SCHIZOPHRENIE ÜBERSICHT Cognitive-Behavioral Therapy (CBT) bei Positivsymptomatik FS 2008 22. April 2008 Manuela Christen ([email protected]) WAHNPHÄNOMENE • Einführung • Theoretischer Hintergrund • Bisheriger Forschungsstand • Anwendung der Therapie Einführung Einführung Theor. Hintergrund Theor. Hintergrund Forschungsstand Anwendung Forschungsstand HALLUZINATIONEN Anwendung • Besonders charakteristisches Symptom (bei ca. 80-90%) • Relativ häufig in der akut Phase (bei 60%) • = falsche Überzeugungen, gewöhnlich einhergehend mit Fehldeutung von Wahrnehmung und Erfahrungen • = nicht direkt und willentlich kontrollierbare Erfahrung, die in Abwesenheit eines angemessenen Stimulus gemacht wird • Starke Variation in Überzeugungsstärke und Thematik • Stimmen von aussen und von innen kommend • Von anfänglich oft eher fixen Ideen, dysfunktionalen Konzepten oder Interpretationen bis hin zu ausgeweiteten Wahnsystemen • Stimmen häufig auf eigene Person bezogen und Angst erzeugend • Akustische H. sprechen in 25-30% der Fälle nicht auf antipsychotische Medikamente an • Typisch: religiöse od. politische Inhalte im Bezug zum Selbst, Sexualität, Partnerschaft und Körperbezogene Wahninhalte • Oft als sehr belastend erlebt und zu Suizidversuchen führend • Selten: Inhalte bezogen auf die Welt oder nicht-selbstbezogene Inhalte • Optische H. eher selten berichtet • Nicht leicht in Frage gestellt (durch eigenen Erfahrung oder Argumente anderer) • Taktile H. beinhalten oft Beeinflussungserlebnisse (z.B Strahlen, etc.) • Olfaktorische und gustatorische H. eher selten • Fliessende Grenze zwischen normalen Überzeugungen und Wahn Einführung Theor. Hintergrund INSTRUMENTE Forschungsstand Anwendung Diagnoseerstellung • Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV, SKID (Wittchen et al., 1997) • Diagnosechecklisten für DSM und ICD (IDCL; Hiller, Zaudig & Mombour, 1995, 1997) WAHN: KOGNITIV-BEHAVIORALE ERKLÄRUNGSANSÄTZE Positive and Negative Syndrom Scale (PANSS; Kay, Fiszbein, & Opler, 1987) • Maudsley Assessement of Delusions Schedule (MADS; Wesseley et al., 1993) Theor. Hintergrund Forschungsstand Anwendung Kognitives Model zur Entstehung von Wahn (nach Garety et al., 2001): Negative Schemata Symptomerfassung • Einführung Ungewöhnliche Wahrnehmungserfahrungen Emotionale Kognitive Disposition Erregungsreaktion Ungünstige Attributionsstile Neuropsychologische Defizite • Wechsler Memory Scale (WMS-R; Härtig et al., 2000) • Winsconcin Card Sorting Test (WCST; Grant & Berg, 1993) • Eppendorfer Schizophrenie-Inventar (ESI; Mass, 2001) Auslösende Ereignisse Mangelnde Hinterfragung & schnelle Schlussfolgerung Ausbleiben korrigierender Information Dysfunktionale Kognitionen • Cognitive Assessment of Voics: Interview Schedule (Chadwick, Birchwood & Trower, 1996) • Fragebogen Irrationaler Einstellungen (FIE; Klages, 1989) • Dysfunctional Attitude Scale (DAS; Hautzinger, Luka & Trautmann, 1985) Störung kognitiver Prozesse Entstehung und Aufrechterhaltung des Wahns 1 HALLUZINATIONEN: KOGNITIV-BEHAVIORALE ERKLÄRUNGSANSÄTZE Einführung Theor. Hintergrund Forschungsstand Anwendung Einführung KOGNITIVE VERHALTENSTHERAPIE (CBT) Beeinträchtigte Quellenwahrnehmung Fehlattribuierte Intrusionen = Beeinträchtigte Realitätserkennungsfähigkeit (durch Belastung verstärkt) -Ähnlichkeit von H. und intrusiven (unerwünschten) Gedanken Hyperaktive kogn. Schemata und bildhafte Repräsentation -H. = Ergebnis einer externen Attribution von ego-dystonen, ungewollten und unkontrollierten Gedanken -Zur Reduktion von kogn. Dissonanz zw. Unkontrollierbaren Gedanken und metakogn. Überzeugungen Zusammenspiel von kognitiven Schemata und Defiziten Anwendung • Beziehungsaufbau und Problemerfassung • Individuelle Problemanalysen (Erklärung von Zusammenhängen zw. Situationen, Verhalten, Kognitionen, Emotionen und Symptomen) • Verbesserung von Copingstrategien im Umgang mit Symptomen Externalizing bias, überzogen selbstsichere Urteilsbildung und defizitäre Realitätstestung • Kogn. Umstrukturierung wahnhafter Überzeugungen und dysfunktionaler Kognitionen in Bezug auf Symptome • Veränderung negativer selbst-bezogener Schemata (nach Beck) • Technik für die Behandlung von Negativsymptomatik Keine Korrektur der Attributionsfehler (zirkuläre Argumentation, aufgebaute Beziehung zu den Stimmen) • Rückfallprävention (Bearbeitung von mit Rückfällen und Frühwarnsignalen einhergehenden dysfunktionaler Kognitionen und Warnsignalmonitoring) Einführung KOGNITIVE VERHALTENSTHERAPIE (CBT) Theor. Hintergrund Forschungsstand Anwendung Einführung KOGNITIVE VERHALTENSTHERAPIE (CBT) Theor. Hintergrund Forschungsstand Anwendung Integration: Unterschied zu traditionellen Ansätzen: • Fokus auf Positivsymptomatik (v.a. Wahn und akustische Halluzinationen) • Kognitive Intervention (basierend auf kogn. Erklärungsmodellen) und nicht Schwerpunkt auf Verhaltensebene (Fertigkeitentraining) • Erfassung der Probleme anhand einer individuellen Problemanalyse „neuere“ CBT-Ansätze haben Bausteine der „alten“ integriert • Rückfalltraining • Problemlösetraining • Soziales Kompetenztraining • Ergänzende Familientherapie, Fertigkeitstrainings, soziotherapeutische Massnahmen und Psychoedukation (basierend auf der Sicht des Patienten) • Forschungsstand Wesentliche Elemente: Kognitive Modelle: Halluzinationen als... voreiliges bzw. unangemessen sicheres Urteil über die Quelle von Ereignissen Und Attribution zu einer externen Quelle (Bias) Theor. Hintergrund Grössere Betonung auf der Besprechung und Bearbeitung der subjektiven Einstellung zu der Erkrankung Jedoch in den „neueren“ Ansätzen individualisierter und in einzeltherapeutischer Form durchgeführt ENTWICKLUNG Einführung Einführung Theor. Hintergrund Theor. Hintergrund Forschungsstand Anwendung • • Kognitive Ansätze zur Behandlung von Schizophrenie lange vernachlässigt Jedoch bereits in den 50er Jahren Ermutigungen zur kogn. Behandlung bezogen auf Wahnvorstellungen (z.B. Beck, 1952) • In den letzten 10-15 Jahren Antrieb durch Forscher in Grossbritannien (z.B. Kingdon & Turkington, 1991) WIRKSAMKEIT DER CBT Forschungsstand Anwendung Trotz Kritik, dass psychotische Patienten für psychotherapeutische Prozesse nicht zugänglich seien und dass das Reden über Wahn und dysfunktionale Kogn. den Zustand verschlechtere,... ... zufrieden stellende Wirksamkeit der CBT durch mehrere Metaanalysen belegt:. • Rector, N.A. & Beck, A.T. (2001): grosser mittlerer Effekt von d= .91 zu Gunsten von CBT CBT für medikamenten-resistente Symptome bei psychotischen Patienten Ausgangspunkte: - 25-50% der schizophrenen Patienten litten trotz medikamentöser Behandlung unter anhaltenden Symptomen wie Wahn und Halluzinationen - Verweigerung von dauerhafter Medikamenteneinnahme - hohe Rückfallquote trotz Medikamenteneinnahme • Gould, R.A. et al. (2001): d= .65, wobei eine Zunahme der Verbesserung mit einem overall Follow-up Effekt von .93 verzeichnet werden konnte • Stieglitz, R.-D. & Vauth, R. (2001): CBT vermag persistierende Positivsymptomatik zu reduzieren und kann einen Beitrag zur Absenkung der Rückfallwahrscheinlichkeit leisten. 2 WIRKSAMKEIT DER CBT Einführung Einführung Theor. Hintergrund Theor. Hintergrund Forschungsstand Zimmermann, G., Favrod, J., Trieu, V.H., Pomini, V. (2005): Meta-Analyse • 14 Studien, 1484 Patienten (Post: 1001, FU: 540, late FU: 353) • Ausgelesen nach 5 Kriterien • ES= .37 (95% CI: 0.23-0.52) • Patienten der CBT Gruppe verbesserten sich mehr als 64% der Kontrollgruppe, Verbesserung der Reduktion der Positivsymptomatik • Robuste Resultate • Vergleich von „blind and not-blind assessment“, Unterschied besteht (nicht signifikant) • ES „Akute Episode“ > ES „Chronischer Status“ • CBT war den Wartekontrollgruppen, TAU und non-specific treatment überlegen (nicht sign.) • Follow-Up: ES= .40 (Verbesserung im Vrgl. Zu Post-treatment-data und Stabilisierung) UMGANG MIT BEEINTRÄCHTIGENDEN SYMPTOMEN (HALLUZINATIONEN) Forschungsstand Anwendung Struktur und Aufbau • Strukturierte und zeitlich limitierte Behandlung • Variable Anzahl Sitzungen: 20-40 • Auswahl und Reihenfolge der Interventionen richten sich nach der Einschätzung des Therapeuten (je nach individueller Problemlage des Patienten) 1. Phase der Therapie • Patienten verstehen und seine Sicht der Probleme nachvollziehen • Ziele und Erwartungen im Hinblick auf die Therapie erfragen • Realistische Erwartungen vermitteln (Therapie und Hoffnung auf Verbesserung) Weiterer Verlauf • Erstellung einer reliablen Diagnose • Identifizierung aller relevanten Probleme und Symptome • Herausarbeitung eines Arbeitsmodells (Aquisitions- und Performanzbedingungen) Einführung Einführung Theor. Hintergrund Theor. Hintergrund Forschungsstand BESONDERHEITEN Anwendung Ziel: • Wiedererlangen von Kontrolle • Aufgabe von dysfunktionaler Überzeugungen Am Bsp. Akustische Halluzinationen (einige Bsp.): • Entpathologiesieren (eigene Bsp., natürliche Physiolog. Prozesse) • Verbesserung und Optimierung von Copingstrategien (Arbeitsblatt 10, Selbstbeobachtung) durch systematisches Austesten • Exposition v.a. zur Reduktion der Angst (physikalisch, inhaltlich, assoziierte Gedanken) Stimme od. damit verbunden Gedanken als selbstgenerierend wahrnehmen • DURCHFÜHRUNG Anwendung Forschungsstand Anwendung Vieles Bekannt aus der Behandlung von depressiven Patienten Besonderheiten bei schizophrenen Patienten: • Schilderung von Emotionen fällt ihnen oft sehr schwer • Emotionen werden von sich aus eher selten berichtet und zum Ausdruck gebracht • Direkte Frage nach Gefühlen kann als bedrohlich empfunden werden • Die therapeutische Beziehung ist fundamental und verlangt grosse Flexibilität (kurzfristige Therapieziele je nach Motivation des Patienten zur Veränderung) • Völlige schematische Umstrukturierung der Schemata ist eher unrealistisch und wäre extrem zeitaufwändig Veränderung von Meta-Kognitionen (z.B. durch ABC-Schema, kognitive Umstrukturierung, Herausarbeitung zu Grunde liegender Selbstbewertungen) Daher: Rückbildung dysfunktionaler Schemata und Zunahme adaptiver Schemata sinnvoller! LITERATUR • Gould, R.A., Müeser, K.T., Bolton, E., Mays, V. & Goff, D. (2001). Cognitive therapy for psychosis in schizophrenia: an effect size analysis. Schizophrenia Research, 48, 335-342. • Lincoln, T. (2006). Kognitive Verhaltenstherapie der Schizophrenie. Ein individuenzentrierter Ansatz zur Veränderung von Wahn, Halluzinationen und Negativsymptomatik. Göttingen: Hogrefe. • Pilling, S. et al. (2002). Psychological treatments in schizophrenia: I. Meta-analysis of family intervention and cognitive behaviour therapy. Psychological Medicine, 32, 763782. • Rector, N.A. & Beck, A.T. (2001). Cognitive behavioral therapy for schizophrenia: an empirical review. The Journal of Nervous and Mental Disease, 189, 278-287. • Stieglitz, R.-D. & Vauth, R. (2001). Die Wirksamkeit kognitiv-verhaltenstherapeutischer Ansätze in der Behandlung chronischer Positivsymptomatik-Wo stehen wir? Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 30, 279-284. • Zimmermann, G., Favrod, J., Trieu, V.H., Pomini, V. (2005). The effect of cognitive behavioral treatment on positive symptoms of schizophrenia spectrum disorders: A meta-analysis. Schizophrenia Research, 77, 1-9. HERZLICHEN DANK FÜR EURE AUFMERKSAMKEIT! 3