GESUNDHEIT R I N D Verschiedene Stadien der Erkrankung: Es beginnt mit kleinen Hautveränderungen, die noch heilbar sind. Schwanzspitzen-Entzündung Fotos: II. Medizinische Tierklinik München Oft hilft nur die Amputation muss wohl von einem Geschehen aus mehreren Faktoren ausgehen. In den meisten Fällen geht eine Veränderung oder Verletzung der Schwanzspitze voraus (meistens handelt es sich um Trittverletzungen von Buchtgenossen), auf die sich sekundär Keime ansiedeln. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Schwanzspitzenentzündungen überwiegend bei Boxenhaltung oder Betonspaltenböden auftritt, selten in Anbindehaltung und nicht in Tiefstreulaufställen. Die SchwanzspitzenEntzündung bei Mastbullen muss schnell und konsequent behandelt werden. Schnelle Ausbreitung Schwanzspitzen-Entzündung im fortgeschrittenen Stadium. Die Schwanzspitze stirbt langsam ab. Jetzt hilft nur noch die Amputation durch den Tierarzt. D ie Entzündung der Schwanzspitze tritt in der Intensivmast bei Bullen immer noch gehäuft auf. Sie führt nicht nur zu erheblichen Schmerzen und Leiden der Tiere, sondern auch zu wirtschaftlichen Einbußen. Die wichtigsten Symptome Im Anfangsstadium fällt oft erst nach dem Scheiteln der Schwanzquastenhaare eine spröde, stark verhornte Haut mit kleinen Krusten und evt. Schwellung der Schwanzspitze auf. Diese Veränderungen heilen teilweise komplikationslos und unbemerkt ab. Sie können aber auch in ein ausgeprägteres Stadium übergehen. Dann ist R 14 top agrar 7/2001 die Haut der Schwanzspitze blaurot verfärbt, geschwollen und die Krustenbildung nimmt zu; zusätzlich sieht man weißlich gelbe Schuppen. Auch in diesem Stadium kommt es manchmal noch zur Spontanheilung. Eine Therapie mit Antibiotika und Waschungen der Schwanzspitze mit desinfizierenden Mitteln kann hier noch zur Heilung beitragen. Die Entzündung führt zu Juckreiz und zu Schmerz, worauf die Tiere mit vermehrtem Schwanzschlagen reagieren, was die Situation noch verschlechtert. Die Haare schilfern ab, die Haut verkrustet stark und es kommt zu blutiger Schorfbildung. Letztendlich entsteht eine starke eitrige Entzündung mit Aufspalten der Schwanzspitze, wobei die Schwanzspitze als blutig schorfiger Klumpen langsam abstirbt. Unter den Krusten findet man eitrige, jauchig stinkende Flüssigkeiten. In diesem Stadium hilft nur noch die Teilamputation des Schwanzes durch den Tierarzt. Die Entzündung und die Keime können über die Blutbahn und Nervenfasern bis ins Rückenmark und sogar bis in die Gelenke aufsteigen; es zeigen sich Lähmungen und zuletzt kommt es zum Festliegen des Tieres. Zu diesem Zeitpunkt kann das Tier nur noch getötet werden, da ein festliegendes Tier nicht zur Krankschlachtung transportiert werden darf. Die eigentliche Ursache der Erkrankung ist immer noch ungeklärt, man Beim Liegen eines Rindes wird der Schwanz etwas vom Körper abgespreizt, somit ist die Schwanzspitze gefährdet, durch Tritte anderer Tiere verletzt zu werden. Schadhafte Betonspalten können ebenfalls zu kleinsten Schädigungen der Schwanzspitzen führen. Bei eingestreuten Ställen gibt der Untergrund nach, so dass kaum Verletzungen entstehen. Feuchte und verdreckte Betonspalten führen zu Gewebserweichung der Schwanzspitze, was wiederum Hautschäden zur Folge haben kann. Außerdem entstehen durch Belecken und Benagen der Schwanzenden Risse und kleine Wunden. Überbelegung der Buchten spielt ebenfalls eine Rolle, da ein geringeres Platzangebot schneller zu Trittverletzungen der Schwanzspitzen liegender Tiere führt. Somit erklärt sich auch, warum oft erst ältere, schwerere Tiere betroffen sind. Schon kleinste Veränderungen und Verletzungen der Haut an der Schwanzspitze können als Eintrittspforte für Keime dienen. Dabei handelt es sich meistens um ganz normale Stallkeime, die überall vorkommen (Corynebacterium pyogenes, Staphylo- und Streptokokken etc.). So kommt es zu Entzündungen der Schwanzspitze. Ist ein Tier erst einmal erkrankt, so breitet sich die Schwanzspitzenentzündung rasch im Bestand aus. Nach dem Eindringen und Vermehren der Keime in einer vorgeschädigten Schwanzspitze können die Erregerkeime eine Pathogenitätssteigerung durchmachen. Das bedeutet, dass die Keime eine genetische Änderung erfahren und dadurch noch spezieller und noch aggressiver das nächste Tier befallen können. Weitere Auslöser Die Haltung auf Vollspalten mit dem üblichen Verschmutzungsgrad der Tiere und der damit verbundene Keimdruck ist sicherlich eine der Hauptursachen dieser Erkrankung. Weiterhin können zu frühes Umstellen der Kälber auf Betonspalten, allgemeine Eingewöhnungsprobleme der Kälber an die neue Umgebung (Stress), ungünstige Zusammensetzung der Futterrationen und mangelhaft strukturiertes Futter zu dieser Erkrankung beitragen. Ein Phosphatdefizit in der Nahrung, Mineralstoff- und Spurenelementimbalancen und Verseuchung der Futtermittel mit Pilzgiften (Toxinen) werden ebenfalls als Ursache diskutiert. Auch ein Räudemilbenbefall der Schwanzspitze könnte zu dieser Erkrankung beitragen. Zu viele Fliegen im Stall bringen Unruhe und gehäuftes Schwanzschlagen mit sich, wobei die Schwanzspitze beim Aufschlagen auf Beton verletzt werden kann. Nur selten werden bei Färsen- und Ochsenmast auf Betonspalten Veränderungen an der Schwanzspitze festgestellt. Meistens sind die Veränderungen bei diesen Tieren auch nicht so gravierend. So stellt sich die Frage, welche Rolle das Geschlecht für das Vorkommen der Schwanzspitzenentzündung spielt. Kreislaufstörungen in den kleinsten Gefäßen der Schwanzspitze können ebenfalls eine Ursache sein; sie treten z. B. bei der Mutterkornvergiftung oder Pilztoxinen im Futter auf; hierbei würden sich allerdings auch Veränderungen z. B. an den Ohrspitzen zeigen. Behandlung der Erkrankung In den ersten Stadien der Erkrankung kommt es eventuell zu Spontanheilungen. Behandlungen mit Antibiotika und lokale Waschungen der Schwanzspitze mit desinfizierenden Mitteln unterstützen die Heilung. Trotzdem schreitet die Entzündung manchmal weiter fort. Die sicherste Therapie besteht in der blutigen Teilamputation durch den Tier- top agrar 7/2001 R 15 GESUNDHEIT Die Entzündung und die Erreger können bis ins Rückenmark und in die Gelenke aufsteigen. Dann kann das Tier nur noch getötet werden. arzt. Die Amputation wird im zweiten Schwanzdrittel, in noch gesundem Gewebe vorgenommen. Nach Ruhigstellen des Tieres wird eine „Rückenmarkspritze“ (tiefe Epiduralanästhesie) gesetzt, die die Empfindungen im Schwanz betäubt. Anschließend wird der Schwanz gereinigt, rasiert und desinfiziert. Im oberen Schwanzbereich wird zeitweilig mittels einer Gummischlinge der Schwanz abgebunden, um die Blutzufuhr in den Schwanz zu verringern, damit die Operationsstelle überschaubar bleibt, und das Tier nicht zu viel Blut verliert. Gummiringe nur auf Antrag An der Amputationsstelle wird die Haut ringförmig durchtrennt; durch zwei Längsschnitte nach oben bis zum nächsten Schwanzwirbel entstehen zwei Hautlappen, die letztendlich den Stumpf bedecken. Anschließend wird der Schwanz zwischen den beiden Wirbeln abgesetzt. Der Knorpel auf dem freiliegenden Schwanzwirbel wird sorgfältig abgeschabt. Sodann werden die beiden Hautlappen vernäht. Nach Auftragen einer antibiotischen Salbe, Anlegen eines Schutzverbandes und Öffnen der Gummischlinge (für die Blutzufuhr) ist die Amputation beendet. Der Verband sollte nach einigen Tagen gewechselt werden. Aber auch eine Amputation erlangt nur dann den gewünsch- ten Erfolg, wenn sie rechtzeitig vorgenommen wird. In fortgeschrittenen Fällen, mit Schwanz- und Hinterhandlähmungen, Gelenksentzündungen und stark herabgesetztem Allgemeinbefinden sollte das Tier einer sofortigen Verwertung zugeführt werden. Ein festliegendes Tier darf allerdings nicht mehr transportiert werden. Deshalb ist eine häufige Kontrolle der Schwanzspitzen wichtig. Das prophylaktische Aufsetzen von Gummiringen auf die Schwanzspitzen ist nicht erlaubt und wird von den zuständigen Veterinärbehörden kontrolliert und eventuell geahndet. Das prophylaktische Amputieren der Schwanzspitzen aller Bullen einer Gruppe ist prinzipiell auch nicht erlaubt. Nach § 6 des Tierschutzgesetzes gilt das Verbot nicht, wenn der Eingriff im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation geboten ist. Ferner kann die zuständige Behörde das Kürzen des bindegewebigen Endstückes des Schwanzes von unter drei Monate alten männlichen Kälbern mittels elastischer Ringe erlauben. Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn dargelegt wird, dass der Eingriff unerlässlich ist. Die Erlaubnis ist zu befristen und muss Bestimmungen über Art, Umfang und Zeitpunkt des Eingriffs und die durchführende Person enthalten. Der Eingriff muss also der Behörde vorher angezeigt werden. Susanne Rehorst Konsequent vorbeugen ■ Vermeiden Sie die Überbelegung der Buchten. ■ Nach dem Ausstallen einer Gruppe sollten die Ställe gereinigt und desinfiziert werden, um den Keimdruck zu verringern. Kontrollieren Sie dann auch die Betonspalten auf scharfe, schadhafte Stellen. ■ Halten Sie die Fliegenpopulation im Stall gering (evt. Behandlung der Gülle, übliche Fliegenabwehr). ■ Bei Kannibalismus bzw. außergewöhnlichem Saugdrang ist die Fütterung auf ihren Gehalt an strukturierten Bestandteilen und an Mineralstoffen zu überprüfen und bedarfsgerecht zu ergänzen. Sorgen Sie für ausgewogene Futterrationen und ausreichend strukturiertes Futter. Tiere, die abnormes Verhalten wie Harntrinken und Kannibalismus zeigen, sollten am besten aus der Gruppe entfernt und einzelnen aufgestallt werden. ■ Kontrollieren Sie Ihre Tiere auf Parasitenbefall. Bekämpfen Sie Läuse oder Räude. Pour on-Verfahren sind auch bei größeren Tieren handhabbar. Versuchen Sie den Verschmutzungsgrad der Tiere und der Buchten so gering wie möglich zu halten. ■ Kontrollieren Sie regelmäßig die Schwanzspitzen der Bullen, um eventuelle Veränderungen schon im Frühstadium erkennen und behandeln zu können. top agrar 7/2001 R 17