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8. Nationaler NCL-Kongress
Internationale Wissenschaftler diskutierten in Hamburg aktuelle Forschungsergebnisse und therapeutische Perspektiven der juvenilen „Neuronalen Ceroid
Lipofuszinose“, einer neurodegenerativen Stoffwechselkrankheit bei Kindern.
Janos Groh und Thomas Kühl
Die Neuronalen Ceroid Lipofuszinosen (NCL) bilden eine Gruppe
erblicher neurodegenerativer Stoffwechselkrankheiten bei Kindern. Sie gehören zu den lysosomalen Speicherkrankheiten und
treten je nach Gendefekt in unterschiedlichen Formen und Altersstufen auf. Die Krankheiten sind selten, doch aufgrund des Absterbens von Nervenzellen (Neuronen) im Gehirn führen sie ausnahmslos zum frühzeitigen Tod. Obwohl mittlerweile einige der
relevanten Gene identifiziert wurden, sind die genauen Mechanismen und Krankheitsursachen der einzelnen Formen ungeklärt
und bleiben bisweilen unheilbar. Die häufigste Form ist die juvenile NCL (JNCL), welche durch Mutationen im CLN3 Gen verursacht wird.
Die gemeinnützige NCL-Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt,
den Bekanntheitsgrad der Krankheit zu erhöhen und die Erforschung und Weiterentwicklung von möglichen Therapieansätzen
zu fördern. Seit der Gründung im Jahr 2002 durch Dr. Frank
Husemann, dessen Sohn Tim von der juvenilen NCL betroffen ist,
konnte die Stiftung sowohl die wissenschaftliche Fachwelt als
auch die Öffentlichkeit zunehmend auf NCL aufmerksam
machen. Neben der Organisation von jährlichen Kongressen verleiht die Stiftung auch Forschungsstipendien und Preise für wissenschaftliche Projekte.
Am 3. Juni fand der diesjährige nationale Kongress der NCLStiftung in Hamburg statt. Eine Auswahl geladener fachspezifischer Referenten und Nachwuchswissenschaftler hatten die
Gelegenheit, ihre aktuelle Forschung zu präsentieren und zu diskutieren (Abb. 1).
Nach Begrüßung und Vorstellung der Kongressteilnehmer
durch Frank Stehr, dem Forschungsbeauftragten der Stiftung,
eröffnete Jon Cooper (London) die erste Vortragsreihe über die
Beteiligung von Gliazellen (Zellen neuralen und mesodermalen
Ursprungs) in der Pathogenese der NCL. Cooper betonte, dass in
den meisten NCL Formen eine Aktivierung von Astrozyten (neurale Zellen) und Mikroglia (residente Immunzellen) deutlich vor
dem Verlust von Neuronen in den korrespondierenden Hirnregionen nachgewiesen werden konnte und präsentierte erste Hinweise auf eine abnorme Aktivierbarkeit von Mikroglia in der JNCL. Die
genaue Rolle dieser Phänomene in der Pathogenese müsse in
zukünftigen Studien weiter bestimmt werden.
Das im letzten Jahr bewilligte Forschungsstipendium der
NCL-Stiftung ermöglicht hierzu weiterführende Untersuchungen
mittels Förderung eines Kooperationsprojekts zwischen den Forschungsgruppen um Jon Cooper und Rudolf Martini (Würzburg).
Thomas Langmann (Regensburg) präsentierte Studien zur
Mikroglia-Aktivierung und therapeutischen Intervention bei der
erblichen juvenilen Retinoschisis (eine Krankheit mit Degenerationsprozessen der Netzhaut). Netzhautdegeneration und Verlust
der Sehkraft sind auch frühe Ereignisse in der NCL. Durch Analyse
geeigneter Modelle konnten spezifische regulatorische Stoffe zur
Kontrolle der Mikroglia-Aktivierung mit möglicher therapeutischer Relevanz identifiziert werden.
Anschließend beschrieb Marion Schneider (Ulm) in ihrer
Präsentation die Merkmale eines Makrophagen-Aktivierungssyndroms (MAS). Das MAS zeigt Ähnlichkeiten zu anderen genetisch
bedingten Immundefekten, weist aber zusätzlich Charakteristika
einer Autoimmunreaktion auf. Krankheiten wie NCL könnten mit
einem eigens entwickelten Algorithmus untersucht werden, um
möglicherweise schon früh vor einer aktiven Autoimmunreaktion
diagnostische Aussagen zu treffen.
Martin Oheim (Paris) erläuterte anschaulich die Rolle von
Astrozyten und ihre Interaktion mit Neuronen. Oheim konnte mitLinks: Jon Cooper (links) mit Laura
und Gijsbert den Hertog von der niederländischen „Beat Batten!“ Stiftung.
Rechts: Feierliche Übergabe des NCL
Forschungspreises 2008 an Vydehi
Kanneganti durch Frank Husemann.
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tels speziell entwickelter Bildgebungsverfahren und mathematischer Auswertungen Zellbestandteile und Lipofuszin (ProteinFett-Aggregate) in Zellorganellen von autofluoreszierenden
Astrozyten entdecken. Die intrinsischen Signale lassen sich für
hochauflösende Bildgebung nutzen und könnten sich in Zukunft
als hilfreich erweisen, Mechanismen der pathologischen Lipofuszinanhäufung in der NCL besser nachzuvollziehen.
Die zweite Vortragsreihe zu neuesten Meldungen in der JNCL
Forschung eröffnete Mika Ruonala (Frankfurt). Mittels moderner
Proteinmarkierungstechniken gelang es Ruonala, Unterschiede
in Proteininteraktionen des mutierten CLN3 Proteins zu finden
und bezüglich eines gemeinsamen Signalweges zu vergleichen.
Auch diese Befunde könnten relevant für gezielte Therapieansätze sein.
Colleen Stein (Iowa City) präsentierte neueste Daten zur
möglichen Funktion des CLN3 Proteins, welche bislang ungeklärt
ist. Stein untersuchte die Möglichkeit einer Interaktion von CLN3
mit Ionenkanälen, die an der Regulierung neuronaler Signalübertragung im Gehirn beteiligt sind, und konnte in Zellkulturen veränderte Eigenschaften der Kanäle bei CLN3-Defizienz feststellen.
Diese Auswirkungen könnten laut Stein relevant für das Verständnis von neuronalen Fehlfunktionen und dem Absterben von Nervenzellen bei der JNCL sein.
Als erster Referent der dritten Vortragsreihe zum Thema Lipofuszin beschrieb David Pearce (Rochester) die charakteristischen
Anhäufungen von Speichermaterial in der NCL. Pearce erläuterte
NCL-Forschungspreis 2009
Neuronale Ceroid Lipofuszinose
(Batten Disease) bezeichnet eine
progredient neurodegenerative
Erbkrankheit des Kindesalters, die
bisher tödlich verläuft. Die NCLStiftung fördert die Erforschung
und damit die Entwicklung einer Therapie für diese seltene
Krankheit. Zu diesem Zweck wird einmal jährlich der NCLForschungspreis weltweit ausgelobt. Grundlagenforscher
sind aufgerufen, bis zum 31. Oktober 2009 innovative, klinisch orientierte Projektvorschläge unter [email protected] einzureichen. Insbesondere Wissenschaftler aus verwandten Forschungsbereichen wie Alzheimer,
Geriatrie, und lysosomale Speicherkrankheiten sind aufgefordert sich zu bewerben und so den derzeitigen Wissenspool der NCL-Forschung mit ihren Erkenntnissen zu ergänzen. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert, die für die Finanzierung einer Doktorandenstelle genutzt werden sollen.
Bewerbungsformulare können unter www.ncl-stiftung.de
heruntergeladen werden.
anhand seiner Experimente, dass zelluläre Störungen auch unabhängig von lysosomalen Degradationsprozessen zu einer Akkumulation von Speichermaterial führen könnten.
Jürgen Kopitz (Heidelberg) erklärte anschließend, dass die
Akkumulation von Lipofuszin im Pigmentepithel der Netzhaut
häufig bei Krankheiten mit retinaler Pathologie auftritt, und
beschrieb verschiedene Mechanismen, die zu dieser Fehlfunktion
und somit zur anschließenden Netzhautdegeneration führen
können. Ähnliche Mechanismen wären seiner Ansicht nach auch
in NCL-Formen denkbar.
Alexei Terman (Stockholm) legte in seinem Vortrag nahe,
dass Abbau und Umwandlung biologischer Strukturen auch im
Normalfall unvollständig ablaufen können. Er zeigte auf, dass
schädigende Prozesse bei der Zellatmung eine plausible Ursache
der Akkumulation von Lipofuszin beim Altern sein können und
besprach mögliche Strategien zur Verhinderung dieser Mechanismen.
Abschliessend fand die Preisverleihung für den NCL-Forschungspreis 2008 statt und die Preisträgerin Vydehi Kanneganti (Rehovot) stellte ihr honoriertes Projekt vor (Abbildung 2).
Die Gruppe untersucht im Hefemodell die Rolle hochkonservierter Orthologe der CLN Proteine hinsichtlich Regulation, Transport
und Verarbeitung. Ziele dieser Studien sind ein besseres molekulares Verständnis der Krankheitsentstehung und die Entwicklung
geeigneter Modelle zur Suche nach therapeutischen Substanzen.
Auch dieses Jahr schreibt die NCL-Stiftung einen Forschungspreis für innovative klinisch-orientierte Projekte und
Doktorandenstipendien aus und möchte weltweit Forscher/
innen auffordern sich unter der Rubrik „Förderung“ auf www.nclstiftung.de anzumelden.
Im Anschluss an die Präsentationen wurden in einer Diskussionsrunde wichtige Schlüsselpunkte wiederholt, neue Projektideen und mögliche Zusammenarbeiten diskutiert und die Notwendigkeit zur Transparenz der wissenschaftlichen Entwicklung
nach außen hin betont.
Rückblickend gab der 8. Nationale NCL Kongress den
Beteiligten eine hervorragende Gelegenheit, Ideen und Ansichten über die aktuelle Forschung auf dem Gebiet auszutauschen.
Besonders die gelungene Vernetzung von Wissenschaftlern aus
unterschiedlichen Fachbereichen ermöglichte es, die NCL aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und breitgefächerte
Ansätze zum Verständnis der Pathogenese zu diskutieren. Der
Überblick über den aktuellen Stand themennaher Forschung wird
für angehende und bereits etablierte Wissenschaftler auf dem
Gebiet neue Perspektiven eröffnen, um dem Ziel einer Therapieentwicklung näherzukommen.
Janos Groh und Thomas Kühl sind Stipendiaten der NCL-Stiftung.
Janos Groh, Experimentelle Entwicklungsneurobiologie, Neurologische Klinik, Universität Würzburg Leiter: Prof. Dr. Rudolf Martini. Thomas Kühl, Pädiatrisches Speicherkrankheiten Labor, Psychiatrisches Institut, King’s College London, Leiter: Dr. Jonathan
Cooper
Für weitere Fragen wenden Sie sich an:
Dr. Frank Stehr, Head of Research
Holstenwall 10, 20355 Hamburg
[email protected]
Kontakt:
Janos Groh
Universität Würzburg
E-Mail: [email protected]
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