Biologische Ursachen der Depression

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Biologische Ursachen
der Depression
Hier wird grad sehr viel Dopamin ausgeschüttet.
Cord Bitter, Dipl.-Psych. / Berlin, 20.November 2016
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Biologische Ursachen der Depression:
Veränderungen des Neurotransmitter- und
Hormonspiegels Quelle: © Depression-behandeln.de
Anmerkung CB: Dies sind wie gesagt nur die Biologischen Ursachen – soviel man bis heute
jedenfalls weiß. Die ganzheitliche Depressionsforschung ist und bleibt sehr spannend.
Wie kommt es zu Depressionen, und warum treten depressive Episoden
immer wieder auf?
Bereits Anfang 1900 erkannte der deutsche Psychiater Kraepelin, dass unipolare und bipolare
affektive Erkrankungen nicht nur immer wiederkehren (also rekurrent sind), sondern dass ihre
Phasen auch in immer kürzeren Intervallen hintereinander auftreten (d.h., dass sie progredient
verlaufen).
Der Anfang solcher Erkrankungen ist meist auf psychosozialen Stress oder ein
schwerwiegendes Lebensereignis zurückzuführen, wie zum Beispiel den Verlust eines
nahestehenden Menschen.
Depressionen beginnen mit einer bestimmten genetischen Disposition und
belastenden Lebensereignissen.
Die Sensibilisierungs-Hypothese von Post (1990, 1992) besagt nun, dass die Sensibilisierung
eines Menschen für depressive Episoden auf dem Boden seiner genetischen Veranlagung und
einer daraus resultierenden entwicklungsbiologisch begründeten Vulnerabilität (Anfälligkeit)
erfolgt. Mit anderen Worten: Manche Menschen sind aufgrund ihrer Gene (aber nicht etwa
nur eines Gens!) 'prädisponiert' für Depressionen. Wenn ihnen nun sehr belastende Ereignisse
widerfahren, verstärkt sich diese ohnehin vorhandene 'Anfälligkeit' für depressive Episoden.
Bei Stress wird Cortisol ausgeschüttet, und die Neurotransmittersysteme
verändern sich. Das bewirkt eine dauerhafte Veränderung des Gehirns und eine weitere
Sensibilisierung.
Solche belastenden Ereignisse sind mit psychosozialem Stress verbunden, der ganz konkrete
körperliche Auswirkungen hat: zum Beispiel eine Hyperaktivität monoaminerger
Neurotransmittersysteme und eine erhöhte Aktivität des Hypothalamus-HypophysenNebennierensystems, bei der sehr viel Cortisol (ein "Stresshormon") ausgeschüttet wird.
Diese körperlichen Veränderungen führen dann besonders am Anfang zur Sensibilisierung
erneuter Krankheitsphasen.
Cord Bitter, Dipl.-Psych. / Berlin, 20.November 2016
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Rezeptoren, Signalübertragung und Genexpression verändern sich langfristig.
Zwar werden diese Stresshormone nur während der Krankheitsphase ausgeschüttet, aber sie
bewirken in dieser Zeit eine adaptive Kompensation, die das ganze Gehirn betrifft.
Rezeptoren, Signalübertragung (Signaltransduktion) und Genexpression verändern sich
langfristig und bleiben auch nach der Krankheitsphase verändert. Mit anderen Worten: Nicht
nur die Aktivität der Nervenzellen verändert sich dauerhaft (durch die Modifikation von
Rezeptoren und Ionenkanälen), sondern auch die synaptische Plastizität. Das wiederum hat
langfristige Konsequenzen für die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen.
Die Morphologie der Nervenzellen verändert sich dann ebenso wie die Vernetzung
synaptischer Strukturen.
Durch die Veränderungen des Gehirns wird die Depression zunehmend zum
'Selbstläufer'.
Dem Gehirn gelingt es immer weniger, sich externen Herausforderungen (Stressoren)
gesundheitsfördernd anzupassen. Im weiteren Verlauf bedarf es dann immer weniger großer
Auslöser, um erneut depressive Phasen hervorzurufen. Nach einiger Zeit können depressive
Episoden auch aus objektiv geringfügigen oder gar keinen Anlässen entstehen.
Die Depressionsentstehung ist also komplexer, als man denkt - und das gilt auch für die
Wirkung von Antidepressiva.
Wie wirken Antidepressiva - beispielsweise SSRIs?
SSRIs verändern die Verfügbarkeit von Neurotransmittern. Doch was sind
überhaupt Neurotransmitter?
Antidepressiva beeinflussen den Haushalt bestimmter Monoamine bzw. Neurotransmitter wie
Serotonin, Noradrenalin und Dopamin.
Neurotransmitter sind biochemische Stoffe, die wichtige körperbezogene Informationen über
die Synapsen von einer Nervenzelle (Neuron) zur anderen weitergeben. Der elektrische
Nervenimpuls kann den synaptischen Spalt nicht einfach überspringen, sondern muss von
Zelle A (dem präsynaptischen Neuron) zur Zelle B (dem postsynaptischen Neuron)
weitergegeben werden - und das ist die Aufgabe der Neurotransmitter.
Die chemischen Überträgersubstanzen sind in winzigen "Bläschen", den Vesikeln, gespeichert
(siehe Zeichnung). Nach dem Erhalt eines elektrischen Signals einer Nervenzelle öffnen sich
die Vesikel. Die Neurotransmitter ergießen sich in den synaptischen Spalt und wandern zur
hinter dem Spalt liegenden Zelle.
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Neurotransmitter werden über den synaptischen Spalt von einer Nervenzelle zur anderen übertragen.
Auf der postsynaptischen Membran der signalaufnehmenden Zelle B befinden sich
Andockstellen (Rezeptoren), die nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip funktionieren: Bindet
ein Neurotransmitter an seinen Rezeptor, ändert sich die Durchlässigkeit der Zellmembran
von Neuron B für bestimmte elektrisch geladene Ionen. Das chemische Signal wird also
wieder in ein elektrisches Signal übersetzt.
Danach werden die Neurotransmitter entweder abgebaut (zu 10 %) oder zur Nervenzelle A
zurücktransportiert und von dieser durch spezielle Öffnungen in der Zellwand wieder
aufgenommen. Letzteren Vorgang bezeichnet man als "Wiederaufnahme" oder "Reuptake".
Das "RI" von SSRI" steht für "Reuptake Inhibitor", das heißt, die soeben beschriebene
Wiederaufnahme wird (selektiv) unterbunden.
SSRIs verhindern die Wiederaufnahme von
präsynaptische Nervenzelle.
Neurotransmittern
in
die
Die Wiederaufnahme von Neurotransmittern in die präsynaptische Nervenzelle (= vor dem
Spalt) wird also durch Wiederaufnahmehemmer (wie beispielsweise SSRIs) verhindert, so
dass mehr Neurotransmitter frei am synaptischen Spalt verfügbar bleiben.
Das geschieht so: Die Wiederaufnahmehemmer blockieren das Transportmolekül, das die
Rückführung der Neurotransmitter zur Zelle A bewirkt. Dadurch wird den Neurotransmittern
der "Rückweg" versperrt. Sie müssen also länger im synaptischen Spalt "ausharren" und sind
deshalb in der Lage, gewünschte Signale mehrfach zu übertragen (bzw. die postsynaptische
Zelle B mehrfach zu stimulieren).
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SSRIs verringern die Anzahl postsynaptischer Serotonin-Rezeptoren.
SSRIs bewirken die Herunterregulation von postsynaptischen Serotonin-5-HT2A-Rezeptoren.
Da durch die Einnahme von SSRIs mehr Serotonin am synaptischen Spalt frei verfügbar ist,
verringert sich nach und nach die Anzahl postsynaptischer Rezeptoren.
Bei höherer Verfügbarkeit von Serotonin werden weniger Rezeptoren benötigt, weil alle
vorhandenen Rezeptoren bereits überflutet sind; wäre das Aufkommen zu gering, würden
mehr Rezeptoren gebraucht, um das vorhandene Aufkommen optimal zu nutzen. Das heißt:
Mehr Serotonin -> weniger Rezeptoren. Man könnte also sagen, dass die Nervenzellen von
ihrer 'fieberhaften' serotoninbezogenen Rezeptorentätigkeit entbunden werden und sich
anderen Aufgaben widmen können.
Dass dieser Hyperaktivität bestimmter Serotoninrezeptoren Einhalt geboten werden muss,
beweist schon allein die Tatsache, dass im präfrontalen Cortex (Vorderhirn) von Suizidopfern
die 5-HT2A-(Serotonin)-Rezeptorbindung erhöht war (wir erinnern uns: Serotonin korreliert
mit Aggressivität, also auch Autoaggressivität).
Dennoch wirken SSRIs nicht nur auf 5-HT2A-Rezeptoren, wie eine andere Studie bewies. Sie
konnte belegen, dass die Wirkungen der 5-HT2A-Regulierung durch SSRIs noch von anderen
Faktoren abhängig ist. 5-HT2A-modulierend wirkte zum Beispiel die Aktivierung anderer
Unterrezeptoren (5-HT1A) sowie die Stimulierung von Rezeptoren für andere
Neurotransmitter und Hormone wie etwa Noradrenalin und Melatonin.
SSRIs verändern die Genexpression.
Außerdem scheint inzwischen erwiesen, dass Antidepressiva die Genexpression verändern.
Die Genexpression ist die Ausprägung des Genotyps – also der genetischen Information (Gen,
DNA) – zum Phänotyp eines Organismus oder einer Zelle.
"Auf molekularer Ebene können depressive Syndrome als Störung der intra- und
interneuronalen Kommunikation durch fehlerhafte Aktivierung oder Inaktivierung
regulatorischer Proteine, d.h. als Folge einer Neuronen-spezifisch dysregulierten
Genexpression interpretiert werden."
Antidepressive Therapien verändern die Genexpression. Dadurch kommt es zur Veränderung
der neuronalen Signalübertragung in bestimmten Hirnregionen, wie z.B. dem Hippocampus,
der Amygdala und dem präfrontalen Cortex. (Wir erinnern uns: Der Hippocampus schrumpft
bei unbehandelten Depressionen, die Amygdala ist zu aktiv, und der präfrontale Cortex ist
nicht aktiv genug.)
Mit anderen Worten: Antidepressiva verändern aktiv (positiv) die Hirnstruktur. Das betrifft
vor allem Gehirnregionen, in denen Wahrnehmung, Kognition und Emotion miteinander
verbunden werden.
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Warum dauert es so lange, bis die SSRIs wirken?
Die meisten Serotonin-Rezeptoren auf der Zelloberfläche sind an ein G-Protein gekoppelt, das
sich in der Zelle befindet. Diese Proteine aktivieren oder hemmen die sogenannten "Second
Messengers" bzw. sekundären Botenstoffe, was wiederum die Transkriptionsfaktoren
beeinflusst. Transkriptionsfaktoren sind Proteine, die genau auf das Anfangsstück eines Gens
passen und der Zelle 'sagen', dass sie beginnen soll, es zu verwenden.
Diese (oben beschriebenen) neurophysiologischen Anpassungen des Hirngewebes dauern
relativ lange. Deshalb wirken SSRIs erst nach einigen Wochen der kontinuierlichen
Einnahme. Durch das erhöhte Serotoninaufkommen ist am Anfang der Behandlung mit SSRIs
häufig eine Verstärkung der Angstgefühle zu beobachten.
Welche Neurotransmitter sind bei der Behandlung von Depressionen
von Bedeutung?
Für die Behandlung von Depressionen sind vor allem Serotonin, Noradrenalin und Dopamin
von Bedeutung.
Die Monoamin-Hypothese geht davon aus, dass ein Mangel an frei verfügbarem Serotonin,
Noradrenalin oder Dopamin im Gehirn zu depressiven Verstimmungen führt.
"Noradrenalin kann sowohl mit Wachheit und Energie als auch mit Angst, Aufmerksamkeit
und Interesse am Leben in Verbindung gebracht werden; [ein Mangel an] Serotonin mit
Angst, Obsessionen und Zwängen; und Dopamin mit Aufmerksamkeit, Motivation, Lust und
Belohnung sowie ebenfalls mit einem Interesse am Leben."
Die Stichhaltigkeit dieser Theorie ist jedoch umstritten, weil sich beispielsweise auch
Medikamente wie Tianeptin (Markenname Stablon, in Österreich und Frankreich zugelassen),
die genau umgekehrt wirken und die Wiederaufnahme von Neurotransmittern verstärken,
bewährt haben.
Neben dieser Hypothese gibt es noch andere biologische Theorien - zum Beispiel die
Entstehung von Depressionen durch Veränderungen der Hirnanatomie.
Serotonin - für bessere Stimmung, gegen die Angst
Der Neurotransmitter Serotonin wirkt vor allem auf das Herz-Kreislauf-System, den MagenDarm-Trakt und das Nervensystem. Er beeinflusst unmittelbar oder mittelbar fast alle
Gehirnfunktionen: die Wahrnehmung, den Schlaf, die Temperaturregulation, die Sensorik, die
Schmerzempfindung und -verarbeitung, den Appetit, das Sexualverhalten und die
Hormonausschüttung.
Depressive Verstimmungen, Angst und impulsive Aggressionen lassen sich unter anderem
häufig auf einen Mangel an Serotonin oder seiner Vorstufe, der Aminosäure Tryptophan,
zurückführen.
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Deshalb führt der Einsatz von Medikamenten, die den Serotoninhaushalt des Hirns verändern
(Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer bzw. SSRIs), im Wesentlichen zu einer
Hemmung der Impulsivität und des aggressiven Verhaltens und zu einer
Stimmungsaufhellung. SSRIs sind gut verträglich und werden daher häufig eingesetzt. Sie
eignen sich vor allem zur Behandlung von leichten und mittelgradigen depressiven Episoden
sowie von Angst- und Zwangsstörungen.
Ist Serotonin ein Allheilmittel gegen die Depression?
Sind wir also nun glücklich, wenn wir nur genügend Serotonin im Gehirn 'rumschwimmen'
haben? Nein, so einfach ist es nicht.
Biochemisch liegt hier sicherlich kein einfacher Mangel vor. Dass eine Anhebung des
Serotonin-Spiegels hilft, heißt nicht automatisch, dass der Spiegel vorher zu niedrig war.
Eine amerikanische Studie belegte Folgendes: "Weder eine Senkung des 5-HT-[Serotonin]Spiegels noch des Noradrenalin-Spiegels führte bei gesunden Menschen zu einer klinischen
Depression oder verschlimmerte die Depression bei unbehandelten symptomatischen
Patienten mit einer schweren Depression. Diese Erkenntnis deutet darauf hin, dass die
Ursache von Depressionen komplexer ist als nur eine Veränderung des 5-HT- und/ oder
Noradrenalin-Spiegels."
Wie wir oben schon erwähnt haben, handelt es sich bei der Entstehung von Depressionen um
sehr viel komplexere Vorgänge, die nicht nur auf einen oder mehrere Neurotransmitter
zurückzuführen sind.
Beeinträchtigte Hirnareale müssen regeneriert werden.
Die besagte Studie äußert auch gleich eine Vermutung zu den wahren Gründen:
"Bei einigen Patienten könnte die direktere Ursache für ihre Depression in einer Dysfunktion
von Gehirnarealen oder neuronalen Systemen liegen, die durch monoamine Systeme
moduliert werden. Wir glauben, dass Antidepressiva eventuell die Neurotransmission von
normalen noradrenergen oder serotonergen Neuronen verbessern und über einen
zeitabhängigen, bislang aber noch nicht entdeckten Prozess die Funktionalität von
Hirnarealen wieder herstellen, die von monoaminen Neuronen moduliert werden.“
Das wäre eine weitere plausible Erklärung dafür, warum Antidepressiva erst nach einigen
Wochen wirken: Teile des Gehirns sind in Mitleidenschaft gezogen und müssen sich langsam
regenerieren.
Inwieweit Menschen auf SSRIs reagieren, hängt aber unter anderem auch von genetischen
Faktoren ab. Deshalb wirken SSRIs bei einigen Patienten gar nicht, dafür aber Noradrenalinmodulierende Medikamente oder andere Arten von Antidepressiva.
Noradrenalin - gegen Antriebsstörungen
Noradrenalin (auch Norepinephrin genannt) wirkt anregend auf das Herz-Kreislaufsystem.
Deshalb werden Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer vor allem zur Bekämpfung von
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Antriebsschwäche und depressionsbedingter Müdigkeit eingesetzt. Nach einer gewissen Zeit
der Behandlung zeigen die Patienten meist wieder mehr Interesse an ihrer Umwelt. Sie sind
aktiver, motivierter und energiegeladener als vor der Behandlung und nehmen Umweltreize
wieder besser wahr.
Dopamin - für mehr Motivation
Dopamin ist der wichtigste Botenstoff im Belohnungssystem. Er ist sehr wichtig für die
Motivation und steigert die Wahrnehmungsfähigkeit. Dopamin wird im Volksmund
fälschlicherweise auch "Glückshormon" genannt, weil eine verstärkte Ausschüttung zu
Glücksgefühlen führt. Bleibt der Dopaminspiegel über längere Zeit auf einem niedrigen
Niveau, kann eine Depression entstehen.
Hier wird grad sehr viel Dopamin ausgeschüttet.
Selektive Noradrenalin-/Dopamin-Wiederaufnahme-Hemmer (NDRIs) hemmen die
Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin. Sie werden vor allem bei
Antriebsschwäche eingesetzt. Durch den Einsatz von NDRIs wird mehr Dopamin am
synaptischen Spalt frei verfügbar, und die Stimmung bessert sich.
Übrigens haben amerikanische Forscher vor dem Hintergrund einer Studie mit Mäusen noch
eine Hypothese entwickelt, warum eine Therapie mit Antidepressiva häufig erst nach einiger
Zeit anschlägt: Die Medikamente blockieren zwar die auf den Gehirnbotenstoff Serotonin
spezialisierten Transporter im Gehirn, doch unter diesen Bedingungen kann der Botenstoff
auf andere Transporter ausweichen: auf Dopamintransporter. Serotonin benutzt also die
Dopamintransporter, wenn seine eigenen Transporter (durch SSRIs) blockiert sind, um in die
Nervenenden zu gelangen, die sonst nur Dopamin enthalten. Beim nächsten Signal, das an
diesen Nerven ankommt, wird dann nicht wie üblich nur Dopamin freigesetzt, sondern
zusätzlich das gelagerte Serotonin – mit der Folge, dass die Signalsysteme durcheinander
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geraten. Wenn die Durchmischung dann aber erst einmal erfolgreich abgeschlossen ist, hat
das auch positive Effekte: Da jetzt zusätzlich Serotonin von den Dopamin-Nerven freigesetzt
wird, steigt die Gesamtmenge schneller an, und die Stimmung stabilisiert sich. Welche
Nebenwirkungen die Durchmischung hat, können die Forscher jedoch noch nicht sagen.
Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass Antidepressiva, die die Serotonin-Transporter
blockieren, die Beziehung zwischen der Signalübertragung von Dopamin und 5-HT
(Serotonin) in bestimmten Hirnregionen (dem Striatum) verändern.
Ionenkanäle
NMDA- und Nikotinacetylcholin-Rezeptorblocker haben sich als mögliche antidepressive
Wirkstoffe erwiesen. Verhaltensstudien und psychologische Studien haben darüber hinaus
ergeben, dass der Kaliumkanal TWIK-1 ein potentielles Ziel für antidepressive
Behandlungen ist; diese Vermutung muss jedoch noch klinisch belegt werden. Tierstudien
und genetische Assoziationsstudien konnten außerdem belegen, dass eine ganze Anzahl
anderer Kanalarten, darunter spannungsabhängige Kalziumkanäle (Typ N), Pottasche
(Kv7), Serotonin (5-HT3) und purinerge P2X7-Kanäle depressionsähnliches Verhalten
beeinflussen können. Der therapeutische Nutzen einiger Ionenkanäle wird aber durch ihre
Funktion in einer Vielzahl physiologischer und pathophysiologischer Prozesse begrenzt.
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