114 Krebs in Deutschland Schilddrüse 3.24 Schilddrüse Tabelle 3.24.1 Übersicht über die wichtigsten epidemiologischen Maßzahlen für Deutschland, ICD-10 C73 2011 2012 Prognose für 2016 Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen 1.830 4.540 1.820 4.390 2.100 5.200 rohe Erkrankungsrate1 4,7 11,1 4,6 10,7 5,2 12,4 standardisierte Erkrankungsrate1,2 3,9 9,5 3,8 9,3 4,3 11,1 mittleres Erkrankungsalter3 55 51 56 51 336 388 330 419 0,9 0,9 0,8 1,0 0,6 0,5 0,6 0,5 7.600 20.300 7.700 20.700 Neuerkrankungen Sterbefälle rohe Sterberate1 standardisierte Sterberate1,2 5-Jahres-Prävalenz nach 5 Jahren absolute Überlebensrate relative Überlebensrate (2011 – 2012)4 (2011 – 2012)4 nach 10 Jahren 79 (66 – 89) 91 (82 – 95) 71 (59 – 82) 85 (79 – 91) 85 (72 – 95) 94 (86 – 99) 84 (68 – 94) 94 (89 – 99) 1 je 100.000 Personen 2 altersstandardisiert nach alter Europabevölkerung 3 Median 4 in Prozent (niedrigster und höchster Wert der einbezogenen Bundesländer) Epidemiologie An Schilddrüsenkrebs erkranken in Deutschland jährlich etwa 4.390 Frauen und 1.820 Männer. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt bei Frauen 51 Jahre und bei Männern 56 Jahre, wobei die Erkrankung gerade bei Frauen auch schon im jüngeren Alter vorkommt. Im Zeitraum von 1999 bis 2012 haben in Deutschland die Sterberaten sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern in geringem Ausmaß abgenommen, während die altersstandardisierten Erkrankungsraten bei beiden Geschlechtern erheblich zugenommen haben. Von diesem Anstieg waren ausschließlich die prognostisch sehr günstigen papillären Karzinome sowie überwiegend junge Erwachsene betroffen. Dieser Trend ist in ähnlichem Ausmaß auch in anderen Ländern zu beobachten und wird am ehesten auf die Zunahme der Diagnostik mit verbesserten Untersuchungsmethoden (z. B. Ultraschall) zurückgeführt, die auch im Rahmen der Abklärung anderer Schilddrüsenerkrankungen oder anderer innerer Erkrankungen zur Anwendung kommen. Innerhalb Deutschlands sind mit Abstand die höchsten Erkrankungsraten sowohl bei Männern als auch bei Frauen in Bayern, Berlin und NordrheinWestfalen zu beobachten, ähnlich hohe Raten sind in Österreich und Frankreich zu finden, bei den Frauen auch in Tschechien. Krebserkrankungen der Schilddrüse werden vor allem bei Frauen in der Mehrzahl (63 %) in einem frühen Stadium (T1) entdeckt und haben bei relativen 5-Jahres-Überlebensraten von 94 % bei Frauen und 85 % bei Männern eine günstige Prognose. Eine Ausnahme bilden die anaplastischen Karzinome (12 %). Risikofaktoren Ionisierende Strahlung aus der Umwelt erhöht das Risiko für Schilddrüsenkrebs. Dies gilt mittlerweile als gesichert. Im Kindesalter ist die Schilddrüse besonders strahlenempfindlich. So ist das Risiko für Schilddrüsenkrebs zum Beispiel erhöht, wenn während einer Strahlentherapie die Schilddrüse im Strahlenfeld liegt. Auch die Aufnahme von radioaktivem Iod, wie z. B. nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl, erhöht das Risiko für Schilddrüsenkrebs. Weitere ernährungs- oder lebensstilbezogene Risikofaktoren oder Umweltrisiken sind derzeit nicht sicher belegt. Außerdem ist unklar, warum Frauen häufiger betroffen sind als Männer. In der Vorgeschichte vieler Patienten finden sich Jodmangel und gutartige Schilddrüsenerkrankungen, wie Struma (»Kropf«) und Adenome, die das Risiko für Schilddrüsenkarzinome steigern. Ungefähr ein Viertel der Patienten mit den seltenen medullären Schilddrüsenkarzinomen trägt genetische Veränderungen, die autosomal dominant vererbt werden. Das medulläre Schilddrüsenkarzinom kann auch zusammen mit anderen endokrinen Tumoren auftreten – im Rahmen einer sogenannten multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2 (MEN 2). Auch bei den papillären Schilddrüsenkarzinomen wird eine genetische Komponente vermutet. ICD-10 C73 Krebs in Deutschland Abbildung 3.24.1a Altersstandardisierte Erkrankungs- und Sterberaten, nach Geschlecht, ICD-10 C73, Deutschland 1999 – 2012 je 100.000 (Europastandard) Abbildung 3.24.1b Absolute Zahl der Neuerkrankungs- und Sterbefälle, nach Geschlecht, ICD-10 C73, Deutschland 1999 – 2012 10 5.000 9 4.500 8 4.000 7 3.500 6 3.000 5 2.500 4 2.000 3 1.500 2 1.000 1 500 1998 2000 2002 Erkrankungsrate: Sterberate: 2004 Männer Männer 2006 2008 Frauen Frauen 2010 2012 1998 2000 2002 Neuerkrankungen: Sterbefälle: 2004 2006 Männer Männer 2008 2010 2012 Frauen Frauen Abbildung 3.24.2 Altersspezifische Erkrankungsraten nach Geschlecht, ICD-10 C73, Deutschland 2011 – 2012 je 100.000 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0–4 5–9 Männer 10–14 15–19 20–24 25–29 30–34 35–39 40–44 45–49 50–54 55–59 60–64 65–69 70–74 75–79 80–84 Frauen 85+ Altersgruppe 115 116 Krebs in Deutschland Schilddrüse Tabelle 3.24.2 Erkrankungs- und Sterberisiko in Deutschland nach Alter und Geschlecht, ICD-10 C73, Datenbasis 2012 Erkrankungsrisiko Männer im Alter von in den nächsten 10 Jahren 25 Jahren <0,1 % 35 Jahren 45 Jahren Sterberisiko jemals in den nächsten 10 Jahren jemals (1 von 4.000) 0,3 % (1 von 320) <0,1 % (1 von 262.800) 0,1 % (1 von 1.400) <0,1 % (1 von 2.200) 0,3 % (1 von 340) <0,1 % (1 von 72.600) 0,1 % (1 von 1.400) 0,1 % (1 von 1.600) 0,3 % (1 von 400) <0,1 % (1 von 25.300) 0,1 % (1 von 1.400) 55 Jahren 0,1 % (1 von 1.300) 0,2 % (1 von 510) <0,1 % (1 von 8.800) 0,1 % (1 von 1.400) 65 Jahren 0,1 % (1 von 1.300) 0,1 % (1 von 740) <0,1 % (1 von 5.100) 0,1 % (1 von 1.600) 75 Jahren 0,1 % (1 von 1.800) 0,1 % (1 von 1.300) <0,1 % (1 von 2.700) 0,1 % (1 von 1.800) Lebenszeitrisiko 0,3 % Frauen im Alter von (1 von 300) in den nächsten 10 Jahren 0,1 % (1 von 1.400) jemals in den nächsten 10 Jahren jemals 0,1 % (1 von 1.200) 25 Jahren 0,1 % (1 von 1.000) 0,8 % (1 von 130) <0,1 % (1 von 554.800) 35 Jahren 0,1 % (1 von 700) 0,7 % (1 von 150) <0,1 % (1 von 261.600) 0,1 % (1 von 1.200) 45 Jahren 0,2 % (1 von 630) 0,5 % (1 von 190) <0,1 % (1 von 66.900) 0,1 % (1 von 1.200) 55 Jahren 0,2 % (1 von 660) 0,4 % (1 von 270) <0,1 % (1 von 10.900) 0,1 % (1 von 1.200) 65 Jahren 0,1 % (1 von 790) 0,2 % (1 von 430) <0,1 % (1 von 5.100) 0,1 % (1 von 1.200) 75 Jahren 0,1 % (1 von 1.200) 0,1 % (1 von 840) <0,1 % (1 von 2.500) 0,1 % (1 von 1.400) 0,8 % (1 von 120) Lebenszeitrisiko 0,1 % (1 von 1.200) Abbildung 3.24.3 Verteilung der T-Stadien bei Erstdiagnose nach Geschlecht (oben: inkl. fehlender Angaben und DCO-Fälle; unten: nur gültige Werte) ICD-10 C73, Deutschland 2011 – 2012 keine Angaben DCO 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Männer T1 T2 T3 T4 Frauen 51% 16% 26% 63% 14% 7% 19% 4% Abbildung 3.24.4a Absolute Überlebensraten bis 10 Jahre nach Erstdiagnose, nach Geschlecht, ICD-10 C73, Deutschland 2011 – 2012 Abbildung 3.24.4b Relative Überlebensraten bis 10 Jahre nach Erstdiagnose, nach Geschlecht, ICD-10 C73, Deutschland 2011 – 2012 100 100 Prozent 80 80 60 60 40 40 20 20 0 2 Männer 4 Frauen 6 8 10 Jahre Prozent 0 2 Männer 4 Frauen 6 8 10 Jahre ICD-10 C73 Krebs in Deutschland Abbildung 3.24.5 Erfasste altersstandardisierte Neuerkrankungs- und Sterberaten in den Bundesländern, nach Geschlecht, ICD-10 C73, 2011 – 2012 je 100.000 (Europastandard) Männer Frauen Bayern Berlin Berlin Bayern Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen Brandenburg Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Deutschland Deutschland Niedersachsen Hessen Hessen Niedersachsen Rheinland-Pfalz Hamburg Thüringen Rheinland-Pfalz Sachsen Saarland Mecklenburg-Vorpommern Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt Baden-Württemberg Bremen Bremen Sachsen Schleswig-Holstein Saarland Inzidenz vollzählig Inzidenz <90% erfasst Mortalität 24 20 Hamburg 16 12 8 4 Inzidenz vollzählig Inzidenz <90% erfasst Mortalität Thüringen Schleswig-Holstein Baden-Württemberg 0 0 4 8 12 16 20 24 Abbildung 3.24.6 Altersstandardisierte Neuerkrankungs- und Sterberaten im internationalen Vergleich, nach Geschlecht, ICD-10 C73, 2011 – 2012 oder letztes verfügbares Jahr (Einzelheiten und Datenquellen s. Anhang) je 100.000 (Europastandard) Männer Frauen USA USA Österreich Frankreich Frankreich Österreich Finnland Tschechien Belgien Belgien Tschechien Finnland Deutschland Deutschland Schweiz Schweiz Schweden Schweden Dänemark Dänemark Großbritannien Polen Niederlande Inzidenz Mortalität 24 Großbritannien Polen 20 16 12 8 4 Inzidenz Mortalität Niederlande 0 0 4 8 12 16 20 24 117