Prinzip Widerstand - Metrologie

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Metrologie
Wissenschaft und Technik des Messens
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ETH Zürich, Schweiz
Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigung
Mitarbeit
d0000219; rev00
Modul
Prinzip Widerstand
Karl H. Ruhm
Inhalt
Einleitung
1
Widerstand
1.1
Widerstand gegen Ausbreitungsvorgänge
1.2
Ströme und Potentialdifferenzen an Widerständen
2
Widerstand im Raum
2.1
Örtlich konzentrierter Widerstand
2.2
Örtlich verteilter Widerstand
3
Arten von Widerständen
4
Zeit- und Frequenzabhängigkeit von Widerständen
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Schlüsselwörter
Widerstand, Widerstandsprozess, Widerstandsnetz, Widerstandsbeziehung, Strom, Potenzialdifferenz, konzentrierter Widerstand, verteilter Widerstand
Kurzbeschreibung
Es steht der Begriff Widerstand zur Diskussion. Es werden die größeren Zusammenhänge um den Begriff
Widerstand behandelt. Denn der Widerstand ist nicht nur ein elektrotechnischer Bauteil, er ist ein wichtiges
Prinzip in Natur und Technik.
Einleitung
In der deutschen Sprache meint der Begriff "Widerstand" ein allgemeines Prinzip, einen Gegenstand, aber
gleichzeitig auch einen physikalischen Parameter. Das macht die Sache nicht ganz einfach. Auch die Umgangssprache kennt ihn: "Ich spüre Widerstand!", "... gegen alle Widerstände ..." usw. Es gibt weitere Begriffe, die in diesen Zusammenhang gehören: Resistenz, resistent.
Allgemein bedeutet Widerstand Wirkung gegen irgendein Geschehen. Konkret geht es in Natur und Technik
vornehmlich um den physischen Widerstand gegen jegliche Art von Ausbreitungsvorgängen.
Die folgenden Abschnitte umschreiben den Begriff Widerstand als spezielle Eigenschaften nichtdynamischer
und dynamischer Prozesse. Er repräsentiert also einen Parameter in einer Prozessbeschreibung beziehungsweise in einem Prozessmodell. In vielen Fällen wollen wir den Parameter Widerstand messen, das
heißt, wir wollen ihn identifizieren beziehungsweise schätzen.
Der schillernde Begriff Widerstand im Sinne eines Nichtzulassens kann natürlich auch im Sinne des Zulassens uminterpretiert werden, man denke nur an die Begriffe Schluckvermögen, Durchlässigkeit, Leitfähigkeit,
Permeabilität usw. Tatsächlich stehen diese Begriffe in einem inversen Verhältnis zum Begriff Widerstand,
was bei konkreten mathematischen Formulierungen dann auch so zu Tage tritt. Leider ist die Terminologie in
den jeweiligen Anwendungsbereichen inkonsistent. Einer gesamtheitlichen Betrachtungsweise ist dies nicht
förderlich.
1
Widerstand
Was liegt näher, als das Prinzip Widerstand interdisziplinär anzugehen? Die folgenden Abschnitte stellen vor
allem die Gemeinsamkeiten im Umfeld der verschiedenartigen Widerstände in den Vordergrund.
1.1 Widerstand gegen Ausbreitungsvorgänge
Widerstand richtet sich gegen jegliche Art von Ausbreitungsvorgängen, seien dies nun Strömungsvorgänge
von Teilchen oder Wellenausbreitungsvorgänge. Im engeren Sinne wendet sich der Widerstand gegen den
Transport von Stoff, Energie und Impuls, im weiteren Sinne auch gegen den Transport solcher Dinge wie
Information oder Geld und wenn man so will, auch gegen den Strom von Emotionen und Gefühlen. Wir müssen also in der Diskussion um Widerstände auch die Ströme durch Widerstände und die Potenzialgefälle
2
über Widerstände einbeziehen. In den Naturwissenschaften und in der Technik beschränken wir uns auf
physikalisch beschreibbare Phänomene.
1.2 Ströme und Potentialdifferenzen an Widerständen
Ein Strom entsteht immer auf Grund einer Potenzialdifferenz (Gefälle, Gradient) über einem Widerstand (Zusatz → Modul "Prinzip Potenzial"). Dabei umspannen zwei nachvollziehbare Grenzfälle alle denkbaren Möglichkeiten:
•
Unendlicher Widerstand zwischen zwei Punkten verschiedenen Potenzials:
Es kann kein Strom fließen
("undurchlässiger" Prozess)
•
Fehlender Widerstand zwischen zwei Punkten verschiedenen Potenzials:
Bei idealen, unendlich großen Quellen und Senken fließen unendlich große Ströme
("Kurzschluss" im Prozess)
Es bestehen Beziehungen allgemeiner Natur zwischen der Ergiebigkeit realer Quellen, der Schluckfähigkeit
realer Senken, den dazwischen liegenden (Strömungs-) Widerständen, sowie den Potenzialen und den Strömen (Zusatz → Modul "Beziehungen am Widerstand"). In einigen Bereichen sind sie sehr einfach (Kirchhoffund Ohm-Beziehungen in der Elektrizitätslehre) (Zusatz → Modul "Verallgemeinerte Kirchhoff-Regeln"), in
anderen hingegen extrem kompliziert (Strömungsbeziehungen in der Fluiddynamik).
2
Widerstand im Raum
Betrachtet man den Widerstand nicht nur als Prinzip, sondern als realen Gegenstand (Resistor), den man
örtlich lokalisieren kann, dann unterscheiden wir zwei Fälle:
•
•
Örtlich konzentrierter Widerstand
Örtlich verteilter Widerstand
2.1 Örtlich konzentrierter Widerstand
In einer Modellvorstellung nehmen wir an, dass die Eigenschaft "Widerstand" an einem Ort der Ausdehnung
Null konzentriert sei (konzentrierter Parameter) und dass die hindurchströmenden Partikel unendlich kleine
Abmessungen besitzen. Wir werden damit von Ortskoordinaten unabhängig und wir haben es selbst bei der
Beschreibung dynamischer Vorgänge mit gewöhnlichen Gleichungssystemen zu tun.
Aber
• Es gibt keine solchen idealen strömenden Medien und keine idealen Widerstände!
Kompromiss
• Wir arbeiten bei vielen konkreten Widerstandsproblemen trotzdem mit diesen simplifizierenden Annahmen. Es lassen sich damit zwar nur Näherungslösungen mit gewissen Approximationsfehlern gewinnen,
dafür sind die Resultate durchschaubar, der Aufwand in vielen Bereichen durchaus problemgerecht und
die Genauigkeit der Ergebnisse meistens akzeptabel.
2.2 Örtlich verteilter Widerstand
Ein realer Widerstand ist wegen seiner tatsächlichen Ausdehnung und wegen der makroskopischen Größe
hindurchströmender Objekte nicht auf einen mathematischen Punkt mit der Ausdehnung Null konzentriert,
sondern ist homogen oder häufig sogar inhomogen über den Raum verteilt (verteilte Parameter). Diese Situation führt bei der Beschreibung (Modellbildung) zu parziellen Gleichungssystemen.
Aber
•
Niemand ist in der Lage, reale Widerstände bezüglich Raum und Zeit vollständig zu beschreiben!
•
Falls wir überhaupt in der Lage gewesen wären, die Gleichungssysteme problemgerecht und
vollständig aufzustellen, wären sie nur in den einfachsten Fällen geschlossen lösbar!
Kompromiss
• Wir modellieren nur die wichtigsten Erscheinungen um einen Widerstandsprozess herum und vernachlässigen bewusst die für ein Problem maßgebenden Nebeneffekte.
•
Da eine geschlossene Lösung in einer Simulation nicht möglich ist, wird der Widerstandsprozess bezüglich Raum und Zeit geeignet fein diskretisiert. Diskretisieren heißt hier, dass wir den verteilten Prozess in
ein Widerstandsnetz geeignet vieler Teilprozesse mit je einem konzentrierten Widerstandsparameter ersetzen. Dies ist das allgemeine Vorgehen der Methode der finiten Elemente (FEM).
Wir greifen also auf die Idealvorstellung des Widerstandes mit konzentrierten Parametern zurück, weil damit
wenigstens numerische Lösungen in Form von Simulationen erreichbar sind. Diskretisierungsfehler nehmen
wir bewusst in Kauf und wir wiegen sie gegenüber den Anforderungen der Aufgabenstellungen ab.
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Wir konzentrieren uns im Allgemeinen auf den diskreten Widerstand als idealisierendes Modell, weil in vielen
Fällen diese Annahme mit genügender Genauigkeit zutrifft und weil sie Ausgangspunkt der Analyse ganzer
Widerstandsnetze ist. Dadurch haben wir es nur mit algebraischen und transzendenten Gleichungen beziehungsweise mit gewöhnlichen Differenzialgleichungen zu tun.
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Arten von Widerständen
Unzähligen Arten von Strömen und Potenzialdifferenzen sind unzählige Arten von Widerständen (Zusatz →
Beispiele "...") gegen diese Ströme zugeordnet. Glücklicherweise sind aber die grundlegenden Beziehungen
allgemeingültig und die Diskussionen zum Prinzip Widerstand müssen nur einmal geführt werden. Hingegen
sind die verschiedenen Arten der Widerstandsparameter prozessspezifisch.
4
Zeit- und Frequenzabhängigkeit von Widerständen
Immer fragen wir bei der Analyse eines Prozesses, im vorliegenden Fall bei der Analyse eines Widerstandsprozesses, ob ein Verhalten, präziser, ein Übertragungsverhalten, zeit- beziehungsweise frequenzabhängig
sei. Es mag erstaunen, dass die Antwort im vorliegenden Fall eindeutig nein lautet. Ist doch in vielen technischen Bereichen der verwandte Begriff Impedanz geläufig, der auf Zeit- beziehungsweise Frequenzabhängigkeit weist.
Ohne an dieser Stelle auf Einzelheiten einzugehen, sei darauf verwiesen, dass erst die Kombination von Widerstandskomponenten mit Speicherkomponenten zu dynamischen Effekten führt (Zusatz → Modul "Prinzip
Kapazität").
Die bekannteste derartige Kombination ist der Widerstands-Speicher-Prozess, bekannt in der elektrischen
Realisation als Widerstands-Kondensator-Prozess (RC-Prozess). Hier ist die Impedanz als ein dynamisches
Übertragungsverhalten sehr wohl definiert, was auch in den Einheiten der Impedanzgrößen zum Ausdruck
kommt. Man spricht deswegen gelegentlich von der Impedanz als einem dynamischen Widerstand.
Wir gehen also davon aus, dass reine Widerstände aller Art zeit- beziehungsweise frequenzunabhängig
sind.
Aber
• Auch dies ist nur eine nützliche Idealvorstellung, die in der Praxis deshalb nicht erfüllt ist, weil Widerstände nie lokal in einem mathematischen Punkt konzentriert sind und weil damit immer Kombinationen
mit lokalen Speicherelementen vorkommen.
Konkret heißt das, dass reale Widerstände in den für sie vorgesehenen Frequenzbereichen wohl ein
weitgehend frequenzunabhängiges Übertragungsverhalten zeigen, dass sich aber je nach Bauart bei
höheren Frequenzen eindeutig Frequenzabhängigkeiten wegen nicht vernachlässigbaren Speichereffekten bemerkbar machen.
Kompromiss
• Bei normalen Verhältnissen dürfen Widerstände als zeit- und frequenzunabhängig angesehen werden.
Zitieren
Beziehen Sie sich auf dieses Dokument durch folgenden Zitiermodus:
Ruhm, K. H.; Prinzip Widerstand
Internet-Portal "Wissenschaft und Technik des Messens"; Dokument: www.mmm.ethz.ch/dok01/d0000219.pdf
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Es gibt eine englische Version dieses Dokuments: d0000XXX
Änderungen
Rev. Datum
Änderung
00
Erstausgabe
19.01.2007
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