Vegi oder nicht Vegi

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GESUNDHEIT Ernährung
Foto: Irisblende.de
Vegi oder nicht Vegi
Ernährung GESUNDHEIT
– das ist die Frage
Wenig oder kein Fleisch essen, ist in Mode. Die Gründe
für den Verzicht sind vielfältig. Doch taugt die Gesundheit
nicht als Argument für eine vegetarische Kost.
Text: Ulrike Gonder
E
s gibt viele Gründe, warum sich
Menschen vegetarisch ernähren.
Sie reichen von religiösen oder
philosophischen Betrachtungen
über ökologische Motivationen bis hin
zu ethischen Überzeugungen. Denn es
ist die persönliche Entscheidung jedes
Menschen, ob und welche tierischen
Lebensmittel auf seinem Speiseplan stehen. Allerdings empfehlen immer mehr
Ernährungsorganisationen eine überwiegend vegetarische Kost, und zwar vorrangig aus gesundheitlichen Gründen.
Doch ob jemand Fleisch isst oder
nicht, sagt nichts darüber aus, ob er sich
gesund ernährt. Zweifellos können wir
uns heute mit und ohne Fleisch gesund
ernähren – mit Fleisch ist dies meist
einfacher und offenbar auch artgerechter
für den Menschen. Doch muss man
keineswegs Fleisch essen, um sich alle
nötigen Nährstoffe zuzuführen. Ob mit
oder ohne Fleisch, es gilt: Die Ernährung
kann unausgewogen und also ungesund
sein. Und: Viele junge Frauen verstecken
ein gestörtes Essverhalten oder übermässiges Diäthalten gerne hinter einer
vegetarischen Ernährung.
Was gegen Fleisch spricht –
oder auch nicht
Die meisten Ernährungsorganisationen
empfehlen heute eine mehr oder weniger
starke Zurückhaltung bei tierischen
Lebensmitteln. Das einst als «Stück
Lebenskraft» beworbene Fleisch wird
nun für allerlei Krankheiten verantwort-
lich gemacht, sei es wegen des vermeintlich hohen Fettgehaltes oder wegen
Rinderwahnsinn. Wer in der wissenschaftlichen Literatur nach handfesten
Belegen dafür sucht, wird jedoch kaum
fündig. Es gibt bis heute keinen Beleg
dafür, dass Fleischgenuss per se das
Risiko für Krebs, Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Übergewicht erhöht. Beim
Schlaganfall deuten sogar mehrere Studien an, dass ein erhöhter Konsum tierischer Lebensmittel mit einem geringeren
Risiko einhergeht. Dafür wird neben dem
Cholesterin unter anderem das tierische
Eiweiss verantwortlich gemacht. Zwar
sehen Fleischgegner in genau diesem Eiweiss einen Auslöser der Knochenkrankheit Osteoporose und für Nierenerkrankungen, doch auch für diese Behauptungen fehlen die Belege oder aber sie sind
überholt. So gibt es keine Hinweise
darauf, dass ein gesunder Mensch durch
tierisches Eiweiss nierenkrank wird.
Zudem zeigt sich in immer mehr Studien
– durchgeführt mit Senioren –, dass
etwas mehr Eiweiss nicht nur günstig
für die Cholesterin- und Fettwerte ist,
sondern zusammen mit einer reichlichen
Mineralstoffversorgung auch vor Osteoporose schützt.
Fleisch ist fettarm
Eine höhere Eiweisszufuhr scheint sogar
für das Abnehmen günstig zu sein. Eiweiss sättigt nämlich am besten und
regt die Wärmebildung des Körpers am
stärksten an. Tierische Eiweissquellen
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GESUNDHEIT Ernährung
Ernährungswissenschaft
irrte sich
Gleiches gilt für das Cholesterin in tierischen Lebensmitteln und für die Qualität
der tierischen Fette, die im Übrigen wie
Pflanzenfette eine Mischung aus gesättigten und ungesättigten Fettsäuren darstellen. Die besonders langkettigen Omega3-Fettsäuren EPA und DHA schützen
Herz und Gefässe, hemmen Entzündungen, sind für Nervenzellen unentbehrlich
und kommen in nennenswerter Menge
nur in tierischen Lebensmitteln vor. Die
pflanzliche Omega-3-Fettsäure ALA wird
vom Menschen nur sehr begrenzt in EPA
und DHA umgewandelt. Wer gar keine
tierischen Fette isst, bekommt daher
möglicherweise zu wenig langkettige
Omega-3-Fettsäuren.
Zudem erschienen kürzlich die Ergebnisse von zwei grossen Beobachtungsstudien mit Tausenden von Teilnehmern, eine
aus den USA und eine aus Finnland. In
keiner der Arbeiten wurde ein Zusammen8 Natürlich | 6-2005
hang zwischen tierischen oder gesättigten
Fetten und dem Auftreten von Herzinfarkten gefunden. Die beiden Studien bestätigen die Ergebnisse der meisten früheren
Studien. Warum wird darüber nicht berichtet? Vielleicht liegt es daran, dass die
Ernährungswissenschaft nicht gerne zugeben mag, dass sie sich beim Thema gesättigte Fette jahrzehntelang geirrt und die
Menschen falsch beraten hat.
Hormone auch im Gemüse
Nur der Vollständigkeit halber sei noch
erwähnt, dass natürlich auch pflanzliche
Lebensmittel Rückstände und Hormone
enthalten, Umweltgifte anreichern und
Unverträglichkeiten auslösen können.
Hier besteht kein prinzipieller Unterschied zwischen Nahrung vom Tier und
Nahrung von der Pflanze. Dennoch erfahren die pflanzlichen Lebensmittel derzeit eine nie gekannte Wertschätzung.
Obst, Gemüse und Vollkorngetreide gelten geradezu als Garanten für die Gesundheit überernährter Wohlstandsbürger. Sie
liefern neben Vitaminen, Mineralstoffen
und Ballaststoffen noch so genannte
sekundäre Pflanzenstoffe, die alle zum
Gesundbleiben beitragen. Mindestens
fünfmal täglich Obst und Gemüse, so
die Devise, und wir könnten neben vielen Krebsleiden auch Herzinfarkt,
Schweinhaltung – Wunsch…
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liefern zudem eine Reihe wichtiger Mineralien wie Calcium, Eisen, Zink und
Selen in einer für den Körper besonders
gut verwertbaren Form. Vergessen wird
auch gerne, dass tierische Lebensmittel
sehr gute Vitaminlieferanten sind, zum
Beispiel für die Vitamine D, B1, B2 und B6
oder für die Vitamine A und B12.
Letztere kommen in nennenswerter
Menge nur in tierischen Lebensmitteln
vor. Ausnahmen bilden manche Sanddornbeeren sowie Brot aus Roggensauerteig.
Auf Innereien verzichten auch viele
Fleischesser; dabei liefern sie sogar Vitamin C und Folsäure. Zu alldem kommt,
dass schieres Fleisch entgegen allen hartnäckigen Gerüchten kaum Fett enthält.
Die mageren Stücke, die von den meisten
Zeitgenossen bevorzugt werden, liefern
zwischen 2 und 5 Prozent Fett und
gehören damit zu den fett- und kalorienarmen Lebensmitteln – egal, ob Huhn,
Schwein, Rind oder Pute. Wer beim Geflügel die Haut mitverzehrt, vom Schwein
am liebsten den Bauch und vom Rind
durchwachsene Stücke mag, der nimmt
natürlich mehr Fett auf. Doch auch hier
fehlen Belege dafür, dass solche Vorlieben
in irgendeiner Weise krank machen – sofern die Ernährung insgesamt nicht zu
üppig oder zu einseitig ist.
Schlaganfall und Diabetes entgehen. Belege für diese Ansicht gibt es allenfalls
beim Herzinfarkt. Ausserdem schliesst
das eine das andere nicht aus: Man kann
auch zu Fleisch, Fisch und Wurst genügend Obst und Gemüse essen. Macht uns
also ein Verzicht auf Fleisch wirklich gesünder?
Vegetarier
ist nicht gleich Vegetarier
Die zahlreichen Varianten vegetarischer
Kostformen erschweren die Vergleichbarkeit von Vegetarierstudien und machen
eine pauschale Aussage über den gesundheitlichen Wert vegetarischer Ernährung
unmöglich (siehe Kasten). So verzichten
Ovo-lacto-Vegetarier zwar auf Lebensmit-
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Frischprodukte: Der Markt bietet den idealen
Ort, um biologisches Gemüse einzukaufen.
tel von toten Tieren, verzehren jedoch Eier
(ovo) sowie Milch und Milchprodukte
(lacto). Ihre Nährstoffversorgung ist in
der Regel gut, denn Ei und Milch gleichen
aus, was durch den Verzicht auf Fleisch
mangelt oder fehlt: hochwertiges Eiweiss,
gesunde Fette wie Omega-3-Fettsäuren
und die Vitamine B12, D und A. Eisen, Zink
und Magnesium müssen Ovo-lacto-Vegetarier durch pflanzliche Quellen ergänzen,
zum Beispiel durch Vollkorngetreide,
Nüsse und grünes Gemüse.
Manche Vegetarier sind zugleich Rohköstler; sie essen also nichts Erhitztes.
Andere wieder essen ausschliesslich
Früchte. Beides erschwert die Nährstoffversorgung und erfordert gute Kenntnisse über die Gehalte der Lebensmittel.
Bei Vollwert-Köstlern, die besonderen
Ernährung GESUNDHEIT
Wert auf Bio-Lebensmittel und geringe
Verarbeitung legen, finden sich sowohl
Vegetarier, Veganer als auch Menschen
mit geringem Fleisch-, Fisch- und Wurstkonsum. Es gibt sogar Vegetarier, die sich
keineswegs um eine besonders gesunde
Ernährung bemühen; sie beissen nicht in
Fleisch und Wurst, essen aber ansonsten
alles, was der Markt an Gutem und
Schlechtem zu bieten hat. Sie werden
landläufig als «Pudding-Vegetarier» bezeichnet und gelten als nicht besonders
gesundheitsbewusst. Veganer schliesslich
essen überhaupt nichts Tierisches, nicht
einmal Honig. Bei ihnen ist eine ausreichende Zufuhr an Nährstoffen deutlich schwieriger zu erreichen als etwa bei
Ovo-lacto-Vegetariern.
Vegan?
Nur mit Nahrungsergänzung
Erst recht wegen des derzeitigen Modetrends darf nicht übersehen werden, dass
vegetarische Ernährung – übertrieben oder
falsch angewendet – auch Risiken birgt:
Vor allem bei veganen Kostformen kommt
es immer wieder zu Problemen. Neben
möglichen Engpässen bei Calcium, Eisen,
Zink, Vitamin A, D, B2, Protein und
Omega-3-Fettsäuren sind Mängel bei Iod
und Vitamin B12 vorprogrammiert. Bei asiatischen Frauen, die sich viele Jahre lang
Foto VGT/Erwin Kessler
…und Wirklichkeit sind weit voneinander entfernt.
vegan ernährten, war die Knochendichte
vermindert und damit das Risiko für
Osteoporose erhöht. Eine ausreichende
Nährstoffversorgung gelingt Veganern nur
durch Vitamin- und Mineralstoffzusätze.
Wer sich die nicht leisten kann oder will,
riskiert Mangelkrankheiten, die bei Kindern zu Entwicklungsstörungen, verringertem Wachstum und eingeschränkter
Intelligenz führen können.
Für Kinder, Schwangere und Stillende
kann eine vegane Kost daher keinesfalls
empfohlen werden, auch wenn amerikanische und kanadische Ernährungsorganisationen zu dem Schluss kamen, dass sich
selbst diese streng vegetarische Kost für
alle Lebensphasen eigne. Wer den Bericht
genau liest, sieht, dass immer von sorgfältig
geplanten vegetarischen Kostformen die
Rede ist. Diese Planung schliesst den Verzehr von künstlich angereicherten Lebensmitteln und die Einnahme von allerlei
Vitamin- und Mineralstoffpräparaten ein.
Damit stellt die vegane Kost keine naturgemässe Form der menschlichen Verpflegung dar. Sie ist in den modernen Wohlstandsgesellschaften nur deswegen möglich, weil entsprechende Nährstoffergänzungen zur Verfügung stehen.
Für Schwangere
problematisch
Doch auch weniger strenge Vegetarier
können sich Ernährungsprobleme einhandeln; zum Beispiel wenn sie zu viel
Rohkost oder Vollkorngetreide essen.
Beides ist für den menschlichen Darm
relativ schwer verdaulich. Zu viel Rohkost kann zu Blähungen und Zahnschäden führen, zu Darmschäden und Arthritis sowie zum Ausbleiben der Monatsregel. Vollkornprodukte enthalten unter
anderem Phytin, das die Verwertung
von Vitaminen und Mineralstoffen einschränkt. So kann es unter vegetarischer
Ernährung zu verzögerter Wundheilung
kommen, vermutlich durch Zinkmangel.
Dennoch wird die ovo-lacto-vegetabile Kost nicht nur als besonders gesund
angesehen, sondern auch als ausreichende und ausgewogene Ernährungsform für Schwangere. Ein europäisches
Forscherteam widersprach dieser Beurteilung nun vehement. Man hatte die
Essgewohnheiten von rund 100 gesunden Schwangeren ermittelt. Von den
langjährigen Ovo-lacto-Vegetarierinnen
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GESUNDHEIT Ernährung
wiesen rund 40 Prozent zu niedrige Vitamin-B12-Spiegel auf. Bei den Wenig-Fleischesserinnen (Maximum 2 Portionen
pro Woche) waren es nur 9 Prozent und
bei den Gemischtköstlerinnen 3 Prozent.
Niedrige Vitamin-B12-Gehalte im Blut
der Schwangeren erhöhen das Risiko für
schwere Defekte beim Kind (Neuralrohrdefekte, offener Rücken) und für andere
Schwangerschaftskomplikationen.
Bei
den Müttern kann es zu Blutarmut (Anämie), zu neurologischen Störungen und
zu Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit kommen. Auch nach der
Geburt bleibt ein Risiko: Gestillte Neugeborene, deren Mütter nur geringe Vitamin-B12-Speicher im Körper haben, zeigen häufig Entwicklungsstörungen, sie
bleiben im Wachstum zurück und können
an einer Anämie erkranken. Die zitierte
Studie ist zwar klein, die Autoren fordern
angesichts ihrer Daten jedoch dringend,
die bisherigen Empfehlungen für Vitamin
B12 in der Schwangerschaft zu erhöhen.
Die Schweizerische Vereinigung für
Ernährung empfiehlt Schwangeren derzeit
3,5 Mikrogramm (Millionstel Gramm)
Vitamin B12 täglich. Die Ovo-lacto-Vegetarierinnen dieser Studie kamen im
Durchschnitt nur auf 2,5 Mikrogramm
Vitamin B12 pro Tag, die Gemischtköstlerinnen dagegen auf 5,3 Mikrogramm. Die
Wenig-Fleischesserinnen lagen mit 3,8
Mikrogramm dazwischen.
Vegetarier leben gesünder
Angesichts dieser Erkenntnisse fragt man
sich, wie die Vegetarier zu ihrem guten
Ruf in Sachen Gesundheit kamen?
Zunächst: In den meisten vergleichenden
Studien finden sich alle Varianten des
Vegetarismus in einer Gruppe. Die dabei
gefundenen Vor- und Nachteile, die für
den Gruppendurchschnitt ermittelt wurden, müssen also keineswegs auch für
exotische oder einseitige vegetarische
Kostformen zutreffen.
Der bedeutendste Knackpunkt der
meisten bisher durchgeführten Vegetarier-Studien liegt jedoch in der Vergleichsgruppe: Denn Vegetarier unterschieden sich von Otto-Normalbürger
keineswegs nur im (weit gehenden) Verzicht auf Fleisch, Fisch und Wurst, sondern pflegen einen insgesamt gesünderen
Lebensstil. Der macht sich deutlich bemerkbar. Vergleicht man Vegetarier mit
der Durchschnittsbevölkerung, schneiden sie in punkto Gesundheit tatsächlich
viel besser ab: Sie erleiden weniger Herzinfarkte, bekommen weniger häufig
Krebs und Diabetes und haben eine
höhere Lebenserwartung. Doch liegt das
Salat: Eine ausgewogene Ernährung darf neben Gemüse und Salat
ruhig auch Fleisch enthalten.
am Fleischverzicht? Oder vielleicht am
grösseren Gemüseverzehr? Oder an beidem? Oder an anderen Merkmalen ihrer
Lebensführung, die mit der Ernährung
überhaupt nichts zu tun haben?
Moderate Vegetarier
leben länger
Eine Aufschlüsselung der Ergebnisse
zeigt, dass die gesundheitlichen Vorteile
zu einem grossen Teil darauf zurückzuführen sind, dass die meisten Vegetarier
nicht rauchen. Damit sinkt nicht nur die
Lungenkrebsrate, sondern auch das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Auch in vielen anderen gesundheitsrelevanten Punkten unterscheiden sich Vegetarier vom Bevölkerungsdurchschnitt:
Sie wiegen weniger, bewegen sich mehr
und gehören höheren sozialen Schichten
an. Eine deutsche Studie ergab beispielsweise, dass Menschen, die einen solchen
Lebensstil mehr als 20 Jahre lang beibehielten, ihr Sterberisiko im Vergleich zum
Bevölkerungsdurchschnitt um die Hälfte
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Vegetarier leben länger, weil sie
meist auch bewusster leben,
weniger rauchen, trinken und
schlanker sind
zeigte sich jedoch kein Vorteil, in manchen Studien war das Krebsrisiko sogar erhöht. Die gesundheitlichen Vorteile
stellen sich nur bei jenen ein, die länger
als fünf Jahre vegetarisch gelebt hatten.
Insgesamt hatten die Vegetarier im Vergleich zu gesundheitsbewussten Fleischessern keine höhere Lebenserwartung.
Mittlerweile konnten mehrere Studien zeigen, dass allein der regelmässige
Verzehr von Nüssen das Herzinfarktrisiko spürbar reduziert. Der Effekt
wurde bei Frauen und Männern, Vegetariern und Nichtvegetariern gefunden.
Auch die Lebenserwartung stieg, wenn
mehr als fünfmal wöchentlich Nüsse gegessen wurden. Damit entpuppt sich ein
fettreiches Lebensmittel als herzschützend und lebensverlängernd – für Vegetarier und Fleischesser.
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Pflanzliche Eiweissträger
verringert hatten. Das heisst, dass in
einem gegebenen Zeitraum nur halb so
viele Vegetarier wie Normalesser starben.
Die Autoren betonen jedoch, dass «ein
gesunder Lebensstil teilweise stärkere Effekte zeitigte als die Ernährung selbst».
Ausserdem war in dieser Studie die Untergruppe der «moderaten» Vegetarier
am gesündesten: Das sind jene Vegetarier,
die ab und zu Fleisch oder Fisch essen.
Nüsse verlängern das Leben
Am Fleischverzicht kann es also nicht
liegen, wenn langjährige Vegetarier sich
einer besseren Gesundheit erfreuen. Das
belegen auch Studien, in denen man Vegetarier mit Menschen verglich, die ebenfalls
gesundheitsbewusst leben oder einen ähnlichen religiösen oder weltanschaulichen
Hintergrund haben, aber Fleisch essen.
Eine Auswertung von fünf aussagekräftigen Langzeitstudien aus den USA, Grossbritannien und Deutschland bestätigte,
dass die Vegetarier seltener an Herzinfarkten sterben. Bei Schlaganfällen und Krebs
Eiweiss (oder Protein) ist ein wichtiger
Nährstoff für den Aufbau, den Erhalt
und viele lebenswichtige Funktionen des
Organismus, zum Beispiel für das Wachstum, die Knochenbildung, das Immunsystem oder die Verdauung. Proteine bestehen aus Aminosäuren, deren Menge
und Kombination über die Qualität eines
Lebensmittels entscheidet. Für sich alleine betrachtet schneiden die tierischen
Eiweissquellen Ei, Milch, Fisch und mageres Fleisch am besten ab. Sie liefern
alle nötigen Aminosäuren in einer für
den Körper leicht verwertbaren Form. In
pflanzlichen Proteinquellen wie Hülsenfrüchten, Nüssen, Kartoffeln oder Getreide ist dagegen häufig eine Aminosäure
in zu geringer Menge vorhanden. Aber:
Die Kombination verschiedener pflanzlicher Proteinquellen (zum Beispiel Getreide und Hülsenfrüchte oder Nüsse)
oder von pflanzlichem und tierischem
Eiweiss (zum Beispiel Getreide und Ei
oder Milch) gleicht diese Mängel aus. Daher können Vegetarier und – bei sorgfältiger Nahrungsauswahl – Veganer ihren
Eiweissbedarf auch ohne Fleisch beziehungsweise tierische Produkte decken.
Ernährung GESUNDHEIT
von nicht mehr frischem Fleisch und
Krankheiten wie die Schweinepest sorgten
in den vergangenen Jahren dafür, dass das
Vertrauen der Verbraucher in tierische
Lebensmittel litt. Vor allem in den gebildeten Schichten, bei Frauen und jungen
Menschen werden fleischlose und fleischarme Kostformen populärer. So verzeichnete das Robert-Koch-Institut in Berlin
eine steigende Beliebtheit vegetarischer
Ernährungsformen in Deutschland, insbesondere bei jungen Frauen. Während im
Durchschnitt 8 Prozent der Frauen und
3 Prozent der Männer angaben, sich ausschliesslich oder überwiegend fleischlos
zu ernähren, waren es bei den 18- bis 24jährigen Frauen sogar 16 Prozent. In der
Schweiz ernähren sich schätzungsweise
9 Prozent der Einwohner überwiegend
oder ausschliesslich vegetarisch.
Land (Einwohnerzahl)
Vegetarier
Grossbritannien (60 Mio.)
9%
Frankreich (59 Mio.)
< 2%
Deutschland (82 Mio.)
etwa 8%
Niederlande (16 Mio.)
4 bis 5%
Schweiz (7 Mio.)
9% Fast-Vegetarier,
inklusive 3% Vegetarier
Italien (58 Mio.)
5%
(Quelle: http://www.european-vegetarian.org,
besucht am 22.3.2005)
Was essen Naturvölker?
Die Nachforschungen von Loren Cordain
von der Colorado State University ergaben,
dass sich von 229 zeitgenössischen Naturvölkern kein einziges rein vegetarisch
ernährt. Der Anteil tierischer Kalorien lag
bei den meisten der untersuchten Völker
über 50 Prozent, vor allem bei jenen, die
jenseits des 40. Breitengrades leben. Der
Fettanteil lag zwischen 28 und 58 Prozent
der verzehrten Kalorien (offizielle Empfehlung in der Schweiz und in Deutschland:
30 bis 35 Prozent), der Eiweissanteil zwischen 19 und 35 Prozent (offizielle Empfehlung: 10 bis 15 Prozent), ohne dass sie
Wie viele Vegetarier gibt es?
Genaue Zahlen gibt es nicht – aber es
ernähren sich anscheinend immer mehr
Menschen vegetarisch. LebensmittelSkandale wie BSE, Umetikettierungen
unsere Wohlstandskrankheiten bekommen
würden. Auch diese Befunde sprechen dagegen, dass eine hohe Fett- oder Eiweisszufuhr oder ein hoher Anteil tierischer Nahrung dem Menschen prinzipiell schadet.
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GESUNDHEIT Ernährung
Menschen unterscheiden sich mannigfaltig, so auch in dem, was ihrem Körper
gut tut. Immer mehr deutet darauf hin,
dass die genetische Ausstattung des Einzelnen über sein Krankheitsrisiko mitentscheidet: Die Gene steuern zum Beispiel die Aktivität der Enzyme, die Krebs
erregende Stoffe entgiften, und sie beeinflussen das Herzinfarktrisiko. Daher
machen pauschale Ernährungsempfehlungen wenig Sinn: Was dem einen nützt,
kann dem Nächsten schaden. Das gilt
auch für den Genuss von (viel) Fleisch.
Ein gutes Beispiel ist die Versorgung
mit Eisen, einem lebensnotwendigen
Mineralstoff, der für den roten Blutfarbstoff benötigt wird. Fleisch ist reich an
gut verwertbarem Eisen. Menschen, die
zu grossen Eisenansammlungen im Körper neigen, zeigen ein hohes Herzinfarktund Krebsrisiko. Andererseits bekommen
Blutspender seltener Herz-KreislaufErkrankungen, vermutlich weil der Aderlass die Eisenspeicher entleert. Daher
profitieren Menschen, die zu erhöhten
Eisenspeichern neigen, wahrscheinlich
von einer fleischarmen Kost, während es
für Menschen mit zu niedrigen Eisenspeichern sinnvoll ist, regelmässig Fleisch
zu essen.
Mit Genuss essen
Die Frage, wie viel Fleisch empfohlen
werden kann, ist anhand der bisher
publizierten Studien nicht eindeutig zu
beantworten. Wir sind einmal mehr auf
den gesunden Menschenverstand angewiesen. Wer kein Fleisch mag, sollte es
guten Gewissens meiden. Alle anderen
müssen für sich die richtige Menge
herausfinden. Die üblichen Empfehlungen, die von einer bis drei Portionen pro
Woche reichen, sind wissenschaftlich
nicht zu begründen. Allerdings wird mit
dieser Menge die Gefahr von Mangelerscheinungen gebannt. Sie kann ausserdem jenen als Anhaltspunkt dienen, die
ihren Fleischkonsum reduzieren wollen.
Alles in allem gibt es aber keinen
gesundheitlichen Grund, Fleisch generell
vom Speiseplan zu streichen. Davon
ausgenommen sind Allergiker oder
Rheuma-Patienten, die durch Phasen
des Verzichts oder mit veganer Rohkost
vorübergehend Linderung ihrer Beschwerden erfahren können. Für alle
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Wie mir, so nicht dir
anderen ist viel wichtiger, dass mit
Genuss gegessen wird – denn ein
schlechtes Gewissen ist der übelste
Begleiter bei Tisch. Wichtig ist auch, dass
die Ernährung nicht zu reichhaltig oder
zu einseitig wird. Wer je nach individueller Vorliebe und Verträglichkeit möglichst alle Lebensmittelgruppen in den
Speiseplan einbaut – also Kräuter, Gewürze, Nüsse, Hülsenfrüchte, Gemüse,
Salate, Obst, Brot, Milchprodukte, Eier,
Fleisch und Fisch – kann am einfachsten
eine Kost realisieren, die schmackhaft
und gesund ist.
Vegetarisch = paradiesisch?
Verseuchte Böden, überdüngte Gewässer,
Hormone im Schnitzel, überzüchtete
Schweine, monströse Euter und immer
mehr Hunger auf der Welt – die Liste
negativer Folgen der Massentierhaltung
ist lang. Dazu kommen die unsäglichen
Bedingungen, unter denen noch immer
viele Tiere gehalten, transportiert und
getötet werden. Da drängt sich die Frage
auf, was passieren würde, wenn wir keine
Tiere mehr ässen. Wäre die (Um-)Welt
dann in Ordnung?
Die Probleme der Massentierhaltung
und der intensiven Landwirtschaft sind
unstrittig. Aber nicht alle Nutztiere werden in Massenhaltung aufgezogen. Neben der Subsistenzwirtschaft in den Entwicklungsländern gibt es auch in Europa
Landstriche wie das Allgäu, wo die Böden
zwar Weidewirtschaft, aber keinen
Ackerbau erlauben. Tiere, die hier aufgezogen werden, stehen nicht in Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Ein Verzicht
auf sie als Fleischlieferanten erhöht
weder die Verfügbarkeit pflanzlicher
Obst und Getreide gelten geradezu als Garant für die
Gesundheit überernährter Wohlstandsbürger.
Nahrungsmittel, noch hilft er, den Welthunger zu mindern. Zudem ergaben Berechnungen aus Holland, dass eine ökologische Fleischerzeugung umweltschonender sein kann als etwa die Produktion
von Gemüse aus integriertem Anbau.
Eine andere Frage ist, ob wir uns angesichts des Elends vieler Tiere und der
mit intensiver Tierhaltung verbundenen
Umweltbelastungen weiterhin einen
Fleischkonsum wie bisher leisten wollen,
sollen und dürfen. Ohne die steigende
Nachfrage nach immer mehr und immer
billigerem Fleisch und ohne die grenzenlose Profitgier hätten wir Probleme wie
BSE, Tiertransporte und Hühnerbatterien
womöglich nie gehabt. Bei Hühnern
und Eiern ist die Schweiz mit der Abschaffung der Käfighaltung bereits einen
grossen Schritt vorausgegangen. Für
Schweine und Rinder gibt es ebenfalls
längst Ställe und Haltungsformen, um sie
artgerecht und gesund aufzuziehen.
Ernährung GESUNDHEIT
Dank ökologisch arbeitender Betriebe
und anderer Landwirte, die sich Gedanken um die ihnen anvertrauten Leben
machen, gibt es heute immer mehr artgerecht gehaltene Tiere, die zudem möglichst schmerz- und stressfrei getötet
werden. Darüber hinaus hat sich auch
die Ökobilanz vieler konventioneller
Betriebe deutlich verbessert durch die
Anwendung neuer Forschungsergebnisse
und moderner Technologien.
Für die, die das Töten von Tieren generell ablehnen, mag das alles nicht
relevant sein. Denn auch ein artgerecht
aufgezogenes Nutztier soll am Ende
seines Lebens getötet werden, um den
Menschen zu nähren. Für Menschen, die
gerne Fleisch essen – und das ist noch
immer die grosse Mehrheit – bietet sich
hier jedoch eine gute Alternative. Es ist
Aufgabe der Verbraucher, nachzufragen,
ob das Fleisch von artgerecht gehaltenen
und möglichst stressfrei geschlachteten
Tieren stammt. Der Konsument bestimmt
das Angebot. Auch wenn es etwas teurer
ist oder in letzter Konsequenz vielleicht
zu kleineren Fleischportionen auf dem
Teller führt: Wir sollten unsere Nutztiere
so halten, dass wir uns nicht dafür
schämen müssen.
■
Internet
– www.vegetarismus.ch und
www.european-vegetarian.org:
nützliche Infos, Argumente für den Vegetarismus und Restaurantadressen. Allerdings sind
mehrere Aussagen zu den gesundheitlichen
Auswirkungen des Fleischverzehrs veraltet,
grob verallgemeinernd oder schlicht falsch.
– www.v-label.info:
Infos über das firmenunabhängige V-Label
für vegetarische und vegane Produkte und
Restaurants mit entsprechenden Angeboten.
Literatur:
– Claus Leitzmann: «Vegetarismus, Grundlagen,
Vorteile, Risiken», Verlag Beck, 2001,
ISBN 3-406-44776-7, Fr. 14.60
Was bedeutet vegetarisch?
Den Vegetarier gibt es ebenso wenig wie den Gemischtköstler – zumal sich häufig auch solche Menschen als Vegetarier
bezeichnen, die nur sehr geringe Mengen oder nur bestimmte Lebensmittel vom toten Tier essen. Die bekanntesten Varianten
(überwiegend) vegetarischer Kostformen zeigt die folgende Übersicht, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Ernährungstyp
Ovo-lacto-Vegetarier
gemiedene Lebensmittel
Lebensmittel und Produkte
vom getöteten Tier:
Fleisch, Wurst, Fisch, Gelatine usw.
Lacto-Vegetarier
Vollwertköstler
wie oben, zusätzlich Eier
grössere Mengen an Fleisch
und Wurst,
stark verarbeitete Lebensmittel
Veganer
(strikte, strenge
Vegetarier)
alle tierischen Produkte:
Fleisch, Wurst, Fisch, Eier, Milch,
Milchprodukte, Honig, Gelatine usw.
Rohköstler
gekochte/erhitzte Lebensmittel,
Kost kann, muss aber nicht
vegetarisch sein
«Pudding-Vegetarier» Fleisch, Fisch und Wurst
verzehrte tierische Lebensmittel
Produkte vom lebenden Tier
wie Eier (ovo), Milchprodukte (lacto),
allerdings in sehr unterschiedlichen Mengen
Milch und Milchprodukte
überwiegend ovo-lakto-vegetabile
Ernährungsweise, bei der gering
verarbeitete und ökologisch
erzeugte Lebensmittel bevorzugt
werden; Fleisch und Fleischprodukte gelegentlich erlaubt
keine (meist auch keine Kleider,
Möbel, Kosmetika und Ähnliches,
die tierische Produkte enthalten
oder an Tieren getestet wurden)
Nährstoffversorgung
in der Regel gut
in der Regel gut
in der Regel gut
Risiko hoch für unzureichende Zufuhr
an Calcium, Iod, Zink, Vitamin A, D
und B12, eventuell auch für Eiweiss,
Eisen und die Omega-3-Fettsäure EPA;
ohne Nahrungsergänzung für Babys
und Kleinkinder gefährlich, für
Schwangere und Stillende
nicht empfehlenswert
viele Varianten, entweder vegan
je nach Lebensmittelauswahl
oder (ovo-)lacto-vegetarisch, zum Teil unterschiedlich
rohes Fleisch und rohen Fisch
alles andere, viele Fertigprodukte,
hohes Risiko für unausgewogene,
Knabberartikel und Süsswaren
übermässige Kost
Natürlich | 6-2005 13
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