DAS TIER IN MIR Die Mensch-Tier-Verwandtschaft in der zeitgenössischen Kunst 26. Januar - 1. April 2002 Teil 3 der Trilogie: Du sollst Dir ein Bild machen. Die fremden Ebenbilder des Menschen in der Kunst Als Höhlenmalereien zählen Tiere zu den ältesten Themen künstlerischer Weltdeutung. Heute halten sich Genforscher, Pharmakologen und Mediziner an die nächsten Verwandten des Menschen, um die Biologie des Menschen zu entschlüsseln. Der mal zärtlichen, mal schrecklichen Nähe zum Tier sind auch wir heutigen Menschen nicht entkommen. Wir lieben Tiere als Haus- und Wohnungsgenossen und essen Tiere zu Mittag. Sind die Widersprüche, die Tier und Mensch in scheinbar rationaler Zivilisiertheit verstricken, heute weniger ungeheuerlich als in der Zeit der Schamanen? Welchem Kult dient es heute, Labormäusen menschliches Ohrgewebe anzuzüchten? Die Ausstellung „Das Tier in mir“ ist der dritte Teil der Trilogie „Du sollst Dir ein Bild machen. Die fremden Ebenbilder des Menschen in der Kunst“, die die Kunsthalle im letzten Jahr begonnen hat („Big Nothing“ 27.1.–18.3.2001; „Ich bin mein Auto“ 30.6.–29.8.2001). Auch Tiere sind ein Thema, mit dem sich die Menschen immer dann befassen, wenn sie ein Nachbarfeld des Menschliches benötigen, in dem sie unüberschaubar große Vorstellungen wie „Menschheit“ oder „wir Menschen“ spiegeln und so indirekt bündeln können. In der Ausstellung erscheint das Tier in der Kunst der letzten hundert Jahre als kreatürlicher Verwandter, Opfer, vorzivilisatorisches Gegenüber und Träger durchaus menschlicher Eigenschaften. Es ist das Außerzivilisatorische, das Franz Marc größere Reinheit der Gefühle und der Eindrücke beim Tier vermuten läßt. Max Ernst und Salvador Dali interpretieren mythologische und psychisch paradoxe Konstellationen um Macht und Erotik als animalische Nähe zum Unter- und Vorbewußten des Menschen. Konfrontiert uns Francis Bacon mit der verletzlichen Leiblichkeit eines Schimpansen als Fast-Menschen, so wird für Louise Bourgeois die Spinne zur Verkörperung eines menschlichen Wesens: der Mutter. Die kosmologische Metaphorik vorgeschichtlicher, schamanischer Vorstellungen von Hase, Biene und Hirsch durchzieht das Schaffen von Joseph Beuys. Das mit der Kamera „abgeschossene“ Tier auf dem Safari- oder häuslichen Amateurfoto liefert die Vorlagen zu Gerhard Richters Überarbeitungen fotografischer Trophäen. In Katharina Fritschs strengen Tierskulpturen wirken Mäuse, Pudel oder Ratten keineswegs berechen- und beherrschbar. Sarah Lucas nimmt den Spitznamen „Bunny“ zum Ausgangspunkt einer skulpturalen Büroposse mit bedrohlichem Unterton. Während Elisabeth Hautmann den putzig-tyrannisch bettelnden Hausdackel vorführt, zeigt Piero Steinles Lichtinstallation, woher das Fleisch auf dem Tisch stammt: aus dem Schlachthof. Oft behandeln wir Tiere nicht wie unsere Freunde. Wir benutzen sie und zeigen in unserem Verhalten gerade nicht die Vernunft, die uns angeblich von ihnen unterscheidet. Kein Bereich der menschlichen Reflexion hat sich mit dieser Widersprüchlichkeit so intensiv auseinandergesetzt wie die Kunst. Nicht nur in älteren symbolischen und allegorischen Darstellungen, auch in moderner und aktueller Kunst erscheint das Tier als Träger menschlicher Eigenschaften, Ideale und Stimmungen. Gezeigt werden zusätzlich zu den oben genannten Werke u.a. von Stephan Balkenhol, Katharina Büche, (e.) Twin Gabriel, Valie Export/ Peter Weibel, Kirsten Geisler, Paul Klee, Jochen Lempert, Paul McCarthy, Christiane Möbus, Sandra Munzel, Eadweard Muybridge, Bruce Nauman, Albert Oehlen, Sigmar Polke, Rudolf Schwarzkogler, Diana Thater, Marcus Weber, William Wegman und Wols. Im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, erscheint ein Katalogbuch, das alle Werke der Ausstellung mit Abbildungen und Kurzbeschreibungen vorstellt. Essays und Texte von Tilmann Allert, Johannes Bilstein, Diana Ebster, Fritz Emslander, Friedrich Kittler, Norbert Sachser, Claudia Schmölders, Dirk Teuber, Matthias Winzen und Miriam Zerbel (ca. 200 Seiten, zahlreiche Abb., in der Ausstellung € 19,50, im Buchhandel DM 48.-).