Universitätsklinik Ulm Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer Sektion für Kognitive Elektrophysiologie Sektionsleiter: Prof. Dr. Markus Kiefer Disambiguierung semantischer Mehrdeutigkeit bei manischen Patienten – eine Studie mit ereigniskorrelierten Potentialen Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm vorgelegt von Hanna Schneegans geboren in Duderstadt 2013 Amtierender Dekan: Prof. Dr. Thomas Wirth 1. Berichterstatter: Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer 2. Berichterstatter: Prof. Dr. Harald C. Traue Tag der Promotion: 13.11.2014 i Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................... ii 1. Einleitung......................................................................................................... - 1 1.1 Die bipolare Störung – defizitäre Inhibition als ihr zentrales Symptom?....... - 1 1.2 Semantische Inhibition bei der Verabeitung von Homonymie ...................... - 9 1.3 Ereigniskorrelierte Potentiale von Sprachverarbeitungsprozessen .............. - 15 1.4 Ziele und Hypothesen ................................................................................ - 19 2. Material, Methoden ....................................................................................... - 21 2.1 Auswahl der Versuchspersonen ................................................................. - 21 2.2 Experimentelles Design und zugrundeliegendes Paradigma ....................... - 25 2.3 Durchführung des Experiments und Aufzeichnung der EEG-Daten ........... - 31 2.4 Auswertung der Verhaltensdaten im Hauptexperiment ............................... - 34 2.5 Auswertung der EEG-Daten ...................................................................... - 35 2.6 Auswertung psychometrischer Daten, Korrelationsanalysen ...................... - 38 3. Ergebnisse ...................................................................................................... - 40 3.1 Ergebnisse auf Ebene der Verhaltensdaten ................................................. - 40 3.2 Ergebnisse auf Ebene der EEG-Daten ........................................................ - 44 3.3 Ergebnisse der Aufgaben zum Arbeitsgedächtnis (2-back-Aufgabe und Zahlennachsprechen) ....................................................................................... - 54 3.4 Korrelationen einiger psychometrischer Daten mit den Testergebnissen .... - 57 4. Diskussion ...................................................................................................... - 61 4.1 Ambiguitätsresolution auf der Verhaltensebene ......................................... - 61 4.2 EKP auf Wort 2 ......................................................................................... - 65 4.3 EKP auf Wort 3 ......................................................................................... - 71 4.4 Limitationen .............................................................................................. - 76 5. Zusammenfassung ......................................................................................... - 78 6. Literaturverzeichnis ...................................................................................... - 80 7. Anhang ........................................................................................................... - 88 Danksagung................................................................................................... - 120 Curriculum vitae ............................................................................................ - 121 - ii Abkürzungsverzeichnis ACC anteriorer cingulärer Cortex BPRS Brief Psychiatric Rating Scale (allgemeinpsychiatrisches Ratinginstrument) kongruente Homonym-Bedingung / kongruent-ambigue Bedingung; Worttriplet mit semantischer Passung und Homonym als Wort 2 kongruente Nicht-Homonym-Bedingung / kongruent-inambigue Bedingung; Worttriplet mit semantischer Passung und NichtHomonym als Wort 2 dorso-lateraler präfrontaler Kortex CH CN DLPFC DSM-IV EEG Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen), 4. Auflage Elektroenzephalographie EKP ereigniskorrelierte(s) Potential(e) fMRT funktionelle Magnetresonanztomographie HAWIE-R Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene ICD-10 International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme), 10. Auflage inferiorer fontaler Gyrus IFG IH ISI inkongruente Homonym-Bedingung / inkongruent-ambigue Bedingung; Worttriplet ohne semantische Passung und Homonym als Wort 2 inkongruente Nicht-Homonym-Bedingung / inkongruentinambigue Bedingung; Worttriplet ohne semantischer Passung und Nicht-Homonym als Wort 2 Interstimulus-Intervall MRT Magnetresonanztomographie OFG orbito-frontaler Kortex PFC präfrontaler Kortex SOA stimulus onset asynchrony (Intervall zwischen der Darbietung zweier Reize) Wortschatztest IN WST YMRS Young Mania Rating Scale (Ratinginstrument zur Erfassung Manie-assoziierter Symptomatik) 1 Einleitung 1. Einleitung 1.1 Die bipolare Störung – defizitäre Inhibition als ihr zentrales Symptom? Bipolarität – Kenntnisstand und Forschungsbedarf Die bipolare Störung, gleichwohl sie aufgrund ihrer eindrucksvollen Klinik, dem „Alternieren zwischen den beiden affektiven Polen“ (Vollmoeller 2006, S. 22) schon früh zum Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung geworden ist, ist in vielerlei Hinsicht noch immer eine rätselhafte Erkrankung: Bereits der griechische Arzt Aretaeus beschrieb im ersten Jahrhundert nach Christus die beiden phänomenologisch sehr unterschiedlichen Zustände von Melancholie und Manie als eine gemeinsame Krankheitsentität (Angst et al. 2001), und Emil Kraeplin etablierte um 1899 die Dichotomie des „manisch-depressiven Irreseins“ einerseits, worunter er sämtliche affektiven Störungen subsumierte, und der „Dementia praecox“, der Schizophrenie, andererseits (Angst et al. 2001). Damit legte er das Fundament für die lange Zeit die Psychiatrie dominierende Vorstellung einer eindeutigen nosologischen Abgrenzung des Krankheitsbildes der bipolaren Störung von der Schizophrenie, wobei für die bipolare Störung ihre gegenüber der Schizophrenie günstigere Prognose und die „meist gleichzeitig betroffene(n) Qualitäten der Stimmung, des Denkens und des Willens“ (Vollmoeller 2006, S.23) charakteristisch seien. Somit benannte Kraeplin bereits neben den auffälligen Veränderungen des Affekts kognitive Veränderungen als wesentlich für die Erkrankung. Modernere Erkenntnisse schließlich haben zum einen eine klarere Abgrenzung der bipolaren von der unipolaren affektiven Störung auf empirischer Basis ermöglicht, indem u.a. durch Jules Angst bedeutsame Unterschiede zwischen beiden Erkrankungen hinsichtlich Geschlecht (hier besteht ein deutliches Überwiegen des weiblichen Geschlechts bei der unipolaren, nicht aber bei der bipolaren affektiven Störung) und familiärer Belastung der Betroffenen sowie dem Verlauf gefunden wurden (Angst et al. 2001). Andererseits gestaltet sich im individuellen Fall die Diagnosefindung weiterhin oftmals schwierig und ist meist auf die Betrachtung des Krankheitsverlaufs angewiesen, um etwa eine erstmalige depressive Episode sicher einem bipolaren oder unipolaren Störungsbild zuordnen zu können (Deuschle 2006). -1- 1 Einleitung Noch problematischer ist bisweilen die bei Kraeplin so klare Abgrenzung der bipolaren Störung zum schizophrenen Formenkreis (McIntosh et al. 2008), wie z.B. in Krankheitsbildern wie affektiven Störungen mit psychotischen Symptomen oder der schizoaffektiven Störung deutlich wird, die immer noch eine Herausforderung für die gängigen Diagnosesystem des ICD-10 und des DSM-IV darstellt (Jaeger et al. 2004). In diesen Schwierigkeiten der nosologischen Abgrenzung gegenüber anderen psychiatrischen Krankheitsbildern offenbart sich der große potentielle Nutzen der Entwicklung von diagnostischen Instrumenten, die für die Erkrankung spezifische Veränderungen detektieren, idealerweise sogar unabhängig vom gegenwärtigen Gemütszustand der Patienten. Tatsächlich mehren sich die Hinweise darauf, dass charakteristische Veränderungen der Emotionsregulation, die eine affektive Labilität bedingen könnten (Kruger et al. 2003), sowie auch überdauernde Veränderungen kognitiver Funktionen bei bipolaren Patienten ebenso in den euthymen Intervallen vorliegen (MartinezAran et al. 2004, Frangou 2005, Arts et al. 2008, Torres et al. 2007) und in Zukunft diagnostisch verwertbar sein könnten. Dies alles begründet das Anliegen der vorliegenden Arbeit, nach Veränderungen in grundlegenden kognitiven Prozessen bei bipolaren Patienten zu suchen, um einen Beitrag zu leisten für ein tieferes Verständnis dessen, was die Erkrankung im Kern ausmacht. Langfristig könnte so die Nosologie und Diagnostik psychiatrischer Erkrankungen, aber auch die Entwicklung neuer diagnostischer Möglichkeiten, auf ein besseres empirisches Fundament gestellt werden. Charakterisierung eines potentiell grundlegenden kognitiven Defizits bei manischen Patienten Die vorliegende Untersuchung wurde mit Patienten durchgeführt, die sich zum Zeitpunkt der Studiendurchführung in einer manischen, hypomanischen oder gemischten Episode ihrer bipolaren Erkrankung befanden oder von einer zuletzt manischen Episode weitgehend remittiert waren. Den Probanden war damit das Vorliegen typischer Manie-assoziierter Symptome gemein, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Manische Zustände innerhalb der Bipolaren Störung sind oft durch ein eindrucksvolles klinisches Erscheinungsbild gekennzeichnet, dem Veränderungen in kognitiven Prozessen zugrunde liegen könnten, die in euthymen oder depressiven Episoden in geringerer quantitativer Ausprägung ebenfalls vorhanden sind. -2- 1 Einleitung Gemäß DSM-IV (American Psychiatric Association 2003) zählen u.a. ein gesteigertes Redebedürfnis, Ideenflucht oder das subjektive Gefühl des Gedankenrasens, Ablenkbarkeit durch belanglose externe Reize, psychomotorische Unruhe und die Beschäftigung mit angenehmen Aktivitäten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen, zu den diagnostisch verwertbaren Kernsymptomen der manischen Episode. Sucht man nach einer möglichen gemeinsamen pathophysiologischen Ursache dieser Symptome, so stellt sich die Frage, ob ein allgemeines Defizit in der Fähigkeit zur Inhibition nicht einer Reihe dieser Symptome zu Grunde liegen mag, und tatsächlich werden derartige Defizite inhibitorischer Kontrolle im Denken und Verhalten von einigen Autoren als zentral für die Erkrankung angesehen (Degabriele et al. 2011, Larson et al. 2005). Modell der kognitiven Inhibition Inhibition, ein etablierter, wenn auch nicht ganz unumstrittener Begriff innerhalb der Kognitionswissenschaft, bezeichnet nach MacLeod (2007, S. 5) allgemein „the stopping or overriding of a mental process, in whole or in part, with or without intention“, wobei es sich bei dem derart beeinflussten mentalen Prozess etwa um selektive Aufmerksamkeit, den Abruf von Gedächtnisinhalten oder eine Reihe anderer kognitiver Prozesse handeln könne. Wiewohl Inhibition auf der Ebene einzelner Neurone allgemein akzeptiert ist, ist nach wie vor strittig, welche Bedeutung dem Begriff der „kognitiven Inhibition“ zukommt und welche mentalen Prozesse sinnvollerweise hierunter subsumiert werden sollten. Zu Recht kritisiert etwa MacLeod, dass die Ableitung der Existenz der kognitiven Inhibition nicht allein auf Basis der Analogiebildung zur Inhibition auf Ebene der Nervenzellen erfolgen dürfe, obgleich sie verführerisch sei (MacLeod 2007). Andere Autoren gehen davon aus, dass aufgrund der Funktionsweise des Cortex die Existenz von inhibitorischen Prozessen auch auf höherer Ebene geradezu zwingend sei (Houghton et al. 1996), und inhibitorische Prozessen wurden der Erklärung von komplexeren Befunden aus so unterschiedlichen Bereichen wie der Sozialpsychologie, der Entwicklungs- und der klinischen Psychologie zugrunde gelegt (MacLeod 2007). Inhibitionsprozesse werden im allgemeinen den Exekutivfunktionen zugeordnet und stehen im Dienst der kognitiven Kontrolle, also der Filterung und Fokussierung angesichts begrenzter Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses und der Auswahl geeigneten Verhaltens bei divergierenden Handlungsoptionen (Houghton et al. 1996). Dabei sind die einzelnen zugrunde liegenden Paradigmen, für die Inhibition angenommen wird, teils sehr -3- 1 Einleitung unterschiedlich: Bei der klassischen „Go/No-Go Task“ sind die Probanden angehalten, auf einen von zwei dargebotenen Stimuli zu reagieren, während sie auf den anderen Stimulus, der im allgemeinen seltener und unregelmäßig dargeboten wird, nicht reagieren sollen – es ist in diesem Fall also die motorische Reaktion, die inhibiert werden muss, was als „response inhibition“ bezeichnet wird. Bei der hierzu ähnlichen „Stop-Signal Task“ muss die Reaktion auf den „Go-Stimulus“ intermittierend unterdrückt werden, und zwar dann, wenn auf ihn ein mit einiger Latenz dargebotenes „Stopsignal“ folgt. Auch hier muss eine motorische Antwort unterdrückt werden, die in diesem Fall bereits vorbereitet worden ist (Yamaguchi et al. 2008). Bei der zur Untersuchung von Inhibitionsphänomenen ebenfalls häufig angewandten „Stroop Task“ (Stroop 1935) werden den Probanden Farbwörter visuell dargeboten (etwa „gelb“ oder „blau“). Die Probanden sollen dann jeweils die Schriftfarbe der Wörter benennen. Die zu benennende Farbe kann dem genannten Farbwort entsprechen („blau“ wird beispielsweise in blauer Schrift dargeboten – kongruente Bedingung), oder sich von ihr unterscheiden („gelb“ wird beispielsweise in blauer Schrift dargeboten – inkongruente Bedingung). Es zeigt sich hier, dass die Reaktionszeiten in der inkongruenten Bedingung länger sind als in der kongruenten Bedingung. Hier wird davon ausgegangen, dass durch die widersprüchlichen Informationen Interferenz erzeugt wird, der durch Inhibitionsprozesse begegnet werden muss. Diese Unterscheidung zwischen Interferenz und Inhibition ist bedeutsam: Die längere Latenz in den Reaktionen der Probanden, d.h. die Effekte auf der Verhaltensebene, entsprechen dem Vorliegen von Interferenz, einer erschwerten Reizverarbeitung durch „Überlagerung“. Inhibition hingegen ist ein als solches nicht beweisbares, hypothetisches Konstrukt, das der Erklärung dieser Verhaltenseffekte dient (MacLeod 2007). Gernsbacher und Kollegen (1990) etwa erklären die längeren Reaktionszeiten in der inkongruenten Bedingung dadurch, dass hier zur Selektion einer von mehreren Möglichkeiten der Aktivierungsgrad einer „interferierenden“ mentalen Repräsentationen herabgesetzt werden muss, was zusätzliche Verarbeitungszeit benötigt. Auch für komplexere psychische Vorgänge wie das gezielte Ausblenden von Informationen wurden Inhibitionsprozesse verantwortlich gemacht. So führten Anderson und Green (2001) ein Experiment durch, bei dem Probanden im Vorfeld Wortpaare, bestehend aus zwei semantisch nicht verwandten Begriffen studiert hatten, z.B. „ordeal“ (dt.: Prüfung; Geduldsprobe) und „roach“ (dt.: Schabe, Kakerlake). Anschließend wurde ihnen im eigentlichen Experiment der erste Begriff dargeboten und sie waren angehalten, -4- 1 Einleitung den hierzu gelernten zweiten Begriff des Wortpaares zu nennen. Für einige der Begriffe waren sie jedoch aufgefordert worden, die Antwort zu unterdrücken und auch, trotz visueller Fixation, den entsprechenden zugehörigen Begriff nicht bewusst werden zu lassen. In der nächsten Phase dieses in Analogiebildung zur „Go/No-Go Task“ als „Think/No-Think“ bezeichneten Paradigmas wurde die Instruktion zur gezielten Unterdrückung einiger Antworten als nicht länger gültig erklärt und die Probanden sollten nun zu sämtlichen Begriffen den mitstudierten zweiten Begriff nennen. Dabei war die Wiedergabe der zuvor gezielt unterdrückten Begriffe nicht nur schlechter als die der im Sinne der Aufgabe korrekt wiedergegebenen, sondern sogar schlechter als die von Kontroll-Begriffspaaren, die zwar anfänglich studiert, aber in der vorhergehenden Aufgabe nicht abgeprüft worden waren. Dass für dieses Phänomen eine gezielte kognitive Inhibition der zu unterdrückenden Begriffe verantwortlich war, konnten Anderson und Green dadurch belegen, dass auch auf neue, von den bisherigen experimentellen Manipulationen unabhängige Hinweisreize hin die Begriffe weniger gut wiedergegeben werden konnten als jene aus den Kontroll-Begriffspaaren. (Genauer handelte es sich bei dem unabhängigen Hinweisreiz um die Nennung der semantischen Kategorie und des ersten Buchstabens des gesuchten Begriffs; bei „roach“ wäre dies zum Beispiel der Hinweis „Insekt, beginnend mit „r“.) Eben dies war zu erwarten, wenn tatsächlich, nach oben gennanter Hypothese von Gernsbacher, der Aktivierungsgrad einer mentalen Repräsentation reduziert worden war, mit der Folge einer Erschwernis des späteren Abrufs. (Im Beispiel wäre selektiv der Abruf von „roach“ im semantischen Gedächtnis durch die vorhergehende Inhibition erschwert.) Die entsprechende von MacLeod (2007) wie auch bereits zuvor von Anderson und Spellman (1995) formulierte wichtige Anforderung für die Inanspruchnahme von Inhibition als Erklärungsmuster für beobachtete Phänomene, nämlich ein erschwerter Abruf auf einen „unabhängigen Hinweisreiz“ hin, wäre damit erfüllt. -5- 1 Einleitung Allen genannten Beispielen ist laut Levy und Anderson (2002) gemein, dass in ihnen eine gewohnheitsmäßige bzw. gebahnte Handlungstendenz unterdrückt werden muss, um eine kontextuell angemessenere oder geforderte Reaktion zu ermöglichen. Dieser allgemeine Mechanismus ist den Autoren zufolge auf so unterschiedliche Phänomene wie die oben erwähnte Stroop Task, Go/No-Go Task oder die Kontrolle von Gedächtnisinhalten, z.B. im Sinne der genannten Think/No-Think-Aufgabe, anwendbar, die unter dem Begriff der „response-override situations“ (Levy et al. 2002) subsumiert werden können. Abbildung 1, entnommen Benjamin J. Levy and Michael C. Anderson: “Inhibitory processes and the control of memory retrieval”, erschienen in “Trends in Cognitive Sciences” Vol.6, S. 299 (2002), mit Genehmigung von Elsevier, illustriert den hier postulierten generalisisierten Begriff der kognitiven Inhibition. Ob einer Vielzahl der Prozesse, für die Inhibition postuliert wird, ein gemeinsamer spezifischer kognitiver Verarbeitungsmechanismus zugrunde liegt, mit gemeinsamem neuralem Substrat, wie von einigen Autoren vertreten (z.B. Anderson et al. 2001, Levy et al. 2002, Aron et al. 2004), ist Gegenstand angeregter Diskussionen. Ein wesentlicher Kritikpunkt an einem solchen Konzept ist z.B. die mangelnde Korrelation der Ergebnisse in unterschiedlichen Inhibitionsaufgaben beim einzelnen Probanden (Friedman et al. 2004). Möglicherweise gibt es jedoch Strukturen, die für die Performanz in allen diesen Aufgaben bedeutsam sind und für die daher in sehr verschiedenartigen Inhibitionsaufgaben ein Aktivitätszuwachs zu beobachten ist, und zusätzliche Strukturen, die für den jeweiligen Aufgabentypus spezifisch sind (Yamaguchi et al. 2008). -6- 1 Einleitung Inhibition, Bipolariät und präfrontaler Kortex Für die Gruppe der bipolaren Patienten konnte eine schlechtere Leistung gegenüber gesunden Kontrollen in so unterschiedlichen Aufgaben wie der der Stroop Task (Kravariti et al. 2009, Haldane et al. 2008), der Stop-signal Task (Strakowski et al. 2009) einer „emotionalen“ Go/No-Go Task (Degabriele et al. 2011) und der Inhibitionsbedingung des Hayling Sentence-Completion-Test (Frangou 2005) in Studien gezeigt werden. Bei der Suche nach einem Lokus, der aufgabenübergreifend eine hohe Aktivität zeigt, wurde auf Grundlage von fMRT-Untersuchungen von den verschiedenen Autoren meist eines von 3 Arealen im präfrontalen Cortex vorgeschlagen (Aron et al. 2004), und zwar der DLFC und ACC (Levy et al. 2002), der IFG (Chikazoe et al. 2007) und der OFG (Horn et al. 2003). Die genaue Lokalisation der untersuchten Inhibitionsprozesse ist für die vorliegende Arbeit allerdings nicht entscheidend; es ist in jedem Fall von einer präfrontalen Lokalisation der für sie bedeutsamen Strukturen auszugehen. Die schlechtere Performanz in Inhibitionsaufgaben nach präfrontaler Läsion ist gut etabliert und liefert einen weiteren eindrücklichen Beleg für die große Bedeutsamkeit des PFC für diese kognitive Funktion. So finden sich nach präfrontaler Läsion etwa eine hohe Interferenzanfälligkeit in der Stroop Task und im Wisconsin-Card-Sorting-Test (WSCT, Berg 1948; Collette et al. 2001), bei dem Karten nach einem wechselnden Ordnungsprinzip sortiert werden müssen. Probanden mit präfrontaler Läsion fiel der Wechsel zu einem neuen Ordnungsprinzip schwer und sie handelten vermehrt nach dem nun hinfälligen Prinzip (Perseveration), was als mangelnde inhibitorische Kontrolle über einen früheren mentalen Ablauf gewertet wurde (Knight et al. 1999). Bedeutsam ist diese anatomische Zuordnung vor dem Hintergrund, dass Normabweichungen im Bereich des PFC eine wichige Rolle bei der bipolaren Störung spielen dürften; so existieren zahlreiche Befunde zu morphologischen wie auch funktionellen Veränderungen des PFC bei bipolaren Patienten: Gehirnvolumetrische Untersuchungen mittels MRT stellten etwa eine umschriebene Volumenreduktion der grauen Substanz im Bereich des PFC fest, während globale Veränderungen des Hirnvolumens nicht gezeigt werden konnten (Frangou 2005, Lopez-Larson et al. 2002). Auch deuten Läsionsstudien, bei denen es infolge einer traumatischen Hirnschädigung zum Auftreten manischer Symptome kam, auf die besondere Bedeutung präfrontaler Regionen für das Zustandekommen einer solchen Symptomatik hin (Starkstein et al. 1988). -7- 1 Einleitung Auch FMRT-Studien mit bipolaren Patienten, die unterschiedliche Inhibitionsaufgaben verwendeten, fanden häufig Unterschiede in der PFC-Aktivität zwischen bipolaren Patienten und gesunden Kontrollen, wobei die Datenlage jedoch inkonsistent ist und mal eine Mehraktivierung (Strakowski et al. 2008), mal eine Minderaktivierung (Kronhaus et al. 2006) im PFC gegenüber gesunden Kontrollen berichtet wurde. Unter Verwendung anderer Aufgabenstellungen, die nicht gezielt Inhibitionsphänomene zu erfassen suchten, etwa zur Wortflüssigkeit, wurden vielfach Mehraktivierungen des PFC beobachtet (Cerullo et al. 2009). Einige der Unterschiede in den Ergebnissen solcher Studien dürften dadurch zustande kommen, dass vielfach bipolare Patienten ungeachtet der gegenwärtigen Polarität ihrer Erkrankung gemeinsam untersucht wurden (d.h. aktuell manische ebenso wie aktuell depressive Patienten), was eine bedeutsame Störgröße darstellt (Cerullo et al. 2009), zumal etwa Blumberg und Kollegen (2003) einen differenziellen Einfluss der Polarität der Patienten auf das Muster der PFC-Aktivierung fanden. Eine weitere Limitation dieser Studien stellt vielfach die geringe Stichprobengröße mit 10 oder noch weniger untersuchten Probanden dar (Cerullo et al. 2009). Ebenfalls interessant sind divergierende Ergebnisse bezüglich präfrontaler Aktivität in fMRT-Studien zwischen bipolaren und schizophrenen Patienten, die sowohl von Curtis und Kollegen (2001) als auch von McIntosh und Kollegen (2008) gefunden wurden, jeweils im Sinne einer Minderaktivität des PFC bei schizophrenen Patienten und einer Mehraktivität des PFC bei bipolaren Patienten, im Vergleich zu gesunden Kontrollen. Von beiden Autoren wurde dies als mögliches bedeutsames Abgrenzungskriterium interpretiert. Für die Schizophrenie ist das Modell der „Hypofrontalität“ sehr verbreitet (Hill et al. 2004), auch gibt es in dieser Gruppe zahlreiche Befunde, die für ein inhibitorisches Defizit sprechen (z.B. Chan et al. 2010). Eine solche „Hypofrontalität“ wird, trotz Inkonsistenz der Forschungsergebnisse, bisweilen auch für die bipolare Erkrankung geltend gemacht (Degabriele et al. 2011). Eine Reduktion der gyralen Faltung des ventralen wie dorsalen PFC gegenüber Kontrollen stellten außerdem McIntosh und Kollegen (2009) für bipolare wie schizophrene Patienten in gleichem Maße fest. Die vorgestellten Befunde verdeutlichen, dass eine genauere Untersuchung von Inhibitionsdefiziten bei bipolaren Patienten aussichtsreich erscheint, zumal es zahlreiche Hinweise dafür gibt, dass diese ein zentrales Kernsymptom der Erkrankung mit möglicherweise differentialdiagnostischem Wert darstellen. -8- 1 Einleitung 1.2 Semantische Inhibition bei der Verabeitung von Homonymie Bipolarität und Sprache Ein eindrucksvolles Symptom bipolarer Patienten während einer manischen Episode ist deren veränderte Sprache. Dabei kommt es charakteristischerweise nicht nur zu einer Zunahme des Redevolumens, wie im DSM-IV aufgeführt, sondern es werden in der Regel die Gesprächsinhalte inkohärenter, weitläufiger und schwerer verständlich. Diese Veränderung auf sprachlicher Ebene spiegelt Veränderungen des Denkens wider, insbesondere die ebenfalls in den DSM-IV-Kriterien genannte Ideenflucht, und tatsächlich sind Denkstörungen, die lange Zeit als pathognomonisch für die Schizophrenie galten, heute anerkanntermaßen ein häufiges Symptom bei manischen Patienten (Grossman et al. 1991). Dabei stellt die Untersuchung auf Besonderheiten der Sprache ein wichtiges differentialdiagnostisches Instrument zur Unterscheidung schizophrener und manischer Patienten dar, und es gibt eine Reihe von Symptomen, die für die eine oder andere Erkrankung als besonders typisch gelten, etwa assoziative Lockerung oder Neologismen bei schizophrenen Patienten und Weitschweifigkeit sowie Ideenflucht bei manischen Patienten (McIntosh et al. 2008). Letztlich bereitet es dennoch Schwierigkeiten, Unterschiede in der Sprache zwischen beiden Patientengruppen zu benennen, die nicht bloß quantitativer Natur sind (Lott et al. 2002). So beobachteten etwa Wykes und Leff (Wykes et al. 1982) in ihrer psycholinguistischen Analyse der Sprache von manischen und schizophrenen Patienten bei beiden Gruppen als wesentliches Element eine Reduktion sog. „cohesive links“, also verbindender Elemente zwischen den Sprachinhalten, die für die Verständlichkeit von Sprache wichtig sind – diese war bei den Schizophrenen jedoch quantitativ ausgeprägter. Zum Begriff der semantischen Inhibition Vor diesem Hintergrund auffälliger Veränderungen der Sprache von manischen Patienten einerseits und eines möglichen generellen Inhibitionsdefizit andererseits, erscheint es nahe liegend, nach einem spezifischen semantischen Inhibitionsdefizit bei manischen Patienten zu suchen. Gemeint ist damit ein Defizit in der kognitiven Inhibition von Elementen des semantischen Gedächtnisses, in dem (Wort-) Bedeutungen als mentale Repräsentationen enkodiert sind. Ein solches Defizit könnte insbesondere ideenflüchtigen Inhalten zu Grunde liegen. Außerdem könnte der Nachweis eines solchen Defizits eine diagnostische Hilfe bei der Abgrenzung zur Schizophrenie darstellen oder umgekehrt einen Beleg dafür -9- 1 Einleitung liefern, dass beide Krankheitsentitäten sich auch auf dieser grundlegenden Analyseebene z.B. nur quantitativ unterscheiden, da auch bei Schizophrenen bisweilen ein spezifisches semantisches Inhibitionsdefizit diskutiert wird (Chan et al. 2010). Ein derartiger Mechanismus semantischer Inhibition wird z.B. im Hayling-SentenceCompletion-Test (Burgess et al. 1997) als grundlegend angenommen (de Sousa Siqueira et al. 2010, Chan et al. 2008). Hierbei müssen die Probanden im ersten Aufgabenteil einen vorgegebenen Satz vervollständigen, indem sie an letzter Position einen ihnen besonders passend erscheinenden Begriff einsetzen; anschließend sollen sie in der zweiten Teilaufgabe stattdessen einen besonders wenig nahe liegenden Begriff zur Vervollständigung angeben. Es wird angenommen, dass semantische Inhibition zur Lösung der zweiten Teilaufgabe erforderlich ist, da durch die kontextuelle Bahnung semantisch zum Satz passende Begriffe aktiviert werden, was als semantisches Priming bezeichnet wird. Dies verursacht Interferenz. Um die Selektion eines wenig passenden Begriffs zu ermöglichen, wie es die Aufgabe erfordert, muss über Inhibition der Aktivierungsgrad von automatisch voraktivierten Begriffen reduziert werden, um eine ausreichende Aktivierungsdifferenz zur Auswahl eines nicht-voraktivierten Begriffs herzustellen. Verarbeitung von lexikalischer Ambiguität (Homonymie) Semantische Inhibition wird auch als ein grundlegender Mechanismus bei der Resolution lexikalischer Ambiguität postuliert (z.B. Faust et al. 1996): Bei der Verarbeitung von Homonymen, also Wörtern mit mehreren, meist zwei, unterschiedlichen Bedeutungen, muss diejenige Bedeutung ausgewählt werden, die zum jeweiligen Kontext passt. Nachdem es lange Gegenstand von Kontroversen war, welche genauen Prozesse bei der Verarbeitung lexikalischer Homonymie involviert sind, kann die Bedeutsamkeit zweier Einflussgrößen inzwischen als gesichert gelten; dies sind Kontext und Polarität (Swaab et al. 2003). Die Polarität ist dabei ein Maß für die relative Vertrautheit von Probanden mit den jeweiligen Bedeutungen eines Homonyms bzw. für die relative Häufigkeit des Auftretens der verschiedenen Bedeutungen im Sprachgebrauch: Homonyme können polar sein, wenn die Vertrautheit der Probanden mit einer der Bedeutungen wesentlich größer ist als mit der anderen, bzw. der Begriff weitaus häufiger in dieser Bedeutung verwendet wird; in diesen Fällen werden die jeweiligen Bedeutungen als dominante bzw. subdominante Homonymbedeutung bezeichnet (Gee et al. 2010). Z. B. handelt es sich bei „Melone“ um ein polares Homonym: In der Bedeutung „Frucht“ (dominante Bedeutung) wird „Melone“ mit wesentlich höherer Frequenz im Sprachgebrauch verwendet bzw. ist den Probanden in dieser Bedeutung vertrauter als in der Bedeutung „Kopfbedeckung“ - 10 - 1 Einleitung (subdominante Bedeutung). Andererseits können Homonyme balanciert sein, wenn die Vertrautheit mit ihren Bedeutungen ausgeglichen ist bzw. beide Bedeutungen in etwa gleicher Frequenz im allgemeinen Sprachgebrauch Vewendung finden (z.B. Kiefer entweder als Teil des Schädels oder als Nadelbaum; vgl. hierzu auch Abschnitt 2.2). Verschiedene theoretische Positionen zur Homonymverarbeitung unterscheiden sich darin, welche Bedeutsamkeit sie jeweils dem sprachlichen Kontext und der Polariät der Homonyme beiordnen und postulieren einen unterschiedlichen zeitlichen Verlauf für die kognitiven Prozesse, an deren Ende die Selektion einer Bedeutung steht. Drei Positionen können dabei unterschieden werden: i) Es wird lediglich die kontextuell passende Bedeutung eines Homonyms aktiviert, im Sinne eines selektiven Zugriffs („selective access“, z.B. bei Schvaneveldt et al. 1976); oder aber es kommt unabhängig vom Kontext zu einer Aktivierung beider Homonymbedeutung, entweder ii) seriell, in der Reihenfolge ihrer relativen Frequenzen, beginnend mit der häufigsten Bedeutung, bis eine der Bedeutungen als kontextuell passend selegiert werden kann, was als geordneter Zugriff bezeichnet wird („ordered-access“, z.B. bei Hogaboam et al. 1975), oder iii) parallel, mit initialer Aktivierung aller Homonymbedeutungen und anschließender Selektion, als multipler bzw. exhaustiver Zugriff („exhaustive“ oder „multiple access model“, z.B. bei Swinney et al. 1979). (Für einen Überblick vgl. Simpson 1994, Twilley et al. 2000.) Starke Evidenz besteht für letztgenannte Theorie. So konnte Swinney (1979) zeigen, dass bei sehr kurzer Stimulus-onset-asynchrony (SOA) – d.h. das Zielwort wurde hier direkt visuell im Anschluss an das auditorisch präsentierte Homonym dargeboten – PrimingEffekte (d.h. schnellere Reaktionen auf semantisch relatierte Begriffe) für beide Homonymbedeutungen auftreten, bei einer verlängerten SOA (mit Darbietung des Zielwortes 4 Silben nach dem Homonym) Priming aber nur noch für die kontextuell passende Homonymbedeutung bestand. Dies ist konsistent zu der Annahme, dass initial beide Bedeutungen aktiviert waren, mit einiger Latenz jedoch nur noch die kontextuell passende Bedeutung. Ebenso sind die Befunde von Gernsbacher und Kollegen (1990) zu interpretieren, die ebenfalls die SOA zwischen Homonym und Zielwort variierte – diese betrug entweder 100 ms oder 850 ms. Aufgabe der Probanden war es, eine semantische Passungsentscheidung für das Zielwort im Hinblick auf die Bedeutung des vorangegangenen Satzes zu treffen. Unterschiede in den Reaktionszeiten zwischen Probanden mit guter und weniger guter Verstehensleistung fanden sich erst nach der längeren SOA. Gernsbacher und Kollegen gingen davon aus, dass nach der kurzen SOA alle Probanden Interferenz erfuhren, weil initial beide Homonymdeutungen aktiviert waren - 11 - 1 Einleitung – entsprechend waren die Reaktionszeiten bei allen Probanden recht lang. Nach längerer SOA zeigten die Probanden mit guter Verstehensleistung jedoch schnellere Reaktionen in der semantischen Entscheidung. Gernsbacher machte dafür die erst zu diesem späteren Zeitpunkt greifende bessere Inhibitionsleistung der Probanden mit guter Verstehensleistung verantwortlich, die ihnen ermöglichte, die erfahrene Interferenz zu reduzieren. Die dargestellten Ergebnisse (mit Variation der SOA) sind auch für die Auswahl der SOA, mit der die Stimuli in dieser Studie präsentiert werden, bedeutsam, sowie für die Auswahl des Zeitfensters, in dem sich Inhibitionsphänome und ggf. Unterschiede in Inhibitionsprozessen zwischen Bipolaren und Kontrollen ereignen sollten: Die SOA darf offensichtlich nicht zu kurz gewählt werden, da in der vorliegenden Studie keine Prozesse der initialen, automatischen Aktivierung von Wortbedeutungen untersucht werden sollen, sondern nachgeordnete, kontrollierte Prozesse. Der Zeitraum, in dem Inhibitionsprozesse ablaufen, kann durch die Beobachtung von Primingeffekte eingegrenzt werden: Nach 100 ms ist offenbar noch keine Inhibition wirksam geworden, nach 850 ms ist sie erfolgt; genauer geht man davon aus, dass die Zurückweisung unpassender Homonymbedeutungen im Dienst der Selektion nach ca. 200 ms beginnen (Harley 2008, Gunter et al. 2003). Unter anderem wird in der vorliegenden Arbeit ein entsprechendes Zeitfenster für die Untersuchung von elektrophysiologischen Korrelaten von Inhibitionsprozessen untersucht. Inhibition dominanter Homonymbedeutungen Allerdings musste die Theorie des multiplen Zugriffs noch eine Erweiterung erfahren, denn zumindest in der ursprünglichen Form wird ein Einfluss des Kontextes und der Polarität der Homonyme auf die Stärke der initialen Aktivierung der Bedeutungen nicht berücksichtigt (Twilley et al. 2000). Zahlreiche Studien belegen jedoch den Einfluss beider Faktoren (Twilley et al. 2000, Swaab et al. 2003). Das neuere „reordered-access“-Modell, (z.B. Duffy et al. 2001) berücksichtigt dies: Demnach nehmen sowohl der Kontext als auch die Polarität eines Homonyms Einfluss auf das Ausmaß der initialen Aktivierung der Homonymbedeutungen. Daraus leitet sich beispielsweise ab, dass bei kontextueller Bahnung der subdominanten Bedeutung eines Homonyms beide Bedeutungen stark aktiviert sind – die eine aufgrund ihrer hohen relativen Häufigkeit, die andere aufgrund des Kontextes (Lee et al. 2009). Solche Situationen mit kontextueller Bahnung der subdominanten Bedeutung, in denen durch ähnlich hohe Aktivierungslevel die Anforderungen an die semantische Selektion besonders hoch sind, gehen mit einer längeren Verarbeitungszeit einher, was mit „subordinate bias“ bezeichnet wird (Duffy et - 12 - 1 Einleitung al. 2001). Auch in fMRT-Studien konnten höhere Anforderungen im Sinne einer vermehrten regionalen neuronalen Aktivität gezeigt werden, wenn die subdominante anstelle der dominanten Homonymbedeutung verarbeitet werden musste (Bilenko et al. 2009). Die dominante Bedeutung scheint also immer aktiviert zu werden, selbst bei Kontexten, die die subdominante Bedeutung stark bahnen – anders mag es sich verhalten, wenn der Kontext die dominante Bedeutung bahnt: Hier scheint ein Selektionskonflikt nicht unbedingt stattzufinden (Swaab et al. 2003). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass in Fällen, in denen eine kontextuelle Bahnung der subdominanten Homonymbedeutung erfolgt und damit ein hohes Aktivierungsniveau beider Homonymbedeutungen vorliegt, Inhibition erforderlich ist, um eine ausreichende Differenz in der Aktivierung der beiden Bedeutungen herzustellen, und damit die Selektion einer Bedeutung zu ermöglichen. Ein solche gezielte Inhibition der unpassenden Bedeutung von Homonymen wird von zahlreichen Autoren postuliert (z.B. Gernsbacher et al. 1990, Gunter et al. 2003, Faust et al. 1996, Nievas et al. 2002, Shivde et al. 2001, Gorfein et al. 2000). Als experimenteller Beleg für die stattgehabte Inhibition der unpassenden Homonymedeutung konnte mehrheitlich, wie auch in den oben dargestellten Experimenten von Swinney, eine Reduktion von Priming-Effekten auf diese nicht-selegierte Bedeutung nachgewiesen werden (Faust et al. 1996, Burgess et al. 1988). Noch eindrucksvoller konnten Shivde und Anderson die Effekte einer stattgehabten Inhibition der nichtselegierten Homonymbedeutung zeigen (Shivde et al. 2001): Sie fanden als eindrücklichen Beleg für ein reduziertes Aktivierungsniveau einen erschwerten Zugriff auf diese Bedeutungen auch auf einen neuen, unabhängigen Hinweisreiz hin – wie von MacLeod (2007) als formales, prüfbares Kriterium für eine stattgehabte Inhibition gefordert (vgl. Abschnitt 1.1). In dem betreffenden Experiment studierten die Probanden Wortpaare aus einem Homonym und einem Wort, das semantisch relatiert war, und zwar entweder zur dominanten oder zur subdominanten Homonymbedeutung. Es zeigte sich, dass nach dem Erlernen von Wortpaaren mit semantischer Verwandtschaft der subdominanten Bedeutung zum Zielwort der Abruf des Homonyms in seiner dominanten Bedeutung auf einen neuartigen Hinweisreiz hin erschwert war. Hingegen war der Abruf der subdominanten Bedeutung in der Alternativbedingung nicht erschwert. Die Autoren folgerten, dass nur die dominante Homonymbedeutung nennenswerte Interferenz erzeugte und so ihre Inhibition erforderlich wurde. - 13 - 1 Einleitung Untersuchung semantischer Inhibitionsprozesse im vorliegenden Paradigma Entsprechend ist die vorliegende Studie so konzipiert, dass gezielt hohe Anforderungen an Inhibitionsprozesse gestellt werden: Es werden hierbei 3 Worte visuell präsentiert, von denen das mittlere in der Hälfte der Fälle ein polares Homonym ist. Die Probanden sollen entscheiden, ob das Testwort (Wort 3) zu dem Bedeutungsfeld passt, dass von den beiden vorangegangenen Wörtern aufgespannt wurde. In den Fällen, in denen das mittlere Wort ein Homonym ist, wird stets die subdominante Bedeutung durch das erste Wort gebahnt. Dies bedingt ein hohes Aktivierungsniveau beider Bedeutungen, von denen eine durch den Kontext, die andere durch ihre lexikalische Dominanz eine Aktivierung erfahren hat. Die semantische Selektion erfordert daher in besonderem Maße die Inhibition der kontextuell unpassenden, dominanten Homonymbedeutung. - Umgekehrt wäre die Annahme wenig plausibel, dass die Herstellung einer hinreichenden Aktivationsdifferenz zwischen subdominanter und dominanter Homonymbedeutung aufgrund einer schieren Mehraktivierung der sudominanten Bedeutung zustande kommen könnte. Von Shivde und Anderson (2001) wurden die Prozesse, die zur Bedeutungsselektion von Homonymen erforderlich sind, in Analogie gesehen zum Abruf von spezifischen Gedächtnisinhalten, für welchen ebenfalls Inhibitionsprozesse postuliert werden (Levy et al. 2002). Dabei gehen die Autoren davon aus, dass beim Abruf eines spezifischen Begriffs aus dem semantischen Gedächtnis verwandte Begriffe als Kompetitoren fungieren. Das heißt, dass etwa Begriffe, die aus derselben semantischen Kategorie stammen wie der abzurufende Begriff mit diesem um den Abruf konkurrieren, und dies vor allem bei großer Ähnlichkeit der Begriffe und hoher Häufigkeit im Sprachgebrauch. Inhibition ist dabei ein Prozess, der durch Kompetition um Abruf induziert wird, um eine Begriffsselektion zu ermöglichen, und der in seiner Ausprägung vom Ausmaß der Kompetition abhängt. Diese Analogiebildung erscheint auch für die vorliegende Arbeit sinnvoll: Es besteht eine Kompetition der kontextuell passenden Homonymbedeutung mit der unpassenden, aber im Sprachgebrauch höherfrequenten, um Abruf aus dem semantischen Gedächntis. Diese Kompetition müsste die Inhibition der unpassenden Bedeutung induzieren. Es dürfte damit deutlich geworden sein, dass das dieser Arbeit zugrundeliegende Paradigma in hohem Maße dazu geeignet ist, ein spezifisches Inhibitionsdefizit bei bipolaren Patienten aufzudecken. Es ist darüber hinaus eine der ersten Studien die das Vorliegen eines Inhibitionsdefizits in dem für die Bipolare Störung so zentralen Bereich der Sprache, genauer der semantischen Verarbeitung, sucht. - 14 - 1 Einleitung 1.3 Ereigniskorrelierte Potentiale von Sprachverarbeitungsprozessen Ein weiterer wesentlicher Bestandteil dieser Arbeit ist die Untersuchung elektrophysiologischer Korrelate der Ambiguitätsresolution der Homonyme mittels ereigniskorrelierter Potentiale (EKP). Es handelt sich hierbei um elektroenzephalographisch auf der Kopfoberfläche erfasste Potentialsschwankungen von Nervenzellen mit enger zeitlicher Korrelation zur Präsentation eines Stimulus. Aufgrund sehr geringer Amplituden (1-10 μV) ist für ihre Darstellung die Mittelung über viele Versuchsdurchgänge notwendig, die zur Auslöschung der in jedem Versuchsdurchgang variablen Hintergrundaktivität führt. Einen großen Vorteil der EKP-Methodik stellt die sehr hohe zeitlicher Auflösung dar. Damit wird dieses Verfahren dem Untersuchungsgegenstand, der genauen Analyse sprachsemantischer Prozesse, gerecht. Eine Beschreibung der EKP-Morphologie kann anhand sog. Komponenten vorgenommen werden. Dabei handelt es sich um positive oder negative Deflektionen, die anhand ihrer Polarität, ihrer Gipfellatenz (zum auslösenden Stimulus) und ihrer Topographie (Potentialverteilung auf der Kopfoberfläche) charakterisiert werden können (Kiefer 2009). Es werden vereinfachend frühe, exogene und späte, endogene EKP-Komponenten unterschieden: Frühe Komponenten (v.a. die ersten 200 ms nach Stimuluspräsentation) spiegeln bevorzugt die sensorische Verarbeitung exogener Reize wieder, während späte Komponenten mit höheren kognitiven Verarbeitungsschritten korreliert sind. Dabei ist die Zuordnung zu spezifischen kognitiven Prozessen oftmals schwierig. Insbesondere existiert keine spezifische abgrenzbare Komponente in den EKP, die lediglich die Verarbeitung visuell dargebotener semantischer Ambiguität widerspiegelt. Vielmehr setzt sich das in den EKP erfasste Muster in der Regel aus verschiedenartigen, sich überlagernden Aktivitäten unterschiedlicher neuraler Generatoren zusammen; eine Aussage darüber, welche genauen kortikalen Prozesse von den positiven und negativen Deflektionen jeweils abgebildet werden, ist oft nicht möglich (Kiefer 2009). Jedoch sind eine Reihe von Komponenten beschrieben, deren Amplitude etwa durch variierende kognitive Anforderungen modulierbar ist und für die auf dieser Grundlage ein gewisser Konsens darüber besteht, welche kognitiven Funktionen auf die Morphologie dieser Komponenten Einfluss nehmen. Auf dieser Grundlage wurden die hier verwendeten Zeitfenster und Lokalisationen ausgewählt. - 15 - 1 Einleitung EKP auf Wort 2 Im einzelnen wird ein frontales Cluster 200-250 ms nach Darbietung von Wort 2 betrachtet werden, um elektrophysiologische Korrelate während der Homonymverarbeitung zu untersuchen. Da zu diesem Zeitpunkt noch keine Reaktion von den Probanden gefordert wird – diese fällen ihre Entscheidung erst nach Präsentation von Wort 3 – ist es möglich, diesen Prozess frei von dem Einfluss eines direkten Entscheidungsprozesses, einer motorischen Reaktion und deren Vorbereitung zu analysieren. Die Auswahl des Zeitfensters von 200-250 ms nach Wort 2 und die frontale Lokalisation der untersuchten Elektroden basiert dabei auf folgenden Überlegungen: Es ist davon auszugehen, dass die Prozesse, die zur Selektion einer Homonymbedeutung führen, sich in diesem Zeitraum ereignen (Harley 2008, Gunter et al. 2003); dieser Befund stützt sich etwa auf Priming-Experimente, in denen eine Reduktion des Primings auf die unpassende Homonymbedeutung sich mit dieser Latenz einstellte. Frühere EKP-Komponenten sind eher exogener Natur, d.h. sie spiegeln bevorzugt die sensorische Verarbeitung exogener Reize wieder und sind weniger stark durch höhere kognitive Verarbeitungsschritte beeinflusst (Kiefer 2009). Vor allem aber entspricht die Auswahl dem Zeitfenster der sog. N2 bzw. N200, einer negativen Deflektion mit einer Gipfellatenz von 200-350 ms nach Stimulusbeginn (Folstein et al. 2008), die auch in anderen Inhibitionsparadigmen wie der Go/No-Go Task, der Stroop Task oder der Stop-Signal Task vielfach beschrieben ist. Laut Folstein (Folstein et al. 2008) setzt sich diese Komponente aus mindestens 3 Subkomponenten zusammen, von denen eine ein frontozentrales Maximum besitzt, Elemente der kognitiven Kontrolle widerspiegelt und für „response inhibition“ und Antwortkonflikte sensibel ist. Für die drei genannten Inhibitionsparadigmen konnte durch eine Variation der Anforderungen an kognitive Kontrolle eine Modulationen dieser anterioren N2 erreicht werden; so ist etwa eine höhere Amplitude dieser Komponente bei höheren Anforderungen an die Schnelligkeit der Reaktion oder bei Probanden mit offensichtlich besser Inhibitionsleistung (mit z.B. weniger falschen Reaktionen in den relevanten Bedingungen) festgestellt worden. Wie in Abschnitt 1.1 bereits dargelegt, gehen mehrere Autoren von einem gemeinsamem neuralem Substrat für die Bewerkstelligung von Inhibition in sehr verschiedenen Paradigmen aus und können sich damit insbesondere auch auf funktionsbildgebende Befunde stützen, so dass sich die Untersuchung einer in Inhibitionsparadigmen vielfach erprobten Komponente anbietet. - 16 - 1 Einleitung EKP auf Wort 3 Weiterhin wird mit der Untersuchung eines Zeitfensters von 350-500 ms nach Darbietung von Wort 3 die Analyse der sog. N400-Komponente verwirklicht: Bei der N400 handelt es sich um ein negatives Potential mit einer Gipfellatenz von ca. 400 ms zum auslösenden Stimulus mit zentroparietalem Maximum (Kutas et al. 2000), dass erstmals 1980 von Kutas und Hillyard (Kutas et al. 1980) beschrieben wurde. Im Zug zahlreicher Studien hat sich die N400 als ein elektrophysiologisches Korrelat semantischer Integration etabliert. Dieses Potential ist sensibel dafür, inwieweit ein dargebotenes Wort angesichts des vorhergehenden Kontextes erwartet wurde: Zahlreiche Studien belegen eine Modulation der N400 durch Manipulation der Vorhersagbarkeit bzw. Auftretenswahrscheinlichkeit des auslösenden Wortes in einem gegebenen Kontext. Diese sog. „cloze probability“ wird etwa dadurch bestimmt, dass Versuchspersonen aufgefordert werden, einen Satz mit einem ihnen passend erscheinenden Wort zu vervollständigen. Durch die Anzahl der Nennungen von Wörtern in diesem Test erhält man ein Maß dafür, wie vorhersagbar bzw. wahrscheinlich den Probanden ein bestimmtes Wort im Mittel erscheint (Kumar et al. 2004). Wenig vorhersagbare Wörter lösen dabei eine stärkere negative Amplitude aus als vorhersagbare Wörter; die Potentialverläufe auf stark vorhersehbare Wörter zeigen eher eine positive Deflektion. Damit scheint sich also in der Amplitude der N400 auszudrücken, wie leicht sich eine neu dargebotener Information mit der kurzfristig im Arbeitsgedächtnis vorhandenen Information – dem Kontext – in Einklang bringen lässt. Zusätzlich exisiteren allerdings noch weitere, kontext-unabhängige Größen, durch die eine Modulation der N400 in ihrer Amplitude errreicht werden kann. So haben auch lexikalische Größen wie die Worthäufigkeit einen Einfluss auf die N400-Amplitude, worin sich wahrscheinlich ausdrückt, dass nicht nur der aktuelle Kontext, sondern auch Inhalte und die Organisation des semantischen Gedächtnis (einer Komponente des Langzeitgedächtnis) die Höhe dieses Potentials beeinflussen (Kutas et al. 2000). Dies zeigt sich auch darin, dass die semantische Beziehung des dargebotenen zum erwarteten Wort von Bedeutung ist: Wenig vorhersagbare Wörter etwa, die aus der gleichen semantischen Kategorie wie das am Satzende erwartete Wort stammen, lösen eine geringere N400Amplitude aus als gleichermaßen wenig vorhersagbare Wörter aus einer anderen semantischen Kategorie. Federmeier und Kollegen (1999) erklärten dies damit, dass in den Fällen, in den das Wort aus der erwarteten semantischen Kategorie stammt („withincategory-violation“) der Übergang zum passenden Muster der semantischen Aktivierung - 17 - 1 Einleitung weniger ressourcenintensiv sei als in solchen Fällen, in denen die betreffende semantische Kategorie eine andere sei. Nachfolgendes Beispiel verdeutlicht dies. Abbildung 2 Die am stärksten erwartete Satzendung („palms“-Palmen) evoziert die geringste N400-Amplitude. Die Satzendungen „pines“ (Kiefern) und „tulips“ (Tulpen) haben beide eine gleichermaßen geringe „cloze probability“, jedoch teilt „pines“ mehr Eigenschaften mit „palms“ und stellt daher eine „within-category-violation“ dar. „Tulips“ hingegen kann als „between-category-violation“ verstanden werden und evoziert die höchste N400-Amplitude. Die Abbildung verdeutlicht den unabhängigen Einfluss einer „cloze probability“ und der Organisation des semantischen Gedächtnisses auf die N400. R. medial central = right-medial central (zentroparietal lokalisierte Elektrode, über der regelhaft eine besonders hohe N400-Amplitude abgeleitet werden kann). - Abbildung übernommen aus Marta Kutas und Kara D. Federmeier: „Electrophysiology reveals semantic memory use in language comprehension“, erschienen in „Trends in cognitive science“, Vol. 4, S. 466 (2000), mit Genehmigung von Elsevier. Die Amplitude der N400 wäre damit ein Maß dafür, in welchem Umfang die Verarbeitung eines neu dargebotenen Wortes durch das vorbestehende kortikale Aktivierungsmuster gebahnt worden ist. Eine solche Bahnung kann einerseits durch den unmittelbaren Kontext, andererseits durch die Nähe semantischer Kategorien erfolgen. Dies trifft auch dann zu, wenn nicht Sätze, sondern – wie in der vorliegenden Arbeit geschehen – lediglich einzelne Wörter präsentiert werden (Kutas et al. 2000). Diese Eigenschaft der N400, in ihrer Amplitude widerzuspiegeln, wie sehr ein dargebotenes Wort durch das vorbestehende kortikale Aktivierungsmuster bereits gebahnt ist, macht sie zu einer geeigneten abhängigen Variable im vorliegenden Paradigma. Die - 18 - 1 Einleitung Amplitude der N400 kann als Gradmesser dafür dienen, inwieweit im Vorfeld eine Inhibition von kontextuell unpassenden Homonymbedeutungen stattgefunden hat: Die semantische Inhibition kontextuell unpassender Homonymbedeutungen bewirkt gemäß den in Abschnitt 1.2 dargelegten Annahmen eine Reduktion im Aktivierungsniveau der unpassenden Homonymbedeutung. Entsprechend wäre die Integration einer verwandten Bedeutung erschwert – die semantische Verarbeitung dieser Bedeutung wäre eben nicht durch das vorbestehenden kortikale Aktivierungmuster gebahnt. Somit würde eine N400 hoher Amplitude evoziert werden. Umgekehrt wäre bei einer unzureichenden Inhibition das Aktivierungsniveau der unpassenden Homonymbedeutung weiterhin hoch. Somit ließe sich eine verwandte Bedeutung leichter integrieren, weil ihre Verarbeitung duch das nun passende kortikale Aktivierungsmuster bereits gebahnt wäre. Entsprechend würde in diesem Fall einer erleichterten semantischen Integration eine N400 geringer Amplitude evoziert werden. Auf Basis dieser Zusammenhänge kann ebenfalls von der Amplitude der N400 auf das Ausmaß der stattgehabten semantischen Inhibition rückgeschlossen werden. Somit ermöglicht die Analyse der N400-Komponente im vorliegenden Paradigma eine quantitative Aussage über das Ausmaß einer stattgehabten Inhibtion der unpassenden Homonymbedeutung bis zu diesem Zeitpunkt. 1.4 Ziele und Hypothesen Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, zu überprüfen, ob ein spezifisches semantisches Inhibitionsdefizit bei bipolar-manischen Patienten vorliegt. Ein solches sollte sich im verwendeten Paradigma zunächst auf Ebene der Verhaltensdaten zeigen, indem Patienten gegenüber gesunden Kontrollprobanden größere Effekte semantischer Interferenz zeigen – d.h. eine deutlichere Zunahme der Reaktionszeiten bzw. der Fehlerraten, in solchen Bedingungen, die Homonyme enthalten und damit die Inhibition inadäquater Bedeutungen erfordern. Grundsätzlich werden derartige Homonymieeffekte, bedingt durch die höheren Anforderungen, die diese Bedingungen an die sprachsemantische Verarbeitung stellen, auch bei den Kontrollprobanden erwartet, allerdings in geringerer Ausprägung. Damit können folgende zwei Hypothesen formuliert werden: Hypothese 1: Die Versuchspersonen reagieren in den ambiguen Bedingungen langsamer bzw. fehlerhafter als in den nicht-ambiguen Bedingungen. Hypothese 2: Die bipolaren Patienten zeigen eine ausgeprägtere Verlangsamung bzw. eine stärkere Zunahme fehlerhafter Reaktionen in den ambiguen Bedingungen als die Kontrollprobanden. - 19 - 1 Einleitung Zudem sollten sich Unterschiede in der Verarbeitung lexikalischer Ambiguität auch auf Ebene der EKP zeigen lassen. Erwartet wird, dass sich in den ambiguen Bedingungen eine geringere Amplitude der N2 auf Wort 2 bei den bipolaren Patienten gegenüber den Kontrollen zeigt, vor dem Hintergrund, dass bei ihnen eine weniger potente Inhibition erwartet wird. Aus diesem Grund sollte ebenfalls die Amplitude der N400 auf Wort 3 verändert sein: Bei vollständiger Inhibition, die zur Reduktion auf nur eine Homonymbedeutung führt, wären gleiche Amplituden in den ambiguen und nichtambiguen Bedingungen zu erwarten – die semantische Ambiguität wäre zu diesem Zeitpunkt vollständig aufgelöst und hätte mithin keinen Einfluss mehr auf die semantische Integration eines nachfolgenden Wortes. Hingegen wären bei unvollständiger Inhibition Amplitudendifferenzen zwischen den ambiguen und den nicht-ambiguen Bedingungen zu erwarten. Daraus folgt: Hypothese 3: Bei den bipolaren Patienten besteht gegenüber den Kontrollen eine geringere Amplitude der Komponente N2 in den ambiguen Bedingungen, die im Zeitfenster 200-250 ms nach Darbietung von Wort 2 frontal erfasst werden kann. Hypothese 4: Bei den bipolaren Patienten bestehen größere Amplitudendifferenzen der N400 auf Wort 3 zwischen den ambiguen und nicht-ambiguen Bedingungen als bei den Kontrollen. - 20 - 2 Material, Methoden 2. Material, Methoden 2.1 Auswahl der Versuchspersonen Es nahmen an der Studie 14 Patienten mit der Diagnose einer bipolar-affektiven Störung nach DSM-IV, entsprechend den Störungsgruppen 296.4 (Bipolar I Störung, letzte Episode manisch, nicht näher spezifiziert; n=7), 296.43 (Bipolar I Störung, letzte Episode manisch, schwer, ohne psychotische Symptome; n=3), 296.44 (Bipolar I Störung, letzte Episode manisch, schwer mit psychotischen Symptomen; n=2) und 296.6 (Bipolar I Störung, letzte Episode gemischt, nicht näher spezifiziert; n=2) teil, die an der Psychiatrischen Universitätsklinik Ulm bzw. am Klinkum für Psychiatrie und Psychotherapie, Christophsbad, Göppingen, rekrutiert wurden; einer der Patienten wurde durch einen niedergelassenen Ulmer Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie auf die Studie aufmerksam gemacht. Diesen wurde eine Vergleichsgruppe aus 28 gesunden Probanden gegenübergestellt, wobei für jeden Patienten zwei Probanden mit demselben Geschlecht und möglichst ähnlichem Alter und Bildungsgrad als Kontrollen ausgewählt wurden. Die Kontrollprobanden wurden mittels Aushängen und Zeitungsinseraten rekrutiert und erhielten eine Aufwandsentschädigung von 20 € für ihre Teilnahme. Alle Versuchspersonen nahmen auf freiwilliger Basis an der Studie teil und gaben nach einer gründlichen mündlichen und schriftlichen Aufklärung (s. Anhang 7.11) über die Art des eingesetzten Verfahrens und dessen mögliche Risiken ihr schriftliches Einverständnis zur Teilnahme (s. Anhang 7.12). Die Gruppe der Patienten setzte sich zusammen aus 10 Männern und 4 Frauen im Alter von 20 bis 65 Jahren, von denen 9 über eine fachgebundene oder allgemeine Hochschulreife verfügten, 2 über einen Real- und 3 über einen Hauptschulabschluss. Die psychiatrische Symptomatik der Patienten wurde mittels der Young Mania Rating Scale (YMRS) und der Brief Psychiatric Rating Scale (BPRS) durch die jeweils behandelnden Ärzte auf Station evaluiert, oder, im Fall der von extern zur Untersuchung kommenden Patienten, auf Grundlage eines diagnostischen Interviews, das von den Ärzten des Uniklinikums Ulm mit den Patienten geführt wurde. Bei der Young Mania Rating Scale handelt es sich um ein Rating-Instrument (Young et al. 1978; s. Anhang 7.31), das auch in seiner deutschsprachigen Version bezüglich Validität und Reliabilität untersucht ist und den Ausprägungsgrad manischer Symptome anhand von 11 Items quantifiziert. Die YMRS stellt dabei einen etablierten Referenzstandard dar und - 21 - 2 Material, Methoden wird insbesondere im Rahmen klinischer Studien regelmäßig angewandt (Muehlbacher et al. 2011). Die Brief Psychiatric Rating Scale (Overall et al. 1962; s. Anhang 7.32), stellt ein primär zur Evaluierung von hospitalisierten Patienten dienendes Fremdbeurteilungsverfahren dar, mit dem anhand von 18 Items die Merkmalsausprägung auf 5 Subskalen (Angst/Depression, Anergie, formale Denkstörung, Aktivierung, Feindseligkeit/Misstrauen) bestimmt wird. Die BPRS ist ebenfalls ein sehr gut etabliertes Ratinginstrument, das sich insbesondere auch zur Erfassung psychotischer Symptome eignet (Gottlieb et al. 2010). Neben dem Gesamtpunktewert, der den Schweregrad der psychischen Erkrankung widerspiegelt, erschien für die vorliegende Untersuchung vor allem der Punktwert in der Subskala „formale Denkstörung“ relevant. Dieser wurde erfasst, um einen etwaigen Zusammenhang der Leistung der Patienten im Experiment und dem Vorliegen formaler Denkstörungen zu untersuchen. Es wurde außerdem die Händigkeit der Probanden mittels der deutschsprachigen Version des Edinburgh Handedness Inventory (Oldfield 1971; s. Anhang 7.16) erfasst, indem diese für eine Reihe von Tätigkeiten jeweils angaben, welche Hand sie bei deren Ausübung präferierten. Auf dieser Grundlage wurde dann der Lateralisierungsquotient berechnet1 und eine Einteilung in die Kategorien „rechtshändig“(LQ > 40), „linkshändig“ (LQ < - 40) und „beidhändig“ (LQ ≤ 40 und LQ ≥ - 40) vorgenommen, um auch dieses Merkmal bei der Auswahl geeigneter Kontrollen zu berücksichtigen. So standen 2 Patienten der Kategorie „linkshändig“ und einem Patienten der Kategorie „beidhändig“ 1 Kontrollproband der Kategorie „linkshändig“ und 3 Kontrollprobanden der Kategorie „beidhändig“ gegenüber, alle übrigen Teilnehmer waren Rechtshänder. 1 Die Berechnung erfolgte nach der Formel [LQ = (Nennungen rechte Hand - Nennungen linke Hand)/ (Nennungen rechte Hand + Nennungen linke Hand) x 100] - 22 - 2 Material, Methoden Tabelle 1: Zusammensetzung des untersuchten Patientenkollektivs mit Angabe des Wertespektrums, des Mittelwerts (Mw) und der Standardabweichung (SD). YMRS = Young Mania Rating Scale (s. Anhang 7.31); BPRS = Brief Psychiatric Rating Scale (s. Anhang 7.32). Wertespektrum Mittelwert (Mw), Standardabweichung (SD) Mw: 39,6 (SD: 13,6) Alter (Jahre) Alter bei dokumentierter Erstmanifestation (Jahre) Erkrankungsdauer (Jahre) Dauer der aktuellen Krankheitsepisode (Tage) YMRS-Score 20-65 3 - 36 Mw: 16,0 (SD: 13,0) BPRS-Gesamtscore Ausmaß formaler Denkstörungen gemäß BPRS 22-73 Mw: 43,9 (SD: 17,7) 1-6 Mw: 3,1 (SD: 2,1) 16 - 61 0 - 26 Mw: 29,6 (SD: 13,2) Mw: 10,1 (SD: 8,0) Mw: 24,6 (SD: 23,3) 5 - 80 Die Gruppe der Kontrollen setzte sich zusammen aus 20 Männern und 8 Frauen im Alter zwischen 19 und 64 Jahren, von denen 16 über eine allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife verfügten, 7 über einen Realschul- und 5 über einen Hauptschulabschluss. Zum Ausschluss eines konfundierenden Einflusses von Alter- und Bildungsunterschieden sowie Unterschieden in der verbalen Intelligenz zwischen beiden Gruppen wurde ein TTest für unabhängige Stichproben für die Variablen Alter (t = 0.35, p= 0.72), die Anzahl der absolvierten Schuljahre (t = 0.79, p=0.44) und die erreichte Punktzahl in einem Wortschatztest, dem WST (Schmidt et al. 1992; s. Anhang 7.21) durchgeführt (t = 1.44, p= 0.16). Die beiden Gruppen unterschieden sich damit in keiner dieser Variablen statistisch nachweisbar voneinander (s. Tabelle 2). Somit ist von einer weitgehend strukturellen Ähnlichkeit der Gruppen bezüglich dieser bedeutsamen Merkmale auszugehen und ein konfundierer Einfluss nicht zu erwarten. Der WST, bei dem in 40 Items jeweils ein einziges in der deutschen Sprache existierendes Wort unter 5 Distraktoren erkannt werden muss, korreliert sehr hoch mit dem Verbal-IQ (Engel et al. 2008). Ähnliche Testwerte in beiden Gruppen machen es somit unwahrscheinlich, dass sich gruppenbezogene Unterschiede in den experimentellen Daten auf Gruppenunterschiede in der verbalen Intelligenz der Versuchsteilnehmer zurückführen lassen. - 23 - 2 Material, Methoden Tabelle 2: Alter, Schuljahre und WST-Punktwert in Patienten- und Kontrollgruppe mit Angabe der Ergebnisse eines T-Tests für unabhängige Stichproben. WST = Wortschatztest (s. Anhang 7.21). Alter (Jahre) Schulausbildung (Jahre) WST (Punktwert) Patienten: Mittelwert; (Standardabweichung) 39.6 (13.6) Kontrollen: Mittelwert; (Standardabweichung) 38.1 (13.5) T-Wert p-Wert 0.35 0.73 11.7 (1.7) 11.3 (1.7) 0.79 0.44 31.1 (5.2) 33.0 (3.4) -1.43 0.16 In der Patientengruppe waren sämtliche Probanden zum Zeitpunkt der Versuchsdurchführung in pharmakotherapeutischer Behandlung und erhielten zumeist ein Neuroleptikum (n=13), teils in Kombination mit Valproinsäure (n=7) oder Lithium (n=7); in einem Fall bestand eine Monotherapie mit Lithium. Zudem hatten 4 der 14 Patienten am Versuchstag ein Benzodiazepin als Bedarfsmedikation erhalten. Voraussetzung für den Einschluss in die Studie war in beiden Gruppen, dass die Probanden deutsche Muttersprachler waren, keine sonstige psychiatrische Diagnose – neben der einer Bipolaren Störung in der Patientengruppe – sowie keine aktuelle oder frühere, das Gehirn betreffende Anomalie, wie Epilepsie, Tumoren, Multiple Sklerose, Zustände nach zerebraler Ischämie oder Schädel-Hirn-Trauma aufwiesen. Ein normales bzw. adäquat korrigiertes Sehvermögen war ebenfalls Voraussetzung für den Studieneinschluss. Ferner waren bekannte Substanzabhängigkeit bzw. langjähriger Konsum von Rauschmitteln Ausschlusskriterien; ebenso stellten Hinweise auf eine alkoholtoxische Enzephalopathie, die sich im Rahmen der Probandenaufklärung oder im Gespräch mit den behandelnden Ärzten ergaben, ein Ausschlusskriterium dar. Der Alkoholkonsum der Patienten wurde zusätzlich mittels eines Fragebogens erfasst (s. Anhang 7.15), vor dem Hintergrund, dass bei Patienten mit Bipolarer Störung ein gegenüber der Normalbevölkerung häufigerer schädigender Konsum von Suchtmitteln beschrieben ist (Yasseen et al. 2010). - 24 - 2 Material, Methoden 2.2 Experimentelles Design und zugrundeliegendes Paradigma Für das Experiment wurde auf ein bereits existierendes Paradigma zurückgegriffen. Allen Versuchspersonen wurden 160 Trials, bestehend aus jeweils 3 in kurzem zeitlichem Abstand auf dem Bildschirm dargebotenen Wörtern, präsentiert. Die Versuchspersonen wurden instruiert, nach dem letzten Wort eines Trials zügig mittels Knopfdruck auf einer Tastatur eine Entscheidung darüber zu treffen, ob das Testwort in das von den ersten beiden Wörten aufgespannte Bedeutungsfeld passte oder nicht. Bei allen Wörtern handelte es sich um Substantive der deutschen Sprache. Die Aufgabe war gegliedert in 2 Blöcke von je 80 Trials, wobei den Probanden zwischen den beiden Blöcken angeboten wurde, eine kurze Pause einzunehmen. Die Instruktion der Versuchspersonen erfolgte in schriftlicher (s. Anhang 7.13) und in mündlicher Form. Vor der eigentlichen Messung mit Aufzeichnung der Reaktionszeiten und Fehler sowie EEGAbleitung bearbeiteten alle Probanden eine kurze Übungsaufgabe mit 24 Trials, um eine hinreichendes Verständnis der Aufgabe, des Ablaufs der Untersuchung und des Reizmaterials zu gewährleisten. Diese konnte von den Probanden beliebig oft wiederholt werden. Anders als im eigentlichen Versuchsaufbau erhielten die Probanden hierbei eine Rückmeldung über die Richtigkeit ihrer Antwort („richtig“ bzw. „falsch“) als Anzeige auf dem Bildschirm. Die Umsetzung des zugrunde liegenden Paradigmas zur sprachsemantischen Verarbeitung in eine am PC zu bearbeitende Aufgabe wurde mittels ERTS2 für MS DOS realisiert. Es wurde für die Präsentation der Wörter eine weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund verwendet. Die Auswahl der verwendeten Wörter basiert auf Vorstudien, die selbst nicht Inhalt dieser Dissertation sind und im Folgenden nur kurz dargestellt werden. Das Paradigma selbst ist angelehnt an ein ähnliches Paradigma zur Resolution semantischer Ambiguität unter Verwendung von Homonymen von Schvaneveldt und Kollegen (Schvaneveldt et al. 1976). 2 Experimental Run Time System, BeriSoft Cooperation, Frankfurt, Deutschland - 25 - 2 Material, Methoden Im vorliegenden Paradigma (s. Tabelle 3) definiert Wort 1, im Folgenden als Prime-Wort bezeichnet, die semantische Kategorie (im Beispiel: Hund/Hunderassen). Bei Wort 2 handelt es sich in der Hälfte der Trials um ein Homonym (im Beispiel: Boxer), in der anderen Hälfte um ein Nicht-Homonym (im Beispiel: Pudel). Das Homonym ist dabei stets sowohl ein Homograph (d.h. es liegt für beide Wortbedeutungen die gleiche Schreibweise vor) als auch ein Homophon (d.h. das Wort wird für beide Bedeutungen gleich ausgesprochen). Tabelle 3: Darstellung der 4 möglichen Bedingungen in einem Trial. Bedingung Inkongruent Kongruent Homonym NichtHomonym Homonym NichtHomonym Wort 1 (PrimeWort) Dackel Wort 2 Wort 3 (Zielwort) Boxer Handschuh Dackel Pudel Handschuh Dackel Boxer Rasse Dackel Pudel Rasse Handelt es sich bei Wort 2 um ein Homonym, so ist der Proband implizit gefordert, dieses Wort zu „disambiguieren“, also seine inhärente Mehrdeutigkeit durch den gegebenen Kontext aufzulösen, da die Aufgabe nur so adäquat bearbeitet werden kann. Im Fall der homonymen Bedingungen bahnt das Prime-Wort jeweils die subdominante (d.h. bei fehlendem Kontext a priori weniger wahrscheinliche) Bedeutung (im Beipiel: Boxer verstanden als Hunderasse). Durch die so induzierte Bahnung der subdominanten Bedeutung des Homonyms sollten, gemäß der in Abschnitt 1.2 dargestellten Vorannahmen, die Versuchspersonen durch die obligate Mitaktivierung der dominanten (a priori wahrscheinlicheren) Wortbedeutung semantische Interferenz erfahren, die sich auf Ebene der Verhaltensdaten als eine Verlängerung der Reaktionszeiten in den Worttriplets mit Homonymen zeigt (s. Abschnitt 1.4, Hypothese 1) und Inhibitionsprozesse induziert. Ebenso sind auch erhöhte Fehlerraten in den Triplets mit Homonymen (Wort 2) gegenüber den Triplets mit Nicht-Homonymen (Wort 2) zu erwarten. Gemäß Hypothese 2 (s. Abschnitt 1.4) wird angenommen, dass dieser Interferenzeffekt in der Gruppe der bipolarmanischen Patienten ausgeprägter ist als bei den Kontrollen: Es wird vermutet, dass die Patienten aufgrund einer möglicherweise beeinträchtigten Inhibitionsleistung weniger gut die dominante, aber kontextuell irrelevante Homonymbedeutung unterdrücken, was in - 26 - 2 Material, Methoden Form einer relativ erhöhten semantischer Interferenz zum Ausdruck käme. Grundsätzlich jedoch ist das Auftreten von Interferenzeffekten in beiden Gruppen zu erwarten. In der inkongruenten Homonym-Bedingung ist zudem die dominante, nicht gebahnte Homonymbedeutung kongruent zum Zielwort (im Beispiel: Boxer-Handschuh); in dieser Bedingung wären unter der Annahme einer gestörten Inhibition die größten Effekte auf der Verhaltensebene zu erwarten, da eine unzureichende Inhibition der kontextuell unpassenden Homonymbedeutung die semantische Verarbeitung hier besonders stören sollte. Wort 3 ist in genau der Hälfte der Trials semantisch kongruent zu dem Bedeutungsfeld, das von den beiden vorausgehenden Wörtern aufgespannt wurde (Kongruenzbedingungen; der Proband ist angehalten mit „richtig“ zu reagieren), in der anderen Hälfte nicht (Inkongruenzbedingungen; der Proband ist angehalten, mit „falsch“ zu reagieren). Unter Berücksichtigung aller 3 Wörter ergeben sich hieraus vier verschiedene, in den Trials gleich häufig vorliegende Bedingungen (jeweils 40 Trials): Inkongruent-Homonym, Inkongruent-Nicht-Homonym, Kongruent-Homonym, Kongruent-Nicht-Homonym (s. Tabelle 3). Diese 4 verschiedenen Bedingungen wurden nach oben dargestelltem Muster für jedes von 80 ausgewählten Homonymen erstellt: Ein in allen 4 Bedingungen gleiches Prime-Wort (Dackel), darauf folgend in 2 Bedingungen das Homonym (Boxer), dessen subdominante Bedeutung mit dem Prime-Wort semantisch verwandt ist, und in den anderen 2 Bedingungen ein Nicht-Homonym, das semantisch ebenfalls mit dem Prime-Wort verwandt ist (Pudel), und schließlich das Target-Wort, das wiederum jeweils in den beiden Kongruenz-Bedingungen (Rasse) und in den beiden Inkongruenz-Bedingungen (Handschuh) identisch ist. Somit ergeben sich 320 Worttriplets. Auf dieser Grundlage erfolgte eine Aufteilung des gesamten Reizmaterials für die 80 verfügbaren Homonyme in 2 Versionen, mit dem Ziel, einem jedem Probanden jedes Homonym und jedes Target-Wort nur ein einziges Mal darzubieten, um Wiederholungseffekte zu vermeiden. Dies konnte erreicht werden, indem von den Triplets der ersten Hälfte der Homonyme (1-40) die inkongruente Homonym-Bedingung (DackelBoxer-Handschuh) und die kongruente Nicht-Homonym-Bedingung (Dackel-Pudel-Rasse) für eine Version verwendet wurden, zusammen mit der kongruenten Homonym-Bedingung und der inkongruenten Nicht-Homonymbedingung aus den Triplets der zweiten Hälfte der verfügbaren Homonyme (41-80). - 27 - 2 Material, Methoden Damit standen nun zwei hinsichtlich verschiedener linguistischer Variablen (Homonympolarität, Häufigkeit, Vertrautheit, Wortlänge, Assoziativität) qualitativ gleichwertige Programmversionen mit jeweils 160 Worttriplets (je 40 für jede Bedingung) zur Auswahl. Die Abfolge der einzelnen Durchgänge einer Version wurde für jeden Teilnehmer randomisiert präsentiert. Um eine zumutbare zeitliche Bearbeitungsdauer zu ermöglichen, wurde jede Version in zwei aufeinanderfolgenden Blöcken, mit einer kurzen Pause dazwischen, präsentiert. Die Zuteilung der beiden Programmversionen auf die Teilnehmer wurde ebenso balanciert wie die Reihenfolge der beiden Blöcke innerhalb einer Programmversion. Zur Auswahl geeigneter Homonyme für das Versuchsdesign wurde auf eine Normierungsstudie im Rahmen einer Diplomarbeit (Wenke 1998) zurückgegriffen, in der die Polaritäten und Vertrautheitswerte der hier verwendeten deutschsprachigen Homonyme ermittelt wurden. In dieser Arbeit wurden die Polaritätswerte als „relative Vertrautheit“ mit den Homonymbedeutungen für 120 Homonyme mittels einer Assoziationsaufgabe bestimmt. Die Autorin bat hierzu 152 Probanden, jeweils die erste Bedeutung bzw. die erste Assoziation, die ihnen zu jedem der Homonyme einfiel, anzugeben. Die von den Probanden gemachten Angaben wurden dann den – in aller Regel zwei – Bedeutungskategorien jedes Homonyms zugeordnet und es wurde dann auf Grundlage des Verteilungsmusters der angegebenen Bedeutungskategorien die Polarität jedes Homonyms ermittelt. Polare Homonyme waren damit diejenigen, bei denen eine der Bedeutungen in den Nennungen stark dominierte (z.B. „Melone“, Polaritätswert 89,9/10,1 – hier gaben die Probanden fast ausschließlich Assoziationen und Bedeutungen an, die mit der Frucht in Zusammenhang standen), niedrigpolar bzw. balanciert waren diejenigen, bei denen beide Bedeutungen in den Nennungen ähnlich stark repräsentiert waren (z.B. „Kiefer“, Polaritätswert 53.3/46.7). Die Polarität der Homonyme ist bereits als bedeutsame Einflussgröße dargestellt wurden (vgl. Abschnitt 1.2) – dabei ist von einer kontextunabhängigen a priori stärkeren Aktivierung für die dominante Bedeutung auszugehen. Aus diesem Grund wurden möglichst Homonyme gleichartiger, ausgeprägter Polarität ausgewählt und die Polarität der Homonyme in den kongruenten und inkongruenten Bedingung einander angeglichen. Nur so ist ein aussagekräftiger Vergleich von kongruenter und inkongruenter Bedingung möglich. So betrug die mittlere Polarität der 80 verwendeten Homonyme in den inkongruenten Bedingungen 73/27, in den kongruenten Bedingungen 74/26. Da auch die absolute Vertrautheit mit den Homonymen (im Sinne der Verwendung dieses Wortes im - 28 - 2 Material, Methoden allgemeinen Sprachgebrauch, gleich, in welcher Bedeutung) eine mögliche Einflussgröße für eine kontextunabhängige Aktivierung darstellt, wurden die Worthäufigkeiten der verwendeten Homonyme mittels der Celex-Batterie (Baayen et al. 1993) überprüft und in den Bedingungen angeglichen. Die Werte der Bedeutungassoziationen, die in der Normierungsstudie (Wenke 1998) zur Bestimmung der Polarität ermittelt worden waren, wurden bei der Erstellung des verwendeten Reizmatrials außerdem zur Auswahl der mit der subdominanten Homonymbedeutung semantisch verwandten Prime-Wörter und nicht-ambiguen Wörter für Wort 2 herangezogen. Einige der assoziierten Wörter mit Verwendung als Wort 1 oder als Wort 2 gehen zudem auf die oben erwähnte Studie von Hellwig-Brida und Kollegen zurück (2007), in deren Rahmen auch die Normierung ihrer Wortlänge und Häufigkeit durchgeführt wurde. Ebenso sind die als Wort 3 verwendeten Wörter als Assoziationen zu entweder der dominanten (inkongruente Bedingungen) oder der subdominanten Bedeutung (kongruente Bedingungen) des Homonyms der Studie von Hellwig-Brida entnommen. Als weitere kontrollierungswürdige Einflussgrößen, die möglicherweise einen bedeutsamen Unterschied in den 4 Bedingungen hätten erzeugen können, wurden im Rahmen der Konstruktion des Wortmaterials die Länge und die Häufigkeit der 3 Wörter zwischen den Homonym- und den Nicht-Homonym-Bedingungen angeglichen. Außerdem wurde in einer vom eigentlichen Experiment unabhängigen Vorstudie mit 16 Probanden durch ein Ratingverfahren sichergestellt, dass in den Homonym-Bedingungen die gleiche Stärke der semantischen Assoziation zwischen Prime-Wort und Wort 2 bestand wie in den Nicht-Homonym-Bedingungen – auch dies war Inhalt der Studie von Hellwig-Brida und Kollegen. (2007). Der genaue zeitliche Ablauf eines Trials ist im Folgenden dargestellt: Zu Beginn jedes Trials erscheint auf dem Bildschirm ein Rautenzeichen. Durch Knopfdruck startet der Proband den Trial selbstständig, woraufhin für die Dauer von 500 ms ein Fixationskreuz erscheint, das dem Probanden helfen soll, seine Aufmerksamkeit und seinen Blick auf die Bildschirmmitte zu fokussieren. Im Anschluss erscheinen auf dem Bildschirm nacheinander jeweils für die Dauer von durchschnittlich 380 ms das Prime-Wort, Wort 2 (Homonym oder Nicht-Homonym) und das Zielwort, je unterbrochen von einem ISI (Interstimulusintervall) von 850 ms, während dem der Bildschirm schwarz erscheint. Daraus ergibt sich eine verhältnismäßig lange SOA, als Summe von Stimuluspräsentationszeit und ISI, von ca. 1230 ms, was die Untersuchung von - 29 - 2 Material, Methoden Inhibitionsprozessen ermöglichen soll, die als kontrollierte Prozesse der semantischen Verarbeitung, anders als automatische Verarbeitungsprozesse, erst bei längerer SOA wirksam bzw. sichtbar werden können. Die genaue Dauer der Präsentation der Wörter auf dem Schirm ergibt sich dabei als Summe einer fixen Präsentationszeit und einer zusätzlichen Komponente von 14.7 ms für jeden Buchstaben des Wortes, womit den unterschiedlichen Wortlängen Rechnung getragen werden soll. Nach dem Erscheinen des Zielwortes hat der Proband maximal 2400 ms Zeit, mit dem Eingabepad zu reagieren; liegt seine Reaktion außerhalb dieses Zeitfensters, wird das Trial als falsch bewertet. Das Intertrial-Intervall, also das Intervall zwischen Darbietung von Wort 3 eines Trials und Wort 1 des darauf folgenden Trials, variiert aufgrund der selbstständigen Steuerung des Starts eines jeden Trials durch den Probanden. Damit variierte auch die Gesamtzeit, die zur Bearbeitung des Experiments von den Probanden benötigt wurde; sie betrug im Mittel ca. 30 min. Abbildung 3: Zeitlicher Ablauf eines experimentellen Trials mit Darbietung der 3 Wörter auf dem Computerbildschirm. ISI = Interstimulusintervall; t = Zeit. Das selbstständige Starten eines jeden Trials hat insbesondere bei den bipolaren Patienten den Vorteil, dass Konzentration und motorische Ruhe nur während eines verhältnismäßig kurzen, selbst gewählten Zeitraums aufgebracht werden müssen. Es ist davon auszugehen, dass dadurch das zur Auswertung verwendete Datenmaterial deutlich weniger artefaktbelastet ist. - 30 - 2 Material, Methoden 2.3 Durchführung des Experiments und Aufzeichnung der EEG-Daten Allen Probanden wurde zunächst das eingesetzte Verfahren erläutert und des Prozedere veranschaulicht, bevor sie eine schriftliche Einverständniserklärung (s. Anhang 7.12) unterschrieben. Ihnen wurde dann zunächst eine passende, dicht an der Kopfhaut anliegende elastische Haube3 angepasst. An dieser wurden an 61 definierten Positionen in äquidistanten Abständen Elektroden angebracht. Zusätzlich zu diesen wurden eine Referenzelektrode (zwischen Cz4 und FCz5), eine Erdungselektrode (zwischen AFz6 und Fz7) sowie drei Gesichtselektroden zur Erfassung von Augenmotilität und Lidschluss, die oft erhebliche Artefakte im EEG-Aufzeichnungsmaterial generieren, angebracht. Durch die vorherige Desinfektion dieser Bereiche mit Alkohol und die Überbrückung der Distanz der registrierenden Elektroden zur Kopfhaut durch eine leitfähige Paste8 wurde ein möglichst geringer elektrischer Widerstand an den Elektroden realisiert. Eine Überprüfung dieses Widerstandes erfolgte vor dem Experiment durch eine Impedanzmessung; dabei wurde ein Widerstand von maximal 5kΩ toleriert. Während des Anbringens der EEG-Elektroden wurden von den Probanden das EdinburghHandedness-Inventory (s.o.) und der WST (s.o.) bearbeitet. Anschließend nahmen die Probanden ihren Platz am Computer der lärmgeschützten, elektrisch isolierten EEGKabine ein, wo sämtliche Elektroden an einen Differenzverstärker9 angeschlossen wurden. Der Differenzverstärker dient dabei einer Verstärkung der Signaldifferenz zwischen der Referenzelektrode und einer Aufzeichnungselektrode an beliebiger Position, was dazu führt, dass Störsignale, die charakteristischerweise an beiden Elektroden gleichermaßen auftreten, eliminiert werden (Seifert 2005). 3 Easy Cap, international erweitertes 10/20 System, Herrsching, Deutschland Centro-zentrale Position 5 Fronto-Centro-zentrale Position 6 Anterio-Fronto-zentrale Position 7 Fronto-zentrale Position 8 Bereitstellung durch die Apotheke des Universitätsklinikum Ulm 9 64-Kanal EEG-Verstärker der Firma BrainProducts 4 - 31 - 2 Material, Methoden Die Probanden erhielten währenddessen eine genaue mündliche und schriftliche Instruktionen (s. Anhang 7.13) zur Bearbeitung der oben beschriebenen Aufgabe. Während sie das Programm am PC durchliefen, wurden mit einer speziellen Software10 die EEGDaten an einem separaten Rechner aufgezeichnet und gespeichert. Die Aufzeichnung der EEG-Daten erfolgte dabei mit einer Abtastsrate von 250 Hz, was einer maximalen zeitlichen Auflösung des Systems von 4 ms entspricht. Während der Aufzeichnung wurde bereits über einen Bandbreitenfilter eine Begrenzung des aufgezeichneten Frequenzspektrums vorgenommen, mit einer unteren Begrenzung von 0,1 Hz und einer oberen Begrenzung von 70 Hz. Während der Aufzeichnung wurden zudem die sog. Trigger vom Stimulationsrechner, an dem der Proband saß, an den EEG-Aufzeichnungsrechner übermittelt, d.h. verschlüsselte Informationen darüber, welche der Bedingungen in dem jeweiligen Trial dargeboten wurde, wurden in die EEG-Aufzeichnungsdaten integriert (s. Tabelle 4 und 5). Es wurden für Wort 2 und Wort 3 jeweils vier unterschiedliche Trigger verwendet, um für die vier verschiedenen Bedingungen im Experiment zu kodieren. Die Unterscheidung von zwei unterschiedlichen Homonym- und Nicht-Homonymie-Bedigungen für Wort 2 ist allerdings zunächst ohne Belang, da sich diese Unterscheidung auf das nachfolgende Wort 3 bezieht. Tabelle 4: Verschlüsselung der 4 Bedingungen bei Stimulationsbeginn von Wort 2 im Aufzeichnungsmaterial. S11, S13 S12, S14 Homonym Nicht-Homonym Tabelle 5: Verschlüsselung der 4 Bedingungen bei Stimulationbeginn von Wort 3 im Aufzeichnungsmaterial. S1 S2 S3 S4 Inkongruent-ambig Inkongruent-nichtambig Kongruent-ambig Kongruent-nichtambig Dies ermöglichte die zeitliche Zuordnung der EKP-Verläufe zu den jeweiligen Bedingungen und die statistische Mittelung über eine Bedingung zu einem späteren Zeitpunkt. Ebenso wurden Verhaltensdaten (Reaktionszeiten, Fehler, Auslassungen) an den Aufzeichnungsrechner übermittelt. 10 Brain Vision Recorder, Version 1.03 hergestellt von Brain Products, Gilching, Deutschland - 32 - 2 Material, Methoden Nach Beendigung des Hauptexperiments am PC und Entfernung der Aufzeichnungselektroden durchliefen die Probanden noch eine Reihe zusätzlicher psychometrischer Tests, um einen möglichen Einfluss weiterer Variablen auf die Versuchsergebnisse bestimmen zu können und wichtige demographische Daten zu erfassen: Zunächst wurde mit dem Ziel, die Arbeitsgedächtnis-Leistung der Versuchspersonen zu bestimmen, eine „2-back-Aufgabe“ am PC bearbeitet, die von Dr. Klaus Hönig programmiert worden war. Dabei mussten die Probanden für 19 auf dem Bildschirm einzeln nacheinander zentral dargebotene Buchstaben entscheiden, ob der jeweilige neu erscheinende Buchstabe mit demjenigen identisch war, der bereits an vorletzter Position gezeigt worden war. Die Entscheidung wurde wiederum mittels Tastendruck auf dem bereitliegenden Eingabepad gefällt. Von diesem Aufgabentyp mussten sechs Durchgänge bearbeitet werden, jeweils gefolgt und eingeleitet durch einen von sieben Durchgängen einer Kontrollaufgabe mit ebenfalls 19 nacheinander erscheinenden Buchstaben, bei der die Teilnehmer immer dann per Tastendruck reagieren mussten, wenn der neu erscheinende Buchstabe ein „x“ war. Angeschlossen wurde eine weitere Aufgabe zur Messung der Arbeitsgedächtniskapazität, und zwar der Subtest „Zahlennachsprechen“ des Hamburg-Wechsler-Intelligenztests für Erwachsene (HAWIE-R, s. Anhang 7.22; Tewes 1991). Hierbei wurden den Probanden Reihen von Zahlen vorgelesen, die diese dann wiedergeben mussten, zunächst in der gleichen Reihenfolge wie vorgetragen, anschließend von hinten, beginnend mit der letzten Zahl einer Reihe. Die Anzahl der Zahlen einer Reihe wurde dabei nach jeweils 2 Durchgängen mit gleicher Anzahl um eine Zahl vergrößert, bis die Probanden bei beiden Durchgängen nicht mehr fähig waren, die Reihe korrekt zu wiederholen. Es wurde jeweils die Summe erfasst für die vorwärts und rückwärts korrekt wiedergegebenen Zahlenreihen und ein Gesamtscore gebildet, als Summe aller korrekt wiedergegebenen Zahlenreihen. Mit den Patienten wurde zudem ein Test durchgeführt, bei dem diese die konkrete Bedeutung von 6 kurzen Sprichwörtern, z.B. „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“, erklären sollten (s. Anhang 7.23). Dieser Test wurde von Holm-Hadulla und Haug (1984) zur Erfassung formaler Denkstörungen bei Schizophrenie entwickelt. Diese zeigen sich u.a. in Form von Konkretismus, also der Unfähigkeit, von konkreten Begriffen zu abstrahieren. Gefordert war im Test die Substitution der im Sprichwort gebrauchten Begriffe durch andere, adäquate Begriffe und der Transfer der bildlichen Aussage der Sprichwörter in den zwischenmenschlichen Bereich. Für beides, Substitution und Transfer, wurden je Sprichwort zwischen 0 Punkten (nicht erfüllt) und 4 Punkten (vollständig erfüllt) - 33 - 2 Material, Methoden vergeben. Aufgrund von konkretistischen Tendenzen erreichen schizophrene Patienten in beiden Kategorien geringere Punktzahlen als gesunde Kontrollen (HolmHadulla et al. 1984). Für die bipolaren Patienten, bei denen es ebenfalls im Rahmen der Erkrankung zu formalen Denkstörungen kommen kann, wurde ein Gesamtscore zur Beschreibung des Ausmaßes der Denkstörung erfasst, um diesen später mit der Performanz im Experiment korrelieren zu können. Zuletzt schloss sich noch eine Befragung der Probanden als semi-strukturiertes Interview (s. Anhang 7.14) an, bei dem alle Probanden noch einmal nach Substanzabhängigkeiten, dem Vorliegen gegenwärtiger oder zurückliegender neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen befragt wurden und einige demographischen Variablen erhoben wurden. Die Patienten wurden außerdem zu ihrer Erkrankung und Medikation befragt; durch Einsichtnahme in die Krankenakten wurden diese Informationen komplettiert. So wurde einerseits eine erneute Überprüfung des Einhaltens von Ein- und Ausschlusskriterien ermöglicht, andererseits die Patientengruppe hinischtlich klinisch relevant erscheinender Parameter (Krankheitsdauer u.ä., vgl. Tabelle 1) charakterisiert. 2.4 Auswertung der Verhaltensdaten im Hauptexperiment Für die Auswertung der Verhaltensdaten wurden zunächst die durchschnittlichen Reaktionszeiten und Fehleraten für jede der 4 Bedingungen (Inkongruent-Homonym, Inkongruent-Nicht-Homonym, Kongruent-Homonym, Kongruent-Nicht-Homonym) berechnet, getrennt für die Patienten- und die Kontrollprobandengruppe. Zum Zweck der Berechnung dieser Daten aus den individuellen Verhaltensdaten war ein Auswertungsalgorithmus zur Verwendung unter matlab11 in der Abteilung implementiert. Für die jeweiligen durchschnittlichen Reaktionszeiten und Fehlerraten wurde außerdem jeweils der Standardfehler berechnet. Dabei gingen in diese Berechnungen nur diejenigen Werte als Reaktionszeiten ein, die einer korrekten Antwort innerhalb von 0,2 – 2,4 s nach Darbietung von Wort 3 entsprachen. Eine Kontrolle statistischer „Outlier“, also von Reaktionszeiten mit starker Abweichung vom Mittelwert, fand nicht statt. Als Fehler gingen falsche Reaktionen, Auslassungen und Reaktionen außerhalb des angegebenen Zeitfensters in die Berechnung ein. Um die statistische Bedeutsamkeit der gefundenen Unterschiede in den mittleren Reaktionszeiten und Fehlerraten zu ermitteln, wurde eine mehrfaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung mittels der Statistik- 11 Version 7.3.0, The MathWorks, Inc., Natick, USA - 34 - 2 Material, Methoden Software Statistica12 angeschlossen. Diese erlaubt es, den Einfluss der verschiedenen Faktoren (Gruppenzugehörigkeit, Homonymie und Kongruenz) einschließlich ihrer Interaktionseffekte zu quantifizieren. Verwendet wurden die Gruppenzugehörigkeit als between-Gruppen-Faktor (zwei nicht manipulierbare Faktorstufen: Patientengruppe; Kontrollprobandengruppe) und die Faktoren Homonymie (zwei Faktorstufen: Homonym; Nicht-Homonym) und Kongruenz (zwei Faktorstufen: Kongruent; Inkongruent) als withinGruppen-Faktoren. Um bei Vorliegen von signifikanten Interaktionseffekten den Einfluss der jeweiligen Faktorstufen differenziert betrachten zu können, wurde in solchen Fällen ein post-hoc-Test, der Fisher-LSD-Test, angeschlossen.Als Signifikanzniveau wurde für alle statistischen Berechnungen eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% zugrunde gelegt. 2.5 Auswertung der EEG-Daten Die im Folgenden beschriebenen Schritte dienen zunächst der Filterung und Auswahl relevanter Abschnitte im Datenmaterial unter Verwendung spezieller Software13. Durch Anwendung dieser Algorithmen auf das Datenmaterial stehen die bereinigten Darstellungen der EKP zur Verfügung, die dann einer statistischen Analyse mit Mittelung der EKP-Verläufe über jede Bedingung, separat durchgeführt für Patienten und Kontrollprobanden, zugänglich sind. Danach wird untersucht, ob zwischen beiden Gruppen für diese gemittelten EKP signifikante Unterschiede in ihrem Verlauf bestehen. Zunächst wurden manuell näherungsweise die nicht relevanten Aufzeichnungsabschnitte, d.h., solche, die keine Trials beinhalten (z.B. längere Pausen), entfernt. Anschließend wurde ein spezieller Filter, ein sog. 50 Hz Notch-Filter, auf das verbliebene Datenmaterial angewendet, was der Filterung von elektrischen Störsignalen aus den Stromleitungen dient. Hierbei betrug der low cutoff 0,1 Hz bei 12 dB/oct und der high cutoff 30 Hz bei 24 dB/oct. Über eine lineare Ableitung wurden zwei artifizielle Kanäle zur Darstellung von Artefakten durch Augenmotilität ermittelt, und zwar ein Kanal für horizontale Augenmotilität wie etwa Lesebewegungen („HEOG“) und ein Kanal für vertikale Augenmotilität wie etwa Zwinkern („VEOG“). Über eine automatisch auszuführende Analyse unahängiger Signalkomponenten (independent component analysis, ICA), wurde eine Zerlegung des Datenmaterials in verschiedene Signalquellen vorgenommen (vgl. 12 13 Statistica für Windows, Version 8, hergestellt von StatSoft, Tulsa, Oklahoma, USA Brain Vision Analyzer, Version 1.05, hergestellt von Brain Products, Gilching, Deutschland - 35 - 2 Material, Methoden Seifert 2005). Die mit diesen Komponenten zeitlich korrelierte Polaritätsverteilung an der Kopfoberfläche kann visualisiert werden. Dies erlaubte es, typische Artefakte, wie Lidschluss, anhand ihrer typischen Polaritätsverteilung zu erkennen und ihren Einfluss auf das Datenmaterial zu eliminieren. Das derart bereinigte Datenmaterial wurde dann segmentiert, also in Abschnitte gleicher Länge gegliedert, die jeweils den EEG-Kurvenverlauf um einen interessierenden Stimulus umfassen. Die Segmente begannen dabei je 150 ms vor der Darbietung des relevanten Stimulus, so dass das Aufzeichnungsmaterial dieser 150 ms bis zum Stimulus-Beginn als Baseline verwendet werden konnte, und hatten eine Gesamtlänge von 950 ms (Segmente um Wort 2) bzw. 1150 ms (Segmente um Wort 3). Die geringere Länge der Segmente um Wort 2 ergibt sich daraus, dass eine Überschneidung mit dem Segment um Wort 3 verhindert werden musste. Es wurde überdies ein Angleich der Baseline in allen Segmenten vorgenommen (sog. Baseline-Correction), um eine Kontamination des Datenmaterials durch Signaldifferenzen zu verhindern, die schon vor Stimulusbeginn bestanden und damit offensichtlich nicht Stimulus-assoziiert waren. Über eine „Artefact Rejection“ wurden Segmente als artefaktbelastet erkannt, wenn sie Amplituden von mehr als +70 μV bzw. weniger als -70 μV aufwiesen, und nicht in die nachfolgende Mittelung einbezogen. Schließlich wurde noch, nachdem zunächst Potenzialdifferenzen zwischen den interessierenden Elektroden einerseits und einer einzelnen in Kopfmitte angebrachten Referenzelektrode andererseits bestimmt worden waren, als neue Referenz die sog. Mittelwertsreferenz aus dem Mittelwert sämtlicher Elektroden gebildet und die Potentialdifferenzen auf dieser Grundlage neu berechnet. Segmente, die jeweils dieselbe Bedingung (z.B. inkongruent-ambigue) abbildeten, wurden zur Mittelung zusammengefasst. In diese gingen jedoch nur die Segmente der Trials mit als richtig gewerteten Reaktion ein. Entsprechend den in Tabellen 4 und 5 aufgeführten Möglichkeiten gab es damit jeweils 4 unterschiedlichen Bedingungen für Wort 2 und Wort 3, demzufolge 8 Gruppen von Segmenten. Allerdings ist für die Segmente um Wort 2 lediglich eine Unterteilung in Homonym- und Nicht-Homonym-Trials sinnvoll, da sich das Vorliegen von Kongruenz oder Inkongruenz erst später zeigt und somit die semantische Verarbeitung und ihre elektrophysiologischen Korrelate zu diesem Zeitpunkt nicht beeinflusst. Für die Berechnungen zu Wort 2 wurden deshalb die beiden HomonymBedingungen (S11, S13) und die beiden Nicht-Homonym-Bedingungen (S12, S14) zusammengefasst und über diese beiden gemittelt. - 36 - 2 Material, Methoden Die Mittelung erfolgte zunächst über alle gleichartigen Segmente am individuellen Probanden (sog. Average-EKP), anschließend wurde ein über alle gleichartigen Segmente gemittelter EKP-Verlauf über alle Probanden in einer Gruppe generiert (sog. GrandAverage-EKP), für sämtliche Elektrodenpositionen. Diese Mittelung erlaubt, bei ausreichender Anzahl in sie eingehender Segmente, die Elimination der zufällig verteilten Störsignale, während der in jedem Segment ähnliche zeitliche Verlauf des ereigniskorrelierten Signals sich zum EKP charakteristischer Morphologie überlagert und so deutlich zur Darstellung kommt (Kiefer 2009). Unterschiede in den so erhaltenen gemittelten EKP konnten dann mittels der StatistikSoftware Statistika14quantifiziert und auf ihre Signifikanz hin untersucht werden. Dabei wurde zur statistischen Auswertung jeweils ein charakteristisches Zeitfenster nach Darbietung von Wort 2 und von Wort 3 ausgewählt. Die Auswahl dieser Zeitfenster basiert dabei auf bestehenden Theorien innerhalb der Elektroenzephalographie, in denen Annahmen gemacht werden zur Korrelation charakteristischer, nach definierten Zeitabständen nach Präsentation eines bestimmten Stimulus auftretender, in ihrer Amplitude modulierbarer negativer und positiver Deflektionen innerhalb der EKP mit spezifischen kognitiven Verarbeitungsprozessen. In den Amplituden dieser Deflektionen sollten Unterschiede zwischen Patienten und Kontrollprobanden zur Darstellung kommen, in denen sich die Abweichungen in Prozessen der semantischen Verarbeitung spiegeln, die das klinische Bild vermuten lassen. Es wurde hierfür ein Zeitfenster von 200-250 ms nach Darbietung von Wort 2 ausgewählt unter der Annahme, hier Variationen der N2 zu sehen, einer negativen Deflektion, die mit Prozessen kognitiver Kontrolle in Zusammenhang gebracht wird (Folstein et al. 2008); außerdem ein Zeitfenster von 350-500 ms nach Darbietung von Wort 3, um Variationen der N400 zu untersuchen, für die ein Zusammenhang mit semantischen Integrationsprozessen gut etabliert ist (Kutas et al. 2000). Es wurden dann Cluster von benachbarten Elektroden ausgewählt, die die jeweils interessierenden kortikalen Regionen repräsentieren, und für die statistische Untersuchung auf Gruppenunterschiede zusammengefasst. Die Auswahl der gewählten Cluster richtete sich wiederum danach, an welcher Lokalisation die interessierenden EKP-Komponenten gemäß der Literatur ihre größte Ausprägung und Modulierbarkeit zeigen. 14 Statistica für Windows, Version 8, hergestellt von StatSoft, Tulsa, Oklahoma, USA - 37 - 2 Material, Methoden Die Cluster waren dabei stets symmetrisch bihemisphärisch mit einer gleichen Anzahl äquilokalisierter Elektroden auf beiden Hemisphären. Zur Analyse des Zeitfensters nach Wort 2 wurde ein frontales Cluster gewählt und zudem eine gleiche Anzahl zentraler Referenzelektroden ausgewählt, an denen eine geringere Stimulus-assoziierte Reaktion erwartet wurde. Für die Untersuchung des Zeitfensters nach Wort 3 wurde ein zentroparietales Cluster gewählt und auf die Verwendung einer Referenzregion verzichtet. Es wurden anschließend nach Export der EEG-Daten in die Statistik-Software Statistika, analog zu der Auswertung der Verhaltensdaten, mehrfaktorielle ANOVAs mit Messwiederholung durchgeführt, um signifikante Unterschiede im Verlauf der GrandAverage-EKP in den ausgewählten Zeitfenstern zwischen beiden Gruppen zu detektieren. Grundlage für diese Berechnung war jeweils die Fläche unter der Kurve der GrandAvergage-EKP. Im Einzelnen wurden ein Einfluss der Faktoren „Hemisphäre“ (rechte vs. linke Hemisphäre) „Region“ (interessierende Region vs. zentrale Referenzregion für Wort 2), „Elektrodenposition“ (genaue Position der Elektrode innerhalb des Clusters als mögliche Einflussgröße) und „Homonymie“ und „Kongruenz“ – letztgenannte nur für das Zeitfenster nach Wort 3 – sowie Interaktionseffekte dieser Faktoren untersucht. Bei Vorliegen signifikanter Interaktionseffekte wurde wiederum der Post-Hoc-Test „FisherLSD“ angeschlossen. Es wurde als Signifikanzniveau eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% festgelegt. 2.6 Auswertung psychometrischer Daten, Korrelationsanalysen Zusärtlich zu der Erhebung von Verhaltensdaten und EEG-Daten im Hauptexperiment wurde der Einfluss von eventuell bedeutsamen Variablen auf die Leistung im Experiment untersucht, und zwar die Ausprägung des Schweregrads der psychiatrischen Symptomatik und formaler Denkstörungen bei den bipolaren Patienten sowie die ArbeitsgedächtnisLeistung beider Gruppen. Das einer gegebenenfalls schlechteren Leistung der Patienten formale Denkstörungen zu Grunde liegen könnten, ergibt sich aus den theoretischen Vorüberlegungen, die diese Studie begründen; außerdem wird ein Zusammenhang von kognitiven Defiziten mit psychotischen Symptomen bei Bipolaren etwa von Quraishi und Kollegen berichtet (Quraishi et al. 2002). Die Arbeitsgedächtnis-Leistung der Probanden wurde bestimmt, um zu ermitteln, ob hinsichtlich dieser kognitiven Funktion Unterschiede zwischen den Gruppen bestehen; dies erscheint bedeutsam, weil Inhibition, wie sie bei der Ambiguitätsresolution von Homonymen erforderlich ist, als eine Leistung des Arbeitsgedächtnisses aufgefasst wird (Gunter et al. 2003). - 38 - 2 Material, Methoden Um einen Einfluss der Arbeitsgedächtniskapazität der Probanden auf die Ergebnisse im Experiment zu untersuchen, wurde die 2-back-Aufgabe hinsichtlich Reaktionszeiten und Fehlerraten in der spezifischen Arbeitsgedächtnis-Aufgabe und der Kontrollbedingung ausgewertet; dies geschah analog der Auswertung der Verhaltensdaten des Hauptexperiments mittels des in der Abteilung implementierten Auswertelogarithmus zur Anwendung unter matlab. Es erfolgte die Berechnung der durchschnittlichen Reaktionszeiten und Fehlerraten ohne Kontrolle statistischer Ausreißer für beide Gruppen und die Berechnung der entsprechenden Standardfehler. Anschließend wurde eine mehrfaktorielle Varianzanalyse (Anova mit Messwiederholung) durchgeführt, um einen Einfluss der Faktoren Gruppenzugehörigkeit (Patienten vs. Kontrollen) und Aufgabe („2-back“ vs. Kontrollbedingung) sowie deren Interaktion zu untersuchen. Von Interesse war dabei insbesondere, ob eine differenziell schlechtere Leistung der Patienten in der „2-back“-Aufgabe vorlag. Dies würde einen potentiell bedeutsamen Unterschied in der Arbeitsgedächtniskapazität zwischen Patienten und Kontrollen nahe legen. Die Arbeitsgedächtniskapazität wurde zudem mit dem Test „Zahlennachsprechen“ des HAWIE-R (s.o.) untersucht. Dabei wurden für die Punktwerte in diesem Test jeweils Mittelwert und Standardabweichung bei Patienten und Kontrollprobanden berechnet und ein T-Test für unabhängige Stichproben angeschlossen, um auf signifikante Unterschiede zwischen beiden Gruppen zu prüfen. Es wurden außerdem Korrelationen (Produkt-Moment-Korrelationen nach Pearson) zwischen den Verhaltensdaten im Hauptexperiment und den Variablen zur Erfassung des Schweregrades der psychiatrischen Symptomatik (Summenscore in BPRS und YMRS) und der Ausprägung formaler Denkstörungen (Subskala formale Denkstörung im BPRS und Punktwert im Test „Interpretation von Sprichwörtern“, s.o.) bei den Patienten mittels Statistica berechnet, um zu erfassen, ob Unterschiede in den im Experiment erfassten Testergebnissen eventuell durch diese Variablen erklärt werden können. Auch die Korrelationen der Punktwerte der Probanden in den Tests „Zahlennachsprechen“ und WST mit der Performanz im Hauptexperiment wurden untersucht, um den globalen Zusammenhang der Arbeitsgedächtniskapazität und der verbalen Intelligenz mit den Testergebnissen zu evaluieren. Dabei wurde wiederum ein 5%-Niveau für die Signifikanz der Korrelationen zugrunde gelegt. - 39 - 3 Ergebnisse 3. Ergebnisse Die Analyse der im Experiment gewonnenen Daten erfolgte einerseits als Analyse der Verhaltensdaten, die die Reaktionen der untersuchten Probanden in Hinblick auf Reaktionszeiten und Fehlerraten in den unterschiedlichen Versuchsbedingungen charakterisieren, andererseits als Analyse ereigniskorrelierter EEG-Aktivität. – Im Rahmen der EEG-Analyse wurden über gleiche Bedingungen gemittelte EKP-Verläufe zwischen den beiden Versuchsgruppen in charakteristischen Zeitfenstern nach Darbietung von Wort 2 bzw. Wort 3 miteinander verglichen. Darüber hinaus werden die Ergebnisse der Aufgaben zum Arbeitsgedächtnis vorgestellt sowie diese und Ergebnisse der übrigen psychometrischen Tests auf Korrelationen hin untersucht, um den Einfluss einer Reihe von Variablen auf die Ergebnisse im Experiment zu erhellen. Die Ergebnisse eines unabhängigen T-Tests, mit dem auf das Bestehen bedeutsamer Unterschiede zwischen beiden Gruppen bezüglich Alter, Bildungsgrad und verbaler Intelligenz untersucht wurde, sind bereits im Methodenteil vorgestellt worden. 3.1 Ergebnisse auf Ebene der Verhaltensdaten Im Rahmen der semantischen Passungsentscheidungen ergab sich auf der Verhaltensebene die im folgenden dargestellten Ergebnisse einer deskriptiven Statistik bezüglich Reaktionszeiten und Fehlerraten von Patienten und Kontrollen in den vier Versuchsbedingungen. 1400 1200 Patienten 1000 Kontrollen 800 600 400 200 0 IH IN CH CN Bedingungen Abbildung 4: Mittlere Reaktionszeiten (mit Standardfehler) der Versuchspersonen in Abhängigkeit von der jeweiligen Versuchsbedingung. Es gelten hier und im Folgenden für die 4 Bedingungen die Abkürzungen: IH = Inkongruent-Homonym; IN = Inkongruent-Nicht-Homonym; CH = KongruentHomoynm; CN = Kongruent-Nicht-Homonym. - 40 - 3 Ergebnisse 0.2 Patienten 0.15 Kontrollen 0.1 0.05 0 IH IN CH CN Bedingungen Abbildung 5: Gemittelte Fehlerraten der Versuchspersonen (mit Standardfehler) in Abhängigkeit von der jeweiligen Versuchsbedingung. IH = Inkongruent-Homonym; IN = Inkongruent-Nicht-Homonym; CH = Kongruent-Homoynm; CN = Kongruent-Nicht-Homonym. Eine Varianzanalyse mit Messwiederholung mit den Faktoren Gruppe (zwei Stufen: Patienten, Kontrollen), Kongruenz (zwei Stufen: Kongruenz, Inkongruenz) und Homonymie (zwei Stufen: Homonymie, Nicht-Homonymie) erbrachte einen signifikanten Haupteffekt für die Faktoren Gruppe und Homonymie (jeweils sowohl bezüglich Reaktionszeiten und Fehlerraten) sowie für den Faktor Kongruenz (bezüglich der Fehlerraten). Ein statistischer Trend konnte für die Dreifach-Interaktion aus Gruppe, Homonymie und Kongruenz gefunden werden (p=0,07). Die Ergebnisse der Varianzanalyse sind im Folgenden aufgeführt: Tabelle 6: Ergebnisse der mehrfaktoriellen Varianzanalyse mit den Faktoren Gruppe, Kongruenz, Homonymie in Bezug auf die Reaktionszeiten. F(1, 40) -Wert Gruppe Kongruenz Kongruenz*Gruppe Homonymie Homonymie*Gruppe Kongruenz*Homonymie Kongruenz* Homonymie* Gruppe p-Wert 8,326 2,579 0,107 63,203 0,474 0,094 0,006 0,116 0,746 0,000 0,495 0,761 3,473 0,070 - 41 - 3 Ergebnisse Tabelle 7: Ergebnisse der mehrfaktoriellen Varianzanalyse mit den Faktoren Gruppe, Kongruenz, Homonymie in Bezug auf die Fehlerraten. F(1, 40) -Wert Gruppe Kongruenz Kongruenz*Gruppe Homonymie Homonymie*Gruppe Kongruenz*Homonymie Kongruenz* Homonymie* Gruppe p-Wert 10,529 6,196 0,316 32,228 0,018 1,446 0,002 0,017 0,577 0,000 0,894 0,236 2,390 0,130 Bei Betrachtung der statistischen Analyse hinsichtlich des Faktors Gruppe zeigt sich, dass der Unterschied in den mittleren Reaktionszeiten zwischen beiden Gruppen signifikant ist (p=0,006), bedingt durch die längeren Antwortlatenzen in der Patientengruppe. Dieser Effekt findet eine Entsprechung auf Ebene der ermittelten Fehlerraten, die in der Patientengruppe signifikant höher liegen als in der Kontrollgruppe (p=0,002). Es lässt sich also eine insgesamt schlechtere Performanz der Patienten im Experiment konstatieren. Des Weiteren zeigt sich in den Daten ein hochsignifikanter Homonymie-Effekt (p=0,000), bei längerer Reaktionslatenz in den Homonymiebedingungen, ungeachtet der Gruppenzugehörigkeit. Auch dieser Effekt findet eine Entsprechung auf Ebene der Fehlerraten (p=0,000), d.h. in den Homonym-Bedingungen wurden über beide Gruppen hinweg mehr Fehler gemacht als in den Nicht-Homonym-Bedingungen. Hierin zeigt sich also eine konsistent verzögerte und fehleranfälligere Reaktion der Versuchspersonen in den Homonym- gegenüber den Nicht-Homonym-Bedingungen. Dies ist vor dem Hintergrund, dass in den Homonym-Bedingungen eine Erzeugung störender semantischer Interferenz durch die kontextuell unpassende dominante Homonymbedeutung angestrebt wurde, ein erwartungsgemäßer Effekt, der für die gelungene Operationalisierung des zugrunde liegenden theoretischen Konzepts in dem verwendeten Paradigma spricht. Ein Haupteffekt für den Faktor Kongruenz findet sich nur in Bezug auf die Fehlerraten: Hier wurden in den kongruenten Bedingungen signifikant mehr Fehler gemacht als in den inkongruenten Bedingungen (p=0,017). Bezüglich der Reaktionszeiten zeigt sich allerdings ein gegenläufiger Effekt (mit längeren mittleren Reaktionszeiten in den inkongruenten als in den korrespondierenden kongruenten Bedingungen), der aber keine statistische Signifikanz erreicht. - 42 - 3 Ergebnisse Die beschriebenen Haupteffekte wurden weiterqualifiziziert durch eine Interaktion mit den Faktoren Homonymie und Gruppe. Dieser statistische Trend (p=0.070) für die DreifachInteraktion Kongruenz*Homonymie*Gruppe (s. Abbildung 6) kommt zustande durch die vergleichsweise stärkere Verlangsamung der gesunden Probanden in der inkongruenten Homonym-Bedingung gegenüber der inkongruenten Kontrollbedingung einerseits (Konvergenz der Geraden in den inkongruenten Bedingungen, links) bei gleichzeitig stärkerer Verlangsamung der Patienten in der kongruenten Homonym-Bedingung gegenüber der kongruenten Kontrollbedingung (Divergenz der Geraden in den kongruenten Bedingungen, rechts) andererseits. 1600 1500 Reaktionszeit (ms) 1400 1300 1200 1100 1000 900 800 Hom Inkongruenzbedingungen NHom Hom NHom Patienten Kontrollen Kongruenzbedingungen Abbildung 6: Darstellung des statistischen Trends einer 3-fach-Interaktion Kongruenz*Homonymie*Gruppe. Die Balken zeigen 95%-Konfidenzintervalle an. Hom = HomonymBedingung; NHom = Nicht-Homonym-Bedingung. Der Fischer-LSD-Test der Reaktionszeiten stützt diese Beobachtungen dahingehend, dass die größten signifikanten Unterschiede in der Patientengruppe zwischen der kongruenten Homonym- und der kongruenten Nicht-Homonym-Bedingung (p = 0,000) gefunden werden, während sie in der Kontrollgruppe zwischen der inkongruenten Homonym- und der inkongruenten Nicht-Homonym-Bedingung (p= 0,000) auftraten. In den Fehlerraten zeigt sich numerisch ein hierzu konsistentes Muster, ohne dass jedoch statistische Signifikanz vorliegt (p=0,130). - 43 - 3 Ergebnisse Die beschriebene Interaktion erscheint, obwohl das angestrebte Signifikanzniveau hierbei nicht erreicht wird, dennoch diskussionswürdig, da sich Hinweise daraus ergeben für etwaige bedingungsspezifische Unterschiede beider Gruppen. Da die verschiedenen Worttriplet-Bedingungen unterschiedliche Anforderungen an die kognitive Verarbeitung stellen, könnten sich hierin spezifische Unterschiede in den kognitiven Prozessen der semantischen Verarbeitung beider Gruppen widerspiegeln. Das vorliegende Befundmuster deutet auf differentielle Veränderungen beider Gruppen in der Verarbeitung kongruenter und inkongruenter Bedingungen hin. 3.2 Ergebnisse auf Ebene der EEG-Daten Im Folgenden sind die Ergebnisse der Analyse von 2 Zeitfenstern im EEG-Verlauf dargestellt. Es wurde hierbei einerseits ein Zeitintervall von 200-250 ms an frontaler Lokalisation nach Darbietung von Wort 2 untersucht. Damit wurde ein Zeitintervall und eine Lokalisation an der Kopfoberfläche gewählt, an denen elektrophysiologische Korrelate der sprachsemantischen Disambiguierung mit charakteristischem Inhibitionshänomen im Sinne einer N2 erwartet werden (s. Abschnitte 1.3 und 4.2), die im vorliegenden Paradigma überlagerungsfrei von einer motorischen und entscheidungsbezogenen Reaktion abgebildet werden können. Zum anderen wird ein Zeitintervall von 350-500 ms an zentroparietaler Lokalisation nach Darbietung von Wort 3 betrachtet; hier sollen, anhand der N400, Korrelate der semantischen Integration untersucht werden und damit Aussagen über das Ausmaß oder die Konsequnz gelungener semantischer Inhibition zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht werden (s. Abschnitte 1.3 und 4.3). Die Lokalisation der beiden untersuchten Cluster ist unten dargestellt (s. Abbildung 7); ebenso sind die Lokalisationen der Erdungs- und der Referenzelektrode (Ground, respektive Referenz) die zur Berechnung der Potentialdifferenzen an den einzelnen Elektroden herangezogen werden, dargestellt. - 44 - 3 Ergebnisse Abbildung 7: Lokalisation des frontalen Elektrodenclusters zur Analyse von Wort 2 (blau) und des zentroparietalen Elektrodenclusters zur Analyse von Wort 3 (grün); Gnd = Ground (Erdungselektrode; Ref = Referenz (Referenzelektrode). Benennung der Elektroden entsprechend dem erweiterten 10-20System. Hierbei sind rechtshemisphärischen Elektrodenlokalisationen gerade Zahlen, linkshemisphärischen Elektrodenlokalisationen ungerade Zahlen zugeordnet. F = frontale Lokalisation; C = zentrale Lokalisation; FP = frontopolare Lokalisation; AF = mittig zwischen F (frontaler Lokalisation) und FP (frontopolarer Lokalisation) lokalisiert; CP = zentroparietal, zwischen C (zentral) und P (parietal) lokalisiert. Analyse des Zeitintervalls 200-250 ms auf Wort 2 Für die Analyse eines (anterior-)frontalen Elektrodenclusters wurden 4 bilaterale Elektrodenpaar ausgewählt: FP1/ FP2, AF3 / AF4, AF7 / AF8 und F5 / F6 (s. Abbildung 7). Diese wurden einem zentralen Cluster von ebenso vielen bilateralen Elektrodenpaaren gegenübergestellt (C1 / C2, C3 / C4, CP1 / CP2, FC1 / FC2). Für die Detektion von relevanten Unterschieden wurde für dieses Zeitfenster eine mehrfaktorielle Varianzanalyse mit dem Between-Faktor Gruppe (Patienten, gesunde Kontrollen) und den Within-Faktoren Hemisphäre (zwei Stufen: rechte Hemisphäre, linke Hemisphäre), Region (zwei Stufen: frontale Region, zentrale Region), Elektrodenposition (vier Stufen, entsprechend den vier einzelnen Lokalisationen der Elektroden innerhalb jedes Clusters) und Homonymie (zwei Stufen: Homonyme, Nicht-Homonyme) durchgeführt. - 45 - 3 Ergebnisse Die wichtigsten Befunde sind im Folgenden tabellarisch dargestellt. (Für eine Darstellung der vollständigen Ergebnisse der Varianzanalyse s. Anhang 7.51.) Tabelle 8: Wichtigste Ergebnisse der mehrfaktoriellen Varianzanalyse zu EKP (ereigniskorrelierten Potentialen) auf Wort 2 mit den Faktoren Gruppe, Hemisphäre, Region, Elektrodenposition, Homonymie. Gruppe Hemisphäre Region Homonymie Region*Homonymie Hemisphäre*Homonymie Region*Homonymie*Gruppe F(1, 40) -Wert 2,268 0,420 54,913 3,131 9,666 9,617 4,087 p-Wert 0,140 0,520 0,000 0,084 0,003 0,004 0,050 Abbildung 8: Grand-Avergage-EKP der Kontrollprobanden über frontalen Elektrodenpositionen bei Darbietung von Wort 2 für Homonyme (rot) und Nicht-Homonyme (blau); links die 4 EKP-Verläufe über den linksseitigen, rechts die 4 EKP-Verläufe über den rechtsseitigen Elektroden. Benennung der Elektroden entsprechend dem erweiterten 10-20-System. F = frontale Lokalisation; FP = frontopolare Lokalisation; AF = mittig zwischen F (frontaler Lokalisation) und FP (frontopolarer Lokalisation) lokalisiert. EKP = ereigniskorreliertes Potential. - 46 - 3 Ergebnisse Abbildung 9: Grand-Avergage-EKP der Patienten über frontalen Elektrodenpositionen bei Darbietung von Wort 2 für Homonyme (rot) und Nicht-Homonyme (blau); links die 4 EKP-Verläufe über den linksseitigen, rechts die 4 EKP-Verläufe über den rechtsseitigen Elektroden. Benennung der Elektroden entsprechend dem erweiterten 10-20-System. F = frontale Lokalisation; FP = frontopolare Lokalisation; AF = mittig zwischen F (frontaler Lokalisation) und FP (frontopolarer Lokalisation) lokalisiert. EKP = ereigniskorreliertes Potential. Die Ergebnisse der Varianzanalyse zeigen einen Haupteffekte für den Faktor Region (p=0,000) Dieser Unterschied besteht in einer stärkeren Negativierung (negativerer Potentialverlauf) in der frontalen Region. Für den Faktor Homonymie besteht ein statistischer Trend (p=0,084), in dem sich die stärkere Negativierung in den Homonym-Bedingungen gegenüber den Nicht-HomonymBedingungen ausdrückt. Darüber hinaus ergeben sich bedeutsame Interaktionseffekte zwischen den untersuchten Faktoren. So ist die 2-fach-Interaktion Region*Homonymie signifikant. Hierin zeigt sich, dass die insgesamt ausgeprägtere Negativierung in der frontalen Region moduliert wird durch den Faktor Homyonymie: Frontal zeigt sich dabei eine deutlich stärkere Negativierung in den Homonym- gegenüber den Nicht-Homonym-Bedingungen; zentral hingegen übt der Faktor Homonymie keinen Einfluss aus. Die nachstehende Grafik verdeutlicht dies. - 47 - 3 Ergebnisse 3 Fläche unter der Grand-Average-EKP-Kurve 2 1 0 -1 -2 -3 -4 Homonyme Nicht-Homonyme Homonyme versus Nicht-Homonyme frontale Region zentrale Region (Referenz) Abbildung 10: Darstellung der Interaktion Region*Homonymie. Die Balken zeigen 95%Konfidenzintervalle an. EKP = ereigniskorreliertes Potential. Erwartungsgemäß zeigt sich im angeschlossenen Post-Hoc-Test (Fisher-LSD) ein signifikanter Unterschied zwischen den Homonym- und den Nicht-HomonymBedingungen an der frontalen Region (p=0,001), nicht aber an der zentralen Region (p=0,843), womit deutlich wird, dass sich die zu erwartenden Unterschiede in der Reaktion auf Wort 2 am ausgeprägtesten an der frontalen Region darstellen, dort also, wo die entscheidenden Prozesse zur sprachsemantischen Verarbeitung zu diesem Zeitpunkt lokalisiert sein sollten. Außerdem besteht eine signifikante 2-fach-Interaktion Hemisphäre*Homonymie: Wie die Grafik (s. Abbildung 11) verdeutlicht, zeigt sich in den Homonymiebedingungen linkshemisphärisch eine stärkere Negativierung als rechtshemisphärisch. Im Fischer-LSDTest sind linkshemisphärisch die Unterschiede zwischen Homonym- und Nicht-HomonymBedingung signifikant (p=0,001), rechtshemisphärisch dagegen nicht (p=0,936). Dies deutet darauf hin, dass die Prozesse bei der kognitiven Verarbeitung von Homonymen in der verwendeten experimentellen Anordnung linkshemisphärisch lateralisiert sind. - 48 - 3 Ergebnisse Dieser Befund wird vor dem Hintergrund qualitativer Unterschiede zwischen den beiden Hemisphären bei der Sprachverarbeitung diskutiert werden. 2.0 Fläche unter der Grand-Average-EKP-Kurve 1.5 1.0 0.5 0.0 -0.5 -1.0 -1.5 -2.0 -2.5 Homonyme Nicht-Homonyme Homonyme versus Nicht-Homonyme Linke Hemisphäre Rechte Hemisphäre Abbildung 11: Darstellung der Interaktion Hemisphäre*Homonymie. Die Balken zeigen 95%Konfidenzintervalle an. EKP = ereigniskorreliertes Potential. Von Interesse sind außerdem diejenigen Interaktionen, die die Gruppenzugehörigkeit als Faktor beinhalten und somit auf Unterschiede in kognitiven Verarbeitungsprozessen hinweisen können, die für die bipolaren Patienten charakteristisch sind: So besteht eine signifikante 3-fach-Interaktion Region*Homonymie*Gruppe (p=0,050), in der zum Ausdruck kommt, dass die Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe eine stärkere Negativierung der Homonymbedingung im frontalen Elektrodencluster aufweisen. In den abgebildeten EKP-Verläufen ist diese Negativierung in den HomonymBedingungen bei den Patienten an den Elektrodenlokalisationen FP1, FP2, AF7, AF3-AF5 (s. Abbildung 9) im entsprechenden Zeitfenster gut nachzuvollziehen. Im Fischer-LSD-Test zeigt sich erwartungsgemäß bei den Patienten ein signifikanter Unterschied bezüglich Homonymie und Nicht-Homonymie (p=0,007) an der frontalen, nicht aber an der zentralen Region. Für die Kontrollen liegt ein gleichartiger signifikanter Unterschied vor, ebenfalls nur an der frontalen Region, vor (p=0,033). - 49 - 3 Ergebnisse Analyse des Zeitintervalls 350-500 ms auf Wort 3 Für die Analyse eines zentroparietalen Elektrodenclusters wurden drei bilaterale Elektrodenpaare ausgewählt: CP1 / CP2, CP3 / CP4, C3 / C4 (s. Abbildung 7). Für diese Hirnregion wird die maximale Ausprägung der interessierenden sprachrelevanten N400 beschrieben (Kutas et al. 2000). Die Verläufe der entsprechenden Grand-Average-EKP sind wiederum für die entsprechenden Lokalisationen auf der Kopfoberfläche dargestellt (s. Abbildungen 12 und 13). Analog zur Analyse von Wort 2 erfolgte auch hier eine mehrfaktorielle Varianzanalyse mit dem Between-Faktor Gruppe (Patienten, gesunde Kontrollen) und den Within-Faktoren Hemisphäre (zwei Stufen: rechte Hemisphäre, linke Hemisphäre), Elektrodenposition (drei Stufen, entsprechend den drei einzelnen Lokalisationen der Elektroden innerhalb jedes Cluster), Homonymie (zwei Stufen: Homonyme, Nicht-Homonyme) und Kongruenz (zwei Stufen: Kongruenz, Inkongruenz). Damit ist nun also eine differenzierte Betrachtung der elektrophysiologischen Reaktion auf Wort 3 in den vier unterschiedlichen Bedingungen (IH = inkongruent-Homonym, IN = inkongruent-Nicht-Homonym, CH = kongruent-Homonym, CN = kongruent-NichtHomonym) möglich. Abbildung 12: Grand-Avergage-EKP der Kontrollen über zentroparietalen Elektrodenpositionen bei Darbietung von Wort 3 für die 4 Bedingungen; links die 3 EKP-Verläufe über den linksseitigen, rechts die 3 EKP-Verläufe über den rechtsseitigen Elektroden. Für die 4 Bedingungen gelten wiederum die Abkürzungen: IH = Inkongruent-Homonym; IN = Inkongruent-Nicht-Homonym; CH = KongruentHomoynm; CN = Kongruent-Nicht-Homonym. Benennung der Elektroden entsprechend dem erweiterten 10-20-System. C = zentrale Lokalisation; CP = zentroparietal, zwischen C (zentral) und P (parietal) lokalisiert. EKP = ereigniskorreliertes Potential. - 50 - 3 Ergebnisse Abbildung 13: Grand-Avergage-EKP der Patienten über zentroparietalen Elektrodenpositionen bei Darbietung von Wort 3 für die 4 Bedingungen; links die 3 EKP-Verläufe über den linksseitigen, rechts die 3 EKP-Verläufe über den rechtsseitigen Elektroden. Für die 4 Bedingungen gelten wiederum die Abkürzungen: IH = Inkongruent-Homonym; IN = Inkongruent-Nicht-Homonym; CH = KongruentHomoynm; CN = Kongruent-Nicht-Homonym. Benennung der Elektroden entsprechend dem erweiterten 10-20-System. C = zentrale Lokalisation; CP = zentroparietal, zwischen C (zentral) und P (parietal) lokalisiert. EKP = ereigniskorreliertes Potential. Die wichtigsten Befunde sind im Folgenden tabellarisch dargestellt. (Für eine vollständige Darstellung der Ergebnisse der Varianzanalyse s. Anhang 7.52.) Tabelle 9: Wichtigste Ergebnisse der mehrfaktoriellen Varianzanalyse zu EKP (ereigniskorrelierten Potentialen) infolge Wort 3 mit den Faktoren Gruppe, Hemisphäre, Elektrodenposition, Homonymie, Kongruenz. Gruppe Hemisphäre Kongruenz Homonymie Kongruenz*Homonymie Hemisphäre*Kongruenz* Homonymie*Gruppe F(1, 40) -Wert 0,821 15,186 83,997 0,196 3,587 6,265 p-Wert 0,370 0,000 0,000 0,661 0,065 0,017 Es ergab sich ein Haupteffekte für den Faktor Kongruenz. Hierin spiegelt sich über beide Gruppen der erwartete N400-Effekt im Sinne einer markanten Negativierung für - 51 - 3 Ergebnisse inkongruente Bedingungen gegenüber kongruenten Bedingungen wider (s. auch Abbildungen 12 und 13). Desweiteren besteht ein Haupteffekt für den Faktor Hemisphäre (p=0,000), dadurch bedingt, dass im betrachteten Zeitfenster eine stärkere Negativität linkshemisphärisch bestand. Vor dem Hintergrund des experimentellen Designs besonders relevant sind spezifische Unterschiede zwischen ambiguen und nicht-ambiguen EKP-Effekten, sowohl im allgemeinen als auch spezieller, in Bezug auf Gruppenunterschiede. Die entsprechende Interaktion Kongruenz*Homonymie erreicht dabei keine statistische Signifikanz (p=0,066), jedoch zeichnet sich zumindest ein Trend ab. Es zeigt sich dabei, dass im Mittel (ohne Berücksichtigung der Gruppenzugehörigkeit) die Potentiale der inkongruenten Nicht-Homonym-Bedingung am negativsten verlaufen, gefolgt von denen der inkongruenten Homonym-Bedingung; deutlich positiver verlaufen die Potentiale der kongruenten Homonym-Bedingung, gefolgt von denen der kongruenten Nicht-HomonymBedingung; diese Tendenz lässt sich ebenso bei isolierter Betrachtung jeder Gruppe beobachten. Dieser Befund wird nachfolgend unter Einbeziehung der kognitiven Prozesse, die sich in der N400 widerspiegeln sollen, diskutiert werden. Zudem war die 4-fach-Interaktion Hemisphäre*Homonymie*Kongruenz*Gruppe signifikant: Wie die nachfolgenden Abbildungen 14 und 15 veranschaulichen, und wie sich anhand der rechtshemisphärischen Elektrodenpositionen bei den grand-average-EKP der Patienten nachvollziehen lässt (s. Abbildung 13), lassen sich spezifische Unterschiede in den 4 Bedingungen zwischen Patienten und gesunden Kontrollen zeigen, wenn die Hemisphäre mitberücksichtigt wird: So zeigt sich, dass zwar die Unterschiede im Potentialverlauf zwischen Homonym und Nicht-Homonym-Bedingung linkshemisphärisch gering sind (s. Abbildung 14), dass aber rechtshemisphärisch (s. Abbildung 15) bei den Patienten relevante Unterschiede bestehen zwischen inkongruenter Homonym-Bedingung und inkongruenter Nicht-Homonym-Bedingung einerseits und zwischen kongruenter Homonym-Bedingung und kongruenter Nicht-Homonym-Bedingung andererseits. Im Fisher-LSD-Test zeigen sich die entsprechenden Befunde: Linkshemisphärisch lassen sich zwischen Homonym- und Nicht-Homonym-Bedingung keine signifikanten Differenzen zeigen; rechtshemisphärisch werden jedoch bei den Patienten die Unterschiede zwischen inkongruenter Homonym-Bedingung und inkongruenter Nicht-Homonym-Bedingung - 52 - 3 Ergebnisse (p= 0,012) und zwischen kongruenter Homonym-Bedingung und kongruenter NichtHomonym-Bedingung (p= 0,048) jeweils signifikant. Für die Kontrollen hingegen lassen sich signifikante Differenzen weder links- noch rechtshemisphärisch zeigen. Auf diesen definierten Unterschied wird ebenfalls in der Diskussion eingegangen werden. 4 Fläche unter der Grand-Average-EKP-Kurve 3 2 1 0 -1 -2 -3 Hom NHom Inkongruenzbedingung Hom NHom Kongruenzbedingung Patienten Kontrollen Abbildung 14: Darstellung der Unterschiede in den EKP-Verläufen der 4 Bedingungen linkshemisphärisch bei Patienten und Kontrollen. Die Balken zeigen 95%-Konfidenzintervalle an. Hom = Homonym-Bedingung; NHom = Nicht-Homonym-Bedingung. EKP = ereigniskorreliertes Potential. - 53 - 3 Ergebnisse 4 Fläche unter der Grand-Average-EKP-Kurve 3 2 1 0 -1 -2 -3 Hom NHom Inkongruenzbedingung Hom NHom Kongruenzbedingung Patienten Kontrollen Abbildung 15: Darstellung der Unterschiede in den EKP-Verläufen der 4 Bedingungen rechtshemisphärisch bei Patienten und Kontrollen. Die Balken zeigen 95%-Konfidenzintervalle an. Hom = Homonym-Bedingung; NHom = Nicht-Homonym-Bedingung. EKP = ereigniskorreliertes Potential. 3.3 Ergebnisse der Aufgaben zum Arbeitsgedächtnis (2-backAufgabe und Zahlennachsprechen) Die in Abschnitt 2.3 beschriebene Aufgabe zum Arbeitsgedächtnis, die von sämtlichen Probanden zusätzlich bearbeitet wurde, um einen möglichen Einfluss von unterschiedlichen Arbeitsgedächtniskapazitäten auf die Versuchsergebnisse festzustellen, wurde ebenfalls bezüglich der Rektionszeiten und Fehlerraten ausgewertet. Die Ergebnisse der deskriptiven Auswertung dieser Aufgabe im Vergleich mit der Kontrollbedingung, bei der die Probanden immer dann reagieren mussten, wenn ein X auf dem Bildschirm erschien, sind im Folgenden dargestellt. - 54 - 3 Ergebnisse 600 Patienten 500 Kontrollen 400 300 200 100 0 2-back-Aufgabe Kontrollbedingung Bedingung Abbildung 16: Mittlere Reaktionszeiten der Patienten und Kontrollprobanden in der 2-back-Aufgabe und der Kontrollbedingung (mit Standardfehlern). 0.12 Patienten 0.1 Kontrollen 0.08 0.06 0.04 0.02 0 2-back-Aufgabe Kontrollbedingung Bedingungen Abbildung 17: Mittlere Fehlerraten der Patienten und Kontrollprobanden in der 2-back-Aufgabe und der Kontrollbedingung (mit Standardfehlern). Analog zu der Auswertung der Verhaltensdaten wurde auch hier eine mehrfaktorielle Varianzanalyse angeschlossen, um die statistische Signifikanz der beobachteten Mittelwertsunterschiede zu untersuchen. Die Faktoren waren hierbei wiederum die Gruppenzugehörigkeit (Patienten, Kontrollen) und außerdem der Aufgabentyp (Bestimmung der Arbeitsgedächtnis-Leistung („2-back“), Kontrollaufgabe). - 55 - 3 Ergebnisse Tabelle 10: Ergebnisse der mehrfaktoriellen Varianzanalyse mit den Faktoren Gruppe und Aufgabentyp in Bezug auf die Reaktionszeiten. Gruppe Aufgabentyp Aufgabentyp*Gruppe F(1, 40) – Wert 6,879 43,864 0,260 p-Wert 0,012 0,000 0,613 Tabelle 11: Ergebnisse der mehrfaktoriellen Varianzanalyse mit den Faktoren Gruppe und Aufgabentyp in Bezug auf die Fehlerraten. F(1, 40) -Wert Gruppe Aufgabentyp Aufgabentyp*Gruppe p-Wert 2,806 0,102 35,318 0,082 0,000 0,776 Es zeigt sich hierbei erwartungsgemäß ein Haupteffekt für den Faktor Aufgabentyp, d.h. unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit bestanden längere Antwortlatenzen (p=0,000) und mehr falsche Antworten (p=0,000) für die arbeitsgedächtnisspezifische „2-back“Aufgabe als für die Kontrollaufgabe, die lediglich das Reagieren auf ein auf dem Bildschirm erscheinendes x erforderte. Die Patientengruppe reagierte signifikant langsamer als die Kontrollgruppe; die im Mittel höheren Fehlerraten in der Patientengruppe erreichten aber keine statistische Signifikanz (p=0,102). Ein Interaktionseffekt der Faktoren Gruppe und Aufgabentyp konnte nicht gezeigt werden. Damit gibt es keinen Anhaltspunkt für eine aufgabenspezifisch schlechtere Performanz der Patienten, die eine schlechtere Arbeitsgedächtniskapazität nahe legen würde, sondern es ist lediglich von im Mittel langsameren Reaktionen in dieser Gruppe auszugehen. Für den Test „Zahlennachsprechen“, einen Subtest des HAWIE-R (s. Abschnitt 2.3), der ebenfalls die Arbeitsgedächtnis-Leistung der Probanden abbilden soll, wurde zur Untersuchung auf bedeutsame Unterschiede zwischen den beiden Gruppen Mittelwerte und Standardabweichungen für die erreichte Punktzahl im Test berechnet (jeweils für die Kategorien „Zahlenreihen vorwärts wiederholen“, „Zahlenreihen rückwärts wiederholen“ und den Summenscore) und ein T-Test für unabhängige Stichproben durchgeführt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 12 dargestellt. - 56 - 3 Ergebnisse Tabelle 12: Ergebnisse des Tests „Zahlennachsprechen“ in Patienten- und Kontrollgruppe sowie Ergebnisse des T-Test für unabhängige Stichproben zum Gruppenvergleich. Mw = Mittelwert; SD = Standardabweichung. Vorwärts Patienten: Mw (SD) 8,00 (2,35) Kontrollen: Mw (SD) 8,25 (2,30) TWert -0,33 pWert 0,74 Rückwärts 5,93 (2,37) 6,89 (2,15) -1,33 0,19 Summe 13,93 (4,39) 15,14 (4,17) -0,87 0,39 Damit erreichten die Kontrollprobanden insgesamt und in den beiden Kategorien im Mittel mehr Punkte als die Patienten. Dieser Gruppenunterschied erreichte keine statistische Signifikanz Zusammenfassend ist auf Basis dieser Ergebnisse nicht davon auszugehen, dass differierende Ergebnisse im Hauptexperiment maßgeblich auf unterschiedliche Arbeitsgedächtniskapazitäten zurückzuführen sind, auch wenn die Leistungen der Kontrollprobanden in allen entsprechenden Tests im Mittel besser waren als die der Patienten. 3.4 Korrelationen einiger psychometrischer Daten mit den Testergebnissen Im Folgenden soll noch der Zusammenhang einer Reihe weiterer Variablen mit den Ergebnissen im Hauptexperiment quantifiziert werden. Dabei werden diejenigen Variablen untersucht, für die ein Zusammenhang mit der Performanz im Hauptexperiment, ausgedrückt in Reaktionszeiten und Fehlerraten, plausibel erscheint. Dies sind, bei den Patienten, die Gesamtpunktzahl im BPRS als Ausdruck des Schweregrads der psychiatrischen Symptomatik, die YMRS-Punktzahl als Ausdruck der Schweregradausprägung manischer Symptome, und als Ausdruck der Ausprägung formaler Denkstörung der Punktwert in der Subskala „formale Denkstörungen“ im BPRS sowie die Punktzahl im Test „Interpretation von Sprichwörtern“. Die Ergebnisse sind in Tabelle 13 dargestellt. - 57 - 3 Ergebnisse Tabelle 13: Korrelationskoeffizienten (Produkt-Moment-Korrelationen nach Pearson) für einige psychometrische Daten der Patienten mit den Verhaltensdaten im Experiment. Signifikante Korrelationen sind mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet. BPRS = Brief Psychiatric Rating Scale (s. Anhang 7.32); YMRS = Young Mania Rating Scale (s. Anhang 7.31). Reaktionszeiten BPRS Gesamtpunktzahl YMRS - Punktzahl BPRS – Subskala Denkstörungen – Punktzahl SprichwörterInterpretation Punktzahl Fehlerraten 0,38 0,17 0,35 0,18 0,36 0,23 -0,41 -0,66* Es zeigt sich, dass die Richtung des Zusammenhangs für alle berechneten Korrelationen erwartungsgemäß ausfällt, indem hohe Punktzahlen in den klinischen Ratingskalen mit höheren Werten für sowohl Reaktionszeiten als auch Fehlerraten vergesellschaftet sind, während eine hohe Punktzahl in der Aufgabe zur Interpretation von Sprichwörtern (was einer geringen Ausprägung formaler Denkstörungen entspricht) mit kürzeren Reaktionszeiten und niedrigeren Fehlerraten einhergeht. Eine signifikante Korrelation liegt jedoch nur für den Zusammenhang der erreichten Punktzahl im Test „Interpretation von Sprichwörtern“ und den Fehlerraten vor (r = -0,66, p < 0,05). Hierin zeigt sich also ein signifikanter Zusammenhang mit einem Instrument zur Erfassung formaler Denkstörungen und der Performanz im Experiment. Als weiteres Maß für die Performanz im Experiment, neben den mittleren absoluten Reaktionszeiten und Fehlerraten, wurden die mittleren Interferenzen der Reaktionszeiten und Fehlerraten berechnet: Diese stellen Maße für die ambiguitätsassoziierte Erschwernis in der Aufgabenbearbeitung bei einzelnen Versuchspersonen dar und wurden als Differenzen aus den ambiguen und den nicht-ambiguen mittleren Reaktionszeiten und Fehlerraten berechnet (d.h. jeweils IH – IN und CH – CN): Hohe Interferenzen im Sinne starker Verlangsamung und stark erhöhter Fehlerraten in ambiguen versus nicht-ambiguen Bedingungen können als eine geringere Fähigkeit zur Inhibition interpretiert werden. Diese Interferenzwerte wurden wiederum auf ihre Korrelation mit dem Schweregrad allgemeinpsychiatrischer (erfasst mittels BPRS) und spezifisch-manischer (erfasst mittels YMRS) Symptomatik sowie der Ausprägung formaler Denkstörung (BPRS-Subskala „formale Denkstörungen“ sowie Punktwert der „Interpretation von Sprichwörtern“) hin untersucht. - 58 - 3 Ergebnisse Tabelle 14: Korrelationskoeffizienten (Produkt-Moment-Korrelationen nach Pearson) für einige psychometrische Daten der Patienten mit den Interferenzwerten der Verhaltensdaten im Experiment. Signifikante Korrelationen sind mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet. BPRS = Brief Psychiatric Rating Scale (s. Anhang 7.32); YMRS = Young Mania Rating Scale (s. Anhang 7.31). Interferenz Reaktionszeiten BPRS – Gesamtpunktzahl YMRS - Punktzahl BPRS – Subskala Denkstörungen – Punktzahl SprichwörterInterpretation Punktzahl Interferenz Fehlerraten 0.45 0.05 0.10 -0.11 0.24 0.13 -0.28 -0.57* Die Richtung der Korrelationen ist hier wiederum größtenteils erwartungsgemäß, insofern, als hohe Interferenzwerte mit einer ausgeprägteren klinischen Symptomatik korreliert sind. Statistische Signifikanz erreicht allerdings nur die Korrelation zwischen der Intereferenz der Fehlerraten und der Punktzahl im Test „Interpretation von Sprichwörtern“ (r = -0,57, p < 0,05), womit zumindest für eines der Instrumente zur Erfassung formaler Denkstörungen ein signifikanter Zusammenhang mit der ambiguitätsspezifischen Performanz im Experiment gezeigt werden. Andererseits besteht ebenfalls eine geringe negative Korrelation zwischen der Interferenz der Fehlerraten und der Punktzahl in der YMRS; demnach wäre eine höhere Ausprägung der manischen Symptomatik eher mit geringeren Interferenzen assoziiert. Zusammenfassend kann also auf Grundlage der berechneten Korrelationen kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Leistung im Hauptexperiment mit der Ausprägung psychiatrischer Symptomatik allgemein oder manieassoziierter Symptomatik gezeigt werden. Bei allen Probanden wurde ferner die Korrelation der erreichten Punktzahl im WST und der Gesamtpunktzahl im Test „Zahlennachsprechen“ des HAWIE-R mit den Verhaltensdaten im Hauptexperiment errechnet. Die Ergebnisse sind im Folgenden dargestellt (Tabelle 15). Tabelle 15: Korrelationskoeffizienten (Produkt-Moment-Korrelationen nach Pearson) für die Punktzahlen im WST und dem Test „Zahlennachsprechen“ mit den Verhaltensdaten im Experiment. Signifikante Korrelationen sind mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet. WST = Wortschatztest (s. Anhang 7.21). WST – Punktzahl Zahlennachsprechen Reaktionszeiten -0,27 0,10 Fehlerraten -0,44* -0,18 - 59 - 3 Ergebnisse Es zeigen sich wiederum größtenteils erwartungsgemäße Richtungen des Zusammenhangs, indem eine hohe Punktzahl im WST, der die verbale Intelligenz misst, einhergeht mit geringeren Reaktionszeiten und niedrigeren Fehlerraten. Auch eine hohe Punktzahl im Test „Zahlennachsprechen“ geht mit niedrigeren Fehlerraten, jedoch auch mit längeren Reaktionszeiten einher. Signifikant ist hierbei nur der Zusammenhang zwischen Punktzahl im WST und Fehlerraten (r=-0,44, p < 0,05). Damit konnte nicht gezeigt werden, dass die Arbeitsgedächtnisleistung maßgeblich mit dem Abschneiden der Probanden im Hauptexperiment zusammenhängt. Für die verbale Intelligenz, erfasst mittels des WST, konnte ein solcher Zusammenhang partiell gezeigt werden. Unabhängige T-Tests für den WST-Score ergaben jedoch keine signifikanten Gruppenunterschiede, sodass davon ausgegangen werden darf, dass die gefundenen signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen nicht auf Unterschiede in der verbalen Intelligenz der Teilnehmer zurückzuführen sind. - 60 - 4 Diskussion 4. Diskussion Im Folgenden sollen zunächst die Ergebnisse der Verhaltensdaten diskutiert werden, unter Berücksichtigung der zusätzlich untersuchten Einflussgrößen wie der Arbeitsgedächtnisleistung und weiterer psychometrischer Daten. Im Anschluss werden die EKP-Ergebnisse auf Wort 2 und Wort 3 besprochen. 4.1 Ambiguitätsresolution auf der Verhaltensebene Bezüglich der Verhaltensdaten, d.h. der Reaktionszeiten und Fehlerraten, ließ sich eine insgesamt schlechtere Performanz der Patienten konstatieren – diese reagierten im Mittel langsamer und machten mehr Fehler, und dieser Unterschied erwies sich als statistisch signifikant. Allerdings zeigte sich kein differenzieller Unterschied der bipolaren Patienten zu den Kontrollen in den Homonym-Bedingungen, d.h. kein Homonymie*Gruppen-Effekt. Basierend auf der Annahme, dass die bipolaren Patienten über ein semantisches Inhibitionsdefizit verfügen und deswegen weniger gut in der Lage sind, die in den Homonym-Bedingungen erzeugte Interferenz durch spezifische Inhibitionsprozesse zu reduzieren, wäre ein solcher Effekt zu erwarten gewesen. Die Patienten hätten, gemäß Hypothese 2 (s. Abschnitt 1.4), größere Schwierigkeiten als die Kontrollen haben müssen, durch Inhibition ein ausreichendes Aktivierungsgefälle zwischen der kontextuell passenden und der inadäquaten Homonymbedeutung herzustellen, was zu einer besonderen Erschwernis der semantischen Passungsentscheidung hätte führen sollen, und damit zu einer ausgeprägteren Verlängerung der Reaktionszeiten bzw. erhöhten Fehlerraten in den Homonym-Bedingungen. Entsprechende ambiguitätsassoziierte Reaktionszeiterhöhungen fanden sich z.B. in der Untersuchung von Gernsbacher et al. (1990). Dort fand sich beim Vergleich von Probanden mit guter und weniger guter allgemeiner Verstehensleistung eine größere semantische Interferenz bei Probanden mit schlechter Verstehensleistung. Wood und Kollegen (2001) fanden einen solchen differenziellen Befund bei Personen mit hoher Ängstlichkeit – diese zeigten eine größere semantische Interferenz als Kontrollprobanden, wenn eine zusätzliche mentale Belastung während der Bearbeitung der Aufgabe erfolgte. - 61 - 4 Diskussion Dass das Paradigma prinzipiell dazu geeignet ist, semantische Inhibition zu untersuchen, wird durch den hochsignifikanten, gruppenunabhängigen Homonymieeffekt verdeutlicht: Das Auftreten von Inhibitionsprozesse setzt vermutlich eine ausreichend starke Interferenz voraus, indem diese die Inhibitionsprozesse induziert (Shivde et al. 2001). Die vorliegende Studie ist darauf ausgelegt gewesen, eine solche starke Interferenz zu generieren, indem stets die subdominante der beiden Homonymbedeutungen kontextuell gebahnt wurde. In diesen Fällen ist von einer Situation auszugehen, in der eine starke Aktivierung beider Homonymbedeutungen vorliegt (Lee et al. 2009) und eine „Kompetition“ um Selektion besteht (Duffy et al. 2001). Die signifikant längeren Reaktionszeiten in den Bedingungen mit Homonymen sind also derart zu deuten, dass es gelungen ist, Interferenz zu generieren, denn Interferenz zeichnet sich eben durch diesen beobachtbaren Effekt einer verlangsamten Verarbeitung aus (MacLeod 2007). Der Nachweis einer stattgehabten Inhibition kann verständlicherweise anhand der Verhaltensdaten allein nicht erbracht werden, es ist aber davon auszugehen, dass Inhibition durch die erzeugte Interferenz erforderlich wurde (Shivde et al. 2001). Aufgrund des fehlenden Nachweises von Gruppenunterschieden ist daher davon auszugehen, dass ein ausgeprägtes Defizit in der semantischen Inhibition bei bipolarmanischen Patienten nicht besteht, zumindest nicht bei der im Mittel sehr moderaten Ausprägung manischer Symptome: Die Punktzahl in der YMRS zur Erfassung manischer Symptome betrug im Mittel 16 Punkte (von maximal zu erreichenden 60 Punkten), damit sind die untersuchten Probanden vor dem Hintergrund, dass bereits bei Werten von unter 4 von einer vollständigen Remission auszugehen ist (Berk et al. 2008), als moderat erkrankt einzustufen. Dies ist definitiv eine methodische Limitation der Studie. Der vorrangige Einschluss wenig akut erkrankter Patienten ergab sich daraus, dass die Probanden über einen längeren Zeitraum zur konzentrierten Mitarbeit fähig sein mussten und insbesondere auch in der Lage sein mussten, die für die störanfällige EEG-Aufzeichnung erforderliche motorische Ruhe aufzubringen. Die Akuität der bipolaren Erkrankung stellt selbstverständliche eine wichtige Einflussgröße bei der Untersuchung kognitiver Funktionen dar (Cerullo et al. 2009, Quraishi et al. 2002); es ist daher nicht auszuschließen, dass bei Durchführung der Studie mit Patienten mit stärkerer Ausprägung manischer Symptomatik ein solcher spezifischer Unterschied hätte nachgewiesen werden können. Allerdings ergibt sich auf Grundlage der zusätzlich berechneten Korrelationen der Leistung im Experiment mit Maßen der Symptomausprägung allgemeinpsychiatrischer und - 62 - 4 Diskussion manieassoziierter Symptome mittels BPRS und YMRS kein spezifischer Anhalt für eine solche Vermutung. Ein weiterer Grund für den fehlenden Nachweis einer beeinträchtigten HomonymieVerarbeitung bei bipolaren Paienten mag die kleine Stichprobengröße sein. Allerdings sollte, sofern ein Defizit in der inhibitorischen Verabeitung ein charakteristisches Symptom der Erkrankung ist, ein solcher Unterschied mithin durch die verwendete Probandenanzahl nachweisbar sein. – Beide Gruppen unterschieden sich nicht in Hinblick auf mögliche konfundierende Variablen wie die Arbeitsgedächtnisleistung, den Bildungsgrad, die verbale Intelligenz oder das Alter, die andernfalls einen vorhanden Unterschied zwischen beiden Gruppen hätten überdecken können (vgl. Abschnitte 2.1, 3.3). Die Verhaltensdaten legen also nicht nahe, dass in der Patientengruppe ein bedeutsames Defizit in der semantischen Inhibition besteht. Interessant wäre ein Vergleich mit den Ergebnissen schizophrener Patienten in diesem Paradigma, denn falls für diese Gruppe der Nachweis eines semantischen Inhibitionsdefizits gelänge, würde sich daraus ein Anhaltpunkt zur diagnostischen Differenzierung ergeben. Die insgesamt schlechtere Performanz der Patienten bezüglich der Reaktionszeiten im Experiment ist damit als unspezifisch und als Ausdruck allgemeiner krankheitsbedingter kognitiver Einbußen zu werten; derartige allgemeine kognitive Beeinträchtigung im Rahmen der Erkrankung sind zumindest während akuter Episoden beider Polaritäten (d.h. in manischen wie depressiven Episoden) für bipolare Patienten beschrieben (Quraishi et al. 2002). Auch kann es sich dabei um einen Einfluss der Medikation, insbesondere der Neuroleptika, handeln, die die Mehrzahl der Probanden zum Studienzeitpunkt erhielten. Für diese Medikamentengruppe fand etwa Frangou (2005) einen negativen Zusammenhang mit der Leistung in verschiedenen kognitiven Tests, der möglicherweise durch eine Reduktion der Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung durch diese Substanzklasse bedingt sei. In Bezug auf die Fehlerraten ist daneben auch eine vermehrte Ablenkbarkeit und mangelnde Konzentration als Erklärung anzunehmen; beides sind charakteristische Symptome der manischen Episode. Schließlich bestand bezüglich der Verhaltensdaten noch ein statistischer Trend, demzufolge die bipolaren Patienten in der kongruenten Homonym-Bedingung relativ verlangsamt waren, die Kontrollen hingegen in der inkongruenten Homonym-Bedingung relativ verlangsamt waren. Ein semantisches Inhibitionsdefizit dürfte sich am - 63 - 4 Diskussion ausgeprägtesten in einer Verlangsamung in der inkongruenten Homonymen-Bedingung zeigen, da hier eine semantische Relation des Zielwortes zur zu inhibierenden dominanten Homonymbedeutung besteht. Bei einer unzureichenden Inhibition der dominanten Homonymbedeutung wäre anzunehmen, dass die hierdurch weiterhin bestehende Interferenz die Zurückweisung des semantischen nicht zum Bedeutungsfeld des vorangegangenen Wortpaares passenden Zielreizes erschwert, da letzterer zusätzlich mit der kontextuell nicht gebahnten Homonymbedeutung assoziiert ist. Die Patienten aber zeigen den Trend einer differentiellen Verlangsamung eben nicht in dieser Bedingung, sondern in der kongruenten Homonym-Bedingung. Dieser Befund ist mit der Annahme eines manifesten semantischen Inhibitionsdefizits bei den Bipolaren schlichtweg nicht vereinbar. Diese Hypothese muss daher verworfen werden. Denkbar zur Erklärung der vorliegenden Ergebnisse wäre allenfalls noch, dass ein latentes Defizit bei den Bipolaren überkompensiert wird, etwa durch besondere kognitive Anstrengung oder auch durch das Wirken antipsychotischer Medikation. Dieser Aspekt könnte noch einmal vor dem Hintergrund der Interpretation der EKP-Ergebnisse interessant werden. Möglicherweise unterscheiden sich bipolare Patienten von gesunden Probanden hier auch lediglich sehr subtil in ihren Verarbeitungsstrategien: Dort, wo die Ambiguität in höherem Maße in der Aufgabe ersichtlich wird (inkongruente Homonymbedingung: das Homonym ist in seiner subdominanten Bedeutung mit dem Prime-Wort, in seiner dominanten Bedeutung mit dem Zielwort semantisch relatiert) zeigten die bipolare Patienten relativ schnelle Reaktionen – möglicherweise detektieren sie Ambiguität besser als gesunde Probanden und profitieren in dieser Bedingung davon. Dort aber, wo die Ambiguität in der Aufgabe weniger gut ersichtlich ist (kongruente Bedingung: das Homonym ist in seiner subdominanten Bedeutung sowohl mit dem Prime-Wort als auch mit dem Zielwort semantisch relatiert), ist eine übermäßige Fokussierung auf die Ambiguität, als z.B. das bewusste Erfassen und „Mitdenken“ der dominanten Homonymbedeutung eher kontraproduktiv um die Aufgabe rasch zu lösen. – Zwar ist es, im Sinne der Aufgabenstellung, nie explizit erforderlich, semantische Ambiguitäten als solche bewusst wahrzunehmen, es ist aber denkbar, dass dies als kognitive Strategie genutzt werden kann, die in der einen Homonym-Bedingung (IH) zielführender ist als in der anderen (CH). Die bipolaren Patienten hätten demnach die Tendenz, semantische Ambiguitäten stärker wahrzunehmen und bewusster bzw. kontrollierter zu verarbeiten als gesunde Probanden. - 64 - 4 Diskussion 4.2 EKP auf Wort 2 Die Untersuchung der ereigniskorrelierten Potentiale 200-250 ms nach dem Beginn der Darbietung von Wort 2 auf Unterschiede zwischen ambiguen und nicht-ambiguen Bedingungen soll Korrelate der inhibitorischen Prozesse bei der Auflösung semantischer Mehrdeutigkeit liefern. Von Interesse sind vor allem Gruppenunterschiede zwischen bipolaren Patienten und Kontrollen in diesen elektrophysiologischen Korrelaten. Solche Gruppenunterschiede in den EKPs sind, aufgrund ihrer andersartigen Qualität, auch bei Fehlen von Gruppenunterschieden in den Verhaltensdaten möglich und interpretatorisch wertvoll. Wie in Abschnitt 1.3 beschrieben, liegen der Auswahl eines Zeitfensters von 200-250 ms nach Beginn der Darbietung von Wort 2 einerseits allgemeine Annahmen über den zeitlichen Verlauf der Ambiguitätsresolution zugrunde (vgl. Harley 2008, Gunter et al. 2003), andererseits entspricht dieses Zeitfensters der N2 bzw. N200 und damit einer Komponente, die bisher in verschiedenen Inhibitionsparadigmen moduliert werden konnte. Insbesondere konnte durch Variation der Anforderungen an kognitive Kontrolle eine Modulation der anterioren N2 erreicht werden (Folstein et al. 2008), die durch die Verwendung eines frontalen Elektrodenclusters auch in dieser Studie untersucht werden soll. Wie im Ergebnisteil dieser Arbeit (Abschnitt 3.2) dargestellt, zeigte sich im gewählten Zeitfenster erwartungsgemäß ein hochsignifikanter Unterschied bezüglich der Region, mit stärkerer Negativität in der frontalen gegenüber einer zentroparietalen Referenzregion. Dies ist konsistent dazu, dass frontale Areale einen großen Anteil an der Entstehung der N2 haben sollen. Dabei wird die frontale Negativität nicht nur durch Prozesse der kognitiven Kontrolle moduliert, sondern auch durch Prozesse der visuellen Aufmerksamkeit (Folstein et al. 2008), die in Homonym- und Nicht-HomonymBedingungen in gleichem Maße zum Tragen kommen sollten. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass auch in den Nicht-Homonym-Bedingungen eine deutliche Negativität in dem gewählten Zeitfenster besteht. Zudem wurde ein statistischer Trend für den Faktor Homonymie gefunden, indem sich eine stärkere Negativität gruppenübergreifend in den Homonym-Bedingungen ausdrückt. Dies gibt einen ersten Hinweis darauf, dass die Homonyme andere, höchstwahrscheinlich größere Anforderungen an die semantische Verarbeitung stellen als nicht-ambigue Wörter. - 65 - 4 Diskussion Noch aussagekräftiger ist der gefundene Effekt einer hochsignifikanten Interaktion zwischen Region und Homonymie. So zeigt sich eine deutlich ausgeprägtere Negativität in den Homonymie- gegenüber den Nicht-Homonymiebedingungen an frontaler Lokalisation. Wie in der Einleitung (Abschnitt 1.1) erläutert, erscheint es plausibel, dass die im Rahmen der semantischen Ambiguitätsresolution postulierten Inhibitionsprozesse unter einer großen Gruppe von Inhibitionsprozessen subsummiert werden können, die neben aufgabenspezifischen neuronalen Aktivierungsmustern ein gemeinsames neurokognitives Substrat haben. Als deren elektrophysiologisches Korrelat kann die N2 verstanden werden. In der vorliegenden Untersuchung wurde an der für diese Komponente charakteristischen Lokalisation ein selektiver Unterschied in Bedingungen gefunden, die nach unserem Verständnis Inhibitionsprozesse erforderlich machen und solchen, die dies nicht tun. Interessant sind in diesem Zusammenhang Studien, die ebenfalls die Inhibition semantischer Inhalte untersuchten. Hierzu lässt sich eine Reihe von fMRT-Studien anführen, die eine ambiguitätsassozierte Mehraktivität in umschriebenen frontalen Regionen fanden (Bilenko et al. 2009, Mason et al. 2007, Hoenig et al. 2009, Rodd et al. 2005). Hingegen exisitiert bislang lediglich eine überschaubare Anzahl von Arbeiten zu elektrophysiologischen Korrelaten semantischer Ambiguitätsresolution: Eine frontale Negativität mit Beginn um 200 ms fanden Lee und Kollegen (Lee et al. 2009) in einer Studie mit Substantiv/Verb-Homonymen („watch“ etwa ist im englischen nicht nur semantisch, sondern auch syntaktisch ambigue, indem es entweder als Verb oder als Substantiv fungieren kann), die sie als Korrelat der Verarbeitung semantischer Ambiguität interpretierten. Allerdings fanden sie derartige frontale Negativität nur dann, wenn der Kontext lediglich eine syntaktische Begrenzung bot, nicht aber bei gleichzeitigem Vorliegen einer semantischen kontextuellen Begrenzung, wie sie in der vorliegenden Arbeit verwendet wurde. Ebenfalls fanden sowohl Verhoef et al. (2009) als auch Jackson et al. (2001) bei Studien mit Bilingualen in einem „Language-Switching“-Paradigma, einer Aufgabe, in der Probanden Objekte mal in der einen, mal in der anderen Sprache benennen sollen, eine frontale Negativität. Diese interpretierten sie als N2 und als Korrelat einer spezifischen Inhibition, mit enger Beziehung zu der in der Go/No-Go Task beschriebenen „response inhibition“. Die beobachtete Negativität hatte allerdings eine spätere Latenz als in unserer Studie für die N2 vermutet; sie lag in beiden Studien bei ca. 320 ms. Erwähnenswert sind diese Befunde, weil für die Prozesse, die der Auswahl eines Wortes in einer Sprache des Bilingualen zugrundegelegt werden, sehr ähnlich sind zu jenen, die der Auswahl einer von - 66 - 4 Diskussion mehreren möglichen Homonymbedeutung zugrundegelegt werden: Auch hier geht man davon aus, dass ein Proband, der ein Objekt in einer seiner beiden Sprachen benennen soll, initial die entsprechenden phonologischen Formen in beiden Sprachen aktiviert und dann die kontextuell geforderte Phonologie selegiert. Dabei wird ebenfalls das Konzept der Interferenz und das der durch sie ausgelösten Inhibition der störenden phonologischen Form bemüht (Levy et al. 2007). Insbesondere war die als N2 interpretierte Negativität in der Studie von Jackson sensibel dafür, ob Probanden ihre L1-Sprache, d.h. die länger und besser beherrschte Sprache, unterdrücken mussten (L1-L2-Switch), oder ihre L2-Sprache, die weniger gut beherrscht wurde (L2-L1-Switch): Die Negativität war im ersten Fall ausgeprägter, was die Autoren plausiblerweise auf die in dieser Bedingung größere Interferenz zurückführten. Weil die L1-Sprache stärker präsent ist als die L2-Sprache, nimmt sie einen größeren störenden Einfluss auf Verarbeitungsprozesse in der anderen Sprache und erfordert damit eine stärkere Inhibition; diese Theorie, die auch der Erklärung beobachteter asymmetrischer „switching costs“ zwischen den Sprachen dient, wird auch von anderen Autoren (z.B. Meuter et al. 1999) vertreten und stellt eine ausgezeichnete Analogie zur Verarbeitung dominanter versus subdominanter Homonymbedeutungen dar. Auch hier kann von unterschiedlichen Anforderung an die Inhibitionsfähigkeit ausgegangen werden, und entsprechend zeigen sich etwa in der unter Abschnitt 1.2 bereits beschriebenen Studie von Shivde und Kollegen (2001) auch Belege einer stattgehabten Inhibition lediglich dann, wenn die Verarbeitung der subdominanten Homonymbedeutung erfoderlich war und die dominante Homonymbedeutung ignoriert werden musste; hingegen ließ sich bei Verarbeitung der dominanten Wortbedeutung eine Inhibition der subdominanten Homonybedeutung im Nachhinein nicht mehr nachweisen – wohl, weil diese aufgrund ihres geringen störenden Einflusses (entsprechend einer geringen Interferenz) eine Inhibition nicht erfoderlich gemacht hatte. Da in der vorliegenden Arbeit ebenfalls stets die Verarbeitung subdominanter Homonymbedeutungen gebahnt wurde und auch selektionsrelevant war, ist der Effekt einer stärkeren frontalen Negativität in den Homoymbedingungen zu erwarten. Die vorgestellten Befunde liefern weitere Belege dafür, dass die Prozesse der semantischen Inhibition, die hier Gegenstand des Interesses sind, sich am besten in dem gewählten Zeitfenster an frontalen Elektroden untersuchen lassen sollten. Die Ausprägung der frontalen Negativität sollte dann ferner sensibel sein für etwaige Unterschiede in den Inhibitionsprozessen beider Gruppen: Wenn sich in der Amplitude der N2 die Stärke von Inhibitionsprozessen spiegelt, sollte bei Vorliegen eines Inhibitionsdefizits eine - 67 - 4 Diskussion Amplitudenreduktion der N2 die naheliegende Folge sein (vgl. Abschnitt 1.4, Hypothese 3). Es wurde überdies ein hochsignifikanter Hemisphären*Homonymie-Interaktionseffekt gefunden, bedingt durch eine stärkere Negativität linkshemisphärisch. Dieser stützt die Vermutung einer größeren Bedeutung der linken als der rechten Hemisphäre für die Prozesse, die der Auswahl der adäquaten Homonymbedeutung zugrunde liegen. Dies ist konsistent zu den Ergebnissen von beispielsweise Faust und Kollegen (1996) in einer Untersuchung, bei der sie Probanden Sätze präsentierten, die z.T. mit einem Homonym endeten. Dann präsentierten sie den Probanden ein einzelnes Testwort, dieses jedoch isoliert im rechten bzw. linken visuellen Feld, so dass es dementsprechend eine vorrangige Verarbeitung in der linken (bei Darbietung rechts) bzw. rechten (bei Darbietung links) Hemisphäre erfuhr. Die Probanden sollten eine rasche Entscheidung darüber treffen, ob das Testwort mit der Bedeutung des vorhergehenden Satzes zusammenhing oder nicht. Die SOA wurde variiert und betrug entweder 100 ms oder 1000 ms. Von Interesse waren dabei die Reaktionszeiten in den Bedingungen, in denen eine semantische Relation nicht gegeben war; dabei bestand für das Testwort in den Sätzen, die ein Homonym enthielten, eine semantische Relation mit der im Satz kontextuell nicht passenden Homonymbedeutung. Dies bedingte das Auftreten von Interferenzeffekten, also verlängerten Reaktionszeiten auf unpassende Testwörter nach ambiguen gegenüber inambiguen Sätzen. Es zeigte sich, dass die Probanden nach 100 ms eine deutliche Interferenz erfuhren. Dieser Interferenzeffekt war nach 100 ms unabhängig davon, in welchem visuellen Feld das Testwort dargeboten wurde. Nach 1000 ms zeigte sich eine Reduktion dieser Interferenz, wenn das Testwort rechtseitig dargeboten und damit primär linkshemisphärisch verarbeitet wurde, während sich bei linksseitiger Darbietung kein solcher Effekt mehr nachweisen ließ. Faust und Kollegen folgerten, dass die linke Hemisphäre effizienter in der Inhibition kontextuell nicht passender Bedeutungen sei. Eine ähnliche Aussage erlaubt auch eine Studie von Burgess und Kollegen (1988), in der ebenfalls Hinweise auf eine Hemisphärenspezifität von Primingeffekten für dominante und subdominante Homonymbedeutungen gefunden werden konnten: In dieser Studie wurden u.a. Primingeffekte auf Targets untersucht, die mit der subdominanten Bedeutung eines zuvor präsentierten Homonyms semantisch relatiert waren. Diese Targets wurde über visuelle Halbfeldstimulation selektiv rechtshemisphärisch oder linkshemisphärisch präsentiert. Bei Verwendung einer längeren SOA (750 ms) fanden sich Primingeffekte nur noch rechtshemisphärisch, während linkshemisphärisch sogar negatives Priming (d.h. eine verzögerte Reaktion auf das Taget) - 68 - 4 Diskussion beobachtet werden konnte. Offenbar war die subdominante Bedeutung linkshemisphärisch inhibiert worden. Dieser Befund wird ebenfalls gestützt durch eine Studie von Copland et al. (2009), in der bei Probanden mit linkshemisphärischer Läsion gleich bleibendes Priming für die kontextuell passende und unpassende Homonymbedeutung gefunden wurde, anders als bei gesunden Kontrollen, bei denen mit einiger Latenz nur noch Priming für die kontextuell passende Homonymbedeutung zu beobachten war. Diese Befunde sind vereinbar mit einem unbeeinträchtigten semantischen Zugriff auf die Homonymbedeutungen durch die intakte rechte Hemisphäre und einer defizitären Inhibition durch die geschädigte linke Hemisphäre. Schließlich lassen sich auch hier wieder bildgebende Befunde anführen, die eine ambiguitätsassoziierte Mehraktivierung im Bereich des PFC stärker links- als rechtshemisphärisch beobachteten (Mason et al. 2007, Hoenig et al. 2009, Rodd et al. 2005). Auch eine PET-Untersuchung einer Teilaufgabe der zuvor erwähnten HaylingSentence-Completion-Task (vgl. Abschnitt 1.2), die ebenfalls Prozesse der semantischen Inhibition abbilden soll, fand einen Aktivitätsanstieg im linksseitigen PFC (Collette et al. 2001). Dies alles sind Belege dafür, dass das verwendete Paradigma gut dazu geeignet ist, das Konzept der sematischen Inhibition zu operationalisieren: Die bisher dargestellten Befunde stützen allesamt die Grundannahme, dass hier in geeigneter Weise elektrophysiologische Korrelate sprachsemantischer Inhibitionsprozesse erfasst wurden. Vor diesem Hintergrund erhält der Befund einer statistisch signifikanten Region*Homonymie*Gruppe-Interaktion ein besonderes Gewicht: Danach zeigt sich in der interessierenden Region ein ambiguitätsassoziierter Unterschied zwischen den beiden untersuchten Gruppen, und zwar zeigt sich bei den bipolaren Patienten ein größerer Unterschied zwischen den ambiguen und den nicht-ambiguen Bedingungen mit noch stärkerer Negativierung in den ambiguen Bedingungen als bei den gesunden Kontrollen, wie anhand der visualisierten Grand-Average-EKP (s. Abbildung 9) gut nachzuvollziehen. Dieser Befund könnte dadurch bedingt sein, dass die bipolaren Patienten umfangreichere Ressourcen, entsprechend einer erhöhten neuronalen Aktivität in den involvierten frontalen Regionen, aufbieten müssen, um die erforderliche Inhibition leisten zu können. Dies wäre auch vereinbar mit den Ergebnissen auf Ebene der Verhaltensdaten, denen zufolge ein manifestes inhibitorisches Defizit in der Gruppe der bipolaren Patienten nicht besteht – - 69 - 4 Diskussion vielmehr könnte ein latentes Defizit vorliegen, das durch Rekrutierung zusätzlicher Ressourcen noch kompensiert werden kann. Die Elektrophysiologie wäre gleichsam das sensitivere Verfahren, dass subtile Veränderungen in Inhibitionsprozessen aufzeigen kann, die in den Verhaltensdaten nicht manifest werden (vgl. McNeely et al. 2008). In ähnlicher Weise sind fMRT-Studien, in denen eine regionale Mehraktivität bei einer Probandengruppe gefunden wurden, desöfteren interpretiert worden als eine in dieser Gruppe bestehende Notwendigkeit, ein bestehendes Defizit durch größere „Anstrengung“ bzw. Ressourcen-Aufbietung zu kompensieren (Curtis et al. 2001, Hoenig et al. 2009). In den Worten von Yamaguchi et al. (2008, S. 1440/41): „A stronger activation in fMRI related to successful inhibition means greater efforts having been made by the subject in order to inhibit the response during the task […] It is plausible that the subject having low ability in inhibition would need to make more efforts in order to perform as well as the one with high inhibition ability […]”. Leider sind Studien, die mittels elektrophysiologischer Methodik Inhibitionsprozesse untersucht haben, sehr rar. Degabriele et al. (2011) fanden in einer Untersuchung zur „response inhibition“ mittels einer Go/No-Go-Aufgabe keine Amplitudenunterschiede der N2 zwischen bipolaren Patienten und Kontrollen. Pilzska et al. (2000) führten eine ähnliche Studie unter Verwendung des „Stop-signal“-Paradigmas mit ADHS-erkrankten Kindern durch, vor dem Hintergrund, dass auch in dieser Patientengruppe eine defizitäre Inhibition maßgeblich der Symptomatik zugrunde liegen könne. Sie fanden im Experiment eine Reduktion der N2-Amplitude für Stop-Trials bei den ADHS-Betroffenen gegenüber Kontrollen. Grundsätzlich erscheint auf Basis der Annahme eines inhibitorisches Defizits bei Bipolaren der umgekehrte Befund zunächst wahrscheinlicher: Eine geringere Aktivität frontaler Cortexareale, die inhibitorischen Prozessen unterliegen, wäre ein einleuchtendes Korrelat für die Symptome einer manischen Episode. Ein solches allgemeines „Hypofrontalitätsmodell“ der bipolaren Störung wird bisweilen vertreten (Degabriele et al. 2011) und kann sich nicht zuletzt auf Befunde einer Volumenreduktion des präfrontalen Cortex stützen (Frangou 2005, Lopez-Larson et al. 2002), ist aber nicht unumstritten. So sind bereits eine Reihe von FMRT Studien erwähnt worden, in denen gerade eine aufgabenspezifische Mehraktivität präfrontal bei Bipolaren gefunden wurde, zum einen gegenüber gesunden Kontrollen (Strakowski et al. 2008, Curtis et al. 2001), zum anderen gegenüber schizophrenen Patienten (McIntosh et al. 2008, Curtis et al. 2001). - 70 - 4 Diskussion Möglich wäre vor diesem Hintergrund, dass sich schizophrene und bipolar-manische Patienten gerade in ihrer Fähigkeit zur Kompensation eines frontalen Defizits voneinander unterscheiden; die in der Regel deutlicheren kognitiven Defizite bei Schizophrenen (Quraishi et al. 2002) bieten einen Anhaltspunkt für diese These. Zur endgültigen Klärung dieser Frage sind weitere vergleichende Untersuchungen mit bipolar-manischen und schizophrenen Patienten wünschenswert, die die Rolle von präfrontalen Defiziten bei beiden Gruppen näher beleuchten. Die Untersuchung neurokognitiver Korrelate der semantischen Ambiguitätsresolution anhand der N2 ist dabei weitgehend neuartig und vor dem Hintergrund eines möglichen gemeinsamen neuralen Substrats, dass Inhibitionsprozessen in verschiedenen Paradigmen zugrundeliegt, außerordentlich vielversprechend. Der Nachweis von spezifischen Veränderungen in der N2-Amplitude bei bipolaren Patienten stellt damit einen überaus erhellenden Befund dar. 4.3 EKP auf Wort 3 Für die Untersuchung der elektrophysiologischen Vorgänge auf die Darbietung von Wort 3 hin erfolgte eine Analyse der N400 (im typischen Zeitfenster von 350-500 ms). Die Assoziation dieser Komponente mit Prozessen der sprachsemantischen Verarbeitung ist gut untersucht (s. Abschnitt 1.3). Die Amplitude der N400 wird wesentlich dadurch bestimmt, inwieweit eine neu dargebotene Infomation zu einem vorbestehenden kortikalen Aktivierungsmuster in Passung zu bringen ist. Dieser empirisch gut belegten Bedeutung der N400 entsprechend, zeigte sich in der vorliegenden Arbeit ein hochsignifikanter Kongruenzeffekt. Dieser bestand unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit: Die inkongruenten, kontextuell nicht passenden Zielworte lösten eine deutlich negativere N400 aus als die kongruenten, kontextuell passenden. Dies ist vor dem Hintergrund der vorgestellten Theorien ein unbedingt zu erwartender Befund. Es bestand weiterhin ein Haupteffekt für den Faktor Hemisphäre, der auf einer gruppenübergreifend größeren Amplitude der N400 linkshemisphärisch beruht. Zwar ist eine größere Amplitude der N400 auf visuell dargebotene Worte häufiger rechts- als linkshemisphärisch beschrieben (Debruille et al. 2008), aber auch das hier vorliegende Muster mit größerer linkshemisphärischer Amplitude ist nicht ungewöhnlich; es wurde z.B beschrieben bei Salisbury et al. (2000) und scheint durch die spezifischen Charakteristika der Aufgabe bestimmt zu sein. - 71 - 4 Diskussion Die besondere Bedeutung der N400 für die vorliegende Studie erklärt sich nun daraus, dass sie als Maß der kontextuellen Integration Aussagen darüber ermöglicht, inwieweit eine Integration nur der kontextuell passenden Homonymbedeutung, bei Inhibition der kontextuell unpassenden Bedeutung, gelungen ist: Bei vollständiger Inhibition der unpassenden Homonynmbedeutung wäre zu erwarten, dass ein Zielwort, das zu dieser inhibierten Homonymbedeutung semantisch relatiert ist, als ebenso „unerwartet“, d.h. kontextuell unpassend, erscheint, wie wenn es nach einem nicht-ambiguen unrelatierten Wort dargeboten würde – in den Bedingungen IN und IH wäre demnach Potentialverläufe mit gleicher, großer Amplitude der N400 zu erwarten. Jeglicher störender Einfluss der kontextuell inadäquaten Homonymbedeutung wäre in einem solchen Fall gleichsam durch Inhibition vollständig eliminiert worden. – Eine solche Verwendung der N400 in einem Paradigma mit Homonymen, um die Fähigkeit von Probanden zur Inhibition unpassender Homonymbedeutungen zu quantifizieren, findet sich z.B. ebenfalls bei Gunter et al. (2003). Allerdings ist eine wirklich vollständige Inhibition der unpassenden Homonymbedeutung auch bei gesunden Kontrollprobanden nicht unbedingt gegeben (Shivde et al. 2001). Studien, die die N400-Amplitude als Maß nahmen, um den Aktivierungsgrad von Homonymbedeutungen zu quantifizieren, zeigen dies. So präsentierten Lee und Federmeier (Lee et al. 2009) in einer ihrer Studien kongruente Sätze, die mit einem Homoynm oder aber einem Nicht-Homonym endeten. Im Falle der Homonyme als Satzendigung wurde teils die dominante, teils die subdominante Hononymbedeutung kontextuell gebahnt. Es zeigte sich, dass die subdominanten Homonymbedeutungen höhere N400-Amplituden evozierten als kontextuell ebenso passende, aber inambigue Wörter. Dies interpretierten die Autorinnen als “reflecting the semantic mismatch between the context and residual automatic activation of the contextually-inappropriate dominant sense” (S. 538). Interessant ist, dass solche Unterschiede in den N400-Amplituden von Homonymen gegenüber Nicht-Homonymen in kongruenten Sätzen nicht bestanden, wenn die dominante Homonym-Bedeutung gebahnt wurde. Dies ist konsistent zu den in dieser Arbeit zugrunde gelegten Theorien, die von einer Beeinflussung des Aktivierungsgrads der Homonymbedeutungen durch lexikalische Dominanz ausgehen (Duffy et al. 2001), was unterschiedlich starke Interferenzeffekte bedingt (Shivde et al. 2001). In der vorliegenden Studie fanden sich gruppenübergreifend ebenso Befunde, die zu der Annahme einer stattgehabten, aber unvollständigen Inhibition konsistent sind. Im Kurvenverlauf zeigt sich in beiden Gruppen ein tendenziell mittiger Verlauf der - 72 - 4 Diskussion Homonymbedingungen: Die Potentiale der inkongruent-ambiguen Bedingungen sind weniger negativ als die der inkongruent-inambiguen, und die Potentiale der kongruentambiguen Bedingungen sind negativer als die der kongruent-inambiguen. Diese Beobachtung wird gestützt durch den statistischen Trend einer Interaktion von Kongruenz und Homonymie (p=0,066). Die Hypothese einer residuellen Aktivierung der dominanten Homonymbedeutung, wie sie von Lee und Federmeier (Lee et al. 2009) formuliert wurde, lässt sich hierin eindrucksvoll bestätigen. Auch erscheint es auf der Grundlage dieses Befundes völlig plausibel, dass die N400-Amplitude in der vorliegenden Studie auch zur Detektion von quantitativen Gruppenunterschieden bezüglich des Ausmaßes einer stattgehabten Inhibition geeignet ist. Gemäß der Annahme, dass in der Gruppe der bipolaren Patienten ein (latentes) semantisches Inhibitionsdefizit vorliegt, sollte sich bei Ihnen ein größerer ambiguitätsspezifischer N400-Unterschied finden als bei den gesunden Kontrollen. Entsprechend ist bei ihnen eine signifikant größere Divergenz der EKP in den ambiguen und den inambiguen Bedingungen zu erwarten. Ein solcher Befund findet sich in der vorliegenden Arbeit selektiv rechtshemisphärisch, im Sinne einer Interaktion zwischen den Faktoren Homonymie, Kongruenz, Gruppe und Hemisphäre. Dabei zeigt sich auf der rechten Hemisphäre bei den bipolaren Patienten eine deutliche Divergenz der ambiguen und nicht-ambiguen Bedingungen (vgl. Abbildung 13, Abschnitt 3.2); diese Divergenz findet sich linkshemisphärisch nicht, und sie findet sich auch bei den Kontrollprobanden nicht, weder links- noch rechtshemisphärisch. Dieser Befund ist interessant, da er gut vereinbar mit Theorien zu hemisphärenspezifischen Unterschieden in der Sprach- und insbesondere Homonymverarbeitung erscheint. So postulierte etwa Jung-Beeman (2005), dass obwohl in linker und rechter Hemisphäre homologe Areale zur Sprachverarbeitung existieren und die wesentlichen Prozesse der semantischen Aktivierung, Integration und Selektion beidseitig stattfinden, dennoch qualitative Unterschiede zwischen beiden Hemisphären bestehen. So fokussiere nach JungBeeman die linke Hemisphäre stärker auf wörtliche und kontextuell passende Bedeutungen von Sprache und inhibiert kontextuell Irrelevantes, während die rechte Hemisphäre, etwa durch breitere und diffusere Aktivierung größerer semantischer Felder und höhere Interkonnektivität der Neurone, auch entferntere, ungewöhnliche und kontextuell weniger passende Bedeutungen erfasst und aufrechterhält. Als Beleg führte er unter anderem Unterschiede in links- und rechthemisphärischem Priming an, mit stärkerem Priming im - 73 - 4 Diskussion linken visuellen Feld bei entfernterer semantischer Relation zu vorausgehenden PrimeWörtern und stärkerem Priming im rechten visuellen Feld bei engerer semantischer Relation zu vorausgehenden Prime-Wörtern. Außerdem führte er Hemisphärenunterschiede in der N400-Amplitudenreduktion bei Präsentation im linken versus rechten visuellen Feld an, die eine besondere Bedeutung der rechten Hemisphäre für das Verständnis indirekter semantischer Relationen, ungewöhnlicher Interpretationen und Witzen nahe legen. In der Forschung mit Homonymen stützen die unter Abschnitt 4.2 vorgestellten Studien von Faust und Kollegen (1996) sowie von Simpson und Kollegen (1988) durch hemisphärenspezifische Primingbefunde maßgeblich die Annahme qualitativer Unterschiede in der Verarbeitung von Homonymen durch die rechte und linke Hemisphäre. Auch in jüngerer Zeit fanden sich vielfach Bestätigungen für solche qualitativen Unterschiede; so belegten z.B. Harpaz et al. (2009) in einer Studie mit transkranieller Magnetstimulation, dass die linke Hemisphäre in der Prozessierung dominanter, die rechte Hemisphäre in der Prozessierung subdominanter Homonymbedeutungen effizienter ist. Simpson und Kollegen (1988) interpretierten die von ihnen gefundenen Ergebnisse so, dass die linke Hemisphäre im Dienste einer effizienten Prozessierung rasch die wahrscheinliche Homonymbedeutung, oder, im Falle fehlenden Kontexts, die höherfrequente, auswählte und die Alternativbedeutung inhibiere, während die rechte Hemisphäre solche unwahrscheinlicheren Bedeutungen länger aktiv bereithalte. Dies wäre insbesondere wichtig, wenn die ursprüngliche linkshemisphärisch selegierte Bedeutung sich als inkorrekt herausstellte; die linke Hemisphäre wäre dann auf die rechthemisphärisch parat gehaltene Information zur Korrektur angewiesen (Faust et al. 1996). Auch Coney et al. (2000) fanden bei isolierter Darbietung visueller Stimuli im rechten bzw. linken visuellen Halbfeld Priming-Effekte für subdominante Homonymbedeutungen nur links und folgerten (S.272): “[…] this reflects a model of language comprehension in which the right hemisphere plays a supportive role by making available a set of alternative and less probable word meanings, thus freeing the left hemisphere to focus cognitive resources upon the most probable meaning of a word in a given context.” Diese Ergebnisse legen nahe, dass die rechte Hemisphäre einen eigenständigen und qualitativ einzigartigen Beitrag in der Sprachverarbeitung im Allgemeinen und in der Homonymprozessierung im Besonderen leistet. Denkbar wäre, dass bei bipolar-manischen Patienten die Beiträge der rechten Hemisphäre in der Sprachverarbeitung, im Sinne einer - 74 - 4 Diskussion breiter angelegten, weniger fokussierten Prozessierung, stärker zum Tragen kommen. So sprechen die divergierenden N400-Effekte dafür, dass bipolare Patienten in größerem Ausmaß als Gesunde rechtshemisphärische Areale nutzen, um alternative Bedeutungen aktiviert zu halten. Womöglich sind durch derartige Verarbeitungspräferenzen bei bipolaren Patienten auch die angedeuten Unterschiede in den Verhaltensdaten beider Gruppen zu erklären. So zeigte sich eine relative Verlangsamung der Reaktionen bipolarer Patienten in der kongruenten Homonym-Bedingung – gerade in dieser Bedingung ist von einer Strategie des „Parathaltens“ alternativer Bedeutungen kein Nutzen zu erwarten, vielmehr ist hier eine rasche Fokussierung einzig auf die kontextuell passende Homonymbedeutung zielführend. Anders mag es sich im Fall der inkongruenten Homonym-Bedingung verhalten, in der die Patienten, relativ betrachtet, schneller reagierten – hier muss eine „breitere Verarbeitung“, in der auch die alternative Homonymbedeutung rechtshemisphärisch aktiviert bleibt, nicht unbedingt von Nachteil sein und zu Kosten auf der Verhaltensebene führen; vielmehr kann sie auch ein rascheres Erkennen der Ambiguität erlauben und so in dieser Bedingung ein probate kognitive Strategie darstellen. Letztendlich konnte die ursprüngliche Hypothese einer unzureichenden Inhibition kontextuell unpassender Homonymbedeutungen bei bipolaren Patienten, die sich ja auch in den N400-Amplituden auf Wort 3 niederschlagen sollte, in dieser Generalität nicht belegt werden. Vielmehr ergaben sich Anhalte für ein abweichendes Muster kognitiver Verarbeitungsprozesse, die nicht unbedingt zu einer beeinträchtigten Performanz in kognitiven Testungen führen. Interessant ist hier der Vergleich mit den Ergebnissen vergleichbarer Studien mit schizophrenen Patienten: So fanden Sitnikova und Kollegen (2002) in einer Studie mit Homonymen, die in Sätzen kontextuell eingebettet waren, eine deutlich reduzierte N400-Amplitude bei schizophrenen Patienten auf inkongruente Zielwörter, die zu der dominanten Homonymbedeutung semantisch relatiert waren, nicht aber bei Kontrollen. Damit konnten sie in einer konzeptionell zu dieser sehr ähnlichen Studien einen gruppenspezifischen Homonymieeffekt zeigen, der die Hypothese eines semantisches Inhibitionsdefizits bei Schizophrenen stützt, wie von den Autoren vertreten. Möglicherweise zeigt sich hierin ein differentialdiagnostisch verwertbarer Unterschied, indem das beschriebene Defizit für schizophrene Patienten charakteristisch ist, bei manischen Patienten jedoch allenfalls latent besteht und kompensiert werden kann (vgl. Abschnitt 4.2). Dennoch ergibt sich in der vorliegenden Arbeit, durch die gefundenen - 75 - 4 Diskussion hemisphärenspezifischen Unterschiede, ein deutlicher Anhalt für ein qualitativ verändertes Verarbeitungsmuster semantischer Ambiguität bei bipolar-manischen Patienten. Dass bei ihnen rechtshemispärische Verarbeitungsmechanismen stärker zum Tragen kommen, wäre mit der Symptomatik gut vereinbar: Es erscheint plausibel, dass die rechte Hemisphäre, die die breiteren Felder semantischer Aktivierung generiert, mit wahrscheinlicherer Überlappung auch entfernterer Begriffe und Konzepte, Anteil hat am Zustandekommen der bei manischen Patienten typischen Denkstörungen, wie der Ideenflucht und der reduzierten Verständlichkeit ihrer Sprache. 4.4 Limitationen Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine der sehr wenigen Arbeiten, in der eine Untersuchung maniespezifischer kognitiver Veränderungen mittels ereigniskorrelierter Potentiale angestrebt wurde. Dem mag folgendes Dilemma zugrunde liegen: Es ist davon auszugehen, dass die größten Veränderungen kognitiver Prozesse bei manischen Patienten mit stärkster Symptomausprägung bestehen; so ist auf Grundlage klinischer Beobachtungen ein Zusammenhang zwischen der Ausprägung von Denkstörungen und des Schweregrads manischer Psychopathologie mehrfach beschrieben worden (Grossman et al. 1991). Studien mit stark symptomatischen Patienten könnten daher die eindrucksvollsten Ergebnisse liefern, jedoch sind gerade diese Patienten einer klinisch-experimentellen Untersuchung am wenigsten zugänglich, zumal einer Untersuchung, die so hohe Anforderungen an die motorische Ruhe der Probanden stellt und so artefaktanfällig ist wie die EEG. In der vorliegenden Arbeit ist versucht worden, einen Kompromiss aus beiden Erfordernissen zu bilden, und zwar ist der Einschluss akut erkrankter Patienten angestrebt worden, die aber in der Regel nicht während der Hochphase der affektiven Episode untersucht wurden. Dieser Anspruch und die geringe Prävalenz der bipolaren Störung im engeren Sinne bedingen, dass diese Arbeit eine relativ geringe Fallzahl, mit 14 untersuchten Patienten, aufweist. Dies stellt zwar eine höhere Fallzahl dar, als sie viele, wenn nicht sogar die Mehrzahl der Studien mit bipolaren Patienten vorweisen können, bedingte aber auch einen Erhebungszeitraum von mehreren Jahren. Die hier verwendete Fallzahl sollte auch ausreichend sein, um ausgeprägte Unterschiede in kognitiven Funktionen nachweisen zu können, sofern vorhanden. Dennoch wäre natürlich gerade in einer Untersuchung, die sich der Technik der EKP bedient, eine höhere Fallzahl wünschenswert gewesen, da die Qualität der gemittelten EKP-Verläufe maßgeblich von der Anzahl der gemittelten EEG-Epochen abhängig ist. Dies kommt auch darin zum - 76 - 4 Diskussion Ausdruck, dass die Verläufe der über die 28 Kontrollen gemittelten EKP wesentlich weniger artefaktbelastet sind als die der über die 14 Patienten gemittelten EKP. Jegliche Artefaktbelastung aber reduziert die Gewissheit, mit der sich vorhandene Unterschiede in den Potentialverläufen auf tatsächliche Unterschiede in der neurokognitiven Verarbeitung zurückführen lassen. Weiterhin ist ein Effekt der pharmakotherapeutischen Therapie der Patienten auf die Untersuchungsergebnisse nicht auszuschließen. Dabei erscheint eine generelle Verlangsamung in den Reaktionszeiten der Patienten am plausibelsten, aber auch eine selektive Beeinflussung umschriebener neurokognitiver Fuktionen ist vorstellbar. Auf eine pharmakologische Therapie kann allerdings in der Mehrzahl der Fälle nicht verzichtet werden, so dass die meisten Studien dem Einfluss dieser Störgröße unterliegen. Schließlich wäre eine stärkere Homogenität innerhalb der Patientengruppe, z.B. durch Studienteilnahme ausschließlich von Rechtshändern, sicherlich wünschenswert gewesen; dies stand allerdings dem Anspruch entgegen, eine hinreichend große Fallzahl rekrutieren zu können. Eine Vielzahl von Einschlusskriterien, etwa das Fehlen zentralnervöser Erkrankungen oder deutsches Muttersprachlertum, wurden stringent eingehalten, auch wenn sich hierdurch die erreichte Fallzahl leider deutlich reduzierte. - 77 - 5 Zusammenfassung 5. Zusammenfassung Der vorliegenden Arbeit lag das Anliegen zugrunde, ein tieferes Verständnis der Abweichungen in kognitiven Prozessen bei bipolar-manischen Patienten zu gewinnen. Für das Zustandekommen dieser kognitiven Veränderungen wurde eine defizitäre Inhibitionsfähigkeit als potentiell bedeutsam herausgearbeitet. Es wurde ein Paradigma vorgestellt, das eine Untersuchung der Fähigkeit zur semantischen Inhibition erlaubt: Hierbei mussten die Probanden eine Entscheidung über die semantische Zusammengehörigkeit von Worttriplets treffen, die in der Hälfte der Fälle ein Homonym beinhalteten, also ein Wort mit zwei distinkten Bedeutungen. Es wurde dargelegt, dass in diesen Fällen von der Notwendigkeit der gezielte Inhibition der kontextuell unpassenden Homonymbedeutung zur Bearbeitung der Aufgabe ausgegangen werden kann, und zu diesem Zweck wurden die bestehenden theoretischen Ansätze zur kognitiven Verarbeitung von Homonymen vorgestellt. In den zu prüfenden Hypothesen wurde davon ausgegangen, dass bipolar-manische Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden eine langsamere und stärker fehlerbelastete Verarbeitung der Worttriplets zeigen, die Homonyme enthielten, und dass sich eine defizitäre Verarbeitung auch in einer charakteristisch veränderten elektrophysiologischen Reaktion auf die präsentierten Worte zeigen würde. Um die zweite Hypothese zu prüfen, wurden während des Experiments ein 64-Kanal-EEG abgeleitet und aus diesen Daten über Mittelungsverfahren die ereigniskorrelierten Potentiale (EKP) in den verschiedenen Versuchsbedingungen in beiden Gruppen berechnet. Es wurden dann innerhalb dieser EKP zwei charakteristische Zeitfenster im Gruppenvergleich ausgewertet. Für die Auswertung der EKPs wurde ein erstes Zeitfenster (200-250 ms) nach Beginn des mittleren Wortes (Wort 2) gewählt, um neurokognitive Korrelate semantischer Inhibition gemäß der aufgrund von Vorbefunden anzunehmenden zeitlichen Charakteristik dieses Mechanismus zu untersuchen. Im EKP-Vergleich zwischen beiden Gruppen in diesem Zeitfenster von Wort 2 konnte in der Patientengruppe eine statistisch signifikant stärkere Negativierung für die Homonyme gegenüber den nicht-homonymen Mittelwörtern der Triplets gefunden werden. Dieser Effekt wurde dadurch erklärt, dass die Patienten durch die Aufgabe in stärkerem Maße kognitiv beansprucht waren als die Kontrollen. Die zitierten Befunde einer frontalen Mehraktivierung bei bipolaren Patienten in verschieden fMRT-Studien stützen diese Hypothese. Demnach könnte ein latentes Inhibitionsdefizit bei bipolar-manischen Patienten vorliegen, das durch eine gesteigerte Ressourcenausschöpfung kompensiert werden kann. - 78 - 5 Zusammenfassung Die Hypothese eines manifesten Inhibitionsdefizits auf der Verhaltensebene im Sinne differentiell verlängerter Reaktionszeiten und erhöhter Fehlerraten bei der Verarbeitung von Homonymie ließ sich nicht bestätigen. Es wurde spekuliert, dass ein nur latent vorhandenes, durch kognitive Anstrengung kompensierbares Inhibitionsdefizit bipolarmanische von schizophrenen Patienten unterscheiden könnte, bei denen sich manifeste, schwerwiegendere und chronische kognitive Defizite zeigen sollten. Der Vergleich der ereigniskorrelierten Potentiale nach Darbietung von Wort 3, das einen Zeitraum von 350-500 Millisekunden nach Präsentation des dritten Wortes umfasste, sollte eine Aussage darüber erlauben, inwieweit eine Integration der passenden und eine Inhibition der kontextuell unpassenden Homonymbedeutung stattgefunden hatte. Das gewählte Zeitfenster wird typischerweise zur Untersuchung der so genannten N400 verwendet, eines Potentials, das für die Anforderungen an die Integration eines Wortes in einen gegebenen Kontext sensibel ist. Es zeigte sich gruppenübergreifend ein differenzieller Verlauf der N400 in den verschiedenen Versuchsbedingungen, der zu den bestehenden Theorien über die kognitiven Prozesse, die sich in diesem Potential widerspiegeln sollen, konsistent ist. Ein Anhalt für ein latentes inhibitorisches Defizit bei den bipolar-manischen Patienten ergab sich in diesen Potentialverläufen zwar nicht. Allerdings wurde zwischen der Patienten- und der Kontrollgruppe ein hemisphärenspezifischer Unterschied gefunden, der nahe legt, dass die Bipolaren in stärkerem Maße als gesunde Probanden kontextuell unpassende Bedeutungen rechtshemisphärisch verfügbar halten. Dieser Unterschied wurde vor dem Hintergrund vorbeschriebener qualitativer Unterschiede zwischen den beiden Hemisphären in der Sprachverarbeitung im allgemeinen und der Homonymverarbeitung im besonderen diskutiert und es wurde angenommen, dass die rechtshemisphärischen Prozesse der Sprachverarbeitung bei bipolaren Patienten während einer manischen Episode stärker zum Tragen kommen und bedeutenden Anteil an den beobachtbaren kognitiven Veränderungen während einer solchen Episode haben könnten. - 79 - 6 Literaturverzeichnis 6. Literaturverzeichnis 1. American Psychiatric Association: Affektive Störungen. 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Anhang 7.1 Übersicht über die verwendeten Materialien: Probandeninformationen, Einwilligungserklärung, Datenerfassung 7.11 Probanden-/Patienteninformation - 88 - 7 Anhang 7.12 Einwillingungserklärung zur Studienteilnahme - 89 - 7 Anhang 7.13 Instruktion für Studienteilnehmer - 90 - 7 Anhang 7.14 Semi-strukturiertes Interview zur Erfassung relevanter Variablen - 91 - 7 Anhang - 92 - 7 Anhang - 93 - 7 Anhang - 94 - 7 Anhang 7.15 Fragebogen zum Alkoholkonsum - 95 - 7 Anhang 7.16 Fragebogen zur Händigkeit (Oldfield, 1971) - 96 - 7 Anhang 7.2 Übersicht über die verwendeten Materialien: Tests kognitiver Leistungen 7.21 Wortschatz-Test (WST) - 97 - 7 Anhang - 98 - 7 Anhang - 99 - 7 Anhang 7.22 Subtest Zahlennachsprechen des HAWIE-R (Tewes, 1991) - 100 - 7 Anhang 7.23 Interpretation von Sprichwörtern (Holm-Hadulla & Haug, 1984) - 101 - 7 Anhang - 102 - 7 Anhang 7.3 Übersicht über die verwendeten Materialien: Psychometrische Skalen zur Erfassung der Psychopathologie 7.31 Young Mania Rating Scale (Young et al., 1978, Deutsche Version) - 103 - 7 Anhang - 104 - 7 Anhang 7.32 Brief Psychiatric Rating Scale (Overall & Gorham, 1962) - 105 - 7 Anhang - 106 - 7 Anhang 7.4 Übersicht über die in der Studie verwendeten WortTriplets Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die lexikalischen Größen der verwendeten Wörter. Bei diesen potentiell bedeutsamen Größen handelt es sich um die Frequenz bzw. Auftretenshäufigkeit aller verwendeten Wörter, die der Celex-Batterie (Baayen et al., 1993) entnommen wurden, und um die Polarität der verwendeten Homonyme, die einer Diplomarbeit zur Normierung von Homonymen entnommen wurde (Wenke, 1998). Folgende Abkürzungen werden im folgenden verwendet: IH IN CH CN f (Prime) f (Wort 2) f (Target) Pol (Hom) Bedingung mit inkongruentem Zielwort und ambiguem Wort 2 (inkongruente Homonymbedingung) Bedingung mit inkongruentem Zielwort und nicht-ambiguem Wort 2 (inkongruente Nicht-Homonymbedingung) Bedingung mit kongruentem Zielwort und Homonym ambiguem Wort 2 (kongruente Homonymbedingung) Bedingung mit kongruentem Zielwort und nicht-ambiguem Wort 2 (kongruente Nicht-Homonymbedingung) Frequenz bzw. Auftretenshäufigkeit des 1. Wortes des Triplets (Prime-Wort) Frequenz bzw. Auftretenshäufigkeit des 2. Wortes des Triplets (Homonym/Nicht-Homonym) Frequenz bzw. Auftretenshäufigkeit des 3. Wortes des Triplets (Target-Wort) Polarität des Homonym - 107 - Set IH IH IH IH IH IH IH IH IH IH IN IN IN IN IN IN IN IN IN IN 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Bedingung Straße Quadrat Audi Rind Klempner Geschenk Auto Bügeleise n Fäulnis Getreide Walzer Scherz Pinnwand Meer Hunger Bauch Tatoo Elfmeter Konflikt Bereich Wort 1 1603 32 98 7 177 8 688 205 27 61 418 102 90 273 1003 f (Prime) Stein Summe Opel Vieh Rohr Blumen Moder Trockner Traktor Saat Ball Schote Anschlag Watt Gericht Leiste Fessel Tor Terz Ausschnitt Wort 2 360 246 88 62 190 3 109 32 365 2 3 17 640 6 34 315 63 f (Wort 2) - - - - - - - - - - 7 16 16 31 27 40 27 46 28 29 Pol (Hom) Salbe Strauch Partie Segel Lyrik Ei Reiter Not Beichte Garage Spiel Erbse Terror Ohm Plädoyer Balken Knebel Tür Quinte Bluse Wort 3 6 26 106 41 111 288 143 250 19 166 1217 12 110 2 26 31 4 72 38 f (Target) 7 Anhang - 108 - Set CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CN CN CN CN CN CN CN CN CN CN 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Bedingung Walzer Scherz Pinnwand Meer Hunger Bauch Tatoo Elfmeter Konflikt Bereich Straße Quadrat Audi Rind Klempner Geschenk Auto Bügeleise n Fäulnis Getreide Wort 1 27 61 418 102 90 273 1003 1603 32 98 7 177 8 688 205 f (Prime) Tanz Posse Plakat Ebbe Essen Taille Wade Fußball Zank Teilstück Pflaster Wurzel Golf Mast Dichtung Strauß Schimmel Mangel Laster Anbau Wort 2 167 2 110 17 559 8 14 237 4 40 90 39 16 224 99 13 169 14 41 f (Wort 2) - - - - - - - - - - 36 11 29 19 24 36 40 16 35 35 Pol (Hom) Kleid Witz Werbung Flut Speise Körper Fuß WM Streit Segment Asphalt Mathe Mercedes Schwein Abfluss Rosen Pilz Wäsche Stau Acker Wort 3 24 96 138 84 39 434 591 109 255 7 18 76 147 6 87 30 63 11 f (Target) 7 Anhang - 109 - Set IH IH IH IH IH IH IH IH IH IH IN IN IN IN IN IN IN IN IN IN 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 Bedingung Regal Glas Mantel Lehne Rücken Revolver Dirigent Direktor Beutel Einbußen Strick Text Alkohol Kompass Mozart Gewinn Dackel Armband Spind Strafe Wort 1 28 429 157 15 82 77 414 16 24 145 75 22 496 4 4 195 f (Prime) Schrank Scherben Fleece Couch Muskel Munition Orchester Vorstand Geldbörse Kürzung Tau Ausdruck Kater Kurs Fuge Anlage Boxer Reif Schloss Auflage Wort 2 131 41 48 41 159 565 70 9 838 58 526 27 573 49 63 427 147 f (Wort 2) - - - - - - - - 28 13 29 23 29 33 14 22 25 31 Pol (Hom) Anker Gips Nahrung Konto Dollar Haube Bakterien Wertpapie r Altar Sprosse Kälte Mimik Katze Musik Handschu h Seminar Fliese Frost König Bestseller Wort 3 19 32 76 82 725 16 48 5 112 9 86 7 105 86 30 717 55 77 645 8 f (Target) 7 Anhang - 110 - Set CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CN CN CN CN CN CN CN CN CN CN 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 Bedingung Text Strick Mozart Alkohol Kompass Dackel Spind Gewinn Armband Strafe Glas Regal Lehne Rücken Mantel Direktor Revolver Beutel Dirigent Einbußen Wort 1 145 24 75 22 4 496 4 195 429 28 15 157 414 82 16 77 f (Prime) Dokument Leine Arie Rausch Richtung Pudel Schlüssel Aktie Bruch Bord Verpflichtu ng Ring Bank Mark Futter Leiter Abzug Börse Kapelle Abstrich Wort 2 311 42 9 28 729 12 146 502 275 401 66 110 685 1027 78 349 203 418 98 16 f (Wort 2) - - - - - - - - 36 13 25 16 7 12 35 29 37 18 Pol (Hom) Format Seil Konzert Party Schiff Rasse Schrank Kapital Schmuck Bedingung Spiegel Brett Kissen Gelenk Jacke Boss Schuss Münze Instrument Reduktion Wort 3 67 51 220 84 575 69 131 267 67 783 227 67 41 6 23 286 105 218 10 f (Target) 7 Anhang - 111 - Set IH IH IH IH IH IH IH IH IH IH IN IN IN IN IN IN IN IN IN IN 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 Bedingung Plombe Spindel Piano Amsel Zehe Pistole Bier Dummkop f Diele Kapitel Hochhaus Tapete Ofen Vase Wespe Gramm Hupe Produktio n General Anzug Wort 1 1 8 4 7 26 41 13 92 273 145 49 27 62 34 13 78 16 750 110 866 f (Prime) Zahn Spule Orgel Spatz Kralle Waffe Narr Teppich Wein Abschnitt Stock Decke Koks Ton Bremse Tonne Steuer Division Kluft Akkord Wort 2 199 38 21 25 9 481 32 144 227 226 123 21 353 68 445 206 58 37 12 f (Wort 2) - - - - - - - - 26 35 32 9 13 15 35 16 19 27 Pol (Hom) Zepter Theater Vogel Gala Dübel Konserve Mehl Krankenh aus Ziel Schuh Krücke Daune Heroin Klang Kupplung Müll Finanzamt Addition Abgrund Dreiklang Wort 3 3 636 235 2 13 557 1543 26 195 1 2 69 10 20 55 9 64 f (Target) 7 Anhang - 112 - Set CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CN CN CN CN CN CN CN CN CN CN 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 Bedingung Tapete Hochhaus Wespe Ofen Vase Hupe Anzug Gramm Spindel Plombe Produktio n General Amsel Zehe Piano Bier Dummkop f Diele Pistole Kapitel Wort 1 27 49 13 62 34 16 110 78 750 866 8 1 7 26 4 92 41 273 13 145 f (Prime) Wand Etage Biene Holz Keramik Pedal Gewand Kilo Heer Fabrik Rolle Krone Star Nagel Flügel Läufer Büchse Korn Tropf Absatz Wort 2 294 88 42 275 33 22 65 85 109 202 1010 159 126 74 169 101 17 49 2 221 f (Wort 2) - - - - - - - - 31 9 32 20 44 20 34 41 27 22 Pol (Hom) Stuck Fahrstuhl Stich Wärme Handwerk Tacho Kleidung Gewicht Soldat Stress Faden Gebiss Fink Schere Klavier Marmor Gewehr Wodka Tölpel Buch Wort 3 13 24 72 118 126 1 100 276 699 10 48 33 9 26 89 34 107 21 12 1091 f (Target) 7 Anhang - 113 - Set IH IH IH IH IH IH IH IH IH IH IN IN IN IN IN IN IN IN IN IN 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 Bedingung Zylinder Skulptur Mauer Pop Streife Geweih Aussicht Partitur Bankett Küche Schraube Zweig Queue Lampe Nichtsnutz Hummer Mund Eintopf Hüfte Schacht Wort 1 26 27 320 34 3 348 13 19 412 28 118 49 2 19 387 1 41 53 f (Prime) Mütze Kunst Zaun Jazz Polizist Knochen Panorama Lied Tisch Herd Mutter Blatt Pool Birne Niete Krebs Kiefer Linse Becken Mine Wort 2 63 661 83 75 250 76 27 289 599 104 599 434 23 10 38 19 13 41 f (Wort 2) - - - - - - - - 4 47 15 16 30 44 47 30 43 37 Pol (Hom) Frucht Tüte Clique Saum Kuh Saxophon Mord Zeugnis Kreide Regen Familie Stift Wasser Apfel Tombola Therapie Tanne Auge Spüle Panzer Wort 3 145 42 15 240 8 252 166 14 285 714 21 503 74 7 55 9 1810 4 109 f (Target) 7 Anhang - 114 - Set CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CN CN CN CN CN CN CN CN CN CN 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 Bedingung Zweig Schraube Nichtsnutz Queue Lampe Mund Hüfte Hummer Eintopf Schacht Skulptur Zylinder Pop Streife Mauer Partitur Geweih Bankett Aussicht Küche Wort 1 118 28 2 49 387 41 19 1 53 27 26 34 320 13 3 19 348 412 f (Prime) Baum Werkzeug Versager Snooker Kerze Zunge Schulter Muschel Kartoffel Bergbau Plastik Melone Rock Bulle Bande Noten Horn Tafel Motiv Rost Wort 2 381 139 14 61 95 398 21 152 184 79 17 60 26 34 266 68 83 265 21 f (Wort 2) - - - - - - - - 27 10 15 43 13 40 41 18 33 25 Pol (Hom) Ast Zange Loser Billard Licht Lippe Knie Krabbe Gemüse Staub Museum Hut Hip-Hop Uniform Grenze Melodie Hirsch Gelage Bild Grill Wort 3 36 18 7 621 212 223 11 90 128 323 99 129 1136 103 48 1 1769 f (Target) 7 Anhang - 115 - 7 Anhang 7.5 Statistische Auswertung: Vollständige Varianzanalysen Die beiden folgenden Tabellen erhalten die vollständigen Ergebnisse der mehrfaktoriellen Varianzanalysen. Signifikante Ergebnisse sind in rot dargestellt. Neben p-Werten und F-Werten sind jeweils die Quadratsummen (SQ), die Freiheitsgrade (FG) und die mittleren Quadratsummen (MQ) angegeben. 7.51 Mehrfaktorielle Varianzanalyse zu Wort 2 Konstante Gruppe Fehler HEM HEM*Grupp e Fehler REGIO REGIO*Gru ppe Fehler EPOS EPOS*Grup pe Fehler HOM HOM*Grupp e Fehler HEM*REGI O HEM*REGI O*Gruppe Fehler HEM*EPOS HEM*EPOS *Gruppe Fehler REGIO*EPO S REGIO*EPO SQ 121.57 7 141.39 0 2493.3 83 2.724 0.106 FG 1 F 1.950 p 0.170 2.268 0.139 40 MQ 121.57 7 141.39 0 62.334 1 1 2.724 0.106 0.420 0.016 0.520 0.898 259.20 5 1228.1 92 14.630 40 6.480 1 54.913 0.000 1 1228.1 92 14.630 0.654 0.423 894.64 4 107.98 9 1.213 40 22.366 3 35.996 12.498 0.000 3 0.404 0.140 0.935 345.60 5 5.011 0.354 120 2.880 1 1 5.011 0.354 3.131 0.221 0.084 0.640 64.024 1.985 40 1 1.600 1.985 1.371 0.248 1.063 1 1.063 0.734 0.396 57.904 0.768 0.4099 1 46.244 100.01 9 5.227 40 3 3 1.447 0.256 0.136 0.664 0.354 0.575 0.786 120 3 0.385 33.339 22.057 0.000 3 1.742 1.152 0.330 1 - 116 - 7 Anhang S*Gruppe Fehler HEM*HOM HEM*HOM *Gruppe Fehler REGIO*HO M REGIO*HO M*Gruppe Fehler EPOS*HOM EPOS*HOM *Gruppe Fehler HEM*REGI O*EPOS HEM*REGI O*EPOS*Gr uppe Fehler HEM*REGI O*HOM HEM*REGI O*HOM*Gr uppe Fehler HEM*EPOS *HOM HEM*EPOS *HOM*Grup pe Fehler REGIO*EPO S*HOM REGIO*EPO S*HOM*Gru ppe Fehler HEM*REGI O*EPOS*H OM HEM*REGI O*EPOS*H OM*Gruppe Fehler 181.37 5 9.532 5.155 120 1.511 1 1 9.532 5.155 9.616 5.200 0.003 0.027 39.647 12.191 40 1 0.991 12.191 9.666 0.003 5.155 1 5.155 4.087 0.049 50.451 3.702 2.133 40 3 3 1.261 1.234 0.711 5.814 3.350 0.000 0.021 25.473 2.250 120 3 0.212 0.750 2.0112 0.115 1.941 3 0.647 1.735 0.163 44.762 0.442 120 1 0.373 0.442 1.466 0.233 0.727 1 0.727 2.4093 0.128 12.078 0.983 40 3 0.301 0.327 3.385 0.020 0.712 3 0.237 2.451 0.066 11.619 0.328 120 3 0.096 0.109 0.611 0.608 0.936 3 0.312 1.742 0.162 21.494 0.937 120 3 0.179 0.312 3.003 0.033 0.073 3 0.024 0.234 0.872 12.482 120 0.104 - 117 - 7 Anhang 7.52 Mehrfaktorielle Varianzanalyse zu Wort 3 SQ 17.289 34.599 1686.6 59 139.87 8 1.163 FG 1 1 40 MQ 17.289 34.599 42.166 F 0.410 0.820 p 0.525 0.370 1 15.186 0.000 1 139.87 8 1.163 0.126 0.724 368.43 1 65.495 25.575 40 9.210 2 2 32.747 12.787 9.660 3.772 0.000 0.027 271.17 4 361.67 2 0.989 80 3.389 1 83.997 0.000 1 361.67 2 0.989 0.229 0.634 172.23 0 0.462 0.766 40 4.305 1 1 0.462 0.766 0.195 0.324 0.660 0.572 94.575 2.976 40 2 2.364 1.488 1.850 0.163 HEM*EPOS *Gruppe Fehler 1.585 2 0.792 0.985 0.377 64.351 80 0.804 HEM*KON G HEM*KON G*Gruppe 10.833 1 10.833 6.005 0.018 0.497 1 0.497 0.276 0.602 Fehler 72.153 40 1.803 EPOS*KON G EPOS*KON G*Gruppe Fehler 6.745 2 3.372 8.713 0.000 0.302 2 0.151 0.390 0.677 30.968 80 0.387 HEM*HOM 0.334 1 0.334 0.607 0.440 HEM*HOM 0.000 1 0.000 0.001 0.971 Konstante Gruppe Fehler HEM HEM*Grupp e Fehler EPOS EPOS*Grup pe Fehler KONG KONG*Grup pe Fehler HOM HOM*Grupp e Fehler HEM*EPOS - 118 - 7 Anhang *Gruppe Fehler 22.000 40 0.550 EPOS*HOM 0.555 2 0.277 1.362 0.261 EPOS*HOM *Gruppe Fehler 0.065 2 0.032 0.161 0.851 16.303 80 0.203 KONG*HO M KONG*HO M*Gruppe Fehler 6.168 1 6.168 3.587 0.065 0.616 1 0.616 0.358 0.552 68.783 40 1.719 HEM*EPOS *KONG HEM*EPOS *KONG*Gru ppe Fehler 1.506 2 0.753 4.301 0.016 0.616 2 0.308 1.761 0.178 14.006 80 0.175 HEM*EPOS *HOM HEM*EPOS *HOM*Grup pe Fehler 2.148 2 1.074 7.280 0.001 0.400 2 0.200 1.356 0.263 11.802 80 0.147 HEM*KON G*HOM HEM*KON G*HOM*Gr uppe Fehler 2.712 1 2.712 2.974 0.092 5.712 1 5.712 6.264 0.016 36.471 40 0.911 EPOS*KON G*HOM EPOS*KON G*HOM*Gr uppe Fehler HEM*EPOS *KONG*HO M HEM*EPOS *KONG*HO M*Gruppe Fehler 0.087 2 0.043 0.126 0.881 0.796 2 0.398 1.156 0.319 27.548 0.263 80 2 0.344 0.131 0.693 0.502 0.366 2 0.183 0.964 0.385 15.215 80 0.190 - 119 - Danksagung Danksagung Die Danksagung ist in der Online-Version aus Gründen des Datenschutzes nicht enthalten. - 120 - Curriculum Vitae Curriculum vitae Der Lebenslauf ist in der Online-Version aus Gründen des Datenschutzes nicht enthalten. - 121 - Curriculum Vitae Der Lebenslauf ist in der Online-Version aus Gründen des Datenschutzes nicht enthalten. - 122 -