5.5 Hundsche Regeln

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http://oobleck.chem.upenn.edu/˜ rappe/QM/QMmain.html
finden Sie ein Programm, welches Ihnen gestattet, die Mehrelektronenverteilung für alle
Elemente zu berechnen und graphisch darzustellen. Einen Hatree-Fock Komputercode
finden Sie unter
http://www.fi.uib.no/AMOS/Hartree/H-F/LINK/lindex.html.
5.5
Hundsche Regeln
Wie wir wissen, besitzt jedes Elektron einen Bahndrehimpuls und einen Spin. Wir
bezeichnen die zugehörigen Einteilchenoperatoren mit
i
L
und Si
(5.46)
sowie die zugehörigen Quantenzahlen mit
li , mi , msi .
(5.47)
Bei der bisherigen Diskussion des Mehrelektronenatoms hatten wir die Wechselwirkung
der magnetischen Bahnmomente mit den Spins und der Spins untereinander vernachlässigt. Zu einer vollständigen Beschreibung der atomaren Spektren ist dies aber unabdingbar. Dies gilt auch für das Verständnis der magnetischen Eigenschaften. Auf
Grund der Wechselwirkung kommen bei der Beschreibung des Mehrelektronenzustands
sowie
die Mehrteilchenoperatoren des Gesamtspins S, des Gesamtbahndrehimpulses L
des Gesamtdrehimpulses J ist Spiel.
Si
S =
(5.48)
i
=
L
i
L
(5.49)
i + Si )
(L
(5.50)
i
J =
i
Deren Quantenzahlen bezeichnen wir mit15
s, ms , l, m, j, mj .
(5.51)
i zum Gesamtdrehimpuls Ji ist eine
Die Kopplung von Spin Si und Bahndrehimpuls L
direkte Konsequenz der relativistischen Dirac Gleichung. Sie kann für ein herausgegriffenes Elektron als das Produkt der Wechselwirkungsenergie von dem – mit dem Spin
fest verbundenen –magnetischen Moment m
i im durch die Bahnbewegung erzeugten
Magnetfeld Bi aufgefaßt werden. Im Mehrelektronenatom gibt es jetzt eine ganze Reihe
von solchen Kopplungsmöglichkeiten.
15
Da im Mehrelektronenatom s nicht mehr länger gleich 1/2 sein muß, ist diese Quantenzahl immer
explizit anzugeben.
123
1. So kann z.B. der Spin Si jedes einzelnen Elektrons mit dem eigenen Bahndrehimpuls li zu einem Einzelgesamtdrehimpuls ji koppeln. Die einzelnen ji ergeben
dann den Mehrelektronengesamtdrehimpuls J. Dieses Szenario nennt man (j, j)Kopplung.
S1
SZ


und L1 −
→ J1 
→ J
−
...

und LZ −
→ JZ 
(5.52)
i zu einem Gesamtbahn2. Oder aber die Si koppeln zu einem Gesamtspin S, die L
und diese beiden schließlich zum Gesamtdrehimpuls J. Dieser Fall
drehimpuls L
wird mit L-S- bzw. Russel-Saunders-Kopplung bezeichnet und ist in Bild 5.9
graphisch dargestellt.

S1


 ... 
SZ



1
L


 ... 
Z
L

−→ S 















−→ L
−→ J
(5.53)
Wie die Spins und Bahndrehimpulse für ein gegebenes chemisches Element im Detail
letztendlich koppeln, hängt von den involvierten Wechselwirkungsenergien ab. Wir
haben schon gelernt, daß die Feinstrukturaufspaltung, welche ein Maß der Kopplung
i ist, mit Z 4 /n3 ansteigt. Sie ist also umso größer je größer Z. Die (j, j)von Si an L
Kopplung sollte also bei schweren Atomen auftreten. Ihr Spektrum ist sehr komplex,
da die Quantenzahlen L und S nicht mehr definiert sind. Wir wollen uns hier nicht
näher damit beschäftigen.16
Im Falle der leichten Atome kommt die LS-Kopplung zum tragen. In spektroskopischer
Notation lautet der elektronische Zustand
2S+1
LJ ,
L = 0 ↔ S, L = 1 ↔ P, L = 2 ↔ D, L = 3 ↔ F, . . .
(5.54)
Die Hierarchie der Wechselwirkungsenergien ist wie folgt:
16
Man beachte, daß die (j, j)-Kopplung im Mehrelektronenatom gerade dann eintritt, falls das was
wir beim H-Atom mit LS-Kopplung bezeichnet haben – d.h. die Kopplung der Einzelspins Si an
i – stark ist. Da der Ausdruck LS-Kopplung im Mehrelektronenatom für das zur (j, j)-Kopplung
L
komplementäre Szenarium benutzt wird, kann dies zu Verwirrung führen. Man müßte, um exakt zu
sein, die Begriffe LS-Kopplung und Li Si -Kopplung einführen, was sehr schwerfällig ist.
124
B
L2
L
L1
S2
S
S1
J=L+S
L
S
Abbildung 5.9: LS-Kopplung von zwei Elektronen im Vektormodell.
1. Hauptbeitrag ist die Coulomb-Energie jedes Elektrons im Feld des Kerns.
2. An zweiter Stelle kommt die Coulomb-Energie der Elektronen untereinander.
3. An dritter Stelle rangiert die Wechselwirkung von Spin Si mit Bahndrehim i . Spin und Bahnsysteme sind daher in guter Näherung voneinander gepuls L
trennt und es kommt zur Ausbildung eines Gesamtbahndrehimpulses sowie eines
Gesamtspins.17
Die konsequente Anwendung dieser Prinzipien erlaubt es die Drehimpulse der Elektronenkonfiguration festzulegen. Die entsprechenden Regeln wurden von Hund18 aufgestellt,
die wir hier auflisten.
1. Für abgeschlossene Schalen und Unterschalen gilt: s = 0, l = 0, j = 0.
– Bei geschlossenen Schalen sind alle Orbitale mit gleichem l aber unter
m
schiedlichem ml doppelt besetzt. Damit ist m = 2l+1
i=1 mi =
i=−m m = 0.
Andere m sind nicht zu verwirklichen. Daraus folgt wegen l = mmax unmittelbar l = 0 (siehe Gl. 3.21). Das analoge Argument gilt für s.
17
Im Falle verschwindender Spin-Bahn-Kopplung sind Gesamtbahndrehimpuls sowie Gesamtspin
Erhaltungsgrößen und die zugehörigen Quantenzahlen damit gute Quantenzahlen.
18
Friedrich Hund (1896-1997). Nobel Preis für Physik im Jahre 1945. Bahnbrechende Beiträge in
der Quantenmechanik und Molekülphysik.
125
– Die Überlagerung dieser Wellenfunktionen führt auf eine kugelsymmetrische
Schale.19
– Die zugehörige spektroskopische Notation lautet: 1 S0 .
– Wir haben es mit einem Singulett zu tun, d.h. der Zustand besitzt wegen
j = l keine Feinstruktur (Aufspaltung der Zustände mit ungleichem j auf
Grund der Spin-Bahn-Wechselwirkung (siehe Tabelle 5.1). Zur nochmaligen
Veranschaulichung der möglichen Kopplungsresultate zweier Spins betrachte
Bild 5.10.
– Als Folge dieser Regel dürfen wir abgeschlossene Unterschalen bei der Bestimmung der l, s und j Quantenzahlen vernachlässigen.
2. Die Zustände mit maximalen s liegen energetisch am tiefsten.
– Es werden zuerst alle mit dem Pauli-Prinzip verträglichen Ortsorbitale einfach besetzt. “Die Spins stehen solange parallel wie dies nur möglich ist.”
– Das zweite Hundsche Gesetzt wird verständlich, wenn man beachtet, daß bei
Elektronen in unterschiedlichen Ortsorbitalen der mittlere Abstand maximiert und damit die Coulomb-Wechselwirkung minimiert wird.20
– Die Multiplizität (Anzahl der vershiedenen mit s und l kompatiblen j) ist
also maximal (siehe Tabelle 5.1).
– Da es zu s und l die möglichen j-Werte l + s, l + s − 1, . . . |l − s| gibt (siehe
Bild 5.10), haben wir es mit Multipletts zu tun, deren Dimension für s ≤ l
durch 2s + 1 und für s > l durch 2l + 1 festgelegt ist.
Beispiel: s = 1 und l = 1 ergibt Triplett: 3 P2 , 3 P1 und 3 P0
– Im Falle l < s behält man aber die übliche spektroskopische Notation
(Multiplizität: 2s+1) (Bahndehimpuls: l)
(Position im Multiplett: j)
(5.56)
bei und spricht von einer nicht voll entwickelten Multiplizität.
Beispiel: s = 1 und l = 0 ergibt Triplett Zustand 3 S1 . Ist aber im Grunde
ein Singulett, d.h. nicht voll entwickelt.
3. Für Terme mit maximalen s liegen die Zustände mit maximalen l am tiefsten.
19
Dies ist eine Folge des Additionstheorems
l
∗
Ylm
(Θ, Φ)Ylm (Θ, Φ) =
m=−l
20
2l + 1
.
4π
Gleiche Spins zwingen die Elektronen in unterschiedliche Ortsorbitale.
126
(5.55)
l1=1, l2=1, j=2
20.5
l1=1, l2=1, j=1
20.5
l1=1, l2=1, j=0
60.5
20.5
s1=1/2, s2=1/2, j=1
(3/2)0.5
(3/2)0.5
s1=1/2, s2=1/2, j=0
20.5
Abbildung 5.10: Beispiel für die Kopplung von Bahndrehimpulsen sowie von Spins. Die
antiparallele Stellung ist immer, die parallele Stellung nie möglich.
– Die zu einem l gehörenden m-Zustände werden also so aufgefüllt, daß die
Elektronen (up)21 zuerst in das Orbital m = l dann in das Orbital m = l − 1
usw. gesetzt werden. Sind alle Orbitale einfach besetzt so wird die Prozedur
mit dem komplementären Spinzustand (down) wiederholt.
– Beispiel Kohlenstoff: Die 1s und 2s Schalen sind mit jeweils 2 Elektronen
21
Da kein Magnetfeld anliegt, sind die Up und Down Zustände natürlich völlig gleichberechtigt. Bei
einem einzelnen Elektron macht es also keinen Sinn, ms festzulegen. Was bei mehr als einem Elektron
pro Schale zählt, ist die antiparallele Spinstellung. Um uns das Leben zu vereinfachen, wählen wir
o.B.d.A. die Spins als up-Spins.
Tabelle 5.1: Multiplizität, d.h. Anzahl der möglichen j-Quantenzustände bei gegebenen
s unter der Voraussetzung, daß s < l.
Gesamtspinquantenzahl s Multiplizität Bezeichnung
0
0
Singulett
1
2
Dublett
2
1
3
Triplett
3
4
Quartett
2
2
5
Quintett
127
unterschiedlichen Spins besetzt. Die Schalen sind abgeschlossen und tragen
weder Spin noch Bahndrehimpuls. Wir haben es mit der Elektronenkonfiguration des Berylliums zu tun. Es verbleiben zwei weitere Elektronen. Deren
Spins sind parallel ausgerichtet (up) und besetzen die p-Orbitale mit m=1
und 0. Dies ergibt einen Gesamtspin s = 1 und Gesamtbahndrehimpuls
l = 1.
4. Bei weniger als halbgefüllten Schalen bildet der Term mit j = |l−s| den Grundzustand, anderenfalls der Term mit j = l + s.
– Beim Wasserstoffatom hatten wir gelernt, daß die Zustände mit dem kleinsten j energetisch am tiefsten lagen. Im klassischen Bild war dies eine
Folge der Tatsache, daß für ein negativ geladenes Teilchen, das durch die
Bahnbewegung erzeugte Magnetfeld so geartet ist, daß sich der Spin darin
antiparallel zum Bahndrehimpuls ausrichten möchte.
– Das beim Wasserstoff festggestellte Verhalten finden wir auch bei Mehrelektronenatomen mit weniger als halbgefüllten Schalen wieder. Dazu betrachten wir erneut den Kohlenstoff. Der Spin s = 1 kann mit dem Bahndrehimpuls l = 1 zu j = 2, 1, 0 koppeln, was das Triplett
3
P2 ,3 P1 ,3 P0
(5.57)
ergibt. Davon liegt, wie experimentell bestätigt, der 3 P0 -Zustand energetisch
am günstigsten. j wird also minimiert.
– Eine zu mehr als der Hälfte aufgefüllte Schale kann als gefüllte Schale mit
positiven Löchern aufgefaßt werden. Da für positive Teilchen die parallele
Ausrichtung von Spin und Bahnmoment bevorzugt wird, liegen die Zustände
mit maximalem j energetisch am günstigsten.
Ein Beispiel ist der Sauerstoff, welcher 4 Elektronen in der p-Schale aufweist.
Der Gesamtspin ist maximal, d.h. s = 1 (Eines der p-Elektronen besitzt
Spin up und kompensiert damit einen down-Spin. Es verbleiben 2 up-Spins,
welche maximal zu s = 1 koppeln können.) Um l zu maximieren sitzt das
up-Spin Elektronen in einem Orbital mit m = 1. Daraus folgt wie beim
Kohlenstoff l = 1. Wir erhalten wieder das Triplett
3
P2 ,3 P1 ,3 P0 .
(5.58)
Da wir es aber mit einem Lochsystem zu tun haben wird jetzt im Grundzustand j maximiert, d.h. wir erhalten den Zustand 3 P2 .
Graphische Beispiele für Elektronenkonfigurationen sind in Bild 5.11 gezeigt.
128
Fe: 5D4
Ni: 3F4
3d6
ml:
2
1
0
-1
-2
ml:
2
ml:
0
ml:
1
ml:
0
ml:
1
ml:
0
ml:
0
1
0
0
-1
0
-1
-1
-2
4s2
ml:
0
3p6
ml:
1
0
-1
3s2
ml:
0
2p6
ml:
1
0
-1
2s2
ml:
0
1s2
ml:
0
Abbildung 5.11: Grundzustand der Übergangsmetalle Eisen und Nickel. Konstruktion mit
Hilfe der Hundschen Regeln.
5.6
Atomarer Magnetismus
Mit dem Drehimpulssystem ist ein atomares magnetisches Moment verbunden. Wie
wir wissen, stimmt die Richtung des gesamten magnetischen Moments auf Grund der
unterschiedlichen g-Faktoren von Bahndrehimpuls und Spin nicht mit der Richtung des
Gesamtdrehimpulses J überein. Für den Betrag des magnetischen Moments erhalten
wir
J | = −|gJ | J(J + 1)µB .
(5.59)
|m
Die Projektion auf die Magnetfeldachse ist durch
J ]z = −mJ gJ µB
[m
(5.60)
gegeben. Der atomare gJ - Faktor lautet bei LS-Kopplung in völliger Analogie zum
H-Atom (Gl. 3.47)
gJ = 1 +
J(J + 1) − L(L + 1) + S(S + 1)
,
2J(J + 1)
(5.61)
wobei wir, um die Zugehörigkeit zu den Mehrelektronenoperatoren zu unterstreichen,
für die Quantenzahlen Großbuchstaben gewählt haben.
129
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