Hakenwürmer - Extras Springer

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H
Demodex
im Kindesalter, wird von einem besonders virulenten Stamm verursacht.
Differenzialdiagnose
Konjunktivitis jeglicher Genese (bakteriell, viral, durch Pilze, allergisch u.a.)
Haemophilus aegyptius
Labordiagnostik
Haarbalgmilbe
Erregerbezeichnung
Haemophilus aegyptius
Synonym
Koch-Weeks-Bazillen
Morphologie
Gramnegative, kokkoide Stäbchen
Taxonomie
Familie: Pasteurellaceae
Gattungen: Pasteurella, Haemophilus, Actinobacillus
Gattung: Haemophilus: 16 Arten
H. aegyptius hat zu H. influenzae enge genetische und biochemische Verwandtschaft, daher
im strengen Sinne H. influenzae als Biotyp zuzuordnen.
Historie
Von Robert Koch 1883 in Ägypten im Eiter von
akuter Konjunktivitis gesehen, 1886 von J. E.
Weeks gezüchtet, bis 1950 als Koch-Weeks-Bazillen bezeichnet.
Mikroskopie. Schlankes, nicht bekapseltes
gramnegatives Stäbchen.
Kultur. Anspruchsvoll, wächst auf KochblutAgar.
Differenzierung. Nach Wuchsfaktoren und biochemischen Kriterien.
Therapie
Augentropfen oder -salben mit Chloramphenicol, Rifampicin, Sulfonamiden oder Chinolonen
(Norfloxacin, Ciprofloxacin).
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Nicht näher bekannt. Unterschiede der Lipooligosaccharide (LOS) sowie der äußeren Membranproteine (P1) bei virulenten und avirulenten Stämmen.
Transmission
Übertragung durch Kontaktinfektion
Vermehrung und Inkubationszeit
Nicht näher bekannt.
Erkrankungen/Symptome
H. aegyptius verursacht eine akute oder subakute eitrige Konjunktivitis bei Kindern, in warmen
Ländern (Nordafrika, Südstaaten der USA).
Das seit 1984 charakterisierte Brasilian purpuric
fever (BPF), eine lebensbedrohliche Infektion
Resistenz
Sehr empfindlich gegen Umwelteinflüsse.
Immunantwort
Keine Daten verfügbar.
285
Haemophilus ducreyi
Wirtsbereich
Taxonomie
Mensch, Nachweis auch in Stechmücken gelungen.
Familie: Pasteurellaceae
Gattungen: Pasteurella, Haemophilus, Actinobacillus
Gattung Haemophilus mit 16 Arten
Risikogruppen
Kinder
Historie
Epidemiologie
Konjunktivitis v.a. in warmen Ländern (Nordafrika, Südstaaten der USA), Brazilian purpuric
fever (v.a. in Sao Paulo, Brasilien).
Genetik
Sequenz von 19 Nukleotiden, 34 Proteinen und
einer 1 Struktur bekannt (Stand Mai 2001)
Von Agosto Ducrey 1889 erstmals in Präparaten
aus Ulcus molle gesehen.
Erkrankungen/Symptome
Ulcus molle (weicher Schanker, engl. chancroid), eine sexuell übertragbare Krankheit, weiche, meist schmerzhafte Ulzerationen im Genitalbereich mit inguinaler Lymphadenitis.
Prävention
Differenzialdiagnose
Keine Daten verfügbar.
Treponema pallidum (Syphilis), Herpes simplex
Virus (HSV) Typ 1 und 2, Calymmatobacterium
granulomatis (Granuloma inguinale)
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Keine Daten verfügbar.
Meldepflicht
Nein
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Keine Daten verfügbar.
Schlüsselliteratur
1. Albritton, W.L. Infections due to Haemophilus species
other than H. influenzae. Ann. Rev. Microbiol. 36: 199–216,
1982
2. Kilian, M. (Hrsg.) Haemophilus, Pasteurella und
Actinobacillus. Academic Press London, 1981
3. The Brazilian Purpuric Fever Study Group. Brazilian
purpuric fever identified in a new region of Brazil. The
Brazilian Purpuric Fever Study Group, J Infect Dis 165
Suppl 1:S16–9, 1992
Haemophilus ducreyi
Erregerbezeichnung
Haemophilus ducreyi
Synonym
Entfällt
Morphologie
Gramnegative kokkoide Stäbchen
286
Labordiagnostik
Mikroskopie. Gramfärbung, in Abstrichen
fischzugartig angeordnet, Direktpräparat wenig
sensitiv (typische Anordnung oft durch Superinfektion verwischt), bei Wachstum in Flüssigkultur Tendenz zur Autoagglutination
Kultur. Schwierig, schneller Transport notwendig, Schaf-Kochblut-Agar (7–8%) mit Vancomycin (3mg/l) zur Unterdrückung der Begleitflora, eine Woche Bebrütung bei 31–34°C und
5% CO2. Kleine, bräunlich gefärbte, sehr feste
Kolonien. Zweites Medium zur Verbesserung
der Sensitivität empfohlen (z.B. Gonokokken
Agar mit 2% Rinder-Hämoglobin und 5% fötalem Kälberserum (GC-HgS) mit Vancomycin
(3mg/l) und 1% IsoVitalex oder GonokokkenAgar mit Fildes-Zusatz
Biochemische Differenzierung. Abhängigkeit
von X-Faktor (Hämin), Katalase negativ.
DNA - Amplifikation. Die Kultur war lange Zeit
Goldstandard der Diagnostik, zeigt gegenüber
DNA-Amplifikationstechniken (PCR z.B. mit
groEL-Gen als Primer) jedoch nur eine Sensitivität von 75%. Auch eine Multiplex-PCR (H. ducreyi, T. pallidum, HSV Typ 1 und 2) ist beschrieben, jedoch noch nicht kommerziell erhältlich (Stand Mai 2001).
Haemophilus influenzae
Sonstige Diagnoseverfahren. Antigennachweis
mittels monoklonalen Antikörpern im direktem Immunfluoreszenztest vielversprechend,
Hybridisierung (DNA-DNA oder DNA-RNA)
noch in Erprobung. Serologie (Antikörpernachweis) für epidemiologische Zwecke im Einsatz.
Therapie
Erythromycin, Cotrimoxazol, Kombination von
Aminopenicillinen und Betalaktamase-Inhibitoren, zur Eindosisbehandlung Ciprofloxacin
oder Ceftriaxon. Betalaktamasebildung regional sehr häufig.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Nicht näher bekannt. Unterschiede der Lipooligosaccharide (LOS) bei virulenten und avirulenten Stämmen, Resistenz gegen Phagozytose
und Serumbakterizidie. Das äußere Membranprotein „Ducreyi serum resistance A“ (DsrA)
vermittelt Serumbakterizidie und spielt eine
Rolle bei der pathogenetisch wichtigen Progression von der Papel- zur Pustelbildung.
Transmission
H. ducreyi wird über sexuelle Kontakte übertragen, begünstigt durch Läsionen im Genitalbereich.
Vermehrung und Inkubationszeit
3–14 Tage, in der Regel 3–5 Tage.
Resistenz
Sehr empfindlich gegen Umwelteinflüsse.
Immunantwort
Ähnelt verzögerter Hypersensitivitätsreaktion
vom Typ IV, hinterlässt keine bleibende Immunität.
Epidemiologie
Nur sporadisch in westlichen Ländern, häufig in
Südostasien, Lateinamerika; in Schwarzafrika
häufigste Ursache von Genitalulzerationen (genital ulcer disease).
Genetik
Sequenz von 64 Nukleotiden und 151 Proteinen
bekannt (Stand Mai 2001).
Prävention
Expositionsprophylaxe (Kondom).
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Eintrittspforte für HIV, daher von CDC frühe
Diagnostik und Behandlung empfohlen!
Meldepflicht
In Deutschland besteht nach dem Infektionsschutzgesetz seit 1.1.2001 keine Meldepflicht
mehr.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
CDC, HIV Prevention Through Early Detection
and Treatment of Other Sexually Transmitted
Diseases - United States Recommendations of
the Advisory Committee for HIV and STD Prevention, MMWR 47 (RR12); 1–24, 1998
http://www.cdc.gov/nchstp/od/mmwr/
hiv_prevention_through_early_det.htm
Schlüsselliteratur
1. Albritton, W.L. Infections due to Haemophilus species
other than H. influenzae. Ann. Rev. Microbiol. 36: 199–216,
1982
2. Albritton, W.L. Biology of Haemophilus ducreyi.
Microbiol. Rev. 53: 377–389, 1989
3. Morse, S.A. Chancroid and Haemophilus ducreyi. Clin.
Microbiol. Rev. 2: 137–157, 1989
4. Trees, D.L., S.A. Morse. Chancroid and Haemophilus
ducreyi: an update. Clin. Microbiol. Rev. 8: 357–375, 1995
5. Lewis, D.A. Diagnostic tests for chancroid. Sex. Transm.
Inf. 76: 137–141, 2000
Wirtsbereich
Nur beim Menschen, symptomlose Träger
(häufig bei Frauen).
Haemophilus influenzae
Risikogruppen
Bevölkerungsgruppen mit schlechter persönlicher Hygiene.
Erregerbezeichnung
Haemophilus influenzae
287
H
Haemophilus influenzae
Synonym
Entfällt
Morphologie
litenphänomen); die Hämolyse setzt NAD frei.
Kolonien klein (1 mm ∅), glatt, konvex, hellgrau, bekapselte Stämme wachsen größer, erscheinen opaleszent und glänzen.
Gramnegatives, kokkoides Stäbchen
Taxonomie
Familie: Pasteurellaceae
Gattungen: Pasteurella, Haemophilus, Actinobacillus
Gattung Haemophilus: 16 Arten Serotypen: a-f
Biotypen: I-VIII
Historie
Von Richard Pfeiffer während der Grippepandemie von 1889/92 entdeckt, zunächst als Erreger der Influenzae angesehen; nach der Pandemie 1918/19 Zweifel an der ätiologischen Bedeutung; die Entdeckung des Influenzae-Virus
(1933) klärt die Frage.
Erkrankungen/Symptome
Erkrankungen bei Kindern. Durch den Kapseltyp b eitrige Meningitis, Epiglottitis, seltener
Otitis, Sinusitis, Pneumonie, septische Arthritis
und Weichteilinfektionen.
Erkrankungen bei allen Altersklassen. Durch
unbekapselte Erreger häufig akute Tracheobronchitis, sekundäre bronchopulmonale Infektionen, akute Exazerbationen der chronischen Bronchitis, seltener Endokarditis, Abdominal- und Genitalinfektionen.
Differenzialdiagnose
Invasive Erkrankungen können einer Meningokokken-Meningitis/Sepsis ähneln, ansonsten je
nach betroffenenem Organsystem
Labordiagnostik
Mikroskopie. Unbegeißelte, gramnegative Stäbchen (0,3–0,5×0,5–3 µm), Stämme mit Kapsel
meist kokkoid, kapsellose oft auffallend pleomorph mit filamentösen Formen.
Kultur. Fakultativ-anaerobe, mikroaerophile
Bakterien, relativ anspruchsvoll. Anzüchtung
auf Kochblut-Agar und Nährböden, die spezielle Wuchsfaktoren (X = Hämin, V = Nikotinamid-adenin-dinucleotid) enthalten. Wachstum auch auf Blutagar in der Nähe von Staphylococcus aureus-Kolonien (Ammen- oder Satel288
Antigennachweis. Nachweis der Kapselsubstanz des Typs b durch Latexagglutination im
Liquor bei Meningitis.
Biochemische Differenzierung. Auf Haemophilus verdächtige Kolonien (Ammenkultur oder
die nicht so typische Koloniemorphologie)
müssen differenziert werden. Die normale Oropharyngealflora birgt verschiedene Haemophilusarten, regelmäßig H. parainfluenzae und oft
H. haemolyticus, H. parahaemolyticus, H.
aphrophilus sowie H. paraphrophilus. Geprüft
wird die Abhängigkeit von X- und V-Faktor (für
X-Faktor auch Porphyrintest), Haemolyse, Indolbildung, Urease und Ornithindecarboxylase.
H. influenzae benötigt sowohl den X- als auch
den V-Faktor (Testung mittels supplementierter Blättchen oder Bouillon). Mittlerweile kann
die Identifizierung von H. influenzae Kulturisolaten auch mittels DNA-Hybridisierung erfolgen (z.B. Gen-Probe, San Diego, Kalifornien).
Serologische Differenzierung. Kapseltragende
H. influenzae lassen sich in 6 Typen (a-f) gliedern. Stämme des Typs b verursachen die
schweren Infektionen im Kindesalter, die anderen Typen sind pathogenetisch unauffällig. Die
Typen lassen sich durch Latexagglutination, direkte Immunfluoreszenz und andere immunologische Methoden bestimmen.
Antikörperbestimmung. Für die Dokumentation einer ausreichenden Antikörperantwort
nach Impfung mit H. influenzae Typ b kommen
Radioimmun- und Enzymimmunassays zum
Einsatz.
Therapie
Klassische Therapie mit Aminopenicillinen
(Ampicillin, Amoxycillin). Schwere Infektionen
wegen des Risikos der Ampicillinresistenz parenteral mit Cefotaxim und Analogen.
Leichtere Infektionen mit Oralcephalosporinen
oder Aminopenicillin mit Betalaktamase-Inhibitor.
Ampicillinresistenz durch Plasmid-kodierte Betalaktamase, in Mittel- und Nordeuropa 10%,
Haemophilus influenzae
USA, Spanien, Italien bis 50%; dabei oft Multiresistenz (Chloramphenicol, Tetrazykline,
Cotrimoxazol).
Nucleotiden, 6188 Proteinen und 18 Strukturen
bekannt (Stand Mai 2001)
Spezifische Merkmale
Aktive Impfung mit Konjugatimpfstoff, empfohlen für Kinder bis zum 6. Lebensjahr, und bei
funktioneller oder anatomischer Asplenie, gute
Schutzwirkung, deutlicher Rückgang der Infektionen durch den Typ b !
Chemoprophylaxe bei Meningitis oder Epiglottitis für Kontaktpersonen mit Rifampicin oral
(über 4 Tage).
Prävention
Pathogenität Virulenz und Antigenvariabilität
Kapselsubstanz (Polyribitolphosphat) des Typs
b als wichtiger Virulenzfaktor fördert die Invasion und blockiert die Phagozytose; daneben
Neuraminidase, Endopeptidase, Glykopeptid,
Lipopolysaccharid, Endotoxin. Durch Zilien
(Pili) und Adhesine mit hohem Molekulargewicht (HMW1,2) Adhärenz am oropharyngealen und tracheobronchialen Epithel. Häufig endogene Infektionen.
Transmission
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
H
Nicht bekannt.
Meldepflicht
Übertragung durch Kontakt- und Tröpfcheninfektion, begünstigt durch enge Lebensverhältnisse. Hohes Übertragungsrisiko bei Kindern.
Namentlich nach § 7 Abs.1 nur für den direkten
Nachweis aus Liquor oder Blut (durch das Labor).
Vermehrung und Inkubationszeit
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Nicht genau bekannt, zumeist nur wenige Tage.
Resistenz
Sehr empfindlich gegen Umwelteinflüsse.
Immunantwort
Immunität (gegen Typ b) nach Impfung unbekannter Dauer, gute Schutzwirkung bei Kindern.
Wirtsbereich
Nur beim Menschen, vorwiegend Nasopharynx,
seltener Mundhöhle, Genitalschleimhaut (H. influenzae Biotyp IV). Keimträger häufig unter
Kindern und Erwachsenen.
Risikogruppen
Kleinkinder bis zum 2. Lebensjahr, Patienten
mit Virusinfektionen der Atemwege und Defekten der mukoziliären Clearance.
Epidemiologie
Häufungen in Kinderheimen und Krankenhäusern, Epidemien nicht bekannt.
Genetik
Seit 1995 gesamtes Chromosom sequenziert!
(Accession-No. NC_000907) Sequenz von 889
◗ Isolate aus invasiven Infektionen an das Nationale Referenzzentrum für Streptokokken,
Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen, 52057
Aachen
◗ Kapseltypisierung im Labor Prof. Schmitt
(Pädiatrische Infektiologie) Universität Kiel
möglich
◗ http://www.bact.wisc.edu/Bact330/
lectureHflu: University of Wisconsin-Madison: Bacteriology 330 Lecture Topics: Haemophilus influenzae von Kenneth Todar.
Schlüsselliteratur
1. Kilian, M. (Hrsg.) Haemophilus, Pasteurella und
Actinobacillus. Academic Press London, 1981
2. Frederiksen WM. Ecology and significance of
Pasteurellaceae in man – an update, Zbl Bakt 279:27–34,
1993
3. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie
(DGPI): Infektionen bei Kindern und Jugendlichen, 2.
Aufl., Futuramed-Verlag, München, 2000,
4. Gilsdorf, JR et al. Role of pili in Haemophilus influenzae
adherence and colonization, Infect. Immun. 65 (8): 2997–
3002, 1997
5. Peltola H. Worldwide Haemophilus influenzae type b
disease at the beginning of the 21st century: Global analysis
of the disease burden 25 years after the use of the
polysaccharide vaccine and a decade after the advent of
conjugates, Clin Microbiol Rev 13 (2): 302–17, 2000
289
Haemophilus vaginalis
Haemophilus vaginalis
Gardnerella vaginalis
◗ Nitratreduktion
◗ Lysindecarboxylase positiv
◗ Ornithindecarboxylase positiv
Serologische Differenzierung. Es wurden 68 Ound 64 H-Antigentypen nachgewiesen.
Hafnia
Phagentypisierung. (Speziallaboratorien)
Erregerbezeichnung
Hafnia alvei
Therapie
Siehe Enterobacter
Synonym
Keine Daten verfügbar.
Spezifische Merkmale
Morphologie
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Gramnegative Stäbchenbakterien mit einem
Durchmesser von 1 µm und einer Länge von 2–
5 µm. Beweglich durch peritriche Begeißelung.
Endotoxin.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit Schmierinfektion.
Taxonomie
Familie:
Gattung:
Transmission
Enterobacteriaceae
Hafnia
Vermehrung und Inkubationszeit
Keine Daten verfügbar.
Historie
Hafnia ist die alte Bezeichnung für den Namen
von Kopenhagen.
Resistenz
Erkrankungen/Symptome
Immunantwort
Erkrankungen durch Hafnia alvei sind selten.
Es lassen sich lokalisierte und generalisierte
Krankheitsbilder unterscheiden.
Wirtsbereich
Lokalisierte Prozesse. Postoperative Wundheilungsstörungen, Pneumonien, Abszesse, Harnwegsinfektionen
Keine Daten verfügbar.
Keine Daten verfügbar.
Hafnia alvei kommt im Darm von Menschen,
Tieren und Vögeln vor, aber auch in Wasser,
Abwasser, Mist sowie im Erdreich.
Risikogruppen
Generalisierte Prozesse. Durch Übertritt in die
Blutbahn kann es zur Sepsis kommen.
Risikogruppen für Hafnia-alvei-Infektionen
sind immunsupprimierte und abwehrgeschwächte Patienten.
Differenzialdiagnose
Keine Daten verfügbar.
Epidemiologie
Labordiagnostik
Durch Hafnia alvei bedingte Erkrankungen
sind sehr selten und werden allenfalls im Hospital als krankenhauserworbene Infektionen registriert.
Kulturelle Anzüchtung. Siehe Escherichia
coli
Biochemische Differenzierung.
◗ Enzymatische Spaltung von Glukose
◗ Die meisten Stämme können Citrat, Acetat
und Malonat als einzige Kohlenstoffquelle
verwerten
290
Genetik
Keine Daten verfügbar.
Prävention
Siehe Escherichia coli.
Hakenwürmer
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Tierische Hakenwürmer. Beim Menschen treten nur wandernde Larven auf.
Keine Daten verfügbar.
Taxonomie
Meldepflicht
§ 23 IfSG Abs. 1: Multiresistenz ist zu dokumentieren.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
http://www.cdc.gov/
Schlüsselliteratur
1. Blaser, M.J., Ph.D. Smith, J.I. Ravdin, H.B. Greenberg, R.L.
Guerrant (Eds.) Infections of the Gastrointestinal Tract,
Raven Press New York, 1995
2. Hahn, H., D. Falke, S.H.E. Kaufmann, U. Ullmann (Hrsg.)
Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. 4. Auflage,
Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Barcelona,
Hongkong, London, Mailand, Paris, Singapur, Tokyo, 2001
3. Kist, M., J. Bockemühl, S. Aleksic, M. Altwegg, I.B.
Autenrieth, W. Bär, L. Beutin, B. Gerten, E. Heintschel von
Heinegg, H. Karch, A. Lehmacher, F. Mehnert, U.
Sonnenborn, H. Tschäpe, Chr. V. Eichel-Streiber:
Infektionen des Darmes: MiQ 9, Urban und Fischer,
München, Jena, 2000
4. Konemann, E.W., H.D. Allen, W.M. Janda, P.C.
Schreckenberger, W.C. Winn (Eds.) Diagnostic
Microbiology, 5th Ed., Lippincott, Philadelphia, New York,
1997
5. Mandell, G.L., J.E. Bennett, R. Dolin (Eds.) Mandell,
Douglas, and Bennett’s Principles and Practice of
Infectious Diseases. 5th Ed. Churchill-Livingstone,
Philadelphia, London, Toronto, Montreal, Sydney, Tokyo,
Edinburgh, 2000
Hakenwürmer
Erregerbezeichnung
Ancylostoma duodenale, Necator americanus,
A. braziliense, A. caninum u.a
Synonym
Grubenwurm, Todeswurm
Morphologie
Rötlich gefärbte Fadenwürmer mit Zähnen (Ancylostoma) oder Schneideplatten (Necator) in
der Mundkapsel; Größe der Männchen von A.
duodenale 10×0,45 mm von N. americanus
7×0,3 mm mit einer Bursa copulatrix am Hinterende; Größe der Weibchen von A. duodenale
12×0,6 mm, von N. americanus 10×0,35 mm.
Klasse:
Nematoda
Ordnung: Strongylida
Familie: Ancylostomatidae
Historie
Hinweise auf A. duodenale bereits im Papyrus
Ebers (1600 v. Chr.), später durch Avicenna
(980–1037) erwähnt, jedoch genaue Beschreibung erst durch Dubini (1843). Nachweis der
Eiauscheidung mit dem Stuhl 1878 durch Grassi
und Parona, Darstellung der filariformen Larven 1880 durch Perroncito, Aufklärung des vollständigen Entwicklungszyklus 1896/97 durch A.
Looss. Wesentliche klinische und epidemiologische Erkenntnisse während des Baues des St.
Gotthard-Tunnels (1879/80). Erst 1902 Beschreibung von N. americanus als zweite Hakenwurmart des Menschen durch Stiles.
Erkrankungen/Symptome
Pathogenese. Maßgebend für das Entstehen einer Erkrankung ist die Befallsstärke. Bei Massenbefall und bestehender Sensibilisierung werden durch eindringende Parasiten kutane entzündliche Infiltrationen verursacht. Die durch
wandernde Larven verursachte pulmonale Phase ist durch granulomatöse und allergisch-infiltrative Reaktionen mit resultierenden passageren Pneumonien gekennzeichnet. Das wesentliche pathogene Agens stellen die Adultwürmer
dar, die durch Abbeißen von Darmzotten
Schleimhauterosionen, v.a. aber Blutungen verursachen; je nach Spezies kommt es dabei zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Eisenmangel-Anämie und Hypalbuminämie (intestinale
Phase). A. duodenale verursacht einen Blutverlust von ca. 0,1–0,5 ml pro Tag, bei N. americanus sind die Schädigungen wesentlich (ca.
10fach) geringer. Bei Befall des Menschen mit
Larven tierischer Hakenwürmer (v.a. von Hund
und Katze) kommt es zum sog. Hautmaulwurf
(creeping eruption, Larva migrans cutanea); das
Krankheitsbild ist charakterisiert durch entzündliche Reaktionen im Korium, die im Gefolge der im basalen Epithel minierenden Larve
auftreten. Makroskopisch stellt sich der Wanderweg als serpiginöser, erhabener, roter Streifen in der Haut dar, der täglich einige mm an
291
H
Hakenwürmer
Länge zunimmt (Lebensdauer der Larve ca. 10
Tage). Beim Verschlucken infektiöser Larven
sind auch Wanderungen in inneren Organen
möglich.
Symptomatik. Akute Erscheinungen können
bei Massenbefall und/oder bei sensibilisierten
Personen in Form juckender erythematöser
oder papulöser Hautveränderungen auftreten,
die durch wandernde humane oder tierische
Hakenwurmlarven verursacht werden; die pulmonale Phase kann sich in Form von Dyspnoe,
Husten und anderen pneumonischen Symptomen äußern. Die intestinale Phase geht mit uncharakteristischen
gastrointestinalen
Beschwerden wie Oberbauchschmerzen, Inappetenz, Völlegefühl, Meteorismus, Flatulenz, Obstipation oder Diarrhö einher. Chronische
Erscheinungen in Form von Anämie-bedingter
Blässe, Müdigkeit, Leistungsschwäche und
Symptome einer Mehrbelastung des Herzens
finden sich bei stärkerem Befall; speziell bei
schlechten Ernährungsbedingungen kommt es
durch den chronischen Eiweißverlust zu einer
Kwashiorkor-artigen Symptomatik mit Ödemen und Depigmentierungen von Haut und
Haaren, im Kindesalter mit Wachstums- und
Entwicklungsstörungen einhergehend.
verfahrens (z.B. SAF-Methode). Hakenwurmeier sind oval, transparent und dünnschalig mit
Abmessungen von 60×40 µm. Sie erlauben keine Differenzialdiagnose zwischen A. duodenale
und N. americanus. Eine Speziesdifferenzierung
ist jedoch anhand von L3-Larven in Kotkulturen
möglich.
Therapie
Eine ätiologische Therapie in der migratorischen Phase existiert nicht, zur Behandlung der
Adulten beider Hakenwurmarten eignen sich in
erster Linie Benzimidazolcarbamate (z.B. Mebendazol 2×100mg/d für 3 Tage; Albendazol
1×400mg). Vor allem bei N. americanus ist auch
Pyrantelembonat wirksam (10mg/kg KG/d für 4
Tage). Die Behandlung der Larva migrans cutanea erfolgt durch lokale Anwendung von Benzimidazolen oder Ivermectin.
Spezifische Merkmale
Transmission
Die Infektion erfolgt in erster Linie durch aktives Eindringen der Larven in die intakte Haut,
aber auch orale Infektionen durch Aufnahme filariformer Larven sind möglich.
Vermehrung und Inkubationszeit
Differenzialdiagnose
Ein eosinophiles Lungensyndrom kann auch
durch die Larven von Strongyloides stercoralis
und Ascaris lumbricoides verursacht werden.
Der intestinale Hakenwurmbefall ist von anderen intestinalen Helminthosen sowie Protozoonosen abzugrenzen; ähnliche Symptome können auch durch chronische bakterielle Enteritiden wie z. B. Yersiniosen ggf. auch durch
Magen-Darm-Ulzera hervorgerufen werden.
Hypalbuminämien und Ödeme sind gerade in
Entwicklungsländern oft eine Folge von Kwashiorkor und/oder nephrotischem Syndrom,
letzteres oft auf der Basis einer urogenitalen Bilharziose.
Ein Larva migrans cutanea-Syndrom kann auch
durch Strongyloides-Arten verursacht werden.
Labordiagnostik
Der Nachweis einer Hakenwurminfektion erfolgt am effektivsten durch mikroskopische
Stuhluntersuchung auf die charakteristischen
Eier unter Verwendung eines Anreicherungs292
Die Adultwürmer leben im Dünndarm, wo sie
sich von Darmzotten ernähren. Ihre Lebensdauer beträgt 4–5 Jahre. Hakenwürmer entwickeln
sich ohne Einschaltung eines Zwischenwirts: Eiablage durch die Weibchen (pro Tag ca. 28.000
Eier bei A. duodenale, 10.000 bei N. americanus). → Ausscheidung der Eier mit dem Stuhl
→ Schlüpfen der Erst-Larve nach ca. 48 h →
Heranwachsen unter zwei Häutungen zur Infektionslarve (L3) innerhalb von 5–8 Tagen →
perkutanes Eindringen bei Kontakt mit der
menschlichen Haut → über Kapillaren Erreichen des venösen Blutstroms und Wanderung
über Herz und Lunge → Eindringen in die Alveolen und Wanderung über Bronchialbaum in
den Rachen → Abschlucken, Besiedlung des
Dünndarms und Heranwachsen zum Adultwurm. Die Gesamtentwicklung vom Ei bis zum
Adultwurm (Präpatenz) beläuft sich auf 5–6
Wochen. Eine Inkubationszeit lässt sich nicht
präzise definieren, da das Entstehen von Krankheitserscheinungen von der Zahl der in der Regel akkumulativ eingedrungenen bzw. aufge-
Hakenwürmer
nommenen Larven und der Dauer der Infektion
abhängt.
auf nacktem Boden in Endemiegebieten zu vermeiden.
Immunantwort
Meldepflicht
In der Regel hat die durch Hakenwürmer hervorgerufene Immunantwort keine protektive
Wirkung. Beobachtungen bei Erwachsenen
über eine Abnahme der Befallsstärke trotz kontinuierlicher Transmission lassen jedoch auf die
Entwicklung einer Teilimmunität schließen.
Nach Infektionsschutzgesetz (Juli 2000) ist bei
einer Hakenwurminfektion weder die Erkrankung noch der Erregernachweis meldepflichtig.
Wirtsbereich
A. duodenale und N. americanus sind spezifische Humanparasiten und können sich nur im
Menschen entwickeln. Die beim Menschen lediglich als Wanderlarven auftretenden Hakenwurmarten der Säugetiere haben in Caniden
und Feliden ihre eigentlichen Wirte, der
Mensch ist für sie Fehlwirt.
Risikogruppen
In Endemiegebieten ist generell die arme Bevölkerung ländlicher Bereiche (Barfußgehen!) exponiert, unter dieser speziell Kinder.
In den gemäßigten Breiten gilt die Hakenwurminfektion in Bergwerken als Berufskrankheit
(Grubenwurm). Sie kommt in Deutschland jedoch nicht mehr autochthon vor.
Epidemiologie
Die Verbreitung von A. duodenale und N. americanus ist primär auf Tropen und Subtropen
beschränkt, A. duodenale wurde jedoch in Mitteleuropa auch in Bergwerken und Ziegeleien
sowie bei Tunnelbauten eingeschleppt. Während N. americanus ursprünglich in den inneren Tropen und A. duodenale in den Subtropen
vorkamen, finden sich beide Arten heute vielfach nebeneinander im gleichen Gebiet. Weltweit rechnet man mit ca. 900 Mio. infizierter
Menschen, wobei die Prävalenz lokal bis zu 90%
betragen kann. Begünstigend sind feuchte,
schattige, warme Plätze mit sandigem Untergrund; auslösend wirken primitive hygienische
Verhältnisse, bei denen die Faeces wahllos im
Freien abgesetzt werden.
Prävention
Die Prävention besteht generell in der hygienische Entsorgung menschlicher Fäkalien in Gruben bzw. in dem Verbot einer Verwendung als
Dünger. Individuell ist Barfußgehen und Sitzen
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Offizielle Referenzzentren existieren nicht; als
fachlich qualifiziert anzusehen sind sämtliche
parasitologische und tropenmedizinische Institutionen.
Expertenlaboratorien
◗ Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin, Leopoldstr. 5, 80802 München
◗ Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin,
Bernhard-Nocht-Str. 74, 20359 Hamburg
◗ Hygiene-Institut, Abteilung Parasitologie, Im
Neuenheimer Feld 324, 69120 Heidelberg
◗ Hygiene-Institut, Abteilung Tropenmedizin,
Im Neuenheimer Feld 324, 69120 Heidelberg
◗ Institut für Medizinische Parasitologie, Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn
◗ Institut für Parasitologie, Rudolf-BuchheimStr. 2, 35392 Gießen
◗ Institut für Parasitologie, Bünteweg 17, 30559
Hannover
◗ Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin, Königsweg 65, 14163 Berlin
◗ Institut für vergleichende Tropenmedizin
und Parasitologie, Leopoldstr. 5, 80802 München
◗ Institut für Tropenmedizin, Wilhelmstr. 31,
72074 Tübingen
◗ Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Wiederholdstr. 15, 70174 Stuttgart
◗ Landesinstitut für Tropenmedizin, Engeldamm 62/64, 10179 Berlin
Web-Adressen
Deutsche Gesellschaft für Parasitologie:
http://www.dgp.parasitologie.de
Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft:
http://www.dvg.net u.a. Infos zur Fachgruppe
„Parasitologie und parasitäre Krankheiten“
Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und
Internationale Gesundheit:
http://www.dtg.mwn.de
293
H
Hantaan Virus
British Society for Parasitology:
http://www.abdn.ac.uk/bsp/
American Society of Parasitologists:
http://www.museum.unl.edu/asp
Universität Berlin: Lehrstuhl für molekulare Parasitologie:
http://www.biologie.hu-berlin.de/molpara
CDC-Center for Disease Control and Prevention: http://www.cdc.gov/
WHO-World Health Organization:
http://www.who.int/
Schlüsselliteratur
1. Beaver PC,. Jung RC,. Cupp EW (1984) Clinical
Parasitology. 9th edition. Lea & Febiger, Philadelphia 1984.
2. Gilles HM, Ball PAJ (eds) (1991) Hookworm infections.
Human Parasitic Diseases Vol.4. Elsevier, Amsterdam et
al.
3 Janitschke K, Kimmig P, Seitz HM, Frosch M, Groß U,
Hlobil H, Reiter-Owona I (1998) MIQ, Qualitätsstandards
in der mikrobiologisch-infektiologischen Diagnostik. 4,
Parasitosen. Gustav Fischer 1998.
4. Lang W, Löscher T, Hrsg. (2000): Tropenmedizin in Klinik
und Praxis. 3. Aufl. Georg Thieme Verlag Stuttgart
5. Schad GA, Warren KS (eds) 1990) Hookworm disease:
current status and new directions. Taylor & Francis,
London etc.
Hantaan Virus
Hantaviren
Hantaviren
Erregerbezeichnung
Hantavirus
Synonym
Keine Angaben.
Morphologie
Es handelt sich um sphärische, behüllte Virionen mit einem Durchmesser von ca. 90–100 nm.
Die Viruspartikel enthalten drei separate Nukleokapside, die aus dem viralen Nukleokapsidprotein, jeweils einem der drei Segmente des
RNA-Genoms sowie einer RNA-Polymerase bestehen. In die Hülle sind zwei Glykoproteine
(G1, G2) integriert, die typspezifische antigene
Determinanten tragen (vgl. auch Bunyaviridae).
294
Taxonomie
Familie Bunyaviridae, Genus Hantavirus. Unterhalb der Genusebene werden die bisher bekannten Isolate bzw. die mit Hilfe der Polymerasekettenreaktion (PCR) nachgewiesenen viralen Genome oder Genomfragmente aufgrund
des Verwandtschaftsgrades ihrer Nukleinsäurebzw. der daraus abgeleiteten Aminosäuresequenzen in mindestens 14 verschiedene genetische
Gruppen
(Genotypen)
eingeteilt
(Tabelle 1), die mit den immunologisch definierten Serotypen korrespondieren und mit jeweils spezifischen Nagerspezies als Reservoiren
assoziiert sind. Innerhalb der genetischen
Gruppen wurden wiederum verschiedene Subtypen höheren Homologiegrades beschrieben,
die zum Teil ebenfalls mit einem bestimmten
Reservoirwirt oder aber einer besonderen
Krankheitsausprägung beim Menschen assoziiert sind.
Historie
Während des Koreakrieges erkrankten über
3000 amerikanische und koreanische Soldaten
an einem Krankheitsbild mit hoher Letalität,
das als Koreanisches Hämorrhagisches Fieber
bezeichnet wurde. Erst 1978 gelang es dem Virologen Ho Wang Lee, das ätiologisch verantwortliche Virus aus dem Lungengewebe der Brandmaus Apodemus agrarius zu isolieren. Es wurde
nach dem Grenzfluss zwischen Nord- und Südkorea als Hantaan Virus bezeichnet. Durch die
Adaptation des Virus an Vero-E6-Zellen wurden die Voraussetzungen für die Viruscharakterisierung geschaffen. Das Hantaan Virus wurde
dem neugeschaffenen Genus Hantavirus in der
Familie Bunyaviridae zugeordnet. Mit Hilfe
seroepidemiologischer Studien wurde nachgewiesen, dass auch die in Nordeuropa bereits Anfang des Jahrhunderts beschriebene Nephropathia epidemica durch Hantaviren hervorgerufen wird. Während des Zweiten Weltkriegs waren Tausende deutscher Soldaten in Finnland
daran erkrankt. Analysen historischer Fallberichte machen es wahrscheinlich, dass es sich
auch bei der im ersten Weltkrieg beschriebenen
Feldnephritis (auch Kriegsnephritis) um eine
Infektion durch Hantaviren gehandelt hat.
Erkrankungen/Symptome
Die durch die Serotypen Hantaan, Seoul, Puumala und Dobrava hervorgerufenen Krank-
Hantaviren
heitsbilder fasst man unter dem Begriff „Hämorrhagisches Fieber mit Renalem Syndrom
(HFRS)“ zusammen. Der Serotyp Puumala ist
der Erreger der auch als Nephropathia epidemica bezeichneten, meist mild verlaufenden
HFRS-Variante. Im Mai 1993 wurde eine neue
Manifestationsform der Hantavirus-Infektion,
das Hantavirus-Lungensyndrom, in den Vereinigten Staaten beschrieben. Einige HantavirusSerotypen wurden bisher nicht mit Erkrankungen beim Menschen in Verbindung gebracht
(Tabelle 1). Nach einer Inkubationszeit von 5–35
Tagen beginnen die klinischen Manifestationen
des HFRS meist abrupt mit hohem Fieber, das
über drei bis vier Tage anhält. Unspezifische
Allgemeinsymptome wie Schüttelfrost, Photophobie, Pharynxerythem, Husten und Konjunktivitis stehen zunächst im Vordergrund. Nach
3–6 Tagen haben die meisten Patienten ausgeprägte Lumbalgien, die auch unilateral auftreten und urologische Schmerzursachen vortäuschen können. Gelegentlich treten abdominale
Schmerzen, Nausea und Erbrechen auf. Bereits
während der Fieberphase beginnt der Anstieg
der Retentionswerte. Ca. 4–10 Tage nach Fieberbeginn erreichen sie ihr Maximum, während die
unspezifischen Allgemeinsymptome bereits
wieder abgeklungen sind. Im Vordergrund der
Symptomatik stehen jetzt die renalen Manifestationen. Typisch ist eine Oligurie, die sich bis
zur dialysepflichtigen Niereninsuffizienz entwickeln kann. Die beim schweren HFRS im Anschluss an die Fieberphase meist auftretende
hypotensive oder Schockphase fehlt in der Regel
bei der Infektion durch den Serotyp Puumala.
Eine polyurische Phase leitet schließlich die Rekonvaleszenz ein.
Das durch Viren des Hantaan-Serotyps verursachte Erkrankungsbild, das in Südostasien als
Koreanisches Hämorrhagisches Fieber bezeichnet wird, verläuft schwer. Ausgeprägte hämorrhagische Komplikationen, die letztlich die Prognose bestimmen, sind ebenso häufig (80% der
Fälle) wie eine Beteiligung des ZNS. Die Letalität
beträgt ca. 4–6%. Das durch den Serotyp Puumala hervorgerufene Krankheitsbild unterscheidet sich vom Koreanischen Hämorrhagischen Fieber durch seinen milderen Verlauf.
Ausgeprägte Blutungskomplikationen sind selten. Die Letalität beträgt unter 1%. Nur ca. 5–
10% der Infektionen werden klinisch manifest.
Allerdings werden auch bei der Puumala-Virus-
Infektion schwere Verläufe beschrieben. Auf die
Möglichkeit schwerer Lungensyndrom-ähnlicher Krankheitsbilder durch Infektionen mit
diesem Serotyp wurde anhand von Kasuistiken
aus Deutschland hingewiesen.
Nahezu alle Patienten weisen einen Kreatininanstieg auf, bei ca. der Hälfte erreicht er Werte
über 6mg/dl. Fast immer ist auch eine Proteinurie vorhanden. Eine Thrombopenie lässt sich
bei 50% der in Deutschland erkrankten Patienten nachweisen, nur in 19% der Fälle erreicht sie
jedoch Werte unter 50.000/mm3. Bei ca. 80%
der Patienten wird eine für Virusinfektionen
ungewöhnliche Leukozytose beobachtet. In einem Teil der Fälle weist eine Transaminasenerhöhung auf die bestehende Begleithepatitis hin.
Prädilektionsalter des HFRS ist das 20. bis 40.
Lebensjahr. Männer erkranken häufiger als
Frauen. Nur selten werden Erkrankungen bei
Kindern beobachtet.
Beim Hantavirus-Lungensyndrom dauert die
Prodromalphase nur 2–3 Tage. Danach entwickelt sich ein rasch fortschreitendes interstitielles Lungenödem, das innerhalb von Stunden in
eine akute respiratorische Insuffizienz übergehen kann. Während der Prodromalphase zeigen
die Patienten nur unspezifische Symptome. Fieber und Myalgien stehen dabei im Vordergrund. Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
und Diarrhöen können auftreten. Bei fast allen
Patienten findet man eine typische Trias, bestehend aus einer Leukozytose (20.000–30.000/
mm3) mit einer für virale Infektionen ungewöhnlichen Linksverschiebung, dem Auftreten
atypischer blastenähnlicher Lymphozyten im
Blutbild sowie einer Thrombopenie. Bei den am
Hantavirus-Lungensyndrom erkrankten Patienten tritt keine Nierenbeteiligung auf. Ebenso
gibt es im Gegensatz zur Puumala-Infektion
keinen Anhalt für asymptomatische oder blande Verläufe. Die Letalität des Hantavirus-Lungensyndroms beträgt 40–50%.
Differenzialdiagnose
Das HFRS ist bei renaler Symptomatik differenzialdiagnostisch gegen nichtinfektiöse Nephritiden und Glomerulonephritiden abzugrenzen,
bei hämorrhagischen Manifestationen gegen
andere virale hämorrhagische Fieber (Expositionsanamnese), die Leptospirose und Rickettsiosen. Liegen nur unspezifische Symptome vor,
ergibt sich eine breite Palette möglicher Diffe295
H
Hantaviren
Tabelle 1
Spezies des Genus Hantavirus
Genotyp/Serotyp/
Spezies
Klinische Manifestation
Hantaan
Hauptreservoir
HFRS, Koreanisches Hämor- Apodemus agrarius (Brandrhagisches Fieber (KHF)
maus), Apodemus flavicollis
(Gelbhalsmaus)
Puumala
HFRS, Nephropathia epide- Clethrionomys glareolus
mica
(Rötelmaus)
Seoul
HFRS, KHF, mildere Verlaufs- Rattus norvegicus (Wanderform
ratte), Rattus rattus (Hausratte)
Dobrava
HFRS, KHF-ähnliche
Apodemus flavicollis (Gelbschwere Verlaufsform
halsmaus)
Sin Nombre
Hantavirus-Lungensyndrom Peromyscus maniculatus
(Hirschmaus)
Bayou
Hantavirus-Lungensyndrom Oryzomys palustris (Reisratte)
Black Creek Canal
Hantavirus-Lungensyndrom Sigmodon hispidus (Baumwollratte)
New York
Hantavirus-Lungensyndrom Peromyscus leucopus
(Weißfußmaus)
Andes
Hantavirus-Lungensyndrom Oligorizomys longicaudatus
(langschwänzige Zwergreisratte)
Hantaviren ohne beschriebene Humanpathogenität (Auszug)
Prospect Hill
keine
Microtus pennsylvanicus
(Wiesenmaus)
Thailand
keine
Bandicota indica
Tula
keine
Microtus arvalis (Feldmaus)
Khabarovsk
keine
Microtus fortis
El Moro Canyon
keine
Reithrodontomys megalotis
(Westl. Erntemaus)
renzialdiagnosen. Bei jungen Männern, die abrupt an Fieber erkranken und im Verlauf einen
Kreatininanstieg entwickeln, sollte immer an
die Möglichkeit eines HFRS gedacht werden.
Labordiagnostik
Die Diagnose der Hantavirus-Infektion wird
durch den spezifischen Antikörpernachweis gestellt.
Indirekter Immunfluoreszenztest (IFT). Virusinfizierte Vero-E6-Zellen dienen als Antigen.
Der Test ist geeignet zum Nachweis von IgGund IgM-Antikörpern. Der IgM-IFT besitzt im
Vergleich zum ELISA eine etwas geringere Sen296
Verbreitungsgebiet
Südostasien, Südosteuropa
Mittel- u. Nordeuropa
weltweit
Südosteuropa, Balkan
USA (mit Ausnahme der
Ostküste)
USA, Ostküste
USA, Südosten, Florida
Kanada, USA (Ostküste)
Argentinien, Chile
USA
Südostasien
Osteuropa
Russland
USA, Mexiko
sitivität und wird rascher wieder negativ. Der
IgG-IFT eignet sich auch zur Bestätigung positiver ELISA-Ergebnisse.
Enzymimmuntests (ELISA). Beschrieben wurden IgG- und IgM-ELISAs im Format klassischer indirekter Tests mit viralen Antigenen
oder gentechnisch hergestelltem Nukleokapsidprotein an der Festphase. Ein hochempfindlicher IgM-Nachweis gelingt mit Hilfe des µ-capture-ELISA, bei dem ebenfalls native oder gentechnisch hergestellte Hantavirus-Antigene verwendet werden können. Bereits in der frühesten
Krankheitsphase reagieren die meisten Patientenseren positiv. Maximale Extinktionen werden zwischen dem 8. und 25. Tag erreicht. Nach
Hantaviren
2–3 Monaten sind bei der Mehrzahl der Patienten keine IgM-Antikörper mehr nachweisbar.
Immunblot. Mit dem Test können Antikörper
gegen die Hantavirus-Strukturproteine, hauptsächlich gegen das Nukleokapsidprotein, nachgewiesen werden. Im Zweifelsfall kann der Immunblot als Bestätigungstest eingesetzt werden.
FRNT. Beim Focusreduktionsneutralisationstest (FRNT) wird eine standardisierte Virusmenge mit dem zu untersuchenden Serum inkubiert und nach Verimpfung auf Zellkulturen
die Reduktion von Foci infizierter Zellen im
Vergleich zum unbehandelten Virus gemessen.
Zum Nachweis der infizierten Zellen werden
Immunfärbungen mit monoklonalen Antikörpern eingesetzt. Die Methode ist genotypspezifisch.
PCR. Bei der Hantavirus-Infektion kommt es in
der Initialphase der Erkrankung zu einer kurzdauernden Virämie, deren Ausmaß mit der Prognose der Erkrankung korreliert. Die bisher
vorliegenden Studien zeigen, dass die Sensitivität der RT-PCR aus Serum offenbar abhängig ist
vom infizierenden Genotyp und somit vom
Krankheitsbild. Die Sensitivität wird zwischen
40 und 90% angegeben und ist bei Patienten mit
Koreanischem Hämorrhagischen Fieber am
höchsten. Für diagnostische Zwecke ist die RTPCR damit kaum geeignet.
Therapie
Das HFRS wird in erster Linie symptomatisch
behandelt. Bei schweren HFRS-Fällen erwies
sich die frühzeitige antivirale Chemotherapie
mit Ribavirin als erfolgreich, für das Hantavirus-Lungensyndrom fehlt bisher der Nachweis
der Wirksamkeit.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Die Vielfalt der genetischen Gruppen und ihre
Wirtsspezifität wird auf eine Koevolution der
Hantaviren und ihrer Nagerwirte zurückgeführt. Mit den Microtinae (in der angloamerikanischen Literatur findet sich oft auch die taxonomische Bezeichnung „Arvicolinae“) sind die
Serotypen Tula, Prospect Hill, Khabarovsk und
Puumala assoziiert, mit den Murinae die Serotypen Dobrava, Hantaan, Seoul und Thailand,
während die Hantavirus-Lungensyndrom-assoziierten Genotypen mit dem Prototyp-Virus Sin
Nombre in den Mäusearten der neuen Welt vorkommen, die den Cricetinae (angloamerikan.
Literatur oft auch „Sigmodontinae“) zuzurechnen sind. Nicht alle Hantavirus-Genotypen sind
für den Menschen virulent (siehe Tabelle 1).
Die Pathogenese der Hantavirus-Infektion ist
nur wenig erforscht. Bei der natürlichen Infektion weisen Hantaviren eine Organaffinität zur
Lunge und Niere auf. Hantavirus-Antigen lässt
sich in den Kapillarendothelien nachweisen. Die
vaskuläre Dysfunktion stellt somit das zentrale
pathophysiologische Geschehen dar. Auf zellulärer Ebene kommt es durch die Infektion nicht
zur Lyse. Daher sind die pathologischen Veränderungen wahrscheinlich immunvermittelt.
Transmission
Hantaviren induzieren in den Nagerspezies persistierende Infektionen, wobei die Tiere selbst
nicht erkranken und die Erreger in Speichel,
Urin und Fäzes in großer Menge ausscheiden.
Die Übertragung auf den Menschen erfolgt
durch Aerosole, kontaminierten Staub, oder direkten Kontakt mit den Ausscheidungen der
Nager, wobei die Atemwege offenbar als Eintrittspforte fungieren. In proteinhaltigem Material getrocknet bleiben Hantaviren tagelang infektiös. Eine Übertragung von Mensch zu
Mensch kommt beim HFRS und beim nordamerikanischen Hantavirus-Lungensyndrom nicht
vor, wurde aber bei einem Ausbruch des Hantavirus-Lungensyndroms in Argentinien beschrieben.
Vermehrung und Inkubationszeit
Hantaviren lassen sich nur in wenigen Zelllinien
vermehren. Sie verursachen keine Zelllyse. Im
Wirtsorganismus findet die Virusvermehrung
vorwiegend in Lunge und Niere statt. Die Inkubationszeit bei der natürlichen Infektion beträgt
zwischen 5 und 35 Tagen.
Resistenz
Hantaviren sind in vitro gegenüber Ribavirin
empfindlich. Andere wirksame Virostatika sind
nicht bekannt.
297
H
Hantaviren
Immunantwort
HFRS-Patienten entwickeln schon sehr früh
nach Infektionsbeginn virusspezifische Antikörper vom IgM- und IgG-Typ, die hauptsächlich gegen das Nukleokapsidprotein gerichtet
sind. Die IgG-Antikörperantwort erreicht ihr
Maximum innerhalb einiger Wochen und persistiert über viele Jahre, wahrscheinlich sogar lebenslang. Ebenso setzt bereits früh die Antikörperbildung gegen das virale Glykoprotein G1
ein. Antikörper gegen das Hüllglykoprotein G2
werden hingegen erst in der Rekonvaleszenzphase nachweisbar. Neutralisationsrelevante
Epitope befinden sich auf den Glykoproteinen.
Zwischen den Serotypen bestehen ausgeprägte
Kreuzreaktionen. Die natürliche Infektion hinterlässt eine homologe (serotypspezifische) Immunität.
Wirtsbereich
Reservoirwirte sind verschiedene Nager, wobei
die Assoziation zwischen Virus und Wirtsspezies serotypspezifisch ist (Tabelle 1). Die Populationsdynamik unterliegt einer drei- bis vierjährigen Periodik, die mit Häufigkeitsgipfeln der
Hantavirus-Infektionen in diesem zeitlichen
Abstand einhergeht.
Risikogruppen
Ein erhöhtes Erkrankungsrisiko ergibt sich aus
vermehrter Exposition gegenüber den Reservoirwirten. Bei Waldarbeitern, Gestütsarbeitern
u.a. wurde eine Antikörperprävalenz von bis zu
26% gefunden. Bei Soldaten wurden immer wieder kleinere, in Kriegszeiten auch größere Ausbrüche von Hantavirus-Infektionen beschrieben. In Deutschland existieren Endemiegebiete
mit erhöhter Antikörperprävalenz in der Normalbevölkerung (Schwäbische Alb, Eifel, Unterfranken). Hantaviren werden überdies als potenziell Biowaffen-tauglich angesehen. Ihre
mögliche Verwendung im Rahmen bioterroristischer Aktionen muss in Betracht gezogen
werden.
Epidemiologie
Hantaviren sind weltweit verbreitet. Im gesamten südostasiatischen Raum sowie im östlichen
Russland und in Südeuropa, vornehmlich in
Griechenland, herrscht der Hantaan-Serotyp
vor. In Zentral- und Nordeuropa ist der Serotyp
Puumala endemisch. Sein Hauptreservoirwirt
298
ist die Rötelmaus (Clethrionomys glareolus).
Aber auch in anderen Nagerspezies wie Microtus-Arten, Mus musculus oder sogar Insektivora
wie Spitzmäusen wurden Viren des PuumalaTyps nachgewiesen. Der Serotyp Dobrava
kommt auf dem Balkan vor und koexistiert dort
mit dem Serotyp Puumala. Der Seoul-Serotyp
wurde weltweit in Rattenpopulationen nachgewiesen. Dieser Serotyp tritt darüber hinaus auch
als Erreger einer durch Laboratoriumstiere, insbesondere Ratten übertragenen Form des HFRS
auf. Hauptreservoirwirt des Sin Nombre Virus
ist Peromyscus maniculatus (Hirschmaus), die
mit Ausnahme der Ostküste nahezu auf dem gesamten Gebiet der Vereinigten Staaten vorkommt.
Weltweit beträgt die Inzidenz der HantavirusInfektionen bis zu 200.000 Fälle jährlich. Allein
in China werden pro Jahr bis zu 150.000 Fälle
beobachtet. Jeweils bis zu 2.000 Fälle treten
jährlich in Korea und anderen südostasiatischen Ländern auf, in Russland sind es über
10.000. Jeweils einige Hundert klinisch manifeste Erkrankungen können in Zentral- Nordund Südeuropa erwartet werden. Die durchschnittliche Antikörperprävalenz in Deutschland liegt nach Seroprävalenzstudien bei 1,7%
und reicht von 0,8% bis 3,1%. Jährlich werden in
Deutschland bis zu 200 HFRS-Fälle diagnostiziert. In den USA sind bis Dezember 2000 281
Fälle von Hantavirus-Lungensyndrom aufgetreten, in Südamerika wurden bisher weit über 400
Fälle aus Argentinien, Chile, Uruguay, Paraguay, Brasilien und Panama berichtet.
Genetik
Hantaviren besitzen wie alle Bunyaviren ein Minus-Einzelstrang-RNA-Genom, das aus drei
Segmenten besteht (L = Large, M = Middle,
S = Small). Das S-Segment kodiert für ein ca.
48 kDa großes Nukleokapsidprotein, das MSegment für die beiden Glykoproteine (ca.
64 kDa und 54 kDa). Das Genomprodukt des MSegments wird als Polyportein translatiert und
bei Membrandurchtritt in die einzelnen Strukturproteine prozessiert. Das L-Segment kodiert
für die virale Polymerase. Im Gegensatz zu den
anderen Genera der Familie Bunyaviridae ist bei
den Hantaviren keine „ambisense“-Kodierungsstrategie ( Bunyaviren) bekannt.
Die in Genbanken hinterlegten und veröffentlichten Nukleotid- und Aminosäuresequenzen
Helicobacter pylori
von Hantaviren sind auf folgender Internet-Seite abrufbar: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/
Haplorchis
Darmegel
Prävention
Ein Totimpfstoff aus inaktivierten Virionen gegen den Hantaan-Serotyp (Hantavax) sowie
Vaccinia-basierte Vakzinen wurden in klinischen Prüfungen erprobt. Sie induzierten bei ca.
75% der Impflinge neutralisierende Antikörper.
Die Immunantwort war allerdings nur kurzdauernd.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Das Risiko einer Hantavirus-Infektion, kann
nur durch Vermeidung der Exposition gegenüber den Reservoirwirten gemindert werden.
Nahrungsmittel sollten für Nager unzugänglich
aufbewahrt werden. Nager-infestierte Örtlichkeiten sollten vor Säuberung mit Desinfektionsmitteln behandelt werden.
Meldepflicht
Der Nachweis einer Hantavirus-Infektion ist
nach § 7 Abs.1 Infektionsschutzgesetz durch das
Labor namentlich zu melden.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
In Deutschland gibt es kein Referenzzentrum
für Hantaviren. Eine aktuelle Liste der diagnostischen Institute, die Hantavirus-Infektionen
nachweisen, gibt das Robert-Koch-Institut in
Berlin heraus.
Hartmanella
Acanthamoeba
HCoV-229E
Coronavirus, humanpathogenes
H
HCoV-OC43
Coronavirus, humanpathogenes
Helicobacter pylori
Erregerbezeichnung
Helicobacter pylori
Synonym
Vor 1989 Campylobacter pyloridis, Campylobacter pylori.
Morphologie
Spiralförmige oder einfach gebogene Stäbchen
mit 5–6 unipolar angeordneten und von einer
Membranhülle umgebenen Geißeln.
Taxonomie
Web-Adressen
Centers for Disease Control and Prevention
URL: http://www.cdc.gov
Schlüsselliteratur
1. Krüger, D.H., Zöller L. Hantaviren. In: Porstmann, T.
(Hrsg). Virusdiagnostik (1996), 117–128, Blackwell-Verlag,
Berlin
2. Schmaljohn, C., Hjelle, B. Hantaviruses: A global disease
problem. Em. Inf. Dis. 3 (2) (1997): 95–104
3. Chin, J. (Hrsg.). Control of communicable diseases
Manual. 17. Ausgabe (2000), American Public Health
Association, Washington
4. Settergren, B. Clinical aspects of nephropathia epidemica
(Puumala virus infection) in Europe: A review. Scand. J.
Inf. Dis. (2000): 125–132
5. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Gattung: Helicobacter; weitere Spezies in dieser Gattung u.a.: H. mustelae (Frettchen), H. felis (Katzen, Hunde), H. heilmannii (Mensch) sowie die sog. enterohepatischen Helicobacterarten (z.B. H. hepaticus, H. bilis), die im Darm und
in der Leber verschiedenen Tiere gefunden werden und Hepatitis und Leberkarzinome auslösen können.
Historie
Die Gegenwart spiralförmiger Bakterien in der
Magenschleimhaut wurde erstmals Ende des
letzten Jahrhunderts (Bizzozero, 1893) beschrieben und in jahrzehntelangen Abständen mehrfach wieder beobachtet. Diese Beobachtungen
299
Helicobacter pylori
wurden jedoch auf Kontaminationen zurückgeführt und nicht weiter beachtet. 1983 gelang es
den Australiern Robin Warren und Barry Marshall durch Anwendung mikroaerophiler Kulturbedingungen aus endoskopisch gewonnenen
Magenbiopsien spiralförmige gram-negative
Bakterien anzuzüchten, die sie zunächst als
Campylobacter pyloridis bezeichneten. Da dieser Name gegen die Regeln der lateinischen
Grammatik verstieß, wurden die Bakterien wenig später in Campylobacter pylori umbenannt.
Detailliertere taxonomische Untersuchungen
zeigten dann, dass der Erreger gravierende Unterschiede zu Campylobacter sp. aufwies, so
dass er 1989 in eine neue Gattung Helicobacter
überführt wurde.
Erkrankungen/Symptome
Alle mit H. pylori infizierten Personen entwickeln eine entzündliche Reaktion der Magenschleimhaut, die in der Regel im Magenantrum
besonders ausgeprägt ist (chronische Typ B-Gastritis). H. pylori ist daher als obligat pathogener
Erreger anzusehen. Auf dem Boden der durch
die H. pylori-Infektion ausgelösten Gastritis
(die selbst entweder asymptomatisch sein oder
auch zu uncharakteristischen Oberbauchbeschwerden führen kann) können verschiedene
Folgekrankheiten entstehen. Die H. pylori-Gastritis heilt in der Regel nicht spontan aus, nur
im hohen Alter kann es infolge einer Schleimhautatrophie zur spontanen Elimination der Erreger kommen.
Peptisches Ulcus duodeni: Das Zwölffingerdarmgeschwür kommt praktisch ausschließlich
bei Patienten vor, die mit H. pylori infiziert sind.
Die Eradikation der H. pylori-Infektion verhindert Ulkusrückfälle mit großer Sicherheit.
Peptisches Ulcus ventriculi: Der größte Teil der
Magengeschwüre (ca. 70%) sind Folge einer
H. pylori-Infektion; Rezidive können durch H.
pylori-Eradikation verhindert werden. Die restlichen 30% der Magengeschwüre werden durch
H. pylori-unabhängige Noxen ausgelöst (insbesondere die Einnahme nicht-steroidaler Antirheumatika).
Magenkarzinom: Die H. pylori-Infektion ist ein
wichtiger Risikofaktor für die Entstehung des
Magenadenokarzinoms. Das Karzinomrisiko ist
um so größer je früher die Infektion erworben
wurde.
300
Magenlymphom: Die Magenschleimhaut ist bei
gesunden Personen praktisch frei von lymphatischem Gewebe. Die H. pylori-Infektion führt
häufig zur Bildung von Lymphfollikeln in der
Submukosa (sekundäres MALT). Sie ist daher
die Voraussetzung für die Entstehung von malignen Non-Hodgkin-Lymphomen des Magens.
Differenzialdiagnose
Die umfangreichen Differenzialdiagnosen der
H. pylori-assoziierten Magenerkrankungen
(z.B. medikamtös induzierte Ulzera) fallen in
den Bereich der Gastroenterologie und können
im Rahmen dieses Lexikons nicht dargestellt
werden.
Labordiagnostik
Infektionsnachweis. Am häufigsten wird der
Nachweis der H. pylori-Infektion im Rahmen einer endoskopischen Untersuchung (Ösophagogastroduodenoskopie) erbracht. Hierzu stehen
folgende Methoden zur Verfügung: BiopsieUreasetest („Urease-Schnelltest“). Dieser Test
nutzt die starke Ureasebildung des Erregers aus.
Eine oder zwei Biopsien werden in ein Ureasetestmedium (verschiedene kommerzielle Anbieter, z.B. CLO-Test®) gegeben. Nach kurzer
Inkubationszeit kommt es durch die Wirkung
der präformierten Helicobacter-Urease zur Alkalisierung und zur Verfärbung des Testmediums. Der Test ist einfach, preiswert und relativ
zuverlässig. Vorbehandlung mit Protonenpumpenhemmern kann die Sensitivität verringern.
Histologie. Bei entsprechender Erfahrung des
Pathologen erlaubt die histologische Untersuchung auch eine Beurteilung über das Vorliegen
einer H. pylori-Infektion. Unter Umständen
sind spezielle Färbungen (z.B. Warthin-StarryVersilberungsfärbung) notwendig.
Kultur. Die Kultur erfolgt auf Blutagar- oder
Kochblutagarplatten in mikroaerophiler Atmosphäre (z.B. im Anaerobentopf mit Campylobacter-Gasgenerator). Der Verwendung eines
Antibiotikasupplements (z.B. Skirrow'sches
Supplement) ist sinnvoll. Inkubation 3–7 Tage
bei 37°C. Identifizierung durch charakteristische Kulturmorphologie (bis 1,5 mm große,
transparente, glänzende, glatte, konvexe Kolonien), positive Katalase- und Oxidasereaktion
und Nachweis von Ureasebildung. Charakteri-
Helicobacter pylori
stisch sind außerdem Resistenz gegen Nalidixinsäure und Empfindlichkeit gegen Cephalotin. Wegen der Empfindlichkeit des Erregers ist
rascher Transport ins Labor, u.U. unter Verwendung eines Transportmediums (z.B. Port-agerm pylori®) notwendig. Wegen der langen
Kulturzeit und suboptimalen Sensitivität wird
die kulturelle Anzüchtung nicht in allen Fällen
durchgeführt. Wichtigste Gründe, eine Kultur
durchzuführen sind die Notwendigkeit einer
Resistenzbestimmung bei therapeutischen Problemen (z.B. nach erfolglosem ersten Eradikationsversuch, s.u.) und der Wunsch nach Erregertypisierung (Virulenzfaktornachweis, molekulares Fingerprinting). Für die Resistenztestung von H. pylori-Stämmen gibt es keine
verbindlichen Richtlinien. Bewährt haben sich
die MHK-Bestimmung mit dem Agardilutionstest (die sich nur für die Testung größerer Serien lohnt) und für Einzelisolate die Testung mit
Epsilometer-Teststreifen.
Neben diesen Methoden stehen auch nicht-invasive diagnostische Methoden zur Verfügung:
Serologie. Es gibt zahlreiche kommerziell erhältliche serologische Testkits (ELISA, Immunoblot, Schnelltests zur Durchführung durch den
Arzt während der Sprechstunde). Die Qualität
dieser Tests ist sehr variabel. Sensitivität und
Spezifität der besseren Tests liegen zwischen 90
und 95%. Die Titer fallen nach Eradikation nur
langsam ab, daher ist die Serologie nur bedingt
zur Verlaufskontrolle geeignet.
Atemtests. Diese Tests machen sich, wie der
Biopsie-Ureasetest, die starke Ureasebildung
zunutze. Dem Probanden wird oral Harnstoff
zugeführt, der mit dem stabilen (nicht-radioaktiven) Kohlenstoffisotop 13C markiert ist. Die
Wirkung der Urease führt bei Infizierten zur
Freisetzung von 13CO2 in die Ausatemluft. Die
Auswertung der Atemproben erfolgt durch
Massenspektrometrie. Der Test ist sehr zuverlässig und eignet sich sehr gut zur Therapiekontrolle, da er nach erfolgreicher Eradikation sofort negativ wird.
Antigennachweis im Stuhl. Diese Tests weisen
H. pylori-spezifische Antigene im Stuhl mit einem ELISA-Verfahren nach. Bisherige Studien
haben gezeigt, dass die Sensitivität und Spezifität dieser Verfahren mit denen des Atemtests
vergleichbar sind. Wie der Atemtest ist auch
dieses Verfahren für die Therapieverlaufskontrolle geeignet.
Typisierungsmethoden. Die Spezies H. pylori
zeichnet sich durch eine ungewöhnlich hohe genetische Variabilität aus. Dies kann zum „Fingerprinting“ von individuellen Isolaten genutzt
werden. Zahlreiche Methoden zur molekularen
Typisierung von H. pylori-Stämmen sind beschrieben worden. Beispiele sind Restriktionsanalysen genomischer DNA, die Untersuchung
von PCR-Restriktionsfragmentpolymorphismen, die sog. RAPD-PCR und die direkte Sequenzierung von PCR-amplifizierten Genfragmenten (z.B. flaB-Flagellingen, ureC-Ureasegen). Diese Methoden ermöglichen es, die Identität bzw. Verwandtschaft von Isolaten zu
untersuchen und so beispielsweise Infektketten
aufzuklären. Möglicherweise wird in der Zukunft auch der Nachweis bestimmter Virulenzfaktoren (z.B. des VacA-Toxins, s.u.) eine klinische Bedeutung erlangen, solche Methoden
werden zurzeit noch validiert.
Therapie
H. pylori ist in vitro gegen die meisten Antibiotika empfindlich. Dennoch war es außerordentlich schwierig, effiziente Therapieformen für
die H. pylori-Infektion zu etablieren, wahrscheinlich weil die üblichen Antibiotika im Magen nur eine stark eingeschränkte Wirksamkeit
besitzen. Werden Antibiotika als Monotherapie
eingesetzt, lassen sich die Erreger zwar während
der Therapie nicht mehr nachweisen, werden jedoch nicht vollständing eliminiert, so dass es
nach Beendigung der Therapie zur Rekrudeszenz kommt. Monotherapien (wie auch viele
Kombinationstherapien) haben daher keinen
verlässlichen Effekt. Ziel der Therapie der H. pylori-Infektion ist die komplette Eradikation des
Erregers (definiert als ein negativer Erregernachweis mindestens vier Wochen nach Therapieende). Es sollten außerhalb von klinischen
Studien nur Therapieschemata mit nachgewiesener Wirksamkeit eingesetzt werden, da sich
aus in vitro-Daten die klinische Wirksamkeit einer Therapie nicht vorhersagen lässt. Die derzeit effektivsten Therapieschemata sind Kombinationen von zwei Antibiotika (z.B. Clarithromycin kombiniert mit Amoxicillin oder Metronidazol) mit einem Säuresekretionshemmer
301
H
Helicobacter pylori
(bevorzugt einem Protonenpumpenblocker),
mit denen sich bei guter Patientencompliance
Eradikationsraten um 90% erreichen lassen.
Die Häufigkeit von H. pylori-Stämmen mit Resistenzen gegen Clarithromycin und Metronidazol hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen und macht die Therapie zunehmend problematisch. Alternative Therapieschemata bei Versagen der Ersttherapie (sog.
Rescue-Therapieformen) sind die sog. Quadrupeltherapie und Kombinationstherapien mit
Rifabutin.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
H. pylori besiedelt im Körper eine ökologische
Nische, die für praktisch alle anderen Bakterien
nicht zugänglich ist. Zahlreiche Eigenschaften
des Erregers können als spezifische Anpassungen an das Leben in diesem Habitat und damit
als Pathogenitätsfaktoren angesehen werden.
Urease. Alle H. pylori-Isolate bilden das Enzym
Urease in großen Mengen. Durch Spaltung von
Harnstoff werden Ammoniak und Kohlendioxid freigesetzt. Es wird angenommen, dass so
die Mikroumgebung des Bakteriums neutralisiert wird und sich der Erreger während des
Aufenthalts im Magenlumen vor der Säure
schützt. Außerdem ermöglicht es die Urease
H. pylori, Harnstoff als Stickstoffquelle für seine
Aminosäuresynthese zu nutzen. Tierexperimente mit urease-negativen Mutanten haben
gezeigt, dass Urease ein für die Pathogenität des
Bakteriums essentieller Faktor ist.
Beweglichkeit. H. pylori ist ein stark bewegliches Bakterium. Charakteristisch ist, dass die
Beweglichkeit auch unter Bedingungen erhöhter Viskosität erhalten bleibt. Das Bakterium
verdankt die Beweglichkeit einem Bündel von
Geißeln (Flagellen), die an einem Pol der Zelle
entspringen. Jede Geißel ist von einer Membranhülle umgeben, die das Flagellenfilament
vor der Desintegration durch Säure schützt.
Auch die Beweglichkeit ist für H. pylori ein essentieller Pathogenitätsfaktor.
Adhärenz. H. pylori adhäriert stark an verschiedene Zellkulturlinien. Die Adhärenz bewirkt bei
der Zielzelle ein Rearrangement des Zytoskeletts (Aktinkondensation) und die Ausbildung
302
sog. Adhärenzplattformen (adherence pedestals). Es wird angenommen, dass H. pylori
mehrere verschiedene Adhärenzfaktoren besitzt. Die Bedeutung von Adhärenz für die Infektion ist noch nicht eindeutig bewiesen.
Zytotoxin (VacA). Etwa die Hälfte aller H. pylori-Stämme bilden ein Zytotoxin (vakuolisierendes Zytotoxin, VacA-Toxin). Toxinbildende
Stämme werden signifikant häufiger von Ulkuspatienten isoliert als von Patienten, die
„nur“ eine Gastritis haben. Gereinigtes Toxin
kann im Tiermodell Magenschleimhautulzerationen induzieren. Das Toxin wird daher als ein
wichtiger Virulenzfaktor des Erregers angesehen. Die Tatsache, dass sich H. pylori-Stämme
in ihrer Fähigkeit zur Toxinbildung unterscheiden ist wahrscheinlich eine der bakteriellen Ursachen für die unterschiedlichen klinischen
Verläufe der H. pylori-Infektion bei verschiedenen Patienten.
Cag-Pathogenitätsinsel. Die Induktion der Bildung des potenten Zytokins Interleukin 8
scheint eine Schlüsselrolle in der Pathogenese
der H. pylori-Gastritis zu spielen. H. pyloriStämme unterscheiden sich erheblich in ihrer
Fähigkeit, die Bildung von IL-8 zu induzieren.
An dieser Induktion ist eine Gruppe von Genen
beteiligt, die auf einer sog. Pathogenitätsinsel
(cag-Pathogenitätsinsel) lokalisiert sind. Die
Gene erlauben H. pylori wahrscheinlich, einen
Sekretionsapparat zu bilden, mit dem die Bakterien das CagA-Protein und möglicherweise weitere Effektorproteine in die Magenschleimhautzellen zu „injizieren“. Bei Patienten mit Magenkarzinom werden praktisch ausschließlich
solche H. pylori-Stämme gefunden, bei denen
diese Pathogenitätsinsel vorhanden sind.
Transmission
Die Übertragungswege der H. pylori-Infektion
sind bisher nur unzureichend untersucht. Es
wird angenommen, dass die Infektion vorwiegend direkt von Mensch zu Mensch übertragen
wird. Ob hierbei oro-orale oder fäkal-orale
Transmission die Hauptrolle spielt, ist nicht sicher bekannt, wahrscheinlich ist aber oro-orale
Übertragung zwischen Mutter und Kleinkind,
bzw. zwischen Kleinkindern der epidemiologisch wichtigste Transmissionsweg. Parenterale
und sexuelle Übertragung spielen keine Rolle.
Helicobacter pylori
Ein Sonderfall der Transmission ist die direkte
Inokulation über kontaminierte Endoskope
oder pH-Sonden, die vor der Erkennung dieses
Risikos zu Serien von „epidemischer Hypochlorhydrie“ geführt hat.
Steuerung der Entzündungsreaktion spielt Interleukin-8. Im Infiltrat herrschen T-Lymphozyten vom TH1-Typ vor. Eine ausführliche Darstellung der Immunpathenese der H. pylori-Infektion findet sich in der angegebenen Literatur.
Vermehrung und Inkubationszeit
Wirtsbereich
H. pylori ist ein langsam wachsendes anspruchsvolles Bakterium. Im Labor werden zur
Koloniebildung auf komplexen Nährmedien 2–
3 Tage benötigt. Die Generationszeit und Vermehrungsgeschwindigkeit in vivo sind nicht bekannt. Da die akute H. pylori-Infektion in der
Regel nicht diagnostiziert wird und der Moment
der Infektion nicht genau bekannt ist, sind Inkubationszeiten für die verschiedenen H. pylori-assoziierten Erkrankungen nicht bekannt.
Bakterien der Gattung Helicobacter haben ein
sehr enges Wirtsspektrum. H. pylori wird in der
Natur nur beim Menschen und bei einigen Primaten gefunden. Im Labor lassen sich unter bestimmten Bedingungen auch Mäuse, Ratten,
Hunde, Katzen und gnotobiotische Ferkel mit
H. pylori infizieren. Dies sind wichtige Tiermodelle für das Studium der H. pylori-Infektion.
Resistenz
Die für den Erfolg der Eradikationstherapie
wichtigen Resistenzen bei H. pylori sind die gegen Clarithromycin und andere Makrolide, Metronidazol und Amoxicillin. Die Resistenz von
H. pylori gegen Clarithromycin beruht auf
Punktmutationen in der 23S rRNA. Sie liegt in
Deutschland bei ca. 3%, mit steigender Tendenz, in manchen Ländern (z.B. Belgien, Frankreich, Irland) bereits wesentlich höher (10–
26%). Die Resistenz gegen Metronidazol beruht
auf Mutationen in Nitroreduktasegenen. Die
Resistenzrate liegt in verschiedenen Ländern
und Bevölkerungsgruppen zwischen ca. 20 und
50%. In den letzten Jahren sind auch einzelne
Fälle von Amoxicillinresistenz gegen H. pylori
beschrieben worden, sie sind aber noch extrem
selten. Bei den wenigen untersuchten Fällen beruhte diese Resistenz auf Veränderungen der
Penicillinbindeproteine. Andere in vitro beschriebene Resistenzen (z.B. Gyrasehemmer)
haben keine klinische Relevanz.
Immunantwort
Im Verlauf der H. pylori-Infektion werden Antikörper gegen H. pylori-Antigene gebildet, die
sich zwar für die serologische Diagnostik eignen, aber nicht zu einer protektiven Immunität
führen. Die Reaktion der Magenschleimhaut auf
die Infektion ist die Ausbildung einer sog. chronisch aktiven Gastritis, die durch Infiltration
mit neutrophilen Granulozyten und Lymphozyten charakterisiert ist. Eine zentrale Rolle in der
H
Risikogruppen
Die H. pylori-Infektion ist dort häufig, wo ungünstige hygienische Bedigungen herrschen
und/oder Menschen sehr eng beieinander wohnen (ein extremes Beispiel sind U-Boot-Besatzungen, für die ein erhöhtes H. pylori-Infektionsrisiko gezeigt werden konnte). Zwillingsuntersuchungen haben gezeigt, dass genetische
Faktoren die Wahrscheinlichkeit einer H. pylori-Infektion beeinflussen, diese Faktoren sind
jedoch noch nicht definiert. Menschen der Blutgruppe 0 haben ein erhöhtes Risiko für bestimmte Folgeerkrankungen der H. pylori-Infektion, was möglicherweise mit der Affinität
von H. pylori für die Lewisb-Blutgruppensubstanz zusammenhängt. Als einzige bisher identifizierte Berufsgruppe scheinen Gastroenterologen ein berufsbedingt erhöhtes Risiko für eine
H. pylori-Infektion zu haben.
Epidemiologie
Die H. pylori-Infektion ist weltweit verbreitet.
Die lokale Prävalenz der Infektion variiert jedoch stark. In einigen Entwicklungsländern
sind über 90% der Bevölkerung infiziert, in den
westlichen Industrienationen liegt die Gesamtprävalenz zwischen 25 und 50%. Da die Infektion normalerweise lebenslang bestehen bleibt,
nimmt die altersspezifische Prävalenz mit zunehmendem Lebensalter zu. Diese Zunahme
unterliegt einem Kohortenphänomen, weil besonders die Lebensbedingungen in der Kindheit
die Infektionswahrscheinlichkeit eines Individuums bestimmen. So sind beispielsweise Alterskohorten, in deren Kindheit ein Krieg geherrscht hat, besonders infektionsgefährdet.
303
Hendersonula toruloidea
Auf das Kohortenphänomen wird zurückgeführt, dass die Prävalenz der H. pylori-Infektion
in allen Industrienationen deutlich rückläufig
ist. Die Epidemiologie der H. pylori-Infektion
ist bisher nur unvollständig untersucht und es
gibt viele offene Fragen. Hierzu gehören die Fragen nach dem vorherrschenden Transmissionsweg (s.o.), nach möglichen epidemiologisch bedeutsamen Umweltreservoirs oder nach der
Entstehung der Stammheterogenität innerhalb
der Spezies H. pylori, um nur einige zu nennen.
Alles deutet jedoch darauf hin, dass sowohl in
Industrienationen als auch in Entwicklungsländern der größte Teil der Infektionen in der
Kindheit erworben wird und dass prophylaktische Strategien bei der Transmission im Kindesalter angreifen müssen.
Genetik
Die Genomsequenzen von zwei H. pylori-Stämmen (26695 und J99) sind komplett entschlüsselt worden. Die beiden Genome bestehen aus
1.667.867 (26695) bzw. 1.643.831 (J99) Basenpaaren und enthalten ca. 1.500 Gene. Neunzig Prozent der DNA kodieren für Proteine. Der G+CGehalt des Genoms beträgt 39%. Für etwa 900
der 1.500 Gene kann eine Funktion aufgrund
von Homologievergleichen vorhergesagt werden.
Die Reihenfolge der Gene in den beiden Genomen von J99 und 26695 ist weitgehend konserviert, nur 10 Fragmentumlagerungen im J99Genom waren notwendig, um die homologen
Bereiche der beiden Genome komplett aneinander zu legen.
Jeder der beiden Stämme besitzt eine erhebliche
Zahl (117 und 89) von Genen, die beim jeweils
anderen Stamm nicht vorhanden sind. Etwa die
Hälfte dieser Gene sind in einem kleinen hochvariablen Bereich des Chromosoms lokalisiert,
der als Plastizitätszone bezeichnet wird. Etwa
50% der Stämme tragen Plasmide, deren Funktion nicht bekannt ist. H. pylori ist in der Lage,
DNA aus der Umgebung aufzunehmen (natürliche Kompetenz). Die Fähigkeit zum effizienten
DNA-Austausch (Rekombination) bei Vorliegen einer Mischinfektion mit mehreren H. pylori-Stämmen ist die Hauptursache für die extrem
hohe genetische Diversität bei verschiedenen
H. pylori-Isolaten.
304
Prävention
Verbesserung der allgemeinen sozioökonomischen Bedingungen und der Hygiene reduziert
die Prävalenz der H. pylori-Infektion. Da nicht
genau bekannt ist, wie die Transmission erfolgt,
gibt es zurzeit keine spezifischen Empfehlungen
zur Expositionsprophylaxe. Eine Impfung gegen H. pylori befindet sich in der Entwicklung.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Siehe Prävention
Meldepflicht
Es besteht keine Meldepflicht.
Referenzzentren und Webadressen
◗ Nationales Referenzzentrum Helicobacter
pylori (Leiter: Prof. Dr. Manfred Kist)
◗ Institut für Medizinische Mikrobiologie und
Hygiene der Universität Freiburg
◗ Hermann-Herder-Str-11, D-79104 Freiburg,
Tel. ++49 761 203-6514 (-6546)
◗ (Fax: -6562)
◗ Genomdatenbank von H. pylori 26695 des Instite for Genomic Research (TIGR):
http://www.tigr.org/tigr-scripts/CMR2/
GenomePage3.spl?database=ghp
◗ Genomdatenbank von H. pylori J99 der Firma AstraZeneca: http://scriabin.astrazenecaboston.com/hpylori/
◗ Datenbank von 2D-Proteingelen am MaxPlanck-Institut für Infektionsbiologie
http://www.mpiib-berlin.mpg.de/2D-PAGE/
◗ Proteininteraktionsdatenbank der Firma
Hybrigenics: http://pim.hybrigenics.com/
pimriderlobby/current/PimRiderLobby.htm
Schlüsselliteratur
1. Malfertheiner, P. (Hg.) Helicobacter pylori – Von der
Grundlage zur Therapie. 3. Aufl. 2000. Thieme (Stuttgart,
New York)
2. Malfertheiner, P., Mégraud, F., Michetti, P., Price, A. (Hg.)
The Year in Helicobacter pylori. Seit 1994 jährlich
erscheinendes Supplement von Current Opinion in
Gastroenterology
3. Achtman, M. Suerbaum, S. (Hg.) Helicobacter pylori:
Molecular and Cellular Biology. 1. Aufl. 2001. Horizon
Scientific Press (Wymondham)
Hendersonula toruloidea
Nattrassia mangiferae
Hepatitis A Virus (HAV)
Hepatitis A Virus (HAV)
Erregerbezeichnung
Hepatitis A Virus (HAV)
einstellt, nehmen ca. 15% der Krankheitsfälle einen protrahierten und teilweise relapsierenden
Verlauf ohne aber in die Chronizität überzugehen. In Abbildung 1 sind beispielhaft solche
protrahierten Krankheitsverläufe schematisch
dargestellt.
Synonym
Infektiöse Hepatitis (veraltet)
Morphologie
Das Virion besteht aus einem nichtumhüllten
Partikel mit einem Durchmesser von ca. 27 nm.
Das ikosaedrische Kapsid, welches das virale
RNA-Genom beherbergt, enthält jeweils 60 Kopien der 3 Hauptstrukturproteine VP1, VP2 und
VP3. Bisher ist nicht bekannt, ob auch das kleine Protein VP4 im Virionkapsid integriert ist.
Aplastische Anämie. Neben einem häufig zu beobachtenden transienten Effekt des HAV auf
das hämatopoetische System werden seltene
Fälle schwerer Panzytopenien beschrieben, die
mit einer Letalität von über 90% einhergehen.
Differenzialdiagnose
Die Hepatitis A-Virusinfektion ist von anderen
Hepatitiden viraler oder nicht viraler Ätiologie
mit einer serologischen Labordiagnostik abzugrenzen.
Taxonomie
Genus Hepatovirus in der Familie Picornaviridae. Das Virus enthält eine einzelsträngige RNA
im positiv-sense in einer Größe von ca. 7.500
Nukleotiden.
Historie
Hepatitis-Epidemien werden seit dem 5. Jahrhundert vor Christus berichtet. Im Zweiten
Weltkrieg wurde die „Infektiöse Hepatitis“ klar
von der „Serumhepatitis“ abgegrenzt und als
Hepatitis A bezeichnet.
Erkrankungen/Symptome
Die klinische Manifestation der akuten HAVInfektion reicht von der asymptomatischen Infektion bis hin zur fulminanten Hepatitis mit
Todesfolge. Der Schweregrad der Erkrankung
ist altersabhängig. Die asymptomatische oder
zumindest anikterische Infektion findet sich
insbesondere im frühen Kindesalter. Die pathologischen Läsionen der akuten Hepatitis A sind
gekennzeichnet durch eine hepatozelluläre Nekrose im periportalen Bereich mit ausgedehnten entzündlichen Infiltraten. Häufig sind Cholestasezeichen zu beobachten.
Protrahierte, relapsierende Hepatitis. Neben
der normalen Verlaufsform der akuten HAVInfektion, bei der sich eine Normalisierung der
Serumtransaminasenwerte nach ca. 4 Wochen
Labordiagnostik
Die Diagnostik der akuten HAV-Infektion erfolgt routinemäßig über den Nachweis von antiHAV-IgM. IgM anti-HAV verschwindet typischerweise innerhalb 3 Monaten, ist aber insbesondere bei protrahierten Verlaufsformen auch
bis zu einem Jahr nach Ikterusbeginn nachweisbar.
Therapie
Eine HAV-spezifische Therapie steht nicht zur
Verfügung. Der therapeutische Einsatz von Interferon bei der fulminanten Hepatitis A wird
diskutiert.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Die beschriebenen HAV-Genotypen zeigen keine Unterschiede in ihrer Pathogenität. Es gibt
kein Evidenz für eine Antigenvariabilität.
Transmission
Die Transmission des HAV findet fast ausschließlich über den fäkal-oralen Weg, insbesondere über kontaminiertes Wasser, kontaminierte Nahrungsmittel und Schmierinfektionen
statt. Übertragungen des HAV via Bluttransfusion und kontaminierte Blutprodukte sind beschrieben aber selten.
305
H
Hepatitis A Virus (HAV)
Abb. 1
Schematische Darstellung verschiedener Verlaufsformen der klinisch-manifesten Hepatitis-A-Virusinfektion
Vermehrung und Inkubationszeit
Resistenz
HAV wird üblicherweise über den fäkal-oralen
Weg übertragen. Eine Replikation des Virus im
Oropharynx oder intestinalen Bereich konnte
nicht sicher nachgewiesen werden, sodass der
Weg, über den HAV die Leber erreicht, bisher
nicht identifiziert ist. Bereits 2 Wochen vor Ablauf der ca. vierwöchigen Inkubationszeit und
Beginn der klinischen Symptomatik wird das in
der Leber replizierte Virus über die Gallengänge
und den Intestinaltrakt ausgeschieden. Die Virusausscheidung in den Fäzes beläuft sich insgesamt auf ca. 3 Wochen. Eine deutliche Verlängerung der HAV-Ausscheidung findet sich in
den protrahierten Verläufen und Infektionen
im Neugeborenenalter, wo eine HAV-Ausscheidung über 20 Wochen beobachtet wurde. Die
klinische Manifestation der HAV-Infektion und
die ihr zugrundeliegende hepatozelluläre Destruktion ist auf immunpathogenetische Mechanismen zurückzuführen.
Das Hepatitis A-Virus zeichnet sich durch eine
sehr hohe Säurestabilität (pH 1,0 für 2h bei RT)
und relative Hitzeresistenz (60°C für 1h) aus.
306
Immunantwort
Anti-HAV-IgM ist bei fast allen Patienten mit
Beginn der Symptomatik nachweisbar. Kurz
darauf finden sich anti-HAV-IgG Antikörper,
die lebenslang persistieren.
Wirtsbereich
Der Wirtsbereich des HAV ist sehr eng. Neben
dem Menschen sind nur wenige nicht-humane
Primaten infizierbar.
Risikogruppen
In den westlichen Industriestaaten ist das Risiko einer HAV-Infektion niedrig. Einem erhöhten Erkrankungsrisiko unterliegen aber auch
dort bestimmte Berufsgruppen, wie z.B. Personal in Kindertagesstätten und Kliniken oder Arbeiter in Kanal- und Kläranlagen. Ein hohes Risiko einer HAV-Infektion haben Personen, die
Hepatitis B Virus
aus einem Gebiet mit niedriger HAV-Inzidenz
in ein Endemiegebiet reisen.
rigen von geimpften Kontaktpersonen aktiv immunisiert werden sollten.
Epidemiologie
Meldepflicht
Die Epidemiologie der Hepatitis A unterliegt einer kontinuierlichen Veränderung. Obgleich
das HAV weltweit verbreitet ist, zeigen sich extreme Unterschiede in der Seroprävalenz von
Land zu Land. Im Bundes-Gesundheitssurvey
1998 wurde für die Bundesrepublik Deutschland
insgesamt über alle Altersgruppen eine antiHAV Prävalenz von 46,5% ermittelt. In der Altersgruppe von 18–19 Jahren lag die Seroprävalenz bei 7%, in der von 20–29 Jahren bei 15,4%.
Der direkte oder indirekte Nachweis einer akuten HAV-Infektion ist namentlich nach § 7 Abs.
1 IfSG zu melden.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Referenzzentrum
Max-von-Pettenkofer-Institut für Hygiene und
Medizinische Mikrobiologie, Pettenkoferstr. 9a,
80336 München
Expertenlaboratorien
Genetik
Das Hepatitis A Virus besitzt ein einzelsträngiges, lineares (+) Strang RNA-Genom von ca. 7,5
kb Länge. Wie bei allen Picornaviren kann das
Genom in 3 Bereiche aufgeteilt werden: 1) die
5`nichtcodierende Region (NCR), die nicht gecapt aber kovalent an ein virales Protein (VPg)
am 5`Terminus gebunden ist, 2) ein ORF, das
für alle viralen Proteine codiert (P1: virale Capsidproteine, P2 und P3: Nichtstrukturproteine)
und 3) eine kurze 3`NCR.
Accession No. der Nucleinsäure- und Proteinsequenzen: NC_001489, No. X75215, No. M16632
Prävention
Bis zur Verfügbarkeit einer aktiven Prophylaxe
konnte nur durch die Gabe von Standardimmunglobulin mit mindestens 100 I.E. anti-HAV
eine HAV-Erkrankung über einen Zeitraum
von 3–5 Monaten mit einer 80–90%igen Sicherheit verhindert werden. Seit 1992 stehen gut verträgliche inaktivierte Impfstoffe zur aktiven
Prophylaxe gegen das HAV zur Verfügung, die
zu einem 100%igen Schutz vor einer HAV-Erkrankung führen. Derzeit kann man davon ausgehen, dass bei Einhaltung der vorgeschriebenen Impfschemata ein Impfschutz von über 10
Jahren gegeben ist.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Der aktuelle Stand der empfohlenen Präventivund Bekämpfungsmethoden ist im Merkblatt
„Hepatitis A-Erkennung und Verhütung“ des
Robert Koch-Instituts zusammengefasst. Eine
neueste Untersuchung zeigt, dass zur Unterbrechung der Infektkette auch die Familienangehö-
◗ Prof. Dr. A. Vallbracht, Institut für Virologie,
Universität Bremen, Zentrum UFT, Leobener
Str., 28359 Bremen, Tel. 0421/218/4272,
E-Mail: [email protected]
◗ Prof. Dr. B. Flehmig, Universität Tübingen,
Silcherstr. 7, 72076 Tübingen, Tel. 07071/
2984237, E-Mail:
[email protected]
Web-Adressen
Robert-Koch-Institut: http://www. rki.de
Centers for disease control and prevention: http://www.cdc.gov
WHO World Health Organization:
http://www.who.int/
All the virology on the WWW:
http://www.virology.net
Schlüsselliteratur
1. Blaine-Hollinger, F. and Ticehurst, J. R., Hepatitis A Virus.
In: Virology, Third Edition, edited by Fields, B.N, Knipe, D.
M, Howley, P. M., Raven Press, Ltd. New York, Vol. 1,
(1996) 735–782
2. Flehmig, B., Normann, A. and Bohnen, D. Transmission of
Hepatitis A virus infection despite vaccination. NEJM 343,
301–302 (2000)
3. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Hepatitis B Virus
Erregerbezeichnung
Hepatitis B Virus (HBV)
Synonym
Humanes Hepatitis B Virus
307
H
Hepatitis B Virus
Morphologie
Das Virion (42 nm) besteht aus einem ikosaedrischen Nukleokapsid (Core), in dem sich die
virale DNA, die virale Polymerase und eine
wirtseigene Proteinkinase C befinden. Die lipidhaltige Virushülle mit HBs-Antigenität enthält
ein kleines (SHBs), mittleres (MHBs) und großes (LHBs) Oberflächenprotein. Aus der Hülle
ragen die PräS-Domänen von MHBs und LHBs
als Spikes heraus. Neben den kompletten Virionen liegen im Serum HBV-infizierter Patienten
noch leere, ca. 20 nm große nichtinfektiöse
Hüllproteinstrukturen als sphärische und tubuläre HBsAg-Partikel vor.
Taxonomie
HBV gehört als einziges humanpathogenes Virus zur Familie der Hepadnaviridae, Genus Orthohepadnavirus. Hauptcharakteristika der Hepadnaviren sind die besondere Genomorganisation, die hohe Spezies-Spezifität, ein für DNAViren bemerkenswerter Replikationsmechanismus über eine reverse Transkription, der Lebertropismus und die Fähigkeit, im infizierten Wirt
eine starke und langanhaltende Virämie auszubilden.
Historie
Baruch Blumberg entdeckte 1963 im Rahmen einer anthropologischen Studie das sphärische
HBsAg im Serum eines australischen Ureinwohners. Mit der Identifizierung als Oberflächenprotein von HBV (HBsAg) 1967 begann
dessen Erforschung, gefolgt vom elektronenmikroskopischen Nachweis des Viruspartikels
(Dane, 1970), der Charakterisierung der viralen
DNA und der Aufklärung des Replikationsmechanismus der Hepadnaviren.
Erkrankungen/Symptome
Das ca. einwöchige Prodromalstadium ist durch
Fieber, Erbrechen und weitere Symptome (siehe
extrahepatische Manifestationen) gekennzeichnet. Die akute Hepatitis B verläuft in zwei Dritteln der Fälle subklinisch. Ein Drittel der Patienten weist einen ikterischen Verlauf auf. Fulminante Verläufe sind selten (<1%), aber oft tödlich.
Die klinischen Manifestationen einer HBV-Infektion sind in erster Linie vom Alter und Immunstatus des Patienten abhängig. Bei Neugeborenen und Kindern unter einem Jahr verläuft
308
die Infektion in mehr als 90% der Fälle zunächst
asymptomatisch. Davon entwickeln circa. 70–
90% einen chronischen HBV-Trägerstatus, und
in ca. 30–50% der Fälle kommt es zur Ausbildung von chronischen Lebererkrankungen, die
zu Zirrhose und Leberzellkarzinom (HCC) führen können. Auch bei immuninkompetenten
Patienten wie zum Beispiel Organtransplantierten, HIV-Infizierten oder Dialysepatienten ist
die Chronifizierungsrate hoch. Bei immunkompetenten Erwachsenen liegt die Chronifizierungsrate dagegen nur um 5%. Die Diagnose der
chronischen Hepatitis B beruht auf der HBsAgPersistenz länger als sechs Monate nach Auftreten der Infektion. In Abhängigkeit von den Leberzellveränderungen unterscheidet man den
so genannten gesunden HBsAg-Träger-Status
(Immuntoleranz) und die chronische Hepatitis,
die in eine hoch-replikative Form mit entzündlichen, fibrotischen Leberveränderungen und
erhöhten Transaminasen und eine niedrig-replikative Form mit nur geringgradiger Leberpathologie unterschieden wird.
Im Verlauf der chronischen HBV-Infektion
können drei Phasen durchlaufen werden. Die
erste Phase ist in den meisten Fällen durch hohe
Infektiosität (hohe HBeAg- und HBV-DNAKonzentrationen im Serum) sowie biochemische und histologische Aktivität gekennzeichnet. Histologisch kann das Spektrum von geringer bis hoher entzündlicher Aktivität und geringem Fibrosegrad bis zur Leberzirrhose reichen.
Nach unterschiedlich langer Zeit entwickelt sich
bei einem Teil der Patienten eine nicht-replikative Phase mit Abklingen der entzündlichen Aktivität und weitgehender Normalisierung der
Transaminasen, der in der Regel eine Serokonversion von HBeAg zu anti-HBe vorausgeht.
Diese Phase kann durch intermittierende Reaktivierungen unterbrochen sein, die durch medikamentöse Immunsuppression, Kortikoidtherapie, HBV-Mutanten (im Präcorebereich), Superinfektionen mit anderen Hepatitiserregern
bzw. HIV hervorgerufen werden können. Bei
nur sehr wenigen Patienten erfolgt Jahre später
eine Serokonversion von HBsAg zu anti-HBs,
die mit einer Ausheilung verbunden ist.
Die chronische Hepatitis B mit hoher Virusreplikation hat ohne Behandlung in der Regel eine
schlechte Langzeitprognose. Fünfzehn bis 25%
von Betroffenen aller Altersgruppen mit chronischer Hepatitis B haben aufgrund ihrer Erkran-
Hepatitis B Virus
kung eine erniedrigte Lebenserwartung. Selbst
Patienten mit mildem Verlauf können in bis zu
10% eine Zirrhose entwickeln mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 55%.
Extrahepatische Manifestationen. Insbesondere das Prodromalstadium der akuten Hepatitis
B zeichnet sich durch extrahepatische Manifestationen wie Urtikaria, Arthralgien und Hauteffloreszenzen (Gianotti-Crosti-Syndrom bei
Kindern) aus, deren Auftreten hauptsächlich
durch zirkulierende Immunkomplexe bedingt
sind. Zehn bis 20% der Patienten mit chronischer HBV-Infektion zeigen extrahepatische
Manifestationen, wie Arthralgien, Polyarthritis,
Kryoglobulinämie, Myalgien und eine meist
membranöse Glomerulonephritis, die durch
Hepatitis-B-Antigen-Antikörper-Immunkomplexe bedingt sind.
Leberzellkarzinom (HCC). Die Assoziation zwischen HBV-Infektion und HCC ist gesichert. Patienten mit allen Formen des HBsAg-Trägerstatus können nach einer Latenz von ca. 20–40 Jahren HCC entwickeln mit einem 100fach erhöhtem
relativen
Risiko
gegenüber
der
Normalbevölkerung. Bei Patienten mit einer
hohen Viruslast erhöht sich das relative Risiko
auf den Faktor 300. Entscheidender Risikofaktor ist die Dauer des HBsAg-Trägerstatus.
Differenzialdiagnose
Die akute Hepatitis-B-Infektion muss von anderen viralen und bakteriellen Hepatitiden abgegrenzt werden. Bei der chronischen Hepatitis B
kommen differenzialdiagnostisch auch Autoimmunhepatitiden, sowie toxische, medikamentöse und alkoholbedingte Hepatitiden in
Betracht. Systemische Infektionen vieler Erreger inklusive Protozoen können zu einer Leberbeteiligung führen. Durch serologische, molekularbiologische und histologische Untersuchungen kann eine Diagnose gestellt werden.
Labordiagnostik
In Tabelle 1 ist das zeitliche Auftreten der HBVMarker in verschiedenen Phasen der HepatitisB-Virusinfektion dargestellt. Für eine Unterscheidung zwischen akuter und chronischer Infektion sowie Immunität stehen verschiedene
Testmethoden zum Nachweis der viralen Antigene und Antikörper zur Verfügung (Tabelle 2).
Direkter Nachweis von Viruskomponenten.
Elektronenmikroskopie, qualitative und quantitative DNA-Nachweise (PCR, DNA-Hybridisierung, Real-time PCR), ELISA zum Nachweis
von HBeAg und HBsAg.
Indirekter Virusnachweis. ELISA zum Antikörpernachweis: anti-HBc-IgM und -IgG, anti-HBe
und anti-HBs.
Chemische Laboruntersuchungen. Bestimmung der Aktivitäten der Transaminasen (GPT,
Gamma-GTT), der alkalischen Phosphatase, der
Bilirubinkonzentration, der Prothrombinzeit
und Durchführung einer Serumelektrophorese.
Eine Differenzierung von anderen Virushepatitiden erfordert jedoch die Bestimmung der Hepatitis-B-Antigene und -Antikörper.
Bei Verdacht auf eine Hepatitis-B-Infektion
sollte als erster Schritt HBsAg (Nachweis ab ca.
100 pg/ml) und anti-HBc-IgG aus dem Serum
bestimmt werden. Die Höhe der anti-HBc-IgMAntikörper geben einen Hinweis auf das Stadium der Erkrankung (> 200 PEI Einheiten: akute
Hepatitis, <10 PEI Einheiten: asymptomatischer
Verlauf, 10–200 PEI Einheiten: chronische Hepatitis). Der Nachweis von HBeAg korreliert in
der Regel mit einer hohen Virämie (≥106 Genomäquivalente/ml). Ein akut-selbstlimitierter
Verlauf ist in der Regel durch den Abfall des
HBsAg innerhalb von sechs Wochen um mehr
als 50 Prozent mit Verlust von HBeAg und
HBV-DNA gekennzeichnet. Anti-HBe verschwindet in der Regel einige Jahre nach der
akuten-selbstlimitierten Hepatitis. Bei isoliert
anti-HBc-positiven Patienten insbesondere bei
Koinfektionen mit HIV ist die Bestimmung der
HBV-DNA indiziert.
Pathologie und Histopathologie. Nach Infektion der Leber mit HBV kommt es zur Proliferation der Kupfferschen Sternzellen, Ballonierung
der Hepatozyten und Einzelzellnekrosen sowie
entzündlichen Reaktionen der periportalen Felder und Einlagerung von Ceroidpigment. Typisch sind Leberzellen mit milchglasartig aufgehelltem Zytoplasma. Bei chronischen Hepatitiden sind die Prozesse in Abhängigkeit von der
Krankheitsaktivität auf die Periportalfelder beschränkt und verbunden mit wenigen Einzelzellnekrosen, oder sie überschreiten die Periportalfelder und sind mit Mottenfraßnekrosen
309
H
Hepatitis B Virus
Tabelle 1
Serologische Marker im Verlaufe der Hepatitis B
HBsAg
HBeAg
antiHBcIgM
anti-HBc
anti-HBe anti-HBs
HBV-DNA Interpretation
+
(+)
–
–
–
–
+
+
–
+/–
–
+
–
+
+
+/–
+
–
+
–
–
–
+
–
+
–
+/–
–
+
–
+/–
–
–
+
+
–
+
–
–/+
–
–
(+)
–
+
–
–
+
–
+
+
–
–
+
+
–
(+)
Inkubationsphase/frühe
akute Phase
akute Hepatitis B
abgelaufene HBV-Infektion,
frühe Immunität
Spätrekonvaleszenz
chronisch aktive Hepatitis
Immunität nach Impfung
Trägerstatus, hohe Infektiosität
Trägerstatus, geringe Infektiosität
Tabelle 2
Serologische Marker im Verlaufe der Hepatitis
Marker
Erklärung
HBsAg
Oberflächenprotein des HBV, indirekter Marker der Infektiosität, Marker zur Früherkennung der akuten und chronischen Hepatitis sowie der Prognose
lösliche Form des viralen Core-Proteins, indirekter Marker der Infektiosität
Virusgenom, Infektiositätsmarker, Parameter zur Überwachung antiviraler Therapien
Core-Antigen des HBV (kommt nicht in freier Form im Serum vor)
IgM-Antikörper gegen HBcAg, frühester diagnostischer Antikörper, hohe Titer nur bei akuter Hepatitis (bei chronischer Hepatitis in Abhängigkeit von der Aktivität)
IgG-Antikörper gegen HBcAg, akute, chronische, abgelaufene Infektion, Durchseuchungsmarker
Hinweis auf unvollständige Virusvermehrung, Auftreten im akut-limitierten Verlauf: gute Prognose
Antikörper gegen HBsAg, Marker der abgelaufenen Hepatitis B zusammen mit anti-HBc, einziger
Marker nach Immunisierung
HBeAg
HBV-DNA
HBcAg
anti-HBc-IgM
anti-HBc-IgG
anti-HBe
anti-HBs
assoziiert. Um entzündliche Aktivität und Ausmaß des bindegewebigen Umbaus reproduzierbar erfassen zu können, wurden Scoring-Systeme eingeführt (Knodell-Score, Ishak-Score,
METAVIR-Score), die zur Dokumentation des
Therapieverlaufes herangezogen werden. Der
immunhistologische Nachweis von HepatitisAntigenen (HBcAg, HBsAg) und/oder das Auffinden von HBV-DNA durch in situ-Hybridisierung/PCR gestatten Aussagen zur Aktivität und
Prognose einer Hepatitis B.
Therapie
Gegenwärtig kommen für die Behandlung der
chronischen Hepatitis B Interferon-α (IFN-α)
310
und das Nukleosidanalogon Lamivudin zum
Einsatz. Die Indikation zur Therapie besteht bei
erhöhten Transaminasen und entzündlichen
und fibrotischen Leberparenchymveränderungen. Therapieziel ist neben der Linderung aktueller Symptome die Verhinderung von Komplikationen der HBV-Infektion. Das Therapieansprechen ist durch die Serokonversion von
HBeAg nach anti-HBe (partielle Antwort) sowie
außerdem von HBsAg nach anti-HBs (komplette Antwort) definiert. Bei HBeAg- und antiHBe-negativen Patienten werden Viruslast und
Transaminasenkonzentration zur Beurteilung
des Therapieerfolges herangezogen. Bei dekompensierter Leberzirrhose sollte vor Lebertrans-
Hepatitis B Virus
plantation die Viruslast unter die Nachweisgrenze gesenkt werden. Die Therapie mit IFN-α
(z.B. 3-mal wöchentlich bis zu 5 Mio. Einheiten
subkutan über vier bis sechs Monate) führt bei
HBeAg-positiven Patienten in 30–40% zu einer
Serokonversion von HBeAg nach anti-HBe, von
denen später ca. 10% einen Übergang zu antiHBs zeigen. Bei HBe-negativen Patienten, die
zudem eine hohe Viruslast haben (z.B. durch
Präcore-Stop-Mutanten), sollte entweder die
Interferondosis erhöht und die Therapie verlängert (9–10 Mio. Einheiten über ein Jahr gegeben) oder mit Lamivudin (100–150 mg per os
täglich) behandelt werden. Lamivudin erzielt
ähnliche Ansprechraten wie IFN-α und kann
bei Kontraindikationen gegen IFN-α eingesetzt
werden (z.B. Immunsuppression). Allerdings
treten bei zehn bis 20 Prozent der Patienten innerhalb des ersten Jahres bereits Lamivudin-resistente Mutanten auf, und nach drei Jahre liegen sie bei der Hälfte der behandelten Patienten
vor. Trotz der Mutanten kann bei Fortsetzung
der Therapie bei einem Teil der Behandelten
eine Serokonversion zu anti-HBe mit Normalisierung der Transaminasen eintreten. Bei Patienten mit Leberzirrhose kann die Lamivudintherapie zur Unterdrückung der Virämie führen und das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten. Da es nach Absetzen der Therapie häufig
zum Relaps kommt, muss die Behandlung mindestens ein Jahr durchgeführt werden, um den
Viruspool in der Leber zu reduzieren. Kombinationsbehandlungen von Lamivudin und IFNα haben bisher keine signifikant besseren Ansprechraten erzielt. Andere Nukleosidanaloga
zeigten entweder eine widersprüchliche oder insuffiziente klinische Wirksamkeit (Famciclovir,
Ganciclovir) oder sie befinden sich noch in der
klinischen Erprobung. Adefovir Dipivoxil ist
ein vielversprechender Kandidat und wirkt
auch gegen Lamivudin-resistente Mutanten. In
der präklinischen Erprobung sind anti-senseOligonukleotide. Ein weiterer therapeutischer
Ansatz ist die Immuntherapie, bei der durch
Impfung (T-Zell-Vakzine, Zytokine [Interleukin 12], Peptid-, Protein- oder DNA-Vakzine)
eine Th1-Immunantwort stimuliert werden soll.
Letzte therapeutische Möglichkeit bei Leberfunktionsverlust ist die Transplantation.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
HBV selbst ist nicht zytopathogen. Mit der Vermehrung und Freisetzung von HBV werden Virusantigene auf der Leberzellmembran präsentiert, die u.a. eine zelluläre Immunantwort und
Zytokinexpression induzieren, die zum Zelluntergang oder auch zur Viruselimination führen.
Für die unterschiedlichen Verlaufsformen einer
HBV-Infektion werden die individuelle virusspezifische Immunantwort sowie die Zytokinproduktion und -wirkung verantwortlich gemacht. Auch eine Assoziation zwischen Genotyp und klinischem Verlauf der chronischen
Hepatitis B wurde beobachtet (z. B. HBV-Genotyp B und die Entwicklung von HCC in Taiwan).
Aufgrund der hohen Mutationsrate der reversen Transkriptase treten häufig HBV-Mutanten auf, die zum Teil mit fulminanten Verläufen von HBV assoziiert wurden (PräcoreMutanten). Core-Mutanten (mit Aminosäureaustauschen) wurden beim Übergang von der
Immuntoleranzphase zur aktiven Hepatitis beobachtet, was eine Immunselektion wahrscheinlich macht. HBV-Varianten mit einem
komplexen Mutationsmuster im C-Gen, CorePromotor und präS1/2-Gen sind eng mit der Pathogenese der chronischen Hepatitis bei immunsupprimierten Patienten assoziiert. Unter
prophylaktischer anti-HBs-Gabe nach Lebertransplantation können HBV-Varianten mit
Aminosäureaustauschen im Oberflächenprotein (HBsAg) als Fluchtmutanten selektiert werden. Bei über 80% der Fälle eines HBV-assoziierten HCC liegt das HBV-Genom im zellulären
Genom integriert vor. Die Integration fördert
wahrscheinlich die genetische Instabilität der
Zelle. Im HBV-Genom ist bisher kein Onkogen
gefunden worden. Es gibt indirekte Beweise dafür, dass transaktivierende Effekte von HBVProteinen (X-Protein, C-terminal verkürztes
MHBs/SHBs) zur Mehrschrittpathogenese von
HCC beitragen.
Transmission
HBV wird sowohl horizontal (parenteral, Sexualkontakt) als auch vertikal (perinatal) übertragen. Im Blut können hohe Virustiter (≥1010 Viruspartikel/ml) vorliegen, so dass geringste
Mengen, z.B. nach Nadelstichverletzungen, zu
einer Infektion führen können. Die direkte In311
H
Hepatitis B Virus
okulation (i.v.-Drogenäbhängige) von infektiösem Material gehört zu den häufigsten Übertragungswegen. Außer im Blut kann HBV auch im
Speichel, Sperma und Vaginalsekret in solchen
Mengen vorhanden sein, dass es bei Schleimhautkontakten zur Übertragung kommt. Die
perinatale Übertragung stellt in Ländern mit endemisch auftretender Hepatitis den Hauptinfektionsweg dar. Die intrafamiliäre, nichtsexuelle Verbreitung erfolgt überwiegend dann,
wenn Kleinstkinder infiziert sind, da bei ihnen
in der Regel hohe Virustiter vorliegen. Von HBsAg-Trägern mit einer Virämie von ≤105 Viruspartikeln/ml ist eine Übertragung durch Intim- oder Haushaltskontakte eher unwahrscheinlich. Möglich ist aber eine HBV-Übertragung durch medizinisches Personal mit
niedriger Viruslast (HBe-negative HBV-Träger)
bei größeren operativen Eingriffen oder von
Müttern mit niedriger Viruslast (HBe-negativ)
auf das neugeborene Kind. Übertragung durch
HBsAg-negatives, anti-HBc-positives Blut ist
möglich, so dass die Weitergabe von HBV durch
Bluttransfusion trotz HBsAg-Screening nicht
völlig ausgeschlossen werden kann. Das Übertragungsrisiko einer HBV-Infektion durch Blutprodukte ist in Deutschland extrem gering und
wird zurzeit auf 1:50.000 bis 1:200.000 geschätzt.
HBsAg-negative Virusmutanten sind als Infektionsursache in Deutschland zurzeit nicht bedeutsam.
Vermehrung und Inkubationszeit
Die Inkubationszeit der Hepatitis B kann in Abhängigkeit vor allem von der Erregerdosis 30–
180 Tage (durchschnittlich 70 Tage) betragen.
Die primären Zielzellen von HBV in vivo sind
Hepatozyten des Menschen und des Schimpansen. Das Virus gelangt durch rezeptorvermittelte Endozytose in die Zelle, wobei die PräS1-Domäne des großen HBV-Oberflächenproteins
entscheidend für die Interaktion mit den zellulären Rezeptoren ist. Es gibt Hinweise darauf,
dass den sinusoidalen Endothelzellen der Leber
eine Schlüsselrolle bei der Aufnahme von HBV
(wie auch von anderen Hepatitisviren) in den
Hepatozyten zukommt. Das virale Genom wird
im Zellkern des Hepatozyten durch zelluläre
Replikationsenzyme vervollständigt und kovalent zirkularisiert (ccc-DNA). Initiiert am CorePromotor im Minus-Strang, wird mittels einer
312
zellulären DNA-abhängigen RNA-Polymerase
II neben vier mRNAs für die Proteinsynthese
die prägenomische mRNA synthetisiert, die
auch für das Coreprotein und die Polymerase
kodiert. Die polyadenylierte und terminal redundante prägenomische mRNA (3,5 kb lang)
wird in das Zytoplasma transferiert und selektiv
mit der Polymerase im Core-unreifen Nukleokapsid verpackt. Dort wird von der viralen Polymerase durch reverse Transkription der
DNA-Minus-Strang synthetisiert, wobei gleichzeitig die RNA-Sequenz durch die viruskodierte
RNaseH abgebaut wird. Eine am 5´-Ende der
m-RNA als ε bezeichnete Schleifenformation
spielt beim Einbau der mRNA in das Nukleokapsid und der anschließenden reversen Transkription eine entscheidende Rolle. Durch die
Synthese des unvollständigen DNA-Plus-Stranges mittels viruskodierter DNA-Polymerase
kommt es wieder zur nicht-kovalenten Zirkularisierung des Genoms. Die Nukleokapside werden am endoplasmatischen Retikulum von den
Oberflächenantigenen umhüllt und schließlich
von der Leberzelle abgegeben. HBV-DNA ist
auch in Lymphozyten und Monozyten des peripheren Blutes nachweisbar. In vitro kann HBV
durch Zelltransfektion mit klonierter HBVDNA vermehrt werden: Die Replikation von
HBV in primären humanen Hepatozyten ist nur
transient und erfordert zur Reproduzierbarkeit
der Infektion eine Behandlung mit Dimethylsulfoxid oder Polyethylenglykol. Kürzlich wurde ein HBV-Infektions-Modell in primären
Spitzmaus-Hepatozyten (Tupaia belangeri) etabliert, mit dem nun die frühe Phase der HBVInfektion untersucht werden kann. Humane
HepG2-Hepatoblastomazellen produzieren infektiöses Virus nach transienter oder stabiler
Transkription von klonierter HBV DNA. Intakte Viren können sich zwar über die PreS1-Domäne an diese Zellen anheften, aber für eine Infektion ist die Freilegung einer Fusionsdomäne
des Oberflächenproteins durch einen proteolytischen Schritt erforderlich.
Resistenz
HBV kann im Blut in hohen Konzentrationen
(>108 infektiöse Einheiten pro ml) vorkommen
und ex vivo (konzentrationsabhängig) überleben. Gegenüber Umwelteinflüssen und Desinfektionsmitteln ist HBV relativ stabil, während
es gegenüber Detergenzien und organischen
Hepatitis B Virus
Lösungsmitteln empfindlich ist. Eine weitgehende Inaktivierung des Virus bei 60°C erfolgt
erst über zehn Stunden. Bei Temperaturen über
80 °C sind mindestens zehn Minuten zur Inaktivierung erforderlich.
Immunantwort
Die humorale Antikörperantwort gegen die viralen Hüllantigene führt zur Elimination zirkulierender Viruspartikel. Daneben werden die infizierten Zellen durch die zellulären Immunantworten gegen die Hüll-, Nukleokapsid- und Polymeraseantigene eliminiert. Entscheidend sind
die Stärke und Multispezifität der MHC-Klasse
I-restringierten T-Zell-Antworten auf das Virus, wobei die T-Zell-Aktivität mit der Ausprägung der Erkrankung sowie der Viruselimination positiv korreliert. CD8-positive aktivierte TZellen können zum einen über Zytokine die Virusreplikation hemmen und zum anderen über
TNF-α oder Perforin-FasL die infizierte Zelle
zerstören. Die HBV-spezifische zytotoxische
T-Zell-Antwort persistiert lebenslang nach klinisch und serologisch durchgemachter Hepatitis B. Sie kann durch eine geringgradige persistierende Virämie aufrechterhalten werden. Bei
chronisch infizierten Patienten ist die CTL-Antwort kaum oder nur unzureichend ausgeprägt.
Wirtsbereich
Das natürliche Wirtsspektrum des Virus umfasst nur den Menschen. Schimpansen und Gibbons können experimentell infiziert werden.
Risikogruppen
Medizinisches Personal, Empfänger von Blutprodukten, Hämodialysepatienten, immunsupprimierte Patienten und Transplantatempfänger, Drogenabhängige, Strafgefangene, Haushaltsmitglieder und enge Kontaktpersonen von
hochvirämischen Virusträgern (in Kindergärten, Schulen, etc.), Personen mit promiskuidem
Verhalten und Neugeborene von HBsAg-positiven Müttern.
Epidemiologie
Die Zahl der jährlichen Neuinfektionen wird
weltweit auf 20 Millionen geschätzt, davon allein über 100.000 in Westeuropa. Mit etwa
10.000 gemeldeten Neuerkrankungen pro Jahr
(wobei die wirkliche Zahl sicher darüber liegt)
zählt die Hepatitis B auch in Deutschland zu den
häufigsten Viruserkrankungen. Auch aufgrund
des hohen Anteils inapparenter Verläufe muss
man von einer wesentlich höheren Infektionsrate ausgehen.
Die Anzahl der HBsAg-Träger wird weltweit auf
350 Millionen geschätzt. In tropischen und subtropischen Ländern Afrikas, Mittel- und Südamerikas sowie Süd- und Osteuropas sind bis zu
20% der Bevölkerung chronisch infiziert. Ca.
eine Million Menschen sterben weltweit jährlich
an den Folgen einer Hepatitis-B-Infektion. Die
Genotypen A und D kommen hauptsächlich in
Europa und den USA vor, die Genotypen B und
C sind in Asien vorherrschend, Genotyp E findet man in West Afrika, Genotyp F ist in Südamerika am häufigsten anzutreffen und Genotyp G ist bisher in Frankreich und Georgien gefunden worden. In Deutschland sind 0,7% der
Bevölkerung HBsAg-Träger (ca. 500.000).
Hochvirämische Virusträger, insbesondere unerkannte, stellen eine permanente Infektionsquelle dar, und sorgen für die Weiterverbreitung der Hepatitis B in der Bevölkerung.
Genetik
NCBI-Nummer: 001707. Das HBV-Genom ist
mit ca. 3.200 Nukleotiden Länge eines der kleinsten bekannten DNA-Genome animaler Viren.
Bisher sind sieben Genotypen (A-G) bekannt,
die eine Nukleotiddivergenz von mehr als 8%
aufweisen. Im Unterschied zu den anderen Genotypen liegt beim Genotyp G eine 36-Nukleotid-Insertion im C-Gen vor. Das nichtkovalent
zirkularisierte, partiell doppelsträngige DNAMolekül besteht aus einem linearen DNA-Minus-Strang von konstanter Länge mit einem am
5’-Ende kovalent gebundenem terminalen Protein. Der komplementäre DNA-Plus-Strang besitzt ein definiertes 5’-Ende, an das ein Oligoribonukleotid-Fragment gebunden ist, sowie ein
variables 3’-Ende, wodurch das Genom einen
einsträngigen Abschnitt unterschiedlicher Länge aufweist. Die Genomorganisation ist sehr
kompakt: Das Genom besteht aus den kodierenden Leserahmen der S-, C-, P- und X-Gene, die
sich in allen Leserastern auf dem DNA-MinusStrang extensiv überlappen. Durch die Verwendung unterschiedlicher Startkodone innerhalb
eines kodierenden Leserahmens werden bei der
Translation des S- und C-Gens aminoterminal
unterschiedlich lange, aber am Carboxylende
koterminale Proteine erhalten.
313
H
Hepatitis B Virus
Prävention
Zur Primärprävention wird eine Impfung mit
rekombinantem, heterolog exprimierten HBsAg (Engerix B und Gen-HB-Vax) eingesetzt.
Die Grundimmunisierung erfolgt in der Regel
durch dreifache Gabe der Vakzine in dem Zeitintervall von einem Monat zwischen den ersten
beiden und sechs bis zwölf Monaten zwischen
der zweiten und dritten Impfung. Der anti-HBsTiter sechs Wochen nach erfolgter Grundimmunisierung gestattet Aussagen über den Impferfolg. Mehr als 100 IE/l bedeutet guter Immunstatus. Mit den genannten HBsAg-Impfstoffen
wird bei 90% der immunkompetenten Personen eine schützende Immunität erzielt, deren
Dauer mit der Höhe der anti-HBs-Antwort nach
beendeter Immunisierung korreliert. Non-Respondern und Hypo-Respondern wird eine erneute Impfung empfohlen.
Eine Auffrischungsimpfung sollte erfolgen,
wenn der anti-HBs-Titer unter 50 IE/l gesunken
ist. Bei einem anti-HBs-Titer von mehr als
100 IE/l nach der Immunisierung sollte erst
nach zehn Jahren eine Boosterung erfolgen. Patienten mit Immundefekten sowie fünf bis zehn
Prozent der gesunden Personen zeigen eine
schlechte oder gar keine Antwort. Derzeit
durchgeführte klinischen Studien haben gezeigt, dass der trivalente Impfstoff mit PräS1PräS2- und S-Protein immunogener ist und bei
den Impfversagern des herkömmlichen Impfstoffes zu einer Immunität führt.
Zur Postexpositionsprophylaxe wird eine Simultanimpfung mit Hepatitis-B-spezifischen
Immunglobulinen und dem aktiven Impfstoff
eingesetzt, die bei perinatalem Übertragungsrisiko bis zu 95% der HBV-Infektionen verhindern kann.
Die Sekundärprophylaxe besteht aus der Identifizierung derjenigen Patienten mit chronischer
Hepatitis, die von einer Therapie profitieren
würden und bei denen somit die Komplikationen der HBV-Infektion verhindert werden können.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Seit 1995 empfiehlt die Ständige Impfkommisson (STIKO) die generelle Hepatitis-B-Immunisierung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen. Zuzüglich sind Risikopersonen (unter anderen Patienten mit nicht HBV-assoziierten
314
chronischen Lebererkrankungen, Patienten in
psychiatrischen Einrichtungen, Dialysepatienten, Prostituierte, Reisende in Endemiegebiete)
zu impfen. Zur Verhinderung von perinataler
Übertragung gehört das HBsAg-Screening von
Schwangeren. Bei möglicher akzidenteller oder
perinataler Übertragung sollte eine Postexpositionsprophylaxe durchgeführt werden. Neben
der Immunprophylaxe sind Maßnahmen zur
Verhinderung von Neuinfektionen äußerst
wichtig. Dazu gehört das Blutspenderscreening
auf HBsAg und anti-HBc, die kontinuierliche
arbeitsmedizinische Überwachung von medizinischem Personal (HBV-Serostatus, Impfung)
inklusive deren Unterweisung in adäquater Arbeitsweise (z.B. Schutzhandschuhe, Einmalspritzen, Desinfektion von medizinischen Geräten) und die Information der Bevölkerung und
insbesondere der Risikopersonen (Kondombenutzung, Gefahren des „needle sharings“). Die
Aufklärung von Virusträgern und die Immunisierung ihrer Kontaktpersonen kann Neuinfektionen verhindern. Weiterhin ist die Überwachung von Infektketten durch Virustypisierung
wichtig.
Meldepflicht
Der Verdacht auf eine Hepatitis-B-Infektion,
Erkrankung und Tod sind an das Gesundheitsamt zu melden. Darüber hinaus muss auch der
Infektionsnachweis durch das Labor gemeldet
werden, sofern nicht schon eine chronische Infektion bekannt war (§§ 6 und 7 des IfSG). In einigen Ländern muss zusätzlich jeder Carrierstatus gemeldet werden, wenn er in der diagnostischen Einrichtung erstmalig festgestellt wird.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Konsiliarlaboratorium
Institut für Medizinische Virologie der Universität Gießen, Frankfurter Str. 107, 35392 Gießen,
Telefon: 0641 9941200
Expertenlaboratorium
Institut für Med. Mikrobiologie und Hygiene
der Universität Regensburg, Franz-JosefStrauß-Allee 11, 93042 Regensburg, Telefon:
0941 944 6408
Hepatitis C Virus
Web-Adressen
Centers for Disease Control and Prevention: http://www.cdc.gov/ncidod/diseases/
hepatitis/b
Hepatitis B Foundation: http://www.hepb.org
Robert-Koch-Institut: http://www.rki.de/
INFEKT/RATGEBER/RAT/HTM
Grund wurde HCV 1999 als ein eigenständiges
Genus (Hepaciviren) in die Familie Flaviviridae
eingeordnet. Interessanterweise gibt es auch
eine ferne genetische Verwandtschaft von HCV
zu pflanzenpathogenen Erregern (Potyviren,
Carmoviren).
Historie
Schlüsselliteratur
1. Ganem, D.: Hepadnaviridae and their replication. In:
Fields, B.N. et al. (eds): Fundamental Virology. LippincottRaven Publishers, Philadelphia, 1199–1234 (1996)
2. Chisari, F.V., Ferrari, C.: Hepatitis B virus
immunopathogenesis. Annu. Rev. Immunol. 13, 29–60
(1995)
3. Kann, M., Gerlich, W.H.: Hepatitis B. In: Collier, L. et al.
(eds.) Topley & Wilson´s Microbiology and Microbial
Infection, 9th ed. Vol 1. Arnold, London, 745–773 (1998)
4. Gerlich, W.H., Thomson, R.: Structure, replication and
laboratory diagnosis of hepatitis B virus. In: Bircher et al.
(eds.) Oxford Textbook of Clinical Hepatology 2nd Vol 1.
Oxford Medical Publications, Oxford, 828–870 (1998)
5. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Nachdem klar wurde, dass mindestens ein Erreger von infektiösen Non-A-Non-B-Hepatitiden
existieren müsste, wurden aus Plasma eines infizierten Schimpansen cDNA-Expressionsbanken hergestellt. Ihre Testung mit dem Serum eines Patienten mit einer chronischen Non-ANon-B-Hepatitis führte 1989 zum Auffinden des
ersten HCV-spezifischen Klons 5-1-1, der wiederum zur Identifizierung eines größeren Genabschnitts diente und mit Hilfe spezieller molekularer „Walking“-Techniken schließlich zur
Definition des kompletten Virusgenoms führte.
Erkrankungen/Symptome
Hepatitis C Virus
Erregerbezeichnung
Hepatitis C Virus (HCV)
Synonym
Humanes Hepatitis C Virus, Post-Transfusionshepatitis Non-A-Non-B-Virus
Morphologie
Das Virion wurde bisher nicht zufriedenstellend elektronenmikroskopisch dargestellt. Das
40–60 nm große Virus mit einem sphärischen
Nukleokapsid (circa 30 nm) enthält in seiner lipidhaltigen Hülle zwei viruscodierte Proteine,
E1 und E2. Neben dem Virus kommen im Serum
nackte Nukleokapside vor.
Taxonomie
Aufgrund von Ähnlichkeiten mit den Flavi- und
Pestiviren wie Genomorganisation, Replikationsmechanismus und Prozessierung des Polyproteins wurde HCV der Familie Flaviviridae
zugeordnet. Im Unterschied zu den humanen
Flaviviren (Gelbfiebervirus, FSME-Virus) und
den animalen Pestiviren wird HCV nicht durch
Arthropoden übertragen und führt im hohen
Maße zu chronischen Verläufen. Aus diesem
Bei zirka 75% der Infizierten verläuft die akute
Infektion symptomarm oder klinisch inapparent. Ikterus, Abgeschlagenheit und Übelkeit
gehören zu den am häufigsten beschriebenen
Symptomen. Die Transaminasen sind im Gegensatz zur akuten Hepatitis A oder B nur mäßig erhöht. Fulminante Verläufe sind sehr selten. Abhängig von viralen (Genotyp, Infektionsdosis, Replikationsrate) und wirtsspezifischen
(Alter, Immunstatus, HLA-Typen) Faktoren
entwickelt sich bei 50 bis 70% der Infizierten
eine chronische Hepatitis. Die Analyse der Quasispezies (HVR1 von E2) kann dabei als prognostischer Marker für die Entwicklung einer chronischen Hepatitis C dienen. In der Regel verläuft die chronische HCV-Infektion in rezidivierenden Schüben, wobei viele Patienten über
Müdigkeit, Leistungsabfall und unspezifische
Oberbauchbeschwerden klagen. Typisch sind
fluktuierende Transaminasenerhöhungen. In
den symptomfreien Intervallen kann es sowohl
klinisch als auch laborchemisch schwierig sein,
die chronische Hepatitis von einer ausgeheilten
Form zu unterscheiden. Abhängig vom Fibrosegrad in der Leber kommt es bei circa 20% der
Patienten nach einem jahrzehntelangen, oft
asymptomatischen Verlauf zur Bildung einer
Leberzirrhose. Auf dem Boden der Leberzirrhose kann sich ein hepatozelluläres Karzinom entwickeln (insbesondere bei Infektion mit dem
315
H
Hepatitis C Virus
Genotyp 1b). Zu den Faktoren, die den Krankheitsverlauf beschleunigen können, gehören
männliches Geschlecht, höheres Infektionsalter, Alkoholgenuss und Koinfektionen insbesondere mit HIV. Der Grad der Leberfibrose
dient als ein prognostischer Marker für den
Ausgang der chronischen Hepatitis. Eine spontane Viruselimination und Ausheilung tritt bei
Patienten mit chronischer Hepatitis C äußerst
selten auf (0,04% pro Jahr).
Hepatitis-C-Infektionen können auch mit extrahepatischen Manifestationen verbunden
sein, die entweder autoimmunen oder lymphoproliferativen Phänomenen zuzuordnen sind.
HCV-Infektionen sind Hauptursache für gemischte Kryoglobulinämien (Typ II), die mit
membranoproliferativer Glomerulonephritis,
Polyarthritis oder Abgeschlagenheit - meist auf
dem Boden einer Vaskulitis - einhergehen. Offensichtlich besteht auch eine Beziehung zur
Entwicklung von Autoimmunhepatitiden sowie
Porphyria cutanea tarda, Lichen planus und Periarteriitis nodosa. Die akute Hepatitis C kann
mit transienter aplastischer Anämie und Agranulozytose assoziiert sein.
Die Letalität der HCV-Erkrankung ist gering.
Die extrahepatischen Manifestationen, die die
Lebensqualität einschränken, spielen eine übergeordnete Rolle.
Bei Lebertransplantierten ist die HCV-Infektion
die zweithäufigste Ursache nach (HCMV-Infektionen) einer Posttransplantationshepatitis.
Etwa 90% der Patienten, die wegen eines HCVbedingten fulminanten Leberversagens oder einer Leberzirrhose transplantiert werden, entwickeln kurz nach Transplantation eine HCVReinfektion, die bei circa 80% einen milden
Verlauf aufweist. Die mittelfristige Überlebensrate nach Lebertransplantation scheint nicht
durch eine HCV-Reinfektion beeinträchtigt zu
sein.
Differenzialdiagnose
Das klinische Bild einer Hepatitis kann durch
Infektionen mit verschiedenen Viren (inklusive
EBV und CMV), Leptospiren oder Rickettsien
hervorgerufen werden. Neben Infektionen sind
toxische, medikamentöse und alkoholische Ursachen für eine Hepatitis in Betracht zu ziehen.
Eine Vielzahl von anderen Infektionserkrankungen kann mit einer Leberbeteiligung einhergehen. Die chronische Hepatitis C muss von der
316
chronischen Hepatitis B, von der alkoholischen
Hepatitis, von chronischen Cholangitiden,
M. Wilson und der Hämochromatose abgegrenzt werden. Neben serologischen und molekularbiologischen Untersuchungen ist für die
endgültige Diagnose eine Leberbiopsie unumgänglich.
Labordiagnostik
Direkter Nachweis von Viruskomponenten.
Der Nachweis von HCV-RNA (Virämie) kann in
Serum/EDTA-Blut oder im Leberbioptat erfolgen. Klinisch werden zum Screening qualitative
Teste (RT-PCR, Transcription-Mediated Amplification [TMA], NASBA [Nucleic Acid Sequence Based Amplification]) eingesetzt. Für
Verlaufskontrollen kommen quantitative Verfahren zur Anwendung (kompetitive RT-PCR
und spezielle Hybridisierungen [„branched“DNA-Technologie]). Diese stehen als kommerzielle Kits zur Verfügung. Der HCV-RNA Nachweis ist unter anderem indiziert bei Verdacht
auf eine akute Hepatitis C bei Seronegativität,
bei Verdacht auf eine perinatale Infektion, zur
Beurteilung der Infektiosität von asymptomatischen anti-HCV-Trägern, zur Indikationsstellung und Verlaufskontrolle der antiviralen Therapie, zur Bestimmung des Genotyps und für
epidemiologische Untersuchungen.
Die Bestimmung des HCV-Genotyps/Subtyps
ist über die RT-PCR mittels typspezifischer Primer, Hybridisierung mit spezifische Gensonden, Bestimmung des Restriktionsfragmentlängenpolymorphismus oder über die Verwendung Typ-spezifischer Antikörper möglich.
Seit kurzem ist der quantitative Nachweis von
HCV-Core-Antigen aus Serum / Plasma mittels
ELISA möglich, wobei die Kits der neuesten Generation eine ähnliche Sensitivität wie die RNANachweisverfahren haben sollen und als diagnostische Marker für die Antikörper-negative
Frühphase und für das Therapiemonitoring
eingesetzt werden können. Kommerziell sind
diese Tests allerdings noch nicht erhältlich.
Indirekter Virusnachweis. Nachweis von virusspezifischen Antikörpern aus dem Serum gegen
das Coreprotein und verschiedene Nichtstrukturproteine aus dem NS3-, NS4-, und NS5-Bereich mit ELISA bzw. Immunoblot zur Bestätigung positiver und „indeterminate“ ELISA-Ergebnisse. Der Antikörpernachweis gestattet we-
Hepatitis C Virus
der Aussagen über einen akut limitierten
Verlauf bzw. Immunität noch über das Vorliegen eines chronischen Verlaufs. Bei ca. 90% der
Patienten mit akuter Hepatitis C sind HCV-Antikörper im Transaminasengipfel nachweisbar.
Bei immunsupprimierten Patienten fehlt jedoch
häufig in der akuten Phase die Antikörperantwort, so dass der Nachweis der HCV-Infektion
nur über die PCR erfolgen kann.
Chemische Laboruntersuchungen. Die Bestimmung der Transaminasen oder der Bilirubinkonzentration erlaubt allein keine Diagnose einer HCV-Infektion, ist aber nützlich für das
Verfolgen des Krankheitsverlaufes.
Pathologie und Histopathologie. Die histologischen Befunde bei der akuten und chronischen
Hepatitis C unterscheiden sich nicht von denen
bei anderen Virushepatitiden: Bei akuten Hepatitiden treten hepatozelluläre Nekrosen mit Entzündungszellen (Makrophagen, Lymphozyten)
im Leberparenchym und in der portalen Region
auf. Die schwere chronische Hepatitis C ist histologisch durch inflammatorische Destruktion
und progressive Fibrose gekennzeichnet. Verschiedene Scoring Systeme (Knodell-Score, Ishak-Score oder METAVIR-Score) erfassen sowohl die Aktivität als auch das Stadium einer
chronischen Hepatitis. Bei der chronischen Hepatitis C bilden sich typischerweise lymphoplasmazelluläre Infiltrate in den Portalfeldern.
Bei circa 50% der Fälle findet sich im Portalfeld
ein Lymphfollikel, welches einen regressiv veränderten Gallengang einschließt. Daneben treten wie bei anderen chronischen Virushepatitiden auch Nekrosen (Mottenfraßnekrosen, intralobuläre Nekrosen), Leberparenchymverfettung und Fibrose auf. Im Cytoplasma infizierter
Leberzellen können durch Immunstaining
HCV-Antigen und durch in situ-Hybridisierung
oder PCR Virusnukleinsäure nachgewiesen
werden.
Therapie
Angesichts der hohen Chronifizierungsrate der
Hepatitis C kann bereits eine Therapie der akuten Infektion von Nutzen sein. Nach einer jüngsten klinischen Studie führt eine hochdosierte
Therapie mit Interferon alpha-2b (5 Mio. Einheiten s.c. pro Tag für vier Wochen, anschließend 5 Mio. Einheiten s.c. dreimal pro Woche
für 20 Wochen) bei 98% der Patienten zu einem
akut limitierten Verlauf mit anhaltender Viruselimination.
Bei Patienten mit einer chronischen Hepatitis C,
dauerhaft erhöhten Transaminasen und Leberfibrose ist eine medikamentöse Therapie indiziert. Bei den übrigen Betroffenen muss individuell über eine mögliche Behandlung entschieden werden. Gemäß der „EASL International
Consensus Conference on Hepatits C“ von 1999
wird als Primärtherapie bei chronischer Hepatitis C eine Kombinationsbehandlung von AlphaInterferon (IFN-α, 3–6 Mio. Einheiten subkutan
3-mal/Woche) und Ribavirin (Rebetol®, wirkt
wahrscheinlich als Immunmodulator) über
sechs Monate für die Genotypen 2 und 3 empfohlen. Bei Genotyp 1-Infektionen sollte die
Therapie je nach Viruslast über einen Zeitraum
von bis zu zwölf Monaten erfolgen. Bei Kontraindikation von Ribavirin kann aber auch eine
Monotherapie mit α-IFN durchgeführt werden.
Die Erfolgsrate der Behandlung hängt von verschiedenen Faktoren, wie Alter, Geschlecht, Genotyp, Viruslast und Fibrosegrad ab. Wenn
nach drei Monaten Therapie noch eine Virämie
vorliegt, wird ein Therapieabbruch empfohlen.
Nach Beendigung der Therapie kann es zu
Rückfällen mit hoher Virusreplikation kommen. Neuere Studien haben gezeigt, dass pegyliertes IFN-α-2b (1,5µg/kg subkutan einmal wöchentlich) in Kombination mit Ribavirin
(800 mg täglich per os) über 48 Wochen im Vergleich zur herkömmlichen Kombinationstherapie insbesondere bei Infektionen mit dem prognostisch ungünstigen Genotyp 1b zu einer
deutlich besseren Responserate führt. Die Langzeitremission lag in dieser Studie insgesamt bei
54%, bzw. für Genotyp 1b-Infektionen bei 42%.
Pegyliertes Interferon ist in Deutschland seit
März 2001 zugelassen. Im Schimpansenmodell
führte eine therapeutische Impfung mit rekombinantem E1-Protein zur Verbesserung der Leberhistologie bei chronischen Infektionen. Bei
lebensbedrohlicher Leberzirrhose bleibt die Lebertransplantation als ultima ratio.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Die Pathogenese der Hepatitis-C-Infektion beruht am ehesten auf immunvermittelten Prozessen, die sich durch Aktivität von zytotoxi317
H
Hepatitis C Virus
schen T-Lymphozyten (CTLs) und lokale Zytokinproduktion von CD4-positiven T-Zellen und
CTLs äußern. Aus klinischen Beobachtungen ist
bekannt, dass immunologisch unreife oder immunsupprimierte Personen einen leichteren
Krankheitsverlauf aufweisen als immunkompetente. Es ist aber auch möglich, dass bestimmte
HCV-Varianten einen direkten zytopathischen
Effekt ausüben oder aber eine veränderte Immunantwort induzieren. Funktionelle Analysen
haben gezeigt, dass das Hepatitis-C-Coreprotein mit vielen zellulären Proteinen interagiert,
Einfluss auf den programmierten Zelltod hat,
die Immunantwort unterdrücken und somit die
Pathogenese der HCV-Infektion beeinflussen
kann. Der Genotyp 1a kann fulminante HCV-Infektionen hervorrufen. Bei der HCV-Infektion
liegen im Serum der Patienten, bedingt durch
die fehlende „proof reading“ Funktion der
RNA-Polymerase, eng verwandte Virusmutanten (Quasispezies) vor. Das Oberflächenprotein
E2 hat zwei hypervariable Regionen, die eine
hohe Mutationsrate aufweisen. Die Varianten
kommen am ehesten durch Selektionsdruck der
humoralen Immunantwort zustande.
Transmission
Die Übertragung von HCV erfolgt parenteral
hauptsächlich durch Blut und Blutprodukte.
Vor Beginn der Screeninguntersuchungen auf
anti-HCV-Antikörper 1990 waren 90% der
Posttransfusionshepatitiden durch HCV-Infektionen bedingt. Durch die Einführung eines
HCV-Screenings für alle Blutspenden mittels
PCR ab 1.4.1999 ist in Deutschland das Risiko einer transfusionsbedingten Hepatitis C auf ca.
1:200.000 gesunken. Auch die mit Transplantationen übertragenen HCV-Infektionen sind
deutlich gesenkt worden. Die Virustransmission durch Intimkontakt oder vertikal von der
Mutter zum Kind spielt eine weit geringere Rolle. Auch das Infektionsrisiko bei Nadelstichverletzungen ist aufgrund des niedrigen Virustiters
im Blut (bis 107 Genomäquivalente pro ml) geringer als im Falle von HBV und wird mit ca.
1,8% (0–7%) angegeben. Das Risiko einer vertikalen Übertragung erhöht sich bei Vorliegen einer Koinfektion mit HIV. HCV kann auch perkutan innerhalb von Familien oder zwischen
Sexualpartnern übertragen werden. Gegenwärtig erfolgt die Übertragung von HCV in
Deutschland überwiegend durch i.v.-Drogen318
konsum. Bei einem Teil der HCV-Infektionen
bleibt die Infektionsquelle und der Übertragungsweg unklar. Wahrscheinlich spielen hier
auch nosokomiale Infektionen eine Rolle.
Vermehrung und Inkubationszeit
Im Allgemeinen entwickelt sich im Durchschnitt sieben bis acht Wochen nach HCV-Exposition die klinische Symptomatik, obgleich
schon nach ca. ein bis zwei Wochen HCV-RNA
im Serum nachweisbar ist. Die Replikation findet hauptsächlich in Hepatozyten statt, aber
auch extrahepatische Zellen (insbesondere monozytäre Leukozyten) erlauben eine Virusreplikation. Die Virusaufnahme ist rezeptorvermittelt, wobei unter anderem CD 81 als möglicher
Rezeptor diskutiert wird. Das Ausmaß der viralen Proteinsynthese wird durch positive und negative Translationskontrollelemente in der 5’Nichtkodierenden Region der viralen mRNA
kontrolliert. Bei der Translation entsteht ein Polyprotein von etwa 3000 Aminosäuren Länge,
das mit Hilfe zellulärer und viraler NS2-und
NS3-Proteasen in folgende Proteine zerlegt wird
(vom N-Terminus zum C-Terminus): Coreprotein, E1- und E2-Hüllprotein sowie die Nichtstrukturproteine NS2, NS3, NS4A/B und NS5A/
B. Das Protein NS3 besitzt Protease- und Helikase-Funktionen und NS5B ist eine RNA-abhängige-RNA-Polymerase. Nach Translation bilden
HCV-RNA und die Nichtstrukturproteine im
Zytoplasma wahrscheinlich einen so genannten
Ribonukleoproteinkomplex, in dem die Virusreplikation stattfindet. Es ist noch unklar, wie
die Virusassemblierung erfolgt. HCV hat eine
hohe Affinität zu Lipoproteinen und Immunglobulinen. Wenngleich eine Anzucht von
HCV in der Zellkultur bisher nicht möglich ist,
lässt sich durch bestimmte Schritte die Virusreplikation auch in vitro nachvollziehen. Zellkulturen von humanen T- (Molt-4 und H9) und BZellen (Daudi) wie auch von primären humanen Hepatozyten oder primären SchimpansenHepatozyten unterstützen eine produktive
HCV-Infektion. Erst kürzlich konnte ein effizientes Zellkultursystem basierend auf HCV Minigenomen (Replikons) implementiert werden.
Resistenz
HCV kann durch Inkubation mit lipidlösenden
Detergentien inaktiviert werden. In wässrigen
Medien wird das Virus durch Hitze (60°C für
Hepatitis C Virus
zehn Stunden, 100°C für zwei Minuten) inaktiviert. Es ist auch empfindlich gegen Frieren und
Tauen sowie Aufbewahrung bei Raumtemperatur.
Immunantwort
Bei der HCV-Infektion bilden sich Antikörper
gegen Struktur- und Nichtstrukturproteine. Gegen die hypervariable Region 1 (HVR1) von E2
sind neutralisierende Antikörper gerichtet. In
der HVR-1 Region entstehen Fluchtvarianten
gegenüber den neutralisierenden Antikörpern,
was zur Chronifizierung beitragen kann. Bei Patienten mit akut-selbstlimitiertem Verlauf
kommt es zu einer starken multispezifischen
zellulären Immunantwort. Dabei spielt insbesondere das NS3-Protein, das häufig zu einer
Aktivierung von CD4-positiven T-Zellen mit
Th1- oder Th0-Zytokinmuster führt, für die erfolgreiche Viruselimination eine entscheidende
Rolle. Bei chronisch infizierten Patienten können HCV-spezifische CTLs mit einem Defekt in
der antiviralen Zytokinantwort (TNF-α, ΙFΝ−γ)
nachgewiesen werden, wie kürzlich in vitro gezeigt wurde. CTL-Epitope wurden auf allen
HCV-Proteinen kartiert. HCV-spezifische CD4positive T-Zellen können im Gegensatz zu
HCV-spezifischen Antikörpern und CD8-positiven T-Zellen noch Jahrzehnte nach akut limitierter HCV-Infektion nachgewiesen werden
und stellen somit einen Marker für eine durchgemachte, bereits seronegative Hepatitis C dar.
Wirtsbereich
Der Mensch ist der einzige bekannte natürliche
Wirt. Schimpansen lassen sich experimentell
infizieren.
Risikogruppen
Intravenös Drogenabhängige, Hämophiliepatienten und Empfänger von Blut und Blutprodukten, Dialysepatienten, Transplantatempfänger, Personen mit häufig wechselnden Sexualpartnern
Epidemiologie
Ungefähr 3% (circa 170 Millionen) der Bevölkerung weltweit ist mit HCV chronisch infiziert; in
Deutschland sind es zurzeit ca. 500.000 Personen. Die durchschnittlichen Antikörperprävalenzen variieren zwischen ungefähr 0,4% in
Deutschland und 5,3% in Afrika. Die Prävalenz
steigt jeweils mit dem Alter der untersuchten
Gruppe an. Die Genotypen 1–3 kommen weltweit vor, die Genotypen 4 und 5 findet man
hauptsächlich im vorderen Orient und in Afrika
und Genotyp 6 in Asien. Der Subtyp 1b kommt
weltweit am häufigsten vor und ist zurzeit in
Deutschland für ungefähr die Hälfte aller Infektionen verantwortlich. Bei den unter 20-Jährigen dominiert mittlerweile der Subtyp 1a mit
etwa 60% Anteil unter den HCV-Infizierten,
während bei den über 50-Jährigen der Subtyp 1b
am häufigsten auftritt. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts treten in Deutschland jährlich ca. 5000 Neuinfektionen von Hepatitis C
auf. Hohe Antikörperprävalenzen finden sich
bei Angehörigen von Risikogruppen. Insbesondere die Durchseuchung von i.v.-Drogensüchtigen scheint weiter zuzunehmen und kann in
Kollektiven mit mehrjährigem Drogengebrauch
bei über 80% liegen. Bei den Drogenabhängigen
wird häufig der Subtyp 3a nachgewiesen. Die
HCV-Ausbreitung in Entwicklungsländern ist
wenig verstanden. Möglicherweise geschieht sie
hier durch Mehrfachbenutzung kontaminierter
medizinischer Instrumente oder durch Gegenstände für rituelle Handlungen. Circa ein Fünftel aller neu auftretenden hepatozellulären Karzinome werden auf eine HCV-Infektion zurückgeführt.
Genetik
NCBI-Nummer: NC001433. Das virale Genom
ist eine einzelsträngige lineare RNA mit PositivOrientierung. Die Replikation erfolgt durch die
virale Replikase (NS5b-Polymerase) ohne Korrekturmöglichkeit für Basen-Misspaarungen.
Die hohe Mutationsrate bedingt eine große genetische Diversität des Virus. Die Verteilung
der Mutationen im HCV-Genom ist nicht
gleichförmig, sondern es werden konservierte
von den variablen und hypervariablen Regionen (im E2-Bereich) unterschieden. Nach gegenwärtigen Kenntnissen wird HCV in sechs
Genotypen mit mehr als 100 Subtypen unterteilt. Diese Einteilung basiert auf dem Grad der
Sequenzdivergenz (Genotypen mehr als 28%,
Subtypen zwischen 14 und 25% und Isolate 12%
Nukleotiddivergenz).
Prävention
Die Primärprävention besteht zurzeit in der Expositionsprophylaxe, hauptsächlich über die
319
H
Hepatitis D Virus
Kontrolle und Virusinaktivierung von transfundiertem Blut und Blutprodukten (inklusive
PCR-Screening) und über die Aufklärung von
Risikogruppen, insbesondere von i. v. Drogenabhängigen. Im Rahmen der Sekundärprophylaxe sollten HCV-infizierte Patienten identifiziert werden, die einer (medikamentösen) Intervention zugänglich sind, um so die Komplikationen Leberzirrhose und HCC zu vermeiden.
Dazu zählt auch die engmaschige Kontrolle
nach Nadelstichverletzungen. Eine aktive oder
passive Immunisierung existiert noch nicht.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Zum einen ist es notwendig, auf globaler Ebene
Screening von Blut und Blutprodukten inklusive Standardisierung bei der Auswahl von
Spendern, Einhaltung von „Good Laboratory
Practice“, technischer Unterstützung und Qualifizierung von Personal durchzusetzen. Zum
anderen müssen Beschäftigte im Gesundheitswesen (inklusive traditioneller Medizin)
über den Übertragungsweg von HCV informiert
werden, so dass angemessen Injektionstechniken, Hygieneregeln, Schutzmaßnahmen (z.B.
das Tragen von Handschuhen), Sterilisation
und Desinfektion beziehungsweise Verwendung von „Einmalmaterialien“ angewendet
werden.
Darüber hinaus sind Infektketten zu verfolgen
und Infektionsquellen zu identifizieren.
Bei medizinischem Personal ist die kontinuierliche Überprüfung des HCV-Serostatus erforderlich. Bei anti-HCV-positivem Personal sollte
eine HCV-RNA-Bestimmung mindestens einmal im Abstand von zwei bis drei Monaten
durchgeführt werden.
Die Entwicklung eines Impfstoffes ist durch die
hohe Genomvariabilität erschwert. Neben
Impfversuchen mit E2-Protein werden andere
Strategien zur Impfstoffentwicklung verfolgt,
zu denen DNA-Vakzine, virusähnliche Partikel
oder rekombinante virale Vektoren gehören.
ist darüber hinaus jeder anti-HCV-Träger nach
Länderverordnung meldepflichtig.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Nationales Referenzzentrum
Institut für Virologie der Universität Essen, Hufelandstr. 55, 45147 Essen, Telefon: 0221 723
25550
Expertenlaboratorien
◗ Institut für Medizinische Mikrobiologie und
Hygiene der Universität Regensburg, FranzJosef-Strauß-Allee 11, 93042 Regensburg, Telefon: 0941 944 6401
◗ Institut für Virologie, Universitätsklinikum
Charité, Humboldt-Universität, Schumannstr. 20/21, 10117 Berlin, Telefon: 030 450
525141
◗ Institut für Med. Mikrobiologie und Immunologie des Universitätsklinikums, Martinistr. 52, 20251 Hamburg, Telefon: 040 4717 2150
◗ Robert-Koch-Institut, Nordufer 20, 13353 Berlin, Telefon: 01888 754 2379
Web-Adressen
Centers for Disease Control and Prevention: http://www.cdc.gov/ncidod/diseases/
hepatitis/c/
Robert-Koch Institut: http://www.rki.de
Medscape: http://id.medscape.com/Medscape/
features/ResourceCenter/HepC/public/
RC-index-HepC.html
Schlüsselliteratur
1. Liang, T.J., Hoofnagle, J.H. (Eds): Hepatitis C. In: Gallin,
J.I. and Fauci, A.S. (Eds). Biomedical Research Reports.
Academic Press, San Diego (2000)
2. Zeuzem, S.: Chronische Virushepatitiden – Biologie,
Diagnostik und Therapie. UNI-MED Verlag, Bremen
(2000)
3. Fields, B.N. et al. (Ed.): Virology 3rd edition. LippincottRaven, Philadelphia (1996)
4. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Meldepflicht
Nach Infektionsschutzgesetz (IfSG §§ 6 und 7)
müssen akute Hepatitis-C-Infektionen oder der
Nachweis einer HCV-Infektion, soweit nicht
schon eine chronische HCV-Infektion bekannt
ist, gemeldet werden. In einigen Bundesländern
320
Hepatitis D Virus
Erregerbezeichnung
Hepatitis D Virus
Hepatitis D Virus
Synonym
Erkrankungen/Symptome
Hepatitis Delta Virus, Hepatitis Delta Virus
HDV
Die HDV-Infektion des Patienten ist von einer
bestehenden oder simultanen Infektion mit
dem HBV abhängig. Sie kann akut oder chronisch verlaufen. Die ersten Symptome sind
durch unspezifische Prodromi wie Müdigkeit,
Anorexie und Übelkeit gekennzeichnet. Es
schließt sich die eigentliche Hepatitis an, die mit
Ikterus und Transaminasen-Anstiegen einhergehen kann.
Morphologie
HDV ist ein sphärisches, umhülltes Minusstrang-RNA-Virus mit einem Durchmesser von
ca. 36 nm. HDV kodiert für ein einziges Protein
(HD-Protein, HDAg), welches als kleines (S, ca.
24 kDa) und großes (L, ca. 27 kD) Protein vorkommt. Beide Formen bilden mit der circa
1,7 kb großen genomischen RNA einen Ribonukleoproteinkomplex mit einer sphärischen,
core-ähnlichen Struktur (ca. 19 nm Durchmesser). Die Virushülle besteht zu 95% aus dem
kleinen HBs-Antigen (ein Protein der Hülle des
Hepatitis B Virus [HBV]).
Taxonomie
HDV verfügt über das kleinste Genom der bisher bekannten animalen Viren und besitzt hinsichtlich seiner Genomstruktur und Genexpression bestimmte Gemeinsamkeiten mit in Pflanzen oder Tieren vorkommenden subviralen
Agenzien (Viroide, Satellitenviren). HDV ist ein
defektes RNA-Virus, das für die Infektion von
Zellen die Hülle des HBV oder anderer Hepadnaviren besitzen muss. Das International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) hat für
die Einordnung von HDV das Genus Deltavirus
kreiert, das den Einzelstrang-RNA-Satelliten
zugeordnet ist.
Historie
1973 wurde vom Turiner Gastroenterologen Mario Rizetto ein neues Antigen (Delta) in den
Kernen der Hepatozyten von Patienten mit besonders schweren Hepatitis-B-Verläufen nachgewiesen. Zunächst wurde das Antigen für eine
neue Variante des Hepatitis B-core-Proteins gehalten. Durch Infektionsexperimente an HBVinfizierten Schimpansen Anfang der 80er Jahre
konnte es jedoch als das Nukleokapsid-Protein
(HD-Protein) eines neuen menschlichen Hepatitiserregers, des Hepatitis Delta Virus (HDV),
identifiziert werden. Die Klonierung und Sequenzierung des HDV-Genoms im Jahre 1986
zeigte seine strukturelle Ähnlichkeit mit pflanzenpathogenen Viroiden.
Simultaninfektion von HDV und HBV. In der
Regel tritt eine akute Hepatitis auf, die im Vergleich zur akuten Hepatitis B klinisch schwerer
verlaufen kann. Der typische biphasische Transaminasen-Verlauf ist Ausdruck des Leberschadens durch die beiden Viren bzw. deren ausgelöste Immunantwort. Die klinischen Zeichen
und Symptome sind in der Regel innerhalb von
drei bis zwölf Wochen rückläufig und enden mit
dem Verschwinden beider Viren (auch IgMund IgG-anti-HDV gehen üblicherweise innerhalb einiger Monate verloren) sowie der Serokonversion zu anti-HBs. In circa 5% der Fälle
erfolgt jedoch ein Übergang in den chronischen
Krankheitsverlauf. Die Simultaninfektion kann
zu subfulminanten und fulminanten Hepatitiden (insbesondere bei Drogensüchtigen) führen. Fulminante Verläufe treten aber wesentlich
seltener als bei der Superinfektion auf.
Superinfektion eines HBsAg-Trägers. Die
HDV-Superinfektion bei chronischen HBVTrägern führt häufig zu schweren Verläufen der
Hepatitis, die in 70–90% der Fälle zur chronischen Hepatitis D fortschreiten. In der Regel
verläuft diese aggressiver als die chronische Hepatitis B ohne HDV. Ursache hierfür ist die bereits etablierte HBV-Infektion, die dem HDV
durch Bereitstellung der Virushülle die Verbreitung in der Leber und damit eine hohe Replikation ermöglicht. Je mehr Helfervirus vorhanden
ist, um so schwerer scheint die Superinfektion
zu verlaufen. In mehr als 30% der Fälle kann es
zu fulminanten Verläufen mit hoher Letalität
kommen. Longitudinale Studien haben ergeben, dass eine HDV-Superinfektion schneller zu
einer Leberzirrhose führt als chronische Hepatitis B. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf,
dass bei einer HDV-Superinfektion zum Zeitpunkt einer kompensierten Leberzirrhose
(Child-Pugh A) das Risiko für ein Leberzellkar321
H
Hepatitis D Virus
zinom verdreifacht und die Mortalität verdoppelt sind. Neben schweren Verläufen gibt es in
seltenen Fällen auch asymptomatische Verlaufsformen der chronischen HDV-Superinfektion. Eine spontane Ausheilung der Superinfektion wird vor allem bei Infektion asymptomatischer HBsAg-Träger beobachtet.
HBV-Superinfektion einer klinisch latenten
HDV-Infektion (selten). Bei Patienten mit
HDV-Infektion-bedingter Lebertransplantation
kann es nach der Transplantation zu einer
HDV-Reinfektion kommen, bei der trotz HDVReplikation keine begleitenden Leberschäden
gesehen werden. Zur Lebererkrankung kommt
es erst, wenn auch das HBV reaktiviert (bzw. superinfiziert) wird und eine extrahepatische Verbreitung von HDV ermöglicht.
Differenzialdiagnose
Der HDV-Ausschluss gehört nicht zur Primärdiagnostik bei akuter Hepatitis. Eine HDV/
HBV-Simultaninfektion kann insbesondere bei
fulminanten Verläufen von akuten Hepatitiden
durch serologische oder molekulargenetische
Untersuchungen von anderen viralen oder bakteriellen Hepatitiden abgegrenzt werden. Bei
klinischer Verschlechterung einer chronischen
Hepatitis B muss an eine HDV-Superinfektion
gedacht werden, wobei hier differenzialdiagnostisch auch HBV-Mutanten oder andere virale Superinfektionen eine Rolle spielen könnten.
Labordiagnostik
Eine Hepatitis D-Diagnostik ist hauptsächlich
angezeigt bei HBsAg-positiven Personen. Sinn
macht sie allerdings auch bei akuten Schüben
einer chronischen Hepatitis ohne HBsAg-Positivität, da HDV die HBV-Replikation unterdrücken kann, wodurch bei einem Teil der Superinfektionen und der chronisch verlaufenden
Simultaninfektionen das serologische Bild einer
HBsAg-negativen Hepatitis entstehen kann.
Direkter Nachweis von Viruskomponenten.
Nachweis von HDV-RNA mittels RT-PCR dient
zur Beurteilung der Virusaktivität (unter antiviraler Therapie) und der Infektiosität. Der HDProtein-Nachweis in Lebergewebe mit Immunfluoreszenz oder Immunoblot sowie im Serum
in der frühen Phase der akuten Hepatitis (nach
322
Abbau der HBsAg-Hülle mit Detergenzien) mittels ELISA ist möglich. In der Routinediagnostik
kommen diese Methoden selten zum Einsatz.
Indirekter Virusnachweis. Die spezifische
Diagnose einer HDV-Infektion basiert im Wesentlichen auf dem Nachweis von IgM- und
IgG-Antikörpern gegen das HD-Protein mittels
ELISA (anti µ-capture; kompetitive Immunoassays). IgM-anti-HD ist bei der akuten und der
aktiv chronischen Hepatitis D nachweisbar. In
der frühen Phase der Simultaninfektion kann
anti-HD aber auch fehlen. Rasches Verschwinden von IgM-anti-HD spricht für einen gutartigen Verlauf der Super- oder Simultaninfektion.
Die IgG-anti-HD-Antwort tritt bei der Simultaninfektion meist nur transitorisch auf oder
kann gänzlich fehlen. Der Nachweis gelingt am
häufigsten vier bis sechs Monate nach Erkrankungsbeginn. Bei der Superinfektion werden
dagegen hohe anti-HD-Titer erreicht, die auch
nach Ausheilung persistieren. Bei der Koinfektion ist im Gegensatz zur Superinfektion hochtitrig anti-HBc-IgM nachweisbar. Die zusätzliche Bestimmung von anti-HBc-IgM dient zum
Nachweis einer Simultaninfektion von HBV
und HDV.
Chemische Laboruntersuchungen. Erhöhung
von Transaminasen, alkalischer Phosphatase
und Bilirubin sowie Veränderungen hämatologischer Parameter ermöglichen keine ätiologische Zuordnung der Erkrankung. Bei akuter
HDV-Infektion liegen in der Regel erhöhte
Transaminasen (GPT) um 300–400 U/l und Anstiege der Bilirubin-Werte auf ca. 3–6 mg/dl vor.
Therapie
In einigen Studien wurden mit Interferon alpha
(IFN-α), 3-mal 9 bis 10 Mio. IE / Woche über ein
Jahr, bei mehr als 50% der Patienten eine (allerdings nur vorübergehende) Normalisierung der
Transaminasen sowie eine Verbesserung des histologischen Befundes beobachtet. Die Langzeit-Ansprechrate mit anhaltender Viruselimination liegt allerdings nur bei 10–20%. Das Nukleosidanalogon Lamivudin scheint die HDVReplikation nicht zu beeinflussen. Möglicherweise kann es aber die Hepatitisaktivität senken
(Normalisierung der Transaminasen und des
histologischen Befundes). In Mäusen induzierte
eine DNA-Vakzine gegen HDV eine signifikante
Hepatitis D Virus
Th1-Immunantwort, was eventuell therapeutisch genutzt werden könnte.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Für die Pathogenität des Virus werden zwei Mechanismen, die direkte sowie die immunbedingte Zytopathogenität, diskutiert. Frühe in vitro-Studien haben gezeigt, dass HD-Protein-Expression Zytotoxozität induziert, was allerdings
in transgenen Mäusen nicht bestätigt wurde. In
Insektenzellen führte die HD-Protein-Expression zur Zellzyklusunterbrechung. In HeLa-Zellen hemmte die HDV-Replikation die Zellproliferation, wobei der genaue Mechanismus ungeklärt ist. Für einen immunvermittelten Mechanismus spricht der Nachweis einer CD4positiven T-Zell-Antwort (Th1 oder Th0) mit
Nachweis von Zytotoxizität in bestimmten Assays bei Patienten mit HDV-Superinfektionen.
Die drei geographisch unterschiedlich vorkommenden Genotypen von HDV besitzen möglicherweise eine unterschiedliche Virulenz (die
schweren Hepatitis D-Verläufe in Südamerika
waren ausschließlich mit dem HDV-Genotyp III
und dem Genotyp F von HBV assoziiert). Die
Aminosäuresequenz der großen HD-Proteine
divergieren carboxyterminal um mehr als 70%.
Immunhistochemisch kann man unter Einsatz
von genotypspezifischen Antikörpern die Genotypen I und II voneinander unterscheiden,
was klinisch und epidemiologisch von Bedeutung ist.
Transmission
Die Übertragung erfolgt auf dem gleichen Weg
wie von HBV. Die perkutane Inokulation ist die
häufigste Infektionsursache. Seltener als HBV
wird HDV durch Intim- und Schleimhautkontakt übertragen. Vertikale Transmissionen sind
nur vereinzelt beobachtet worden.
genen RNA-Polymerase II und wahrscheinlich
einer weiteren zellulären RNA-Polymerase im
Zellkern unabhängig von dem Helfervirus HBV
statt. Sie vollzieht sich über einen „rollingcircle“ Mechanismus. Als erster Schritt wird die
Virus-RNA in einen mehr als ein Genom langen
Plus-RNA-Strang umgeschrieben, der anschließend in 1,7 kb große Monomere geschnitten
wird. Diese wiederum zirkularisieren und werden dann auf die gleiche Weise transkribiert.
Dabei werden Spaltung und Ligation durch die
HDV-RNA selbst katalysiert. Eine antigenomische RNA von 800 Basen Länge wird im Zytoplasma zum HD-Protein translatiert. Das zunächst synthetisierte kleinere HD-Protein (S)
wird in den Kern zurücktransportiert und befördert dort die RNA-Synthesen. Während der
RNA-Replikation kommt es zum RNA-Editing
durch die zelluläre RNA-abhängige AdenosinDesaminase, welches zur Ablösung der Synthese des HD-Proteins (S) durch ein 19 Aminosäuren längeres HD-Protein (L) führt. Dieses Protein hemmt die RNA-Synthese, ist aber für die
RNA-Wechselwirkung mit dem HBsAg während des Virusassembly und für die Sekretion
notwendig. Beide Proteine werden zu etwa gleichen Teilen in die Viruspartikel inkorporiert.
Kürzlich konnte gezeigt werden, dass das HDProtein die zelluläre RNA-Polymerase II stimulieren kann. Der Mechanismus der Einbeziehung des HBsAg in die Virusmaturation ist
noch unklar. Insgesamt scheint die Vermehrung sehr effizient zu verlaufen, da bis zu 2×1011
HDV-Viruspartikel/ml während der Inkubationszeit im Patientenserum nachweisbar sein
können.
Resistenz
Das Virus übersteht trockene Hitze (60°C) über
längere Zeiträume (30 h).
Immunantwort
Vermehrung und Inkubationszeit
In Infektionsexperimenten an Schimpansen
wurde die Inkubationszeit von vier bis 20 Wochen bei Simultaninfektion und von drei bis
sechs Wochen bei Superinfektion ermittelt.
Die Interaktion mit dem Hepatozyten wird sicherlich über die Wechselwirkung von HBsAg
mit einem zellulären Rezeptor vermittelt. Die
Replikation des Virus findet mit Hilfe der zellei-
Sowohl die Simultan- als auch die Superinfektion können zur IgG- und IgM-Antikörperbildung gegen das HD-Protein führen. Allerdings
ist die humorale Immunantwort bei der Simultaninfektion oft schwach bzw. fehlt gänzlich.
Wie oben beschrieben, sind bei HDV-Superinfektionen auch Th1- und Th0-Immunantworten
beobachtet worden. Das konnte auch bei Versuchen mit HDV-DNA-Vakzinen in Mäusen be323
H
Hepatitis D Virus
stätigt werden, wobei hier auch CD8-positive
zytotoxische T-Zellen induziert wurden.
besserung der sozio-ökonomischen Verhältnisse beigetragen haben.
Wirtsbereich
Genetik
Das natürliche Wirtsspektrum ist auf den Menschen beschränkt. Waldmurmeltiere (Woodchucks), wenn sie chronische Träger des Woodchuck-Hepatitis-B-Virus (WHBV) sind, und
HBsAg-positive Schimpansen lassen sich experimentell mit HDV infizieren. Folgen der Infektion können eine akute, eine chronische Hepatitis sowie eine schnelle Entwicklung von Leberzellkarzinomen – speziell bei Waldmurmeltieren – sein. Primäre Hepatozytenkulturen von
Waldmurmeltieren eignen sich für die HDVVermehrung. Wird das HDV-Genom künstlich
(Transfektion) in Säugerzellen eingeführt, zeigt
seine Replikation keine Spezies-Spezifität.
NCBI: NC001653. Das HDV-Genom besteht aus
einer einzelsträngigen zirkulären RNA mit negativer Polarität von etwas weniger als 1,7 kb
Länge. Etwa 70% der Nukleotide paaren miteinander, so dass unter nicht-denaturierenden Bedingungen eine doppelsträngige, stäbchenförmige Struktur entsteht. Die HDV-RNA enthält
fünf offene Leseraster (ORF) in der genomischen und anti-genomischen Orientierung, von
denen jedoch nach gegenwärtigen Kenntnissen
nur der fünfte ORF, dessen Nukleotidsequenz in
allen HDV-Isolaten konserviert ist, in das HDProtein translatiert wird. Die zweite interessante Eigenschaft der HDV-RNA neben ihrer viroidähnlichen Struktur besteht darin, dass sie
während der Replikation als Ribozym (katalytische RNA) wirken kann. HDV besitzt drei Genotypen, die in ihren Nukleotidsequenzen um
27–40% voneinander abweichen. Die größte
Nukleotiddivergenz gegenüber den Genotypen
I und II von 40% liegt beim Genotyp III vor.
Risikogruppen
Risikogruppen sind chronische HBsAg-Träger.
In Niedrig-Endemiegebieten sind insbesondere
Drogenabhängige, Hämodialysepatienten, oder
Empfänger von multiplen Blut- oder Blutprodukten einem höheren Risiko für eine HDV-Infektion ausgesetzt.
Prävention
Epidemiologie
Das globale Verteilungsmuster von HDV entspricht dem von HBV. Der Anteil von HDV-Infektionen in Relation zu HBsAg-Trägern ist allerdings von der Prävalenz der chronischen Hepatitis B abhängig. In Ländern mit niedriger
HBV-Trägerrate (inklusive Deutschland) spielen HDV-Infektionen nur noch bei Risikopersonen (Drogenabhängige, Hämophiliepatienten)
eine Rolle. In Ländern mit einer mäßigen bis
hohen Prävalenz ist der Anteil an HDV-Infektionen variabel. Bei asymptomatischen HBVTrägern kann er zwischen zehn und 20% und
bei Patienten mit HBV-assoziierten Lebererkrankungen zwischen 30 und 60% liegen. Die
Ursache für die in bestimmten Regionen Südamerikas periodisch auftretenden HDV-Epidemien mit fatalem Ausgang bei zehn bis 20% der
Erkrankten ist bisher unbekannt. Im Gegensatz
dazu sind in China trotz hoher HBsAg-Durchseuchung HDV-Infektionen selten. In Südeuropa wurde die Prävalenz von anti-HDV-Antikörpern von 40% in den 80er Jahren auf circa 12%
gesenkt, wozu u.a. HBV-Impfungen und Ver324
Bisher existiert weder eine spezifische passive
noch eine aktive Impfung. Die Entwicklung von
DNA-Vakzinen befindet sich im präklinischem
Stadium. Anti-HBs-Antikörper nach Impfung
oder nach durchgemachter Hepatitis-B-Infektion schützen vor einer HDV-Infektion. Daher ist
eine Hepatitis-B-Immunisierung der effektivste
Weg einer Prävention. Für HBV-Träger ist eine
Expositionsprophylaxe wie für HBV-Infektionen angezeigt.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Strategien, die der Kontrolle und Vorbeugung
von HBV-Infektionen dienen, beeinflussen gleichermaßen die HDV-Infektionen. Dazu gehören unter anderem die aktive Immunisierung
der Bevölkerung mit HBsAg, das Screening von
Blut- und Blutprodukten auf Hepatitis-B-Marker und Aufklärung von Risikopersonen.
Meldepflicht
Nach IfSG sind die akute Virushepatitis nach
§ 6 und auch der Labornachweis (HDV-RNA
Hepatitis E Virus
und anti-HD-Protein-Antikörper) nach § 7 meldepflichtig.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Morphologie
HEV ist ein nicht verhülltes, sphärisches Partikel von 27 bis 30 nm Durchmesser mit wahrscheinlich ikosaedrischer Symmetrie.
Taxonomie
Konsiliarlabor
Institut für Medizinische Virologie der Universität Gießen, Frankfurter Str. 107, 35392 Gießen,
Telefon: 0641 / 994 1200
Expertenlaboratorien
Institut für Virologie der Universität Essen, Hufelandstr. 55, 45147 Essen, Telefon: 0221/7233550
Institut für Medizinische Mikrobiologie und
Hygiene der Universität Regensburg, Franz-Josef-Strauß-Allee 11, 93042 Regensburg, Telefon
0941 / 944 6401
Web-Adressen
Centers for Disease Control:
http://www.cdc.gov/ncidod/diseases/
hepatitis/
Schlüsselliteratur
1. Karayiannis, P.: Hepatitis D virus. Rev. Med. Virol. 8, 13–24
(1998)
2. Meisel, H.: Hepatitis-D-Virus. In: Diagnostische Bibliothek
(Porstmann T, Hrg), Blackwell-Verlag, Berlin-Oxford, S.
519–532 (1996).
3. Taylor, J.M.: Hepatitis Delta virus. Intervirology 42, 173–
178 (1999)
4. Fields, B.N. et al. (ed.): Virology 3rd edition. LippincottRaven, Philadelphia, 1996
5. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Hepatitis Delta Virus
Hepatitis D Virus
Die taxonomische Klassifizierung des HEV ist
zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abgeschlossen. Provisorisch wurde es wegen seiner strukturellen und physikochemischen Eigenschaften
in die Familie Caliciviridae, Genus Calicivirus
klassifiziert. Neue Analysen seiner Genomorganisation legen jedoch ein enge Verwandtschaft
zu Rubellavirus und den pflanzlichen Furoviren
nahe.
Historie
Im Jahr 1980 wurde HEV als eigenständiges infektiöses Agens identifiziert, als im Verlauf einer epidemischen durch Wasser induzierten
Hepatitis Epidemie in Indien durch serologische Methoden festgestellt wurde, dass diese
epidemische Hepatitis nicht durch Hepatitis A
hervorgerufen wurde. Die Erkrankung wurde
als „epidemische Non-A, Non-B Hepatitis“ bezeichnet. Erst 1990 gelang die molekulare Klonierung des viralen Genoms und damit die
Möglichkeit der genauen Charakterisierung des
Virus.
Erkrankungen/Symptome
HEV Infektionen können klinisch nicht von anderen viralen Hepatitiden unterschieden werden. Hauptsymptome sind Hepatomegalie, Ikterus und Anorexie. Die meisten Patienten klagen über Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
und Fieber. Wie auch bei HAV Infektionen werden bei HEV keine chronischen Verläufe beobachtet. Bei Schwangeren treten jedoch fulminante Verläufe auf.
Differenzialdiagnose
Hepatitis E Virus
Alle anderen Virushepatitiden müssen differenzialdiagnostisch erwogen werden.
Labordiagnostik
Erregerbezeichnung
Hepatitis E Virus (HEV)
Synonym
Keine Daten verfügbar.
IgM und IgG Antikörper gegen HEV können im
ELISA untersucht werden. IgM anti-HEV kann 1
bis 4 Wochen nach der Infektion nachgewiesen
werden. Etwa 3 Monate nach Beginn der Erkrankung sind die IgM Antikörper nicht mehr
325
H
Hepatitis E Virus
nachweisbar. Auch ein ansteigender IgG Titer
ist beweisend für die floride HEV Infektion.
Therapie
Es gibt keine spezifische Therapie der HEV Infektion.
Nord- und Westafrika und Mittelamerika (Mexiko). In den genannten Regionen stellt HEV
die häufigste Ursache der epidemischen Hepatitis dar. Meist wird die Erkrankung über kontaminiertes Trinkwasser übertragen.
Genetik
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Tierversuche an HEV infizierten Affen legen nahe, dass die Leberschädigung hauptsächlich
durch Immunmechanismen hervorgerufen
wird, da infiltrierende Lymphozyten einen zytotoxischen Suppressor-Immunphänotyp aufweisen. Die Ursache für die erhöhte Schädigungsrate bei schwangeren Frauen ist unbekannt.
Transmission
HEV wird wahrscheinlich fäkal/oral übertragen
und ist vorwiegend mit kontaminiertem Trinkwasser assoziiert. Ein sexueller Übertragungsweg erscheint ebenso wahrscheinlich, da eine
Infektionshäufung im jungen Erwachsenenalter
beobachtet wird.
Vermehrung und Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt etwa 40 Tage.
Resistenz
Keine Daten verfügbar.
Immunantwort
Siehe Labordiagnostik.
Das Genom des HEV besteht aus einer einzelsträngigen polyadenylierten (+)-Strang RNA
mit 7,5 kb Länge. Das Genom des HEV Prototypstammes besteht aus einer 5’ nicht kodierenden Region von 27 Nukleotiden, gefolgt von
ORF1, der aus 5079 Basen besteht. Ein zweiter
ORF beginnt im 2. Leserahmen 38 Nukleotide 3’
der Termination des ORF1 und besteht aus 1980
Nukleotiden. Ein dritter ORF3 besteht aus 369
Nukleotiden. ORF1 kodiert für Nicht-Strukturproteine, ORF2 kodiert das Kapsidprotein und
ORF3 kodiert ein kleines immunogenes Protein
von unbekannter Funktion. Da die Virusvermehrung in Zellkultur limitiert ist, sind die genauen Mechanismen der Replikation nicht bekannt. Wahrscheinlich erfolgt das Attachment
an Rezeptoren auf der Oberfläche von Hepatozyten. Nach dem Uncoating wird das RNA Genom wahrscheinlich durch zelluläre Faktoren
translatiert. Prozessierung des translatierten
ORF1 Proteins erfolgt durch zelluläre Proteasen.
Replikative (-)-Strang Intermediat-RNA wird
wahrscheinlich von der viralen Polymerase synthetisiert. Über Virusassembly und -transport
ist nichts bekannt.
Die genomische Sequenz des HEV ist unter der
Genebank Accession No. AF 076239 erhältlich.
Wirtsbereich
HEV kann sowohl auf Menschen als auch auf
Primaten übertragen werden. Als Tiermodelle
haben sich vor allem Cynomolgus und Rhesus
Affen bewährt.
Prävention
Risikogruppen
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Schwangere werden von besonders schweren
Verläufen betroffen. Es besteht jedoch keine erhöhte Prävalenz während der Schwangerschaft.
Alle Altergruppen ab ca. 20 Monaten mit einem
Höhepunkt im jungen Erwachsenenalter können betroffen sein.
Erste Versuche der Erprobung eines Impfstoffes
waren nicht erfolgreich bzw. unsicher. Zurzeit
ist kein Impfstoff gegen HEV erhältlich.
Keine Daten verfügbar.
Meldepflicht
Bei Verdacht, Erkrankung und Tod.
Epidemiologie
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
HEV Infektionen sind beschrieben worden in
Südost- und Zentralasien, im Nahen Osten,
◗ Institut für Virologie, Universitätsklinikum
Essen, Prof. Dr. M. Roggendorf, Hufelandstr.
326
Herpes-simplex-Virus
55, 45122 Essen, Tel: 0201/723 3550, Fax: 0201/
723 5929.
◗ All the virology on the WWW:
http://www.virology.net
◗ National center of biotechnology information: http://www.ncbi.nlm.nih.gov
Schlüsselliteratur
1. Purcell, R.H., Hepatitis E Virus. In: Fields Virology, Third
Edition ed. by B.N. Fields, D.M. Knipe, P.M. Howley et al.,
Lippincott – Raven Publishers, Philadelphia 1996, 2831–
2843.
2. Tsarev et al., Characterization of a prototype strain of
hepatitis E virus. Proc Natl Acad Sci USA 1992; 89: 559–563.
3. Aggarwal, R. and Krawczynski, K. Hepatitis E: An overview
and recent advances in clinical and laboratory research.
Journal of Gastroenterology and Hepatology 2000; 15: 9–
20.
4. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Hepatitis G Virus
GB Virus/ Hepatitis G Virus
proteins (155 kD; VP5 oder UL19). Die Pentons
bestehen aus VP5 und 80 bis 100 Kopien des sog.
Verpex Proteins VP26.
Taxonomie
Der Genus Simplexvirus ist der Familie Herpesviridae und der Unterfamilie der Alphaherpesvirinae zugeordnet. Anhand von DNA Homologien, serologischer Typisierung und klinischer
Symptomatik unterscheidet man zwei Serotypen, das Humane Herpesvirus 1 (Herpes-simplex-Virus 1 (HSV-1)) und das Humane Herpesvirus 2 (Herpes-simplex-Virus 2 (HSV-2)).
Historie
Herpes bedeutet „kriechen, kribbeln, schleichen“ und wurde von Hippokrates für bestimmte Hautkrankheiten verwendet. Morton
(1694) gibt eine genaue Beschreibung des
Krankheitsbildes „Herpes febrilis“. Gegen Ende
des 19. Jahrhunderts wird die Terminologie
Herpesvirus hominis (simplex) eingeführt.
Erkrankungen/Symptome
Herpes hominis
Herpes-simplex-Virus
Herpes-simplex-Virus
Erregerbezeichnung
Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2
(HSV 1 und 2)
Synonym
Herpes-simplex-Virus 1: Humanes Herpesvirus
1
Herpes-simplex-Virus 2: Humanes Herpesvirus
2
Das Herpes-simplex-Virus ist durch das klinische Bild der Bläschenbildung auf der Haut und
den Schleimhäuten dominiert. Die Inkubationsperiode liegt bei der Primärinfektion zwischen 3
und 14 Tagen. Es sollte zwischen einer Primärerkrankung und einer Exazerbation, die die Folge
einer rekurrierenden Infektion sein kann, unterschieden werden. Das Auftreten von Herpesinfektionen am Auge, an inneren Organen und
am peripheren sowie zentralen Nervensystem
zeigt den breiten Organtropismus und die unterschiedlichen Erscheinungsbilder der Erkrankung. Der überwiegende Teil der Primärerkrankungen von Herpes-simplex-Viren sind Kinderkrankheiten, die in 10–50% der Fälle asymptomatisch ablaufen. Das Krankheitsbild des
Herpes-simplex-Virus bezüglich der Gewebsund Organmanifestation ist mannigfaltig und
beinhaltet folgende Erkrankungen:
Morphologie
Das Virion besteht aus einem ikosaedrischen
Kapsid (110 nm) mit 162 Kapsomeren (150
Hexons und 12 Pentons), das das virale Genom
beherbergt, dem Tegument, das das Kapsid umschließt und einer äußeren Membranhülle (envelope) aus Lipiden, die an der Oberfläche mit
Proteinen (spikes) gespickt sind. Die Hexons
enthalten sechs Moleküle des sog. major capsid
Herpes neonatorum (generalisierter Herpes
des Neugeborenen). Die Herpes Sepsis bei Neugeborenen ist überwiegend die Folge einer Infektion im Geburtskanal. Die Häufigkeit des
subklinischen Verlaufs ist unbekannt. Das Herpes neonatorum verläuft mit der Häufigkeit von
1 auf 2.000–5.000 Geburten unbehandelt meistens letal. Die Manifestation beginnt am 9. bis
327
H
Herpes-simplex-Virus
11. Lebenstag mit einer lokalen Infektion der
Haut, Mundschleimhaut, Auge, mukokutane
Bläschen, Keratokonjunktivitis oder Choriorenitis. Anschließend folgt das Stadium des Herpes generalisatus mit dem Befall der inneren
Organe und einem sepsisähnlichen Bild. Die Letalität beträgt ohne Behandlung 80%. Entwicklung einer Enzephalitis meist am 9./10. Lebenstag bei hämatogener Genese, bei retrogradem
axonalem Virustransport am 16./17. Lebenstag
mit den Symptomen von fokalen oder generalisierten Krampfanfällen, Tremor, Unruhe oder
Lethargie.
Enzephalitis, Meningoenzephalitis und Meningitis. Die Herpesenzephalitis repräsentiert 50%
aller Enzephalitiden in Mitteleuropa. Die Eintrittspforte des Virus in das Gehirn sind die
Neuronen des N. olfactorius oder eine Aktivierung von latent im Ganglion gasseri persistierendem HSV. Die Enzephalitis befällt in erster
Linie temporale und orbitoparietale Regionen
des Gehirns und manifestiert sich meist einseitig als eine hämorrhagisch-nekrotisierende Enzephalitis mit einer Letalität von 70% (unbehandelt). Nach einer Genesung können neurologische Restschäden und Abnormitäten zurückbleiben. Die zerebrale HSV-1 Infektion ist
häufiger als eine HSV-2 Infektion, die sich meist
in einer lymphozytären Meningitis äußert. Primäre Herpesmeningitis oder Herpesmeningitis
infolge einer Exazerbation ist ein ernstzunehmendes Krankheitsbild.
Herpes labialis, Gingivostomatitis, Herpes genitalis und Vulvovaginitis herpetica. Bei diesen
Krankheitsbildern dominiert die Bläschenbildung mit einhergehender Entzündung der entsprechenden Schleimhautregionen und einer
meist begleitenden Lymphadenopathie. Die
mazerierenden und exulzerierenden Bläschen
sind blutig und überwiegend sekundär infiziert.
Bei Immunsuppression kann eine ausgedehnte,
auf tiefere Schichten übergreifende Mukositis
entstehen.
Herpetische Keratokonjunktivitis, Choriorenitis und Keratitis. Die HSV Infektion der Kornea
und der Bindehaut führt zu Läsionen vor allem
auf dem Epithel der Hornhaut. Erwachsene sind
am häufigsten betroffen, wenn Neugeborene
betroffen sind, dann meistens nur an einem Au328
ge. Schwere seröseitrige Konjunktivitis. Trübung und oberflächliche Ulzerationen der
Hornhaut. Eventuelles Auftreten von Herpesbläschen im Bereich der Augenlider. Rasche
ohthalmologische Behandlung. Choriorenitis
bei Generalisation (neonataler Herpes, AIDS).
Ekzema herpeticum. Charakterisiert durch eine
schwere generalisierte Infektion mit Flüssigkeitsverlust sowie der Gefahr einer bakteriellen
Superinfektion und möglicher Sepsis. Entstehung verdickter Krusten auf der Haut mit Ekzem-Effloreszenzen, die sich diffus und rasch
ausdehnen können.
Herpetische Hepatitis und Sepsis. Ein sehr seltenes Krankheitsbild mit tödlicher Folge.
Differenzialdiagnose
Zur orofazialen Herpes: Stevens-Johnson-Syndrom, Enterovirus-Infektionen (Herpangia,
Hand-Mund-Fuß-Krankheit), rezidivierende
Aphthen in der Mundschleimhaut anderer Genese, Schleimhautulzera bei Neutropenie bzw.
bestimmten Autoimmunkrankheiten. Zur
HSV-Ösophagitis: Infektionen durch CMV,
Candida spp., Arzneimittelnebenwirkungen.
Zur HSV-Enzephalitis: Enzephalitis durch andere Viren (z.B. VZV, CMV) bzw. Bakterien
(z.B. Tbk, Mykoplasmen), Hirnabszess, Hirntumor, Durchblutungsstörungen, Alkoholentzugssyndrom. Zur HSV-Infektion des Auges:
Zoster ophthalmicus. Zu HSV-Hautläsionen:
H. zoster, Impetigo, Paronychie, Hautmykosen.
Der ischämische Insult weist wie die HSV-Enzephalitis bei Beginn ein normales CT auf.
Labordiagnostik
Eine Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus
kann durch Laboratoriumsuntersuchungen
diagnostiziert werden. Hier stehen folgende Untersuchungsmethoden zur Verfügung:
Direkter Virus-Nachweis. Elektronenmikroskopie, Immun-Elektronenmikroskopie, Virusisolierung über Zellkulturen, Restriktionsenzymanalyse des viralen Genoms, DNA-Hybridisierungstest und Polymerasekettenreaktion
(PCR). Als Untersuchungsmaterial dienen Bläschenflüssigkeit, Liquor, Tränenflüssigkeit und
bei Mundschleimhautinfektion das Rachenspülwasser.
Herpes-simplex-Virus
Indirekter Virus-Nachweis. Nachweis von Virus-spezifischen Antikörpern der Klasse IgM,
IgG und IgA durch KBR, Immunfluoreszenztest, ELISA-Anti-HSV und Neutralisationstest,
Western-Blot aus dem Serum.
Chemische Laboruntersuchungen. Keine spezifische Testverfahren bekannt; histochemisch
können multinukleäre Riesenzellen und intranukleäre Einschlusskörperchen bei Abstrichen
(z.B. Zervix-Abstrich) nach Papanicolaou-Färbung nachgewiesen werden.
Pathologie und Histopathologie. Die betroffenen Organe bei der generalisierten HSV-Sepsis
oder bei der herpetischen Hepatitis der Leber
zeigen eine weiche und zerfallende Konsistenz
mit Plaque-besiedelten Oberflächen. Histopathologisch ist das Vorkommen von Kerneinschlusskörperchen mit marginaler Chromatinverdichtung an den Kernmembranen charakteristisch für die HSV-Infektion. Auflösung der
Zytoplasmamembran und Zusammenballung
mehrerer Zellkerne (bis mehrere Hundert) zu
einer Riesenzelle führen zur Bildung von Synzytien.
Therapie
Als Chemotherapie für die Herpesenzephalitis
kommt in erster Linie Acyclovir (Acycloguanosin), Adenosin-Arabinosid oder die Kombination von beiden in Frage. Joddeoxyuridin-Präparate, Dimethylsulfoxyd, Acyclovir, Trifluormethylthymidin (TFT) sind bei Keratitisherpetika
angezeigt. Zinkoxydpräparate sind bei Hauteffloreszenzen erfolgreich einsetzbar.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Die Pathogenität des HSV ist genetisch determiniert. Eine Besonderheit der Virus-Wirt Wechselwirkung besteht darin, dass HSV nach der
Primärinfektion lebenslang in den Spinalganglien und Ganglien des zentralen Nervensystems des Wirtes latent persistieren (Latenz)
kann. Dieser, als latente Infektion bezeichnete
Zustand, schützt das Virus gegen Angriffe neutralisierender Antikörper sowie gegen die zelluläre Immunabwehr des Wirtes. Das latent persistierende Virus kann durch bestimmte exogene und endogene Faktoren, wie hormonelle,
psychische, stressbedingte, traumatische, chemische und physikalische Einflüsse reaktiviert
werden. Das reaktivierte Virus verbreitet sich
von Zelle zu Zelle, d.h. von den Ganglien durch
die Neuronen bis zu den Zielzellen des Primärinfektionsherdes (z.B. Lippen) und ruft eine rezidivierende Erkrankung hervor, die als Rezidiv
bzw. Rekrudeszenz bezeichnet wird. Die Virulenz und Kontagiosität des HSV ist nicht sehr
hoch und in erster Linie abhängig vom Virusstamm und vom Wirt bzw. dessen Immunstatus. Das HSV ist bei Temperaturen von –70°C
und darüber stabil. Eine Inaktivierung erfolgt
sehr schnell bei Temperaturen über 50°C (z.B.
56°C, 30 min) und nach Behandlung mit Detergenzien wie Natriumhypochlorid und Lipidlösungsmitteln, wie z.B. Ether.
Transmission
Das Virus wird durch direkten Kontakt, hauptsächlich durch Gewebssekretion übertragen,
HSV-2 meist über sexuellen Kontakt oder unter
der Geburt im Geburtskanal.
Vermehrung und Inkubationszeit
Die akute Virusvermehrung findet in vivo in
den Epithelzellen des Nasen-Rachen-Raumes,
der Augen, Genitalien und Nebennieren statt.
Im Allgemeinen folgt eine neurotrope Phase
während der das latente Virus in den Nervenzellen der Ganglien lebenslang persistiert. Das latent persistierende Virus ist unter bestimmten
Risikofaktoren, wie z.B. UV-Licht, chemische
Substanzen, immunsuppressive Therapie und
Stress reaktivierbar. Die in vitro Vermehrung ist
auf Zellkulturen verschiedener Organe (Lungen- und Nierenepithelzellen, Fibroblasten) diverser Spezies möglich. Der zytopathische Effekt (CPE) zeigt sich innerhalb einiger Tage post
infectionem, abhängig vom Virustiter des Inokulums. Die Inkubationsperiode beträgt bei
der Primärinfektion zwischen 3 und 14 Tagen,
beim Herpes neonatorum 9–11 Tage. Bei der
HSV-Enzephalitis beträgt das Prodromalstadium mit Fieber, Nausea und Kopfschmerzen wenige Tage.
Resistenz
Acyclovir resistente Stämme sind sehr selten
(<1% der Isolate) und kommen bei normalen
Patienten kaum vor. Auch besteht kein Hinweis
auf eine Zunahme der resistenten Stämme. Je329
H
Herpes-simplex-Virus
doch sind bei immunsupprimierten Patienten
während der Therapie ca. 5% der Isolate resistent, was zu einer ineffektiven Behandlung führen kann.
Immunantwort
Die durch eine Herpes-simplex-Virus Infektion
hervorgerufene Immunabwehr schützt nicht
gegen eine Reaktivierung des latent persistierenden Virus bzw. vor einer intra- und intertypischen Reinfektion. Auch schützt eine vorhergegangene HSV-1 Infektion nicht vor einer
HSV-2 Infektion.
Wirtsbereich
Das Wirtsspektrum des Virus umfasst außer
dem natürlichen Wirt (Homo sapiens sapiens)
auch zahlreiche andere Spezies wie Affen und
Nager. Auch in vitro zeigt das Virus einen sehr
breiten Wirtsbereich. Verschiedene Zellkulturen von Primaten sind für das Virus empfänglich.
Risikogruppen
Neugeborene von Müttern mit primärem oder
rekurrierendem Herpes genitalis. Bei floridem
Herpes ist Schnittentbindung angezeigt. Im Intervall Indikation von dem Virusnachweis abhängig machen. Ekzemkinder und ekzemkranke Erwachsene. Immunsupprimierte oder immungeschwächte Personen; Patienten unter zytostatischer Therapie, mit Infekten, mit AIDS.
Personen nach Geschlechtsverkehr mit Personen, bei denen ein florider Herpes genitalis besteht.
Epidemiologie
HSV ist weltweit verbreitet und kommt unter
natürlichen Bedingungen nur beim Menschen
vor. Es sind zwei Serotypen bekannt: Typ 1
(HSV-1) infiziert hauptsächlich Zellen der
Mundregion. Die Infektion mit HSV-1 erfolgt
überwiegend schon im Säuglings- und Kindesalter durch Tröpfchen- oder Kontaktinfektion
und bei Jugendlichen vorwiegend durch engen
körperlichen Kontakt. Die Durchseuchungsrate
bis zur Pubertät beträgt ca. 50% und erhöht sich
im Erwachsenenalter auf über 90%, abhängig
vom sozioökonomischen Status und der regionalen hygienischen Infrastruktur der Population. HSV Typ 2 (HSV-2) ist dagegen überwiegend auf die Genitalregion beschränkt. Die
330
Durchseuchungsrate rangiert hier bei ca. 10 bis
20% bei den 20- bis 30-Jährigen in Mitteleuropa, wobei eine Beziehung zwischen sexueller
Aktivität und niederem sozialen Status besteht.
Während der Geburt kann HSV-2 von der Mutter auf das Neugeborene übertragen werden.
Allgemein kann festgestellt werden, dass in höheren Kulturkreisen die Durchseuchung mit
HSV-2 größer ist als in Entwicklungsländern.
Genetik
Das virale Genom ist ein lineares, doppelsträngiges DNA Molekül und enthält 152.262 bp
(HSV-1 Stamm 17) bzw. 154.746 bp (HSV-2
Stamm HG52), registriert in der USA-GenBank
unter „Accessionnumber“ X14112 für das komplette Genom des HSV-1 (Stamm 17) und unter
„Accessionnumber“ Z86099 für das komplette
Genom des HSV-2 (Stamm HG52). Das virale
Genom besteht aus zwei kovalent miteinander
verbundenen Komponenten (long component:
L; short component: S). Beide DNA-Abschnitte
werden von repetitiven DNA Sequenzen flankiert und nochmals in die unique sequences der
langen Komponente (UL) und in die unique sequences der kurzen Komponente (US) untergliedert. Beide Komponenten sind auf einer ideellen Achse im Bereich der so genannten a Sequenzen zu- und voneinander drehbar, womit
vier isomere Formen des viralen DNA Moleküls
entstehen. Das virale Genom beinhaltet drei Replikationsursprünge (origin of replication). Die
DNA Transkription erfolgt unter Mitinanspruchnahme der RNA-Polymerase II des Wirtes und unter Beteiligung viraler Faktoren. Das
virale Genom weist ca. 70 Translationseinheiten
auf, die mit ATG initiiert und mit TAA, TAG
oder TGA terminiert werden. Einige der viralen
Transkripte werden gespleißt.
HSV exprimiert mehr als 70 individuelle Polypeptide während der lytischen viralen Replikationsphase. Hiervon sind ca. 25 virale Proteine
für die Virusvermehrung essentiell. Die viralen
Proteine werden entsprechend der drei Kategorien der HSV Gene (α, β und γ-Gene) als α, β
und γ Proteine, die entsprechend zwischen 2–4,
5–7 und 15–18 Stunden post infectionem exprimiert werden, bezeichnet. Einige virale Proteine
sind phosphoryliert, wie z.B. der α4 Transkriptionsaktivator und andere Strukturproteine.
Das α4 Protein wird auch durch Uridin-Ribosylierung modifiziert. Die genetische Verwandt-
Herpesvirus simiae
schaft zwischen HSV-1 und HSV-2 ist durch
starke Homologien der Nukleinsäure (um 50%)
sowie identische transkriptionelle Strategien
und analoge Genprodukte dokumentiert.
Prävention
Es besteht ein dringender Bedarf zur Entwicklung einer effizienten Prophylaxe gegen die
Herpes-simplex-Virus Infektion. Es ist immer
noch nicht gelungen einen spezifischen Impfstoff zur Verhütung von Primärinfektionen
bzw. HSV Rezidiven zu entwickeln und klinisch
erfolgreich einzuführen. Die bisher angebotenen so genannten „Impfstoffe“ sind nicht als
HSV-spezifischer Immunschutz wirksam, und
ihre Wirkung könnte allenfalls als Placebo-Effekt betrachtet werden.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Prophylaxe des Herpes neonatorum: bei rekurrierendem Herpes genitalis der Schwangeren
regelmäßiger Versuch des Virusnachweises.
Falls negativ, natürliche Geburt; falls in den
letzten Wochen der Schwangerschaft positiv,
Schnittentbindung erwägen. Bei sichtbaren Erscheinungen stets Sectio innerhalb von 24 Std.
nach Blasensprung. Möglicherweise in Zukunft
einige Tage vor Geburtstermin prophylaktisch
Aciclovir und dann normale Entbindung. Passive Immunisierung des Kindes wirkungslos:
Herpes neonatorum tritt auch dann auf, wenn
Antikörper der Mutter passiv übertragen wurden. Aciclovir beim Kind bei den ersten Anzeichen einer Herpesinfektion verabreichen. Pflegepersonal mit rezidivierendem Herpes simplex
auf Neugeborenenstationen nicht beschäftigen.
Meldepflicht
Webadressen
◗ Introduction to virology:
http://www-micro.msb.le.ac.uk/109/
Introduction.html
◗ All the virology on the WWW:
http://www.virology.net
◗ Virus databases on-line:
http://life.anu.edu.au/viruses/
◗ The big picture book of viruses:
http://www.virology.net/Big_Virology/
BVHomePage.html
◗ National center of biotechnology information: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/
◗ Links to further information on viruses: http://www2.rki.de/INFEKT/ENIVD/RS1.HTM
◗ The International Committee on Taxonomy
of Viruses:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ICTV/
◗ Centers for disease control and prevention:
http://www.cdc.gov
◗ Institute for molecular virology university of
Madison, Wisconsin: http://www.
bocklabs.wisc.edu/Welcome.html
◗ Institut für Klinische und Molekulare Virologie, Universität Erlangen:
http://www.virology.uni-erlangen.de/
hyp.htm
◗ WHO World Health Organization:
http://www.who.int/
Schlüsselliteratur
1. Whitney, R.J., Herpes-simplex-Virus. In: Virology, Second
Edition, edited by Fields, B.N., Knipe, D.M, et. al., Raven
Press, Ltd. New York, Vol. 2, (1990) 1843–1888.
2. Gorbach, S.I., Bartlett, J.G., Blacklow, N.R. (eds), Infectious
Diseases, W.B. Saunders Company (1992).
3. Becker, Y., Darai, G. (eds), Pathogenicity of Human
Herpesviruses due to Specific Pathogenicity Genes,
Frontiers of Virology 3, Springer-Verlag Berlin Heidelberg
New York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong, Barcelona,
Budapest (1994).
4. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Enzephalitis ist meldepflichtig.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Herpesvirus B
B-Virus
Referenzzentrum
Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein, Institut für Klinische und Molekulare Virologie, Schlossgarten
4, 91054 Erlangen, Tel. 09131–853563, Fax. 09131–
852101.
Herpesvirus simiae
B-Virus
331
H
Heterophyes
Heterophyes
Darmegel
Heubazillen
Bacillus-Arten, fakultativ pathogene
keine Unterschiede zwischen var. capsulatum
und var. duboisii.
Taxonomie
Klasse:
Euascomycetes
Ordnung: Onygenales
Familie: Onygenaceae
Gattung: Histoplasma
Art:
Histoplasma capsulatum, Teleomorph: Ajellomyces capsulatus (= Emonsiella
capsulata Kwon-Chung) McGinnis & Katz
Highlands J Virus
Alphaviren
Histoplasma capsulatum
Erregerbezeichnung
Histoplasma capsulatum Darling 1905 Histoplasma capsulatum var. capsulatum Histoplasma capsulatum var. duboisii Vanbreuseghem
1952
Synonym
Cryptococcus capsulatus, Histoplasma pyriforme u.a.
Morphologie
Dimorph.
Wirtsgewebe. Var. capsulatum: Mehrere knospende Hefezellen in phagozytierenden Zellen
des RES, 2–3×3–4 µm Durchmesser. In gefärbten Schnittpräparaten sind die Pilzzellen von
hyalinem Hof umgeben. Tochterzellen sitzen
mit schmaler Basis der Mutterzelle auf.
Var. duboisii: Pilzzellen in vivo größer: 7–15 µm.
Kultur bei 24°C. Watteähnliches, weißes, später
bräunliches Myzel, unterseits cremefarben bis
bräunlich. Mikroskopisch: Mikrokonidien unmittelbar oder kurzgestielt der Hyphe aufsitzend, einzellig, birnenförmig, 1–4×2–6 µm. Makrokonidien braun, auf kurzen Konidiophoren,
dickwandig, kugelig, morgensternartig mit
oberflächlichen Projektionen, 8–14 µm.
Kultur bei 37 °C. Auf Herz-Hirn-Agar cremefarbene, glänzende, rundlich erhabene Kolonien,
später mit unregelmäßigem Rand. Knospende
Hefezellen bis 7 µm. Mikroskopisch in Kulturen
332
Historie
Erste Fall- und Erregerbeschreibung von S. T.
Darling 1905 in Panama, der den intrazellulär
lokalisierten Organismus als neues Protozoon
beschrieb. Erste Vermutung der Pilznatur 1912
durch H. de Rocha-Lima. Von W. A. de Monbreun 1933 erstmals aus infiziertem Kind isoliert.
Erkrankungen/Symptome
Synonyme für Erkrankung mit var. capsulatum. Amerikanische Histoplasmose, Kleinzellige Histoplasmose, Klassische Histoplasmose,
Darling's Disease.
Akute primäre Histoplasmose. Anfangs in der
Lunge lokalisiert. Grippe-ähnliche Symptome:
Fieber, Schüttelfrost, Schweißausbrüche, Halsschmerzen, Thoraxschmerzen, Husten, Dyspnoe. Schwellung der mediastinalen oder Hiluslymphknoten. Intrazelluläre Lokalisation
der Pilze (RES-Zellen). Röntgenologisch dichte,
in den Lungenfeldern disseminierte Knötchen
oder parenchymatöses Infiltrat. Meist gutartiger und selbstlimitierender Verlauf.
Chronisch-progressive Histoplasmose. Gleiche
Symptome wie akute Form, jedoch schwerer,
mit Hämoptysen und Kavernenbildung, Gewichtsverlust, Ulzerationen an Schleimhäuten.
Typisch ist die Verkalkung zentral-nekrotischer
Herde mit peripheren fibrösen Zonen (Lunge,
Milz u.a.).
Disseminierte Histoplasmose. Akut oder chronisch, Gewichtsverlust, Verschlechterung des
Allgemeinzustandes, Anämie, Leukopenie, Hepato-Splenomegalie, multiple Lymphknotenschwellungen, Husten, Auswurf, Thoraxschmerzen, Lungenkavernen, Meningoenze-
Histoplasma capsulatum
phalitis, Endokarditis, intestinale Ulzera, Nieren-, Nebennieren-, Pleura-, Augenbefall. Meist
letaler Verlauf nach Wochen oder Monaten.
Synonyme für Erkrankung mit var. duboisii.
Afrikanische Histoplasmose, Großzellige Histoplasmose. Lokalisierte chronische Form: Breites Befallsspektrum der Organe: Hautbefall am
häufigsten an unbedeckten Körperstellen: Abszesse, Ulzerationen, wuchernde Granulome.
Schleimhautbefall. Infektion der Knochen:
Osteolysen, Osteitis, Osteomyelitis. Lymphknotenbefall. Lungenbefall ist selten. Lokalisierte
Formen verlaufen meist benigne. Disseminierung: Selten, aber mit letalem Verlauf.
Differenzialdiagnose
Akute pulmonale Manifestation: Pneumonien
durch Mycoplasma, Legionella, Chlamydia
pneumoniae, Coxiella burnetii und Mycobacterium tuberculosis; Chronisch pulmonale Manifestation: Infektion mit Mycobacterium tuberculosis, Mycobacterium avium-intracellulare,
Coccidioides immitis, Wegener's Granulomatose, Karzinome. Leishmaniose ist eine histologische Differenzialdiagnose.
Labordiagnostik
Untersuchungsmaterial. Sputum, Bronchiallavage, Blut, Biopsiematerial.
Mikroskopischer Direktnachweis. Intrazellulär
lokalisierter hefeähnlicher Zellen mit hyalinen
Höfen ist pathognomonisch (Versilberung,
PAS, Giemsa, Calcofluor White). Kultur und
mikroskopische Merkmale siehe Morphologie.
Serologie. Nachweis von präzipitierenden oder
komplementbindenden Antikörpern.
Biologische Sicherheitsstufe III!
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Infektion des immunkompetenten Menschen
ist bei Inhalation großer Erregermengen möglich. Konidien keimen in Alveolen als Hefezellen aus. In ruhenden Makrophagen und in Granulozyten Persistenz und Vermehrung der Pilze. Ausbreitung des Erregers im Organismus in
der Regel nur bei Insuffiziens unspezifischer
und zellulärer Immunreaktionen.
H und M-Antigene sind pluripotente Glykoproteine und vermutlich virulenzassoziiert.
Transmission
Inhalation von Sporen bei Aufenthalt in Regionen mit hoher Erregerdichte. Keine Übertragung von Mensch zu Mensch, außer bei Transplantationen. Laborinfektionen durch Inhalation kultivierter Sporen.
Vermehrung und Inkubationszeit
Inkubationszeit 3 bis 21 Tage.
Resistenz
In stickstoffhaltigem Erdboden bleibt der Pilz
vermutlich lange lebensfähig.
Immunantwort
Die zelluläre Abwehr ist entscheidend. Sporen
werden von Alveolarmakrophagen phagozytiert
aber nicht abgetötet. CD4+ T-Lymphozyten
müssen Makrophagen (durch IFNγ) aktivieren.
Außerdem beteiligt sind Granulozyten und NKZellen. Humorale Antwort ist vorhanden, IgM,
IgG und IgA sind im Serum nachweisbar, jedoch
ohne wesentliche Bedeutung für Abwehr oder
Schutz vor Reinfektion.
Wirtsbereich
Mensch und breites Spektrum an Wirbeltieren;
Fledermäuse erkranken, Vögel sind nur besiedelt.
Therapie
Primär akute Form ist oft selbstlimitierend und
bedarf keiner spezifischen Therapie. Chronisch
fortschreitende und disseminierte Histoplasmose: Amphotericin B (0,5–0,7mg/kg/die über
2–3 Wochen), danach Itraconazol (400mg/die
über 3 Monate). Bei ZNS Beteiligung Fluconazol
(800mg/die). Suppressionstherapie bei HIVInfektion mit Itraconazol (400mg/die).
Risikogruppen
Bewohner von Endemiegebieten, Höhlengänger, Patienten mit defizienter zellvermittelter
Immunantwort, besonders AIDS-Kranke.
Epidemiologie
Endemiegebiete: Var. capsulatum: MississippiTal, Osthälfte der USA, Lateinamerika, Afrika.
333
H
Histoplasma pyriforme
Vereinzelte Fallberichte aus Australien, Südostasien, Israel, Europa. Var. duboisii: Tropisches
Afrika. Natürliches Reservoir: mit den stickstoffreichen Exkrementen von Vögeln, Hühnern und Fledermäusen angereicherte Erde. In
Endemiegebieten der USA sind 85–95% der Bewohner Histoplasmin-Hauttest positiv, dort erkranken 26% der HIV- Patienten, in übrigen
Gebieten der USA 2%.
Genetik
Histoplasma hat ein Genom von ca. 2 bis 3×107
bp, ≥7 Chromosomen; klinische und Umweltisolate sind haploid, partiell diploid. Ein sexueller Vermehrungszyklus ist bekannt, weshalb die
Zuordnung zu den Ascomyceten erfolgte.
◗ Ajellomyces capsulatus Hefe-spezifisches
Protein MS88 (MS88) mRNA: AF357882
◗ Ajellomyces capsulatus MS8 (MS8) mRNA:
AF292398
◗ H. capsulatum kleine UE 18S rRNA: Z67752
◗ Ajellomyces capsulatus M Antigen Gen:
AF026268
◗ H. capsulatum Hefe-spezifische (YPS-3)
mRNA, 3' Ende: L16845
◗ Ajellomyces capsulatus Hefe-spezifisches
Protein (YPS-21) Gen,: U83168
◗ Ajellomyces capsulatus var. duboisii große
UE rRNA Gen, partielle Sequenz: AF071951
◗ H. capsulatum ssp. duboisii 18S rRNA Gen:
Z75306
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
◗ Konsiliarlabor: Robert-Koch-Institut, Nordufer 20, FG212,D-13353 Berlin: http://yellowfever.rki.de/INFEKT/STECKBRF/STBR.HTM
◗ National Centers of Disease Control, Mycotic
Diseses Branch, Atlanta, GA 30333, USA.
◗ Centers for disease control and prevention:
http://www.cdc.gov/ncidod/dbmd/
diseaseinfo/histoplasmosis_g.htm
◗ HIV-Infektion und Histoplasmose: University of California San Francisco and San Francisco General Hospital:
http://hivinsite.ucsf.edu
◗ Weitere Informationen:
http://www.medinet.net.mx/seguro/Libros/
Nelson/PARTXVI/ID063.htm
Schlüsselliteratur
1. Schwarz J, 1981. Histoplasmosis. Plenum Press New York.
2. Kwong-Chung, KJ & Bennett, JW. 1992, Medical Mycology.
Lea & Febiger, Philadelphia. pp. 464.
3. Wu-Hsieh, B & Howard DH. 1993. Histoplasmosis. In:
Murphy JW, Friedman H, Bendinelli M (eds.), Fungal
infections and immune response. Plenum Press New York,
pp. 213.
4. Müller J 1992. Dimorphe Pilze. In: Burkhardt F. (Ed.):
Mikrobiologische Diagnostik. G. Thieme Verlag, Stuttgart,
New York, pp. 478–486.
5. De Hoog, GS, Guarro, J, Gene, J, Figueras, MJ. Atlas of
Clinical Fungi. Centraalbureau voor Schimmelcultures,
Universitat Rovira i Virgili, 2000; 708.
Prävention
Expositionsprophylaxe: Atemschutz in Fledermaushöhlen und Hühnerställen und bei Feldarbeit in Endemiegebieten. Immunsupprimierte
sollten Aufenthalt in Endemiegebieten meiden.
Bei Hochrisikopatienten in Endemiegebieten
mit CD4+ Zellen <150/µl ist Itraconazol als Prophylaxe zu erwägen.
Histoplasma pyriforme
Histoplasma capsulatum
HIV-1
Humanes Immundefizienz Virus
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Feststellung des Durchseuchungsgrades in Endemiegebieten mit Histoplasmin-Hauttest. Koordination und Erhebungen zur Histoplasmose
in Deutschland im Rahmen der ECMM- Surveys
durch das Robert-Koch-Institut Berlin (Konsiliarlabor).
Meldepflicht
Keine.
334
HIV-2
Humanes Immundefizienz Virus
HTLV-1
Humanes T-Zell Leukämie Virus
Humanes Herpesvirus 6
HTLV-2
Humanes Herpesvirus 3 (HHV 3)
Humanes T-Zell Leukämie Virus
Varicella Zoster Virus
Human foamy virus
Humanes Herpesvirus 4
Humanes Spumaretrovirus
Epstein-Barr-Virus
Humanes Coxsackievirus A1–23 und
A24
Humanes Herpesvirus 5 (HHV 5)
Cytomegalie Virus (CMV)
Coxsackieviren
H
Humanes Herpesvirus 6
Humanes Coxsackievirus B1–B6
Coxsackieviren
Erregerbezeichnung
Humanes Herpes Virus 6
Synonym
Humanes Echovirus 1–7, 9, 11–21,
24–27 und 29–33
HBLV
Echoviren und Parechoviren
Das Virion besteht aus einem ikosaedrischen
Kapsid (90–110 nm) mit 162 Kapsomeren, das
das virale Genom (60 nm) beherbergt. Das Tegument umschließt das Kapsid, das wiederum
von einer aus Lipiden bestehenden Membranhülle, dem Envelope umgeben ist. Die Envelope-Oberfläche ist mit Glykoproteinen (spikes)
bestückt. Der Durchmesser des Gesamtpartikels
beträgt 170–200 nm.
Humanes Enterovirus 68, 69, 70 und
71
Enteroviren 68–71
Morphologie
Humanes Hepatitis B Virus
Taxonomie
Hepatitis B Virus
Genus Roseolovirus in der Familie der Herpesviridae und der Unterfamilie der Betaherpesvirinae. Anhand von Zelltropismus, Antigenität,
Nukleotidsequenz und Krankheitsassoziationen werden zwei Varianten, A und B, unterschieden. Die genetische Homologie zwischen
diesen beiden Typen beträgt 95%. Die meisten
klinischen Isolate sind vom Typ B.
Humanes Hepatitis C Virus
Hepatitis C Virus
Humanes Herpesvirus 1
Historie
Herpes-simplex-Virus
HHV-6 wurde erstmals von Salahuddin et al.
1986 bei Patienten mit lymphoproliferativen Erkrankungen, darunter Patienten mit „acquired
immunodeficiency syndrome“ (AIDS) isoliert
und als humanes B-lymphotropes Virus
(HBLV) bezeichnet. Aufgrund seiner Morpho-
Humanes Herpesvirus 2
Herpes-simplex-Virus
335
Humanes Herpesvirus 6
logie und der eindeutigen Abgrenzbarkeit gegenüber den bekannten Herpesviren erfolgte
die Einteilung als humanes Herpesvirus-6. 1988
wurde HHV-6B als häufigster Erreger des Exanthema subitum identifiziert, HHV-6A konnte
bislang nicht sicher einem definierten Krankheitsbild zugeordnet werden.
Erkrankungen/Symptome
Die Primärinfektion mit HHV-6B erfolgt typischerweise in der frühen Kindheit und manifestiert sich bei 30–60% der Infizierten als Exanthema subitum (Synonyma: Roseola infantum,
kritisches Dreitagefieber). Trotz eines hohen
Fiebers (39–41°C) über 3–5 Tage („Dreitagefieber“) präsentieren sich die Kinder ungewöhnlich symptomarm: milde Pharyngitis, Otitis,
zervikale Lympadenopathie, selten Fieberkrämpfe. Das periphere Blutbild zeigt typischerweise eine Leukopenie mit relativer Lymphozytose. Das Auftreten eines makulopapulösen Hautausschlages mit Betonung des Rumpfes und des Nackens („Roseola infantum“), setzt
zeitgleich mit dem Abfiebern ein („Morgenröte
der Genesung“) und bildet sich ebenfalls innerhalb von Stunden bis einigen Tagen zurück.
HHV-6 wird auch mit Mononukleose-ähnlichen Erkrankungen sowie mit selbstlimitierenden Hepatitiden, epileptischen Anfällen und
Enzephalitiden in Verbindung gebracht, letzteres mit fatalem Ausgang speziell bei Patienten
mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten. Auch interstitielle Pneumonien nach
Knochenmarkstransplantation sowie Abstoßungskrisen nach Nierentransplantation werden von HHV-6 berichtet. Eine Beteiligung von
HHV-6 am Chronic Fatigue Syndrom, Multipler
Sklerose (MS) oder an der Entstehung von Malignomen ist derzeit Gegenstand der Forschung.
Differenzialdiagnose
Insbesondere CMV und EBV-Infektion, weiter
Masern, Röteln und Erythema infectiosum.
Labordiagnostik
Das Dreitagefieber stellt eine harmlose Kinderkrankheit dar und kann klinisch diagnostiziert
werden. Bei schwerwiegenden Manifestationen
mit vermuteter HHV-6-Ätiologie ist die Bestimmung der Viruslast mittels quantitativer PCR
möglich. Als Zeichen einer akuten Infektion gilt
der Virusnachweis im Serum, Plasma oder Li336
quor. Bei anderen Materialien (z.B. bronchoalveoläre Lavage, lymphatisches Gewebe) ist die
Abgrenzung von der normalen Viruspersistenz
schwierig.
Direkter Virusnachweis. PCR (nested, nonisotropic, quantitative, multiplexed), Zellkultur,
Immunhistochemie, Hybridisierung mittels
Southern-Blot.
Indirekter Virusnachweis. IFT (Standardtest),
EIA, Immunoblot. Nachweis von IgG- und IgM
Antikörpern, allerdings relativ geringe Sensitivität. Eine Serokonversion oder ein positiver
IgM-Nachweis sprechen, speziell bei Kleinkindern, für eine frische Infektion. Bei Immunsupprimierten ist die Aussage von HHV-6 Antikörpern sehr gering.
Therapie
Eine spezifische Therapie ist nicht indiziert. Da
die Diagnose meist erst mit dem Abklingen der
Erkrankung gestellt wird, ist auch der Zeitpunkt
einer effektiven antiviralen Therapie meist verpasst. Eine Patientenisolierung ist aufgrund der
hohen Durchseuchungsrate in der Bevölkerung
nicht notwendig.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Die Virulenz und Kontagiosität des HHV-6 ist
sehr hoch, was aus der frühen und hohen Serokonversionsrate abzuleiten ist. HHV-6 hat einen zytopathischen Effekt auf Lymphozyten in
Zellkultur, der von jenem durch HHV-7 nicht
unterscheidbar ist.
Transmission
Die HHV-6-Infektion dürfte über die oropharyngeale Route stattfinden, wofür der hohe Virustiternachweis im Speichel spricht. Weiter ist
eine Übertragung durch Bluttransfusionen und
Organtransplantationen möglich, aber auch der
kongenitale und sexuelle Übertragungsweg
wurden beschrieben.
Vermehrung und Inkubationszeit
Wie alle Herpesviren persistiert HHV-6 nach
der Primärinfektion vermutlich ebenfalls lebenslang im Wirt („Latenz“). Ein endgültiger
Beweis hierzu steht jedoch noch aus. Als Persis-
Humanes Herpesvirus 7
tenzort vermutet man Speicheldrüsen, zirkulierende T-Lymphozyten, Monozyten/Makrophagen und dendritische Zellen.
koproteine. 8 Proteine sind an der Zellmembran
und 6 am Envelope lokalisiert.
Prävention
Resistenz
Die in vitro Sensitivität gegenüber Ganciclovir
und Foscarnet konnte nachgewiesen werden. In
vivo Daten sind nicht ausreichend bekannt. Es
besteht jedoch eine relative in vivo Resistenz gegenüber Aciclovir: bei HIV-Patienten unter Aciclovir fand sich ein positiver HHV-6 Nachweis.
Präventive Maßnahmen sind nicht bekannt.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Impfstoffe und spezifische Immunglobuline
existieren nicht.
Meldepflicht
Immunantwort
Die humorale Antwort auf HHV-6 ist nur
schwach ausgeprägt, virus-neutralisierendes
IgM ist nach 5–7 Tagen mit einem Maximum
nach 2–3 Wochen nachweisbar. Eine Bedeutung
der zellulären Immunantwort für die Kontrolle
der Infektion ergibt sich aus den häufigen Reaktivierungen bei Patienten mit Defekten der zellulären Immunität (AIDS, Organtransplantation). Häufig sind virale Ko-Infektionen mit EBV,
CMV oder HIV.
Keine.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Mensch (DNA-Isolation auch aus Zervikalabstrich, Nabelschnurblut, Epidermis und Gewebe
von Spontanaborten) und Lymphozyten von
verschiedenen Affenarten.
◗ NKL: Prof. N. Müller-Lantzsch, Inst. für Med.
Mikrobiologie und Hygiene, Abt. Virologie,
Universitätskliniken des Saarlandes:
http://www.uniklinik-saarland.de/virologie
◗ EL: Dr. F. Neipel, Inst. für Klinische und Molekulare Virologie, Universität Erlangen: http://www.viro.med.uni-erlangen.de
◗ Organ Transplant Association:
http://organtx.org/toc.htm
◗ Centers for disease control and prevention:
http://www.cdc.gov
◗ Virology Down Under:
http://www.uq.edu.au
Risikogruppen
Schlüsselliteratur
Kleinkinder, immunkompromittierte Patienten.
1. Chou, S., Roseola infantum and other infections caused by
Herpesvirus-6. In: Infectious diseases, fifth edition. Ed.:
Hoeprich, P.D., Jordan, M.C., and Ronald, A.R. J.B.
Lippincott-Raven Publ., Philadelphia 1994.
2. Lopez, C., Human Herpesviruses 6 and 7- molecular
biology and clinical aspects. In: The human herpesviruses.
Ed.: Roizman, B., R.J. Whitley and C. Lopez. Raven Press
Ltd., New York 1993.
3. Pellet, P.E. and Black, J. B. Human Herpesvirus 6. In: Fields
Virology, third edition, Ed.: Fields, B.N., Knipe, D.M.,
Howley, P.M. et al. Lippincott-Raven Publ., Philadelphia
1996.
4. Pellet, P.E. and Dollard, S.C. Human Herpesviruses 6, 7
and 8. In: Clinical Virology Manual, third edition, Ed.:
Specter, S., Hodinka, R.L., Young, S.A., ASM Press,
Washington D.C. 2000.
5. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Wirtsbereich
Epidemiologie
Bereits bei Dreijährigen wird eine Seroprävalenz von 90% gefunden, im Gehirn von Erwachsenen gelingt der Virusnachweis in 80%.
Genetik
(Accession-No. des Genoms NC_001664). Das
Virusgenom umfasst 160–170 kbp linearer doppelsträngiger DNA und kodiert ca. 100 Gene. Es
setzt sich zusammen aus einer „Unique Region“
(143 kbp) und flankierenden terminalen repetitiven Sequenzen (13 kbp). Isoformen wie bei
Herpes-simplex-Viren gibt es daher nicht. Der
mittlere G+C-Gehalt beträgt 43%. Starke Sequenzhomologien innerhalb der Herpesviridae
besteht für ca. 40 Gene, v.a. CMV und HHV-7.
Mehr als 20 HHV-6 spezifische Proteine konnten bislang isoliert werden, 9 davon waren Gly-
Humanes Herpesvirus 7
Erregerbezeichnung
Humanes Herpes Virus 7
337
H
Humanes Herpesvirus 7
Keine Daten vorhanden.
CMV-Infektion vermehrt HHV-7 nachgewiesen.
Morphologie
Differenzialdiagnose
Morphologisch entspricht das HHV-7 dem klassischen Aufbau der humanen Herpesviren. Das
Virion (180–200 nm) besteht aus einem ikosaedrischen Kapsid, bestehend aus 162 Kapsomeren, und beherbergt das virale Genom. Das Tegument umschließt das Kapsid, das wiederum
von einer aus Lipiden bestehenden Membranhülle, dem Envelope umgeben ist. Die Oberfläche ist mit Proteinen, den so genannten
„Spikes“, bestückt.
Insbesondere HHV-6 Infektionen.
Synonym
Taxonomie
Genus Roseolovirus in der Familie der Herpesviridae und der Unterfamilie der Betaherpesvirinae. Die genetische Homologie zwischen
HHV-6 und HHV-7 beträgt 50–60%.
Historie
HHV-7 wurde erstmals 1990 von Frenkel et al.
aus CD-4 positiven T-Lymphozyten eines gesunden Erwachsenen isoliert, die in Kultur
spontan zytopathogene Effekte aufwiesen. Aufgrund seiner Morphologie und der serologischen und genetischen Abgrenzbarkeit gegenüber HHV-6 erfolgte die Klassifikation als
HHV-7.
Erkrankungen/Symptome
Die Primärinfektion mit HHV-7 erfolgt typischerweise in der frühen Kindheit, jedoch etwas
später als bei HHV-6. Die Mehrzahl der Primärinfektionen geht möglicherweise ohne Krankheitssymptome einher, was aus der serologisch
nachgewiesenen hohen Durchseuchung der Bevölkerung abzuleiten ist. Bislang konnte kein
Krankheitsbild eindeutig dem HHV-7 zugeordnet werden. HHV-7 wird für knapp 10% der Exanthema subitum Fälle (Fieber 39°C–41°C für 3–
5 Tage, milde Pharyngitis, Otitis, zervikale
Lymphadenopathie, makulopapulöser Hautausschlag mit Betonung des Rumpfes und des
Nackens zeitgleich mit dem Abfiebern, Rückbildung des Ausschlages innerhalb von Stunden
bis einigen Tagen) verantwortlich gemacht. Bei
Immunsupprimierten (z.B. nach Organtransplantation) wird 2–4 Wochen vor Beginn einer
338
Labordiagnostik
Virusnachweis: Untersuchungsmaterialien, aus
denen HHV-7 isoliert werden konnte, sind TLymphozyten, Speichel und Speicheldrüsenbiopsate des Patienten.
Zellkultur. Anzüchtung IL-2 stimulierter TLymphozyten oder Ko-Kultivierung mit aktivierten Lymphozyten aus Nabelschnurblut. Virusdetektion mit monoklonalen Antikörpern
oder quantitativ mittels PCR möglich.
Serologische Testverfahren. IFT, EIA und Immunoblot. Es bestehen Kreuzreaktivitäten zu
HHV-6.
Therapie
Eine Therapie ist nicht bekannt. In vitro ist
HHV-7 sensitiv auf Cidofovir. Eine Patientenisolierung ist nicht notwendig, da ein hoher
Durchseuchungsgrad der Bevölkerung vorliegt.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Die Virulenz und Kontagiosität des HHV-7 ist
sehr hoch, was aus der hohen und frühen Serokonversionsrate abzuleiten ist. In HHV-7 infizierten Zellkulturen tritt ein Zelltod durch Lyse
oder Apoptose ein. Die Antigenvariabilität ist
noch Gegenstand der Forschung.
Transmission
Die Übertragung geschieht wahrscheinlich über
den Speichel.
Vermehrung und Inkubationszeit
Bisher konnte nur in den Speicheldrüsen eine
Produktion von HHV-7 nachgewiesen werden.
Ob die hohe Rate an Virusnachweis bei Gesunden eine persistierende Infektion oder eine reaktivierte latente Infektion darstellt, ist noch
unklar.
Humanes Herpesvirus 8
Resistenz
Meldepflicht
Keine.
Keine.
Immunantwort
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Wie alle Herpesviren persistiert das HHV-7
nach Primärinfektion vermutlich lebenslang im
Wirt. Als Persistenzort vermutet man neben TLymphozyten, die Speicheldrüsen und die Epithelien des Oropharynx. Hierfür spricht der Virusnachweis aus Speichel bei 55% von gesunden
Erwachsenen.
Wirtsbereich
HHV-7 wurde bisher nur bei humanen Proben
untersucht.
Risikogruppen
Kleinkinder, immunkompromittierte Patienten.
Epidemiologie
Nachweis von HHV-7 bei gesunden Erwachsenen 75% in den Speicheldrüsen, 55% im Speichel. Bei HIV-Patienten steigt die Nachweishäufigkeit im Speichel auf 81%. Serologische Untersuchungen (Immunfluoreszenz, ELISA) zeigen
eine hohe Serokonversionsrate im frühen Kindesalter (2–5 Jahre).
Genetik
(Accession-No. des Genoms NC_001716). Das
Virusgenom umfasst 140–150 kbp linearer doppelsträngiger DNA. Der Genomaufbau ist identisch mit dem von HHV-6 und setzt sich zusammen aus einer zentralen „Unique Region“ (ca.
133 kbp) und flankierenden terminalen Repetitionen (ca. 6 kbp) in gleicher Orientierung in
der Form DRL-U-DRR. Diese Genomorganisation ist einzigartig bei Herpesviren und ähnelt denen des „Channel Catfish Virus“. Isoformen wie
bei Herpes-simplex-Viren finden sich nicht.
Der mittlere G+C-Gehalt beträgt 43%. Die Aminosäuresequenzhomologie zwischen HHV-7
und den HHV-6 Varianten beträgt 22–75%.
Prävention
Präventive Maßnahmen sind nicht bekannt.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Impfstoffe und spezifische Immunglobuline
existieren nicht.
◗ NKL: Prof. N. Müller-Lantzsch, Inst. für Med.
Mikrobiologie und Hygiene, Abt. Virologie,
Universitätskliniken des Saarlandes:
http://www.uniklinik-saarland.de/virologie
◗ EL: Dr. F. Neipel, Inst. für Klinische und Molekulare Virologie, Universität Erlangen: http://www.viro.med.uni-erlangen.de
◗ Centers for disease control and prevention:
http://www.cdc.gov
◗ Virology Down Under:
http://www.uq.edu.au
Schlüsselliteratur
1. Chou, S., Roseola infantum and other infections caused by
Herpesvirus-6. In: Infectious diseases, fifth edition. Ed.:
Hoeprich, P.D., Jordan, M.C., and Ronald, A.R. J.B.
Lippincott-Raven Publ., Philadelphia 1994.
2. Lopez, C., Human Herpesviruses 6 and 7- molecular
biology and clinical aspects. In: The human herpesviruses.
Ed.: Roizman, B., Whitley, R.J. and Lopez, C. Raven Press
Ltd., New York 1993.
3. Pellet, P.E. and Black, J. B. Human Herpesvirus 7. In: Fields
Virology, third edition, Ed.: Fields, B.N., Knipe, D.M.,
Howley, P.M. et al. Lippincott-Raven Publ., Philadelphia
1996
4. Pellet, P.E. and Dollard, S.C. Human Herpesviruses 6, 7
and 8. In: Clinical Virology Manual, third edition, Ed.:
Specter, S., Hodinka, R.L., Young, S.A., ASM Press,
Washington D.C. 2000
5. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Humanes Herpesvirus 8
Erregerbezeichnung
Humanes Herpesvirus 8 (HHV-8)
Synonym
Kaposi-Sarkom-assoziiertes Herpesvirus (KSHV)
Morphologie
Die Morphologie von HHV-8 entspricht dem typischen Aufbau eines Herpesvirus. Die Viruspartikel bestehen aus einem strukturierten ikosaedrischen Kapsid, das die virale lineare doppelsträngige DNA beherbergt. Das Kapsid ist
von einem amorphen Protein-Tegument und
339
H
Humanes Herpesvirus 8
einer sphärischen Lipidhülle mit GlykoproteinFortsätzen umgeben.
Taxonomie
HHV-8 gehört zur Familie der Herpesviridae
und wird aufgrund von Sequenzhomologien der
viralen DNA in das Genus Rhadinovirus innerhalb der Unterfamilie der Gammaherpesvirinae
eingeordnet. Im Genus Rhadinovirus ist HHV-8
der einzige humanpathogene Vertreter.
eng assoziiert. Experimentell konnte gezeigt
werden, dass HHV-8 in menschlicher Haut, die
zuvor auf SCID-Mäuse transplantiert worden
war, Kaposi-Sarkom-ähnliche Läsionen verursacht. Eine Beteiligung an der Entstehung seltener B-Zell-Lymphome wie z.B. dem „Primary
Effusion“-Lymphom (PEL) und der multizentrischen Form des Castleman-Lymphoms wird
diskutiert.
Differenzialdiagnose
Historie
Aufgrund der zunehmenden epidemiologischen Ausbreitung des Kaposi-Sarkoms (KS) im
Zusammenhang mit der HIV-Infektion und
AIDS wurde schon früh die Beteiligung eines infektiösen Agens an der Entstehung des KaposiSarkoms vermutet. Im Jahre 1994 wurden von
Chang et al. durch ein neues Verfahren (Representational Difference Analysis; RDA) erstmals
Herpesvirus-ähnliche DNA-Sequenzen in KSGewebe von AIDS-Patienten nachgewiesen. Die
DNA-Sequenzen zeigten signifikante Homologien zur Gruppe der Gammaherpesviren, insbesondere zu Herpesvirus Saimiri und EpsteinBarr-Virus. Anschließende epidemiologische
Studien mit Hilfe der PCR-Technologie (Polymerasekettenreaktion) zeigten eine deutliche
Assoziation zwischen allen bekannten Formen
des Kaposi-Sarkoms und dem neu entdeckten
Humanen Herpesvirus 8 (HHV-8), das daher
auch als Kaposi-Sarkom-assoziiertes Herpesvirus (KSHV) bezeichnet wurde. HHV-8 wurde
aber auch in lymphatischen Organen, in Prostata-Gewebe und in einer Reihe von B-Zell-Lymphomen v.a. im Zusammenhang mit AIDS
nachgewiesen. Anhand stabiler Zelllinien aus BZell-Lymphomen von AIDS-Patienten, die latent mit HHV-8 infiziert waren, wurde 1996 von
Chang und Mitarbeitern die vollständige DNASequenz des HHV-8-Genoms bestimmt und die
Zugehörigkeit zur Gruppe der Gammaherpesviren auf genetischer Ebene bestätigt. Im Jahre
1996 gelang Renne et al. erstmals die Induktion
der lytischen Vermehrung von HHV-8 in einer
latent infizierten B-Zelllinie und die erste elektronenmikroskopische Darstellung von HHV8-Partikeln.
Erkrankungen/Symptome
HHV-8 ist mit den klassischen, endemischen
und epidemischen Formen des Kaposi-Sarkoms
340
Aufgrund des unklaren kausalen Zusammenhangs zwischen HHV-8 und assoziierten Tumoren steht eine histologische Diagnose im Vordergrund.
Labordiagnostik
HHV-8-spezifische Nukleinsäuren können entweder durch Nested PCR oder in-situ-Hybridisierung in Gewebebiopsien nachgewiesen werden. Der PCR-Nachweis von HHV-8-spezifischen DNA-Sequenzen im peripheren Blut von
immunsupprimierten bzw. HIV-infizierten Individuen ist prädiktiv für die Entwicklung eines
Kaposi-Sarkoms. Auch ein serologischer Nachweis HHV-8-spezifischer Antikörper (Immunfluoreszenztest, IFT) ist möglich.
Therapie
Eine Therapie mit Interferon-α kann zu einer
vollständigen Remission aller KS-Läsionen führen. HHV-8 bleibt jedoch häufig in den abgeheilten KS-Herden durch PCR nachweisbar, was
eine Erklärung für die relativ hohe Rezidivrate
nach Therapieabbruch sein könnte. Die Therapie mit einem chimären (Mensch-Maus) Antikörper gegen CD20 (Rituximab) führte bei Patienten mit HHV-8-assoziierten B-Zell-Lymphomen zu einer vollständigen Remission.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
In menschlichem Tumorgewebe liegt das virale
Genom in der Regel latent vor. Während der Latenz werden nur wenige virale mRNA-Spezies
(z.B. v-FLIP, v-Cyclin, LNA-1) und Proteine
(z.B. Latent Nuclear Antigen 1, LANA1) exprimiert. In „Primary Effusion“-Lymphom-Zelllinien (z.B. BCBL-1, BC-3) kann ein lytischer Replikationszyklus in vitro durch TPA induziert
werden.
Humanes Herpesvirus 8
Transmission
Genetik
Die Übertragungswege von HHV-8 sind nicht
bekannt. Das gehäufte Auftreten von KaposiSarkomen bei homosexuellen Männern legt jedoch u.a. einen sexuellen Übertragungsweg nahe.
Das Genom von HHV-8 wurde bereits vollständig sequenziert (GenBank Accession Number:
U75698, U93872; PubMed ID: 8962146). Es besteht aus einer linearen doppelsträngigen DNA.
Der zentrale kodierende Bereich (Long Unique
Region) mit einer Länge von 140,5 kbp wird von
zwei G+C-reichen terminalen repetitiven Sequenzen von je 801 bp Länge flankiert. Die
Unique Long Region beherbergt mindestens 81
offene Leserahmen (ORFs), von denen 66 Homologien zu Herpesvirus saimiri aufweisen. Zudem sind fünf interne Repeat-Regionen enthalten. Eine ganze Reihe der ORFs kodiert für Homologe zellulärer Immun- und Wachstumsregulatoren. Ein kausaler Zusammenhang mit der
Immunevasion und Tumorinduktion von
HHV-8 ist wahrscheinlich. Das gesamte latente
und lytische Transkriptom wurde systematisch
mit Hilfe eines DNA-Arrays charakterisiert
(PubMed ID: 11134302).
Vermehrung und Inkubationszeit
Die Replikation von HHV-8 konnte bislang nur
in vitro nach Induktion des lytischen Replikationszyklus untersucht werden. Die einzelnen
Stadien der Genexpression entsprechen denen
der übrigen Gammaherpesviren: ImmediateEarly (0–10 h nach Induktion), Early (10–24 h
nach Induktion), und Late (48–72 h nach Induktion).
Resistenz
Nicht bekannt.
Immunantwort
Nicht bekannt.
Prävention
Wirtsbereich
Nicht bekannt.
HHV-8 wurde bisher nur latent in humanen Kaposi-Sarkomen (vaskuläre Endothelzellen und
perivaskuläre spindelförmige Zellen) sowie in
humanen B-Lymphozyten nachgewiesen.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Risikogruppen
Aus epidemiologischen Studien geht hervor,
dass homo- und bisexuelle Männer im Zusammenhang mit AIDS ein um bis zu 100.000-fach
erhöhtes Infektionsrisiko im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt aufweisen. Allgemein
erkranken Männer 3- bis 4-mal häufiger als
Frauen an einem Kaposi-Sarkom. Das Risiko einer HHV-8-vermittelten Tumorinduktion ist
bei einer gleichzeitigen HIV-Infektion oder iatrogenen Immunsuppression drastisch erhöht.
Nicht bekannt.
Meldepflicht
Keine.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein, Institut für Klinische und Molekulare Virologie, Universität
Erlangen, Tel. 09131-852 3563, Fax 09131-852
2101,
E-Mail:
[email protected].
PD Dr. Michael Stürzl, GSF-Institut für Molekulare Virologie, Neuherberg, Tel. 089-3187-3126,
Fax 089-3187-3247, E-Mail: [email protected].
Epidemiologie
Klassische Formen des Kaposi-Sarkoms sind
seit geraumer Zeit endemisch in Zentralafrika
(assoziiert mit Lymphadenopathie v.a. bei Kindern), Osteuropa und Süditalien (v.a. bei Männern nach dem 50. Lebensjahr). Seit 1981 ist eine
epidemische Form des Kaposi-Sarkoms durch
die Verbreitung von AIDS hinzugekommen, so
dass das Kaposi-Sarkom und somit auch HHV8 heute weltweit verbreitet sind.
Web-Adressen
Columbia University´s KSHV Laboratory: http://pathology.cpmc.columbia.edu/C&M/
KSHVirus.html
Schlüsselliteratur
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J., Knowles, D.M., Moore, P.S. (1994): Identification of
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341
H
Humanes Immundefizienz Virus Typ 1, Humanes Immundefizienz Virus Typ 2
2. Moore, P.S., Chang, Y. (1995): Detection of herpesviruslike DNA sequences in Kaposi's sarcoma in patients with
and without HIV infection. N. Engl. J. Med. 332, pp. 1181–
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Knowles, D.M., Chang, Y. (1995): In vitro establishment
and characterization of two acquired immunodeficiency
syndrome-related lymphoma cell lines (BC-1 and BC-2)
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(KSHV) DNA sequences. Blood 86, pp. 2708–2714.
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sarcoma-associated herpesvirus (human herpesvirus 8) in
culture. Nat. Med. 2, pp. 342–346.
5. Russo, J. J., Bohenzky, R. A., Chien, M.-C., Chen, J., Yan,
M., Maddalena, D., Parry, J. P., Peruzzi, D., Edelman, I. S.,
Chang, Y., Moore, P. S. (1996): Nucleotide sequence of the
Kaposi sarcoma-associated herpesvirus (HHV8). Proc.
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6. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Humanes Immundefizienz Virus Typ
1, Humanes Immundefizienz Virus
Typ 2
mehrere zelluläre Proteine, wie zum Beispiel
Cyclophilin, vorhanden.
Taxonomie
HIV gehört zum Genus Lentivirus innerhalb der
Familie der Retroviridae. Zu diesem Genus werden neben HIV eine Reihe von tierpathogenen
Viren gerechnet, die chronische Erkrankungen
mit langen Inkubationszeiten verursachen und
häufig mit Immundefizienz und Enzephalopathien assoziiert sind (SIV; FIV; BIV; Visna Virus, CAEV, EIAV). HIV-1 und HIV-2 stammen
von unterschiedlichen SIV Isolaten in verschiedenen Affenspezies ab und wurden unabhängig
voneinander auf den Menschen übertragen.
HIV-1 stammt aus SIV Isolaten in Schimpansen
(P.t. troglodytes), HIV-2 aus Makaken (Cercocebus atys).
Historie
Humanes Immundefizienz Virus Typ 1 (HIV-1)
Humanes Immundefizienz Virus Typ 2 (HIV-2)
HIV-1 wurde 1983 von den Arbeitsgruppen von
L. Montagnier (Pasteur Institute, Paris) und R.
C. Gallo (NIH, Bethesda) als Erreger der Immunschwächeerkrankung AIDS (Acquired Immunodeficiency Syndrome) aus dem Blut eines
Patienten mit persistierender Lymphadenopathie isoliert.
Synonym
Erkrankungen/Symptome
Lymphadenopathie-assoziiertes Virus (LAV)
Humanes T-Zell Leukämievirus Typ III (HTLVIII)
Die HIV-1 Infektion verläuft progredient, irreversibel und letal. Das Stadium der Primärinfektion ist nur in seltenen Fällen klinisch apparent und wird von einer symptomfreien Latenzphase gefolgt. Vor dem AIDS Stadium mit dem
Auftreten von opportunistischen Erkrankungen und AIDS-definierenden Tumoren kann ein
Wochen oder Monate dauerndes Stadium der
generalisierten Lymphadenopathie auftreten.
Erregerbezeichnung
Morphologie
Die reifen, umhüllten Virionen sind sphärisch,
haben einen Durchmesser von etwa 100 nm und
besitzen ein kegelförmiges Viruskapsid. Auf der
Virusmembran werden 72 Hüllprotein-Komplexe exprimiert, die sich aus einem Trimer des
Glykoproteins zusammensetzen. Das Glykoprotein besteht aus einer membranständigen gp41
Untereinheit, die das Fusionspeptid enthält,
und einer nicht kovalent gebundenen gp120 Untereinheit, die an den Virusrezeptor bindet. HIV
Viruspartikel enthalten neben dem Glykoprotein und den viralen Strukturproteinen p24 (Kapsidprotein), p17 (Matrixprotein), p7 (Nukleokapsidprotein) und p6 das akzessorische Protein vpr. Das Kapsid enthält zwei Kopien der viralen RNA einschließlich der gebundenen t-RNA
Primer sowie einige Moleküle der Reversen
Transkriptase. Darüber hinaus sind in Virionen
342
Primärinfektion. Bei etwa 10 bis 20% der Infizierten tritt etwa ein bis sechs Wochen nach der
Infektion ein Mononukleose-ähnliches Krankheitsbild mit Fieber, Angina, Lymphknotenschwellung und gelegentlich einem Exanthem
auf.
Klinische Latenzphase. Nach der Primärinfektion verläuft die Erkrankung zunächst über einen
stark variierenden Zeitraum klinisch ohne
Symptome. Die Latenzphase kann wenige Monate bis über 12 Jahre dauern. In einigen gut dokumentierten Fällen kam es auch nach mehr als
Humanes Immundefizienz Virus Typ 1, Humanes Immundefizienz Virus Typ 2
12 Jahren nicht zur Ausbildung der Immunschwächekrankheit AIDS (so genannte „LongTerm Survivors“).
Generalisierte Lymphadenopathie. Etwa 40%
der HIV-Infizierten entwickeln vor dem Übergang in das Immundefizienzstadium AIDS eine
generalisierte Lymphadenopathie.
AIDS. Kennzeichnend für das Immundefizienzstadium ist das Auftreten von opportunistischen Infektionen und AIDS-definierenden Malignomen. Die opportunistischen Infektionen
manifestieren sich in der Regel in der Lunge,
dem Gastrointestinaltrakt, dem ZNS oder als
disseminierte Infektionen. Das Erregerspektrum der opportunistischen Infektionen reicht
von Bakterien (atypische Mykobakterien,
M. tuberculosis, Salmonella. spp. etc.), Pilzen
(Pneumocystis carinii, Candida albicans, Cryptococcus neoformans, Histoplasma capsulatum,
Coccidioides immitis, Aspergillus fumigatus
etc.) und Viren (HSV, VZV, CMV, EBV, JC-Virus, Papilloma Virus, Molluscum contagiosum)
bis zu Protozoen (Toxoplasma gondii, Cryptosporidium spp., Isopora spp. etc.). AIDS-definierende Tumorerkrankungen sind im Wesentlichen das Kaposi-Sarkom, Non-Hodgkin-Lymphome sowie das invasive Zervixkarzinom bei
Frauen. Neurologische Symptome können auftreten im Rahmen einer zerebralen Toxoplasmose, einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) durch das JC-Virus, einer
CMV- oder Kryptokokkenmeningitis oder als
subakute HIV-Enzephalopathie, die durch HIV
selbst verursacht wird.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch sind Immundefizienzen anderer Genese abzuklären, die angeboren
sein können (z.B. Bruton’sche Agammaglobulinämie, DiGeorge Syndrom, Wiskott-AldrichSyndrom, SCID) oder durch Medikamente (z.B.
Glukokortikoide, Zytostatika), Tumore (z.B.
Leukämien, M. Hodgkin, NHL) und andere Ursachen (z.B. Splenektomie, Virusinfektion, Malnutrition) ausgelöst werden können.
Labordiagnostik
Zum Screnning werden in der Regel ELISATests verwendet, die gegen HIV-1 und HIV-2 gerichtete Antikörper nachweisen. Die derzeit üb-
lichen HIV Tests der dritten Generation sind
besonders sensitive „Double Antigen“-Tests
und können Antikörper bereits nach etwas
mehr als 30 Tagen nachweisen. HIV Tests der
vierten Generation basieren auf einer Kombination aus Antikörper und p24-Nachweis und sollen die diagnostische Lücke zwischen Infektion
und Nachweisbarkeit weiter verkürzen. In einzelnen Individuen sind Antikörper jedoch erst
verzögert nach bis zu 6 Monaten nachweisbar.
Als Bestätigungstest wird heute in der Regel ein
Western Blot durchgeführt, bei dem Antikörper
gegen einzelne, entsprechend ihrer Größe aufgetrennte Virusproteine nachgewiesen werden.
Direkte Nachweismethoden sind der p24 Antigennachweistest, die Polymerasekettenreaktion
(PCR) und die Virusisolierung. Der p24 Antigennachweistest ist wenig sensitiv und wird
heute kaum noch verwendet. Die qualitative
PCR wird verwendet zum Nachweis einer Infektion während der diagnostischen Lücke und bei
Neugeborenen von HIV-positiven Müttern. Die
quantitative PCR zum Nachweis der Viruslast
im Serum wird zur Indikationsstellung sowie
zur Verlaufskontrolle der HIV-Therapie eingesetzt. Ein wichtiger immunologischer Verlaufsparameter ist außerdem die CD4-Zellzahl im
peripheren Blut, die auch in der Stadieneinteilung des CDC von 1993 mit berücksichtigt wird.
Die Virusisolierung findet heute in der Regel
keine Anwendung mehr.
Therapie
Die derzeit zugelassenen Therapeutika basieren
auf einer Hemmung der viralen Reversen Transkriptase (RTI, Reverse Transkriptase Inhibitor) und Protease (PI, Protease Inhibitor). Zu
den nukleosidischen RTIs gehören AZT, DDI,
DDC, Lamivudin (3TC), d4T und Abacavir, zu
den nicht-nukleosidischen RTIs Nevirapin,
Delavirdin und Efavirenz. In Deutschland sind
derzeit Saquinavir, Indinavir, Ritonavir, Nelfinavir, Amprenavir uand ABT378 als PI zugelassen. Aufgrund der hohen Mutationsrate von
HIV treten bei einer Monotherapie in der Regel
schnell resistente Virusmutanten auf. Deshalb
werden heute bevorzugt Kombinationstherapien angewandt, mit denen das Auftreten von resistenten Virusstämmen unterdrückt oder doch
zumindest verzögert werden kann. Die Kombinationstherapie von drei oder vier dieser Virostatika im Rahmen der so genannten „HAART“
343
H
Humanes Immundefizienz Virus Typ 1, Humanes Immundefizienz Virus Typ 2
(highly active anti-retroviral therapy) führt zu
einer signifikanten Reduktion der Viruslast, einem Rückgang der Letalität und zu einer Verbesserung der Lebensqualität.
Spezifische Merkmale
medizinischen Bereich. Entsprechend der Viruskonzentration in verschiedenen Körperflüssigkeiten variiert die Infektiosität. Blut und
Sperma und Vaginalsekret enthalten hohe, andere Körpersekrete wie Speichel und Tränenflüssigkeit, Urin oder Stuhl jedoch nur geringe
Virusmengen.
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
HIV Viren infizieren CD4 Helferzellen und führen zu einer Depletion und einem Funktionsverlust dieser Zellen. Die Ursache für die Depletion der CD4 Lymphozyten ist bislang nicht bekannt. Als Ursache werden unter anderem ein
direkter zytopathischer Effekt des Virus, die Eliminierung von infizierten und gesunden Zellen
durch die resultierende Immunantwort, die
Auslösung von Apoptose durch lösliches gp120,
oder ein von HIV oder einem anderem Pathogen kodiertes Superantigen diskutiert.
Die hohe Mutationsrate von HIV ist wahrscheinlich ein wichtiger Faktor für die Pathogenese der HIV-Infektion, weil sie sowohl die Pathogenität beeinflusst als wahrscheinlich auch
Ursache für die Unfähigkeit des Immunsystems
ist, das Virus zu eliminieren. Aufgrund der Fehlerrate der Reversen Transkriptase entsteht
kontinuierlich eine große Anzahl an Virusmutanten, die auch als Quasispezies bezeichnet
werden. Im Moment existiert, basierend auf der
Nukleinsäuresequenz eine Einteilung von
HIV-1 in mehr als 10 Subtypen, die sich auch in
ihrer geographischen Verteilung unterscheiden. T-Zell lymphotrope und Synzytium-induzierte Isolate, die zur Zellverschmelzung zwischen HIV-infizierten und gesunden CD4-Lymphozyten führen, verwenden CCR5 als Korezeptor und werden auch als SI oder R5 Isolate
bezeichnet. Makrophagotrope Isolate induzieren keine Synzytien, verwenden CXCR4 als Korezeptor und werden als NSI oder X4 Isolate bezeichnet.
Transmission
Eine Übertragung von HIV ist möglich durch
homo- und heterosexuelle Kontakte, parenteral
durch Blut oder Blutprodukte, sowie durch vertikale Transmission von der HIV-infizierten
Mutter auf das Neugeborene. Eine parenterale
Übertragung erfolgt durch „needle sharing“ bei
i.V. Drogenabhängigen, Bluttransfusionen,
Therapie mit Blutprodukten, Transplantationen sowie durch Nadelstichverletzungen im
344
Vermehrung und Inkubationszeit
Nach dem Viruseintritt in die Zelle und dem
„Uncoating“, der Freisetzung der viralen RNA,
wird diese von der viruskodierten Reversen
Transkriptase umgeschrieben in DNA. Die virale DNA wird in den Nukleus transportiert und
ins Wirtszellgenom integriert. Aufgrund einer
Interaktion des Matrixproteins p17 mit der Integrase ist HIV im Gegensatz zu anderen Retroviren in der Lage, nicht-proliferierende Zellen zu
infizieren. Dies ermöglicht die Infektion von
Langerhans'schen Zellen, Makrophagen und
Gliazellen, was in der Pathogenese der HIV-Infektion wahrscheinlich eine wichtige Rolle
spielt. Die viralen Transkripte werden von der
proviralen DNA transkribiert, ins Zytoplasma
transportiert und dort wie zelluläre mRNA
translatiert. Diese Schritte werden von den beiden Regulatorproteinen tat und rev gesteuert.
Der Zusammenbau der Viruspartikel findet an
der Zellmembran während des so genannten
„Buddings“ statt.
Die Zeit bis zur Serokonversion beträgt in den
meisten Fällen ein bis drei Monate. Die im Rahmen einer Primärinfektion auftretenden Symptome können etwa ein bis sechs Wochen nach
der Infektion auftreten. Die Inkubationszeit bis
zum Auftreten der AIDS Symptome beträgt in
der Regel mehrere Jahre.
Resistenz
Die hohe Mutationsrate von HIV führt aufgrund von Mutationen im Bereich der Reversen
Transkriptase und der Protease zu einer schnellen Resistenzentwicklung gegenüber RTI und
PI. Mutationen an bestimmten Positionen der
beiden Proteine sind mit einer Resistenzentwicklung gegenüber charakteristischen Virostatika assoziiert. Durch Bestimmung der Nukleinsäuresequenz von Patientenisolaten lässt sich
daher der Resistenzgrad gegenüber diesen RTI
und PI bestimmen (genotypische Resistenztestung).
Humanes Immundefizienz Virus Typ 1, Humanes Immundefizienz Virus Typ 2
Immunantwort
Risikogruppen
Im Verlauf der HIV-Infektion kommt es zu einer humoralen und zellulären Immunantwort
gegen HIV. Diese Immunantwort führt offensichtlich jedoch nicht zu einer Elimination des
Virus aus dem Körper, da in jeder Phase der Infektion Viruspartikel nachweisbar sind. In der
klinischen Latenzphase sind Viren im peripheren Blut in der Regel nicht oder nur in geringer
Menge mittels PCR nachweisbar, da die in
CD4+ Lymphozyten produzierten Viren im
Lymphknoten zurückgehalten und nicht in die
Peripherie ausgeschwemmt werden. Im Verlauf
der HIV-Infektion kommt es zu einer Reihe von
immunologischen Störungen, zum Beispiel einer gestörten spezifischen humoralen und zellulären Immunantwort, einer polyklonalen BZell Stimulation mit Hypergammaglobulinämie, einer gestörten Hypersensitivitätsreaktion vom verzögerten Typ, einer reduzierten γIFN
und IL-2 Produktion sowie einer verminderten
Aktivität von NK Zellen. Als Folge dieser Störungen entwickelt sich schließlich in späteren
Stadien die Immundefizienz mit opportunistischen Infektionen.
Entsprechend der Übertragungswege sind Angehörige der folgenden Risikogruppen besonders gefährdet: Homosexuelle, Drogenabhängige, Prostituierte und Personen mit hoher Promiskuität.
Wirtsbereich
HIV ist streng wirtsspezifisch für den Menschen. In Schimpansen führt HIV zu einer chronischen Virämie, in der Regel offensichtlich jedoch nicht zur Ausbildung von AIDS.
Epidemiologie
HIV-1 ist inzwischen weltweit verbreitet, wobei
die Prävalenz jedoch stark unterschiedlich ist.
Im Wesentlichen können drei Regionen eingeteilt werden: (i) Länder mit geringer, etwa
gleichbleibender Inzidenz (z.B. USA und Europa), (ii) Länder hoher Inzidenz (z.B. Zentralafrika) und (iii) Länder mit geringer aber steigender Inzidenz (z.B. Südostasien, Brasilien). In
nordamerikanischen und europäischen Ländern beschränkt sich die Infektion im Wesentlichen auf die Risikogruppen, Neuerkrankungen
und Sterbefälle befinden sich auf einem niedrigen Niveau. Im Gegensatz hierzu liegt die Inzidenz von HIV-1 in einigen Regionen Zentralafrikas bei über 50% mit einer hohen Neuerkrankungs- und Sterberate. In diesen Regionen
wird HIV im Gegensatz zu Ländern mit geringer
und gleichbleibender Inzidenz hauptsächlich
durch heterosexuellen Geschlechtsverkehr
übertragen. Drastisch steigende Infektionsraten
sind im Moment im südostasiatischen und lateinamerikanischen Raum zu verzeichnen.
HIV-2 Infektionen sind derzeit im Wesentlichen auf Westafrika beschränkt.
Tabelle 1
Virale Proteine von HIV-1 und ihre Funktion
Strukturproteine des Viruskerns (gag) p24
p17
p9, p6
Reverse Transkriptase (pol)
p55, p63
Protease
p15
Integrase
p11
Hüllproteine (env)
gp120
gp41
Regulatorische Proteine
tat
rev
nef
Akzessorische Proteine
vpr
vpu
vif
Kapsidprotein
Matrixprotein
Nucleokapsidprotein
Umschreibung der viralen RNA in DNA
Prozessierung der Strukturproteine
Integration ins Wirtsgenom
Bindung an zellulären Rezeptor
Membranfusion
Transaktivierung des Promoters
Expression der viralen mRNA
Herunterregulation des Virusrezeptors
Virusreifung, Transmission,
Replikation
345
H
Humanes Immundefizienz Virus Typ 1, Humanes Immundefizienz Virus Typ 2
Genetik
Das Virusgenom mit einer Länge von etwa
9,4 kb, welches im Virion als Einzelstrang (+)
RNA vorliegt, wird flankiert von zwei Long Terminal Repeats (LTR's). Das HIV-Genom kodiert
wie bei anderen Retroviren für Gag (Strukturproteine des Viruskerns), Pol (Reverse Transkriptase, Integrase, Protease) und Env (Hüllproteine), daneben aber auch für mindestens
sechs weitere Virusproteine (Tabelle 1). Dies
sind die beiden regulatorischen Proteine Tat
und Rev, sowie die nicht-essentiellen Virusproteine Nef, Vpr, Vpu, Vif und Vpx (nur HIV-2).
Der transkriptionale Aktivator Tat wirkt auf die
TAR Sequenz im 5’LTR (Long Terminal Repeat), welcher den Promotor des Virus darstellt,
und verstärkt bei der Transkription sowohl die
Initiation als auch die Elongation der viralen
mRNA. Rev, ein post-transkriptionaler Aktivator, induziert nach der Bindung an das so genannte RRE-Element den Transport der HIVTranskripte aus dem Nukleus der infizierten
Zelle ins Zytoplasma. Da aufgrund eines komplexen Splicings nur die mRNA's der Strukturproteine Gag/Pol und Env, nicht aber der regulatorischen Proteine die RRE-Sequenz enthalten, führt Rev zu einer Verschiebung der Expression von den regulatorischen zu den
Strukturproteinen. Darüber hinaus scheint Rev
auch noch die Translation von viralen mRNA's
zu steigern. Vpu spielt offensichtlich eine Rolle
bei der Virusfreisetzung, Vpr, das an Gag p6
bindet und in Virionen eingebaut wird, bei der
Virusreplikation und für den zytopathischen
Effekt. Das myristylierte Nef Protein ist wahrscheinlich verantwortlich für die Elimination
des CD4 Rezeptormoleküls von der Zelloberfläche. Vpx, das nur bei HIV-2 vorkommt, ist notwendig für die Virusreplikation in Makrophagen und peripheren Blutlymphozyten.
Eine Vielzahl von HIV-1 und HIV-2 Nukleinund Aminosäuresequenzen wurden bestimmt
und sind in verschiedenen Datenbanken allgemein zugänglich. Aufgrund der hohen Zahl und
der ständigen Zunahme der Sequenzen soll hier
nur auf die derzeit größte Datenbank der Los
Alamos National Library hingewiesen werden
(http://hiv-web.lanl.gov/).
Prävention
Eine Impfung gegen HIV ist derzeit nicht möglich. In Tiermodellen mit SIV wurden eine Viel346
zahl von Impfstoffen mit unterschiedlichem Erfolg getestet. In den nächsten Jahren werden
eine Reihe von Impfstoffen in klinischen Phase
III Studien im Menschen getestet.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Die Strategien zur Krankheitsvorbeugung beschränken sich derzeit auf eine Aufklärung der
Bevölkerung hinsichtlich der Gefährdung durch
ungeschützten Sexualverkehr, sowie auf die
sorgfältige Kontrolle von Blutkonserven, Plasmaprodukten und Transplantaten.
Meldepflicht
Nicht-namentliche Meldung nach § 7 Abs. 3 des
Infektionsschutzgesetzes beim direkten oder
indirekten Erregernachweis.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
◗ Nationales Referenzzentrum für Retroviren,
Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein, Institut für
Klinische und Molekulare Virologie, Schlossgarten 4, 91054 Erlangen, Tel. 09131/853563;
Fax 09131/852101
◗ Stanford HIV RT and Protease sequence database: http://hivdb.stanford.edu/
◗ Los Alamos National Library HIV Drug Resistence Database:
http://hiv-web.lanl.gov/seq-db.html
◗ US Department of Health and Human Services Treatment Information Service:
http://www.hivatis.org/
◗ The big picture book of viruses:
http://www.virology.net/Big_Virology/
BVretro.html
Schlüsselliteratur
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Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Humanes Papillomavirus Typ 1 bis 87
Papillomavirus
Humanes Parechovirus 1 und 2
Echoviren und Parechoviren
Humanes Poliovirus 1, 2 und 3
Polioviren
Humanes Spumaretrovirus
Erregerbezeichnung
Humanes Spumaretrovirus (HSRV), humanes
Spumavirus
Synonym
Im englischen Sprachraum „human foamy virus
(HFV)“.
Morphologie
Das etwa 110 bis 130 nm große Virion besteht
aus einem ikosaedrischen Kapsid von ca. 50 nm
Durchmesser. In ihm befindet sich das virale
Genom, welches mit viralen Proteinen komplexiert ist. Die HSRV Virionen enthalten unter anderem Reverse Transkriptase (RT) Aktivität.
Die Kapside sind gleichmäßig geformte, ringförmige Strukturen, deren Zentrum transparent
ist oder elektronendicht sein kann. Das Kapsid
ist von einer Lipidhülle umgeben, in die die viralen Oberflächenproteine (Env) eingelassen
sind. Elektronenmikroskopisch erscheinen die
Env Proteine als 14 nm lange, gleichmäßig ange-
ordnete „Spikes“ (Antennen). Sie bestehen aus
einem Transmembranprotein von 48 kDa und
dem glykosylierten Oberflächenprotein von ca.
70 kDa, die je Heterodimere zu intakten, elektronenoptisch sichtbaren Env Trimeren bilden.
Taxonomie
Das Humane Spumaretrovirus ist der Prototyp
der Subfamilie Spumavirinae innerhalb der Familie der Retroviridae. Aufgrund der Genomorganisation mit den klassischen retroviralen Genen gag, pol und env und den zusätzlichen bel
Genen wird es als komplex organisiertes Retrovirus bezeichnet und weist somit eine den anderen humanen Retroviren vergleichbare Genomorganisation auf. Molekularbiologische Untersuchungen zur Replikation und Genexpression
des HSRV zeigten, dass die Spumavirinae eine
distinkte und klar abgegrenzte Subfamilie innerhalb der Retroviren repräsentieren. So unterscheiden sie sich in einigen Aspekten ihrer
Replikation deutlich von den anderen Retroviren. Aufgrund von Sequenzvergleichen bekannter Retroviren mit den Spumaretroviren sowie
durch elektronenmikroskopische Untersuchungen wurde die Stellung der Spumaretroviren als distinkte phylogenetische Gruppe bestätigt.
Historie
Das Humane Spumaretrovirus war das erste Retrovirus, das aus humanen Zellkulturen isoliert
und charakterisiert wurde. Es ist somit das humane Retrovirus, das als erstes isoliert und charakterisiert wurde. Das derzeit einzige für Untersuchungen zur Verfügung stehende HSRV
Isolat wurde aus den lymphoblastoiden Zellen
eines ostafrikanischen Nasopharynx Karzinom
Patienten isoliert. Spumaretroviren induzieren
nach Infektion bestimmter permissiver Zellen
einen sehr starken zytopathischen Effekt (CPE),
der in der Zell-zu-Zell Fusion (Synzytienbildung) und der cytoplasmatischen Vakuolisierung („Schaumbildung“) besteht. Dieser starke
CPE führte zur Identifikation der Spumaretroviren und gab der ganzen Subfamilie den Namen (spuma, lat. Schaum; foamy, engl. schaumig).
Erkrankungen/Symptome
Bislang wurde keine klare Assoziation des
HSRV mit einer definierten Erkrankung des
347
H
Humanes Spumaretrovirus
Menschen etabliert. Befunde, nach denen
HSRV-spezifische Antikörper oder HSRV-spezifische DNA in Patienten mit der Basedowschen Krankheit, dem Chronischen MüdigkeitsSyndrom und verschiedenen Thyreoditiden
nachweisbar sind, wurden in nachfolgenden
Untersuchungen nicht bestätigt. HSRV-spezifische DNA wurde mittels PCR-Amplifikation
aus Lymphozyten von Patienten mit dem fatalen Mittelmeerfieber nachgewiesen, eine Bestätigung dieser Befunde erfolgte noch nicht.
Die Spumaretroviren der Tiere (verschiedene
Affenspezies, Hamster, Katzen, Rinder) werden,
ähnlich wie das HSRV, als weitgehend apathogen eingestuft. Mäuse, die das gesamte HSRV
Genom oder subgenomische Fragmente des
HSRV als Transgen tragen, zeigen verschiedene
neurologische Symptome und die Expression
von HSRV Genen in bestimmten Bereichen des
Gehirns, der Muskulatur und anderen Organen.
Es wird diskutiert, dass das Env Oberflächenprotein, der virale Transaktivator der Genexpression Bel 1 oder ein weiteres akzessorisches
Genprodukt unbekannter Funktion, das Bet
Protein, für die Hirnläsionen in den HSRVtransgenen Mäusen verantwortlich sind.
Differenzialdiagnose
bestimmen. Aufgrund der hohen genetischen
Konserviertheit spumaviraler DNA-Sequenzen
sollten diagnostische PCRs nicht in Labors
durchgeführt werden, in denen auch mit dem
etablierten HSRV Isolat oder klonierter DNA
gearbeitet wird, da sonst nicht unterschieden
werden kann, ob Amplifikate mit eng verwandten Sequenzen neue HSRV Isolate repräsentieren oder ob sie durch Kontaminationen mit
DNA des etablierten HSRV Isolats entstanden.
Therapie
Keine Daten verfügbar.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Keine Daten verfügbar; Spumaviren gelten als
apathogen.
Transmission
Die Spumaretroviren der Affen werden u.a.
durch Bissverletzungen übertragen. Durch solche Bissverletzungen wurden auch Affenspumaviren auf Menschen (Tierpfleger) übertragen. Bei Katzen wurde eine hohe Durchseuchungsrate mit dem Katzen Spumavirus (FFV)
von bis zu 70% nachgewiesen.
Keine Daten verfügbar.
Vermehrung und Inkubationszeit
Labordiagnostik
Der Diagnostik einer HSRV-Infektion kommt
eine entscheidende Rolle bei der Analyse der
Prävalenz des HSRV zu (siehe auch Epidemiologie). Für die klassische Serologie wurden ELISAs zur Detektion von Antikörpern gegen die
HSRV Strukturproteine etabliert. Diese ELISAs
zeigen z.T. unspezifische Reaktivitäten. In serologischen Tests, die auf der indirekten Immunfluoreszenz mit Patientenseren basieren, wird
nur eine starke nukleäre Färbung gegen die Gag
Strukturproteine als positiv bewertet. Weiterhin werden Reaktivitäten gegen das in Zellkulturen sehr stark exprimierte Bet Protein als diagnostisch angesehen. Die Detektion HSRV-spezifischer DNA erfolgt in der Regel mittels der
PCR-Amplifikation. Aufgrund des hohen Risikos falsch-positiver Resultate durch „kontaminierende“ DNA ist bei dieser Technik besondere
Vorsicht geboten. Zur Bestätigung von PCR-Resultaten ist es deshalb absolut erforderlich, die
Nukleotidsequenz der amplifizierten DNA zu
348
Serokonversion bei von Affen gebissenen Tierpflegern kann Monate bzw. Jahre dauern; aus
solchen Patienten kann auch infektiöses Virus
isoliert werden.
Resistenz
Keine Daten verfügbar.
Immunantwort
In experimentell infizierten Katzen wurde eine
humorale Immunantwort festgestellt.
Wirtsbereich
Der Wirtszellbereich des HSRV ist in vitro vergleichsweise breit, eine große Anzahl verschiedener humaner und nicht-humaner in vitro kultivierter Zellen sind infizierbar und erlauben
eine permissive Virusreplikation. Die akzidentiellen Infektionen von Tierpflegern mit Affenspumaretroviren und die permanent hohen Antikörpertiter in diesen Personen legen den
Schluss nahe, dass Affenspumaviren auch den
Humanes Spumaretrovirus
Menschen produktiv infizieren können. Versuche, das Affenspumavirus aus den akzidentiell
infizierten Patienten zu re-isolieren waren erfolgreich.
Risikogruppen
Tierpfleger in zoologischen Gärten und Primatenforschungszentren gehören zu den Risikogruppen.
Epidemiologie
Die Prävalenz des HSRV ist außerordentlich gering und verschiedene Untersuchungen, nach
denen die Präsenz des HRSV mit einer definierten Krankheit des Menschen korreliert ist,
konnten in nachfolgenden Analysen nicht bestätigt werden. Die geringe Präsenz des HSRV
ist auch ein Grund, weshalb für virologische
Untersuchungen derzeit nur ein einziges Isolat
zur Verfügung steht, obwohl die Isolierung weiterer humaner Spumaretroviren beschrieben
wurde. Da durch Bissverletzungen Affenspumaviren auf Menschen (Tierpfleger) akzidentiell
übertragen wurden und da Spumaretroviren
aus Schimpansen eng mit dem Humanen Spumaretrovirus verwandt sind, wird diskutiert, ob
das HSRV durch seltene Interspezies-Transmissionen vom Schimpansen auf den Menschen
entsteht / entstanden ist. In Sequenzvergleichen
zwischen der HSRV Genomsequenz und bekannten Genomsequenzen der Spumaretroviren der Schimpansen bilden jedoch die verschiedenen Schimpansenviren eine vom HSRV
distinkte Gruppe, so dass das HSRV als ein sehr
enger Verwandter der Schimpansen-Spumaretroviren anzusehen ist.
Genetik
Genebank Accession No. NC_001795 (HSRV),
NC_01871 (FFV).
Das HSRV ist das derzeit am besten untersuchte
Spumaretrovirus. Es wird als das Prototyp-Spumaretrovirus eingestuft, da die genetische Organisation bekannten Primaten-Spumaretroviren sehr ähnlich ist. Alle bislang sequenzierten
Spumaretroviren weisen neben den klassischen
gag, pol und env Genen zusätzliche Leseraster
am 3’-Ende des Genoms auf. Expressionsprodukte dieser bel Gene wurden in infizierten Zellen nachgewiesen. Die Präsenz dieser zusätzlichen Gene charakterisieren Spumaretroviren
als komplexe Retroviren, analog zum HIV und
zum HTLV, den anderen humanen Retroviren.
Die Expression der regulatorischen Gene erfolgt
von einem im Ende des env Gens gelegenen, internen Promotor und einem klassischen 5‘-LTR
Promotor. Dieser interne Promotor ist charakteristisch für Spumaretroviren. Beide Promotoren des HSRV werden durch den viralen Transaktivator der Genexpression, dem Bel 1 Protein,
transaktiviert. Der Bel 1 Transaktivator ist für
die Replikation des HSRV absolut essentiell.
Der Mechanismus der Transaktivierung ist
nicht geklärt, doch liegen die für die Transaktivierung notwendigen Zielsequenzen oberhalb
der Startpunkte der Transkription. Die identifizierten Zielsequenzen des Bel 1 weisen untereinander keine deutliche Sequenzhomologien auf.
Es ist deshalb offen, ob das Bel 1 Protein des
HSRV direkt an seine DNA Zielsequenzen bindet oder ob es über Protein-Protein Interaktionen an bereits gebundene Transkriptionsfaktoren bindet. Für das Affen Spumavirus Typ 1
wurde nachgewiesen, dass der entsprechende
Transaktivator an Zielsequenzen des internen
Promotors direkt bindet. Dem Gag Protein des
HSRV fehlt das für Retroviren typische CysteinHistidin Motiv der Nukleokapsid Domäne,
stattdessen sind drei Arginin/Glyzin-reiche Sequenzen vorhanden sowie ein konserviertes
PQPQRYG Motif, die, funktionell analog zu
dem HIV-1 Nukleokapsid Protein, wahrscheinlich ebenfalls die Genom-Enkapsidierung vermitteln. Mindestens eines dieser basischen Motive fungiert als nukleäres Lokalisationssignal.
Während der HSRV Replikation akkumulieren
Gag Vorläufermoleküle transient im Kern der
infizierten Zelle. Das Pol Protein des HSRV wird
nicht, wie bei den anderen bekannten Retroviren, als Gag-Pol Fusionsprotein exprimiert.
Vielmehr wird die Pro-Pol Translation an einem Methionin am Anfang des pol Gens initiiert. Für die Translation des Pro-Pol Proteins
wird eine gespleißte mRNA verwendet; vergleichbare Transkripte sind für andere Retroviren nicht beschrieben worden. Die Reverse
Transkriptase, das virale Enzym, das die genomische HSRV RNA in das DNA Provirus umschreibt, hat eine deutliche Präferenz für Mn2+
verglichen zu Mg2+ als bivalentes Kation und
unterscheidet sich so von den RTs der anderen
humanen Retroviren.
349
H
Humanes Spumavirus
Prävention
Keine Daten verfügbar.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Keine Daten verfügbar.
Meldepflicht
Keine Meldepflicht.
Humanes T-Zell Leukämie Virus Typ
1, Humanes T-Zell Leukämie Virus
Typ 2
Erregerbezeichnung
Humanes T-Zell Leukämie Virus Typ 1 (HTLV-1)
Humanes T-Zell Leukämie Virus Typ 2 (HTLV-2)
Synonym
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Keine.
Morphologie
Expertenlaboratorien
Prof. Dr. R.M. Flügel, DKFZ Heidelberg
Web-Adressen
http://www.ncbi.nih.gov/retroviruses/
genomes/genome.html
http://www.dkfz.heidelberg.de/atv/f0800/
english/index.htm
Schlüsselliteratur
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human and primate spuma retroviruses. In: The
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Neumann-Haefelin, D. Markers of foamy virus infections
in monkeys, apes, and accidentally infected humans:
appropriate testing fails to confirm suspected foamy virus
prevalence in humans. AIDS Res. Hum. Retroviruses
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4. Aguzzi, A., Marino, S., Tschopp, R. and Rethwilm, A.
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6. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
HTLV bildet shärische Viruspartikel mit einem
Durchmesser von 80 bis 100 nm. Das Nukleokapsid ist konzentrisch und umgeben von einer
Virushülle (Phospholipidmembran). Der Viruskern wird vom Nukleokapsidprotein p15,
dem Kapsidprotein p24 und dem Matrixprotein
p19 gebildet, die wie bei anderen Retroviren 2
Kopien der viralen RNA umgeben. Auf der Virusmembran befinden sich die Hüllproteine
gp46 und das membranständige p21. Die Virionen sind sehr stark zellassoziiert.
Taxonomie
Innerhalb der Familie der Retroviridae gehören
HTLV-1 und 2 zu den Typ C Onkoviren. Sie sind
näher verwandt mit dem „Bovine Leukemia Virus“ (BLV) und dem „Simian T-Cell Leukemia
Virus“ (STLV). Die Sequenzhomologie zwischen HTLV-1 und HTLV-2 beträgt etwa 65%.
Historie
HTLV-1 wurde von Poiesz und Mitarbeitern im
Jahre 1980 aus einer Zelllinie isoliert (HUT-102),
die von einem Patienten mit kutanem T-Zell
Lymphom stammte. HTLV-2 wurde 1982 von R.
C. Gallo am NIH in Bethesda in einer T-Zelllinie
(Mo-T) aus einem Patienten mit Haarzell-Leukämie identifiziert und aufgrund von serologischer Kreuzreaktivität als eng verwandt mit
HTLV-1 eingestuft.
Erkrankungen/Symptome
Humanes Spumavirus
Humanes Spumaretrovirus
350
HTLV-1
Adulte T-Zell Leukämie (ATL). Der Manifestationsindex der Adulten T-Zell Leukämie (ATL)
Humanes T-Zell Leukämie Virus Typ 1, Humanes T-Zell Leukämie Virus Typ 2
bei HTLV-1 infizierten Personen ist relativ gering (etwa 1% über die gesamte Lebenszeit). Die
ATL tritt in der Regel 20 bis 30 Jahre nach der
Infektion auf und kann unterteilt werden in 4
Verlaufsformen: (a) pre-ATL (b) chronische
ATL (c) ATL vom Lymphom-Typ und (d) akute
ATL. Die pre-ATL ist charakterisiert durch das
Auftreten von abnormen Lymphozyten und/
oder einer Leukozytose, die chronische ATL als
eine weniger aggressive Form der akuten ATL
durch Hautläsionen, eine geringe Zahl an leukämischen Zellen im peripheren Blut und das
Fehlen einer viszeralen Beteiligung, und die
akute ATL durch Hautläsionen, eine starke Leukozytose infolge leukämischer Zellen, Eosinophilie, Neutrophilie und Hepatosplenomegalie.
Darüber hinaus können Knochenläsionen, ein
erhöhter Kalzium-, LDH- und Bilirubin-Spiegel
im Blut, sowie Immundefizienz mit opportunistischen Infektionen auftreten. Die mittlere
Überlebenszeit der akuten Form der ATL beträgt 6 Monate.
Tropisch Spastische Paraparese (TSP)/HTLV-1assoziierte Myelopathie (HAM). Die Tropisch
Spastische Paraparese (TSM), die identisch ist
mit der HTLV-1-assoziierten Myelopathie
(HAM), tritt vor allem in der Karibik und in Japan auf und ist klinisch vor allem durch eine
spastische Parese der Extremitäten mit positivem Babinski-Reflex, Inkontinenz und leichte
sensorische Ausfälle charakterisiert. Im Liquor
sind Antikörper gegen HTLV-1 sowie atypische
Lymphozyten nachweisbar. Mittels NMR sind
periventrikulär im Gehirn sowie im thorakalen
Rückenmark Demyelinisierungen diagnostizierbar. Darüber hinaus wird ein Zusammenhang zwischen HTLV-1 und einer Reihe weiterer
Erkrankungen diskutiert (z.B. B-Zell CLL,
HTLV-1 assoziierte Uveitis, sowie eine Form der
chronischen Polyarthritis).
HTLV-2
Atypische Haarzell-Leukämie. Obwohl HTLV-2
aus einer Zelllinie von einem Patienten mit atypischer Haarzell-Leukämie (vom T-Zell Phänotyp) stammt, ist die Assoziation von HTLV-2
mit dieser Erkrankung bisher nicht gesichert.
Ähnliches gilt für andere Leukämie-Formen
bzw. Tumoren, so dass eine Krankheitassoziation für HTLV-2 im Gegensatz zu HTLV-1 bislang
nicht mit Sicherheit bewiesen ist.
Differenzialdiagnose
Adulte T-Zell Leukämie und atypische Haarzell-Leukämie. Andere Leukämien (z.B. Akute
myeloische Leukämie (AML) M1-7, Akute lymphatische Leukämie (ALL), Chronisch myeloische Leukämie (CML), Osteomyelosklerose) sowie entzündliche Prozesse (z.B. Mononukleose,
leukämoide Reaktion bei chronischen Eiterungen, Sepsis) müssen differenzialdiagnostisch
abgeklärt werden.
Tropisch-spastische Paraparese. Andere entzündliche (z.B. VZV, HSV, EBV, Borreliose), degenerative (z.B. Multiple Sklerose, Syringomyelie) und tumorinduzierte (z.B. spinale Tumoren, Metastasen) spinale Prozesse müssen differenzialdiagnostisch abgeklärt werden.
Labordiagnostik
Zum Screening werden ELISA oder Agglutinations-Tests verwendet, die gegen HTLV-1/2 gerichtete Antikörper nachweisen. Die Antikörper-Titer sind im Vergleich zu HIV niedrig,
weshalb die Tests eine hohe Sensitivität aufweisen müssen. Kompetitive ELISA's oder RIA's
sind in der Lage, zwischen HTLV-1 und HTLV-2
zu unterscheiden, was im Hinblick auf die unterschiedliche Prognose von Bedeutung ist. Als
Bestätigungstest findet der Western Blot und
die Polymerasekettenreaktion (PCR) aus Lymphozyten-DNA Anwendung. Die PCR eignet
sich auch für die Differenzierung zwischen
HTLV-1 und HTLV-2.
Therapie
Eine Therapie wird wegen des niedrigen Manifestationsindexes nur bei den subakuten und
akuten Formen der ATL durchgeführt. Chemotherapeutische Standardschemata, wie sie bei
aggressiven Formen von Non-Hodgkin-Lymphomen und bei ALL Anwendung finden, sind
bei ATL wenig erfolgversprechend. Das Chemotherapeutikum Deoxycoformycin konnte zumindest in einigen Patienten eine Remission induzieren. Ähnliches gilt für die Gabe von antiTac Antikörpern, die gegen den IL2-Rezeptor
gerichtet sind. Bei TSP wurden mit unterschiedlichem klinischen Erfolg Behandlungsversuche
mit Kortikosteroiden, humanem Gammaglobulin und α-Interferon unternommen. Kürzlich
wurde gezeigt, dass Lamivudin die Viruslast
und die CTL Antwort signifikant senken kann.
351
H
Humanes T-Zell Leukämie Virus Typ 1, Humanes T-Zell Leukämie Virus Typ 2
Für die Therapie der ATL ist Lamivudin wahrscheinlich nicht geeignet, da die Viruslast bei
Ausbruch der ATL niedrig oder sogar negativ
ist.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
HTLV-1 infiziert in vivo und in vitro verschiedene Zelltypen. In vivo sind im Wesentlichen
CD4+ T-Lymphozyten infiziert, daneben aber
auch B-Lymphozyten und Stammzellen des
Knochenmarks. Auch in vitro lassen sich verschiedene Zellen infizieren, allerdings tritt ein
immortalisierende Wirkung nur bei T-Zellen
auf. In Übereinstimmung mit dem breiten Zelltropismus kann der bisher nicht identifizierte
zelluläre Rezeptor für HTLV-1 in sehr vielen unterschiedlichen Zellen nachgewiesen werden.
Das trans-aktivierende tax Protein von HTLV
beeinflusst nicht nur den eigenen, sondern auch
heterologe zelluläre Promotoren und wirkt dadurch transformierend. Ein wichtiges Beispiel
hierfür ist die Transaktivierung des Interleukin2 (IL-2) und des IL-2-Rezeptor Promotors
durch tax. Auf diese Weise wird eine autokrine
Schleife etabliert, die die infizierten Zellen zur
kontinuierlichen Proliferation anregt. Neben
IL-2 werden auch noch weitere Zytokine und
Wachstumsfaktoren induziert. Darüber hinaus
besitzen auch inaktivierte HTLV-Virionen bereits eine mitogene Wirkung auf T-Lymphozyten, ohne dass diese infiziert werden müssten.
Im Gegensatz zu HTLV-1 infiziert HTLV-2
wahrscheinlich vorwiegend CD8+ T-Lymphozyten. Interessanterweise ist die Variabilität im
Vergleich zu HIV wesentlich geringer. Selbst
Isolate aus unterschiedlichen geographischen
Regionen besitzen noch eine Sequenzhomologie zwischen 96 bis 99%.
Transmission
HTLV-1 wird durch sexuelle Übertragung, vertikale Transmission von der Mutter auf das Kind
und parenteral durch infizierte Blutkonserven
übertragen. Die sexuelle Übertragung basiert
auf infizierten T-Lymphozyten im Samen, und
ist wesentlich häufiger vom Mann auf die Frau
als umgekehrt. Die vertikale Übertragung von
der Mutter auf das Kind ist auf infizierte T-Lymphozyten in der Muttermilch zurückzuführen.
Eine zellfreie Übertragung, z.B. über Blutplasma
352
oder Plasmaprodukte, ist offensichtlich nicht
möglich.
Vermehrung und Inkubationszeit
Die Viruslast ist im Vergleich zu anderen retroviralen Infektion ungewöhnlich hoch (ATL 0,1–
10 Kopien/100 PBMC; HAM/TSP 5–10 Kopien/
100 PBMC). Die Inkubationszeit bis zum Auftreten der ATL beträgt im Mittel 20 bis 30 Jahre,
von HAM/TSP im Durchschnitt 2 Jahre.
Resistenz
Da über den Einsatz von Lamivudin erst vor
kurzem berichtet wurde, ist über mögliche Resistenzentwicklung bisher nichts bekannt. In Anbetracht der geringen Mutationsrate ist die Resistenzentwicklung aber wahrscheinlich wesentlich niedriger als bei HIV-1.
Immunantwort
Die Mehrzahl der Infizierten zeigt eine ausgeprägte CTL Antwort, die überwiegend gegen
Tax gerichtet ist. Die Antikörperantwort ist vorwiegend gegen Gag und Env gerichtet. In 50%
aller Infizierten treten auch Tax Antikörper auf.
Es besteht eine negative Korrelation zwischen
HLA-A2 und der Viruslast. Dies impliziert, dass
Tax Peptide durch HLA-A2 präsentiert werden
und dass eine starke CTL Antwort gegen TSP/
HAM schützt.
Wirtsbereich
Der natürliche Wirt von HTLV-1 und HTLV-2
ist der Mensch. Beide Viren besitzen jedoch ein
vergleichsweise breites Wirtsspektrum in vivo
und in vitro. Tierexperimentell konnten zum
Beispiel Affen und Kaninchen mit HTLV-1 infiziert werden.
Risikogruppen
In Endemiegebieten sind entsprechend dem Infektionsmodus vorwiegend Ehefrauen von Infizierten sowie Neugeborene von HTLV-1-infizierten Müttern gefährdet. Risikogruppen für
HTLV-2 sind Drogenabhängige, sowie nordund südamerikanische Indianer.
Epidemiologie
HTLV-1 ist weltweit verbreitet, tritt jedoch vorwiegend in Südjapan (15–30%), der Karibik (3–
6%), in Papua-Neuguinea und in Teilen Westafrikas auf. Auch innerhalb dieser Endemiegebie-
Humanes T-Zell Leukämie Virus Typ III (HTLV-III)
te ist die Verteilung von HTLV-1 regional und
lokal sehr unterschiedlich. Die Gesamtzahl der
HTLV-1 Infizierten wird auf 10 bis 20 Millionen
geschätzt. Auffallend ist eine höhere Seroprävalenz im männlichen Geschlecht, die wahrscheinlich die bessere Übertragung vom Mann
auf die Frau reflektiert. HTLV-2 ist vorwiegend
verbreitet unter Drogenabhängigen und nordals auch südamerikanischen Indianern. Im Vergleich zu HTLV-1 ist die Inzidenz weltweit
wahrscheinlich relativ gering.
Meldepflicht
Eine Meldepflicht nach § 7 des Infektionsschutzgesetzes beim direkten oder indirekten
Erregernachweis besteht nicht.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Nationales Referenzzentrum für Retroviren:
Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein, Institut für Klinische und Molekulare Virologie, Schlossgarten
4, 91054 Erlangen, Tel. 09131/853563; Fax 09131/
852101
Genetik
Das Einzelstrang (+) RNA Virusgenom hat eine
Länge von etwa 9 kb und kodiert wie bei allen
Retroviren die Gag (Strukturproteine des Viruskerns), Pol (Reverse Transkriptase, Protease
und Integrase) und Env (Hüllproteine) Genprodukte. Charakteristisch für HTLV ist ein Bereich 3’ von Env, der auch als Region X bezeichnet wird. In diesem Bereich kodiert das jeweils
zweite Exon der beiden regulatorischen Proteine Tax und Rex. Tax wirkt, ähnlich wie Tat von
HIV auf den 5’ „Long Terminal Repeat“ (LTR),
den Promotor von HTLV, und steigert die Transkription viraler mRNA's. Rex verstärkt ähnlich
wie HIV-1 Rev den nukleo-zytoplasmatischen
Transport von viralen Transkripten. Der LTR
von HTLV-1 enthält neben der Bindungsstelle
für Tax einige weitere Sequenzelemente, die von
zellulären Transkriptionsfaktoren, z.B. CREB,
SP-1, AP-2 und NF-1 gebunden werden.
HTLV-1: D13784, NC_001436, AF033817
HTLV-2: AF412314, NC_001877, NC_001815,
NC_001488
Prävention
Ein Impfstoff ist derzeit nicht erhältlich. Aufgrund der hohen Zahl von HTLV-1-Infizierten
erscheint die Entwicklung einer Vakzine trotz
des niedrigen Manifestationsindexes sinnvoll.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Die Strategien zur Krankheitsvorbeugung beschränken sich wegen des Fehlens eines Impfstoffes auf eine Aufklärung der Bevölkerung
hinsichtlich der Gefährdung durch ungeschützten Sexualverkehr.
Web-Adressen
Kagoshima University Internal Medicine Department: http://www.kufm.kagoshima-u.ac.jp/
~intmed3/ham.htm
Schlüsselliteratur
1. Jeffery, K.J., Usuku, K., Hall, S.E., Matsumoto, W., Taylor,
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Humanes T-Zell Leukämie Virus Typ
III (HTLV-III)
Humanes Immundefizienz Virus
353
H
Hundebandwurm
Hundebandwurm
Echinococcus granulosus
Hundespulwurm
Toxocara
Hymenolepis diminuta
Cestoden, seltenere
Hymenolepis nana
Erregerbezeichnung
Hymenolepis nana
Synonym
Rodentolepis nana, Zwergbandwurm
Morphologie
Bandwurm von 2,5–4 cm Länge und 1 mm Breite. Skolex mit 4 Saugnäpfen und Rostellum mit
einfachem Hakenkranz. Strobila aus 100–200
Proglottiden bestehend. Eier rundlich (30–
50 µm), dünnschalig, Embryophore mit äußeren Polfäden und Oncosphäre im Innern.
Taxonomie
Klasse:
Cestoda
Ordnung: Cyclophyllidea
Familie: Hymenolepididae.
Historie
Erstnachweis beim Menschen durch Theodor
Bilharz 1851 in Ägypten. Aufklärung des Entwicklungszyklus durch Grassi und Rovelli (1887,
1892).
Erkrankungen/Symptome
Hymenolepidiasis. Vor allem bei Massenbefall.
Charakterisiert durch periodische, schlagartig
einsetzende Leibschmerzen von 1–2 Stunden
Dauer; Diarrhöen mit glasig-schleimigen Stühlen und unter Umständen epileptiforme Anfälle. Hymenolepidiasis ist geprägt durch die toxi354
sche Wirkung von Stoffwechselprodukten.
Leichtere Infektionen sind in der Regel asymptomatisch. Durch die Autoinfektion kann jedoch besonders bei Kindern ein starker Befall
mit heftigen Bauchkrämpfen, Durchfällen und
Anorexie entstehen.
Differenzialdiagnose
Durchfallserkrankungen durch virale oder bakterielle Erreger oder durch Protozoen.
Labordiagnostik
Der Nachweis eines H. nana-Befalls erfolgt anhand der bereits im Darm freigewordenen und
mit dem Stuhl ausgeschiedenen charakteristischen Eier. Für eine sichere Diagnostik empfiehlt sich die Untersuchung von drei Stuhlproben von verschiedenen Tagen mit Hilfe eines
Anreicherungsverfahrens (MIF- oder SAF-Anreicherung).
Therapie
Mittel der Wahl ist Praziquantel in einer Einmaldosis von 25mg/kg KG. Hierdurch werden
die adulten sowie die Larven (Cysticercoide) in
der Darmwandmukosa abgetötet. Niclosamid
wirkt jedoch ausschließlich gegen die Adulten
(7tägige Behandlung je nach Alter; >6 Jahre: 1.
Tag 2g, 2.–7. Tag je 1g oral; 2–6 Jahre: 1g bzw.
0,5g; <2 Jahre: 0,5g bzw. 0,25g).
Spezifische Merkmale
Transmission
Die Übertragung erfolgt in der Regel auf dem fäkal-oralen Infektionsweg durch die Aufnahme
der Bandwurmeier. Das Verschlucken bzw. der
Verzehr von Zwischenwirten (verschiedene Insekten, z.B. Flöhe, Mehlkäfer und andere) kann
ebenfalls zur Infektion führen. Die Autoinfektion ist der häufigere Infektionsmodus.
Vermehrung und Inkubationszeit
H. nana gehört zu den fakultativ diheteroxenen
Parasiten und kann sich also mit oder ohne Zwischenwirt entwickeln. Ohne Zwischenwirt: Ausscheidung der Eier mit dem Stuhl → orale Aufnahme durch den Menschen → Schlüpfen der
Oncosphäre im Darmtrakt → Entwicklung zur
Larve (Cysticercoid) in der Mukosa des Duodenums → Rückwanderung ins Darmlumen und
Heranwachsen zum Adultwurm im Dünndarm.
Hymenolepis nana
Mit Zwischenwirt: Aufnahme der Eier durch
Larven von Insekten (Flöhe, Mehlkäfer u.a.) →
Entwicklung zur Larve (Finne) → Verschlucken
infizierter Insekten durch den Menschen →
Entwicklung zum Adultwurm im Dünndarm.
Die Präpatenzzeit ist abhängig von der Art des
Infektionsmodus und kann bis zu 3 Wochen betragen.
Wirtsbereich
H. nana nana gilt als Humanparasit und
H. nana fraterna als Parasit von Ratten und anderen Nagetieren. Es handelt sich daher möglicherweise um 2 Stämme, die normalerweise entweder von Mensch zu Mensch oder von Maus zu
Maus weitergegeben werden.
Risikogruppen
Besonders betroffen sind Menschen, die in Gebieten mit mangelhaften hygienischen Verhältnissen leben.
Epidemiologie
H. nana nana kommt vor allem in den wärmeren Klimazonen vor und führt dort zu Infektionen bei Kindern. Die Zahl der Infizierten wird
auf 30 Mio. geschätzt. Kontaminierte Nahrungsmittel sind eine wichtige Infektionsquelle. Häufig sind aber auch Autoinfektionen. Die aus
Hausmäusen beschriebene H. nana fraterna ist
weltweit verbreitet und kann über verunreinigte
Nahrungsmittel ebenfalls zur Infektion des
Menschen führen.
Prävention
Maßnahmen zur Verhütung bestehen in Körperhygiene und sicherer Beseitigung menschlicher Fäkalien.
Meldepflicht
Eine Meldepflicht besteht nicht.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Offizielle Referenzzentren existieren nicht; als
fachlich qualifiziert anzusehen sind sämtliche
parasitologische und tropenmedizinische Institutionen.
Expertenlaboratorien
◗ Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin, Leopoldstr. 5, 80802 München
◗ Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin,
Bernhard-Nocht-Str. 74, 20359 Hamburg
◗ Hygiene-Institut, Abteilung Parasitologie, Im
Neuenheimer Feld 324, 69120 Heidelberg
◗ Hygiene-Institut, Abteilung Tropenmedizin,
Im Neuenheimer Feld 324, 69120 Heidelberg
◗ Institut für Medizinische Parasitologie, Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn
◗ Institut für Parasitologie, Rudolf-BuchheimStr. 2, 35392 Gießen
◗ Institut für Parasitologie, Bünteweg 17, 30559
Hannover
◗ Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin, Königsweg 65, 14163 Berlin
◗ Institut für vergleichende Tropenmedizin
und Parasitologie, Leopoldstr. 5, 80802 München
◗ Institut für Tropenmedizin, Wilhelmstr. 31,
72074 Tübingen
◗ Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Wiederholdstr. 15, 70174 Stuttgart
◗ Landesinstitut für Tropenmedizin, Engeldamm 62/64, 10179 Berlin
Web-Adressen für Parasiten
◗ Deutsche Gesellschaft für Parasitologie: http://www.dgp.parasitologie.de
◗ Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft: http://www.dvg.net u.a. Infos zur
Fachgruppe „Parasitologie und parasitäre
Krankheiten“
◗ Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin
und Internationale Gesundheit:
http://www.dtg.mwn.de
◗ British Society for Parasitology:
http://www.abdn.ac.uk/bsp/
◗ American Society of Parasitologists:
http://www.museum.unl.edu/asp
◗ Universität Berlin: Lehrstuhl für molekulare
Parasitologie:
http://www.biologie.hu-berlin.de/molpara
◗ CDC-Center for Disease Control and Prevention: http://www.cdc.gov/
◗ WHO-World Health Organization:
http://www.who.int/
Schlüsselliteratur
1. Beaver PC, Jung RC, Cupp EW (1984) Clinical Parasitology.
9th Edition. Lea & Febiger, Philadelphia
355
H
Hypoderaeum
2. Lucius R, Frank-Loos B (1997). Parasitologie. Grundlagen
für Biologen, Mediziner, Veterinärmediziner. Spektrum,
Akademischer Verlag Heidelberg, Berlin.
3. Despommier DD, Gwadz RW, Hotez PJ (1995) Parasitic
Diseases. 3rd Edition, Springer-Verlag, New York etc.
4. Lang W, Löscher T (Hrsg). (2000) Tropenmedizin in
Klinik und Praxis. 3. Auflage, Georg Thieme Verlag
Stuttgart.
5. Mehlhorn H, Eichenlaub D, Löscher T, Peters W (1995)
Diagnostik und Therapie der Parasitosen des Menschen. 2.
Auflage, Gustav Fischer Verlag Stuttgart.
Hypoderaeum
Darmegel
Hypoderma
Fliegenmaden
356
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