.Auflage, Heidelberg 2004, 162
a.a.O., 252
21
Cantor, Georg: Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre; in: Klein, Felix/Dyck,
Walter u.a. (Hg.): Mathematische Annalen, Berlin/Heidelberg 1895, 481-512, 492
22
vgl. Deiser, Oliver: Einführung in die Mengenlehre, 2.Auflage, Heidelberg 2004, 163
23
vgl. Delahaye, Jean-Paul: Ist das Unendliche der Mathematik paradox?; in: Spektrum der
Wissenschaft, Spezial 03/2005, 12-20, 15
20
12
Beweis des Satzes:
Annahme: Die Menge 𝐢 ist abzählbar und somit ist es möglich eine Liste zu erstellen,
welche alle reellen Zahlen im Intervall ]0; 1[ erfasst.
Wie nehmen also an, dass es eine Abbildung 𝑓 zwischen β„• und 𝐢 gibt.
Sei 𝑓 die Abbildung 𝑓: β„• → 𝐢
Wiederspruchsbeweis:
Die Abbildung 𝑓 kann nicht bijektiv sein:
𝑓 ist nicht surjektiv: Nicht zu jedem 𝑦 ∈ 𝐢 gibt es ein π‘₯ ∈ 𝐡, da nicht jedes 𝑦 ∈ 𝐢 ein
Urbild π‘₯ ∈ 𝐡 hat. Unter der Annahme dass |β„•| = |𝐢| kann 𝐢 abgezählt werden. Dann
gibt es eine Liste, welche jede reelle Zahl im Intervall ]0; 1[erfasst.24
Zahl 1 = 0 , 0 1 2 3 4 ...
Zahl 2 = 0 , 1 2 5 7 1 ...
Zahl 3 = 0 , 3 2 7 1 0 ...
Zahl 4 = 0 , 6 8 4 9 9 ...
Zahl 5 = 0 , 2 5 1 4 5 ...
Zahl n = 0 , ...
Abbildung 9: Cantors zweites Diagonalargument
Dies geht unendlich lang weiter. Betrachten wir nun die Zahl die sich aus der Diagonale, der rot markierten Zahlen ergibt.
Zahl X = 0, 0 2 7 9 5 ...
Nun definieren wir eine neue Zahl π‘Œ, welche an jeder Stelle nach dem Komma, von der
Zahl 𝑋 verschieden ist. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten, eine könnte lauten:
Zahl Y = 0, 1 3 2 4 1...
Somit entsteht eine neue Zahl, die an jeder Stelle anders ist als auf der aufgeführten
Liste. Dies zeigt, dass es nicht möglich ist alle reellen Zahlen im Intervall ]0; 1[ aufzulisten. Daraus folgt, dass die reellen Zahlen im Intervall ]0; 1[ überabzählbar sind und
somit mächtiger als die Menge der natürlichen Zahlen sind, welche abzählbar ist.25
24
vgl. Delahaye, Jean-Paul: Ist das Unendliche der Mathematik paradox?; in: Spektrum der
Wissenschaft, Spezial 03/2005, 12-20, 15
25
vgl. Delahaye, Jean-Paul: Ist das Unendliche der Mathematik paradox?; in: Spektrum der
Wissenschaft, Spezial 03/2005, 12-20, 15
13
Daraus ergibt sich, dass 𝑓 nicht surjektiv ist, da nicht jedes Element der Menge 𝐢 ein
Urbild der Menge 𝐡 besitzt. Durch das 2. Diagonalargument von Cantor, ist es möglich
eine neue Zahl zu bilden, welche nicht in der Liste vorhanden ist. Die neu gebildete
Zahl hat kein Urbild in der Menge der natürlichen Zahlen 𝐡. Da 𝑓 nicht surjektiv ist, ist 𝑓
nicht bijektiv.
QED.
Korollar: Da die Menge der Zahlen in dem Intervall von ]0; 1[ bereits mächtiger als die
Menge der natürlichen Zahlen ist, ist die Menge der reellen Zahlen ℝ ist erst recht
mächtiger als die Menge der natürlichen Zahlen β„•, d.h.: |ℝ| > |β„•|.26
Daraus folgt, dass Hilberts Hotel ausgebucht sein muss, wenn die Anzahl der anfragenden Gäste überabzählbar ist. Da es mehr Gäste als vorhandene Zimmer gäbe und
somit nicht jedem Gast ein Zimmer zugeteilt werden kann.
3.3 Paradoxon
Wie oben bereits angesprochen wird im Folgenden das scheinbare Paradoxon um Hilberts Hotel aufgelöst. Zunächst wird die Frage geklärt, worum es sich bei einem Paradoxon handelt.
Definition: Es gibt 3 wesentliche Punkte, die ein Paradoxon ausmachen:
1. Eine Behauptung scheint absurd und widersprüchlich, ist aber tatsächlich
wahr.
2. Eine Behauptung scheint logisch korrekt, enthält jedoch tatsächlich einen
Wiederspruch.
3. Eine Beweiskette scheint logisch, führt aber zu widersprüchlichen Ergebnissen.27
Nach dieser Definition handelt es dich bei dem Gedankenexperiment Hilberts Hotel um
ein Paradoxon. Das Hotel ist komplett ausgebucht, jedoch ist es möglich, verschiedenen Anzahlen an Gästen ein Zimmer zu ermöglichen. Es ist nach dem ersten genannten obigen Punkt widersprüchlich, denn ein Hotel welches komplett ausgebucht ist
kann keine neuen Gäste aufnehmen. Doch nach den bisherigen dargelegten Beweisen
ist dies tatsächlich möglich und somit ist die Behauptung wahr. Für den menschlichen
Verstand ist es unlogisch, dass ein Hotel welches komplett ausgebucht ist, trotzdem
neuen Gästen ein Zimmer bieten kann. Dies gilt jedoch nur bei Hotels mit endlicher
Anzahl an Zimmern. Nach den aufgeführten Beweisen im Gedankenspiel, stellt sich
26
vgl. Lehning, Hervé: Cantors Diagonale; in: Spektrum der Wissenschaft, Spezial 2/05, 48-49
vgl. Falletta, Nicholas: Paradoxon- Widersprüchliche Streitfragen, zweifelhafte Rätsel, unmögliche Erläuterungen, München, 1985, 9
27
14
heraus, dass das Hotel neue Gäste aufnehmen kann, obwohl es ausgebucht ist da es
immer ein weiteres Zimmer zur Verfügung hat solange die anfragende Anzahl an Gästen kleiner oder gleich der Mächtigkeit der natürlichen Zahlen ist. Dieses Paradoxon:
„Ein Hotel mit unendlich vielen Zimmer welches ausgebucht ist, kann trotzdem neue
Gästen aufnehmen“, scheint absurd und widersprüchlich, ist aber tatsächlich wahr, weil
es nie voll werden kann da es unendlich ist.
3.4 Eigenes Beispiel
Tage und Jahre
Das folgende Beispiel zeigt, eine weitere Möglichkeit die Unendlichkeit visualisiert darzustellen. Ein Mann möchte jeden einzelnen Tag seines Lebens in einem Tagebuch
festhalten. Jedoch benötigt er ein Jahr um einen Tag seines vergangenen Lebens niederzuschreiben. Somit fällt der Mann mit jedem Tag und jedem Jahr weiter in den
Rückstand.
1.Jahr
2.Jahr
3.Jahr
4.Jahr
1. Tag
2. Tag
3. Tag
4. Tag
355 Tage übrig
710 Tage übrig
1065 Tage übrig
...
1420 Tage übrig
...
Abbildung 10: Jahre/Tage
Eine logische Schlussfolgerung ist, dass der Mann es nie schaffen würde jeden Tag
seines Lebens in einem Tagebuch festzuhalten, wenn er in dieser Geschwindigkeit
weiterschreibt. Diese Folgerung gilt jedoch nur, wenn der Mann sterblich ist. Stellen wir
uns vor der Mann ist aber unsterblich. Somit könnte er jeden Tag seines Lebens in sein
Tagebuch niederschreiben, da es nun unendlich viele Tage und Jahre in seiner Existenz gibt.
Satz:
Die Menge der Tage 𝑇 mit 𝑇 = β„• und die Menge der Jahre 𝐽 mit 𝐽 = β„• sind
gleichmächtig, wenn der Mann unsterblich ist, d.h. es gilt:
|𝑇| = |𝐽|
Beweis: Gesucht ist eine bijektive Abbildung 𝑓 zwischen 𝑇 und 𝐽.
Sei 𝑓 die Abbildung 𝑓: 𝑇 → 𝐽 mit 𝑓: 𝑛 ⟼ 356𝑛
Zu zeigen: Die Abbildung 𝑓 ist bijektiv.
𝑦
1.) 𝑓 ist surjektiv: Zu jedem 𝑦 ∈ 𝐽 gibt es ein π‘₯, nämlich π‘₯ = 365, sodass
𝑓(π‘₯) = 365π‘₯ = 𝑦
15
2.) 𝑓 ist injektiv: Für je zwei π‘₯1, π‘₯2 ∈ 𝐴 mit π‘₯1 ≠ π‘₯2 gilt
𝑓(π‘₯1 ) = 365π‘₯1 ≠ 365π‘₯2 = 𝑓(π‘₯2 )
Da 𝑓 surjektiv und injektiv ist, ist 𝑓 bijektiv.
QED.
Korollar: Dies zeigt, dass der unsterbliche Mann jeden Tag seines Lebens niederschreiben kann, wenn er für einen Tag im Tagebuch ein Jahr Zeit zum Schreiben benötigt.28
3.5 Unendlichkeit
Die Unendlichkeit ist nur schwer in Worte zu fassen. In dem Gedankenspiel Hilberts
Hotel haben wir es vor allem mit dem potentiell Unendlichen und den aktual Unendlichen zu tun und welche relevant für uns sind.
3.5.1 potentielle Unendlichkeit
Definition: Die potentielle Unendlichkeit wird nicht als Gesamtheit angesehen, sondern
beinhaltet einen Prozess der jederzeit weitergeführt werden kann, indem jede Zahl
einen Nachfolger hat. Das bedeutet es gibt keine letzte Zahl, da diese einen Nachfolger hat. 29
Beispiel: Die Menge der natürlichen Zahlen β„•. Jede Zahl hat einen Nachfolger z.B.
folgt nach 1 die 2 nach 2543 die Zahl 2544 usw.
3.5.2 aktuale Unendlichkeit
Definition: Die aktuale Unendlichkeit wird als eine Gesamtheit, fertige Einheit von Dingen angesehen.
30
Das aktual Unendliche kann nicht weitergeführt werden wie das
potentielle Unendliche, da es bereits als eine feste Einheit angesehen wird.
Beispiel: Die Gesamtheit der Zahlen 1,2,3,4, . .. wird als eine fertige Einheit gesehen.31
28
vgl. Falletta, Nicholas: Paradoxon- Widersprüchliche Streitfragen, zweifelhafte Rätsel, unmögliche Erläuterungen, München, 1985, 63-64
29
vgl. Lorenzo Martinez, Javier: Die Wissenschaft vom Unendlichen; in: Spektrum der Wissenschaft, Spezial 3/05, 6-11
30
vgl. Hilbert, David: Über das Unendliche; in: Ewald, William/ Sieg, Wilfried (Hg.): David Hilbert's Lectures on the Foundations of Arithmetic and Logic 1917-1933, Berlin (u.a.), 2013, 729733
31
ebd.
16
4. Schluss
Insgesamt ist diese Seminararbeit eine Formalisierung des Gedankenspiels Hilberts
Hotel und erläutert die damit verbunden Begriffe der Unendlichkeit. Das Hotel Hilbert
ist eine Visualisierung, der mathematischen Theorie der Unendlichkeit, um diese leichter begreifen zu können. Nachdem der Mathematiker Georg Cantor die Handhabung
der Unendlichkeit in der Mathematik begründet und eine allgemeine Erklärung festgelegt hat, war es das Anliegen des Mathematikers David Hilbert dieses Wissen an die
breite Masse zu bringen. Vor allem ist das Hotel Hilbert für die Öffentlichkeit leicht verständlich, sodass keine tiefen mathematischen Kenntnisse erforderlich sind. Anhand
dieser Seminararbeit ist deutlich geworden, dass ein Hotel mit unendlich vielen Zimmern welches bereits unendlich viele Gäste hat, trotzdem zusätzliche Gäste aufnehmen kann. Dies geht soweit, dass das Hotel Hilbert bis zu unendlich vielen neuen Gästen ein Zimmer ermöglichen kann, obwohl alle Zimmer belegt sind. Außerdem ist in der
Seminararbeit bewiesen worden, dass das Hotel Hilbert dennoch ausgebucht sein
kann. Dies bezüglich ist die Erkenntnis gewonnen worden, dass verschiedene Unendlichkeiten existieren. Hierbei wird erläutert, dass die Mächtigkeit der natürlichen Zahlen
die kleinste Unendlichkeit ist und auch als ℵ0 bezeichnet wird. Die Menge der reellen
Zahlen wir als 2ℵ0 bezeichnet. Außerdem ist bewiesen worden, dass die Mächtigkeit
der Menge der natürlichen Zahlen kleiner als die Mächtigkeit der Menge der reellen
Zahlen ist. Des Weiteren bietet die Seminararbeit ein zusätzliches Beispiel, welches
die Unendlichkeit veranschaulicht und aus einer anderen Perspektive darstellt. Diese
Seminararbeit ist insgesamt eine mögliche Variante, die verschiedenen Fälle von Hilberts Hotel darzustellen. Natürlich gibt es verschiedene Lösungsansätze in der mathematischen Formalisierung um das Hotel Hilbert zu erläutern, die auch korrekt sind.
Ebenfalls in der geschichtlichen Darstellung und Erzählung gibt es verschiedene Möglichkeiten das Hotel Hilbert darzustellen. Dennoch bleiben Rätsel in der Unendlichkeit
ungelöst und die Unendlichkeit ist und bleibt für uns Menschen ein schwer begreifbares
Thema.
17
5. Quellen und Literaturverzeichnis
ο‚·
Blumenthal, Otto: Lebensgeschichte; in: Hilbert, David (Hg.): Gesammelte Abhandlungen / 3: Analysis, Grundlagen der Mathematik, Physik, Verschiedenes :
nebst einer Lebensgeschichte, Berlin 1935, 388-429
ο‚·
Casiro, Francis/Cohen, Gilles: Erster Vorstoß ins Unendliche: Bijektion; in:
Spektrum der Wissenschaft, Spezial 2/2005
ο‚·
Cantor, Georg: Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre; in: Cantor, Georg: Mathematische Annalen, Berlin/Heidelberg 1895, 481-512
ο‚·
Deiser, Oliver: Einführung in die Mengenlehre, 2.Auflage, Berlin 2004
ο‚·
Delahaye, Jean-Paul: Ist das Unendliche der Mathematik paradox?; in: Spektrum der Wissenschaft, Spezial 03/2005, 12-20
ο‚·
Ebbinghaus, Heinz-Dieter: Einführung in die Mengenlehre, 4.Auflage, Heidelberg 2003
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Falletta, Nicholas: Paradoxon- Widersprüchliche Streitfragen, zweifelhafte Rätsel, unmögliche Erläuterungen, München 1985
ο‚·
Hilbert, David: Über das Unendliche; in: Ewald, William/ Sieg, Wilfried (Hg.):
David Hilbert's Lectures on the Foundations of Arithmetic and Logic 1917-1933,
Berlin (u.a.), 2013, 729-733
ο‚·
Lehning, Hervé: Cantors Diagonale; in: Spektrum der Wissenschaft, Spezial
2/05, 48-49
ο‚·
Lorenzo Martinez, Javier: Die Wissenschaft vom Unendlichen; in: Spektrum der
Wissenschaft, Spezial 3/05, 6-11
ο‚·
Reiss, Kristina/ Schmieder, Gerald: Mengen; in: Reiss, Kristina/ Scharlau, Rudolf, u.a.(Hg.): Basiswissen Zahlentheorie, Berlin 2007, 4-12
ο‚·
Ross-Pirie, Caroline: Film Hotel Hilbert, 1996; unter:
https://www.vismath.eu/de/filme/hotel-hilbert [Stand: 04.09.2015]
ο‚·
Graphiken: Erstellt auf http://www.matheboard.de/plotter.php
18
6. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Injektion ................................................................................................... 5
Abbildung 2: Surjektion................................................................................................. 5
Abbildung 3: Bijektion ................................................................................................... 5
Abbildung 4: Nicht sujektiv und nicht injektiv ................................................................ 6
Abbildung 5: Ein Gast dazu .......................................................................................... 7
Abbildung 6: Massenandrang ....................................................................................... 8
Abbildung 7: Cantors erstes Diagonalargument ......................................................... 10
Abbildung 8: Zuteilung Gast/Zimmer Rekordandrang ................................................. 10
Abbildung 9: Cantors zweites Diagonalargument ....................................................... 13
Abbildung 10: Jahre/Tage .......................................................................................... 15
7. Graphikverzeichnis
Graph 1: Injektion ......................................................................................................... 5
Graph 2: Surjektion ...................................................................................................... 5
Graph 3: Bijektion ......................................................................................................... 5
Graph 4: Nicht surjektiv und nicht injektiv ..................................................................... 6
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8. Erklärung
Ich erkläre, dass ich diese Seminararbeit selbständig und nur mit
den angegebenen Hilfsmitteln angefertigt habe.
(Natalie Ritzer)
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