Spieltheorie

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Mathematisches Seminar für LAK, WS 2014
Spieltheorie
Helmut Zöhrer (1030821)
Graz, am 19. November 2014
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1
2 Einführung
2.1 Was ist Spieltheorie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Was ist ein Spiel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
3
4
3 Take-away-Spiele
3.1 N- und P-Positionen . . . . .
3.2 Das Spiel NIM . . . . . . . .
3.2.1 NIM-Addition . . . .
3.2.2 Satz (NIM-Summe 0)
3.2.3 Misère NIM . . . . . .
3.3 Das Stricherlspiel . . . . . . .
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ii
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5
. 6
. 7
. 7
. 8
. 10
. 10
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1
2
3
Ergebnis Guessing-Game . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Assoziativität von ⊕ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Stricherlspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
iii
1 Einleitung
1 Einleitung
Als ich auf der Suche nach einem Thema für die Arbeit in diesem Seminar war, hat mich
der Begriff der Spieltheorie sofort gepackt, als ich über ihn gestolpert bin. Das Wort
selbst klingt so, als wäre es ein Widerspruch in sich – Spiel und Theorie klingen im
Vorhinein nicht vereinbar. Mein Interesse war damit geweckt.
Die tiefere Befassung mit diesem Thema hat gezeigt, dass es gar nicht notwendigerweise
um ausgedachte Spielsituationen geht. Zahllose Beispiele aus dem alltäglichen Leben
lassen sich mithilfe der Spieltheorie analysieren und leichter (durchdachter) handhaben.
Da es sich hierbei jedoch um ein Seminar für Lehramtskandidaten (des Faches Mathematik) handelt, wird der Hauptfokus auf weniger komplexe – schulfreundliche – Spiele
und deren logische Analyse gelegt.
1
2 Einführung
2 Einführung
Ein erstes Spiel: Guessing Game
Ein interessanter Artikel von Ableitinger und Hauer-Typpelt ([1]), der sich mit den
Möglichkeiten, Spieltheorie in den Schulunterricht zu integrieren beschäftigt, behandelt
das folgende einfache Ratespiel.
Die Regeln: Eine beliebige Anzahl n an Spielern (wobei n ≥ 2), wählt gleichzeitig und
voneinander unabhängig eine natürliche Zahl k, für die gilt 2 ≤ k ≤ 100. Es gewinnt
jener Spieler, dessen Zahl sich am nähesten an 32 des Mittelwertes aller gewählten Zahlen
befindet.
Welche Zahlen sollten die Spieler erwählen?
Praktische Durchführung: Im Jahr 2006 wurde dieses
Spiel mit 12 Probanden gespielt und die jeweils gewähl- Spieler 1. Spiel 2. Spiel
ten Zahlen wurden tabellarisch festgehalten. Das erzielte
1
27
43
Ergebnis ist in der Tabelle rechts (Abbildung 1) zu se2
67
37
hen.
3
44
28
Das Spiel wurde hier zweimal gespielt. Beim ersten
4
22
14
Durchgang hatten die Spieler kaum Zeit zwischen der
5
20
33
Erklärung des Spiels und der Entscheidung für eine Zahl.
30
20
6
Die Ergebnisse des ersten Durchgangs wurden (anonym)
7
22
8
gesammelt und man gab den Teilnehmern die Möglich60
35
8
keit sich länger Zeit zu lassen bei der Wahl einer Zahl
9
40
20
für den zweiten Durchgang. Dabei wurde das Ergebnis
10
38
34
des ersten Spiels nicht bekanntgegeben.
11
43
12
Mit Ausnahme von lediglich zwei Spielern haben alle
53
20
12
als zweite Zahl eine kleinere als ihre erste angegeben.
2
25,9 16,9
Daher ist die Siegerzahl“ im zweiten Spiel auch deutlich
3 ·x
”
niedriger. Niemand hat seine Wahl beibehalten.
Abbildung 1: Ergebnis
Für welche Zahl sollte man sich bloß entscheiden,
Guessing-Game
wo man doch unmöglich in seine Gegner hineinschauen
kann? Theoretisch lautet die Antwort 2.
Analyse: Man nehme an, jeder Spieler wählt das Maximum (m = 100). Dann wäre auch
der Durchschnitt x0 aller erwählten Zahlen genau 100. Es gilt 23 · x0 = 66, 6̇ und somit
wäre die Wahl einer Zahl > 67 sinnlos, da sogar mit dem angenommenen Maximum das
Resultat kleiner wäre.
Wenn jeder Mitspieler soweit denkt, dann würde auch jeder sein persönliches Maximum
m1 bei 67 ansetzen. Man nehme wiederum an, jeder Spieler entscheidet sich für sein
2
2 Einführung
persönliches Maximum bei der Zahlenwahl. Der Durchschnitt aller gewählten Zahlen x1
wäre bei 67 und 32 davon würden 44, 6̇ ergeben. Das persönliche Maximum aller Spieler
würde wieder schrumpfen - und zwar auf den Wert m2 = 45.
Führt man diese Überlegung immer weiter, würden die Maxima mi , die sich jeder
Spieler selbst setzt, immer kleiner werden. Die Folge der persönlichen Maxima würde
also so aussehen:
(mi )10
i=0 = (100, 67, 45, 30, 20, 13, 9, 6, 4, 3, 2)
Nachdem das Maximum, welches nach 10 zu oben analogen Überlegungen sinnvoll
wäre, die Zahl 2 wäre, müsste die Überlegungskette nach diesem Schritt beendet werden.
Der Grund dafür ist die im Regelwerk verankerte Einschränkung, dass die gewählte Zahl
k größer oder gleich 2 sein muss. Folglich müsste ein Spieler, der rational handelt, sich
für die Zahl 2 entscheiden.
(vgl. [1] 1f)
Praxis: Theoretisch klingt soeben vorgestelltes Konzept zwar einleuchtend, wird allerdings beim tatsächlichen Versuch dieses Spiel zu spielen wenig erfolgreich sein.
Das kommt daher, dass der Zusammenhang von perfekter Rationalität, welche dieses
eben beschriebene rekursive Immer-weiter-Denken“ bedeutet, und Common Knowledge,
”
welches für das Wissen der Mitspieler untereinander steht, von entscheidender Bedeutung
ist.
Selbst wenn ein Spieler perfekt rational handelt, sollte nicht die Zahl 2 gewählt werden,
außer es ist Common Knowledge (also allgemein bekannt), dass auch alle anderen in
selbiger Weise handeln werden. Sogar wenn man annimmt, es würden alle Involvierten
rational handeln, ist nicht notwendigerweise gegeben, dass das Common Knowledge ist.
Daher könnte man andere verdächtigen, nicht rational zu handeln. Eben dieser Verdacht
könnte so denkende Spieler dazu verleiten, nicht die Zahl 2 zu nehmen.
In der Praxis kann angenommen werden, dass Mitspieler existieren, die nicht rational
handeln und somit das obige Konzept mit den gewählten persönlichen Maxima“ ohnehin
”
zunichte machen.
2.1 Was ist Spieltheorie?
Der Begriff Spieltheorie behandelt die Analyse strategischer Entscheidungssituationen,
”
in denen mehrere Spieler miteinander interagieren“, wie Nebel ([2] 2009:4) erklärt.
Dabei sei das Resultat eines Spiels von den Entscheidungen der Mitspieler abhängig
und alle Spieler sind sich dessen bewusst. Damit stelle sich die Frage nach dem Ergebnis, das sich ergibt, falls alle Spieler rational“ handeln, d.h. ihren (erwarteten) Nutzen
”
maximieren, wobei sie davon ausgehen, dass ihre Mitspieler ebenso rational handeln, so
Nebel ([2]).
3
2 Einführung
Der Fokus dieser Arbeit wird allerdings auf Spielen liegen, bei denen auch durch perfekt
rationales“ Verhalten beider Spieler a priori entschieden werden kann, ob einer der
”
beiden die Möglichkeit hat einen Sieg zu erzwingen. Für die hier behandelten Spiele
existieren also Gewinnstrategien.
2.2 Was ist ein Spiel?
Der Begriff des Spiels wird im Folgenden nicht im allgemeinen Sinne des Wortes aufgefasst. Die folgenden Einschränkungen werden für Spiele in unserem Kontext vorgenommen:
1. Ein Spiel ist für zwei Spieler konzipiert.
2. Es wird abwechselnd gezogen.
3. Ein Spiel ist frei von Zufall.
4. Beide Spieler verfügen über volle Information (keine verdeckten Elemente).
5. Es gibt eine endliche Menge an Positionen (Spielstellungen).
• Eine (nichtleere) Teilmenge davon ist als gültige Startposition gekennzeichnet.
• Für jede Position gibt es eine (möglicherweise leere) Menge von gültigen Nachfolgepositionen.
6. Das Spiel endet, wenn kein gültiger Zug mehr ausgeführt werden kann.
• Normal play: jener Spieler, der nicht mehr ziehen kann (also eine leere Menge
von Zugmöglichkeiten zur Verfügung hat) verliert.
• Misère play: jener Spieler, der zuletzt zieht verliert das Spiel.
7. Ein Spiel endet nicht unentschieden.
(vgl. [3] 2014:1)
4
3 Take-away-Spiele
3 Take-away-Spiele
Spiele, bei denen ein vorgegebener Vorrat an Markierungen verkleinert wird, werden
allgemein als Take-away-Spiele bezeichnet.
Ein erstes Beispiel
Die Regeln für ein einfaches Spiel, bei dem Münzen von einem Stapel entfernt werden
müssen, lauten:
1. Es gibt zwei Spieler. Wir bezeichnen sie mit I und II.
2. Am Anfang befinden sich 21 Münzen auf dem Stapel.
3. Ein Zug besteht aus dem Entfernen von entweder einer, zwei oder drei Münzen
vom Stapel.
4. Die Spieler ziehen abwechselnd, wobei I beginnt.
5. Der Spieler der die letzte Münze vom Stapel nimmt (also den letzten gültigen Zug
durchführt) gewinnt das Spiel.
Wie kann dieses Spiel analysiert werden? Besteht die Möglichkeit, dass einer der Spieler
einen Sieg erzwingen kann? Welcher Spieler hat die bessere Ausgangslage? Hat der, der
anfängt, oder der, der nachzieht die besseren Chancen? Welche Strategie könnte man als
Spieler verfolgen?
Um das herauszufinden, werden wir dieses Spiel von hinten nach vorne aufrollen.
Analyse: Wenn nur noch eine, zwei oder drei Münzen übrig sind, kann der Spieler am
Zug das Spiel für sich entscheiden, indem er einfach alle Münzen nimmt.
Angenommen es sind vier Münzen übrig. Dann muss der nächste Spieler entweder eine,
zwei oder drei Münzen auf dem Stapel lassen und sein Gegner würde gewinnen. Folglich
würden vier verbleibende Münzen für den nächsten Spieler den sicheren Verlust des Spiels
bedeuten. Somit könnte man, wenn man es schafft nach seinem Zug vier Münzen übrig
zu lassen, das Spiel für sich entscheiden.
Bei 5, 6 oder 7 verbleibenden Münzen hat der nächste Spieler die Chance den Stapel auf
vier Münzen zu reduzieren (was, wie zuvor erwähnt, den Spielgewinn bedeuten würde).
Bei 8 Münzen auf dem Stapel verbleiben nach dem nächsten Zug eben 5, 6 oder 7, was,
wie gesagt dem kommenden Spieler den Sieg einbringen würde.
Wird dieses Schema fortgeführt, erkennt man, dass es erstrebenswert ist, dem Gegner
eine Anzahl an Münzen auf dem Stapel zu belassen, die der Form 4n (mit n ∈ N)
entspricht – also ein Vielfaches von 4 ist. Gelingt dies, kann nach einem Zug des Gegners
wiederum auf 4(n − 1) Münzen reduziert werden, indem man 4 − k (wobei k ∈ {1, 2, 3}
5
3 Take-away-Spiele
die Anzahl der soeben vom Gegner entfernten Münzen ist) vom Stapel nimmt. Dadurch
kommt man durch ständige Wiederholung zu dem Punkt, wo man dem Gegner genau 4
Münzen lässt und, wie oben erläutert, das Spiel gewinnen kann.
Für die Ausgangsposition mit 21 Münzen kann der erste Spieler (I), indem er genau
eine Münze entfernt, die Anzahl der Münzen auf ein Vielfaches von 4 (nämlich 20 = 4 · 5)
reduzieren und das gerade erklärte Schema nutzen um das Spiel zu gewinnen. II kann
ihm so nichts entgegensetzen.
(vgl. [4] 2014:3f)
Lösungsstrategie: Das gerade vorgestellte Prinzip des von-hinten-Aufrollens“ wird im
”
Allgemeinen als Rückwärtsinduktion bezeichnet.
3.1 N- und P-Positionen
In einem Spiel wie dem vorhergegangenen kann man pro Position definitiv vorhersagen,
ob der nächste (Next) oder der vorherige (Previous) Spieler die Möglichkeit hat, das
Spiel zu seinen Gunsten zu entscheiden. Je nachdem ob der nächste oder der vorherige gewinnen kann, werden alle Positionen in N-Positionen und P-Positionen aufgeteilt.
Die Mengen der jeweiligen Positionen P OSN und P OSP würden für das Beispiel also
folgendermaßen aussehen:
P OSN = {1, 2, 3, 5, 6, 7, 9, 10, 11, 13, 14, 15, 17, 18, 19, 21}
P OSP = {0, 4, 8, 12, 16, 20}
Natürlich sind P OSN und P OSP disjunkt – es können schließlich nicht der nächste
und der vorherige Spieler gleichzeitig gewinnen.
Algorithmus um P OSN und P OSP zu erhalten:
Die folgenden vier Schritte können ausgeführt werden, um die Mengen P OSN und P OSp
aufzubauen:
1. Markiere jede Endposition (also jede Position, von dem aus keine gültigen Züge
mehr möglich sind) als P-Position.
2. Markiere jede Position die in einem Zug eine P-Position erreichen kann als NPosition.
3. Finde jene Positionen, deren mögliche Züge allesamt zu N-Positionen führen. Markiere sie als P-Positionen.
4. Werden in Schritt 3 keine weiteren P-Positionen gefunden, halte an; sonst, fahre
mit Schritt 2 fort.
6
3 Take-away-Spiele
Offensichtlich wird die Strategie auf eine P-Position zu fahren von Erfolg gekrönt
sein, weil der Gegner von dort nur die Chance hat zu einer N-Position zu gelangen
(siehe Schritt 3). Von dort wird wiederum auf eine P-Position gezogen (siehe Schritt 2).
Schließlich ist das Spiel an einer Endposition vorüber und nachdem es sich dabei um
eine P-Position handelt (siehe Schritt 1), hat man gewonnen.
Natürlich gilt jener Gedankengang nur für Spiele im Normal Play. Jene im Misère
play erfordern eine leicht abgewandelte Strategie, die allerdings dem selben Muster und
Gedankengang folgt.
(vgl. [4] 2014:4f)
Verallgemeinerung des Beispiels
Bei einem Spiel, bei dem n Münzen auf einem Stapel liegen und jeder Spieler pro Zug
eine bis m Münzen entfernen darf, würden P OSN und P OSP so aussehen:
P OSP = {k · (m + 1) | k ∈ N0 , k ≤ b
n
c}
m+1
P OSN = {k | k ≤ n, k ∈ N} \ P OSP
Mithilfe dieser beiden Mengen lassen sich beliebige Spiele dieser Art entschlüsseln.
3.2 Das Spiel NIM
Das zuvor behandelte Spiel mit bloß einem Stapel ist ein Spezialfall des allgemeinen
NIM -Spiels. Davon gibt es verschiedene Auslegungen. Die Regeln des klassischen (normal) Spiels sehen wie folgt aus:
• Gegeben sind k Stapel mit n1 , ..., nk Münzen (wobei ni > 0).
• Ein Spieler kann pro Zug innerhalb eines Stapels beliebig viele Münzen (mindestens
eine) entfernen.
• Gewinn und Verlust sind von den zuvor festgelegten Regeln für Normal play bzw.
Misère play abhängig.
Zur erfolgreichen Analyse von NIM-Spielen wird hier eine hilfreiche Operation, die
NIM-Addition, eingeführt.
3.2.1 NIM-Addition
Um die NIM-Summe von Zahlen (∈ N0 ) berechnen zu können, müssen diese zuallererst in
Binärdarstellung gebracht werden. Daraufhin führt man eine bitweise Addition (modulo
2) der Binärzahlen aus. Damit fällt der Übertrag auf die nächstgrößere Stelle weg.
7
3 Take-away-Spiele
Im Prinzip handelt es sich bei der NIM-Addition von zwei Zahlen um nichts anderes
als eine exklusive ODER-Verknüpfung (XOR). Dabei wird genau dann der Wert 1 pro
Bit ausgegeben, wenn die beiden verglichenen Bits verschieden sind.
Wir schreiben ⊕ als Zeichen für die Operation der NIM-Addition.
Die NIM-Summe ist die NIM-Addition aller Zahlen.
Bemerkung: N0 bildet mit der NIM-Addition eine abelsche Gruppe.
• ⊕ ist offensichtlich kommutativ.
• ⊕ ist assoziativ (siehe Wahrheitstafel [2] unten)
• 0 ist offensichtlich das neutrale Element.
• Jedes Element ist selbstinvers.
a
1
1
1
1
0
0
0
0
b
1
1
0
0
1
1
0
0
c
1
0
1
0
1
0
1
0
a⊕b
0
0
1
1
1
1
0
0
(a ⊕ b) ⊕ c
1
0
0
1
0
1
1
0
b⊕c
0
1
1
0
0
1
1
0
a ⊕ (b ⊕ c)
1
0
0
1
0
1
1
0
Abbildung 2: Assoziativität von ⊕
Beispiel: Die Berechnung der NIM-Summe der Zahlen 6 und 15 ist hier zu
sehen:
6 ⊕ 15 = (2 + 4) ⊕ (1 + 2 + 4 + 8) = 1 + 8 = 9
110
⊕1111
1001
Die Bedeutung dieser Methode wird erst bewusst, wenn der folgende Satz formuliert
wird.
3.2.2 Satz (NIM-Summe 0)
Genau jede Position mit NIM-Summe 0 ist eine P-Position.
Für den Beweis dieses Satzes wird ein Hilfslemma benötigt, welches zuvor bewiesen
wird.
8
3 Take-away-Spiele
Lemma
(i) Ist die NIM-Summe einer Position gleich null, dann ist die NIM-Summe nach jedem
beliebigen Zug ungleich null.
(ii) Nach jeder Position mit NIM-Summe ungleich null kann so gezogen werden, dass
die NIM-Summe danach null ist.
Beweis (Lemma):
(i) Die NIM-Summe ist genau dann gleich null, wenn sie an jedem Bit null ergibt. Das ist
äquivalent dazu, dass die Anzahl an Einsern pro Bit gerade ist. Da eine beliebige Anzahl
(> 0) an Münzen aus genau einem Stapel entfernt werden muss – also genau eine der
Zahlen verändert wird – wird sich das Bit infolge an mindestens einer Stelle verändern.
An eben diesen veränderten Stellen kommt es daher zu einer ungeraden Anzahl an Einsern. Somit ist die NIM-Summe nach dem nächsten Zug verändert. Folglich muss aus
einer NIM-Summen-Position gleich null eine ungleich null folgen.
(ii) Ist die NIM-Summe ungleich null, existiert ein Bit das eine ungerade Anzahl an
Einsern enthält. Insbesondere existiert eines das 1 ist und für das gilt, dass es das sich
am weitesten links befindende Bit ist, bei dem die Anzahl an Einsern ungerade ist. Kehrt
man ab (inklusive) diesem Bit nach rechts gehend alle Bits dieser einen Zahl an jenen
Stellen um, deren NIM-Summe 1 ist, erhält man an allen Stellen eine gerade Anzahl an
Einsern. Die NIM-Summe ist gleich null.
Beweis (Satz):
⇒“ Ist die NIM-Summe einer Position gleich null, muss der nächste Spieler (N) laut
”
(i) so ziehen, dass die NIM-Summe daraufhin ungleich null ist. Sein Gegner (P) kann
nach (ii) wiederum auf die NIM-Summe null stellen. Somit hat P die Möglichkeit, immer
wieder auf die NIM-Summe null zu stellen – kann also dafür sorgen, dass sein Gegner
nie die NIM-Summe null hinterlassen kann. Die Endposition hat NIM-Summe null, weil
alle Stapel die Höhe“ null besitzen. P kann also den letzten gültigen Zug machen und
”
damit das Spiel gewinnen.
⇐“ (indirekt) Ist die NIM-Summe ungleich null, kann der nächste Spieler (N) nach (ii)
”
auf eine Folgeposition mit NIM-Summe null stellen. Laut der Hin-Richtung handelt es
sich dabei also um eine N-Position.
Bemerkung: Folglich ist es ratsam immer auf eine Null-NIM-Summe zu stellen. Hat
man das einmal erreicht, kann man nach seinem nächsten Zug selbiges machen. Somit
kann man die NIM-Summe immer zwischen null und einer Zahl ungleich null wechseln
lassen.
9
3 Take-away-Spiele
Da man auf diese Weise den Gegner immer dazu zwingen kann, die Position auf eine
NIM-Summe ungleich null zu stellen und die NIM-Summe wenn nur noch ein Stapel
vorhanden ist ungleich null ist, kann man auch die verbleibende(n) Münze(n) vom letzten
Stapel selbst entfernen. Das bedeutet den Spielgewinn.
(vgl. [5]: 117f, [6]: 118f)
3.2.3 Misère NIM
Werden NIM-Spiele im Misère play gespielt, muss soeben bewiesene Strategie leicht
abgeändert werden, um als perfekt zu gelten.
Verwende obige Strategie, solange mindestens zwei Stapel mit Höhe > 1 vorhanden
sind (und beliebig viele mit Höhe 1). Ist nur noch ein Stapel mit mehr als einem Element
vorhanden (und die restlichen bestehen aus genau einem Element), reduziere diesen auf
die Höhe 1 oder entferne den Stapel komplett – je nachdem was eine ungerade Anzahl
an einelementigen Stapeln übrig lässt.
Begründung Mit optimaler NIM-Strategie versucht man die NIM-Summe auf null zu
stellen. Gelingt das, muss man nie genau einen Stapel mit mehr als einem Element
hinterlassen, weil sonst die NIM-Summe ungleich null wäre. Folglich müsste der Gegner
das tun.
Die angesprochene Reduktion auf eine ungerade Anzahl an Stapeln welche die Höhe
eins haben ist deshalb sinnvoll, weil danach abwechselnd ganze Stapel entfernt werden
müssen. Verbleibt eine ungerade Anzahl an solchen Stapeln, hat der Gegner bis zum
Spielende bei jedem Zug eine ungerade Anzahl an Stapeln zur Verfügung. Er würde also
auch den letzten Stapel entfernen müssen und das Spiel somit verlieren.
(vgl. [4]: 11)
3.3 Das Stricherlspiel
Eine in unseren Breiten bekannte Abwandlung des
NIM-Spiels stellt das Stricherlspiel dar. Die Ausgangsposition dieses Spiels ist in Abbildung 3 zu
sehen.
Die Regeln lauten:
• Es werden vier Reihen mit je einem, drei, fünf
und sieben Strichen gezeichnet.
• Ein Spieler muss pro Zug eine positive Anzahl an (noch nicht durchgestrichenen) Strichen aus einer Reihe durchstreichen.
10
Abbildung 3: Stricherlspiel
3 Take-away-Spiele
• Der Spieler, der den letzten Strich durchstreicht verliert das Spiel.
In obiger Definition eines Spiels wurde festgehalten, dass beim Normal play jener
Spieler gewinnt, der den letzten Zug tätigt. Hier ist es allerdings so, dass gerade dieser
Spieler verliert – es handelt sich also beim Stricherlspiel um Misère play.
Zurückführen auf NIM: Die Strichreihen lassen sich auf die Stapel des klassischen
NIM-Spiels ummünzen und die noch nicht durchgestrichene Anzahl an Strichen pro
Reihe entspricht der jeweiligen Stapelhöhe.
Wenn man noch die Misère-Eigenschaft in Betracht zieht, lässt sich dieses Spiel mithilfe
der bereits getätigten Überlegungen einfach analysieren.
Analyse: Wenn man die NIM-Summe der Ausgangslage ermittelt, stellt man
fest, dass sie null ist (siehe rechts).
1⊕3⊕5⊕7=0
001
011
101
⊕111
000
Bekanntermaßen müsste der erste Spieler (A) die NIM-Summe nach seinem Zug auf eine Zahl ungleich null verändern. Das gibt dem Nachziehenden (B) die
Möglichkeit die NIM-Summe wieder auf null zu stellen. Folglich könnte B durch optimales Spiel einen Sieg erzwingen. Man sollte also – wenn möglich – seinem Gegner beim
Stricherlspiel den Vortritt lassen.
Da der Erstziehende keine perfekte Gewinnstrategie anwenden kann, muss er auf Fehler
seines Gegners hoffen.
Die für jeden Spieler erstrebenswerten P-Positionen (außer der Ausgangsposition) sind
beim Stricherlspiel folgende:
Sortiert nach Anzahl der noch vorhandenen Reihen:
P OSP0000 = {{1, 2, 4, 7}, {1, 2, 5, 6}, {1, 3, 4, 6}, {1, 1, 5, 5}, {1, 1, 4, 4}, {1, 1, 3, 3}, {1, 1, 2, 2}}
P OSP000 = {{2, 5, 7}, {3, 4, 7}, {3, 5, 6}, {2, 4, 6}, {1, 4, 5}, {1, 2, 3}, {1, 1, 1}}
P OSP00 = {{2, 2}, {3, 3}, {4, 4}, {5, 5}}
Alle P-Positionen:
P OSP = P OSP0000 ∪ P OSP000 ∪ P OSP00
Man kann sich als Spieler also entweder alle P-Positionen auswendig merken, oder
seinen Geist bemühen, um bei jedem Zug die NIM-Summe herauszufinden.
Bei einem Spiel wie dem Stricherlspiel mit einer solch geringen Anzahl an Möglichkeiten ist das Merken der erfolgreichen Positionen leicht möglich. Wird die Anzahl der
11
3 Take-away-Spiele
Reihen erhöht, steigen auch die Möglichkeiten rasant an – es müsste also je Zug die
NIM-Summe berechnet werden.
(vgl. [7])
12
Literatur
[1] Christoph Ableitinger und Petra Hauer-Typpelt Spieltheorie im Schulunterricht –
kann es das spielen? Universität Wien
[2] Thomas Nebel Spieltheorie. 2009: Universität Freiburg
[3] Oswin Aichholzer, Maria Eichlseder Klassische Themen der Computerwissenschaft,
Abschnitt Spieltheorie. 2014: Institut für Softwaretechnologie, TU Graz
[4] Thomas S. Ferguson Game Theory, Part I. Impartial Combinatorial Games. 2014:
Mathematics Department, UCLA.
[5] Jörg Bewersdorff Glück, Logik und Bluff. Mathematik im Spiel - Methoden, Ergebnisse
und Grenzen. 2013
[6] Manfred Dobrowolski Mathematische Exkursionen: Gödel, Escher und andere Spiele.
2010
[7] Most Wanted Puzzle Solutions – How to win at the Nim game
http://www.archimedes-lab.org/How_to_Solve/Win_at_Nim.html
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