Wir sind alle Sternenstaub - Die Entstehung der Elemente Dr. B. Pfeiffer AAG Mainz "If our inconceivably ancient Universe even had any beginning, the conditions determining that beginning must even now be engraved in the atomic weights." Theodore W. Richards, "Atomic weights" Nobel lecture, December 6, 1919 • Einführung: Was verstehen wir unter Elemente • Vom antiken Begriff und seiner Aktualität • Außerirdische Materie und Energiequellen der Sterne: Entwicklungen vor 1950 • Nukleosynthese • im Big Bang • in Sternen • Fusionsreaktionen geladener Teilchen • Neutroneneinfangsreaktionen • Galaktische chemische Entwicklung • Verteilung der Elemente • Außerirdisches Leben? Praesolares SiC-Staubkorn Vortrag in der VHS-Volkssternwarte Mainz am 21.05.2002 "Die Erde im Weltraum, Astronomie-Geschichte und mehr - Besondere astronomische Themen" 1 Begriffsbestimmung vorweg Das Wort Element(e) bezeichnet in der Sprache eine Vielzahl von Bedeutungen. Heute soll daraus nur ein kleiner Ausschnitt behandelt werden. Man spricht z.B. vom "Wüten der Elemente" bei Naturkatastrophen, denen der Mensch hilflos ausgeliefert ist. Dies ist nicht das Thema dieses Abends, doch reichen diese Begriffe weit in die Vergangenheit zurück, u.a. zu den alten Griechen, wo sich doch ein Ansatzpunkt (und Bezüge zur Astrologie/Astronomie) ergibt. Element/elementar steht für die Zurückführung komplexer Gegebenheiten auf Grundbegriffe, wie etwa Euklids Elemente, in denen die Mathematik aus Grundbegriffen (Axiomen) aufgebaut wird. Inhaltlich näher zum heutigen Abend ist folgende Definition: Als Elemente sollen die Körper bezeichnet werden, in die die anderen Körper zerlegt werden, und die in ihnen der Möglichkeit nach oder der Wirklickeit nach vorliegen. Selbst ist aber ein Element in anderes der Art nach nicht zu zerlegen. Über den Himmel, Aristoteles Der heutige Abend wird sich mit den etwa 100 chemischen Elementen befassen, aus denen sich alle Stoffe unserer Umwelt (inklusive uns Menschen) zusammensetzen. Allerdings werde ich nicht über die chemischen Eigenschaften der Elemente sprechen (darin fühle ich mich auch nicht besonders kompetent), sondern über die Prozesse, die zur Entstehung der Elemente führten und noch führen. Und da fast alle Elemente in Sternen entstehen, werden Sie verstehen, weshalb dieser Vortrag im Rahmen des Astronomie-Kurses der VHS gehalten wird. 2 Vier-Elemente-Lehre und Astronomie Schon immer versuchen die Menschen, die komplexe Umwelt verständlich zu machen, indem sie die vielfältigen Erscheinungen auf möglichst wenige Grundbegriffe zurückführen. Im 5. Jahrhundert v.Chr. stellte Empedokles von Agrigent eine Theorie über die Zusammensetzung der Materie auf, die bis heute nachwirkt: Danach besteht alles aus der Mischung von lediglich vier Urstoffen/-kräften: Feuer, Wasser, Luft, Erde Quintessenz . Zentral für physikalisches Weltbild der Antike (Aristoteles) [bis in Neuzeit]: Erde (bestehend aus Wasser und Erde) als schwerer Körper mit Tendenz nach unten zu fallen muss im Zentrum des Universums sein. Die Himmelskörper (Planetengötter) dagegen bestehen aus Quintessenz: Geozentrisches Weltbild Anmerkung: Das Ptolemäische, Kopernikanische, Tychonische System galten primär nicht als Beschreibung der physikalischen Realität sondern als rein mathematische Rechenanleitungen zur Bestimmung der Position der Himmelskörper. Wer diesen Unterschied beachtete, hatte meist auch Ruhe vor der Inquisition! Galileo hingegen hatte im "Il saggiatore" (1623) an den antiken Atomismus angeknüpft, der im Widerspruch zur Aristotelischen Elementlehre steht, die Thomas von Aquin zur Begründung der Transsubstantiationslehre der Eucharistie gedient hatte. 3 Dies war ein Glaubenssatz, also Scheiterhaufen! Die Platonischen Körper Plato (427-347) und seine Schule waren geradezu beseelt, ja besessen von der Idee, dass alles einer Ordnung und einem höheren Gesetz unterliege und nichts in der Natur dem Zufall überlassen sei. Nachdem Platos Freund Theaitetos (416-369) bewiesen hatte, dass es nur 5 regelmässige Körper gibt, verknüpfte Plato im Timaios die Vier-Elemente-Lehre das Empedokles (490-430) mit Demokritos (460-370) Atomlehre. Im Gegensatz zu Demokritos sah er in den Atomen nicht kleine materielle Körper, sondern geometrische Figuren/Prinzipien. Feuer und Wasser und Erde und Luft, so behaupten sie (Anaxagoras, Leukippos, Demokritos), hätten ihren Ursprung in der Natur und im Zufall, und keines davon in der Kunst. Und die späteren Weltkörper, die Sonne, der Mond und die Sterne seien aus diesen ersten, völlig seelenlosen Elementen entstanden ... ... daher kommt es, dass die jungen Leute auf gottlose Handlungen verfallen, da es ja keine Götter von der Beschaffenheit gäbe, wie man sie sich nach der Vorschrift der Gesetze zu denken hat. ... ... wer sich aber den Gesetzen nicht im Gehorsam unterzieht, der müsse entweder mit dem Tode oder mit Schlägen und Gefängnis oder mit Entzug der bürgerlichen Ehren oder mit Vermögensverlust und Verbannung bestraft werden ... ... Nun es verhält sich gerade umgekehrt wie jene Leute sagen, die darüber nachdachten und sich die Gestirne als unbeseelte Wesen vorstellten. ... Die Gestirne, wenn sie unbeseelt wären, künnten sich niemals nach diesen in ihrer Genauigkeit so bewundernswerten Berechnungen 4 bewegen, weil sie ja keine Einsicht besäßen. Plato, Gesetze 12, 889-966 Die Platonischen Körper Feuer Erde Luft Wasser Weltall Anmerkung: Platon wählte den Dodekaeder als Verkörperung des Weltalls, da man den 12 Flächen die 12 Tierkreiszeichen zuordnete. Auch hier findet man neben den 4 Elementen ein fünftes Prinzip, das (ähnlich der Quintessenz/Äther) die vier anderen umfassst. In seinem Frühwerk Mysterium Cosmographicum (1596) schachtelte J. Kepler die 5 Platonischen Körper ineinander um die Bahnen der Planeten zu erklären. Diesen "mystischen", antiken Ansichten blieb Kepler treu. So findet sich das "Dritte Keplersche Gesetz" in Harmonici Mundi (1619), in dem er die Planetenbahnen im Gefolge Pythagoras aus "musikalischen Harmonien" herleitet 5 Vier-Elemente-Lehre in der Astrologie Im Mittelalter wurden die 12 Tierkreiszeichen den 12 Aposteln zugeordnet, und schon konnten die alten astrologischen Vorstellungen unter christlichem Deckmantel fortbestehen. Jesus inmitten der vier Elemente. Seine Haltung zeigt die magische Geste "Wie oben, so unten". Er steht auf der Erde, in der sich die Elemente physisch manifestieren. Miniatur aus Bartholomaeus Anglicus: De proprietatibus rerum, 15 Jh. Oder ist dies nicht eher Ptolemæus, der Autor des "Apotelesmatika", bekannt als Tetrabiblos? Auffällig sind die Dreier-Gruppen beim Abendmahlsbild da Vincis. Sie entsprechen dem astrologischen Brauch, je drei Tierkreiszeichen den Elementen Luft, Feuer, Erde, Wasser zuzuordnen (Trigone). Sie bestimmten z.Bsp. Weltuntergangsszenarien bei den Grossen Konjunktionen. 6 Vier-Elemente-Lehre in der Medizin Polybos (Schwiegersohn des Hippokrates) erklärte nach diesem Muster Krankheiten als schlechte Mischung oder Stauung von vier Körpersäften. Galenos (129 bis 199 n.Chr.) wandte diese Lehre dann auch auf seelische Vorgänge an (siehe linkes Bild). Wann Behandlung z.Bsp. durch Aderlass erfolgte, wurde nach der Stellung des Mondes zu den Tierkreiszeichen bestimmt: Aderlasskalender für 1457 von Johannes Gutenberg Das Weltall aus dem Scivias-Kodex (um 1149). Die vier Elemente greifen im innersten Kern des Weltalls ineinander über. Sehr aktuell: Hildegard-Medizin 7 Die Entwicklung des modernen Elementbegriffs Beginn der modernen Atomlehre Die Vier-Elemente-Lehre bildete auch die Grundlage der Alchimie. Bei dem Bemühen um den "Stein der Weisen" entwickelten die Alchemisten viele der noch heute gebräuchlichen chemischen Analyse- und Syntheseverfahren. Dabei mussten sie feststellen, dass es mehr Grundstoffe gibt. Bis Ende des 17. Jahrhunderts hatten sie deren 15 gefunden. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts vollzog sich langsam die Loslösung der (Labor-)Chemie von der Alchemie (die immer die Einheit von hermetischer Philosophie und Laborarbeit gefordert hatte), wobei auch der Elementbegriff herausgearbeitet wurde. Als Begin der modernen Chemie gilt R. Boyles The Sceptical Chemist (1661), indem er keinen experimentellen Beweis für die Vier-Elementen-Lehre findet. Bemerkenswert ist, dass sich die Elemente nur in bestimmten Verhältnissen, die ganzen Zahlen entsprechen, miteinander zu Molekülen verbinden [J.L. Proust (1794), J. Dalton (1804)]. Dies erklärte John Dalton damit, dass die Elemente aus nicht mehr teilbaren, kleinsten Einheiten bestehen, die er nach Demokrit Atome nannte [A New System of Chemical Philosophy (1808)]. Physiker griffen diese Idee dann zur Beschreibung von Gasen auf. Die unvorstellbar große Zahl von Gasteilchen erforderte darüberhinaus die Einführung abstrakter statistischer Beschreibungen. Nicht verwunderlich, dass im 19. Jahrhundert die Atomlehre bei vielen Wissenschaftlern auf entschiedene Ablehnung stiess (Ein Opfer wurden Gregor Mendel und seine Erbgesetze, die von Anhängern der "Vis Vitalis" als "atomistisch" verworfen wurden.) Den endgültigen Durchbruch erbrachte erst A. Einsteins Artikel von 1905 über die Brownsche Molekularbewegung: Über die von der molekularkinetischen Theorie der Wärme geforderte Bewegung von in 8 ruhenden Flüssigkeiten suspendierten Teilchen Annalen der Physik und Chemie, IV. Folge, Band 17 (1905) 549-560 Die Entwicklung des modernen Elementbegriffs Periodisches System der Elemente Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war dank eines neuen, physikalischen Analyseprinzips (das ich in wenigen Minuten bei der Anwendung in der Astronomie vorstellen werde) die Zahl der Elemente auf etwa 60 angewachsen und ein Ordnungsprinzip war erforderlich: Es wurde 1868/9 unabhängig von D.I. Mendeleev und L. Meyer (aufbauend auf Prousts und Daltons Abeiten) vorgeschlagen. Mendeleevs Gesetz der Periodizität: "Die Eigenschaften der Elemente sind eine periodische Funktion ihrer Atomgewichte." Die erfolgreiche Vorhersage der Eigenschaften fehlender Elemente führte zur Anerkennung dieses Systems. Kein Platz fand sich darin für das von Astronomen auf der Sonne postulierte neue Element Helium. Bezüge zur Astronomie: 1789 gewann Martin Klaproth ein neues Element aus Pechblende mit hohem Atomgewicht. Er benannte es nach dem 1781 von Herschel entdeckten entferntesten Planeten Uranus. Auch die Entdeckung der ersten (Klein-)Planeten Ceres und Pallas wurde von Chemikern durch die Elemente Cerium und Palladium gewürdigt. Als dann vor 60 Jahren die ersten Transuran-Elemente synthetisiert wurden, erhielten sie die Namen der auf Uranus folgenden Planeten: Neptunium und Plutonium 9 Die Entwicklung des modernen Elementbegriffs Zusammenfassung der Elemente Die heutige Version der Mendeleev-Karte beruht auf den quantenmechanischen Eigenschaften der Atomhüllen. Erst die Quantentheorie erklärte gewisse "Sonderheiten" wie die Anordnung der SelteNen Erden (und der Aktiniden). Die Gruppe der Edelgase (rechte Spalte) konnte nicht auf Grund ihrer Verbindungen mit anderen Elementen eingeordnet werden, sie gehen keine ein! Die Quantentheorie stellt auch sicher, dass dieses Schema "vollständig" ist. Man kann z.Bsp. keine Elemente in Die "Lücke" zwischen H und He in der ersten Reihe einfügen, wie einst Astronomen nach Messungen von Spektrallinien im Orion-Nebel vorschlugen: Nebulium. Nachdem die Kernchemiker/-physiker vor etwa 60 Jahren die letzten Lücken geschlossen hatten (Tc 1937 und Pm 1945), erzeugten sie künstlich neue, oft sehr kurzlebige Elemente. [Sie kommen auch in der Natur vor, sie entstehen bei Sternexplosionen. Im Sonnensystem sind sie jedoch schon zerfallen.] Ob, und wieviele weitere Elemente mit welchen chemischen Eigenschaften noch synthetisiert werden können, ist Gegenstand intensiver Arbeiten, z.Bsp. auch an der GSI bei 10 Darmstadt. Mendeleev-Karte 11 Die Entstehung des modernen Elementbegriffs Die Zusammensetzung des Atomkerns Ein Problem bestand weiter. Schon 1815 hatte W. Prout vermutet, dass die Atomgewichte Vielfache der Masse des Wasserstoffatoms seien. Um 1920 fand F.W. Aston, dass manche Elemente ein Gemisch verschieden schwerer Atome darstellen, wobei die einzelnen Spezies, Isotope genannt, tatsächlich mit guter Näherung Vielfache des H-Atoms sind. 1932 entdeckte dann J. Chadwick ein instabiles Elementarteilchen, das etwas schwerer als ein Proton ist, jedoch keine elektrische Ladung hat: das Neutron. Atomkerne setzen sich aus Protonen und Neutronen zusammen. Die Anzahl der Protonen Z entspricht der Stellung des Elementes im Periodischen System der Elemente. Eine gleiche Zahl negativ geladener Elektronen umkreist diesen Kern, sodass das Atom als Ganzes elektrisch neutral ist. Die Anzahl N der Neutronen im Kern kann variieren und führt zu den Isotopen eines Elementes, die im wesentlichen gleiche chemische Eigenschaften haben. Neben den etwa 300 stabilen Isotopen gibt es noch etwa 8000 radioaktive Isotope, deren Lebensdauern von Weltaltern bis Bruchteilen von Sekunden reichen. Bei den Kernreaktionen, die zur Bildung der Elemente führen, entstehen zumeist diese instabilen Isotope, die dann in die stabilen übergehen. 12 Nuklidkarte 13 Woraus bestehen die Himmelskörper? Untersuchung von Meteoriten Die chemische Zusammensetzung einer irdischen Probe lässt sich im Labor bestimmen. Doch aus welchem Material bestehen die Himmelskörper? Schon immer hatten Menschen außerirdisches Material in den Händen: Meteorite z.B. Skarabäus aus "Himmelsstein" und ein Dolch aus Meteoreisen im Grab Tut anch Amuns, "Schwarzer Stein" in der Kaaba in Mekka. 14 Woraus bestehen die Himmelskörper? Untersuchung von Meteoriten Die außerirdische Herkunft wurde von der Wissenschaft (unter dem Einfluss der Antike) bis ins 19. Jahrhundert zumeist vehement bestritten, da die Planeten (Mond, Sonne, usw.) aus Quintessenz bestehen. (So galten Kometen, Meteore als "hochstehende Wolken".) Durchbruch brachte erst: Über den kosmischen Ursprung der Meteorite und Feuerkugeln 1794, Ernst Florens Friedrich Chladni (1756-1827) und die Anerkennung des Meteoritenschauers von L'Aigle 1803 durch die Pariser Akademie. Katastrophale Einschläge jedoch (wie von Dr. Sattelberger am 7. Mai vorgestellt) wurden von den Geologen/Biologen im Gefolge von Lyells Uniformitarianismus (Principles of Geology, 1830) bis zur Entdeckung der Iridiumschicht an der Kreide/Tertiär-Grenze vor etwa 20 Jahren vehement abgelehnt (Alvarez et al., Science 208 (1980) 1095). Anmerkung am Rande: Vorläufer der vhs-Kurse: Chladnis Vorlesungsreihe "Über die Meteormassen, mit Vorzeigung seiner Sammlung" am 15 Physikalischen Verein, Frankfurt, 1826 Woraus bestehen die Himmelskörper? Chemische Untersuchungen Um 1850 wurde vor dem Gautor an der Pariser Chaussee ein Meteorit gefunden: Mainzer Meteorit F. Seelheim Untersuchung eines bei Mainz gefundenen Meteorsteins Heft 12 der Jahrbücher des Vereins für Naturkunde im Herzogtum Nassau, (1857) 405 Ausführlichere Informationen: www.astro-mainz.de Die Untersuchung von Meteoriten ist ein hochaktuelles Thema, insbesondere da in letzter Zeit einige Mars- und Mondmeteorite gefunden wurden. (Links: Dhofar 025, Sultanat Oman) Von Vorteil gegenüber astronomischen Methoden ist, dass im Labor nicht nur die Elemente, sondern auch die Isotope bestimmt werden können. Diese Informationen ermöglichen, die verschiedenen Syntheseprozesse zu unterscheiden. Die ganze Vielfalt der Informationen über die Verteilung und Entstehung der Elemente eröffnen erst die modernsten physiko-chemischen Analysemethoden. Einen Eindruck vermitteln die Tage der offenen Tür am Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz. 16 Kernstruktur und Kosmochemie Fast schon bevor man wusste, dass die Atome einen Kern haben, schloss der Chemiker Harkins 1917 von Elementhäufigkeiten in Meteoriten auf Struktureigenschaften dieser Atomkerne: Gerade-ungerade Effekt. Stein-/Eisenmeteorite (wie auch die Erde) sind allerdings kein gutes Muster für das gesamte Sonnensystem, da sie bei der Entstehung hohen Temperaturen ausgesetzt waren. Zum einen bevorzugt das Elemente wie O, Si, Mg, die Minerale bilden, und zum andern haben sich viele Elemente verflüchtigt, wie H und He, die die Hauptbestandteile sind. Die sehr seltenen kohligen Chondrite sind besser geeignet, sie wurden nicht aufgeschmolzen. W.D. Harkins THE EVOLUTION OF THE ELEMENTS AND THE STABILITY OF COMPLEX ATOMS. J. Am. Chem. Soc. 39 (1917) 856 - 879 17 Kernstruktur und Kosmochemie Hier ist die 1997 bei einem Ballonflug gemessene chemische Verteilung von Höhenstrahlung gezeigt, die den gleichen gerade-ungerade Effekt aufweist. 18 Woraus bestehen die Himmelskörper Kosmische Strahlung Es gibt noch eine Möglickeit außerirdische Materie zu studieren. Seit den Ballonflügen von V.F. Hess 1911 wissen wir, dass die obere Atmosphäre von hochenergetischen Teilchen bombardiert wird, die ihren Ursprung in der Sonne, der Milchstrasse und, besonders interessant, selbst in fernen Galaxien haben. Die häufigsten Teilchen sind Protonen, doch wurden fast alle Elemente bis Blei nachgewiesen. Die Energien sind teilweise so extrem, dass es noch keine anerkannte Theorie über Herkunft und Beschleunigungsmechanismus gibt. Beim Zusammenstoss mit Luftmolekülen lösen die hochenergetischen Teilchen Strahlungsschauer aus, die bis zur Erdoberfläche gelangen. Sie sind so ausgedehnt, dass 3000 km2 große Detektorfelder zu ihrem Nachweis aufgebaut werden: z. Bsp. AUGER-Projekt in Argentinien und USA. 19 Woraus bestehen die Himmelskörper Kosmische Strahlung Die ursprünglichen Teilchen kann man nur außerhalb der Erdatmosphäre beobachten. Auf der MIR-Raumstation flogen Glasplattenstapel, die die Zusammensetzung der Strahlung untersuchen können (s. links). Ein weiteres Experiment ist auf der ISS-Station vorgesehen. In letzter Zeit konnten schwere Detektoren mit Höhenballons geflogen werden. Weihnachten 2001 umrundete solch ein Experiment in 31 Tagen 2 mal den Südpol in 38 km Höhe. Flugzeiten von mehreren Monaten werden angestrebt und sind eine Alternative zu extrem teuren Satelliten. Auf der ISS soll ein grosser Detektor installiert werden, der insbesondere nach Anti-Materie in der kosmischen Strahlung suchen soll. Bis jetzt sieht es allerdings so aus, als ob im Raumbereich aus dem die Strahlung kommt (einige Hundert Millionen Lichtjahre) nur Materie vorhanden ist. Der geringe Anteil an Anti-Materie wird bei Stössen der hochenergetischen Strahlung mit Gas- und Staubteilchen gebildet. 20 Woraus bestehen die Himmelskörper? Spektralanalyse des Sternenlichts Was die Sterne sind, wissen wir nicht und werden es nie wissen! Heinrich Wilhelm Dove, um 1860 Ironischerweise erfolgten gerade um 1860 in Heidelberg die entscheidenden Arbeiten zur Lösung dieser alten Menschheitsfrage. Der Chemiker Bunsen mit dem Physiker Kirchhoff hatten die schon lange bekannte Beobachtung, dass verschiedene Stoffe in einer heissen Flamme farbig aufleuchten, durch Einsatz eines Spektralapparates zu einer empfindlichen Analysemethode entwickelt, die auch gleich zur Entdeckung vieler neuer Elemente führte. Bei diesen Arbeiten erkannten sie (mehr zufällig) 1859 anhand der Natrium D-Linien den Ursprung der Fraunhoferschen Linien im Sonnenspektrum: Absorption in Sonnenatmosphäre Der englische (Amateur-)Astronom William Huggins verband sofort sein Teleskop mit einem Spektralapparat und konnte 1860-1863 9 Elemente über Absorptionslinien (wie in Sonne) in Aldebaran und Betelgeuse nachweisen. Dagegen sah er im Orion-Nebel nur Emissionslinien ==> gasförmig; 21 Woraus bestehen die Himmelskörper? Spektralanalyse des Sternenlichts Beginn der Astrophysik: Verbindung von Astronomie mit Physik/Chemie War es die Aufgabe [der früheren Astronomie (heute Astrometrie)], unter Voraussetzung der Allgemeinheit einer Eigenschaft der Materie (der Gravitation), alle Ortsveränderungen der Gestirne zu erklären, so wird es die Aufgabe der Astrophysik sein, unter der Voraussetzung der Allgemeinheit mehrerer Eigenschaften der Materie, alle übrigen Unterschiede und Veränderungen der Himmelskörper zu erklären. J.C.F. Zöllner, Photometrische Untersuchungen, 1865 Während einer totalen Sonnenfinsternis am 18. August 1868 in Indien bemerkt Jules Janssen in Koronaspektren gelbe Linie, die von Natrium abweicht: Norman Lockyer findet keine Korrespondenz mit bekannten Elementen und postuliert neues, auf der Erde unbekanntes Element: Helium (1895 von W.H. Ramsay in Uranmineralien nachgewiesen. Erst danach von Chemikern anerkannt.). [7.8.1869, Koronium, Fe XIV, 13fach ionisiertes Eisen; auch Nebulium im Orion-Nebel] 22 Energiequelle von Sternen Sonne (und Sterne) strahlen Energie ab. Da Energie nicht "aus dem Nichts" entsteht sondern sich nur zwischen verschiedenen Formen umwandelt (J.R. Mayer, 1842), stellt sich die Frage: Woher stammt die Energie der Sterne? • Verbrennen von Kohle Kohlige Chondrite, Kometen-/Kleinplanetenschwarm nahe Sonne, Merkurbahnanomalien 1 Erdmasse/Jahr Meteoriteneinfall ==> einige tausend Jahre (J.R. Mayer 1842) • Kontraktion, Gravitationsenergie Helmholtz (1854) [und Lord Kelvin]: 50 Meter/Jahr ==> 22 Millionen Jahre [Heute Energiequelle während Zusammenfall der protostellaren Wolken bis zur Zündung der Kernreaktionen.] • Atomare Energie: E = m c2 (Einstein, 1905) 1896 entdeckt H. Becquerel Radioaktivität: Atome müssen innere Struktur (und Energiequelle) haben. 23 Energiequelle von Sternen In den Folgejahren: Atome schleudern Heliumkerne, Elektronen, Quanten aus und wandeln sich dabei in andere Elemente um [Transmutation der Alchimisten]. • Sir Arthur Eddington: schlägt Kernverschmelzung vor (1919/20); Beginn der "Nuklearen Astrophysik" • Atkinson und Houtermans (1929/1931): Protonenfusion zu Helium und schwereren Elementen • Hans Bethe und C.F. von Weizsäcker (unabhängig 1938/9): katalytischer CNO-Zyklus (Bethe-Weizsäcker-Zyklus) aufbauend auf Massenformel • 1919 gelingt E. Rutherford künstliche Kernumwandlung: • Heliumfusion (1952-54) [siehe später Salpeter-Reaktion] 24 1. künstliche Kernumwandlung 1919 beobachtete E. Rutherford hochenergetische Wasserstoffkerne (Protonen) als er reinen Stickstoff mit α-Teilchen beschoss. Er nahm an, dass einige wenige der hochenergetischen Teilchen (7,7 MeV aus 214Po) die elektrostatische Abstossung (Coulombwall) zwischen den positiv geladenen Kernen überwinden und unter Freisetzung eines energetischen Protons verschmelzen: oder kurz Die Ordnungszahl des Kerns ist also nach der Reaktion um 1 gewachsen: aus dem Stickstoffkern (Z=7) ist ein Sauerstoffkern (Z=8) geworden. Auf der (späteren) Nebelkammer-Aufnahme erfolgt die Umwandlung am Ort des Pfeiles. Die kurze, dicke Spur nach rechts-oben wird durch den Sauerstoff hervorgerufen, während die lange, dünne Spur nach links-unten den Weg des Protons, das aus dem sich zunächst bildenden, instabilen Zwischenkern 18F (Z=9) herausgestoßen wird, sichtbar macht. 25 Theorie des heißen Urknalls Wenn man die von Hubble entdeckte Galaxienflucht in die Vergangenheit zurück verfolgt, so muss das Universum aus einem Zustand extrem hoher Materie-/Energiedichte und Temperatur hervorgegangen sein: Urknall (Um 1950 in einer Serie populärer Radiosendungen von F. Hoyle "Big Bang" genannt, um die Idee lächerlich zu machen). G. Gamow et al. entwickelten um 1948-50 darauf aufbauend eine (inkorrekte) Theorie über die Entstehung der Elemente: In dieser Anfangsphase entstanden zuerst Protonen und Neutronen. Dann Aufbau aller Elemente durch rasche Folge von Neutroneneinfängen und Beta-Zerfällen im schnell expandierenden Universum innnerhalb etwa der ersten Stunde (da man die Lebensdauer des Neutrons zu einer Stunde vermutete). Jedoch können sie die beobachteten Strukturen in der "kosmischen" Häufigkeitsverteilung nicht erklären und der schnelle Abfall bis etwa Masse 100 beruht auf einer falschen Annahme. 26 Theorie des heissen Urknalls Die Achillesferse dieser Theorie ist jedoch: Es existieren keine stabilen Isobare bei den Massen A = 5 und 8! Diese Theorie wäre heute völlig vergessen, wenn die Autoren nicht Abschätzungen der heutigen Temperatur der aus diesem Urknall hervorgegangenen Strahlung gemacht hätten, die dann 1965 durch Penzias und Wilsons rein zufälliger Entdeckung der "kosmischen Hintergrundstrahlung" bestätigt wurden. Anmerkung: Schon 1941 hatte Andrew McKellar die Temperatur des interstellaren Gases mit T = 2.3 K viel genauer bestimmt. Doch erkannte niemand die Bedeutung dieser Messung, die auch nie in einer Fachzeitschrift publiziert wurde. 27 Wie/Wo entstanden/entstehen Elemente? Häufigkeitsverteilung der Elemente Während dieser Druide eher die Zeit der Alchemisten repräsentiert, fand N.L. de Lacaille den richtigen Ort: die Sterne. Erste Hinweise auf die Mechanismen der Elemententstehung lassen sich aus der Häufigkeitsverteilung gewinnen. Dabei wird immer die "Solare" Verteilung herangezogen, d.h. die Verteilung in der praesolaren Staub- und Gaswolke, aus der vor 4,6 Milliarden Jahren das Sonnensystem entstand. Diese Daten werden zum einen durch optische Spektrometrie der Sonne (Fraunhofersche Linien für Elemente) und zum andern aus der Analyse von Meteoriten (kohlige Chondriten für Isotope) gewonnen. Auffallend sind die grossen Unterschiede (11 Größenordnungen entsprechend einem Faktor 100 Milliarden) und die starke Strukturierung. Letztere Beobachtung legt nahe, dass wir auf eine Vielzahl von Kernreaktionen stoßen werden, die bei "relativ" niedrigen Temperaturen 28 ablaufen. Wie/Wo entstanden/entstehen Elemente? Nukleosynthese-Prozesse Diese schematisierte Abbildung zeigt einen Überblick über die verschiedenen Prozesse, die vom Wasserstoff zum Uran führen. Allerdings ist der Prozess, der die beiden häufigsten Elemente (H und He) bildet, nicht erwähnt, da drei der vier Autoren dieser Arbeit diesen Prozess vehement bestreiten: der Urknall. Im folgenden werde ich versuchen, einen Überblick über all diese Prozesse zu geben, angefangen vom Urknall über die Reaktionen geladener Teilchen (H- und He-Burning), die beiden Prozesse mit Neutronen (r- und s-Prozesse) und kurz die Synthese von Li-Be-B durch kosmische Strahlung sowie den p-Prozess. 29 Big-Bang Nukleosynthese I Aus dem schnell expandierenden und abkühlenden "Feuerball" des Urknalls materialisieren Elementarteilchen (mit verschwindend kleinem Überschuss von Materie über Antimaterie: 1 in 100 Millionen). Experimentell zugänglich ist die Zeit ab etwa 1 Millionstel Sekunde nach dem Urknall, als sich die Up- und Down-Quarks zu den Protonen und Neutronen vereinigten. [Zusätzlich entstand noch die "Dunkle Materie", die die uns bekannte weit überwiegt. Ihre Natur und Geschichte bleibt noch zu erforschen.] 30 Big-Bang Nukleosynthese II Bis etwa 2-3 min nach dem Urknall sind die Temperaturen noch so hoch, dass das relativ zerbrechliche Deuterium schnell wieder zerlegt wird. Erst danach können die weiteren Fusionsreaktionen zum 3He, 4He und 7Li ablaufen, die etwa 4 min nach dem Urknall abgeschlossen sind (Steven Weinberg ging von 3 min aus.). Anmerkung: 31 Diese Reaktion soll in den zukünftigen Fusionsreaktoren Energie liefern. Big-Bang Nukleosynthese III Durch Messung der (primordialen) Ausbeuten der leichten Elemente lässt sich die Dichte der Materie im Weltall bestimmen. Ein besonderer Erfolg dieser Beobachtungen bestand darin, dass die Anzahl der Familien der leichten und schweren Elementarteilchen zu höchstwahrscheinlich drei bestimmt wurde. Die Bestätigung dieser Aussage durch Messungen am LEP-Beschleuniger in Genf gibt Zuversicht, dass die Bestimmung der Materiedichte zu lediglich etwa 3-4% der kritischen Dichte korrekt ist. 32 Big-Bang Nukleosynthese III a Aus den links gezeigten Messungen folgt, dass die gravitativ wechselwirkende Materie ca. 40% der Masse-Energie-Dichte im Weltall ausmacht. Die Differenz zur oben bestimmten hadronischen Materiedichte von ca. 3,5% schreibt man der "Dunklen Materie" zu. Die verbleibenden 60% nennt man jetzt analog "Dunkle Energie" (Einsteins "Kosmologische Konstante"). 33 Das dunkle Zeitalter Nach etwa 300000 Jahren bei einer Temperatur von etwa 4000K haben sich alle Atomkerne und Elektronen zu neutralen Atomen vereint. Optisch wird es für lange Zeit dunkel, da neutraler H und He kein Licht emittieren: "Dark Ages" (äquivalent unserem Begriff "finsteres Mittelalter"). Die sehr kleinen Dichteschwankungen zu diesem Zeitpunkt sieht man in den Temperaturschwankungen der Hintergrundstrahlung. Während der folgenden 1 Milliarde Jahre wachsen diese kleinen Dichteschwankungen zu den Keimen der Sterne, Proto-Galaxien, Galaxienhaufen und Superstrukturen (oder umgekehrt). Bestimmend ist dabei die Verteilung der "Dunklen Materie"; die neuentdeckte "Dunkle Energie" spielt erst später eine dominierende Rolle. 34 Das dunkle Zeitalter Am Ende dieser Epoche haben sich einige dieser Materieanhäufungen soweit verdichtet und somit erwärmt, dass die ersten Sterne entstehen. Deren UV-Licht ionisiert die sie umgebenden Gaswolken wieder und beendet die "Dunkle Epoche" (Re-Ionisations Epoche). In den letzten Monaten gelangen erste Einblicke in diese Zeit durch Quasar-Spektren und Entdeckung einer Baby-Galaxie mit Gravitationslinsen. Die allerersten Sterne hat man noch nicht gefunden, doch haben sie Spuren hinterlassen in Form der ersten Elemente schwerer als Helium, die die massereichen, kurzlebigen unter ihnen synthetisiert haben: Ultra-metall-arme Halo Sterne. 35 Theorie der Nukleosynthese in Sternen B2FH, die "Bibel" der Nuklearen Astrophysik Einige Kosmologen (am bekanntesten Fred Hoyle, der "Erfinder" des Begriffs) •lehnen den "Big Bang" (Urknall) ab (stattdessen Steady-State Theorie). Wenn Elemente jedoch nicht im Big Bang entstanden sind, wie dann? Untersuchen, genau welche Bedingungen erforderlich sind und ob diese wirklich nur im Big Bang auftreten können! Frage war so aktuell, dass gleichzeitig mindestens drei Studien durchgeführt wurden: Aufbauend auf Suess und Urey (Abundances of the elements, 1956) und dem Kernschalenmodell (Göppert-Mayer sowie Jensen, Haxel, Suess): • E.M. Burbidge, G.R. Burbidge, W.A. Fowler, F. Hoyle, Synthesis of the elements in stars • Al Cameron, Nuclear reactions in stars and nucleosynthesis, 1957 • Charles Coryell, The chemistry of creation of the heavy elements, 1961 36 Der Lebensweg der Sterne Sterne werden geboren in Gas- und Staubwolken. Dieser berühmte Ausschnitt aus dem Adler-Nebel zeigt die "Pillars of Creation", in denen gerade neue Sterne entstehen. Nachdem die Sterne das Hauptreihenstadium und die anschliessenden Brennphasen durchlaufen haben (und insbesondere in den letzten Stadien Elemente bis zur Eisengruppe gebildet haben), geben sie einen Großteil ihrer Materie wieder ins Interstellare Medium zurück, sei es als Planetarer Nebel (rechts der Ringnebel M57) oder in Form einer SupernovaExplosion (unter Bildung der schweren Elemente). 37 Übersicht über stellare Nukleosynthese-Prozesse 38 Die Salpeter- oder Triple-Alpha Reaktion Wir sahen, dass die um 1950 vorgeschlagene Synthese aller Elemente im Urknall durch raschen Einfang von Neutronen daran scheiterte, dass es keine stabilen Isotope der Masse 5 und 8 gibt. Auch in der heutigen Version werden nur Isotope bis zur Masse 7 gebildet Wie kann man den A=8 Graben überspringen? Trotz intensiver Suche nach Alternativen scheint es nur einen gangbaren Weg zu geben, der schon um 1950 von Salpeter und Öpik vorgeschlagen wurde: In einem ersten Schritt fusionieren zwei α-Teilchen zu einem instabilen 8Be Kern, der in 10-16 Sekunden wieder in zwei α-Teilchen zerfällt. Diese unvorstellbar kurze Zeitspanne ist aber im Kern eines massiven Sterns, der allen Wasserstoff zu Helium fusioniert hat, lang genug, dass sich immer pro 1 Milliarde Heliumkernen ein 8Be Kern findet. In einem zweiten Reaktionsschritt können nun diese extrem raren 8Be mit einem weiteren α-Teilchen zu einem stabilen 12C Kern verschmelzen. 39 Die Salpeter- oder Triple-Alpha Reaktion Allerdings zeigte Fred Hoyle 1953, dass unter den Bedingungen in einem Roten Riesen-Stern wesentlich weniger 12C produziert wird als im Weltall beobachtet wird. Er vermutete daher, dass es im 12C Kern einen besonderen Anregungszustand gibt, der zu einer erhöhten Reaktionsrate führt. Und tatsächlich konnte William Fowler diesen vorhergesagten Anregungszustand experimentell Bestätigen. Das Anthropische Prinzip Ohne diesen speziellen Zustand gäbe es nicht genügend Kohlenstoff auf der Welt, weder um weitere Elemente zu synthetisieren noch um organisches Leben zu ermöglichen. Einige Wissenschaftler stellen sich die Frage, ob unsere Welt nur zufällig so beschaffen ist, dass sie uns hervorbringen konnte, oder ob sie auf diesen Endzweck hin gestaltet wurde. Mit diesem in Theologie/Philosophie hineinreichenden Fragenkomplex verlassen wir den für diesen Abend gewählten Themenkreis, so dass ich die Problematik nur kurz vorstellen konnte. 40 Das Wasserstoffbrennen Das Wasserstoffbrennen, sei es durch die p-p-Kette (wie in der Sonne) oder durch den CNOZyklus (bei schwereren, heisseren Sternen), ist für die Energieerzeugung während der längsten Zeit des Lebens der Sterne verantwortlich. In beiden Fällen werden vier Protonen zu einem Heliumkern verschmolzen, d.h. es entstehen keine neuen schwereren Elemente. Der 12C-Kern am Beginn des CNO-Zyklus kommt am Ende wieder heraus. Er muss schon in einer früheren Sterngeneration mit der Salpeter-Reaktion gebildet werden. 41 Das Wasserstoffbrennen Die Nebenzyklen werden nur selten durchlaufen, sie tragen zur Energieerzeugung also nur wenig bei. Über die 19F(p,γ)20Ne-Reaktion jedoch kann in sehr heißen Sternen Material den CNOZyklus verlassen und zwei weitere Zyklen bilden, die für die Nukleosynthese der Elemente Ne bis Al wichtig sind. Die γ-Linie des radioaktiven 26Al wird in den Sternentstehungsgebieten nachgewiesen als Zeuge der noch andauernden Bildung der chemischen Elemente. 42 Fortgeschrittene Brennphasen Wenn alle Protonen fusioniert sind, durchlaufen sehr schwere Sterne im Roten Riesen-Stadium schnell aufeinanderfolgende Brennphasen, in denen die Asche der vorhergehenden Phase als Brennstoff der nächsten dient: He-, C-, Ne-, O- und SiBrennen. Zur Überwindung der elektrischen Abstoßung der Kerne sind immer höhere Temperaturen bis einige Milliarden Grad erforderlich. Der verschmolzene Mg (Compound-)Kern hat eine hohe innere Energie, die durch das Abdampfen von γ-, n-, p-, α-Teilchen abgegeben wird. 43 Fortgeschrittene Brennphasen Bei den extrem hohen Temperaturen laufen eine Vielzahl von Kernreaktionen ab, die ein breites Spektrum (meist) radioaktiver Isotope erzeugen. Die Temperaturen sind so hoch, dass die "Wärmestrahlung" hochenergetische γ-Strahlen sind, die einzelne Nukleonen wieder aus den Kernen herauslösen können. Die "höllischen" Bedingungen im finalen Si-Brennen überstehen nur die stabilsten Isotope, d.h. die Fe- und Ni-Isotope um die Masse 56. Im Laufe des letzten Tages eines sehr schweren Sterns bildet sich daher ein Fe-/Ni-Kern: 28Si + 28S ==> 56Ni Nach der Supernova-Explosion zerfallen die 56Ni über 56Co ins stabile 56Fe, dabei bestimmen die Halbwertszeiten dieser Zerfälle die Lichtkurve. 44 Die Neutroneneinfangprozesse Synthese mit ungeladenen Projektilen Die Nukleosynthese mit geladenen Projektilen hört mit Erreichen der Fe-Gruppen-Elemente auf. Zum einen wird der Energieaufwand zur Überwindung der elektrostatischen Abstossung zu groß und – schlimmer noch – kann keine Energie durch Fusion mehr gewonnen werden, da die Kerne der Fe-Gruppe die höchste Bindungsenergie aufweisen. (Energiegewinn durch Spaltung sehr schwerer Kerne ist möglich: Kernkraftwerke.) Für die Synthese der schwereren Elemente müssen wir uns des Modells aus der Zeit um 1950 erinnern: Sukzessive Einfänge von Neutronen (ohne elektrische Ladung, also keine Abstossung) und β-Zerfälle, die einen Teil der Neutronen in Protonen umwandeln und somit die Kernladungszahl um eins erhöhen. Das ursprüngliche Modell scheiterte an den Stabilitätslücken bei A=5 und 8 (die durch die TripleAlpha-Reaktion überwunden werden). Das neue Modell geht davon aus, dass leichte Elemente durch vorhergehende Synthese in Sternen gebildet wurden. Die Synthese durch Neutroneneinfang wird ein sekundärer Prozess, der erst abläuft nachdem die bisher besprochenen Prozesse das Ausgangs(Saat-) Material gebildet haben. Jedoch gibt es ein Problem: Freie Neutronen haben eine Lebenserwartung von lediglich einer Viertel Stunde. Bei der Big-Bang-Synthese stellte das kein Problem dar, da eh alles nach 3-4 Minuten beendet war. Für das neue Modell müssen also neutronenfreisetzende Reaktionen gefunden werden. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass mehrere Neutroneneinfangprozesse erforderlich 45 sind, die unter sehr unterschiedlichen Bedingungen an verschiedenen Orten und Zeiten ablaufen. Die Neutroneneinfangprozesse Notwendigkeit mehrerer Prozesse Im "klassischen" Bild fängt ein stabiles Isotop (beginnend mit 56Fe) ein Neutron ein und wartet dann auf den β-Zerfall, der ein Neutron in ein Proton umwandelt. Das Isotop des neuen Elementes wartet dann wiederum auf ein Neutron, um den Prozess zu wiederholen. Da β-Zerfälle sehr langsam ablaufen (im nuklearen Maßstab) erfordert dieses Verfahren einige hundert Jahre um ausgehend von Fe die schweren Elemente aufzubauen. Da zwischen den sukzessiven Einfängen viel Zeit vergeht (sogar länger als die β-Zerfälle), spricht man vom "slow-process" (slow, engl. langsam). Doch dieser s-Prozess allein kann nicht alle Elemente/Isotope synthetisieren. Den historisch ersten Grund werde ich auf einer separaten Folie erläutern, deshalb erst zwei weitere Fakten, die imperativ (mindestens) einen weiteren Prozess erfordern: 46 Notwendigkeit mehrerer Prozesse Es gibt neutronenreiche, stabile Isotope, die vom s-Prozess nicht erreicht werden wie z.B. 134,136Xe. 133Xe hat eine Lebensdauer von einigen Tagen und (fast alles) zerfällt bevor es ein weiteres Neutron absorbieren kann. Dies gilt erst recht für 135Xe mit einer Lebensdauer von einigen Stunden. Der s-Prozess endet mit dem letzten stabilen Isotop 209Bi. Neutroneneinfang führt zu 210Bi, das durch βZerfall in den α-instabilen Kern 210Po übergeht. Dessen α-Zerfall in das stabile Isotop 206Pb führt zurück in den s-Prozess-Pfad. Die natürlich vorkommenden (langlebigen) Elemente Th und U erfordern einen weiteren Prozess. 47 Die Neutroneneinfangprozesse s- und r-Prozess an magischen Neutronenschalen Den ersten Hinweis auf zwei Prozesse gab die solare Häufigkeitsverteilung der schweren Elemente. Auffällig sind drei Doppelpeaks, jeweils ein breiter gefolgt von einem schmalen. Die Atomkerne in den schmalen Peaks haben Neutronenzahlen von 50, 82 bzw. 126. Diese Zahlen sind in der Kernphysik als "magische (Nukleonen-) Zahlen" bekannt. Kerne mit magischer Anzahl von Protonen oder/und Neutronen haben eine hohe Stabilität (entsprechend den abgeschlossenen Elektronenschalen der Edelgase in der Chemie). Sie haben lange Halbwertszeiten und niedrige Neutroneneinfangraten. Dies führt quasi zu einem Verkehrsstau und erklärt die großen Häufigkeiten. Die Doppelstrukturen erfordern allerdings zwei verschiedene Prozesswege: Die schmalen Peaks entstammen dem s-Prozess entlang den stabilen Isotopen. 48 s- und r-Prozess an magischen Neutronenschalen Die (stabilen) Isotope in den breiten Peaks haben etwa 6 Neutronen weniger als die magischen Zahlen. Dies wird dadurch erklärt, dass sie die β-Zerfallsprodukte sehr neutronenreicher kurzlebiger Isotope mit den entsprechenden magischen Zahlen sind. Dieser zweite Einfangsprozessweg verläuft also weit entfernt von den stabilen Isotopen. Im Gegensatz zum s-Prozess mit geringen Neutronenflüssen erfordert dieser Prozess extrem hohe Neutronenflüsse während extrem kurzer Zeiten. Dies erlaubt z.B. einem Fe-Saatkern sukzessive etwa 20 Neutronen einzufangen bevor der erste β-Zerfall erfolgt. Entsprechend wird er rapid-process (schneller Prozess) genannt. Der r-Prozess verläuft durch neutronenreiche β-instabile Kerne und vermeidet dadurch die α-instabilen Kerne am Ende des s-Prozesspfads. Dieser Prozess endet mit dem Einsatz der Kernspaltung bei etwa der Massenzahl 250. 49 Die Neutroneneinfangprozesse Astrophysikalische Szenarien und irdische Experimente (I) Zwischen dem s- und dem r-Prozess gibt es bedeutende Unterschiede: Am wesentlichsten ist unser Kenntnisstand. Und das gilt gleichermassen für die Astro- als auch die Kernphysik. Man glaubt heute den s-Prozess einigermassen verstanden zu haben. Als Ort stellt man sich Rote Riesensterne in instabilen, pulsierenden Phasen vor. Und insbesondere lassen sich fast alle Eigenschaften der beteiligten Kernreaktionen im Labor experimentell bestimmen, da stabile, nicht radioaktive Isotope beteiligt sind. Durch Konvektion werden Protonen aus den äußeren, unverbrauchten Schichten in die Brennzone gemischt, in der 12C mit α-Teilchen zu O verschmilzt. Ein Teil der 12C-Kerne reagiert mit den Protonen zu 13C, das dann über (α,n)-Reaktionen Neutronen erzeugt. Die neutronenfreisetzenden Reaktionen 13C(α,n) und 22Ne(α,n) haben jedoch ein paradox anmutendes Handicap: man benötigt α-Strahlen geringer Energie, die man nicht von den modernen, sündhaft teuren Beschleunigern erhält. Und die alten, "billigen" Anlagen wurden meist verschrottet. 50 Die Neutroneneinfangprozesse Astrophysikalische Szenarien und irdische Experimente (I) Die für den s-Prozess wesentlichen Messgrößen sind Neutroneneinfangsraten in stabile Isotope zwischen Eisen und Wismut. Die Neutronen haben eine Energieverteilung um etwa 30 keV, die sich durch 7Li(p,n)-Reaktionen gewinnen lassen. Dies sind prinzipiell "einfache" Experimente, die z.B. am Forschungszentrum Karlsruhe durchgeführt werden. Von der kernphysikalischen Seite ist der s-Prozess deshalb gut verstanden. 51 Die Neutroneneinfangprozesse Astrophysikalische Szenarien und irdische Experimente (II) Im Gegensatz dazu lässt sich über den r-Prozess nur sicher sagen, dass er unter extremen Bedingungen ablaufen muss: Das astronomische Szenarium muss für etwa 5 Sekunden ungeheure Neutronenflüsse zur Verfügung stellen, ein Vorgang der die gleichzeitige Freisetzung ungeheurer Energiemengen bedeutet. Solche Bedingungen lassen sich nur in den extremsten Entwicklungsstadien von Sternen realisieren, sprich einer Supernova-Explosion. Experimentell ist der r-Prozess eher unzugänglich. Die auftretenden Neutronenflüsse übertreffen irdische (Hochfluss-)Kernreaktoren um Faktoren über eine Milliarde. Unterirdische Tests mit Wasserstoffbomben erbrachten erste Hinweise auf das Ende des Prozesses durch Kernspaltung, doch weitere Experimente erforderten die Aufkündigung der Teststopverträge. Und da fast alle auftretenden Isotope extrem neutronenreich und kurzlebig sind, kann ihre Kernstruktur i.a. nur theoretisch abgeleitet werden. Wichtig sind Daten der Kernmassen und der β-Zerfallseigenschaften. Jedoch scheint die Hoffnung zu trügen, dass die Theorien fernab der experimentellen Basis unverändert anwendbar bleiben Experimentelle Daten lassen sich nur für die Isotope mit magischen Zahlen 50 und 82 gewinnen, da nur an diesen Stellen der Prozesspfad näher an das Stabilitätstal herankommt. In den letzten Jahren konnten mit aufwendiger Technik einige Isotope im Labor erzeugt und vermessen werden. Benötigt werden eigentlich Daten von an die Tausend Isotopen. 52 rp-Prozess und Röntgenblitze Mit geringer Häufigkeit gibt es neutronenarme Isotope, die von den schwereren durch ein instabiles Isotop getrennt sind und daher in den bisher besprochenen Prozessen nicht gebildet werden. Man stellt sich vor, dass abwechselnd hochenergetische Protonen eingefangen werden und sich unter Aussendung eines Positrons in ein Neutron verwandeln. Dieser rp-Prozess erfordert für kurze Zeiten Protonen bei hoher Temperatur. Diese Bedingungen sind z.B. bei einer Nova-Explosion gegeben. In einem engen Doppelsystem aus einem Neutronenstern (oder Weißen Zwerg) und einem Hauptreihenstern strömt solange Wasserstoff (Protonen) auf den ultrakompakten Partner bis die Temperatur für den Einsatz explosiven Brennens erreicht wird. Nach 10 - 100 Sekunden ist der Wasserstoff verbrannt und das Spiel kann wieder beginnen. 53 rp-Prozess und Röntgenblitze Links unten ist eine Berechnung des zeitlichen Verlaufs der abgestrahlten Energie gezeigt, die als "Lichtkurve" beobachtbar sein sollte. Bedingt durch die Temperatur von Hunderten Millionen Grad allerdings als Röntgenstrahlung. Darüber ist die Aufzeichnung eines Typ I Röntgenblitzes (X-ray burst) dargestellt . Die Übereinstimmung ist gut, sodass dieses Modell der Realität recht nahe kommen sollte. Die sehr schweren protonenreichen Isotope müssen in einem weiteren Prozess gebildet werden. Bei sehr hohen Temperaturen lösen γ-Strahlen Neutronen aus den Kernen heraus. 54 Nukleosynthese durch Kosmische Strahlung Wenn die extrem hochenergetische Galaktische Kosmische Strahlung auf Materie trifft, wird soviel Energie auf den Kern übertragen, dass seine Nukleonen schlicht verdampfen. Diese Reaktionen mit interstellarer/-galaktischer Materie (wie Molekülund Staubwolken oder Kometen und Asteroiden) stellen die Hauptquelle für die Elemente Li, Be, B dar, die weder im Urknall noch in Sternen synthetisiert werden. Diese Spallationsreaktionen erzeugen auch langlebige Radionuklide, die es z.Bsp. gestatten, die Zeit zu bestimmen, die Meteoriten vor dem Fall im interplanetaren Raum verbracht haben. In der Hochatmosphäre der Erde entsteht so das Radiokarbon 14C, das Altersbestimmungen organischen Materials gestattet. 55 "Recycling" im All Häufigkeit (und isotopische Zusammensetzung) der chemischen Elemente an einem Ort zu einem Zeitpunkt hängen von den vorausgegangenen Sterngenerationen ab. Man nimmt z.B. an, dass zu unserem Sonnensystem etwa 50 bis 100 Sterne beigetragen haben. NGC2359, Wind des WR-Sterns HD56925 Shapley-1 in Norma 56 Galaktische chemische Evolution Alte metall-arme Sterne 1. Sterngeneration entstand ca. 1 Mrd. Jahre nach "Big-Bang“ Rote Riesensterne, deren Hülle Elemente aus einer (oder einiger weniger) Supernova-Explosionen massiver Sterne der 1. Generation enthalten, können im Halo der Milchstraße beobachtet werden. Dieser Stern enthält etwa 1000 mal weniger Fe als die Sonne. Die schweren Elemente entsprechen den r-Prozess- (rote Linie) und nicht den s-Prozesshäufigkeiten (grüne Linie). Zeitliche Abfolge der Nukleosyntheseprozesse. r-Prozess (schwere, kurzlebige Sterne) geht s-Prozess (im Endstadium mittelschwerer Sterne) voraus. Eu wird fast nur im r-Prozess gebildet, während Ba in beiden Prozessen erzeugt wird. Solares Ba überwiegend aus s-Prozess 57 Alte metall-arme Sterne Atomgewicht des Elementes Ba zeit- (und orts-) abhängig: Im r-Prozess: nur Ba-135,137,138, da Ba-134 und -136 von Xe-134 und -136 "abgeschirmt" werden Im s-Prozess: Ba-134 bis 138 Das s-Prozess Ba hat ein geringeres Atomgewicht! Da die optischen Übergänge von Ba-Isotopen mit gerader und ungerader Kernladungszahl leicht verschieden sind, sollte dieser Effekt mit Spektralapparaten sehr hoher Auflösung beobachtbar sein. Anmerkung: Ba-132 mit geringer solarer Häufigkeit (0,1%) wird in einem weiteren Nukleosyntheseprozess (p-Prozess) gebildet Hinweis: Im Kurs am 20.5.2003 "Wie alt ist das Universum?" werde ich aus dem Th- und U-Gehalt dieser Sterne Grenzwerte für das Alter des Weltalls ableiten. 58 Sternenstaub • Kristallite hoher Schmelztemperatur in Meteoriten: Zeitzeugen vergangener Sterngenerationen • Interplanetare und interstellare Staubkörner: Detektoren auf Raumsonden Galileo, Ulysses, Cassini "Stardust"-Sonde soll Staubkörner in Aerogel einfangen und Januar 2006 zur Erde zurückbringen: Januar 2004 Flug durch Koma von Komet 81P/Wild-2; Im Flug zum Kometen interstellare Körner, die vermutlich von Supernova-Explosionen stammen, die vor etwa 10 Mil. Jahren in Scorpius-Centaurus OB Assoziation stattfanden. 59 Galaktische chemische Evolution Unsere “unmittelbare” Nachbarschaft In diesem 10 Lichtjahre Ausschnitt sieht man die Schale interstellaren Gases und Staubes, die gerade durch das Sonnensystem zieht und eine weitere, die schon durchgezogen ist. 60 Unsere “fernere” Nachbarschaft In diesem 1500 Lj Ausschnitt sieht man 3 Schalen von der Scorpius-Centaurus OB Assoziation ausgehen. In diesen jungen Sternhaufen sind in den vergangenen 10 Millionen Jahren eine Reihe von Sternen als Supernova explodiert. Vor etwa 2 Mill. Jahren befand sich die Sonne nur in 130 Lj Entfernung. Man nimmt nun an, dass in Meeressedimenten gefundenes radioaktives 60Fe (T1/2=1,5 Mill. J.) damals auf die Erde niederrieselte. Etwas spekulativer ist die Vermutung, dass ein Massensterben von Meeresplankton beim etwa gleichzeitigen Pliozän-Pleistozän Übergang ebenfalls durch diese Explosionen verursacht wurde, nachdem die Gamma- und Röntgenstrahlung die Ozonschicht zerstörte. Die Autoren stellen selbst die Frage, ob das etwa gleichzeitige Auftreten des ersten Menschen, Homo Erectus, dadurch verursacht wurde. Zur Beruhigung, die Kandidaten für die nächsten Supernovae sind alle weiter entfernt! 61 Komplexe Moleküle im All Heute Abend lag das Hauptaugenmerk auf der Entstehung der Elemente. Trotz extrem niedriger Temperatur und Dichte laufen hochkomplexe chemische Reaktionen im interstellaren Medium ab, die zu überraschend komplexen Molekülen führen. Radio- und Infrarotastronomen haben schon etwa 125 Verbindungen in den Molekülwolken nachgewiesen. Molekülwolken enthalten komplizierte Verbindungen (unten Äthylenglykol), teilweise Vorläufer biologischer Moleküle. Im Verlauf des Kollapses der interstellaren Wolken zu neuen Sternen laufen komplexe physikalisch/chemische Reaktionsketten ab; künftige Infrarotsatelliten (wie z.Bsp. NGST) werden so in Kinderstube der Sterne sehen können. Diese Verbindungen kondensieren in kühleren Regionen der protostellaren Wolken in die Eisund Gesteinsbrocken, die dann von Zeit zu Zeit als Kometen und Meteorite untersucht werden können (links Murchison). In der in der Nähe des galaktischen Zentrums gelegenen Molekülwolke Saggitarius B konnte Vinylalkohol (neben gigantischen Mengen von Methanol und Äthanol) nachgewiesen werden, das als Ausgangssubstanz komplexerer organischer Verbindungen dient. Wie es entsteht, ist noch nicht geklärt. Wahrscheinlich erfordert die Synthese chemische Reaktionen auf der Oberfläche von Staubkörnern. Diese Problematik erfordert einen eigenen Abend; und einen Referenten, der mehr von Chemie versteht! 62 Sind wir allein im All? Unzählige Sonnen existieren, unzählige Erden umkreisen diese Sonnen, so wie die sieben Planeten unsere Sonne umkreisen. Lebendige Wesen bewohnen diese Welten. Dell' infinito universo e dei mondi, Giordano Bruno, 1584 Eine alte Menschheitsfrage! Chemische Elemente (sogar praebiotische Moleküle) sind überall vorhanden. Leben entstand schon sehr früh auf der jungen, extrem unwirtlichen Erde. Doch die Frage zielt eigentlich nicht auf Mikroben, sondern auf intelligentes Leben. Dazu mussten nahezu 4 Milliarden Jahre lang relativ konstante, Leben ermöglichende Bedingungen auf der Erde vorliegen. Wie häufig sind diese Bedingungen anzutreffen? Fermi Paradox (1950): Galaxis innerhalb 10 Mill. Jahren kolonisiert. Wo sind die Ausserirdichen? Frank Drakes Gleichung (1961) 63 Neben der bewohnbaren solaren Zone Vorschlag einer bewohnbaren galaktischen Zone. Z.B. könnte die für die Bildung erdähnlicher Planeten erforderliche Mischung leichter bis schwerster Elemente nur in einem mittleren ringförmigen Ausschnitt aus Galaxien während eines endlichen Zeitfensters vorhanden sein. Nach neueren Untersuchungen entstehen heute nur noch "wenige" neue Sterne, d.h. es bilden sich auch weniger radioaktive Elemente, deren Zerfallswärme erdähnliche Planeten im Innern geschmolzen hält und über die Plattentektonik einen Kreislauf von Treibhausgasen über lange Zeiten ermöglicht. Sich heute bildende Planeten könnten erkalten, bevor höhere Lebensformen entstehen konnten. Wir sollten sorgsam mit der Erde umgehen! Wir finden sobald keinen Ersatz. 64 Vorschau Heute Abend wurden "Kosmische Wolken" lediglich als Zwischenspeicher betrachtet, in denen die beim Tod eines Sterns ins interstellare Medium geschleuderten Elemente neu durchmischt werden, bis sie wieder in die nächste Sterngeneration integriert werden. Nächsten Dienstag wird Ihnen Herr Schuster zeigen, welch faszinierende Objekte diese Wolken am Sternhimmel darstellen. Kosmische Wolken - Farbtupfer in der Milchstrasse Jörg Schuster 28.05.2002 Adlernebel mit M16 Auch nächstes Jahr gibt es wieder einen Kurs! Einige Vorträge werden Themen des heutigen Abends ausführlicher behandeln: 25.3.2003: Die neuen Planetensysteme (Andreas Corell) 01.4.2003: Leben unter fernen Sonnen - fremde Lebensformen? (Andreas Corell) 20.5.2003: Wie alt ist das Universum? (Bernd Pfeiffer) 65