Traumainduzierte Immundysfunktion

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8 I 9. Kongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin und Notfallmedizin
MedReport
Nr. 45 I 32. Jahrgang 2008
Traumainduzierte Immundysfunktion
EUGEN FAIST, H EI KO TRENTZSCH, SI EGFRI ED ZEDLER, MÜNCH EN
Schweres Unfall-, komplexes Operationstrauma und ausgedehnte tiefe Verbrennungen resultieren in einer nachhaltigen Immundysfunktion. Die posttraumatische Immundysfunktion ist sowohl durch eine sofortige lokale und systemische Entzündungsreaktion charakterisiert als auch durch eine damit korrespondierende Beeinträchtigung der zellvermittelten Immunantwort, auch häufig als Immunparalyse beschrieben.
ie komplexe Störung, der sonst
unter homöostatischen Bedingungen synchronisiert ablaufenden
Funktionsleistungen
des
immunoinflammatorischen Systems,
repräsentiert die zentrale Determinante für die erhöhte Rate von Infektionen und die dann häufig konsekutive Entwicklung von Sepsis und
septischem Multiorganversagen nach
schwerem Trauma.
Qualität und Umfang der unmittelbaren
immunoinflammatorischen
Antwort werden durch Blutverlust,
temporäre Organperfusionsdefizite,
bakterielle Translokation und insbesondere – und von zentraler Wichtigkeit – durch das Ausmaß der traumabedingten Gewebszerstörung und der
damit einhergehenden Menge an zirkulierendem
Zellnekrosenmaterial
bestimmt.
D
wie von unserer Arbeitseiner der Hauptmediatoren
gruppe erst kürzlich gezeigt
der Immundepression ange(Manuskript in Vorbereisehen wird. Erhöhe PGE2tung).
Spiegel sind mit einer reduHMGB1 bindet sowohl
zierten T-Zell-Mitogenese,
an PAMPs-assoziierte ReIL2-Produktion und IL2zeptoren (wie TLR2 oder
Rezeptor-Expression korreTLR4), als auch an RAGE
liert und für eine Verschie(Receptor for Advanced
bung der T-Helfer-Aktivität
Glycation
Endproducts).
in Richtung einer TH2-PhäDie Funktionsdomäne von Prof. Dr. Eugen Faist notyp-Dominanz mitverantwortlich. Diese Polarisierung von TH1
RAGE war ursprünglich beschrieben
nach TH2 ist charakterisiert durch eine
bezüglich seiner Regulationsfunktion
deutlich erhöhte Synthese von antibei chronischem, oft metabolisch
inflammatorischen Mediatoren.
induziertem Entzündungsgeschehen
Die Zytokinaktivität auf Einzelzell(Abb. 2).
ebene mittels durchflusszytometriVeränderungen des spezifischen
scher Analyse erlaubt es uns seit KurImmunsystems während der
zem, die Expression der Zytokingene
systemischen Entzündung
quantitativ, kinetisch, korreliert mit
Oberflächenproteinen und auf die
Aus immunologischer Sicht kommt es
Einzelzelle bezogen analytisch zu
nach einer primären immunologierfassen, zumindest bis zur posttransschen Hyperaktivität während der
lationalen Ebene.
Rolle der Gewebszerstörung –
chirurgischen und intensivmediziniMit Hilfe dieser Methodik konnten
Akute Entzündung
schen Versorgung von Schwerverletzwir auch erkennen, dass bereits wähten zu einer Dekompensation mit parrend der eigentlich durch „HyperAus den zerstörten Zellen werden Protieller oder subtotaler Anergie, in der
inflammation“
gekennzeichneten
teine ausgeschüttet und als Liganden
Funktionsdefekte
der
T-Zellen,
Akutphase nach Massivtrauma eine
von sog. Pattern-Recognition-RezepMakrophagen und Granulozyten zu
deutliche Steigerung von Transkriptoren (PRR) (Abb. 1) der antigenpräTage treten. Diese Erschöpfung der
tion und Proteinsekretion des
sentierenden Monozyten/Makrophakörpereigenen Defensivsysteme wird
hochpotenten antiinflammatorischen
gen als sogenannte Alarmine erkannt.
auch als „Verbrauchsimmunopathie“
Zytokins Interleukin 10 (IL10) nachDiese Alarmsignale induzieren eine
bezeichnet (Tab.) und ist für die seit
weisbar ist. Diese allerdings nur kurzsofortige Aktivierung des immunoinJahren unverändert hohe infektionswährende, am Unfalltag nachweisbare
flammatorischen Systems, welches
bedingte Letalitätsrate in der späten
initiale Synthese von IL10 belegt, dass
neben der Erkennung auch für die
posttraumatischen Phase verantwortpro- und antiinflammatorische VektoEingrenzung und sofortige Reparatur
lich.
ren des Immunsystems innerhalb eines
des Zellschadens zuständig ist. Die
Tab.: Immunologische Funktionssehr frühen und nahezu identischen
Mechanistik der Inflammationsantparameter der traumainduzierten
Zeitfensters aktiviert werden. Diese
wort nach steriler Gewebsverletzung
Immunparalyse
Beobachtungen belegen die Entist weitgehend identisch mit einer
DHT Hauttest
stehung einer sehr frühen globalen
infektionsbedingten EntzündungsreTLR-vermittelte TNF-Antwort
Dysregulation des immunoinflammaaktion mit ähnlichen Synthesemustern
Monozytäre HLA-DR Expression torischen Systems. Durch diese Beobvon Zytokinen und Chemokinen.
DC/monozytäre APC Aktivität
achtungen wird weiterhin das von R.
Endogene Moleküle, welche im
Bone erhobene Postulat widerlegt,
Rahmen eines sterilen InflammationsTh1-Zytokinsynthese
dass – zeitlich deutlich getrennt von
prozesses freigesetzt werden (High
IL-10 Plasmaspiegel
der sofort manifesten systemischen
Mobility Group Box 1 [HMGB1],
Treg Menge/Aktivität
Ganzkörperentzündung (SIRS) – eine
Hitzeschockproteine, S100 oder Hyaludieses Entzündungsgeschehen komronsäure), können von den selben
Die Immunantwort auf ein schwepensierende zelluläre AntiinflammaPRR gebunden werden, die auch mit
res Trauma beginnt im Moment der
tions-Antwort (CARS) ausgelöst wird
exogenen molekularen Elementen von
Verletzung und resultiert in einer Fortund dann auch erst verzögert die darKrankheitserregern interagieren. Solaktivierung von Granulozyten und der
aus resultierende Immunparalyse einche von Pathogenen abstammende
Aktivierung von Monozyten und
tritt. Wir glauben eher, dass die durch
Moleküle, wie z. B. LPS, bakterielle
Makrophagen, welche zunächst durch
antiinflammatorische Zytokine domioder virale DNA, werden als Pathogen
eine vermehrte Synthese und Ausnierte Paralyse bezüglich des ZeitabAssociated Molecular Patterns (PAMPs)
schüttung inflammatorischer Medialaufs und der Intensität ebenso wie die
bezeichnet.
toren einhergeht.
inflammatorische Komponente der
Das am meisten beachtete Eiweiß
Unter physiologischen BedingunEntzündung unmittelbar durch das
aus der Alarmin-Gruppe ist das Chrogen dient ein ausgewogenes ZusamAusmaß und die Qualität der Gewebsmatin-assoziierte HMGB1. HMGB1
menspiel von pro- und antiinflammazerstörung ebenso wie durch intrinsiwurde ursprünglich als wichtiger
torischen Zytokinen der Homöostase,
sche Faktoren (genetische PrädisposiMediator des gramnegativen Schocks
wo hingegen das durch Trauma altetion und physiologischer Status)
beschrieben, wo es – verglichen mit
rierte Immunsystem oft mit einer
bestimmt werden.
TNF-␣ – ebenfalls aktiv transkriptiert exzessiven Freisetzung proinflammaaber sehr verzögert, ca. 16 Stunden
torischer und antiinflammatorischer
Immunomonitoring bei kritisch
nach Endotoxingabe, in hohen Kon- Mediatoren reagiert. Es besteht eine
kranken Patienten
zentrationen ausgeschieden wird.
eindeutige Ursache – Effekt-BezieWenn dagegen HMGB1 als Folge
hung – zwischen Trauma und ZytoWir wissen, dass die erheblich beeinvon steriler Gewebszerstörung passiv
kinsystem. Mechanischer Stress führt
trächtigte Immunabwehr nach schweentsteht, sind höchste Konzentratiozu schweren Störungen der Interakrer Verletzung mit einer hohen Wahrnen innerhalb von Stunden nach
tion von Monozyten und T-Zellen mit
scheinlichkeit septischer Komplikatioschwerem stumpfen Gewebs- oder
der Folge der schwerwiegenden
nen und dem Auftreten von MultiVerbrennungstrauma
nachweisbar,
Immundysfunktion, wobei PGE2 als
organversagen einhergeht, insbesondere bei Patienten mit vorbestehenden
Komorbiditäten (Leber-, Niereninsuffizienz, metabolisches Syndrom,
Tumorleiden, Alter) und dann für
diese Patienten eine beträchtliche
Gefahr quoad vitam darstellt.
Dementsprechend hat die Entwicklung eines innovativen BiomarkerProfils, welches sowohl der zeitnahen
Analyse des Ist-Immunfunktionsstatus
des Patienten zur individuellen Risikoabschätzung als auch zur Beurteilung
des klinischen Verlaufs und der Therapiekontrolle ermöglicht, höchste
Priorität. Effektives Immunomonitoring sollte entsprechend des notwenAbb. 1: Initiierung des akuten Entzündungsprozesses nach Gewebszerstörung durch die
Interaktion von freigesetztem HMGB1 mit PAMPs- und Non-PAMPs-Rezeptoren (RAGE).
digen multidimensionalen Informa-
Abb. 2: Zellbiologische Konsequenzen des Gewebsschadens.
Abb. 3: Immunomonitoring bei kritisch kranken Patienten – Biomarker-Panel.
tionsgewinns folgende Größen, wie in
Abb. 3 gezeigt, enthalten:
䊏 Immunkompetenz 1,
䊏 Inflammationsstatus (steril/infektös) 2a/2b,
䊏 Ausmaß der Gewebszerstörung 3.
Vor allem in der posttraumatischen
Initialphase sind die neuen Kenngrößen für das Ausmaß der Gewebszerstörung und Alarmsignale bezüglich
der zu erwartenden Prognose extrem
hilfreich. Neben etablierten Parametern (4) zur Charakterisierung des
Inflammationsstatus ist der erst seit
Kurzem erhältliche Endotoxin-Aktivitäts-Assay (EAA®) (2b) von enormer
Wichtigkeit.
Mittels EAA® kann zuverlässig und
zeitnah Endotoxin, das gramnegativspezifische PAMPs-Molekül, bestimmt werden und dadurch die
Entzündungssituation im posttraumatischen Verlauf differenzierter bezüglich der vermuteten Entzündungsquelle verfolgt werden.
Zusammenfassung
DAMPs und PAMPs repräsentieren
biologische Molekülstrukturen, welche für die Initiierung der posttraumatischen
Entzündungsreaktionen
verantwortlich sind.
Die Menge zirkulierender Alarmine
und PAMPs ist direkt korreliert mit
dem Ausmaß der Gewebszerstörung.
Multiple Zellteilstrukturen aus dem
peripheren Blut von chirurgischen
Patienten können identifiziert und als
Biomarker evaluiert werden.
Neben Immunkompetenz und Entzündungscharakterisierung dient die
Analyse des Ausmaßes der Gewebs-
zerstörung als wichtiger Bestandteil
von effektivem Immunomonitoring.
Die Analyse der sich im posttraumatischen Verlauf dynamisch verändernden Entzündungsreaktion, bestehend
aus sterilen und nicht-sterilen Triggermolekülen, verspricht künftig die Entwicklung von individuellen, auf den
Einzelfall abgestimmten Therapieoptionen bei kritisch kranken chirurgischen Patienten.
Literatur zur Veröffentlichung kann vom
Verfasser angefordert werden.
Weitere Autoren: Dr. med. Heiko Trentzsch,
Dr. rer. biol. hum. Siegfried Zedler; Chirurgische Klinik & Poliklinik der LMU München, Campus Großhadern.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Eugen Faist
Chirurgische Klinik und Poliklinik
der LMU München
Campus Großhadern
Marchioninistr. 15
81377 München
[email protected]
PROGRAMMHINWEIS
Mittwoch, 3. Dezember 2008
14:00–16:00 Uhr, Saal D
Operatives Trauma und
Immunmodulation
Basic Sciences
Immundysfunktion nach
chirurgischem Trauma
Faist, Eugen
B ITTE VORMER KEN
16. bis 18. April 2009 in Mannheim
75. Jahrestagung der DGK
Thema: Chronische Herzinsuffizienz
V E R A N STA LT U N G S O RT:
KO N TA K T:
Congress Center Rosengarten
Mannheim (CCM)
Kongress-Abteilung der DGK
Deutsche Gesellschaft für
Kardiologie
Achenbachstr. 43
40237 Düsseldorf
Tel.: +49-211-600-692-0
Fax: +49-211-600-692-33
E-Mail: [email protected]
TAG U N G S P R Ä S I D E N T:
Prof. H. Drexler (Hannover)
I N TE R N E T- H O M E PAG E :
ft2009.dgk.org
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