sitma 5 - Missionsakademie

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Frieden statt Mauern
Andar Parlindungan Frieden statt Mauern
Dieses Buch soll durch die Darstellung der islamischen Geschichte und Philosophie zu einer Möglichkeit des Friedens im Heiligen Land und in Jerusalem
beitragen. Die Präsenz der Muslime in Jerusalem zeigt
uns, dass sie in dieser Zeit versucht haben, das Konzept des Friedens im Zusammenhang mit dem Thema der Gerechtigkeit in den Vordergrund zu stellen.
Durch eine ausführliche Forschung über Krieg und
Frieden im islamischen Jerusalem stellt der Verfasser fest, dass der interreligiöse Dialog ein erfolgreicher Weg zu einer friedlichen Gesellschaft sein kann.
Die vorliegende Arbeit stellt auch eine erschreckende Darstellung über Religion vor, die oft von religiösen Autoritäten politisiert wurde und wird, um die
menschliche Zivilisation zu zerstören. Die abschließende These dieser Arbeit hebt deshalb hervor, dass
die Heiligkeit nicht in der Stadt oder im Land selbst
liegt, sondern in der Anwesenheit Gottes in der Stadt
in Frieden und Gerechtigkeit.
ISBN 978-3-921620-89-2
ISSN 2196-4696
STUDIEN ZU INTERKULTURELLER
5
THEOLOGIE AN DER MISSIONSAKADEMIE
Andar Parlindungan
Frieden
statt Mauern
missionsakademie
an der universität hamburg
academy of mission
at the university of hamburg
„Al-Quds“ (Jerusalem) im muslimischen
Verständnis als Zeichen der Hoffnung
auf Frieden im Heiligen Land
5
STUDIEN ZU INTERKULTURELLER
THEOLOGIE AN DER MISSIONSAKADEMIE
Andar Parlindungan
Frieden statt Mauern
„Al-Quds“ (Jerusalem) im muslimischen Verständnis
als Zeichen der Hoffnung auf Frieden im Heiligen Land
Studien zu interkultureller
Theologie an der Missionsakademie
5
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Missionshilfe Verlag, Hamburg 2014
Alle Rechte vorbehalten
Cover Design: Martin Keiper
ISBN 978-3-921620-89-2
ISSN 2196-4696
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis .......................................................................................................................................... 4
Vorwort ....................................................................................................................................................... 10
Einleitung .................................................................................................................................................... 12
1
2
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem im muslimischen Verständnis ................................. 24
1.1
Die grundsätzliche Bedeutung Jerusalems als Heilige Stätte und Heilige Stadt für Muslime 24
1.2
Heiliges trennt und verbindet .................................................................................................. 27
1.3
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke auf dem Haram aš-Šarīf, Jerusalem ... 28
1.4
Berichte der Pilgerväter .......................................................................................................... 30
1.5
Apokalyptische Literatur ........................................................................................................ 31
1.6
Faḍā’il-Literatur ..................................................................................................................... 33
1.7
Literatur zu den Kreuzzügen ................................................................................................... 35
1.8
Koran und Ḥadīṯ ..................................................................................................................... 36
1.9
Zusammenfassung .................................................................................................................. 38
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke auf dem Haram aš-Šarīf, Jerusalem ............. 40
2.1
Die arabische Eroberung und Jerusalem ................................................................................. 40
2.1.1
Die Kapitulation von Jerusalem .............................................................................. 42
4
Inhaltsverzeichnis
2.1.2
Die Angst der byzantinischen Christen vor der Rückkehr der Juden nach Jerusalem
................................................................................................................................. 44
2.2
2.3
2.1.3
Die Einstellung der Bevölkerung zu den Eroberern ................................................ 48
2.1.4
Die ´Umar-Moschee ................................................................................................ 48
Die Kalifen der ´Umayyaden und ihr Interesse an Jerusalem ................................................. 50
2.2.1
Mu´āwiya b. Abī Sufyān (663-680 n. Chr.) ............................................................ 51
2.2.2
´Abd al-Malik b. Marwan (685-705 n. Chr.) ........................................................... 52
2.2.3
Al-Walīd b. ´Abd al-Malik (705-715 n. Chr.) ......................................................... 54
Die wichtigsten historischen Stätten auf dem Tempelberg während der frühen islamischen
Zeit .......................................................................................................................................... 54
2.3.1
2.3.2
2.3.3
Qubbat as-Sakhra (Felsendom) ............................................................................... 54
2.3.1.1
Der Felsendom: ein politisch-religiöses Bauwerk ................................... 55
2.3.1.2
Meinungsverschiedenheit über den Bau des Felsendoms ........................ 57
2.3.1.3
Der Felsendom als der Wiederaufbau des jüdischen Tempels ................. 61
2.3.1.4
Der Felsendom als der Ort der eschatologischen Ereignisse ................... 63
2.3.1.5
Religiöse Bedeutungen der Gestalten des Felsendoms ............................ 64
Die Aqṣā-Moschee .................................................................................................. 67
2.3.2.1
Diskussion um die Anfangszeit der Aqṣā-Moschee ................................. 68
2.3.2.2
Die Gestalten der Aqṣā-Moschee in der frühen islamischen Zeit ............ 69
Die Bauten der ´Umayyaden in der Nähe des Tempelberges .................................. 70
5
Inhaltsverzeichnis
2.4
3
Zusammenfassung .................................................................................................................. 73
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter............................... 75
3.1
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften ........................................................................... 75
3.1.1
Grundzüge muslimischer Apokalyptik .................................................................... 75
3.1.2
Die Räumungs- und Bauarbeiten auf dem Tempelberg durch die Muslime als eine
Vorarbeit zum messianischen Erlösungswerk ......................................................... 76
3.1.3
3.2
Īsā (Jesus) und Jerusalem als die Themen der Apokalypse für die Muslime .......... 78
Jerusalem als Pilgerziel der Muslime in den Berichten der Pilgerväter ................................. 83
3.2.1
Pilgerrituale auf dem Haram während der frühen islamischen Zeit ........................ 83
3.2.2
Jerusalem als ein Ort der islamischen Erinnerung und die eschatologische
Völkerwallfahrt ....................................................................................................... 88
3.3
4
Zusammenfassung .................................................................................................................. 91
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād – Die Heilige Stadt zwischen 1095 und 1187 aus
christlicher und muslimischer Perspektive ........................................................................................ 94
4.1
Einleitung ................................................................................................................................ 94
4.2
Darstellung der Kreuzzüge aus christlicher Perspektive......................................................... 95
4.2.1
Zum Selbstverständnis der Kreuzfahrer .................................................................. 95
4.2.2
Politische Situation im Vorderen Orient Ende des 11. Jahrhunderts ...................... 96
4.2.3
Die Rede von Urban II. und der Aufbruch zum ersten Kreuzzug ........................... 98
4.2.4
Eroberung Jerusalems durch die Kreuzritter und deren Herrschaft ...................... 102
6
Inhaltsverzeichnis
4.2.5
4.3
4.4
4.5
4.6
5
Die theologische Begründung und christliche Deutung der Kreuzzüge ................ 104
Darstellung der muslimischen Geschichte zur Zeit der Kreuzzüge ...................................... 110
4.3.1
Von Zengi bis Ṣalāḥ ad-Dīn – Die Reaktion der Muslime auf die Kreuzzüge...... 110
4.3.2
Die Rückeroberung Jerusalems als Ğihād............................................................. 114
Kritik an den Kreuzzügen aus christlicher Perspektive ........................................................ 120
4.4.1
Radulfus Niger ...................................................................................................... 120
4.4.2
Wilhelm von Tyrus ................................................................................................ 121
4.4.3
Kritische Überlegungen zum Heiligen Krieg um Jerusalem ................................. 124
Kritische Impulse zum Ğihād aus der muslimischen Tradition ............................................ 128
4.5.1
Die Bedeutung von Ğihād ..................................................................................... 128
4.5.2
Die Position von Ṣalāḥ ad-Dīn im Kampf um Jerusalem ...................................... 131
4.5.3
Asketische Traditionen und ihre Einschätzung des Ğihād .................................... 133
Zusammenfassung ................................................................................................................ 135
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds-Literatur (Lob der Vorzüge
Jerusalems) ...................................................................................................................................... 138
5.1
5.2
Jerusalem im Koran und in den Ḥadīṯen............................................................................... 138
5.1.1
Jerusalem und die Himmelsreise Muhammads ..................................................... 143
5.1.2
Jerusalem als islamische Gebetsrichtung .............................................................. 146
Die Faḍā´il Bait al-Maqdis (das Lob der Vorzüge Jerusalems) und deren Inhalt ................ 153
7
Inhaltsverzeichnis
5.2.1
Die Faḍā´il und ihre Entwicklungen ..................................................................... 153
5.2.2
Die Faḍā´il Bait al-Maqdis (Das Lob der Vorzüge Jerusalems) Werke und deren
Inhalt...................................................................................................................... 156
5.2.3
Mutmaßliche Gründe für die späte Erscheinung der Faḍā´il al-Bait al-Muqaddas
Literatur ................................................................................................................. 158
5.3
6
Zusammenfassung ................................................................................................................ 160
Frieden statt Mauern – Darstellung der politischen Lage und ihrer religiösen Implikationen ........ 162
6.1
6.2
Der Israel-Palästina Konflikt ................................................................................................ 162
6.1.1
Die zionistische Bewegung ................................................................................... 163
6.1.2
Die politische Entwicklung im 20. Jahrhundert .................................................... 166
6.1.3
Zur aktuellen Situation .......................................................................................... 170
6.1.4
Religiöse Begründungen für den Islamismus in Palästina .................................... 172
Die Hoffnung auf Frieden im Heiligen Land: Ein Versuch .................................................. 174
6.2.1
Friedliche Begegnungen in der Geschichte ........................................................... 174
6.2.2
Perspektiven des (interreligiösen) Dialogs ............................................................ 175
6.2.3
Avram-ʾIbrāhīm-Abraham
als
gemeinsames
Thema
zur
interreligiösen
Verständigung in Jerusalem .................................................................................. 180
6.2.4
Al-Quds (Jerusalem) als Ort der Anwesenheit der Barmherzigkeit Gottes ........... 185
6.2.5
Das Zusammenleben der Religionen in Jerusalem ................................................ 187
6.2.6
Gerechtigkeit und Frieden für Jerusalem aus der Islamischen Perspektive .......... 192
8
Inhaltsverzeichnis
6.2.7
7
Zusammenfassung ................................................................................................. 194
Zusammenfassung........................................................................................................................... 197
Abkürzungen ............................................................................................................................................. 200
Quellen- und Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 201
A.
Quellenverzeichnis................................................................................................................ 201
B.
Enzyklopädien und Lexika ................................................................................................... 202
C.
Internetseiten......................................................................................................................... 203
D.
Interviews ............................................................................................................................. 203
E.
Monografien, Aufsätze und Artikel ...................................................................................... 204
9
Vorwort
Vorwort
Jerusalem, die Heilige Stadt für die Gläubigen der drei Religionen, ist schon seit dreitausend Jahren und
noch immer der Schauplatz von Kämpfen und Gewalt. Diese Realität hatte mich inspiriert, die Wurzeln
der Gewalt in Jerusalem im Zusammenhang mit der Bedeutung der Heiligkeit aus der islamischen Perspektive zu untersuchen, vor allem in der Hoffnung, eine Möglichkeit für den Frieden im Heiligen Land
zu entdecken.
Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013 von der Evangelischen-Theologischen Fakultät der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Ihr Zustandekommen in der vorliegenden
Form wurde möglich durch zahlreiche Anregungen, wissenschaftliche Diskussionen, wertvolle Ratschläge, sprachliche Unterstützung und organisatorische Hilfe von und mit vielen Menschen, bei denen ich
mich in diesem Vorwort bedanken möchte. Zuerst danke ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Ulrich
Dehn, der mich während der Anfertigung meiner Doktorarbeit mit wissenschaftlicher Beratung und
freundlicher Ermutigung begleitet hat. Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Olaf Schumann, der das Zweitgutachten für diese Doktorarbeit übernommen hat.
Meine besondere Dankbarkeit gilt der Missionsakademie an der Universität Hamburg, die von Anfang an dieses Promotionsverfahren und die Aufnahme der vorliegenden Arbeit in die Reihe „Studien zu
interkultureller Theologie an der Missionsakademie“ (SITMA) ermöglicht hat. Meinen Dank möchte ich
Herrn Dr. Michael Biehl für seine wissenschaftliche Beratung und sprachlichen Korrekturen widmen.
Meine Dankbarkeit und herzlichen Respekt verdient die Geschäftsführerin der Missionsakademie an der
Universität Hamburg, Frau Dr. Uta Andrée, die mir in der anstrengenden Phase der Überarbeitung dieser
Arbeit viel geholfen hat und dafür viel außerdienstliche Zeit zur Verfügung gestellt hat. Ohne sie wäre die
kurzfristige Fertigstellung dieser Arbeit unmöglich gewesen. Mein Dank gilt auch allen Studienleitern der
Missionsakademie an der Universität Hamburg für die akademische und seelsorgerliche Begleitung. In
Dankbarkeit denke ich an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Missionsakademie an der Universität
Hamburg, vor allem an Frau Jantje Trey für die grammatische Korrektur meiner Texte, und an Frau Ingrid
Kunze, die sich um mich und meine Familie besonders am Ende des Studiums gekümmert hat.
Dem Evangelischen Entwicklungsdienst (jetzt: Brot für die Welt) danke ich sehr herzlich dafür, dass
er mein Promotionsverfahren und Familienstipendium in den Jahren 2008-2013 unterstützt hat. Für eine
Feldforschung in Jerusalem danke ich auch dem EED. Bezüglich der sprachlichen Verbesserung möchte
10
Vorwort
ich Herrn Dr. Christian Wollmann, Frau Pastorin Chang-Mi Dallat sowie Herrn Reinhard Walgahn und
Herrn Pepe Elwert dankbar erwähnen.
Meiner Kirche in Indonesien, der Ev.-Lutherischer Batak Kirche (Huria Kristen Batak Protestan –
HKBP), vor allem dem Ephorus Willem Simarmata, MA, der mich seit Beginn meines Dienstes und Studiums immer unterstützt und ermutigt hat, gilt meine besondere Würdigung. Ich bedanke mich auch bei
der indonesischen christlichen Gemeinde in Hamburg (Persekutuan Kristen Indonesia – PERKI Hamburg)
für die Freundschaft und Aufnahme in ihre Gemeinschaft während meiner Zeit in der Hansestadt.
Meiner Frau Dr. (Med.) Reyni Lasmida Panjaitan, M.Sc und unseren beiden Söhnen Ramon und
Anselmus schulde ich Dank für ihr herzliches Verständnis und die Geduld, die sie für meine Tätigkeit
aufgebracht haben. Dankbar erinnere ich mich auch an meine Mutter und meine Schwiegereltern, die das
Studium und Leben in Deutschland im Gebet begleiteten.
Ich widme diese Arbeit den Menschen in Israel und Palästina, die sich für den Frieden in Jerusalem
und im ganzen Heiligen Land einsetzen.
،‫ﺇِﻧﱠ َﻤﺎ َﺧ ْﻴ ٌﺮ َﻭ َﺭﺣْ َﻤﺔٌ ﻳَ ْﺘﺒَ َﻌﺎﻧِ ِﻨﻲ ُﻛ ﱠﻞ ﺃَﻳ ِﱠﺎﻡ َﺣﻴَﺎﺗِﻲ‬6
.‫ﺖ ﺍﻟﺮﱠﺏﱢ ﺇِﻟَﻰ َﻣﺪَﻯ ﺍﻷَﻳ ِﱠﺎﻡ‬
ِ ‫َﻭﺃَ ْﺳ ُﻜ ُﻦ ﻓِﻲ َﺑ ْﻴ‬
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des
HERRN immerdar (Psalm 23,6).
11
Einleitung
Einleitung
„Keine Stadt ist wie Jerusalem, so heilig, so verehrt und so umkämpft. Mehr als 4000 Jahre Geschichte lasten auf dieser alten Metropole des Glaubens, in der drei Religionen und zwei Völker konkurrieren und keinen Frieden finden.“1
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts bestehen zahlreiche Konflikte auf der Welt, die vor Jahrhunderten begannen und in denen Religionsgemeinschaften eine Rolle spielen. In einem von ihnen, an dem die drei sogenannten monotheistischen Religionen beteiligt sind, geht es um den Status der Stadt Jerusalem, auf die
jede Religionsgemeinschaft einen exklusiven Anspruch erhebt. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der
Bedeutung der Heiligen Stadt Jerusalem für die Muslime. Die Heiligen Stätten in dieser Stadt haben ihre
eigene Geschichte, und muslimische Gläubige haben ihnen zu verschiedenen Zeiten immer wieder unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben. Diese Bedeutungen hingen jedoch nicht nur von der Entwicklung
innerhalb der muslimischen Gemeinschaft oder der Haltung der Muslime ab. Jerusalem (hebräisch ‫ירושלים‬
Jeruschalajim, altgriechisch Ἱεροσόλυμα, arabisch al-Quds ‫ )ﺍﻟﻘﺪﺱ‬ist auf dieser Welt ein einzigartiger Ort,
denn sie ist die einzige Stadt, die zugleich jüdisches, islamisches und christliches Heiligtum ist. Der
Kampf um Jerusalem war auch ein Kampf um die Heiligkeit im Streit miteinander und gegeneinander.
Das Problem liegt zum einen darin, dass jede religiöse Tradition dazu tendiert, den Status von Jerusalem
so zu definieren, dass Jerusalem nur zur eigenen religiösen Gemeinschaft gehört. Das Problem liegt zum
anderen darin, dass auch Untergruppen innerhalb der jeweiligen Religionsgemeinschaften den Status von
Jerusalem unterschiedlich bewerten und daher unterschiedliche Haltungen in den Konflikten einnehmen
und unterschiedliche Lösungsvorschläge für die Streitigkeiten vorschlagen.
Für mich ist es daher interessant zu erforschen, wie das Verständnis der Heiligen Orte in Jerusalem
zu dem Konflikt zwischen den Glaubensgemeinschaften beigetragen hat, und wie sich in ihren Auseinandersetzungen das Verständnis der Heiligen Orte verändert hat. Diese Arbeit untersucht besonders die Auseinandersetzungen in und um Jerusalem vom 7. bis 12. Jahrhundert n. Chr., also von den Anfängen der
islamischen Religion bis zu den Kreuzzügen, weil sich im Anschluss daran die Machtzentren verschoben
haben. Ich gehe von der Hypothese aus, dass in dieser Phase Traditionen geformt wurden, auf die noch in
den heutigen Auseinandersetzungen zurückgegriffen wird, und dass in dieser Phase Muster geprägt wurden, wie die Angehörigen der anderen Religionen wahrgenommen werden, die auch noch heute im kollektiven Gedächtnis gegenwärtig sind.
1
Titel eines Artikels von Annette Grossbongardt, „Tragödie ohne Schlussakt” in: der Spiegel: Jerusalem – Geburtsstadt des Glaubens, Nr. 3, 2009, S. 14.
12
Einleitung
Gegenwärtig ist die Frage nach Jerusalem als Heiliger Stadt ein Teil der größeren Israel-PalästinaFrage. Die unterschiedlichen Lösungsvorschläge für den Konflikt sehen unterschiedliche Lösungen für
den Status von Jerusalem vor, die einerseits die politische, ökonomische und soziale Ebene betreffen, die
zugleich aber auch Rücksicht auf Jerusalem als Heiligen Ort dreier Religionen nehmen müssen. Wem
gehört Jerusalem? Die religiösen Traditionen selbst haben unterschiedliche Antworten auf diese Frage, die
mit darüber entscheiden, welche Pläne akzeptabel sind und welche als Angriff auf das eigene Verständnis
der Heiligen Stadt aufgefasst werden. Die den drei Religionsgemeinschaften Heiligen Stätten spielen dabei eine wichtige Rolle, etwa, wenn es um das Recht des freien Zugangs oder ihre drohende Zerstörung
geht.
Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass Einsichten aus der Untersuchung der von mir gewählten Phase etwas zum Verständnis des heutigen Konfliktes beitragen können. Und sofern es um religiöse
Aspekte und Dimensionen des Konflikts geht, können die Suche nach den Wurzeln und die Untersuchung
historischer Konstellationen vielleicht dazu beitragen zu erkennen, dass die exklusiven Ansprüche auf die
Heilige Stadt nicht die einzige Haltung darstellen, die den beteiligten Religionsgemeinschaften möglich
ist. Zu hoffen ist, dass daher aus der Untersuchung dieses Konfliktes vielleicht sogar etwas für andere
Konflikte zu lernen ist, in denen Religionsgemeinschaften und von ihnen als heilig betrachtete Orte eine
Rolle spielen.
In Indonesien begann ich, mich mit Jerusalem zu beschäftigen, da ich von diesem Ort tief beeindruckt war. Während meines Theologiestudiums an der Theologischen Hochschule der Evangelischen
Batak Kirche (Huria Kristen Batak Protestan – HKBP), Pematangsiantar, Indonesien, wurde Jerusalem
für mich interessant, weil die Stadt von Juden, Christen und Muslimen als heilig betrachtet wird. An diesem einzigartigen Ort – so vermutete ich, und dies hat sich im Laufe meiner intensiven Beschäftigung mit
Jerusalem bestätigt – kann exemplarisch die Tiefe der Zerwürfnisse zwischen den Religionen und deren
historische Verankerung studiert werden. Auch für die Situation in meinem Heimatland, in dem eine dominierende muslimische Mehrheit einer viel kleineren Gruppe von Christen gegenübersteht, kann damit
aufgezeigt werden, wie wichtig das Studium der Hintergründe religiöser Konflikte ist, dass nämlich historische Orte und Ereignisse mitunter mehr Bedeutung haben, als es auf den ersten Blick erscheint. Meine
Kirche (HKBP) hielt es deshalb für sinnvoll, mich mit der Aufgabe ins Ausland zu entsenden, eine Studie
im Bereich Islam zu erarbeiten. Mein so erworbenes Wissen über den Islam soll auf die Versöhnungsarbeit in meinem Heimatland zurückwirken.
2010 hatte ich die Gelegenheit, Jerusalem zu besuchen, um Feldforschung zu betreiben. Die Reise
wurde von der jüdischen Institution „The Galilee Institut“ angeboten. Ich bin in Jakarta, Indonesien, in der
13
Einleitung
muslimischen Tradition aufgewachsen, nach der die Muslime die Stadt Jerusalem wegen der Himmelsreise (Isrā und Mi´rāğ) Muḥammads von Mekka nach al-Masjid Al-Aqṣā (Jerusalem) gelobt haben. Als ich
den Felsendom besuchte, habe ich den Felsen betrachtet, von dem – wie viele Muslime glauben – der Prophet Muḥammad in den Himmel hinaufgefahren sein soll. Im Felsendom lasen viele Muslime die kurzen
Suren aus dem Koran. Ihre einzige Hoffnung war, dass sie, wenn sie diese Suren an einem der Heiligsten
Orte der Muslime lesen, das Heil Gottes auf der Erde und im Himmel erhalten. Dieser Glaube ist ein Teil
der islamischen Lehre, die von den traditionalistischen Muslimen in Indonesien aufrechterhalten wird.
Zugleich sind auf dem Weg zur Al-Aqṣā-Moschee viele Juden zu sehen, die an der Westmauer beten.
Ganz in der Nähe besuchen viele christliche Pilger die Grabeskirche, von der sie glauben, dass dort Jesus
Christus gekreuzigt und begraben wurde und auferstanden ist. Die Dichte der Heiligen Orte und ihre religiösen Bedeutungen in Jerusalem sind einzigartig.
Ein herausragender Aspekt, unter dem die Stadt Jerusalem für Muslime eine wichtige Rolle spielt,
ist, Frieden zu erreichen. Der Prophet Muḥammad soll, einer Überlieferung zufolge, zusammen mit den
jüdischen Propheten in Jerusalem gebetet haben. Jerusalem ist für die Muslime heilig, hier predigen Geschichte, Lehre und Tradition Frieden. Die Frage bleibt: Warum verschlimmern sich die Konflikte dennoch? Dieses ist meine wichtigste Motivation, die Gründe der Konflikte aus verschiedenen Perspektiven,
vor allem aus der muslimischen Geschichte heraus, zu beleuchten. Außerdem interessiere ich mich dafür,
wie die Muslime den Status der Stadt Jerusalem sehen und verstehen. Für mich ist es inakzeptabel, wenn
Jerusalem von religiösen oder nationalistischen Anhängern einer Seite als Eigentum beansprucht wird.
Gott hat entschieden, dass diese Stadt ein gemeinsamer Ort der Gottesbegegnung für alle Gläubigen sein
soll. Ich möchte durch diese Arbeit unterstreichen, dass Frieden in Jerusalem – vor allem aus der muslimischen Perspektive – möglich ist. Ich werde versuchen aufzuzeigen, wie die Muslime die Stadt Jerusalem
mit ihrem ayn ar-ridha´ (Gewissen) und nicht mit ´ayn al-sukth (den Augen des Hasses) sehen.
In der vorliegenden Arbeit werden die grundlegenden Quellen über die Heiligkeit und Wichtigkeit
Jerusalems im muslimischen Denken, die sich in der islamischen Literatur, im Volksglauben sowie in der
Geschichte finden, untersucht. Es geht um die architektonischen und archäologischen Bauwerke auf dem
Tempelberg und ihre Bedeutung und Bewertung in verschiedenen Zeiten, es geht um die apokalyptische
Literatur, um Berichte von Kreuzfahrern sowie Schriften wie den Koran, die Ḥadīṯe und Faḍā´il Bait alMaqdis. Die letzten drei Quellen werden von islamischen Historikern als zulässig herangezogen, um über
die Heiligkeit und Wichtigkeit Jerusalems für Muslime zu befinden.
Diese Arbeit wird Jerusalem als eine Art sakralen Raum beschreiben, dessen Muster z. B. in der Architektur des Felsendoms wiedergefunden werden kann. Diese hat kosmische Bezüge, und der Dom ist an
14
Einleitung
einem für die islamische und jüdische „Geschichte“ bedeutsamen Ort erbaut. Dies stellt Jerusalem sowohl
an den Anfang aller Zeiten (Abraham) wie ans Ende aller Zeiten (Eschatologie), und es ist sowohl irdisch
– man kann es bei einer Wallfahrt besuchen – als auch himmlisch (Himmelsreise Muḥammads und das
neue Jerusalem der Offenbarung). Wer also diesen Kosmos betritt und eine Wallfahrt darin vollzieht, setzt
sich allen diesen Bezügen aus, und seine Weltsicht wird davon beeinflusst, weil jedes Detail, jeder Stein,
jeder Ritus seine Bedeutsamkeit durch den Verweis auf den Gesamtzusammenhang erhält. Daher war ich
so fasziniert davon, dass Jerusalem für Christen trotz der biblischen Ereignisse eigentlich erst bedeutsam
wurde, als dort Kirchen gebaut und Heilige beerdigt worden waren. Das heißt auch, dass die religiöse
Bedeutung der Stadt, die sie durch das Auftreten Jesu und seine Kreuzigung dort bereits hatte, sozusagen
aktualisiert werden musste durch weitere Ereignisse wie die Lagerung von Knochen späterer Heiliger in
der Erde und das Errichten von Gebäuden an einem Ort, in deren Architektur die Heilsgeschichte aktualisiert wird.2
Hier spielt sowohl die Tatsache eine Rolle, dass Teile dieser Verweise und Überlieferungen nicht nur
zu den Muslimen, sondern auch zu den Juden und den Christen gehören, wie auch die Art und Weise, wie
sie als eigentlich vergangene oder zukünftige Ereignisse die Gegenwart beeinflussen. Wie fließen also
Bezüge auf die Geschichte in die Deutung einer Situation ein (z. B. die Kreuzzüge oder der Ğihād zur
Befreiung von Jerusalem), und welche werden in einer gegebenen Situation als Begründung und Legitimierung für Handlungen genommen? So hat, wie sich zeigen wird, die Faḍā´il-Literatur auch die Aufgabe
übernommen, durch die Förderung der Wallfahrt nach Jerusalem statt nach Mekka den Machtanspruch
einer islamischen Dynastie zu stärken, die ihren Mittelpunkt nicht mehr auf der arabischen Halbinsel sah
und von einem Großteil der Muslime abgelehnt wurde.
Der Beitrag einer solchen Arbeit zur gegenwärtigen Situation und dem Konflikt besteht aus zwei
Punkten. Die Untersuchung zeigt zunächst, dass angeblich absolute religiöse Bezüge alle ihre Zeit, ihre
Geschichte und ihren Kontext haben, außerdem, wie sich ihre Bedeutsamkeit ändert. Hierher gehört die
Frage, ob es Möglichkeiten im Islam gibt, Jerusalem als Symbol für alle zu verstehen und nicht nur exklusiv für sich selbst. Die Archäologie und Architektur Jerusalems zeigen, ab wann es Juden erlaubt war, in
die Stadt zurückzukehren und zu siedeln, allerdings nicht überall. Insbesondere die Darstellung von Ṣalāḥ
ad-Din zeigt diese Möglichkeit in der Geschichte des Islam in Jerusalem auf. Also ist die Frage nicht mehr
(nur), ob „der Islam“ Jerusalem auch anders als exklusiv verstehen kann, sondern wie heutige Muslime
dazu stehen, dass Muslime in früherer Zeit das sehr wohl konnten. In einer interreligiösen Auseinander-
2
Vgl. Robert L. Wilken, The Land Called Holy: Palestine in Christian History and Thought, London: Yale
University Press, 1992, S. 249.
15
Einleitung
setzung könnten Muslime, Christen und Juden die intrareligiösen Fragen beantworten, warum Gruppen
heutiger Muslime nur einen bestimmten Ausschnitt ihrer eigenen Überlieferung wählen und andere einfach übersehen. Und der Grund dafür könnte sehr wohl an der Konstellation des gegenwärtigen Konfliktes
liegen, in dem es zu einer Frage des Überlebens geworden ist, den eigenen Anspruch auf Jerusalem gegen
die zionistische Tendenz, Jerusalem für den jüdischen Staat gegen die Palästinenser zu reklamieren, zu
erheben. Hier sollte die Frage gestellt werden, ob eine Theologie die Kräfte der Gewalt – die exklusive
Abgrenzung, die Abwertung der Gegner und die Behauptung, der einzige wahre Glauben zu sein – oder
die Kräfte des Friedens betont.
Jerusalem als „Civitas Dei“ erschien zuerst im Psalter und Propheten: Jerusalem als die ‫עיר האלהים‬,
in der LXX πόλις τοῦ ϑεοῦ.3 Im Neuen Testament wird der apokalyptische Gegensatz zwischen irdischem
und himmlischem Jerusalem als „die Stadt“ im Gegensatz zur „Hure Babylon“ und als „die Stadt“ des
Antichrist bezeichnet.4 In der Alten Kirche wird die Stadt Jerusalem bei den Griechen schon mit Platon
und Aristoteles mit ihrer polis oder politeia vermischt.5 In muslimischen und christlichen Gemeinschaften
wird „die Stadt“ als das ursprüngliche religiöse und politische Zentrum aufgewertet. Muslime verglichen
Jerusalem mit Mekka und Christen den Ort mit Konstantinopel. Auch den Ruf der Pilger „hinauf zur
Stadt“ (εỉς τήν πόλιν), der eigentlich nur auf Jerusalem angewendet wurde, übernahmen die Osmanen für
ihre Stadt Qustantiniyya (Konstantinopel), das heutige Istanbul (seit 1930). „Medina“ (kommt auch im AT
vor: ‫ )מדינה‬war die aramäische Bezeichnung einer persischen Satrape, einer Provinz als Rechtseinheit, und
für ein Territorium mit einer „neuen“ Rechtseinheit verstanden worden. Muḥammad erkannte Medina als
die „Stadt des Propheten“, nicht als die Stadt Gottes, sondern als die Stadt, wo das göttliche Recht implementiert wird. „Die Stadt Gottes“ und der gottgefällige Herrscher waren byzantinische Ideologie, und sie
hat sicher zum Selbstverständnis der Kalifen (und ihrer Hof-Ulama) – besonders der ´Umayyaden, die ja
keine Legitimation durch die Umma (wie die rechtgeleiteten) hatten – und damit auch zur Ausgestaltung
von Jerusalem als der alten, traditionellen „Stadt Gottes“ beigetragen. So legitimierten sie ihr Reich als
gottgefällige Herrschaft – der Beweis dafür waren zuerst die Niederlagen ihrer muslimischen Gegner,
dann die Niederlagen von Byzanz –, und dann wurden auch sie als Usurpatoren davongejagt bzw. umge-
3
Vgl. Johannes van Oort, Jerusalem and Babylon: A Study into Augustines City of God and the Sources of his
Doctrine of the Two Cities, Leiden: E.J. Brill, 1986, S. 118.
4
Vgl. Stefanie Voigt, Cultura: Sieben kulturwissenschaftliche Aufsätze über sieben verborgene Künste, Berlin:
LIT, 2012, S. 55-56.
5
Vgl. Gudrun Holtz, Damit Gott sei Alles in Allem, Berlin: Walter de Gruyter GmbH, 2007, S, 415.
16
Einleitung
bracht.6 Die Abbasiden übernahmen den Anspruch, mit Gottes Wohlwollen zu herrschen (Beweis: ihr Sieg
über die ´Umayyaden als gottgewollte „Wende“ (daula)), und damit war, wie in Byzanz, die Einheit von
Religion und Herrschaft gesichert: Islâm Dîn wa-daula.7 Aus dynastischen Gründen – Distanz zu den
´Umayyaden – verlor dann Jerusalem an Interesse, selbst bei den Philosophen, die ihre Madina Fadila
unter dem „idealen“ Kalifen, den allerdings weder die Abbasiden noch jede andere Erbdynastie zu stellen
geeignet sind, verwirklicht sahen.8
Jerusalem ist eine Heilige Stadt für den Islam, wie bereits der Name al-Quds verdeutlicht.9 Die Heiligkeit Jerusalems ist für den Islam vor allem mit der Himmelsreise Muḥammads verbunden, die nach der
Überlieferung von hier aus stattfand. Außerdem war Jerusalem für viele Muslime ein wichtiges Wallfahrtszentrum neben Mekka und Medina. Die Wichtigkeit von Jerusalem wurde in einem berühmten Ḥadīt
überliefert, das von Helmut Bobzin zitiert wird: „Zu drei Moscheen darf man aufsatteln: zur Heiligen Moschee (i.e. in Mekka), zu meiner Moschee (i.e. Medina) und zur Entferntesten Moschee (d.h. zur Aqṣā
Moschee).“10 Auch erläutert Bobzin die Rolle von al-Ġazālī, einem muslimischen Philosophen und Religionslehrer, der die Wichtigkeit Jerusalems in seiner berühmten Autobiografie „Der Erretter aus dem Irrtum“ beschrieben hat. Nach Bobzin reiste al-Ġazālī 1095 n. Chr. nach Damaskus, wo er ca. zwei Jahre
wohnte. Von dort begab al-Ġazālī sich nach Jerusalem und ging jeden Tag in den Felsendom. Erst nach
dem Besuch des Abrahamgrabes in Hebron trat er die vorgeschriebene Pilgerfahrt nach Mekka und Medina an. Al-Ġazālī suchte und fand den bestimmten Ort für sich, wo er innere Einkehr und die Begegnung
mit Gott erleben konnte. Der Ort lag in Jerusalem.11
6
Vgl. William J. Duiker, Jackson J. Spielvogel, World History, 5. Aufl., Belmont: Thomson Wadsworth, 2007,
S. 211.
7
Vgl. Ira M. Lapidus, A History of Islamic Societies, Cambridge: Cambridge University Press, 2002, S. 73.
8
Vgl. Juan E. Campo, Encyclopedia of Islam, New York: Infobase Publishing, 2009, S. 394-395.
9
Al-Quds (Die Heilige), Al-Quds aš-Šarifa (Die hochwürdige Heilige), Iliya oder Iliya Madinat Bait al-Maqdis
(die Stadt des Heiligen Hauses), Al-Ard al-Mukadassa (das Heilige Land), Dar as-Salam (Haus des Friedens),
Qibla al-Qiblatayn (die erste von zwei Gebetsrichtungen).
10
Hartmut Bobzin, „Jerusalem aus muslimischer Perspektive während der Kreuzfahrerzeit“, in: Dieter Bauer,
Klaus Herbers, Nikolas Jaspert (Hg.), Jerusalem im Hoch- und Spätmittelalter: Konflikte und Konfliktbewältigung – Vorstellungen und Vergegenwärtigungen, Frankfurt: Campus Verlag, 2001, S. 204.
11
Vgl. Ğamīl Ṣalība al-Munqiḍ min aḍ-ḍalāl, (Hg.), dt. Übersetzung von Abd-Elsamad abd-Elhamid El-Schazli,
Der Erretter aus dem Irrtum, Hamburg: Philosophische Bibliothek, 1988, S. 389; Vgl auch. Hartmut Bobzin,
Ebd., S. 204-205.
17
Einleitung
Ich prüfe vor diesem Hintergrund die Hypothese, ob Muslime, Juden und Christen ein gemeinsames
Heiligtum der Versöhnung brauchen, ein Symbol dafür, dass sie alle drei aus der Wurzel Abrahams stammen und seinen Gott verehren. Jerusalem ist in diesem Prozess eine Stadt einzigartiger göttlicher Zeichen.
Das belegt das Faktum, dass Jerusalem von Juden, Christen und Muslimen auch als eine Stadt der „Auferstehung“ und der „Himmelfahrten“ verehrt wird. Für Muslime hat auf dem Tempelberg der spirituelle
Aufstieg Muḥammads stattgefunden, in Jerusalem trifft er „Gottes Freund Abraham“ sowie andere Propheten und betet mit ihnen. Auf dem Tempelberg richteten die Muslime den Felsendom ein, der als ein
Zeichen für die Muslime zu verstehen ist, dass sie gemeinsame Wurzeln haben und eben nur gemeinsam
mit den Juden und Christen eine friedliche Zukunft in Jerusalem haben werden.
Ziel dieser Arbeit ist es, einen Aspekt als möglichen Beitrag zum Frieden für Jerusalem herauszuarbeiten. Ich werde die vorliegenden islamischen Materialien über Jerusalem studieren, um den Prozess zu
verstehen, wie Jerusalem zur heiligen Stadt für Muslime geworden ist. Dabei ist es für mich bedeutsam,
ob der Islam Ansätze und Konzepte aufweist, wie die gegenwärtige Gewalttätigkeit in einen sicheren
Frieden im Heiligen Land überführt werden kann, der die Anerkennung der Bedeutung und Rolle der Heiligen Stadt für die anderen Religionen einbezieht und ihre Ansprüche nicht einfach ablehnt.
Am Schluss meiner Arbeit wird Jerusalem in einer interreligiösen Perspektive betrachtet, um zu prüfen, ob die Behauptung der Heiligkeit der Stadt Möglichkeiten für einen Frieden in Jerusalem statt Anlass
für Auseinandersetzungen aufzeigen kann. Um die religiösen Aspekte, nämlich die Beziehung zwischen
den Söhnen Abrahams zu vertiefen, werden die Beiträge von Olaf Schumann über dieses Thema hervorgehoben. Jerusalem ist beides, ein religiöses und ein politisches Symbol. Daher muss jede Lösung für
Jerusalem die politischen und religiösen Bedürfnisse der Palästinenser und der Israelis befriedigen. Diese
Arbeit will versuchen darzulegen, wie religiöse Motive (Erinnerungen, Empfindungen bei der Wallfahrt,
die kosmischen Verweise in der Architektur des Felsendoms, die eschatologischen Erwartungen) Bestandteil des politischen Diskurses werden oder dadurch hervorgerufen werden.
Diese Arbeit bezieht sich somit in ihrem Ausblick auf die äußerst kontroverse Frage, die mit historischen Fragen verknüpft ist. Als Grundlage für diese Abhandlung dienen schriftliches Material wie historische Quellen, aber auch Aufsätze, Pamphlete, Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften sowie ein Briefwechsel mit Angehörigen mehrerer zeitgenössischer Organisationen. Dieser sehr unterschiedliche Charakter der Literatur ist begründet in der Aktualität und in der äußerst kontroversen Diskussion des Themas,
aber auch in dem Bemühen, ein nahöstliches Verständnis von Ereignissen anhand von Aufzeichnungen
nachzuzeichnen, das nicht unbedingt europäischen Vorstellungen entspricht.
18
Einleitung
Ich werde mich in meinem Vorhaben auf die Forschungen der führenden Wissenschaftler konzentrieren, wie Ignaz Goldziher, S.D. Goitein, und Moshe Gil, die zu Jerusalem in muslimischen Perspektiven
gearbeitet haben. Allerdings steht das Studium des frühen islamischen Jerusalem vor großen Schwierigkeiten, weil es einen Mangel an Quellen und schriftlichen Informationen gibt, vor allem in deutschen Veröffentlichungen. Zudem fehlt ein ausführlicher Abriss der Geschichte der Stadt, weil wir nicht genügend
Informationen über die Struktur der Stadt während der islamischen Frühzeit haben.
Die historischen Materialien sind in zwei Gruppen gegliedert: die literarischen und die archäologischen Quellen. Die literarischen Quellen sind Koran, Ḥadīṯ, Berichte von Reisenden und Pilgergruppen,
die Fadā’il-Literatur und die apokalyptische Literatur. Andere Quellen sind Darstellungen der islamischen
Künste und der Architektur während der ´Umayyaden-Zeit. Eine für mich sehr wichtige Quelle war eine
Studienreise nach Jerusalem. Diese Exkursion hat mich in die Lage versetzt, viele in den Quellen unausgesprochene Dinge zu entdecken. Während dieser Exkursion vom Dezember 2010 bis Januar 2011 habe
ich einige Interviews mit israelischen und palästinensischen Wissenschaftlern in Jerusalem und Haifa
geführt. Alle Befragten waren der Meinung, dass der gegenwärtige Konflikt zwischen Israel und Palästina
nur durch politische Aktionen und Unterstützungen der internationalen Gesellschaften gelöst werden
kann. Diese Arbeit konzentriert sich nicht auf solche Konfliktlösungen, sondern auf die islamischen Beiträge zu Frieden und Gerechtigkeit in Jerusalem. Aus der islamischen Perspektive ist zu beobachten, dass
Salam (Frieden) und adl (Gerechtigkeit) zwei wichtige theologische Gedanken im Islam darstellen, um
eine Umma (Gesellschaft) zu formen. Die erste muslimische Periode in Jerusalem zeigt, dass die arabischen Eroberer bereit waren, die Stadt Jerusalem mit anderen Gläubigen zu teilen. Frieden in Jerusalem ist
nur möglich, wenn auch Zionisten bereit sind, das Land mit den Palästinensern zu teilen.
Die Methode, die in dieser Arbeit im Vordergrund steht, ist eine retrospektive Studie, d. h., im Rückblick werden Ereignisse untersucht, um damit Ursachen von Problemen aufzudecken. Diese Methode ist
wertvoll, damit die Heiligkeit und Bedeutung der Stadt Jerusalem vom 7. bis 12. Jahrhundert n. Chr. für
Muslime verstanden werden können. Ein zweiter Zugang ist die Untersuchung philosophischer und theologischer Gedanken, die in diesem Zeitraum in Jerusalem verbreitet waren. Ein Beispiel dafür ist, dass
Jerusalem für Muslime heilig und wichtig ist, weil die Stadt eine wichtige Rolle in den apokalyptischen
Hoffnungen und Szenarien von Muslimen spielt. Hier wird Jerusalem in der islamischen Literatur als die
messianische Stadt bezeichnet. Aus den Ḥadīṯen erfahren viele Muslime, dass orthodoxe Muslime an die
Wiederkunft von Jesus in Jerusalem glauben. Es wird geglaubt, dass Īsā den Dajjal töten wird und die
wahren Muslime im Jüngsten Gericht nach Jerusalem führen wird. Jerusalem wird gerettet werden, zusammen mit Mekka und Medina. In Faḍā´il Bait al-Maqdis (das Lob der Vorzüge Jerusalems) wird be-
19
Einleitung
schrieben, dass Jerusalem die Stadt der Auferstehung sein werde und dass sich alle frommen Muslime am
Tage des Jüngsten Gerichts dort versammeln.
Der andere theologische Gedanke in Jerusalem im 9. Jahrhundert war die Bedeutung der Pilgerfahrt.
Die Pilger besuchten den Felsendom und andere Orte mit dem Ziel, die Begegnung mit Gott zu erleben.
Im Felsendom gab es bestimmte Rituale wie das Hadsch-Ritual in Mekka, bei dem muslimische Pilger
den Felsen umkreisten, weil sie den Felsen als heilig betrachten.
Darüber hinaus sind die historischen Gebäude, der Felsendom und die Aqṣā-Moschee, sichtbare Zeichen dafür, warum Jerusalem zu dieser Zeit wichtig für die islamische Welt war. Da die zwei monumentalen Gebäude während der Herrschaft der ʼUmayyaden über Jerusalem errichtet wurden, wird dazu zunächst die Geschichte des Auftretens der ʼUmayyaden in Jerusalem diskutiert. Hier ist die strategische
Position von Jerusalem während der Zeit der ʼUmayyaden-Kalife hervorzuheben. Einige der ʼUmayyadenKalifen, die der Heiligkeit Jerusalems große Aufmerksamkeit geschenkt und sie in unterschiedlicher Weise unterstützt haben, werden in diesem Kapitel hervorgehoben, wie Mu'āwiya b. Abī Sufyān, 'Abd alMalik b. Marwan und Al-Walid b. 'Abd al-Malik. Wichtige Gebäude wie die Aqṣā-Moschee und der Felsendom werden untersucht, die während der ʼUmayyaden-Kalifen errichtet wurden. Es gibt viele religiöse
Gründe, warum diese Gebäude errichtet wurden. Viele Traditionen besagen, dass der Ort, wo diese Gebäude errichtet wurden, als Ausgangsort der Himmelsreise des Propheten betrachtet wird. Goitein betont
auch, dass die Architektur des Felsendoms die Differenzierung des Islam als die neue Religion neben Judentum und Christentum anzeigte.
Um die Situation der Stadt vor allem in den Konflikten des 19. und 20. Jahrhunderts zu beschreiben,
muss bemerkt werden, dass es viele Veränderungen der Stadt zwischen der mittelalterlichen und gegenwärtigen Periode gibt. Der gegenwärtige Konflikt ist nicht allein der Konflikt der unterschiedlichen Glaubenstraditionen, sondern auch der soziale und politische Konflikt zwischen zwei Nationen, Israel und Palästina. Um diesen Konflikt richtig zu analysieren, müssen die sozialen und politischen Gründe untersucht
werden. Dazu bietet diese Arbeit zusammen mit sozialen und politischen Aspekten islamische theologische und philosophische Ansätze an, damit die Realität der Gesellschaft und die Auseinandersetzungen im
Heiligen Land besser verstanden werden können.
20
Einleitung
Aufbau der Arbeit
Eine Einführung in die Quellen und existierende Forschung wird im ersten Kapitel geboten. Hier werden
den Leserinnen und Lesern die wichtigsten Quellen der islamischen Theologie erläutert, um die Geschichte und die theologischen Werte der heiligen Stadt Jerusalem für Muslime zu verstehen.
Im zweiten Kapitel wird die Heiligkeit Jerusalems anhand der muslimischen Gebäude auf dem alḤaram aš-Šarif herausgearbeitet.
Im dritten Kapitel werden sodann die apokalyptische Literatur und die Bedeutung der Wallfahrt nach
Jerusalem analysiert. Die meisten Gewaltakte und blutigen Konflikte in Jerusalem stehen im Erwartungshorizont apokalyptischer Ereignisse. In diesem Kapitel werden unterschiedliche Aspekte der apokalyptischen islamischen Hoffnungen analysiert, um besser verstehen zu können, warum gerade in späteren Epochen Muslime für ihre Heilige Stadt Jerusalem und den Ort apokalyptischer Ereignisse zum Ğihād (der
Kampf) aufriefen.
Die Wallfahrt zu den Heiligtümern in Jerusalem gewann besonders während der ´Umayyaden- und
frühen Abbasiden-Zeit Bedeutung. Das Studium des Verlaufs dieser Wallfahrt wird uns zu ihrer theologischen und praktischen Dimension führen und aufzeigen, wie zu dieser Zeit die Stadt Jerusalem heilig und
bedeutsam für die Pilger war. Für eine Beschreibung des Kultes während der Zeit der Umayyaden-Kalifen
wird vor allem das Werk von Sibt b. al-Jawzī mit dem Titel Mir'āt al-Zamān (Spiegel der Zeit) herangezogen. Weiterhin wird die Beschreibung von Nāsir-i Khusraw 1047 n. Chr. über einige während der
Hadsch in Jerusalem zu vollziehende Hauptriten verwendet. Die Darstellung der Wallfahrt nach Jerusalem
ist wichtig zu analysieren, um erfassen zu können, wie sich die Heiligkeit Jerusalems für frühe muslimische Pilger darstellte, und was sie erfuhren, wenn sie Wallfahrten nach Jerusalem durchführten.
Im vierten Kapitel werden die Kreuzzüge mit ihren religiösen und politischen Bezügen zur Heiligkeit
der Stadt dargestellt. Die Kreuzzüge gehören zu den brutalsten Kapiteln der Religionsgeschichte. Das
Massaker im Jahr 1099 n. Chr. an den hauptsächlich muslimischen Bewohnern Jerusalems war der Höhepunkt des ersten Kreuzzugs und der Auftakt zu einem der mörderischsten Kapitel der Kirchengeschichte.
Der Papst hatte zum heiligen Krieg aufgerufen, die offizielle Begründung war, Christen im Osten vom
Joch der Muslime zu befreien. Viele geistliche und weltliche Kreuzritter wendeten die Ereignisse der
21
Einleitung
Kreuzzüge für andere Ziele an, nicht nur für religiöse, sondern auch politische und wirtschaftliche Ziele.12
Die unterschiedlichen Motivationen der Kreuzzüge werden im vierten Kapitel hervorgehoben.
Die Darstellung der Kreuzzüge beschränkt sich in unserem Zusammenhang auf den Zeitrahmen
1096-1187 n. Chr., weil in dieser Zeit die religiösen und politischen Perspektiven der Kreuzzüge, und wie
der Ğihād sich darauf bezieht, bereits in der ausgereiften Gestalt vorliegen und analysiert werden können.
Der Aufruf des Papstes zum Heiligen Krieg wird in diesem vorliegenden Kapitel daraufhin untersucht,
wie seine Propaganda die Kreuzritter mobilisiert, nach Jerusalem zu marschieren. Es ist sehr wichtig zu
analysieren, wie die europäischen Christen ihren christlichen Glauben verstanden, der sie dazu führte,
zahllose Muslime und Juden in Jerusalem umzubringen.
Im fünften Kapitel wird das Verständnis der Heiligen Stadt Jerusalem in islamischen Literaturen wie
Koran, Ḥadīṯe sowie der apokalyptischen Literatur ausführlich analysiert. Einige Texte aus dem Koran
zum Thema Jerusalem als Heilige Stadt werden analysiert und interpretiert, womit die Grundlage für das
Thema Jerusalem in der islamischen Theologie gelegt werden kann. Auch in diesem Kapitel ist sehr wichtig zu verstehen, warum und ab wann Jerusalem als erste Gebetsrichtung der Muslime diente. Die Nachtreise Muḥammads hat ebenfalls einen besonderen Platz in diesem Kapitel. Danach werden einige Schriften in der Faḍā´il Bait al-Maqdis berücksichtigt. Durch diese Schriften ist nachzuvollziehen, warum die
Stadt in ihrer Zeit so verehrt wurde. Darüber hinaus wird sich dieses Kapitel mit dem Thema Jerusalem in
der islamischen apokalyptischen Literatur befassen. Die Hypothese ist, dass die Heiligkeit einer Stadt
nicht nur durch die gegenwärtige Geschichte, sondern auch durch die apokalyptische Bedeutung der Stadt
bestimmt wird.
Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der heutigen Jerusalemfrage. Mit dem Zusammenbruch des
Osmanischen Reiches rückte dieses Thema in religiösen und politischen Kreisen in den Vordergrund. Um
aber die Problematik zu verstehen, müssen die Geschichte und die Verhältnisse in Palästina in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhundert n. Chr. hervorgehoben werden. Das akute Problem zwischen den Zionisten und
Arabern entstand tatsächlich erst am Ende des 19. Jahrhunderts n. Chr., als Theodor Herzl im ersten Zionistenkongress 1897 in Basel seinen Gedanken über einen jüdischen Staat aussprach.13 Etwa fünfzig Jahre
später, nach dem Scheitern des Teilungsplans der Vereinten Nationen und dem ersten israelischarabischen Krieg, rief David Ben Gurion am 14. Mai 1948 den jüdischen Staat in Tel Aviv aus. Danach
12
Vgl. Nikolas Jaspert, Die Kreuzzüge, 5. Aufl., Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2010, S. 31-32.
13
Vgl. Karen Armstrong, A History of Jerusalem: One City Three Faiths, London: Harper Perennial, 2005, S.
387.
22
Einleitung
werden Ostjerusalem und das West-Ufer des Jordans im Sechstagekrieg 1967 besetzt, und bis zum heutigen Tag verschlimmern sich die Konflikte. Die Gründe für die andauernden Konflikte in Palästina müssen
in dieser Arbeit nachgezeichnet werden, um die Auseinandersetzungen der beiden Nationen zu verstehen.
Hier wird auch untersucht werden, warum die Palästinenser die Friedensabkommen immer ablehnten. Die
religiösen Motive der Gewaltanwendungen werden ebenso betrachtet werden wie die politischen Aspekte,
die den Streit der beiden Nationen verursachen.
Die Beziehungen zwischen den religiösen Gemeinschaften werden geschildert, damit die Beurteilung
des interreligiösen Geflechts in Jerusalem am Ende dieser Arbeit besser verstanden wird.
Zu guter Letzt wird die Rolle des Dialogs als ein wichtiger Weg zum Frieden betont werden. Das irdische Jerusalem scheint bis jetzt ein Grund dafür zu sein, dass die Stadt, die der Schlüssel zum Frieden
sein sollte, keinen Frieden findet. Uri Avnery formuliert seine Hoffnung auf Jerusalem wie folgt:
„Jerusalem gehört uns, Israelis und Palästinensern, Moslems, Christen und Juden. Unser Jerusalem ist ein Mosaik aus allen Kulturen, allen Religionen und allen Epochen […]. Unser Jerusalem
muss eine vereinigte Stadt sein, die offen ist für alle und allen Einwohnern gehört - ein Jerusalem
ohne Grenzen und Stacheldraht in seiner Mitte. […] Unser Jerusalem soll die Hauptstadt des Friedens sein.“14
Es scheint, dass der Frieden in Jerusalem die Bereitschaft beider Seiten benötigt, eine geeinte Stadt
des Frieden zu werden. Al-Quds Jerusalem soll eine offene und friedliche Stadt sein, um somit als die
Stadt Gottes richtig wahrgenommen werden zu können.
14
http://www.zmag.de/artikel/jerusalem-von-gold-2013-und-der-menschenrechte (Abgerufen am 12. März 2013).
23
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
1 Die bestehenden Forschungen über Jerusalem im muslimischen Verständnis
1.1 Die grundsätzliche Bedeutung Jerusalems als Heilige
Stätte und Heilige Stadt für Muslime
Die Stadt Jerusalem spielte bereits in der frühesten Periode des Islams im 7. Jahrhundert n. Chr. die wichtige Rolle in einer Lagebeschreibung der Heiligen Stätte. Die Bedeutung und der Charakter der Heiligkeit
der Stadt im Islam sind dabei, wie bereits gesagt, anders als im Judentum und Christentum. Die Grundlage
für die Bedeutung Jerusalems findet man in der Bibel und im Tenach. Hier kann man nachlesen und leicht
nachvollziehen, warum diese Stadt für Juden und Christen wichtig wurde. Im Gegensatz dazu bietet der
Koran keinen bestimmten Begriff „Jerusalems“, wie in der Thora und in der Bibel, um zu verstehen, warum Jerusalem auch für Muslime eine bedeutende Stadt wurde. Obwohl im Koran Jerusalem nicht erwähnt
wird, bezieht sich die Masjid Aqṣā, zu der Isra und Mi´raj (Nacht- und Himmelsreise) gehören, nach vielen Überlieferungen auf Jerusalem. Es sei daran erinnert, dass eine Masjid (Bethaus) in Jerusalem zur
damaligen Zeit nur ein christlich-byzantinisches Bethaus sein konnte wie die Marienkirche, die 618 n.
Chr. zerstört wurde. Wenn es sich also bei der Masjid um die Marienkirche handelt, ist 618 n. Chr. terminus ad quem für die Nacht- und Himmelsreise Muḥammads. Außerdem werden einige Beinamen von
Jerusalem gefunden wie Aelya (‫)ﺇﻳﻠﻴﺎء‬, Bait al-Maqdis (‫)ﺑﻴﺖ ﺍﻟﻤﻘﺪﺱ‬, Al-Quds und so weiter. Isaac Hasson
bemerkt, dass viele arabische Wissenschaftler solche Bezeichnungen wie Al-Zaytun (‫ ﺍﻟﺰﻳﺘﻮﻥ‬der Ölberg),
Mubawwa Sidq (‫ ﻣﺒﺅﺃﺻﺪﻖ‬der sichere Wohnort) und al-Masjid al-Aqṣā (die weit entfernte Moschee) in
ihrer Tafsir (die Koranauslegung) mit dem Begriff Jerusalem verbanden.15
Außerdem hielt sich der Prophet Muḥammad nach Ansicht der Historiker nie in Jerusalem auf.16 Der
geografische Ursprung des Islam findet sich auf der arabischen Halbinsel und nicht in Palästina. Dennoch
15
Vgl. Isaac Hasson, „Muslim Literature in Praise of Jerusalem”, in: Lee I. Levine (Hg.), The Jerusalem Cathedra: Studies in the History, Archaeology, Geography and Ethnography of the Land of Israel, Jerusalem: Yad
Izhak Ben-Zvi Institute, 1981, S. 168-184, hier S. 169.
16
Vgl. R.J. Zwi Werblowsky, Die Bedeutung Jerusalems für Juden, Christen und Moslems, Jerusalem: Studiengruppe für Nahostfragen d. israel. Univ., 1980, S. 2.
24
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
steht Jerusalem nach Mekka und Medina17 in der islamischen Werteskala der Städte an dritter Stelle. Stefan Wild schreibt:
„Jerusalems Bedeutung für die islamische Religion beruht vielmehr auf einer Szene im Leben
des islamischen Propheten, die im Koran nur kurz genannt wird, aber in der Traditionsliteratur wie
der Faḍā´il-Literatur und der mündlichen Überlieferung wie in den Berichten der Geografen und der
Pilgerväter und später auch in der Kunst breit und farbig ausgemalt wird.“18
Darüber hinaus hält Udo Tworuschka zur Heiligkeit Jerusalems für die Muslime fest:
„Die Bedeutung Jerusalems für Muslime leitet sich im Koran im Wesentlichen aus der 17. Sure
des Korans ab, in der von der Nacht- und Himmelsreise des Propheten Muḥammad berichtet wird.
Jerusalem heißt auf Arabisch al-Quds.19 Die alte Bezeichnung lautete Bait al-Maqdis (entsprechend
der hebräischen Bezeichnung bêt ha-miqdash AP) nach der des salomonischen Tempels. Al-Quds ist
neben Mekka und Medina die drittwichtigste Heilige Stadt des Islams. Jerusalem war die erste Qibla,
die Richtung des Gebets. Erst nach der Hidschra, der Auswanderung Muḥammads von Mekka nach
Medina, wurde das rituelle Pflichtgebet nach Mekka ausgerichtet.“20
Einer der heiligsten Orte neben Mekka war für die Muslime Jerusalem. Die Muslime vergaßen nie,
dass die Heilige Stadt der Juden und Christen (ahl al-Kitab) ihre erste Qibla war. Die Stadt war nach Stefan Wild ein Symbol gewesen und hatte ihnen geholfen, eine eindeutige islamische Identität auszubilden,
sich von den heidnischen Traditionen ihrer Vorfahren abzuwenden und eine neue religiöse Gemeinschaft
zu suchen. Jerusalem blieb ein lebendiges Symbol des islamischen Gefühls für Kontinuität und Verwandtschaft mit den ahl al-kitab (Schriftbesitzer: Juden, Christen und Muslime), ob Juden und Christen das nun
anerkannten oder nicht. Die Muslime nannten die Stadt Madinat bait al-Maqdis (Stadt des Heiligen Hauses). Sie war lange Zeit das Zentrum ihrer monotheistischen Vorläufer gewesen. Die Propheten David und
17
Mekka ist der Geburtsort des Propheten. Medina ist die Grabstätte des Propheten. Vgl. Ibn Isḥāq, Das Leben
des Propheten, Kandern: Spohr, 1999, S. 31. Vgl auch. Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) und Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Was Jeder vom Islam wissen muss, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2001, S. 29.
18
Stefan Wild, „Jerusalem – Heilige Stätte, Heilige Stadt und Hauptstadt: Islamische, arabische und palästinensische Ansprüche“, in: Michael Konkel und Oliver Schuegraf (Hg.), Provokation Jerusalem: Eine Stadt im
Schnittpunkt von Religion und Politik, Münster: Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung GmbH & Co., 2000, S.
128.
19
Al-Quds (Die Heilige), Al Quds ash-Sharifa (Die hochwürdige Heilige), Iliya (Tempel von Jupiter auf dem
Tempelberg), Madinat Bait al-Maqdis (Stadt des Heiligen Hauses), al-Ard al-Mukadassa (Das Heilige Land),
Dar as-Salam (Haus des Friedens), Qibla al-Qiblatayn (Die erste von zwei Gebetsrichtungen).
20
Udo Tworuschka, „Möglichkeiten interreligiöser Verständigung über die Heiligen Stätten“, in: Helmut Hubel
& Tilman Seidensticker (Hg.), Jerusalem im Widerstreit Politischer und Religiöser Interessen, Frankfurt am
Main: Peter Lang GmbH, 2004, S. 114-136, hier S. 116.
25
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
Salomo hatten dort gelebt und regiert. Die Stadt war mit einigen der größten Propheten verbunden, einschließlich des Propheten Jesus, von dem die Muslime nicht glauben, dass Jesus Gottes Sohn ist.21
Die Aqṣā-Moschee wird nach islamischer Ansicht bereits im Koran (Sure 17,1) erwähnt. „Gepriesen
sei der, der mit seinem Diener bei Nacht von der heiligen Kultstätte (in Mekka) nach der fernen Kultstätte
(in Jerusalem), deren Umgebung wir gesegnet haben, reiste, um ihn etwas von unseren Zeichen sehen zu
lassen! Er ist der, der (alles) hört und durchschaut.“
Dieser Felsen wird mit der Nachtreise des Propheten von der Masjid al-Haram (Heiligen Kultstätte:
gemeint ist Mekka) zur Masjid al-Aqṣā (entferntesten Kultstätte: gemeint ist wohl Jerusalem) in Verbindung gebracht. Es gibt im Koran tatsächlich keinen Hinweis, dass die fernste Moschee mit Jerusalem in
Zusammenhang zu bringen sei.22
Udo Tworuschka hält zur islamischen Bedeutung des Felsendoms fest:
„In der heute sogenannten „Grotte des Propheten“ im Felsendom wurde Muḥammad von Abraham, Moses, Salomon, Jesus und anderen Propheten empfangen. Gemeinsam beteten die Gottesmänner miteinander. Die Himmelsreise Muḥammads am 27. Radschab, dem siebten islamischen Monat,
wird mit der Ostseite des Harams in Verbindung gebracht. Hier wird noch der Ring gezeigt, an dem
Muḥammad sein Reittier Buraq angebunden haben soll, ein Tier ‚größer als ein Esel und kleiner als
ein Pferd mit Frauenkopf und Pfauenschweif‘“.23
Hartmut Bobzin erläutert, dass Muḥammad und Gabriel, nachdem sie auf dem Tempelberg angekommen waren, auf eine Leiter und von dort in den Himmel stiegen. Diese Himmelsreise wird als alMiradj bezeichnet. Jeder der himmlischen Sphären stand ein Prophet vor, Adam, Jesus, Johannes der Täufer, Joseph, Henoch, Aaron und Mose bis zu Abraham, der an der Schwelle des göttlichen Reichs stand.24
Sein Aufstieg in den höchsten Himmel war der höchste Akt des Islam, die Rückkehr zur Einheit, der alles
Sein entstammt. Darüber hinaus kommt darin die muslimische Überzeugung von Kontinuität und Solidarität mit dem älteren Glauben zum Ausdruck. Mit dem Flug Muḥammads von der Ka´ba zum Tempelberg
wurde die Heiligkeit Mekkas auch auf Jerusalem, auf al-Masjid al-Aqṣā, übertragen. Zwischen den beiden
Städten bestand eine von Gott hergestellte Verbindung.
21
Vgl. Stefan Wild, a.a.O., S. 127-132.
22
Vgl. Yitzhak Reiter, Jerusalem and Its Role in Islamic Solidarity, New York: Palgrave Macmillan, 2008, S. 2122.
23
Udo Tworuschka, „Möglichkeiten interreligiöser Verständigung“, S. 115.
24
Vgl. Hartmut Bobzin, „Jerusalem aus muslimischer Perspektive“, S. 208.
26
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
1.2 Heiliges trennt und verbindet
Die Begegnung mit heiligen Orten oder ihre Begehung unterscheiden die Menschen voneinander, entweder innerlich oder äußerlich. Tworuschka hält dazu fest: „An vielen religiösen Versammlungsorten
herrscht Geschlechtertrennung, bei Juden ebenso wie bei Muslimen, und früher auch bei Christen.“25 Vor
allem aber sind sie nur bestimmten Personen oder Personengruppen zugänglich. Die Bedeutung der Heiligen Orte nach Udo Tworuschka muss die Unterscheidungsaspekte enthalten, wobei sie sich zwischen den
Menschen unterscheiden, die zu diesem Ort gehören, und denen, die nur vor dem äußerlichen Ort bleiben.
Um in einen Heiligen Ort einzutreten, bedarf es ritueller Vorbereitungen, so wie Waschungen, Anziehen
der besonderen Gewänder oder Opferungen.26
Mit Heiligen Orten verbinden sich Erinnerungen an herausragende Heilsereignisse. Es hat an diesem
Ort beispielsweise eine für die jeweilige religiöse Tradition bedeutsame Persönlichkeit gelebt und gelehrt
oder es hat sich Wundersames ereignet. Man möchte Heilige Orte für die eigene Religion bzw. Gemeinschaft vereinnahmen, und dies birgt Konfliktpotenzial, da Heilige Orte Heilsames repräsentieren. Jerusalem ist in dieser Hinsicht als Stadt des Streites und Kampfes wohl unübertroffen. Darüber hinaus muss
beobachtet werden, dass die Bedeutung der Heiligen Orte zu strengen religiösen Gewaltanwendungen wie
Konflikte, Hass und Angst führen kann, anstatt sie zu verringern.27 Das andere Phänomen des Heiligen
besteht darin, dass die Menschen, die als heilig bezeichnet werden, die anderen Menschen, die unheilig
genannt werden, dämonisieren können. Es gibt oft in einer Gesellschaft die Gewaltanwendungen oder
Konflikte wegen dieses Verständnisses, weil die Orthodoxen, die sich selbst als heilig bezeichnen, sich
gegen die neuliberalen Menschen abgrenzen. Diese Konflikte führen danach zu sozialpolitischen Mauern
und Auseinandersetzungen. Strenggläubigkeit und Militarismus stehen bestimmt in Zusammenhang miteinander.28 Der Heilige Ort wird auch nach Tworuschka erkennbar, weil dieser Ort die Heilsgeschichte
oder die Präsenz Gottes oder der Götter umfasst und deshalb jeder Gläubige Interesse daran hat, diese Orte
zu besitzen.29
25
Vgl. Georg Tsakalidis, „Orthodoxie”, in: Udo Tworuschka (Hg.), a.a.O., S. 29.
26
Udo Tworuschka, „Möglichkeiten interreligiöser Verständigung“, S. 119.
27
Vgl. Ebd., S. 119.
28
Vgl. Ebd., S. 120-122.
29
Vgl. Udo Tworuschka, a.a.O., S. 120-121.
27
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
Die Kultgemeinschaften zwischen Muslimen, Christen und Juden beweisen, dass heilige Orte verbinden können. Eine muslimisch-jüdische Kultgemeinschaft an Heiligtümern der Propheten Ezechiel und
Daniel ist ein Beispiel wie das Thema Heiligkeit die drei Abrahamitischen Religionen verbinden kann.30
Christen und Muslime nahmen eine gemeinsame Kultstätte an, die mit der Abraham-Tradition verbunden
ist. Juden, Christen und Muslime trafen sich an den Gräbern der alttestamentlichen Patriarchen in Hebron.31
1.3 Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke auf
dem Haram aš-Šarīf, Jerusalem
Die Gebäude und andere archäologische Belege, die spätestens vom Ende des siebten Jahrhunderts stammen, weisen auf die Bedeutung Jerusalems für die frühen Muslimen hin. Myriam Rosen-Ayalon, Professorin für Islamische Kunst und Archäologie an der Hebräischen Universität in Jerusalem und eine führende Expertin für die Archäologie des islamischen Nahen Ostens, meint:
„[…] the archeological evidences that are available for us from the early Islamic centuries are
the best sources of information and are more informative than that of the historical and other documentary sources.”32
Die bestehende Struktur der Stadt und die Monumente, die wir noch heute kennen, stammen aus der
´Umayyaden-Dynastie, die für ihre Prachtbauten in Jerusalem bekannt ist.33 Dieser Zeitraum wird oft als
die einflussreichste Zeit in der islamischen Kunst und Architektur bezeichnet. Die ´Umayyaden erbauten
30
Vgl. A.S. Tritton, The Caliphs and their Non-Muslim Subjects: A Critical Study of the Covenant of ´Umar,
London: Routledge, 1930, S. 143f.
31
Vgl. Enzyklopädie des Islam, Bd. II, Leiden: E.J. Brill, 1927, S. 950-952.
32
Myriam Rosen-Ayalon, The Early Islamic Monuments of al-Haram al-Sharif: An Iconographic Study, Jerusalem: Hamaker, 1989, S. 2.
33
„Der Kalif Muawiya, Begründer der ´Umayyaden-Dynastie (die bis 750 herrschte), hatte Damaskus im Jahre
661 zur Hauptstadt des Reiches gemacht. Aber desungeachtet ging er nach Jerusalem und krönte sich offiziell
und in einer feierlichen Zeremonie zum Kalifen des ausgedehnten arabischen Reiches. Der Grund dafür, dass er
Jerusalem zu diesem Zwecke auswählte und nicht Damaskus, dürfte darin zu sehen sein, daß Jerusalem den
Status der Heiligen Stadt biblischer Überlieferung auch im Islam weiter behielt. Der Ursprung des Begriffes
Bayt al-Maqdis aber, nichts weiter als die arabische Übersetzung des hebräischen Beit Hamikdash (Der Tempel), ist auf diese Tatsache zurückzuführen. Und dieser Begriff bezieht sich eben nicht nur auf den Tempelberg,
sondern auf die Stadt selbst, die die Araber bis auf den heutigen Tag Al-Quds (die Heilige) nennen.“ Benjamin
Mazar, Der Berg des Herrn: Neue Ausgrabungen in Jerusalem, Bergisch Gladbach: Gustav Lübbe Verlag
GmbH, 1979, S. 235.
28
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
ihre Denkmäler oft auf den Plätzen, die historische und symbolische Bedeutung für den Islam hatten. Beispielsweise errichteten der spätere Kalif ´Abd al-Malik (685-705 n. Chr.) und sein Sohn Al-Walid (705715 n. Chr.) vermutlich zwei Bauwerke auf dem Tempelberg: den Felsendom (685 oder 687 bis 691 n.
Chr.) und die Aqṣā-Moschee (705-709 n. Chr.).34
Der größte Teil der wissenschaftlichen Forschung und Dokumentation in Zusammenhang mit dem
Tempelberg wurde zwischen den Jahren 1865 bis 1875 zusammengefasst, und zwar von den Wissenschaftlern, die für the Palestine Exploration Fund (PEF) arbeiteten. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurden
Nichtmuslime vom Zugang zum Tempelberg abgehalten. Ein Großteil der Informationen beruhte nur auf
der Beobachtung der Umgebung. Die Situation änderte sich nach dem Krimkrieg.35 Gegen Ende der
1850er-Jahre wurde es westlichen Wissenschaftlern und Forschern erlaubt, den Tempelberg entgeltlich zu
besuchen. Die muslimischen Behörden sahen über Tätigkeiten hinweg, welche die Baugründe und ihre
unterirdischen Räume dokumentierten. Die ersten Wissenschaftler, die den Tempelberg und die unterirdischen Räume dokumentierten, waren J. T. Barclay, E. Pieroti und E. M. M. de Vogüé. Alle diese Tätigkeiten fanden in Kenntnis und mit der Erlaubnis der osmanischen Behörden statt. Dennoch störten Wächter und muslimische religiöse Beamte auf dem Tempelberg gelegentlich die Arbeiten dieser Wissenschaftler. Diese Dokumentation des neunzehnten Jahrhunderts ist nach wie vor die Hauptbasis für die wissenschaftliche Information bezüglich der Strukturen auf dem Tempelberg und seiner unterirdischen Räume.36
Während der britischen Herrschaft wurden zwei umfassende Studien des Felsendoms und der AqṣāMoschee, vor allem deren Technik-Dokumentation, ausgeführt, weil es Befürchtungen bezüglich eines
Zusammenbruchs wegen geschwächter Fundamente gab. 1924 veröffentlichte Richmond die Ergebnisse
einer umfassenden Feldbegehung des Felsendoms, die 1918 ausgeführt wurde. Von 1938 bis 1942 dokumentierte Hamilton seine Forschung über die Aqṣā-Moschee und führte nur eingeschränkt Ausgrabungen
im Gebäude aus, weil gleichzeitig umfassende Reparaturen durchgeführt wurden. Sein Bericht und die
Ergebnisse seiner Ausgrabung wurden 1949 veröffentlicht. In den 1920er-Jahren legte Creswell eine um34
Vgl. Ebd., S. 235.
35
„Der Krimkrieg (auch Orientkrieg) war ein militärisch ausgetragener Konflikt von eurasischem Ausmaß. In
ihm standen sich von 1853 bis 1856 Russland auf der einen und das Osmanische Reich, Frankreich, Großbritannien und ab 1855 auch Sardinien (der politisch prägende Vorläuferstaat des späteren Italien) auf der anderen
Seite gegenüber. Er begann als zehnter russisch-türkischer Krieg. Ausgelöst wurde er durch das unverkennbare
Bestreben des Zaren, den russischen Einfluss auf die Türkei zu verstärken, möglicherweise sogar die Meerengen in seine Hand zu bekommen. Der Versuch Russlands, sein Gebiet zu Lasten des zerfallenden Osmanischen
Reiches zu vergrößern, wurde durch den Einsatz Großbritanniens und Frankreichs verhindert.“ Theodor Schieder, Geschichte Europas: Staatensystem als Vormacht der Welt 1848-1918, Bd. 5., Frankfurt am Main: Propyläen Verlag, 1977, S. 86-87.
36
Gespräch mit Umar Abed Rabbo, Doktorand an der Hebräischen Universität, Jerusalem, am 12. Januar 2011.
29
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
fassende Studie der Strukturen auf dem Tempelberg vor, einschließlich vieler Zeichnungen und Fotografien, von denen einige in seinem Buch „Early Muslim Architecture“ veröffentlicht wurden. Nach dem
Sechstagekrieg 1967 leisteten israelische Gelehrte ihre Beiträge zur Dokumentierung der Gebäude und
Entdeckungen auf dem Tempelberg. M. Rosen-Ayalon veröffentlichte eine umfassende Studie der Strukturen der frühen muslimischen Periode, während M. Ben-Dov die unterirdischen Räume der Alter ´Umar
Moschee untersuchte. Der Beitrag dieser Studien zu unseren Kenntnissen des Tempelbergs, seiner Struktur, der Geschichte und der Bauentwicklung war beträchtlich.37 Aber leider hat es fast keine bedeutenden
palästinensischen oder muslimischen Wissenschaftler gegeben, die ihren wissenschaftlichen Beitrag zu
den Strukturen auf dem Tempelberg geleistet haben.
1.4 Berichte der Pilgerväter
Muslimische Besucher und Pilger kamen zu Beginn der Herrschaft der ´Umayyaden in die Stadt Jerusalem (ca. 685 n. Chr.). Durch die unterschiedlichen Überlieferungen, die in diesem Zeitraum zirkulierten,
waren sie zur Pilgerfahrt nach Jerusalem und zum Gebet in der Stadt motiviert.38
Amikam Elad, der sich für die chronologischen Berichte der Pilger nach Jerusalem interessiert, stellt
fest: “The pilgrims came to Jerusalem from nearby localities, from Syria, and from more distant regions.
Some came in fulfillment of personal vows.”39
Elad bietet uns eine Liste von islamischen Gelehrten an, die Jerusalem besucht haben, einschließlich
‘Abdullah b. ‘Umar (692-694 n. Chr.), Mahmud ibn al-Rabi, Abu Nu‘aym (717 n. Chr.), Waki ibn alJarrah (812 n. Chr.), Mu‘alla ibn Tarif und der Kalifen al-Mahdi (775-786 n. Chr.), Nasir-i Khusraw und
Ibn al-Murajja. Sie gelten als bekannte Pilger und Reisende in ihrer Zeit.40 Durch ihre Schriften werden
wir über das Verständnis der Heiligen Stadt und der Stätten in Jerusalem informiert, die von der frühen
muslimischen Gemeinschaft als heilig bezeichnet werden. Ein seltenes Zeugnis über eine Kombination der
37
Weiteres Gespräch mit Umar Abed Rabbo.
38
Einige dieser Traditionen gehören zu den „Traditionen in Lob von Syrien“ (Fada'il al-Shams), die spätestens
im ersten Quartal des achten Jahrhunderts erschienen.
39
Amikam Elad, Medieval Jerusalem and Islamic Worship: Holy Places, Ceremonies, Pilgrimage, Leiden: E. J.
Brill, 1995, S. 63f.
40
Vgl. Amikam Elad., S. 62-70.
30
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
Pilgerfahrt nach Mekka und nach Jerusalem findet sich im Gedicht von al-Mu'allā b. Tarīf während der
Regentschaft des Kalifen al-Mahdi (reg. 775-786 n. Chr.).
Übersetzung: „Oh, my friend: I have already performed the pilgrimage * and visited Jerusalem.
And I entered (the city of) Lod intending to visit * the St. Georgius Festival. And I saw there women
* who looked like gazelles gathering to their shelter.”41
Dieses Gedicht zeigt meines Erachtens sehr eindrücklich, wie tief die Bedeutung der Stadt Jerusalem
im Herzen eines muslimischen Pilgers verankert war. Die tiefe Beziehung der Pilger zu Jerusalem wird
auch im nächsten Kapitel dargestellt werden.
1.5 Apokalyptische Literatur
Jerusalem gilt als der zentrale Ort der endzeitlichen Ereignisse im islamischen Glauben. In der Eschatologie ist Jerusalem nach David Cook der zentrale Ort, sogar wichtiger als Mekka und Medina.42 Am Tage
des Jüngsten Gerichts soll die Ka´ba in Mekka nach einer Überlieferung, die von Ofer Livne-Kafri zitiert
wird, den Tempelberg Jerusalems besuchen und dort wie eine Braut ihren Bräutigam treffen.43 Zev Vilnay
erläutert die eschatologische Szene:
„On the day of resurrection, a bridge will appear between Mount Moriah and the mount of
Olives, spanning the Valley of Jehoshaphat. This bridge, called in Arabic Asirat, will be as thin as a
hair and a sharp as a sword. The righteous Moslems will cross the bridge safely; the wicked will fall
into the depths of the valley and shattered to pieces.”44
In einer Überlieferung von Ibn al-Murağğa, die von Livne-Kafri zitiert wird, bläst der Engel ´Israfīl
am Felsen zum Gericht. Danach besteigt Gott als Weltenrichter seinen Thron auf dem Felsen.45 In seiner
Wiederkehr in Jerusalem wird Jesus als der Messias im Islam nach Cook im Folgenden so beschrieben: Er
hat das Schwert in der Hand, um damit den Antichrist zu töten. Er wird auch von den muslimischen Füh41
Ebd., S. 65-66. „Kāmil Muraffal: Yā sāhi innī qad hajaj * tu wa-zurtu Bayta ´l-Maqdisi. Wa-dakhaltu Luddan
´āmidan * fi-īdi Māryā Jirjisi. Fa-ra´aytu fihi niswatan * mithla ´z-ziba´i ´l-kunnasi.“
42
Vgl. David Cook, Studies in Muslim Apocalyptic, New Jersey: The Darwin Press, Inc., 2002, S. 172.
43
Vgl. Ofer Livne-Kafri, „Jerusalem in Early Islam: The Eschatological Aspect”, in: Arabica Journal of Arabic
and Islamic Studies, Vol. 53, Paris: Redaction D´Arabica, 2006, S. 382-403, hier S. 394.
44
Zev Vilnay, Legends of Jerusalem: The Sacred Land, Vol. I, 2. Aufl. Philadelphia: Jewish Publishing Society
of America, 1975, S. 266.
45
Vgl. Ofer Livne-Kafri, a.a.O., S. 388-389.
31
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
rern in Jerusalem begrüßt.46 Jesus wird 40 Jahre auf Erden leben, bis er in Jerusalem stirbt, aber in Medina
begraben wird.47 Darüber hinaus erwähnt Cook auch, dass Jerusalem als die Heilige Stadt der Muslime
betrachtet wird, weil Jesus als der muslimische Messias die wahren Muslime nach der Tötung des Dajjāls
dorthin führen wird.48 Die These von Ofer Livne-Kafri ist wichtig zu merken:
„An extremely important aspect of the tradition of the sanctity of Jerusalem was the city´s
unique role in the eschatological picture and in the day of judgment. In fact Muslim attitude to the
matter of the end is reflected in a large complex of conceptions such as reward and punishment, heaven and hell, this world and the world to come, resurrection and the day of judgment, messianism,
redemption, and more. Such conceptions likewise developed under the influence of the JudaeoChristian tradition and against the background of the historical reality of the Muslim community, especially during the seventh and the eighth centuries.”49
Jerusalem gilt für die Muslime als Ziel der eschatologischen Pilgerreise, wo das Ende des Tages
stattfinden wird.
Mit der Sammlung der apokalyptischen Literaturen hat sich zunächst Nu‘aym ibn Hammad alMarwazi (gest. 844 n. Chr.) beschäftigt, und er hat sie als Kitab al-Fitan zusammengestellt. Wir haben
auch einige Traditionen von Al-Bukhari (810-870 n. Chr.), Al-Muslim (817-875 n. Chr.) und Abu Dawud
(888 n. Chr.), die die Rolle von Jerusalem in den islamischen eschatologischen Ereignissen erklären.50
Diese Sammlungen werden von Ofer Livne-Kafri und David Cook zusammengefasst, die ich in dieser
Arbeit oft verwenden werde. Das Buch „Studies in Muslim Apocalyptic“ von David Cook ist eine weitere
wichtige Quelle von Informationen über Jerusalem und seine Bedeutung in der islamischen Endzeit. Cook
betont die islamische Apokalyptik und argumentiert, dass die islamische apokalyptische Erwartung prägend von christlichen und jüdischen apokalyptischen Verständnissen beeinflusst wurde. Er teilt diese apokalyptische Literatur in verschiedene Kategorien ein, wie die des historischen, metahistorischen und messianischen Zeitraums sowie die schiitische und moralische apokalyptische Literatur. Besonders aufgrund
46
Vgl. David Cook, a.a.O., S. 173-174.
47
Vgl. Ebd., S. 177.
48
Vgl. Ebd., S. 179.
49
Ofer Livne-Kafri, a.a.O., S. 382.
50
Al-Bukhari, Al-Muslim und Abu Dawud sind die Verfasser der wichtigsten Sammlung von Ḥadīṯen. Ihre
Sammlungen von Ḥadīṯen gelten für die islamische Theologie als Sahih oder zuverlässig. Vgl. Al-Buhārī, Die
Sammlung der Hadithe, (ausgewählt, aus dem Arabischen übersetzt und herausgegeben von Dieter Ferchl),
Stuttgart: Philipp Reclam, 2010, S. 8-10.
32
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
seines zweiten Kapitels, „Metahistorischer apokalyptischer messianischer Zeitraum“, kann man ein Verständnis erlangen, warum Jerusalem eine so herausragende Rolle in der Endzeit hat. 51
1.6 Faḍā’il-Literatur
In der Literatur, die jeweils eine Stadt preist, wird Jerusalem erst relativ spät zum Thema. Nur zwei Werke
sind aus dem fünften Jahrhundert islamischer Zeitrechnung bekannt. Erst mit der zweiten Hälfte des 12.
Jahrhundert n. Chr. wird die Faḍā´il-Literatur zu Jerusalem häufiger.52 Vom 11. bis 16. Jahrhundert n.
Chr. sind 20 Werke bekannt, die Jerusalem preisen. Der starke Anstieg dieser Literatur seit der zweiten
Hälfte des 12. Jahrhundert n. Chr. hängt mit den Kreuzzügen und dem Kreuzfahrerreich zusammen. Die
Faḍā´il-Literatur ermunterte und stärkte in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhundert n. Chr. die Bestrebungen zur Rückeroberung der Stadt und verankerte die Bedeutung Jerusalems im Bewusstsein der Muslime.53
Die Asketen54 und die Mystiker55 unterstützen den Gedanken der Heiligkeit Jerusalems, 56 während
die Gruppe der Ulema57 diesen ablehnt.58 Einige muslimische Historiker waren gegen die Bedeutung der
51
Vgl. David Cook, a.a.O.
52
„The first collection of fada´il devoted to Jerusalem (by al Khatib Abu Bakr Muḥammad b. Ahmad al-Wasiti)
appeared 410 (1019/20)…literature in praise of Jerusalem appeared in the form of isolated traditions, at least
from the time of al-Zuhri (124/742).” Vgl. Isaac Hasson, a.a.O., S. 172. Dagegen datiert Kister wesentlich
früher: “…Jerusalem praise literature emerged in the second half of the first century of the hidjra (the end of
the seventh century C.E.) and was put into writing in the first half of the second century of the hidjra (the
eighth century C.E.). Vgl. Meir Kister, “A Comment on the Antiquity of Traditions Praising Jerusalem”, in:
The Jerusalem Cathedra I, Detroit: Wayne State University, 1981, S. 185f.
53
„One does not detect either shock or a sense of religious loss and humiliation. All through the first half of the
twelfth century, Muslim public opinion persists in its indifference to the fate of Jerusalem.” Emmanuel Sivan,
Interpretations of Islam: Past and Presence, Princeton: Darwin Press, 1985, S. 76.
54
„Die frühislamische Askese ist eine praktische Frömmigkeit, die sich auf die gewissenhafte Erfüllung der religiösen Grundpflichten der Muslime stützt. Große Bedeutung haben dabei die lautere Gesinnung, die aufrichtige
Absicht, die ernste Reue und die wirksame Gottesfurcht. Die Asketen betrachten die Welt und die Beschäftigung mit den Dingen des diesseitigen Lebens als eine verhängnisvolle Versuchung. Jede Stunde bringe den
Menschen dem Tod näher, sie zwinge ihn bald vor das Gericht Gottes. So müsse man zusehen, dass man vor
Gott bestehen könne. Dazu helfen Übungen wie Wachen und Fasten, die Loslösung von den Fesseln des weltlichen Lebens und die strenge Befolgung der religiösen und gesetzlichen Bestimmungen.“ Adel Theodor
Khoury, Ludwig Hagemann und Peter Heine (Hg.), „Askese“ in: Islam Lexikon: Geschichte-Ideen-Gestalten,
Band. 1, Freiburg: Herder, 2006, S. 84.
55
„Mystik ist die Suche des Menschen nach der Begegnung mit Gott bis hin zur „Einung mit Gott“, der unio
mystica. Auch im Islam, dessen Mitte die unter Gottes Willen und die Hingabe an ihn ist, hat sich die Mystik
entfaltet. Bereits der Koran spricht von der Suche nach dem Antlitz Gottes: durch Spenden für die Sache Gottes
33
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
Heiligkeit Jerusalems, wie z. B. der islamische Rechtsgelehrte Taqi Al. Din b. Taymiyya, weil sie dachten,
dass das Konzept der Heiligkeit in der islamischen Geschichte fehlt und nur von den jüdischen und christlichen Traditionen beeinflusst wird.59 Im 14. Jahrhundert n. Chr. war Ibn Kathir in seiner Überlieferung
sogar der Ansicht, die von Matthias Morgenstern zitiert wird, dass das letzte Gericht in Jerusalem stattfinden werde, sei eine Erfindung, um Pilger anzuziehen.60 Auch der moderne ägyptische Schriftsteller Abu
Rayya nach Chertoff wendet sich gegen die Tradition der Heiligkeit der Stadt, weil sie nicht islamisch
sei.61
Eine der frühesten Sammlungen von Fadâ'il, die Jerusalem gewidmet sind, ist Fada'il al-Bait alWasiti's al-Muqaddas, verfasst zwischen 1019 bis 1020 n. Chr. Das arabische Original von al-Wasiti wurde im Jahr 1979 von Isaac Hasson bearbeitet.62 Nach ihm wurde Fada'il Bait al-Muqaddis wa-Khalil wa
Faḍā´il al-Sham (Das Lob der Vorzüge Jerusalems und Hebrons und die Verdienste aus Syrien) von AlMusharraf, einem Bewohner von Jerusalem, in der Mitte des 11. Jahrhunderts n. Chr geschrieben.63 Davor
oder zur Unterstützung der Bedürftigen (vgl. Sure 2,272; 30,38; 76,9), durch das Gebet und die Anrufung Gottes (6,152; 18,28), durch die Geduld (13,22). Das Antlitz Gottes erfüllt das Weltall, es ist im Osten und Westen
(2,115). „Alle Dinge werden untergehen, nur sein Antlitz nicht“ (28,88). „Bleiben wird nur das Antlitz deines
Herrn, das erhabene und ehrwürdige“ (55,27). Aus dieser Suche hat sich eine mystische Tradition entwickelt,
die verschiedene Ausdrücke erfahren und unterschiedliche Auswirkungen gezeigt hat.“ Adel Theodor Khoury
(Hg.), a.a.O., „Mystik“, Band. 2, S. 570.
56
Vgl. Emmanuel Sivan, a.a.O., S. 79.
57
„Ulama bzw. Ulema sind im Islam Repräsentanten des religiösen Wissens, meist Theologen und
Rechsgelehrte. Ulama dürfen Ämter ausüben, wie Kadi, Khatib oder Mufti und haben bis in die Gegenwart einen erheblichen Einfluß auf das öffentliche Leben, einschließlich der Politik, islamischer Länder. Äußere Zeichen der Ulama sind ein weißer Turban und ein langer schwarzer Mantel.“ Stephan und Nandy Ronart, Lexikon
der arabischen Welt, Zürich: Artemis Verlag, 1972, S. 609.
58
Vgl. Emmanuel Sivan, a.a.O., S. 79.
59
Vgl. Matthias Morgenstern, „Die Heilige von der Bedeutung Jerusalem für Juden und Moslems“, in: Evangelische Theologie 48 (1), 1988, S. 65-75, hier S. 69f.
60
Vgl. Mordechai S. Chertoff, „Jerusalem in Song and Psalm”, in: Alice L. Eckardt (Hg.), Jerusalem: City of the
Ages, Lanham, MD: University Press of America, 1987, S. 226-240, hier S. 233.
61
Vgl. Ebd. S. 234.
62
Vgl. Isaac Hasson, „Muslim Literature in Praise of Jerusalem,“ S. 172.
63
Vgl. Oleg Grabar, The Shape of the Holy: Early Islamic Jerusalem, Princeton, NJ: Princeton University Press,
1996, S. 11.
34
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
wurde das geografische Handbuch von Al-Muhallabi 990 n. Chr. geschrieben und im Rahmen von Ṣalāḥ
ad-Dīn al-Munajjad veröffentlicht.64
Basierend auf den verfügbaren literarischen Quellen gibt es keinen Zweifel, dass die Traditionen des
„Lobes der Vorzüge Jerusalems" beginnend mit der Zeit der ´Umayyaden (ab 660 n. Chr.) weit verbreitet
waren, aber sie entwickelten sich besonders intensiv während der Zeit der Kreuzzüge. Meiner Meinung
nach ist diese Literatur eines der wichtigsten Zeugnisse, die durch all diese Traditionen über die Bedeutung der Stadt Jerusalem im Islam berichten.
1.7 Literatur zu den Kreuzzügen
Kreuzfahrer verstanden sich als Teilnehmer an einem Heiligen Krieg zum Wohle des Herren und der Heiligen Orte, einschließlich Jerusalems. Ihr eigenes Verhalten war aber oft alles andere als heilig. Die
Kreuzzüge werden als der brutalste Krieg während der mittelalterlichen Periode betrachtet, in dem zahlreiche Menschen auf der christlichen und muslimischen Seite einschließlich Frauen und Kindern schwer
betroffen waren. Es sei daran erinnert, dass während der Kreuzzüge viele Menschen ihren Idealismus und
Frömmigkeit verloren und sie durch Arroganz, Unvernunft, Unbarmherzigkeit und Grausamkeit ersetzt
haben. Die Kreuzritter, die vom religiösen Aufruf der kirchlichen Institution motiviert wurden, um zur
Befreiung des Heiligen Landes in Jerusalem zu marschieren, waren Unbewaffnete, Arme und Reiche,
Sünder und Heilige, die unterschiedliche Ziele und Motivationen hatten.65
Doch gerade die vielen für den heutigen Betrachter fremden religiösen, spirituellen und theologischen Motive sind hervorzuheben, weil sie jenseits der üblichen Motive aller Kriege wie Hass, Habsucht
oder Grausamkeit die Kreuzzüge im Mittelalter ausmachen. Um diese Forschung objektiv darzustellen,
wird auch die muslimische Perspektive über die Kreuzzüge hervorgehoben. Einige wichtige Bücher, die in
der Arbeit berücksichtigt werden, sind: „History of the Crusades“ von Hans Eberhard Mayer, „The First
Crusade“ von Steven Runciman, „The Crusades: A History“ von Jonathan Riley-Smith, und „The Holy
War“ von Karen Armstrong. Von der muslimischen Seite werden einige Bücher oft zitiert und verglichen
64
Vgl. Oleg Grabar, a.a.O., S. 11.
65
Vgl. Christoph Auffarth, „Jerusalem zwischen apokalyptischer Gewalt und ewigem Frieden - Religiöse Motive
der Kreuzfahrer,“ in: Alfred Wieczorek, Mamoun Fansa und Harald Meller (Hg.), Saladin und die Kreuzfahrer,
Mainz am Rhein: von Zabern, 2005, S. 37-45, hier S. 40-44.
35
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
wie „The Crusades: Islamic Perspectives“ von Carole Hillenbrand, „Der Heilige Krieg der Barbaren: Die
Kreuzzüge aus der Sicht der Araber“ von Amin Maalouf und „Arab Historians of the Crusades“ von Francesco Gabrieli. Im Allgemeinen ist die muslimische Literatur über die Kreuzzüge sehr spärlich, insbesondere die mittelalterliche. Das ändert sich erst im 19. Jahrhundert, als viele muslimische Texte über die
Kreuzzüge von den muslimischen Historikern und Autoren niedergeschrieben wurden, weil sie die Kreuzzüge nach Jonathan Riley-Smith aus der damals aktuellen Situation im Lichte der kolonialen und imperialen Erfahrungen in der muslimischen Welt betrachteten.66 Auch unter westlichen Autoren nahm das Interesse an den Kreuzzügen zu.
1.8 Koran und Ḥadīṯ
F. E. Peters geht der Frage nach, worauf die enge Bindung von Muslimen zu Jerusalem beruht:
„A connection there assuredly was: we shall see it in the Muslim’s own action in the city, and
we, unlike the seventh century Christians in Jerusalem, can attempt to puzzle it out from the pages of
Qur’an.”67
Die islamischen Aussagen und Interpretationen über die Heiligkeit Jerusalems finden sich hauptsächlich im Koran, der als eine der primären Quellen in Betracht gezogen muss, obwohl der Begriff „Jerusalem“ im Koran fehlt.
Das arabische Wort „Koran“ (al-qur’an ‫) ﺍﻟﻘﺮﺍﻦ‬68 wird von der Wurzel qara’a ( ‫ ) ﻘﺮﺃ‬abgeleitet, die
verschiedene Bedeutungen hat wie beispielsweise „lesen“69 oder „rezitieren“70. Bei seiner Verwendung im
66
Vgl. Jonathan Riley-Smith, „Gründung und Verwaltung der lateinischen Siedlungen in der Levante“, in: Alfred
Wieczorek (Hg.), a.a.O., S. 47-59, hier S. 48-49.
67
F.E. Peters, Jerusalem: The Holy City in the Eyes of Chroniclers, Visitors, Pilgrims and Prophets from the
Days of Abraham to the Beginnings of Modern Times, Princeton, NJ: Princeton University Press, 1985, S. 177.
68
Rudi Paret, Der Koran, Graz, Austria: Verlag für Sammler, 1979, S. 3.
69
Sure 17,93: „[…] oder (solange du nicht) ein prunkvolles Haus hast oder in den Himmel aufsteigst. Und wir
werden (dann auch) nicht glauben, dass du aufgestiegen bist, solange du uns nicht eine Schrift herabsendet, die
wir lesen (können)“.
70
Sure 75,18: „[…] und wenn wir ihn gelesen, so setzt du seine Lesung fort.“ Sure 17:46: „Wir legten über ihre
Herzen Hüllen, dass sie es nicht verstehen, und in ihre Ohren Taubheit. Wenn du bei der Lesung deinen Herrn
allein erwähnst, dann wenden sie sich voller Abneigung ab.“
36
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
Koran selbst bezieht sich das Wort auf die Offenbarungen Allahs (Gottes) im weiten Sinne71 und ist nicht
beschränkt auf die niedergeschriebene Form eines Buches, wie wir es heute kennen.72 Gemeint ist mit
dieser Bezeichnung die Sammlung von Texten, die Muḥammad seinerzeit seinen arabischen Landsleuten
als Offenbarungen rezitiert hat und die seither für gottesdienstliche Schriftlesungen oder Schriftrezitationen verwendet werden. Sie stammen aus dem Zeitraum, der 609 oder 610 n. Chr. einsetzt, dem Jahr, in
dem sich Muḥammad mit seiner prophetischen Verkündigung zum ersten Mal an die Öffentlichkeit wandte, und der 632 n. Chr., in seinem Todesjahr, endet.73
Der Satz, in dem Jerusalem als „die erste der beiden Gebetsrichtungen“ genannt wird, spielt darauf
an, dass im Koran (Sure 2, 142f) angeordnet wird, die offenbar zunächst nach Jerusalem ausgerichtete
Haltung beim Gebet zu ändern und sich nunmehr Mekka zuzuwenden.74 Der andere Satz spielt auf Sure
17,1 an. Dort werden zwei Kultstätten genannt, die Ausgangs- und Zielpunkte der sogenannten isrā´
(Nachtreise) Muḥammads bilden, nämlich die Masğid al-Harām (heilige Kultstätte) und die Masğid alAqsā (weitestentfernte Kultstätte), wobei eine genauere geografische Lokalisierung zunächst zu fehlen
scheint. Im fünften Kapitel werden wir uns daher dem Thema Jerusalem im Koran zuwenden und dabei
die Themen der Nachtreise, der Gebetsrichtung und Faḍā´il al-Quds (Das Lob der Vorzüge Jerusalems)
erörtern. Ebenso werden wir uns der Frage der Wallfahrtsziele im Islam widmen und dabei das Augenmerk vor allem auf die Bedeutung des Felsendoms richten.
Der Ḥadīṯ (‫ ﺍﻠﺤﺪﻳﺚ‬Überlieferung) berichtet über Taten und Aussprüche Muḥammads, die den Koran
auslegen, und ist für die Muslime nach dem Koran die Autorität. Bis zur zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts n. Chr., etwa zweieinhalb Jahrhunderte nach dem Tod von Muḥammad und seinen Gefährten, wurden Ḥadīṯ-Literaturen mündlich in der islamischen Gesellschaft weitergegeben. Die Sammlung der
Ḥadīṯen begann unter dem Befehl des ´Umayyaden-Kalifen 'Umar II. (717-720 n. Chr.), und sie wurde bis
250 Jahre nach der Hidschra – während der Abbasiden-Periode – weiterbetrieben.75 Im neunten Jahrhundert wurden sechs Sammlungen der Ḥadīṯe als zuverlässig von den sunnitischen Muslimen angesehen.
71
Sure 17,82: „Und (erst) wenn wir ihn (dir vor) rezitiert haben, dann folge seiner Rezitierung!“
72
Vgl. Ahmad von Denffer, Ulum Al-Qur´an: Einführung in die Koranwissenschaften, Leicester, UK: the Islamic
Foundation, 1996, S. 21.
73
Vgl. Rudi Paret, a.a.O., S. 3.
74
Vgl. Christfried Böttrich, Beate Ego, Friedmann Eißler, Abraham in Judentum, Christentum und Islam, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht GmbH & Co., 2009, S. 161.
75
Vgl. Jere L. Bacharach, A Near East Studies Handbook, Seattle and London: University of Washington Press,
1976, S. 17.
37
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
Der Schwerpunkt meiner Untersuchung liegt auf den Traditionen, die sich auf die Stadt Jerusalem beziehen, denn sie sagen viel darüber aus, wie das Verständnis von Jerusalem in der frühen islamischen Gemeinde aussah. Die sechs Sammlungen sind: Sahih al-Bukhari (810-870 n. Chr.), Sahih Muslim von Ibn
al-Haggag (817/821-875 n. Chr.), Sunan Abu Dawud (817-888 n. Chr.), al-Tirmidhi (815-892 n. Chr.), alNasa'i (830-915 n. Chr.) und Ibn Majah (824-886 n. Chr.). Einige Forscher fügen eine siebte Sammlung,
nämlich von Ahmed ibn Hanbal, hinzu (frühes 9. Jahrhundert n. Chr.).76
1.9 Zusammenfassung
Die Überlieferung der Himmelsreise vom Propheten Muḥammad, der von dem Felsen auf dem Jerusalemer Tempelberg zum Himmel aufgestiegen ist, ist ein Anhaltspunkt für den heiligen Raum bzw. die Heilige Stätte. Die Überlieferung ist auch der Meinung, dass die Errichtung des Felsendoms unter Kalif ´Abd
al-Malik und der Status von Jerusalem als die erste Gebetsrichtung Heiligkeitsaspekte für die Muslime
darstellen.
Während der frühen islamischen Periode wurden damals die bedeutendsten und bemerkenswerten
Gebäude al-Masjid al-Aqṣā und Qubbat as-Sakhra (der Felsendom) errichtet. Diese archäologischen und
architektonischen Belege der verschiedenen Gelehrten zeigen, dass die muslimischen Herrscher eben in
dieser Zeit Jerusalem als einen einzigartigen Ort für den islamischen Glauben betrachtet haben.
Muslime haben seit dem Beginn des ´Umayyaden-Kalifats Pilgerfahrten in die Heilige Stadt Jerusalem unternommen. Die verbreiteten Traditionen über Jerusalem, einschließlich der Verbreitung der
Faḍā´il-Literatur, motivierten viele Pilger, die heiligen Stätten in Jerusalem zu besuchen. Viele von ihnen
fanden durch solche Pilgerreisen eine spirituelle Erfüllung. Bezüglich der apokalyptischen Perspektive gilt
Jerusalem als der zentrale Ort der endzeitlichen Ereignisse im islamischen Glauben.
Die Heiligkeit von Jerusalem wird auch im Koran und in literarischen Werken (Faḍā´il-Literatur) reflektiert. Der starke Anstieg dieser Literatur seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhundert n. Chr. hängt mit
den Kreuzzügen und dem Kreuzfahrerreich zusammen. Die Faḍā´il-Literatur in der zweiten Hälfte des 12.
Jahrhundert ermunterte und stärkte die Bestrebungen zur Rückeroberung der Stadt und verankerte die
Bedeutung Jerusalems im Bewusstsein der Muslime. In der Faḍā´il-Literatur heben die islamischen Traditionen die Stellung Jerusalems hervor. Zudem sind auch Beschreibungen seines Charakters in Form von
76
Vgl. Jere L. Bacharach, a.a.O., S. 12-13.
38
Die bestehenden Forschungen über Jerusalem
Ḥadīṯen überliefert worden sowie Prophezeiungen, Beschreibungen des jenseitigen Lebens etc. Die Muslime betrachten diese Literaturen als die wichtigsten Quellen für die Ansicht, dass Jerusalem einen wichtigen Ort für den islamischen Glauben darstellt.
39
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
2 Religiöse und politische Bedeutungen der
Bauwerke auf dem Haram aš-Šarīf, Jerusalem
Im folgenden Kapitel geht es um archäologische und architektonische Erkenntnisse. Die bemerkenswerten
architektonischen Gebäude und die künstlerischen Leistungen während der ersten Periode des Islam in
Jerusalem zeigen die große Bedeutung für diejenigen, die dort lebten, als sie erbaut wurden. Während
dieser Zeit entstanden mehrere Traditionen, die die Heiligkeit der Stadt beleuchten. Große und ruhmvolle
Denkmäler wurden erbaut und renoviert; große Historiker, Wissenschaftler, Anhänger, Sufis und Pilger
besuchten diese Stadt und verbreiteten durch ihre Berichte den Ruhm der Stadt in den islamischen Herrschaftsgebieten.
2.1 Die arabische Eroberung und Jerusalem
Die byzantinische Herrschaft erlebt eine Periode des Aufstands und der radikalen Veränderung im 7. Jahrhundert n. Chr., besonders in den östlichen Gebieten des Reiches, vor allem in Jerusalem. Innerhalb einer
kurzen Zeitspanne fiel die Stadt in verschiedene Hände. Im Jahr 614 belagerte das Persische Reich unter
Chosrau II. das Land und nahm Jerusalem in zwanzig Tagen ein.77 Die Perser bekamen militärische Kräfte
von den Juden aus Galiläa. Die Juden unterstützten die Invasion der Perser, weil sie weitere Repressalien
vonseiten der Byzantiner erfahren mussten. Der Grund dafür ist, dass der Kaiser Herakleios78 den Juden
befahl, die Taufe anzunehmen, und damit ihre Sympathien angesichts dieser Forderung den Persern gehörten. Während der Belagerung töteten die Perser viele Christen Jerusalems und zerstörten oder verbrannten
77
Vgl. F. E. Peters, a.a.O., S. 170.
78
„Herakleios war vom 5. Oktober 610 bis zum 11. Februar 641 byzantinischer Kaiser. Er begründete die Dynastie der Herakliden, die bis zum Jahre 717 regierte. […] Herakleios gesamte Regierungszeit sollte von einem
militärischen Abwehrkampf gegen äußere Aggressoren geprägt sein. Zuerst gegen die Sassaniden die unter
dem Großkönig Chosrau II. 613 Damaskus und 614 gar Jerusalem eroberten samt des Heiligen Kreuzes später
gegen die Araber.“ http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Herakleios.html (Abgerufen am 12. September
2013).
40
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
Kirchen.79 Die Ausgrabungen südlich und südwestlich des Tempelbergs zeigten nach Benjamin Mazar,
dass in der Nähe der Tempelmauer viele Belege gefunden werden, dass mehrere große Gebäude verbrannt
oder zerstört wurden.80 Der Patriarch Zacharias, Tausende andere Christen und das „Wahre Kreuz“ wurden nach Persien gebracht und abgesichert.81
Nach der Einnahme Jerusalems hoffte die jüdische Führung, dass ihnen Jerusalem wiedergegeben
würde. Aber sie wurden enttäuscht, da die Perser nach einigen Jahren ihre Haltung änderten. Stattdessen
gaben die Perser die Herrschaft über Jerusalem dem Priester Modestos. Dieser Priester war bekannt in der
christlichen Geschichte, da er einige zerstörte Kirchen in Jerusalem im Jahre 627 n. Chr. einschließlich der
Grabeskirche wiederaufgebaut hatte.82 Die persische Herrschaft dauerte nur kurz. Im Jahre 629 n. Chr. fiel
Palästina an die Byzantiner zurück. Der Patriarch und das „Wahre Kreuz“ kamen wieder nach Jerusalem.
Es heißt, dass Herakleios trotz seiner Allianz mit den Persern zur Schonung der Juden geneigt habe, bis
ihn der Vorwurf erreichte, Juden hätten an der Tötung von Christen während der Invasion der Perser teilgenommen. Während dieser Invasion erfolgte ein großes Massaker unter den Juden als Rache der Christen, die von den Persern und den Juden getötet wurden. Die Überlebenden wurden vertrieben.83
Die Byzantiner glaubten wohl, jetzt wieder für lange Zeit die Herrschaft im Heiligen Land auszuüben. Aber noch während Herakleios seine Wiedereroberung feierte, entstand eine neue Religion in Arabien, die von dem Prophet Muḥammad verbreitet wurde. Der Prophet war in Mekka geboren und aufgewachsen. Er starb im Jahr 632 n. Chr. Sein bester Freund Abu Bakr folgte ihm nach, der in den nächsten
zwei Jahren die Herrschaft der Muslime über die Arabische Halbinsel festigte. Nach dem Tod von Abu
Bakr setzte der Kalif ´Umar b. al-Ḫaṭṭāb die militärischen Interventionen sowohl in Persien als auch gegen
Byzanz fort. Die islamische Überlieferung besagt, dass ´Umar trotz der Reichtümer, die ihm und den
Truppen bei ihren Eroberungen in die Hände fielen, fortfuhr, ebenso einfach zu leben, wie Muḥammad es
getan hatte. Er soll immer ein altes, geflicktes wollenes Tunikakleid getragen haben. Er trug sein eigenes
Gepäck wie jeder andere Soldat und bestand darauf, dass seine Offiziere dasselbe taten. Das Bild, das die
79
Vgl. Moshe Gil, A History of Palestine: 634-1099, Cambridge: Cambridge University Press, 1992, S. 6.
80
Vgl. Benjamin Mazar, a.a.O., S. 234.
81
Vgl. F.E. Peters, a.a.O., S. 173.
82
Vgl. Moshe Gil, a. a. O., S. 7.
83
Vgl. Gunter Stemberger, „Jerusalem in the Early Seventh Century: Hopes and Aspirations of Christians and
Jews” in: Lee I. Levine (Hg.), Jerusalem: Its Sanctity and Centrality of Judaism, Christianity and Islam, New
York: Continuum Press, 1999, S. 260-272, hier S. 260.
41
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
Muslime so von sich erzeugten, war das von Angehörigen eines energischen, aber einfachen und volksnahen Glaubens. Im Gegensatz dazu stand das byzantinische Reich im Ruf der Dekadenz. Es wird sogar
behauptet, dass der byzantinische Kaiser Herakleios an Depressionen litt. Er fürchtete, dass die muslimische Invasion ein Zeichen des Missfallens Gottes über ihn war.84 Die arabischen Armeen setzten ihren
Vorstoß in Palästina fort. Am 20. August 636 n. Chr. besiegten die Muslime die byzantinischen Truppen
im Kampf am Yarmuk, einem Nebenfluss des Jordan. Jüdische Kämpfer stellten sich nun an die Seite der
Muslime, um den Rest des Landes von den Byzantinern zurückzuerobern. Herakleios machte auf dem
Rückzug einen Abstecher nach Jerusalem, um das „Wahre Kreuz“ wiederzubekommen, und verließ dann
Palästina für immer. 638 n. Chr. erreichten die Muslime Jerusalem und eroberten die Stadt.85
2.1.1 Die Kapitulation von Jerusalem
Die Quellen versorgen uns nicht mit vielen Details über den damaligen Fall Jerusalems. Sie betonen allgemein, dass die Belagerung eine lange Zeit andauerte und dass die Einwohner Jerusalems nur dazu bereit
waren, ´Umar selbst die Stadt zu übergeben. So kam ´Umar einigen Quellen zufolge nach Jerusalem und
nahm die Kapitulation der Jerusalemer an. Andere Quellen stellen dagegen fest, dass eine Delegation von
Jerusalem nach Jābiya, der ghassanidischen Residenz auf dem Golan, reiste und dass die Details der
Übergabe dort verhandelt wurden. Andere weisen jedoch darauf hin, dass es nicht ´Umar selbst war, der
die Kapitulation annahm, sondern dass er eine Armeeeinheit nach Jerusalem sandte, die von einem Mann
aus aš-Šām (Syrien), Khalid b. Thabit b. Ta'in b. al-'Ajlun al-Fahmi, angeführt wurde. Seine Truppen begannen, die Stadt anzugreifen, aber später wurden Verhandlungen aufgenommen und ´Umar bestätigte in
Jābiya die Bedingungen des Vertrags durch Khalid b. Thabit.86
Prominente Islamwissenschaftler wie Moshe Gil und Karen Armstrong nutzen die Berichte von alYaqubi. Al-Yaqubi, ein arabischer Historiker und Geograph im 9. Jahrhundert n. Chr., war der Meinung,
dass ´Umar der Stadt Jerusalem am Ende der Kämpfe einen Besuch abstattete. Nach ihm zog ´Umar in
einen einfachen Kamelhaar-Umhang gekleidet in die Stadt ein. Gemäß seiner Überlieferung hatten die
Kämpfer der muslimischen Armee und die Stammesangehörigen ihren Kommandanten dringend gebeten,
84
Vgl. Barnaby Rogerson, The Heirs of Muhammad: Islam´s First Century and the Origins of Sunni-Shia Split,
Virginia: The University of Virginia, 2006, S. 179.
85
Vgl. Teddy Kollek und Moshe Pearlman, Jerusalem: Seine Geschichte in vier Jahrtausenden, Frankfurt am
Main: S. Fisher Verlag GmbH, 1968, S. 152.
86
Vgl. Albrecht Noth, Quellenkritische Studien zu Themen, Formen und Tendenzen frühislamischer Geschichtsüberlieferung, Bonn: Universität Bonn, 1973, S. 161.
42
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
seiner Stellung angemessenere Kleidung zu tragen und auf einem Pferd statt auf einem Kamel in die Stadt
einzuziehen. ´Umar lehnte die erste Bitte ab, aber er akzeptierte die zweite und ritt in Jerusalem auf einem
Pferd ein, doch er führte ein Kamel am Zügel, das vor ihm lief.87 Nach Moshe Gil wollte ´Umar zeigen,
dass seine Ankunft in Jerusalem eine Demonstration der Demut, Bescheidenheit und Strenge war. Er benahm sich, wie sich ein orthodoxer Muslim benehmen sollte, um den Hochmut dieser Welt zu verachten
und die einfachen Gewohnheiten der Beduinentradition herauszustellen. Seine Ankunft sollte die Christen
in Jerusalem kritisieren, die größtenteils unter dem Einfluss der luxuriösen christlichen byzantinischen
Lebensweise standen.88
Die Darstellung von Theophanes, eines byzantinischen Chronisten, der 818 n. Chr gestorben ist, über
den Einzug von ´Umar in Jerusalem steht anscheinend unter dem Einfluss dieser Überlieferung, aber er
gab ihr einen höhnischen und feindlichen Ton. Diese Darstellung von Theophanes wird bei Moshe Gil
erläutert.89 Der Einzug des Kalifen und die einfache aus Kamelhaar gemachte Kleidung, die er trug, erschienen ihm wie das Tragen einer anmaßenden und heuchlerischen Maske. ´Umar bat, den von König
Salomo erbauten Tempel zu sehen, um ihn in einen Gebetsplatz für seine Gefolgsleute zu verwandeln.
Darüber hinaus war es in der Version von Theophanes der Patriarch Sophronius,90 der vorschlug, dass
´Umar seine Kleidung wechselte, und ihn bat, einen Umhang und saubere Kleidungsstücke zu akzeptieren.
Doch ´Umar weigerte sich zuerst, sie zu tragen. Nach einigen Überredungsversuchen stimmte er zu, aber
nur bis seine eigene Kleidung gewaschen würde. Dann gab er Sophronius die Kleidungsstücke zurück und
trug weiter seine eigene Kleidung.91
Es wird berichtet, dass der Patriarch Sophronius über das Schicksal der christlichen Einwohner weinte, weil die Muslime als die neue Macht und Angehörige einer jungen Religion auf der Welt die mächtige
87
Vgl. Moshe Gil, „The Political History of Jerusalem during the Early Muslim Period”, in: Joshua Prawer (Hg.),
The History of Jerusalem: The Early Muslim Period 638-1099, New York: New York University Press, 1996,
S. 1-35, hier S. 7.
88
Moshe Gil, A History of Palestine, S. 53.
89
Vgl. Moshe Gil, „The Political History”, S. 7.
90
„Sophronius (geb. 560 in Damaskus; gest. 11. März 638 in Jerusalem) war Patriarch von Jerusalem von 634 bis
638. Er starb kurz nach dem Fall von Jerusalem durch die muslimischen Armeen im Jahr 637. Er interpretiert
die Eroberung Jerusalems als die Strafe für die eigenen Sünden. Vgl. Karl-Heinz Ohlig, „Hinweise auf eine
neue Religion in der christlichen Literatur unter islamischer Herrschaft?“, in: Karl-Heinz Ohlig, Der frühe Islam: Eine historisch-kritische Rekonstruktion anhand zeitgenössischer Quellen, Berlin: Verlag Hans Schiller,
2007, S. 236.
91
Vgl. Moshe Gill, „The Political History”, S. 7.
43
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
Herrschaft des christlichen Byzantiners in Jerusalem brechen konnten. Die Christen in Jerusalem sahen
den Einzug von ´Umar in Jerusalem als „the abomination of desolation“, wie es im Buch von Daniel geschrieben wird. In dieser unangenehmen Situation für die Christen erinnerten sie sich an die Apokalyptik
des Propheten Daniel.92 Die Bedeutung „eines kleinen Horns“ im Buch Daniel 7,8 konnte als die Macht
der Muslime gedeutet werden, die schon Jerusalem erobert hatten. Die Hörner symbolisieren im Buch des
Propheten Daniel die heidnischen Königreiche. Das letzte kleine Horn dieser Hörner wird vor der Endzeit
auf dem Sitz des Gerichtstages sitzen. Das würde heißen, dass die muslimische Herrschaft als die letzte
Phase vor dem Gerichtstag und der Erlösung verstanden wurde.93
Andererseits erzählt eine muslimische Tradition, dass ´Umar vom Patriarchen Sophronius als ein
Horn von Eisen, eine wahre und starke Person verstanden wurde.94 Diese Behauptung des geistlichen
Oberhauptes Jerusalems könnte durch die Tradition von Dajjāl eine Art apokalyptischen Wesens geworden sein, das kurz vor dem Gerichtstag getötet werden muss. Einige Traditionen schrieben den Sieg über
Dajjāl ´Umar ibn al-Khattāb zu. Die Tradition von Tabarī erwähnt, dass Gott ihm Jerusalem gewähren
wird, und die Araber werden Dajjāl töten. Dajjāl gehörte dem Stamm von Benjamin an, die für die Juden
stehen.95 Das würde bedeuten, dass Sophronius wegen dieser Traditionen erwartete, dass ´Umar und die
Araber die Juden ausrotteten und ihnen verböten, in Jerusalem zu leben.96
2.1.2 Die Angst der byzantinischen Christen vor der Rückkehr der Juden
nach Jerusalem
Die muslimischen Traditionen schreiben dem Besuch des Kalifen ´Umar auf dem Tempelberg eine spezielle Bedeutung zu. Nach muslimischen Berichten warfen die christlichen Byzantiner in der Zeit von Helena, der Mutter von Konstantin, ihren Müll auf den Tempelberg, um die Juden zu provozieren und den
92
Vgl. Moshe Gill, „The Political History”, S. 7.
93
“Als ich aber auf die Hörner achtgab, siehe, da brach ein anderes kleines Horn zwischen ihnen hervor, vor dem
drei der vorigen Hörner ausgerissen wurden. Und siehe, das Horn hatte Augen wie Menschenaugen und ein
Maul; das redete große Dinge.“ (Daniel 7, 8)
94
„Darum mache dich auf und drisch, du Tochter Zion! Denn ich will dir eiserne Hörner und eherne Klauen machen, und du sollst viele Völker zermalmen und ihr Gut dem Herrn weihen und ihre Habe dem Herrscher der
ganzen Welt.“ (Micha 4,13)
95
Vgl. Muḥammad b. Jarīr at-Tabari, Ta´rīḥ at-Tabarī: ta´rīh ar-rusul wa´l-muluk II, al-Qāhira: Dār al-Ma´ārif,
1969, S. 2402f. Der Text wurde von Moshe Gill übersetzt, a.a.O., S. 64.
96
Vgl. Moshe Gil, a.a.O, S. 64.
44
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
Felsen selbst, als Richtung für das Gebet der Juden, zu beleidigen. Man muss bedenken, dass Jerusalem
dem Bewusstsein der muslimischen Eroberer nicht fremd war, denn Jerusalem war die erste Qibla (Gebetsrichtung), bis der Prophet nach seinen ersten sechs Monaten in Medina die Weisung empfing, die
Qibla nach Mekka (Sure 2,144) zu ändern.97
Moshe Gil berichtet über das Gefühl der Muslime, als sie den Tempelberg sahen. Als ´Umar die alten
zerstörten Tore des Tempels erreichte, war er entsetzt, den Müll zu sehen. Der einzige Weg, nach oben zur
Plattform zu kommen, war, auf Händen und Knien zu kriechen. Als sie oben ankamen, müssen die Muslime die riesige verlassene Ebene von Herodes gesehen haben, die noch mit Trümmern des gefallenen
Mauerwerks, mit Tüchern voller Menstruationsblut und mit Müll bedeckt war.98 Weiter wird von Mujīr alDīn berichtet, wie F.E. Peters erläutert, dass ´Umar, sobald er sich über die Situation klar geworden war,
Hände voller Exkremente und Trümmer in seinen Umhang packte und sie dann über die Stadtmauer ins
Tal von Hinnom warf. Sofort machten seine Anhänger dasselbe.99 Insofern schändeten die Christen ein
aus ihrer Sicht heidnisches Heiligtum. In der muslimischen Tradition gibt es einen interessanten Punkt,
dass nach der Tradition von Wāqidī, die von Moshe Gil zitiert wird, nämlich auch zwanzig Juden100 daran
teilnahmen, den Abfall auf dem Tempelberg zu entsorgen und für dessen Reinheit verantwortlich zu sein,
wobei ´Umar ihnen diesen Auftrag gab.101 Sie waren ein Teil der jüdischen Kämpfer, die sich nun an die
Seite der Muslime stellten, um den Rest des Landes von den Byzantinern zurückzuerobern. Damals war
offiziell der römische Name Aelia Capitolina für Jerusalem in Gebrauch. Auch war nach 135 n. Chr. der
Tempel dem Jupiter Capitolinus geweiht.102
Sobald die Plattform gesäubert worden war, suchte ´Umar Ka'b ibn Ahbar, einen jüdischen Bekehrten zum Islam und einen Experten in jüdischen Studien, auf. Die Muslime fragten die Juden nach dem
97
„Wir sehen, wie du dein Gesicht zum Himmel hin und her richtest. So werden Wir dir eine Gebetsrichtung
festlegen, mit der du zufrieden sein wirst. Wende also dein Gesicht in Richtung der heiligen Moschee. Und wo
immer ihr seid, wendet euer Gesicht in ihre Richtung. Diejenigen, denen das Buch zugekommen ist, wissen bestimmt, dass es die Wahrheit von ihrem Herrn ist. Gott läßt nicht unbeachtet was sie tun”. (Sure 2,144)
98
Vgl. F.E. Peters, The Holy City in the Eyes of Chroniclers, Visitors, Pilgrims, and Prophets from the Days of
Abraham to the Beginnings of Modern Times, Princeton: Princeton University Press, 1985, S. 187.
99
Vgl. Ebd., S. 190.
100
Vgl. Moshe Gil, a.a.O., S. 55.
101
Vgl. Patricia Crone und Michael Cook, Hagarism: The Making of the Islamic World, Cambridge: Cambridge
University Press, 1977, S. 156.
102
Vgl. Dietmar Herz, Palästina: Gaza und Westbank: Geschichte Politik Kultur, München: Verlag C.H. Beck,
2001, S. 22.
45
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
genauen Platz, der ihren Vorfahren heilig gewesen sei. Diese Tradition zeigt, dass die Verbindung zwischen den Juden und den Figuren der Vergangenheit wie Mose, David und Salomo sicher in der Wahrnehmung der Muslime während der Eroberung präsent war. Die Beteiligung der zwanzig Juden während
des Besuchs von ´Umar auf dem Tempelberg verdeutlicht, dass ihr Interesse dahin ging, eine gute Verbindung mit den Muslimen zu erreichen. Die Juden fanden, dass die frühere christliche Verfügung gegen
ihren Zugang zu Jerusalem, die seit mehr als fünfhundert Jahren aufrechterhalten wurde, abgelaufen war.
Diese Gemeinsamkeit zwischen den Muslimen und den Juden in Jerusalem war ein großes Problem für die
Christen. Die christlichen Gemeinschaften mussten so erschüttert und enttäuscht sein zu sehen, dass Juden
gemeinsam mit den Muslimen an der Reinigung des Tempelberges teilnahmen. Für die Kirchenväter war
die Trennung der Juden von Jerusalem ein integraler Bestandteil ihrer christlichen Prinzipien gewesen.
Der Kirchenvater Hieronymus schrieb 385 n. Chr. einen Text, in dem er die Vertreibung der Juden aus
Jerusalem noch einmal bekräftigte, weil sie als die Feinde des Christentums betrachtet wurden.103
Danach begann ´Umar seine Sitzung mit Ka'b ibn Ahbar, indem er die Suren 17 und 18 des Korans
rezitierte und die Geschichten von David, Salomo und dem Tempel erzählte. Dann bat er Ka'b, den besten
Platz auf dem Tempelberg für das Gebet auszusuchen. Ka'b wählte einen Punkt hinter dem Felsen (nördlich vom Sakhra), sodass das Gebet, das nach Mekka ausgerichtet war, zur gleichen Zeit auf den Felsen
als den jüdischen Heiligen Ort ausgerichtet sein würde.104 ´Umar lehnte den Vorschlag von Ka'b ab und
entschied sich dafür, seine Moschee am südlichen Ende der Plattform auf der Seite der Königlichen Säulenhalle von Herodesʼ Palast zu bauen, wo die gegenwärtige Aqṣā-Moschee steht. Dort würden die Muslime sich nur nach Mekka richten, wenn sie beten.105
Nach der Eroberung der Stadt stimmte ´Umar nach Gil zunächst mit Sophronius überein, dass es Juden nicht erlaubt sein sollte, in Jerusalem zu wohnen.106 Gil berichtet, als ´Umar die Stadt eroberte, bekräftigte ´Umar allgemein den Status quo, denn es war Juden seit Langem verboten, in Jerusalem und
seiner Umgebung zu wohnen. Später jedoch wurde diese Anordnung widerrufen, da es keinen guten
Grund gab, den Juden das Recht zu bestreiten, in der Stadt von David zu leben. ´Umar lud daher siebzig
103
Vgl. Rainer Kampling, „Das Kreuz, die Historie und die christliche Judenfeindschaft: Nachdenken über Ursprünge und Zusammenhänge,“ in: Hildegard Piegeler, Inken Prohl, Stefan Rademacher (Hg.), Gelebte Religionen: Festschrift für Hartmut Zinser, Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2004, S. 97-106, hier S.
103.
104
Diese Tradition wurde von Guy LeStrange zitiert, Palestine under the Moslems: A Description of Syria and the
Holy Land from AD 650-1500, London: Cass, 1890, S. 142.
105
Vgl. Peter Müller, Jerusalem: Heiligtümer und Kuppeln, Köln, Weimar und Wien: Böhlau Verlag, 1997, S. 47.
106
Vgl. Moshe Gil, a.a.O., S. 53-54.
46
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
jüdische Familien von Tiberias ein, sich in Jerusalem niederzulassen. Ihnen wurde der Bezirk um den
Teich von Siloam an der Südwestecke des Haram zugeteilt. Diese Nachbarschaft war in der Zeit der persischen Eroberung 614 verwüstet worden und noch mit Schutt und Trümmern bedeckt. Die Juden beseitigten sie für ihre neuen Häuser. Ihnen wurde auch erlaubt, eine Synagoge zu bauen, die als „die Höhle“ in
der Nähe der westlichen Stützmauer von Herodesʼ Palast bekannt wurde, vielleicht in den Gewölben unter
der Plattform.107 Einige Quellen, die von Gil zitiert werden, besagen, dass es den Juden erlaubt wurde, auf
der Plattform selbst zu beten. Die Muslime hatten sie nicht nur von der Bedrängung des christlichen Byzanz befreit, sie hatten den Juden auch die Rechte des dauerhaften Wohnsitzes in ihrer Heiligen Stadt gegeben. Es ist nicht überraschend, dass diese neue Wendung einige jüdische apokalyptische Hoffnungen
besonders beflügelte108, nachdem die Muslime nach F. E. Peters versucht hatten, den Tempelberg zu reinigen.109
´Umar diente die Neuansiedelung der Juden in der Stadt dazu, den Absolutheitsanspruch zu schwächen, den die Christen im Laufe der letzten 300 Jahre entwickelt hatten. Wie wir weiter sehen werden,
schrieben die Muslime der Stadt damals noch keine Heiligkeit zu. Für ihre Zwecke war es zunächst lohnend, die Juden näher zu sich zu ziehen, um die Exklusivität der Christen in der Stadt zu begrenzen und
die Kraft ihrer Ansprüche auf historische Rechte zu vermindern, weil die Christen das Vertreiben der Juden aus Jerusalem als einen Sieg und eine zusätzliche Rechtfertigung für ihre Prinzipien sahen.110
Die friedliche Haltung des Kalifen ´Umar erfüllte die Hoffnung auf eine ideale und charismatische
Führung mehr als jeder vorherige Eroberer Jerusalems, mit der möglichen Ausnahme von König David.
Er leitete die friedlichste Eroberung, die die Stadt in ihrer langen und häufig tragischen Geschichte erlebt
hatte. Sobald sich die Christen ergeben hatten, gab es kein Töten mehr, keine Zerstörung des Eigentums,
kein Verbrennen konkurrierender religiöser Symbole, keine Ausweisung oder Enteignungen und keinen
Versuch, die Einwohner zu zwingen, den Islam anzunehmen.
107
Vgl. F.E. Peters, a.a.O., S. 193-194.
108
Vgl. Teil 3.1.1.
109
Vgl. F.E. Peters, a.a.O., S. 192.
110
Vgl. auch. Leopold Breyer, Bilderstreit und Arabersturm in Byzanz: das 8. Jahrhundert (717-813) aus der
Weltchronik des Theophanes, Graz: Verl. Styria, 1957, S. 17.
47
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
2.1.3 Die Einstellung der Bevölkerung zu den Eroberern
Wie die anderen unterworfenen Menschen des Islamischen Reiches wurden die Juden und Christen Palästinas zu Ḏimmis (geschützten Minderheiten), wobei sie alle Mittel der Selbstverteidigung aufgeben mussten und nicht kämpfen durften. Stattdessen stellten die Muslime militärischen Schutz zur Verfügung, für
den die Ḏimmis eine jizyah (Kopfsteuer) bezahlten. In Jerusalem, so vermutet Moshe Gil, musste jede
Familie einen Dinar pro Jahr bezahlen.111 Es gewährte den Ḏimmis religiöse Freiheit, aber keine Gleichberechtigung mit den Muslimen. Sie waren den Muslimen unterworfen und mussten die muslimische Überlegenheit akzeptieren. Aber das System ermöglichte Menschen verschiedenen Glaubens zu koexistieren
und stellte sicher, dass wichtige Gruppen der unterworfenen Völker mit einer gewissen Rechtssicherheit
behandelt wurden. In vielen Bereichen des zivilen Lebens waren sie autonom. Es war sicher eine große
Verbesserung gegenüber dem byzantinischen Recht, unter dem zunehmend Minderheiten wie die Samariter und Juden oder christliche Schismatiker wie die Monophysiten, verfolgt wurden. So ist es nicht überraschend, dass Nestorianer und Monophysiten die Muslime begrüßten.112 Obwohl die Muslime Jerusalem
beherrschten, behielten die Christen ihre Mehrheit in der Stadt. Ihnen wurde erlaubt, ihre Kirchen zu bauen und wiederherzustellen. Es wurde ihnen außerdem gestattet, ihre Prozessionen und Gottesdienste zu
halten. Der einzige Platz, wo sich Muslime in einer großen Anzahl sammelten, war auf dem alten Tempelberg, ihrem Haram, und dieser Platz hatte in der christlichen Liturgie nie eine Rolle gespielt.113
2.1.4 Die ´Umar-Moschee
Trotz dieser später positiv anerkannten Anfänge der islamischen Herrschaft über Jerusalem ist daran zu
erinnern, dass eine der wichtigsten Entwicklungen des Status dieser Stadt nicht in die Periode des Kalifen
´Umar, sondern in die der ´Umayyaden fiel, die in den folgenden Teilen dieses Kapitels dargestellt wird.
Die Periode der ´Umayyaden war geprägt von der Transformation der Stadt in einen muslimischen heiligen Ort. Es gab zur Zeit ´Umars eine veränderte Beziehung zur Stadt, nachdem er entschieden hatte, dass
die Muslime mit ihren Rücken zum Felsen auf dem Tempelberg beten würden, um sich auf diese Art anders als die Juden zu verhalten. ´Umar b. al-Ḫaṭṭāb und seine Anhänger setzten die vom Propheten aufgestellte Tradition getreu fort, weswegen Jerusalem den Muslimen bis zur Herrschaft der Kalifen der
111
Vgl. Moshe Gil, a.a.O., S. 143-148.
112
Vgl. Teddy Kolek und Moshe Pearlman, a.a.O., S. 162.
113
Vgl. Ebd.
48
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
´Umayyaden nicht heilig war.114 Der Tempelberg war nur den Juden heilig. Das hatte zur Folge, dass von
der Bautätigkeit im ersten Jahrzehnt nach der muslimischen Eroberung nur sehr wenig bekannt ist, und es
scheint, dass keine wichtigen Bauwerke errichtet wurden. Der einzige Hinweis ist ´Umars Moschee.
´Umar errichtete seine erste Moschee nur als einen Gebetsplatz (die Bedeutung des arabischen Wortes
masjid ist ein Gebetsplatz für die Muslime) auf dem Tempelberg aus Rücksicht auf und in Anerkennung
der Tradition der Kinder Israels, die diesen Platz mit dem Gedächtnis der alten Propheten und damit den
Vorgängern von Muḥammad verband.115 ´Umars Moschee ist aber nicht identisch mit der späteren AqṣaMoschee.116
Nach dem Zeugnis des christlich-fränkischen Reisenden Bischof Arculf, der Palästina etwa von 679
bis 688 n. Chr. besucht hat, wurde ein relativ bescheidenes, schmuckloses Gebäude bereits in den Tagen
von ´Umar für die Nutzung der Gläubigen auf dem Tempelberg errichtet.
„[…] bereiteten nun […] an der berühmten Stelle […] in der Nachbarschaft der Mauer von Osten die Sarazenen einen viereckigen Gebetsplatz vor, den sie kunstlos konstruierten, indem sie Balken auf irgendwelche Ruinen aufsetzten[...] und groß genug, um 3000 Betende aufzunehmen.“117
Diese Konstruktion stand also an der Südseite der Einfriedung auf dem Tempelberg. Ihre Reste befinden sich heute unterhalb der heutigen Aqṣā-Moschee, (nicht öffentlich) zugänglich über eine Treppe,
die links von deren Haupteingang hinunterführt. Der Legende nach war es die Stelle, wo der Prophet
Muḥammad mit seinem Wunderpferd Buraq gelandet war.118 Leider ist es nicht möglich, das Datum ihrer
Errichtung festzulegen.
Diese Moschee benutzt nach Andreas Kaplony bestimmt nicht die architektonische Sprache der kolossalen christlichen Kirchen, denn sie ist ein ziemlich einfaches Gebäude. Dadurch tritt sie nicht in eine
architektonische Beziehung zur Grabeskirche im Westen und zur Eleona-Kirche im Osten. Die Moschee
ist ausgerichtet auf die Ka´ba in Mekka. Die Bauweise des Gebäudes zeigt ganz offensichtlich keinerlei
Interesse an der christlichen Architektur in Jerusalem, die bis jetzt für die Architektur der Stadt entschei114
Vgl. Benjamin Mazar, Der Berg des Herrn, S. 236.
115
Vgl. John M. Lundquist, The Temple of Jerusalem, Westport: Praeger Publishers, 2008, S. 189.
116
Vgl. Andreas Kaplony, The Haram of Jerusalem 324-1099: Temple, Friday Mosque, Area of Spiritual Power,
Stuttgart: Steiner, 2002, S. 300.
117
Benjamin Mazar, Archäologie auf den Spuren des Christentums: Neue Ausgrabungen in Jerusalem,
Herrsching, Manfred Pawlak Verlagsgesellschaft, 1979, S. 235.
118
Vgl. Peter Müller, Jerusalem, a.a.O., S. 47.
49
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
dend gewesen ist; sie ist Teil einer entstehenden islamischen Architektur. Es ist ein islamisches Gebäude,
das auf ein muslimisches Publikum ausgerichtet ist. Die Architektur reagiert nicht auf den Reichtum, den
die christlichen Gebäude demonstrieren. Es zeigt, wie die zwei Gesellschaften, die einheimischen christlichen Palästinenser und die muslimischen Eroberer, vorläufig ganz unabhängig nebeneinander und mit fast
keiner Interaktion leben. Die Moschee bestreitet die Heiligkeit des Gebäudes selbst und betont die frühe
islamische Vorliebe für bescheidene Strukturen.119 Aber Moshe Gil ist der Meinung, dass die Entscheidung, die Moschee auf dem Platz des ehemaligen Tempels zu bauen, bereits eine Reaktion zur Heiligkeit des Gebiets einbezieht.120 Darüber hinaus betonen die Moschee und das damit verbundene Ritual
nach Kaplony den wichtigen Tatbestand, dass die Muslime die politische Führung über die Existenz der
Christen, Juden und aller Gemeinschaften in Jerusalem übernehmen.121
2.2 Die Kalifen der ´Umayyaden und ihr Interesse an Jerusalem
Es gibt nur wenige Kenntnisse, was in Palästina und Jerusalem während der Regierungszeit der sogenannten al-Khulafa ar-Rashidun oder „rechtgeleiteten Kalifen" geschah. Die Mehrzahl der Muslime einigte
sich darauf, den Schwiegervater und Gefährten des Propheten, Abu Bakr (632-634 n. Chr.), zum ersten
Kalifen zu wählen. Während der Regierungszeit des zweiten Kalifen, ´Umar ibn al-Khattāb, gelang es den
Muslimen, Syrien, Palästina, Unterägypten, den Irak und Teile Persiens zu besetzen. Der dritte Kalif,
´Uṯmān (644-656 n. Chr.), zog sich unter anderem aufgrund des von ihm praktizierten Nepotismus die
Gegnerschaft der Prophetenwitwe Aisha und des Schwiegersohns Muḥammads, Ali, und des von ihm
abgesetzten ägyptischen Statthalters zu. ´Uṯmān wurde ermordet, und Ali ging aus den Kämpfen um die
Nachfolge als siegreicher vierter Kalif hervor. Er musste sich bald gegen die Anhänger ´Uṯmāns unter
Muawiya und seine ehemalige Verbündete Aisha zur Wehr setzen.122 Aus den Gefolgschaften dieser Gegner in diesen Auseinandersetzungen entwickelten sich später die wichtigsten islamischen Gruppierungen:
Die Anhänger Muawiyas kann man als Vorläufer der Sunniten bezeichnen, während aus den Anhängern
119
Vgl. Andreas Kaplony, a.a.O., S. 30.
120
Vgl. Moshe Gil, a.a.O., S. 96.
121
Vgl. Andreas Kaplony, a.a.O., S. 30.
122
„Es kam zur Schlacht von Siffin (657), bei der die Partei Muawiyas Koranblätter aus Abscheu gegen den Bruderkampf an ihre Lanzen hefteten.“ Monika und Udo Tworuschka, Bertelsmann Handbuch Religionen der
Welt: Grundlagen, Entwicklung und Bedeutung in der Gegenwart, Gütersloh/München: Bertelsmann Lexikon
Verlag GmbH, 1992, S. 165-250, hier S. 179.
50
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
Alis die späteren Schiiten hervorgingen. Muawiya wurde als der erste Kalif der ´Umayyaden bezeichnet,
der 663 in Jerusalem öffentlich proklamiert wurde.123
2.2.1 Mu´āwiya b. Abī Sufyān (663-680 n. Chr.)
Mu'āwiya b. Abī Sufyān, Gründer der ´Umayyaden-Dynastie, wirkte seit 640 n. Chr. als Gouverneur Syriens. Auf dem Höhepunkt des Kampfs zwischen ihm und ´Alī b. Abī Tālib um das Kalifat schloss er 658
einen Vertrag in Jerusalem mit ´Amrū b. Al-´Ās, der sein bekanntester militärischer Kommandant war.
Eine wichtige Überlieferung sagt, dass der Vertrag am Lod-Tor, dem westlichen Tor von Jerusalem, geschlossen wurde. Der Status des Lod-Tores ist ganz bedeutend in der apokalyptischen Tradition der Muslime, weil in der Nähe vom Lod-Tor die Araber den Dajjal aus banī Binyāmīn (Juden) töten werden.124
Zwei Jahre nach dem Tod von Ali wurde Mu´āwiya als Kalif in Jerusalem eingesetzt.125
Mu´āwiya wird heute nach M. J. Kister als der energische Befürworter und Förderer der großen
Bauwerke überall auf dem Gebiet des muslimischen Kalifats anerkannt. Die Bauwerke in Mekka, Medina,
Tā'if, dem Irak und Damaskus bezeugen das, aber in Jerusalem fehlen sie völlig.126 Es scheint dennoch so,
dass er der Erste war, der großes Interesse an der Entwicklung Syriens und Palästinas und auch Jerusalems
zeigte. Das bereits zitierte Zeugnis von Arculfus, dem fränkischen Bischof, der nach Jerusalem pilgerte,
belegt, dass auf dem Haram, als er gegen Ende des Kalifates von Mu´āwiya Palästina besuchte, eine große
schlichte Moschee stand.127 Leider wurde nur eine einzige Angabe in den arabischen Geschichtsüberlieferungen gefunden, die etwas zum Bau in Jerusalem während der Regierung von Mu´āwiya aussagt. Diese
Tradition wurde von al-Mutahhar b. Tāhir al Maqdisī (Mitte des 10. Jahrhunderts n. Chr.) überliefert. Sie
besagt, dass Mu´āwiya al-Masjid al-Aqṣā baute. Diese Behauptung wird durch einen apokalyptischen
123
Günther Barthel und Kristina Stock (Hg.), Lexikon arabische Welt: Kultur, Lebensweise, Wirtschaft, Politik
und Natur im Nahen Osten und Nordafrika, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1994, S. 610.
124
Vgl. Moshe Gil, a.a.O., S. 64.
125
Vgl. Julius Wellhausen, The Arab Kingdom and Its Fall, Beirut: Khayats, 1963, S. 101-102.
126
Vgl. M.J. Kister, „On Concessions and Conduct: A Study in Early Hadīth”, in: G.H.A. Juynboll (Hg.), Studies
on the First Century of Islamic Society, Chicago: Southern Illinois University Press, 1982, S. 84-86.
127
Vgl. Heribert Busse, „´Umar b. al-Hattāb in Jerusalem“ in: Jerusalem Studies in Arabic and Islam, vol. V,
1984, S. 73-119, hier S. 117.
51
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
jüdischen Midrasch bekräftigt, der von F. E. Peters zitiert wird, nach dem Mu´āwiya die Mauern des
Tempelberges erbaute.128
Der Islam erlebte – wie oben beschrieben - eine Spaltung. Zwischen den Kalifen und der Familie
Muḥammads hatte es seit Muḥammads Tod bittere Konflikte bezüglich der Führung der Umma gegeben.
Nachfolger von ´Umar war ´Uṯmān b. Affān. Nachdem er 656 n. Chr. ermordet war, wurde ʿAlī b. Abī
Ṭālib, der nächste männliche Verwandte Muḥammads, der noch am Leben war, zum vierten Kalifen ernannt. Sofort brach zwischen ´Alī und Mu´āwiya, dem Regenten von aš-Šām (Syrien) und damaligen Führer des ´Umayyadenclans, der Bürgerkrieg aus. 661 n. Chr wurde Ali von einem Mitglied einer neuen
fanatischen Sekte erdolcht. Sechs Monate später wurde Mu´āwiya zum Kalifen von Jerusalem ernannt,
und er verlegte sofort nach seinem Antritt des Kalifats die Hauptstadt des Reiches von Medina nach Damaskus. Das bedeutete nicht, dass er das alte religiöse Ideal aufgab, wie diese Verlegung der Residenz
manchmal gedeutet worden ist. Die Muslime herrschten jetzt über ein Reich, das sich von Khorasan129 im
Osten bis dorthin erstreckte, was heute Libyen im nördlichen Afrika ist. Es war notwendig, dass die
Hauptstadt zentraler lag und dass die Muslime sich völlig in den Territorien integrierten, die sie erobert
hatten. Die Verlegung bildete einen Teil der muslimischen Mission, die Welt zu „reinigen“. Muslime sollten die Heiligkeit ihres Gottes bis an die Grenzen des Reiches bringen. Die Verlegung nach Damaskus war
für Palästina gut, das jetzt dem Sitz der Macht näher war und kulturell und wirtschaftlich gedieh.
Mu´āwiya war zuvor fast zwanzig Jahre Gouverneur von aš-Šām (Syrien) gewesen, und er hatte gelernt,
Jerusalem zu lieben. Er legte Wert darauf, die Stadt zu besuchen, wann immer er in Palästina war. Muslime sammelten seine Worte des Lobes für Bait al-Maqdis (Faḍā´il Bait al-Maqdis).130
2.2.2 ´Abd al-Malik b. Marwan (685-705 n. Chr.)
´Abd al-Malik hatte sehr enge Beziehungen mit Palästina. Er war anscheinend nach Al-Zuhrī Duri 685 n.
Chr. in Jerusalem. Eine Tradition von Khalīfa b. Khayyāt (853) besagt, dass ´Abd al-Malik als Kalif in
128
Vgl. F. E. Peters, Jerusalem und Mecca: The Typology of the Holy City in the Near East, New York: New York
University Press, 1986, S. 93. Peters denkt auch, dass Mu´āwiya plante und den Haram plante und baute. Er
glaubt sogar, dass Mu´āwiya vorhatte, Dār al-Islām von Jerusalem aus zu beherrschen.
129
Unter Khorasan verstand man ein historisches Gebiet, das Teile des heutigen Iran, Afghanistan, Turkmenistan,
Usbekistan und Tadschikistan umfasste. Vgl. Peter Kerber, Iran: Islamischer Staat mit jahrtausendealter Kultur, Berlin: Trescher Verlag, 2010, S. 456.
130
Vgl. Moshe Gil, S. 75-76. Die Heiligkeit von Jerusalem wird in den literarischen Werken reflektiert, die als
Fadā´il Bait al-Maqdis (Das Lob der Vorzüge Jerusalems) bezeichnet werden. Siehe Teil 1.9 des ersten Kapitels.
52
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
Jerusalem eingesetzt wurde.131 Sobald ´Abd al-Malik Kalif geworden war, plante er den Bau des Qubbat
as-Sakhra (Felsendom) und scheinbar auch den der Aqṣā-Moschee als ein dauerhaftes prächtiges Gebäude. Seine erste Tat bestand darin, die Grenzen der Moschee innerhalb des Haram zu erweitern, der im Jahr
685 den Felsen noch nicht einschloss, auf dem der Felsendom erbaut werden sollte. Goldziher erwähnt das
beiläufig, gibt aber leider keine Quelle dafür an. Er schreibt: “It is possible that ´Abd al-Malik had this in
mind, when he extended the al-Aqsā mosque to include the Sakhra and its territory.”132
´Abd al-Malik ist hauptsächlich für den Bau des Felsendoms bekannt, aber sein Name wird auch mit
anderen Bauwerken in Jerusalem wie der Aqṣā-Moschee verbunden. Zwei Tore wurden ebenfalls in Jerusalem während seiner Regierung gebaut, wobei eines eine königliche Inschrift mit dem Namen des Kalifen auf seinem Sturz trug und auf das andere der Name des berühmten Gouverneurs des Iraks, al-Hajjāj b.
Yūsuf, geprägt wurde. Al Hajjāj beaufsichtigte die Errichtung dieser zwei Tore in der Überlieferung von
Ibn Kathīr.133
Es ist schwierig, mit Gewissheit zu bestimmen, wo diese Tore gebaut wurden und in welchen Mauern, ob in den Mauern, die den Haram begrenzen, oder in der Stadtmauer. Gemäß den Schriften des wichtigen Geografen aus der Mitte des 10. Jahrhunderts, al-Muqaddasī, reparierte und renovierte 'Abd al-Malik
höchstwahrscheinlich die Mauer um den Haram.134 Einige zeitgenössische Islamwissenschaftler haben das
Tor Bab al-Rahma (des Erbarmens) und das Tor Bab al-Nabi (des Propheten) der ´Umayyaden-Periode
zugeschrieben. Wenn diese Annahme richtig ist, stellt sich die Frage, ob diese zwei dieselben Tore sind,
die oben erwähnt wurden. Zusätzlich zu diesen Hauptbauwerken ließ 'Abd al-Malik auch die Straßen nach
Jerusalem reparieren.135 Es steht daher zu vermuten, dass es sich um dieselben Tore handelt.
Der fatimidische Kalif al-Ma´mūn veränderte 830 n. Chr. die Inschrift des Felsendoms in Jerusalem.
Die Inschrift war die älteste vorhandene arabische Epigrafik, deren klare und prächtige Goldbuchstaben
öffentlich verkündeten, dass der Baumeister des Felsendoms der Umayyad Kalif ´Abd al-Malik (685-705)
war. Al-Ma´mūn ersetzt den Namen von ´Abd al-Malik auf der Inschrift durch seinen Namen, wodurch er
131
Vgl. Al-Zuhrī Duri, „Al-Quds“ in: Qadāyā ´Arabiyya 61, 1981, S. 15.
132
Ignaz Goldziher, Muslim Studies, vol. II, London: George Allen and Unwin Ltd, 1967, S. 45.
133
´Ismā´īl b. ´Umar b. Kathīr, Al-Bidāya wa-´l-Nihāya fi´l-Ta´rikh Ibn Kathīr, Vol. XI, Cairo: Dār al-Nīl li-´lTibā´a, 1951, S. 226.
134
Vgl. Guy LeStrange, Palestine, S. 98.
135
Vgl. Moshe Gil, a.a.O., S. 109.
53
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
seinen Ruhm fördern wollte. Der Versuch misslang, weil die Ersetzung immer bewusst blieb, und stand so
als Zeugnis für seinen Hochmut gegenüber den ´Umayyaden.136
2.2.3 Al-Walīd b. ´Abd al-Malik (705-715 n. Chr.)
Die offiziellen Briefwechsel zwischen Qurra b. Sharīk, Gouverneur Ägyptens (709-714), und Basilius,
dem Beamten des Gebietes von Aphrodite im oberen Ägypten, belegen, dass während der Regierung von
al-Walīd b. ´Abd al-Malik umfassende Baumaßnahmen auf dem Haram und außerhalb seiner Mauer stattfanden. Diese Tradition wurde von K.A.C. Cresswell zitiert.137
Zwei der Papyri beziehen sich dabei auf die Arbeiter und die Handwerker, die in der Moschee Jerusalems und im Palast des Kalifen arbeiteten. In einem anderen Papyrus wird an einer Stelle ein Mann erwähnt, der sechs Monate in der Moschee Jerusalems arbeitete,138 und an einer Stelle ist von drei anderen
die Rede, die seit einem Jahr in der Moschee Jerusalems arbeiteten.139 Ein weiterer Papyrus berichtet davon, dass ein Arbeiter für zwölf Monate zum neuen Gebäude von Amr al-Mu'minin gesendet werden sollte. Diese Papyri sagen somit etwas über drei verschiedene Gebäude aus, die in Jerusalem zurzeit von alWalīd b. 'Abd al-Malik erbaut wurden. Das erste ist der Palast des Kalifen. Das zweite ist ein unbestimmtes Gebäude, das als das neue Gebäude des Kalifen genannt wurde. Das dritte ist die Moschee Jerusalems,
was sich auf die Aqṣā-Moschee bezieht.
2.3 Die wichtigsten historischen Stätten auf dem Tempelberg während der frühen islamischen Zeit
2.3.1 Qubbat as-Sakhra (Felsendom)
Der Haram aš-Šarīf (der Tempelberg) der Muslime liegt im Nordosten der Altstadt Jerusalems, auf dem
wahrscheinlich der salomonische Palast und Tempel entstanden. Der Tempelberg umfasst ein 480 m lan-
136
Vgl. Hugh Kennedy, The Early Abbasid Caliphate: A Political History, London: Croom Helm, I98I, S. 209.
137
Vgl. K.A.C. Creswell, Early Muslim Architecture, Vol I, Oxford: Scolar Press, 1969, S. 373.
138
Vgl. Ebd.
139
Vgl. Ebd., S. 95.
54
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
ges, 300 m breites künstlich eingeebnetes unregelmäßiges Viereck, das durchschnittlich 737,6 m hoch
liegt.140 Ungefähr in der Mitte des Haram-Areals erhebt sich eine hohe Plattform in viereckiger Form:
„Südseite 132 m, Ostseite 165 m, Nordseite 160 m, Westseite 170 m.“141 Auf dieser Plattform entstanden
zwei muslimische monumentale Gebäude, die als heilig betrachtet werden. Der Felsendom ist durch seine
Architektur als eines der wichtigsten Gebäude in der muslimischen Geschichte einzuordnen. Der Marmor
und die Mosaiken außerhalb und innerhalb des Felsendoms unterstützen die Bedeutung der besonderen
Heiligkeit und der Nähe zum Himmel. Außerdem findet man kleinere Kuppeln, die Qubbat as-Silsila
(Kettendom) genannt werden, wo Sulayman b´Abd-Malik, der vierte Kalif der ´Umayyaden, saß, wenn die
Leute ihm Treue schworen, und den Qubbat al-Mi´raj (Himmelfahrtsdom). Die Qubbat as-Sakhra oder
der Felsendom erhebt sich über dem heiligen Felsen, der 17 m lang und 13 m breit ist.142
2.3.1.1 Der Felsendom: ein politisch-religiöses Bauwerk
Wie ich schon geschrieben habe, wird im 1. Vers der 17. Sure berichtet, dass Muḥammad von einem geheimnisvollen Tier al-Buraq von Mekka an den „entfernten heiligen Platz“ gebracht wurde. Er stieg dann
über eine magische Leiter zu den sieben Himmeln auf. Dieser Vers wurde von den muslimischen Gelehrten ursprünglich so ausgelegt, dass durch ihn Jerusalem und besonders das Felsenfundament zum Heiligen
Ort bestimmt wurde.
Nach einer neueren Interpretation wurde al-Buraq mit einem Seil an der Westmauer angebunden.
Darum wird die Westmauer (Klagemauer) von den Muslimen als al-Buraq bezeichnet. Diese Benennung
war eine wohlerwogene, politische Maßnahme, um den Anspruch der Juden auf diesen für sie bedeutsamen Platz zu konterkarieren. Die oben angesprochene Sure gibt den Ort von al-Aqṣā, dem entfernt liegenden Heiligen Ort, nicht genau an. Das weckte Zweifel, und die muslimischen Kommentatoren konnten
nicht mit Sicherheit aussagen, ob die nächtliche Reise des Propheten nach Jerusalem führte oder ob er
anderswo geradewegs in den Himmel aufstieg, ohne in dieser Stadt gewesen zu sein. Doch es ist nachvoll-
140
Für die Maße, vgl. August Kümmel, Karte der Materialien zur Topographie des Alten Jerusalem, Leipzig:
Verlag des Deutschen Palästina-Vereins, 1904, S. 102f.
141
Conrad Schick, Die Stiftshütte, der Tempel in Jerusalem und der Tempelplatz der Jetztzeit, Berlin: Weidmann,
1896, S. 241.
142
Vgl. Hans Schmidt, Der Heilige Fels in Jerusalem: Eine archäologische und religionsgeschichtliche Studie,
Tübingen: Verlag von J.C.B. Mohr, 1933, S. 8.
55
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
ziehbar, dass die erste Interpretation den Vorrang gewann, besonders, als die ´Umayyaden Jerusalem zum
religiösen Zentrum erhoben.143
Seit Jahrhunderten hat sich al-Masjid al-Aqṣā nicht nur auf die Moschee, sondern auf das gesamte
Heiligtum oder den Haram aš-Šarīf (Tempelberg) bezogen. Das hat sich während der Periode der osmanischen Herrschaft geändert (ca. Anfang des 16. Jahrhunderts bis 1918), wobei der Tempelberg als alHaram aš-Šarīf bezeichnet wird und die ´Umar-Moschee als al-Aqṣā-Moschee bekannt ist.144 Das Gebäude ist heute als al-Jami' al-Aqṣā oder al-Qibli oder Masjid al-Jumah oder al-Mughata bekannt. Diese Namen beziehen sich auf das südliche Gebäude mit der Silberkuppel.
Die Kalifen der ´Umayyaden bauten den Dom und die Aqṣā-Moschee um den Felsen, der aus dem
herodianischen Pflaster herausragte und in Richtung des nördlichen Endes der Plattform zeigte. Warum
entschied Kalif Abd al-Malik sich, diesen Felsen zu ehren, der weder in der Bibel noch im Koran erwähnt
wird? Spätere Muslime glaubten, dass Muḥammad nach seiner Nachtreise von diesem Felsen in den
Himmel aufgestiegen sei und dass er in der kleinen Höhle darunter gebetet habe. Aber im Jahr 688 n. Chr.
wurde dieses Ereignis noch nicht definitiv im Zusammenhang mit Jerusalem genannt. Hätte Abd al-Malik
an die Miradj des Propheten erinnern wollen, hätte er sicher die entsprechenden Koranverse in dem Bauwerk angebracht. Aber das ist nicht passiert. Darüber hinaus herrscht Unklarheit, woher die Verehrung für
den Felsen stammt. Der Pilger aus Bordeaux hatte Juden gesehen, die einen „durchbohrten Stein“ auf dem
Tempelberg salbten, aber man weiß nicht sicher, ob dies der Fels war.145 Im 2. Jahrhundert n. Chr. spricht
die Mischna von einem „Grundstein“ (even shentijah), der in den Zeiten von David und Salomo neben der
Bundeslade gestanden habe, aber die Rabbiner sagen nicht, ob dieser Stein im Tempel des Herodes noch
an seinem Ort war, und sie setzten ihn nicht mit dem Felsen auf dem zerstörten Tempelberg gleich.146
Möglicherweise haben sowohl Juden wie Muslime angenommen, der Fels markiere den Ort des Allerheiligsten im Tempel, obwohl die allgemeine Wissenschaftsmeinung damit nicht konform geht. Wenn das
zutrifft, hätten sie natürlicherweise den Felsen als „Mittelpunkt der Erde“ angesehen, als einen Ort, der
143
Vgl. Benjamin Mazar, a.a.O., S. 236.
144
Vgl. Sabri Jarrar, „Suq al-Ma´rifa: An Ayyubid Hanbalite Shrine in al-haram al-sarif”, in: Gulru Necipogulu
(Hg.), Muqarnas: An Annual on the Visual Culture of the Islamic World, Band 15, Leiden: E.J. Brill, 1998, S.
85.
145
Vgl. Louis Ginzberg, „The Legends of the Jews and the Church Fathers”, in: Görge K. Hasselhoff (Hg.), Die
Entdeckung des Christentums in der Wissenschaft des Judentums, Berlin: Walter der Gruyter GmbH & Co.,
2010, S. 190-191.
146
Vgl. Alexei M. Sivertsev, Judaism and Imperial Ideology in Late Antiquity, Cambridge: Cambridge University
Press, 2011, S. 65-67.
56
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
schon immer den Zugang zum Himmel ermöglicht hatte. Nach dem Bau des Felsendoms entwickelten
sowohl Juden wie Muslime Legenden über den Felsen, als rege das muslimische Bauwerk vielleicht die
Fantasie der Juden an. Die Glaubensgruppen der Juden und Muslime betrachteten den Felsen schließlich
als Fundament des Tempels, als Mittelpunkt der Welt, als Eingang in den Garten Eden und als Quelle der
Fruchtbarkeit mit all den üblichen Vorstellungen, die mit einem monotheistischen Heiligen Ort in Verbindung gebracht wurden. Und schon seit frühester Zeit hatten die Muslime das Gefühl, ein Besuch in ihrem
neuen Heiligtum würde sie in die uranfängliche Harmonie des Paradieses versetzen.147
Die ´Umayyaden machen seit 661 n. Chr. Damaskus zu ihrer Hauptstadt, konnten ihre Herrschaft
über ganz Nordafrika ausdehnen und den Frieden in Palästina wiederherstellen. F. E. Peters erläutert eine
politische Motivation der ´Umayyaden, um den Felsendom zu errichten: „Es war auch eine machtpolitische Überlegung, in Jerusalem ein islamisches Heiligtum zu errichten, welches mit der Ka´ba in Mekka
konkurrieren und ebenfalls große Pilgerscharen auf sich ziehen konnte.“148 Seit dem Tode des Propheten
waren über 30 Jahre vergangen, aber die Araber hatten nur wenig Erfahrung mit Architektur und Kunst.
Ihre anfänglichen Gebäude einschließlich des Felsendoms wurden wahrscheinlich von der byzantinischen
Bautradition beeinflusst. Der Felsendom wurde nach dem Entwurf eines byzantinischen und sassanidischen Architekten auf dem Tempelberg errichtet.149
2.3.1.2 Meinungsverschiedenheit über den Bau des Felsendoms
Vielen Traditionen zufolge fing Kalif `Abd al-Malik 685 oder 689 n. Chr. damit an, genau über dem freigelegten heiligen Felsen ein Heiligtum zu errichten, den heutigen Felsendom.150 Das Jahr der Widmung ist
147
Vgl. Th. A. Busink, Der Tempel von Jerusalem: Von Salomo bis Herodes, Leiden: E.J. Brill, 1980, S. 177.
148
„Nach der Ermordung des Kalifen ´Umar 644 entstanden Streitigkeiten zwischen den rivalisierenden Nachfolgern, wobei der Islam in drei Glaubensrichtungen gespalten wurden: Sunniten, Schiiten und Charidschiten. Die
heiligste Stadt des Islam war Mekka, weil Muḥammad die meiste Zeit dort gelebt und gewirkt hatte. Das dortige Hauptheiligtum war die Ka´ba. Für jeden gläubigen Muslim wurde Mekka das obligatorische Ziel einer Pilgerreise, wenigstens einmal im Leben. Wegen der Streitigkeiten aber war Mekka zeitweise unzugänglich für
Muslime einer bestimmten Glaubensrichtung.“ Peter Müller, a.a.O., S. 49.
149
Vgl. Martin Fuß, Die Konstruktion der Heiligen Stadt: Der Umgang mit Jerusalem in Judentum, Christentum
und Islam, Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH, 2012, S. 183.
150
Vgl. Amikam Elad, Medieval Jerusalem, S. 45. Jedoch sagte Ibn Habīb in seinem Bericht, dass 'Abd al-Malik
700 n. Chr. die Moschee Jerusalems baute. Qāla: wa-banā `Abd al-Malik b. Marwān rahimahu ´llah Masjid
Bayt al-Maqdis fī sab´īn min al-hijra. Der Gebrauch des Wortes banā (gebaut) in diesem Text steht im Widerspruch zu dem Gebrauch des Wortes ibtada'a in den Quellen (begann), die oben zitiert sind. Abū Marwān, ´Abd
al-Malik b. Habīb, al-Sulami al-Qurtubi, Kitāb al-Ta´rīkh, Madrid: Instituto de Cooperacíon con el Mundo
Arabe, 1991, S. 132.
57
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
gesichert, weil es aus der Widmungsinschrift im Felsendom hervorgeht, nämlich das Jahr 691 n. Chr.151
Jedoch ist nicht bekannt, ob der Bau des Felsendoms in diesem Jahr vollendet wurde. Einige Historiker
berichteten, dass der Aufbau des Felsendoms im Jahr 692-693 n. Chr. beendet wurde.152 Diese Unklarheiten sind von Amikam Elad analysiert worden. Er erwähnt, dass es keine Informationen über die Geschichte des Felsendoms von der Zeit des Kalifen Abd al-Malik (gest. 705 n. Chr.) bis zur Periode des
Kalifen al-Ma'mun (reg. 813-833 n. Chr.) gibt.153
Über die Gründe für den Bau des Felsendoms gibt es Meinungsverschiedenheiten unter den Gelehrten. Die Theorie von Goldziher besagt, dass der Felsendom von ´Abd al-Malik errichtet wurde, damit es
ein muslimisches Pilgerheiligtum würde. Das Ziel war, Pilger von der Ka'ba in Mekka zur Stadt Jerusalem
umzulenken. Goldziher behauptete auch, dass das Erbauen des Felsendoms politisch motiviert war, weil
es eine Konkurrenz zwischen 'Abd al-Malik und Abdullah b. Zubayr in Mekka gab. Durch die vorherige
Selbsternennung von Mu´āwiya zum Kalifen – vorher wurden sie von der Umma gewählt – haben die
´Umayyaden im allgemeinen eine schlechte Presse, dazu kam die Erniedrigung Medinas. Damit ist die
Konkurrenz zum Hidschas vorgeprägt und die Suche nach einem eigenen, anerkennungsfähigen Zentrum
notwendig. Lange Zeit wurde diese Theorie allgemein akzeptiert.154 Die Basis dieses Arguments stammt
von al-Ya'qubi (der Shi'ite) und Eutychius.155 Eutychius sagt, dass 'Abd al-Malik und al-Walid, als sie
regierten, lange nachdem Ibn Zubayr tot war, die Pilgerfahrt nach Mekka verboten. Nasir-i-Khosraw, ein
persischer Reisender, schreibt, dass Muslime dazu ermuntert wurden, eine Pilgerfahrt nach Jerusalem zu
machen, um Wuquf durchzuführen (das Stehen in der Gegenwart Gottes), wenn sie nicht imstande waren,
die Hadsch nach Mekka zu machen.156
Goitein weist die Theorie von Goldziher völlig zurück, dass der Bau des Felsendoms politisch motiviert gewesen sei. Die Basis des Arguments von Goitein ist, dass die großen muslimischen Historiker (im
151
Vgl. Peter Müller, a.a.O., S. 49.
152
Vgl. K.A.C. Creswell, a.a.O., S. 72; Myriam Rosen-Ayalon, „Muslim Art in Jerusalem-Architecture and its
Ornamentation”, in: B.Z. Kedar (H.g), Jerusalem in the Middle Ages: Selected Papers, Jerusalem: Yad Izhak
Ben-Zvi, 1979, S. 288-289.
153
Vgl. K.A.C. Creswell, a.a.O., S. 81-82.
154
Vgl. S. D. Goitein, Studies in Islamic History and Institution, Leiden: E.J. Brill, 1966, S. 135-148.
155
Günther Barthel und Kristina Stock (Hg.), a.a.O., S. 190.
156
Vgl. Günther Barthel und Kristina Stock (Hg.), a.a.O., S. 136-137. Manchmal kamen mehr als 20 000 Menschen nach Jerusalem zu diesem Zweck.
58
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
Besonderen at-Tabari157 und al-Baladhuri158) des 9. Jahrhunderts n. Chr., die sich mit dem Konflikt zwischen den ´Umayyaden und Ibn Zubayr im Detail befassten, nie auf die Annahme anspielten, dass ´Abd
al-Malik Jerusalem statt Mekka als Zentrum des Islam bevorzugte.159 Goitein betont, dass keine anderen
früheren Quellen die Unstimmigkeiten zwischen 'Abd al-Malik und Ibn Zubayr erwähnen.160 Er bemerkt,
dass im Gegensatz zum Argument von Goldziher at-Tabari darüber berichtete, dass 'Abd al-Malik, 'Abd
Allah ibn Zubayr, Najda der Khuridjite und Ibn al-Hanafiyah, der Vertreter der Shiiten, an der Hadsch
nach Mekka teilnahmen.161 Goitein behauptet, dass die Berichte von al-Ya'qubi und Eutychius sich widersprechen und dass ihre Überlieferungen später einfach ohne jedes kritische Nachdenken zitiert wurden.162
Es gibt auch Meinungen, dass die ursprüngliche Motivation für den Bau des Doms darin bestand, mit
ihm die vorhandenen christlichen Denkmäler zu übertreffen und besonders eine Konkurrenz zur Grabeskirche zu sein, um so den Triumph des Islam über das Christentum zu feiern. Caskel sieht im Bau des
Felsendoms die
„Wiederaufnahme des großen Krieges […] verbunden mit der Hoffnung, durch dieses dem Triumph des Islam gewidmeten Werks die göttliche Hilfe zur Wiederherstellung der Einheit der Gemeinde und als dann im Kampf gegen die Ungläubigen zu erlangen.“163
157
„Abû Dja'far Muḥammad Ibn Djarīr Ibn Yazīd at-Tabarī, genannt at-Tabarī (geb. 839 in Amol, Tabaristan;
gest. 19. Januar 923 in Bagdad), war ein bedeutender islamischer Historiker und Gelehrter persischer Abstammung. Er beschäftigte sich mit Grammatik, Ethik, Geschichte, Mathematik und Medizin. Seine Weltgeschichte
„Annalen der Propheten und Könige“ (Tarih ar-rusul wa l-muluk), die in chronologischer Ordnung, völlig wertungslos historische Sachverhalte von der Schöpfung der Welt bis 915 darstellt, ist die wichtigste Quelle für die
frühe Kalifenzeit. Von großer Bedeutung ist auch sein umfangreicher Koran-Kommentar (Tafsir at-tabari).“
Günther Barthel und Kristina Stock (Hg.), a.a.O., S. 571.
158
„Al-Balādhurī, mit vollem Namen al-Balādhurī, Ahmad ibn Yahyā ibn Jābir, Abū ´l-´Abbās war ein bedeutender muslimischer Historiograph im 9. Jahrhundert. Sein Geburtsjahr ist unbekannt; er starb gegen 892 in Bagdad. Er studierte in Damaskus, Homs, Antiochien und bei Gelehrten seiner Zeit im Irak. Möglicherweise war er
persischer Abstammung, da er auch als Übersetzer aus dem Persischen ins Arabische am Kalifenhof der
Abbasiden, vor allem unter al-Mutawakil wirkte. Er war auch für seine Lobgedichte für den Abbasidenkalifen
al-Ma´mūn bekannt. Er gilt neben at-Tabari als einer der besten Kompilatoren historischer Nachrichten der ersten Jahrhunderte des Islam aus den Schriften seiner Lehrer und aus denen früherer Geschichtsschreiber, deren
Werke zum größten Teil verloren gegangen sind.“ Günther Barthel und Kristina Stock (Hg.), a.a.O., S. 92.
159
Vgl. S. D. Goitein, a.a.O., S. 136f.
160
Vgl. Ebd., S. 136-148.
161
Vgl. Ebd., S. 136.
162
Vgl. Ebd., S. 136-137.
163
Werner Caskel, Der Felsendom und die Wallfahrt nach Jerusalem, Köln und Opladen: Westdeutscher Verlag,
1963, S. 27.
59
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
Seine Auffassung kann sich auf die Auswahl der koranischen Zitate auf den Wänden des Felsendoms
stützen, die direkte Streite und Auseinandersetzungen mit dem christlichen Glauben darstellen:164
„Er hat weder gezeugt, noch ist er gezeugt worden. Und keiner ist ihm ebenbürtig.“ (Sure
112,3-4)
„Ihr Leute der Schrift! Treibt es in eurer Religion nicht zu weit und sagt gegen Gott nichts aus,
als die Wahrheit! Christus Jesus, der Sohn der Maria, ist nur der Gesandte Gottes und sein Wort, das
er der Maria entboten hat, und Geist von ihm. Darum glaubt an Gott und seine Gesandten und sagt
nicht (von Gott, dass er in einem) drei (sei)! Hört auf (so etwas zu sagen)! Das ist besser für euch.
Gott ist nur ein einziger Gott. Gepriesen sei er! (Er ist darüber erhaben) ein Kind zu haben. Ihm gehört (vielmehr alles), was im Himmel und auf der Erde ist. Und Gott genügt als Sachwalter.“ (Sure
4,171)
„Solcher Art (w. Dies) ist Jesus, der Sohn der Maria – um die Wahrheit zu sagen, über die sie
(d.h. die Ungläubigen (unter den Christen?)) (immer noch) im Zweifel sind. Es steht Gott nicht an,
sich irgendein Kind zuzulegen. Gepriesen sei er! (Darüber ist er erhaben). Wenn er eine Sache beschlossen hat, sagt er zu ihr nur: sei!, dann ist sie.“ (Sure 19,34-35)
In Bezug auf diese Inschriften sind auch andere Gelehrte einer Meinung, dass der Felsendom gebaut
wurde, um byzantinische Christen vom Islam zu überzeugen und die Abgrenzung des Islam vom byzantinischen Christentum zu fördern. Eine Grundstruktur zieht sich durch alle Inschriften. Gott ist das alleinige
Subjekt der Heilsgeschichte, er ist der Einzige und absolut erhaben. Er handelt souverän, abschließend und
universal durch seinen Propheten Muḥammad, den entscheidenden Mittler beim Jüngsten Gericht. Die
Inschriften im Felsendom lehnen jegliche Teilhabe an Gottes Macht ab und ordnen Jesus als menschlichen
Gesandten ein. Der Islam allein ist die von Gott gewollte wahre Religion.165
Myriam Rosen Ayalon versucht, eine Lösung des ganzen Problems zu finden. Sie war sich der Komplexität des Gebäudes und seiner Dekoration bewusst und näherte sich dem Problem aus einer neuen Perspektive, da sie als Erste das Bauwerk von seiner Ikonografie her studierte. Ihre Studie konzentrierte sich
auf die Mosaikdekorationen des Felsendoms. Rosen-Ayalon behauptet:
„Thus we can see a blend of two imperial styles – Byzantines and Sassanid. The interior walls
are faced with marble slabs, arranged to form patterns with the veins of the stone. Above the coloured marble columns are gilt Corinthian and Composite capitals; all the arches rising above the
middle octagon and the the central circle are covered entirely with glass mosaics. In these mosaics
164
Nach der koranischen Übersetzung von Rudi Paret.
165
Vgl. Amikam Elad, „´Abd Al-Malik and the Dome of the Rock: A Further Examination of the Muslim
Sources”, in: Jerusalem Studies in Arabic and Islam (JSAI), 35, Jerusalem: The Hebrew University of Jerusalem, 2008, S. 167-226, hier S. 184-189.
60
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
we find, alongside floral, naturalistic and abstract motifs, jewellery motifs such as gem-encrusted
caskets, pendants, necklaces, pearl fringes and splendid crowns.”166
Damit bildet die Dekoration im Felsendom eine Gepflogenheit ab, von der auch im Zusammenhang
mit der Ka´ba in Mekka berichtet wird. Im Verlauf ihrer Eroberungszüge hatten die Araber aus allen Teilen der von ihnen unterworfenen Welt die kostbarsten Gaben wie Throne und Kronen nach Mekka geschickt, wo sie bei der Ka´ba zur Schau gestellt wurden. Mit diesen Darstellungen sollte der Anspruch des
Felsendoms gegenüber der Ka´ba durch eine ebensolche Verehrung unterstrichen werden. Eine ähnliche
Deutung schlug Oleg Grabar auch vor, dass diese Ikonografie und die Dekorationen innerhalb des Felsendoms eine symbolische Darstellung der Besonderheiten des Islam vom christlichen Byzanz, besonders im
augenfälligen Triumph des Haram über die Grabeskirche, bedeuten.167
2.3.1.3 Der Felsendom als der Wiederaufbau des jüdischen Tempels
Viele islamische Historiker bezeichneten den Aufbau des Felsendoms als ein Zeichen des muslimischen
Wunsches, den jüdischen Tempel wiederaufzubauen. Martin Fuß schlug vor, dass für 'Abd al-Malik der
Felsendom als ein Symbol des Tempels von Salomo oder Mihrāb Dāwūd diente.168 Busse stellt die Hypothese auf, dass in der islamischen Tradition der Felsendom als der Nachfolger des Tempels von Solomon
betrachtet wurde und wird. Der Kult des Heiligen Felsens wurde in den jüdischen Traditionen verankert,
die dazu geändert wurden, um sie islamischen Zielen sowie dem erhöhten Status anzupassen, den die
´Umayyaden Jerusalem geben wollten. Wie Grabar behauptet Busse, dass das die primäre Legitimierung
für die Heiligkeit des Felsens ist und dass al-Mi'raj-Traditionen erst später auf den Felsen übertragen wurden.169
Im Gegensatz dazu behauptet Livne, dass die kosmologisch-eschatologischen Faktoren die Grundmotivation für den Bau des Felsendoms bildeten. Seiner Ansicht nach gibt es trotz der umfassenden Bele-
166
Myriam Rosen-Ayalon, „The Islamic Architecture of Jerusalem”, S. 93.
167
Vgl. Oleg Grabar, „The Umayyad Dome of the Rock in Jerusalem," in: Oleg Grabar, Constructing the Study of
Islamic Art, Hampshire: Ashgate Publishing Limited, 2005, S. 33-62.
168
Vgl. Martin Fuß, a.a.O., S. 200.
169
Vgl. Heribert Busse, „The Sanctity of Jerusalem im Islam”, in: Judaism, vol. XVII, 1968, S. 441-468, hier S.
454-460.
61
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
ge in der jüdischen Traditionen, die den Traditionen des Felsendoms angepasst wurden, keine wirklichen
Beweise, dass ‘Abd Al-Malik den jüdischen Tempel erneuern wollte.170
Obwohl die Verweise auf die jüdischen Apokalypsen problematisch sind, ist der Aspekt bedeutsam,
dass entschieden wurde, den muslimischen Tempel an dem Platz wiederaufzubauen, wo der jüdische
Tempel gestanden hatte. Viele Traditionen stellen spezifische Verbindungen zwischen dem Felsendom
und dem Tempel von Salomo her. Eine davon ist, dass die Nation von Muḥammad den „Haykal bait alMaqdis“ (Tempel Jerusalems) bauen soll.“171
Es gibt den entscheidenden Hinweis zum Verständnis der frühen Heiligkeit Jerusalems im Islam und
des Haram-Ausbaus in der auffälligen, angeblich sofortigen und beinahe ausschließlichen Konzentration
auf den früheren Tempelberg, wie sie sich der islamischen Überlieferung nach darstellt. Es galt gemäß
dem eigenen Selbstverständnis der Wiederherstellung der Offenbarung, auch das ursprüngliche Heiligtum
Salomos in der Stadt der Propheten wieder zu errichten.172 Salomo kommt im Islam eine besondere Rolle
zu. Er wird im Koran Sure 34,12f als Herr über den Wind beschrieben und noch wichtiger: Er zählt zu den
rechtgeleiteten Gesandten Gottes. Sein Bau, den erst die Juden in seiner Nachfolge zu einem Tempel verfälschten, galt als Teil der unverfälschten Religion. Daher wählte ´Umar den miḥrāb Dāwūd173, den Ort,
an dem David gebetet hatte, der im Koran mit der Sündenvergebung Davids verbunden worden war (Sure
38,21-25) und an dem Salomo sein Heiligtum erbaut hatte.
Sowohl die frühe Hochschätzung der Stadt Jerusalem im Islam als auch die auffällige Konzentration
auf den Tempelberg haben ihre Wurzeln also in der jüdischen Tradition. Etwas anders steht es mit der
christlichen, genauer der jüdischen Auffassung von Jerusalem als der Stadt der Propheten und der Stadt
des Heiligtums, das Gott erwählt hatte.174 Denn die Propheten, unter ihnen Salomo, wurden auch im Koran anerkannt und hatten hier wie dort einen engen Bezug zu Jerusalem. Dieses wiederum wurde mit dem
170
Vgl. Ofer Livne, The Sanctity of Jerusalem, Ph.D Thesis, Jerusalem: The Hebrew University of Jerusalem,
1985, S. 288-291.
171
Meir J. Kister, „A Comment on the Antiquity of Traditions Praising Jerusalem,” S. 186. Viele Traditionen, die
in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts oder am Anfang des 8. Jahrhunderts in Umlauf gesetzt sind, befassen
sich mit dem Gebäude des Tempels von Salomo und seiner Zerstörung durch Nebuchadnezar.
172
Vgl. Martin Fuß, a.a.O., S. 200.
173
Vgl Andreas Kaplony, a.a.O., S. 231.
174
Die Prophetengräber von Adam, Noah, David und Salomo in Jerusalem waren ein Hinweis auf die Heiligkeit
der Stadt. Vgl. Abū Bakr Muḥammad b. Aḥmad al-Wāsiṭī, a.a.O., S. 124-126.
62
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
„fernsten Heiligtum“ identifiziert, zu dem Muḥammad entrückt worden war. Die Vorstellung des Felsendoms als Wiederaufbau des Jüdischen Tempels ändert sich in der fatimidischen Periode. Seit langen Jahren konzentrierte sich die islamische Bedeutung Jerusalems davor auf den Felsen und den Felsendom. Das
bedeutete, dass die Idee des jüdischen Tempels und der Wunsch, einen neuen Tempel wieder aufzubauen,
noch bestand. Die Fatimiden löschten die Imagination eines neuen Tempels aus und wollten Jerusalem
eine rein islamische Bedeutung geben. Deshalb entschieden sich die fatimidischen Kalifen für das Südgebäude als eine rein islamische Moschee. Ihrer Meinung nach konzentrierte sich, wer in dieser Al-AqṣāMoschee betet, nicht mehr auf den Felsen Jerusalem als die Gebetsrichtung, sondern auf die Ka´ba in
Mekka.175
2.3.1.4 Der Felsendom als der Ort der eschatologischen Ereignisse
Die andere Beziehung, die 'Abd al-Malik durch die Weihe Jerusalems im Allgemeinen und vom Haram
und Sakhra insbesondere herstellen wollte, war die zwischen dem Ort und den Ereignissen der „Letzten
Tage“.176 Die Namen der Tore des Felsendoms: Bāb Isrāfil177 und Bāb al-Janna178 beziehen sich direkt auf
die Letzten Tage. Martin Fuß betont in seinem Buch, dass Myriam Rosen-Ayalon eine überzeugende neue
Interpretation der dekorativen und architektonischen Elemente des Felsendoms als Bilder, Ideen und
Symbole in Zusammenhang mit den Vorstellungen von den Letzten Tagen vorgelegt hat.179
Meiner Meinung nach schließen gerade die widerstreitenden Begründungen für den Bau und die Bedeutung des Felsendoms einander nicht aus. Ein Grund für den Bau des Felsendoms war offensichtlich der
Versuch, im Kampf mit Ibn Zubayr Pilgerströme statt nach Mekka nach Jerusalem zu lenken. Dazu musste die Bedeutung von Jerusalem, vom Haram und vom Sakhra innerhalb der religiösen Landschaft des
175
Andreas Kaplony, The Haram of Jerusalem, S. 95.
176
Vgl. Martin Fuß, a.a.O., S. 195-198.
177
„Israfil (arabisch ‫ ﺇﺳﺮﺍﻓﻴﻞ‬,Isrāfīl), zu Deutsch Der Brennende (bzw. Gott ist Feuer), ist der Namen eines Engels
im Engelglauben des Islam. Eine Textstelle (Sure 39,68) wird traditionell jedoch mit ihm als Todesengel in
Verbindung gebracht. Der Engel Isrāfīl bläst die Trompete, um den Tag der Auferstehung (Sure 69,13-18) anzukünden. Isrāfīl ist der erste Engel, der wiedererscheint, und Muḥammad und andere Propheten sind die ersten, die auferstehen (Seele und Körper vereint).“ Evelyn Dorothy Oliver und James R. Lewis, Angels A to Z,
Canton: Visible Ink Press, 2008, S. 202.
178
Hans Wehr, Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart, 5. Auflage, Wiesbaden:
Harrassowitz Verlag, 1985, S. 203.
179
Vgl. Martin Fuß, a.a.O., S. 195.
63
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
frühen Islam gestärkt werden, wie es 'Abd al-Malik tat. Dazu passt die Behauptung, dass die Himmelsreise
von Muḥammad an der Stelle begann, an der später der Felsendom erbaut wurde.180
Es ist vielleicht ein anderer Akzent, aber kein Widerspruch dazu, dass 'Abd al-Malik den Felsendom
neben dem Tempel von Salomo als ein Symbol der Letzten Tage darstellte. Bezogen auf das Judentum
und vor allem das Christentum, sollten der Bau, seine Platzierung und seine Pracht ganz sicherlich die
Botschaft der Überlegenheit über die christlich-byzantinische Macht und ihre Bauwerke in Jerusalem verkünden.181
2.3.1.5 Religiöse Bedeutungen der Gestalten des Felsendoms
Der Felsendom ist nach Ibn Battuta, wie A. D. H. Bivar die Meinung von Battuta zitiert hat, das berühmteste islamische Heiligtum.182 Das Modell des Felsendoms wurde von der metaphysischen Lehre der Sufis,
der Mystiker des Islam, inspiriert, die zu einem sehr frühen Zeitpunkt nach Jerusalem gekommen sind.
Außerdem gibt es den Einfluss des byzantinischen Charakters im Felsendom. Im 10. Jahrhundert n. Chr.
stellte der Jerusalemer Historiker Muqadassi fest, dass alle Kirchen in aš-Šām luxuriös und herrlich waren.183 Abd al-Malik befürchtete, dies würde den Geist der Muslime verwirren. Die ´Umayyad-Kalifen
wollten nach Muqaddasi Bauwerke, die einzigartig waren und ein Wunder in der Welt darstellen. Um
sicherzugehen, dass das neue muslimische Bauwerk genauso herrlich werden würde, stellte Abd al-Malik
Handwerker und Architekten aus Byzanz ein, und zwei der drei Leute, die für den Bau verantwortlich
waren, waren vielleicht Christen.184 Der Felsendom wurde nach Peter Müller zwischen 687 und 692 n.
Chr. nach dem Plan eines byzantinischen Architekten von syrischen Bauleuten im Zentrum der Tempelbergterrasse errichtet.185 Das Bauwerk steht nach Henri Stierlin in der Tradition der christlichen byzantinischen Bauwerke, und ein großer Freiraum wird zur Verfügung gestellt, damit die Pilger den Umlaufritus
180
Vgl. Martin Fuß, a.a.O., S. 189.
181
Vgl. Ebd., S. 193.
182
Vgl. A. D. H. Bivar, The Travels of Ibn Battuta, A. D. 1325-1354, vol. 1, London: Hakluyt Society Press, 2000,
S. 77.
183
Vgl. Al-Muqadassi, „Description of Syria, including Palestine”, in: Guy le Strange (Hg.), in: PPTS, III, New
York, 1971, S. 22-23.
184
Vgl. Moshe Gil, a.a.O., S. 92.
185
Vgl. Peter Müller, a.a.O., S. 49.
64
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
feiern können.186 Es sei daran erinnert, dass der Felsendom keine Moschee ist, sondern ein Gedächtnisbau,
wo Ibrāhīm seinen Sohn nach vielen Überlieferungen geopfert hat und der Prophet Muḥammad in den
Himmel aufgefahren sein soll. Das Gebäude hat nach Mihrāb vier Portale, die sich auf die Bedeutung der
vier Himmelsrichtungen beziehen.187 Schließlich sollte der Felsendom gemäß der Absicht seines Erbauers,
des Kalifen Abd al-Malik, wie Ignaz Goldziher betont hat, den Mittelpunkt der islamischen Welt bilden,
um mit der Ka´ba in Mekka zu konkurrieren.188 Die Tambourmauer und die Kuppelschale wurden nach
Rosen-Ayalon mit Mosaiken ausgeschmückt, deren Technik und Modelle nur aus der byzantinischen Kultur beeinflusst wurden.189 Die architektonische Gesamtkonzeption des Felsendoms ähnelt der Grabeskirche in Jerusalem.190
Der Felsendom ist ein Heiligtum für die Muslime. Der Gebetsraum ist nach Andreas Kaplony für
stille Gebete der Pilger gebaut. Die Gebetsrichtung in der Mihrāb-Nische ist nach Mekka ausgerichtet.191
Die Zahlen und geometrischen Symbole im Felsendom symbolisieren ein uraltes und abendländisches
Glaubensgut. Der Kreis, der den heiligen Felsen einfasst, bedeutet Vollkommenheit und Ewigkeit, da er
keinen Anfang und kein Ende hat. Die Kuppelschale, die den Felsen überwölbt, symbolisiert das sichtbare
Himmelsgewölbe. Die Zahl vier, verbunden mit den vier Tragepfeilern auf dem Kreis, bedeutet die Zahl
der Erde und der vier Haupthimmelsrichtungen. Die Zahl acht (2 x 2 x 2), die an der achteckigen Umfassungsmauer sichtbar ist, gilt den Muslimen als heilig.192
Das Zentrum des Felsendoms wirkt durch ein Oktogon und runde Architekturschranken wie von der
Außenwelt getrennt.193 Der Zusammenhang zwischen Felsendom und al-Aqṣā-Moschee kritisierte die
Bedeutung der ehemaligen jüdischen Tradition des Allerheiligsten im Tempel. Eine jüdische Hierarchisie-
186
Vgl. Henri Stierlin, Islam: Von Bagdad bis Cordoba Frühe Bauwerke vom 7. bis 13. Jahrhundert, Köln: Taschen GmbH., 2009, S. 32.
187
Vgl. Werner Caskel, a.a.O., S. 11.
188
Vgl. Ignaz Goldziher, Muslim Studies, vol. 2, S. 44.
189
Myriam Rosen-Ayalon, „The Islamic Architecture of Jerusalem”, in: Y. Yadin (Hg.), Jerusalem Revealed:
Archaeology in the Holy City 1968-1974, Jerusalem: The Israel Exploration Society, 1975, S. 92-96, hier S. 92.
190
Vgl. Benjamin Mazar, Archäologie, S. 236.
191
Vgl. Andreas Kaplony, a.a.O., S. 61.
192
Vgl. H. Adolf, Christendom and Islam in the Middle Ages, Speculum, 32, 1957, S. 103-115.
193
Vgl. Myriam Rosen-Ayalon, a.a.O., S. 30-32.
65
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
rung geht verloren durch die Errichtung der beiden Gebäude auf dem Tempelberg. Nun wird der ganze
Haram zum gemeinschaftlichen Gebetsplatz für alle Gläubigen. Die Verbindung zwischen Felsendom und
al-Aqṣā-Moschee auf dem ganzen Haram orientiert sich auf den Hauptmihrāb der Moschee in Mekka, die
als die universale Gebetsrichtung für die Muslime gilt. Diese neue Gebetsrichtung kann als Symbol der
Universalität des Islam und der Gleichberechtigung unter den Gläubigen betrachtet werden. Auf dem
Haram stehen nun die beiden prächtigen Gebäude, wo alle Menschen zum Islam eingeladen sind.194
Die älteren und modernen Forscher sind einer Meinung, dass der Felsendom die Bedeutung der
Vollkommenheit, Harmonie und Ausgewogenheit trägt. Das Konzept heißt: der Mikrokosmos und der
Makrokosmos beeinflussen einander in der Architektur des Felsendoms. Der Felsendom zeigt den Ausdruck des Weltmysteriums.195 Der Fußboden im Felsendom zeigt nach Caskel die Symbole der Durchdringung von Quadrat und Kreis, welche die Kontinuität des Lebens symbolisieren.196
Der islamische Kult im Felsendom zeigt das Konzept der Wiederherstellung des wahren Kultes und
die Korrektur der jüdischen Verirrung.197 Die Muslime wollten den jüdischen Opferkult durch ihr muslimisches Opferfest im Felsendom kritisieren. Das Opferfest in der muslimischen Tradition hat keine Bedeutung der Sündenvergebung, Versöhnung zwischen den Völkern und Gott oder Bitte um Erbarmen Gottes durch Opfer, die nach Volkmar Fritz in der jüdischen Tradition sehr ausgeprägt sind. Muslime betrachten das Opferfest im Felsendom als die Anerkennung der Macht und des Erbarmens Gottes, die er an
Ibrāhīm gezeigt hat. Hier sehen die Muslime den jüdischen Opferkult kritisch, der für sie übertrieben und
aufwendig war. Durch das Opferfest im Felsendom wollten die Muslime unter den ´Umayyaden ihren
Unterschied zu anderen religiösen Traditionen wie dem Judentum zeigen.198
194
Vgl. Martin Fuß, a.a.O., S. 254-256.
195
Vgl. Henri Stierlin, a.a.O., S. 36.
196
Vgl. Werner Caskel, a.a.O., S. 12.
197
„Die Muslime glaubten, dass die an Moses korrekt ergangene Offenbarung Gottes schon durch seine Anhänger,
die Juden, verfälscht worden war. In Jerusalem wird die islamische Kritik am Judentum in zweierlei Hinsicht
deutlich: Sie richtet sich zum einen gegen dessen Erwählungsgedanken und zum anderen gegen den Opfer- und
Sühnekult am Tempel, wie er in den jüdischen Schriften geschildert war und auch nach der Zerstörung des
Tempels im Synagogenkult fortdauernd erinnert und gegenwärtig gehalten wurde. Aus islamischer Sicht waren
dies Verstöße gegen die Universalität und die Absolutheit Gottes. Die Korrektur dieser Verstöße bestimmte die
islamische Neugestaltung des Haram.“ Martin Fuß, a.a.O., S. 250.
198
Vgl. Volkmar Fritz, Das erste Buch der Könige, Zürich: TVZ, 1996, S. 97.
66
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
Die außergewöhnliche Heiligkeit des Tempelbergs wird nach Herbert Donner durch Archäologie,
Architektur, Tradition und islamische Weltherrschaft gezeigt, die im Mittelpunkt des Felsendoms symbolisiert ist. Die Pilger besuchten den Felsendom, weil sie das Gebäude als heilig betrachteten, wo sie Gott
begegnen können. Hier entstand die Bedeutung eines heiligen Ortes, wo Menschen die Begegnung mit
ihrem Schöpfer erleben können. Donner betont, dass die Heiligkeit eines Ortes durch eine deutliche Grenze markiert wird, die die heiligen von gewöhnlichen Zonen trennt und aufgrund deren die Gläubigen nur
einige bestimmte Bereiche betreten dürfen. Die Gläubigen reagieren auf diese Heiligkeit mit dem Ritualgebet, das entweder zweimal pro Woche in einem langen Ritual oder individuell vollzogen wird. In der
Vorbereitung auf dieses Ritual wird der Felsen gesalbt, dann in einem Umzug mit Weihrauch umwandelt.
Das ist eindeutig die bekannte Vorstellung von Heiligkeit mit bestimmten Grenzen, die nur Männer unter
bestimmten Bedingungen und mit einem bestimmten Verhalten betreten dürfen.199
2.3.2 Die Aqṣā-Moschee
Die berühmte Aqṣā-Moschee ist schon von Weitem an dem matten Silberglanz ihrer Kuppel zu erkennen.
Die erste Moschee an dieser Stelle, einen kleinen, unscheinbaren Bau aus Balken, errichtete Kalif ´Umar
gleich nach der Eroberung Jerusalems 638 n. Chr.,200 und zwar wahrscheinlich auf den Ruinen einer beim
Persereinfall 618 n. Chr. zerstörten byzantinischen Kirche, der Marienkirche. Diese Kirche wurde von
dem bedeutenden byzantinischen Kaiser Justinian I. (527-565 n. Chr.) erbaut.201 Wenn die Sure 17,1 auf
die Aqṣā-Moschee als entferntestes Gebetshaus anspielt, dann muss sie schon zur Lebenszeit Muḥammads
vorhanden gewesen sein, und dann sicherlich als die Marienkirche.202 Unglücklicherweise konnte die
Existenz dieser Kirche noch nicht bewiesen werden, da archäologische Untersuchungen auf dem Tempelberg nicht möglich sind. Müller schreibt: „Es ist zu vermuten, dass die Trümmer der Kirche in der Moschee verbaut wurden.“203
199
Vgl. Herbert Donner, Pilgerfahrt ins Heilige Land: Die ältesten Berichte christlicher Palästinapilger (4.-7.
Jahrhundert), Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH, 2002, S. 18.
200
Vgl. Teil 2.1.3 dieses Kapitels.
201
Vgl. Peter Müller, a.a.O., S. 60.
202
„Gepriesen sei, der seinen Knecht nachts reisen ließ vom heiligen Anbetungsplatz zum fernsten, um den herum
wir Segen spendeten, um ihm von unseren Zeichen einige zu zeigen“ (Sure 17,1).
203
Vgl. Peter Müller, a.a.O., S. 60.
67
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
2.3.2.1 Diskussion um die Anfangszeit der Aqṣā-Moschee
Es gibt verschiedene Quellen darüber, wann die Aqṣā-Moschee erbaut wurde. Allerdings bieten die muslimischen Quellen keine ausführlichen Informationen über den Bau. Einige von ihnen schreiben ihn 'Abd
al-Malik, andere seinem Sohn al-Walīd (705-715 n. Chr.) zu. Es scheint jetzt, dass die Zeit ihrer Erbauung
mithilfe der bereits genannten in Oberägypten aufbewahrten Papyri genauer erschlossen werden kann,
welche sich mit der Entsendung der Arbeiter und den Lieferungen aus Ägypten für das Gebäude der Moschee in Jerusalem befassen. Diese Papyri, soweit man in ihnen verzeichnete Daten bestätigen kann,
stammen aus der Zeit von Walid und Sulayman (706 bis 717 n. Chr), den Söhnen 'Abd al-Malik. Man
kann deshalb vermuten, dass der Bau der Moschee in den Tagen von Walīd begonnen wurde, doch es ist
nicht unwahrscheinlich, dass der Bau noch während der Regierung 'Abd al-Malik begonnen wurde, der
bereits im Oktober 705 n. Chr. starb.204
Im Gegensatz dazu bezeugt al-Mutahhar b. Tāhir ausführlich, dass Mu'āwiya b. Abī Sufyān statt
´Abd al-Malik die Moschee baute. In einer anderen Tradition, die auf das erste Viertel des 8. Jahrhunderts
(nicht später als 721 n. Chr.) datiert werden kann, wird berichtet: Mu'āwiya stand vor der Mimbar der
Jerusalemer Moschee und sagte: „Alles zwischen den zwei Mauern dieser Moschee wird von Allah geliebt, möge Er mehr als irgendwelcher (von den anderen Plätzen) auf der Erde erhöht werden.“205
Nach den wenigen Informationen gibt es Hinweise, dass die Aqṣā-Moschee während der Regierung
von Mu'āwiya bestand. Goitein unterstützt die Ansicht, dass die Moschee am Anfang der ´umayyadischen
Periode erbaut wurde.206 Es scheint daher passend, die Schlussfolgerung von Goitein zu akzeptieren, dass
die Hauptstruktur der Aqṣā-Moschee am Anfang der ´Umayyaden-Periode errichtet wurde und dass die
während der Regierung von al-Walīd gemachten letzten Arbeiten Renovierungen waren.207 Dieser Schluss
wird durch die Beobachtung gestärkt, dass das arabische Wort banā („um zu bauen“, d. h. die Moschee zu
bauen), das in den späten Quellen verwendet, nicht notwendigerweise bedeutet, etwas Neues zu bauen.
204
Die Papyri wurden von Bell in „Der Islam“ zwischen 1911 und 1928 ursprünglich ediert, und sie sind Teil
seiner Veröffentlichungen. Siehe: H.I. Bell, Greek Papyri in the British Museum, vol. IV (The Aphrodito Papyri), London: Cambridge Scholars Publishing, 1910. Siehe auch die Analyse der Kunst und der Mosaiken der alAqsā Moschee, R.W. Hamilton, The Structural History of the Aqsa Mosque: A Record of Archaelogical Gleanings from the Repairs of 1938-1942, London: Oxford University Press, 1949, S. iii.
205
Abū Bakr Muhammad b. Ahmad al-Wāsiti, Al-Wasiti, Fadā´il al-bayt al-muqaddas, ed.I, Jerusalem: The
Magness Press, 1979, S. 10a.
206
Vgl. S. D. Goitein, a.a.O., S. 14.
207
Vgl. Ebd., S. 14.
68
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
Alle diese Quellen verwenden dasselbe Verb, wenn sie Bauaktivitäten an den Gebäuden der Moscheen in
Damaskus und al-Madina beschreiben, die zur Zeit der Regierung von al-Walīd bereits bestanden. AlWalīd ließ sie einfach renovieren und reparieren.208
2.3.2.2 Die Gestalten der Aqṣā-Moschee in der frühen islamischen Zeit
Gemäß den archäologischen Belegen fanden drei aufeinanderfolgende Hauptbauten der Aqṣā-Moschee
vor den Kreuzzügen statt. Al-Aqṣā I dehnte sich von der Südmauer der Moschee ungefähr 50,8 Meter
nordwärts aus, doch ihre Ost- und Westgrenzen sind archäologisch unbestätigt. Al-Aqṣā I geht vermutlich
auf die Bautätigkeit der ´Umayyaden-Kalifen zurück. Al-Aqṣā II dehnte sich bis zum nördlichen Ende der
gegenwärtigen Moschee aus und schloss ein breiteres Hauptmittelschiff sowie eine Kuppel vor dem
Mihrāb ein, deren Balken mit einer geschnitzten Holzverkleidung geschmückt wurden. Al-Aqṣā II war der
Wiederaufbau der Abbasiden von ca. 771-780 n. Chr. Al-Aqṣā III war die Vollendung des Hauptmittelschiffs und der Abteilungen der Seitenschiffe, wobei die Gesamtzahl der Schiffe auf sieben reduziert wurde. Al-Aqṣā III war der Wiederaufbau der Fatimiden im elften Jahrhundert.209 Die Vergrößerung reagiert
wohl auch darauf, dass die muslimische Bevölkerung Jerusalems besonders nach dem Bau des Felsendoms schnell zunahm. Die Aqṣā-Moschee ist auch ein Ort des regelmäßigen und gemeinsamen Gebets der
islamischen Gemeinde in Jerusalem gewesen.
Diese Moschee wurde 1033 durch ein Erdbeben zerstört. Die imposante Südmauer des heutigen Gotteshauses steht noch. Der Nachfolgebau des Kalifen az-Zāhir, der siebente Kalif der Fatimiden in Ägypten, aus den Jahren 1034 hatte nur fünf Schiffe. Auf das südlichste Joch des Mittelschiffs baute der Kalif
eine Kuppel. Die Aqṣā-Moschee wurde zunächst von den Kreuzfahrern als Königspalast verwendet, bis
Balduin II. sie dem fränkischen Ritter Hugo de Payens zur Verfügung stellte, der 1119 zum Schutz der
Jerusalempilger den Templerorden gegründet hatte. Weil die Moschee auf dem Tempelberg lag, erhielt
der Orden seinen Namen Pauperes commilitones Christi templique Salomonis. Templum Salomonis nannten die Tempelherren die Residenz ihres Großmeisters, die sie um zwei Seitenschiffe und mehrere Anbauten erweiterten. Nachdem Sultan Ṣalāḥ ad-Dīn Jerusalem 1187 zurückerobert hatte, wurde wieder eine
Moschee aus dem Palast in Funktion gesetzt, nachdem die Moschee gereinigt worden war. Ṣalāḥ ad-Dīn
208
Vgl. Amikam Elad, a.a.O., S. 39.
209
Vgl. R.W. Hamilton, a.a.O., S. 22-27.
69
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
schenkte ein Mosaik auf goldfarbenem Grund für die Kuppel und einen geschnitzten Mimbar (Kanzel)210
aus Holz. Mimbar oder Kanzel hatte als Ort der Predigt außerdem eine andere Funktion. In einer Moschee
wurde damals eine Kanzel oder Predigtstuhl höher ausgestattet, damit die Plätze der Prediger und der
Gläubigen getrennt waren. Diese Trennung sollte die Prediger vor möglichen Mordanschlägen schützen.
Es sollte daran erinnert werden, dass zwei von vier rechtgeleiteten Kalifen in der Moschee während ihrer
Predigt getötet wurden.211 Eine Funktion der Kanzel in der Moschee war der Schutz der Kalifen und Imame während der Predigt.
2.3.3 Die Bauten der ´Umayyaden in der Nähe des Tempelberges
Die arabische Eroberung 638 n. Chr. fand den Tempelberg und seine Mauern noch zerfallen vor. Verschiedene Motive, die religiös-politischer und wirtschaftlicher Art waren, brachten den Kalifen 'Abd alMalik dazu, Jerusalem wiederaufzubauen und es mit Moscheen und anderen Strukturen verschwenderisch
zu erweitern. Sein Sohn und Nachfolger, al-Walīd (705-715 n. Chr.), setzte die Projekte fort und weitete
sie sogar aus. Es wird angenommen, dass er auch die anderen Gebäude um den Haram baute.212
Schriftliche Berichte aus dieser Zeit werden durch die Funde bestätigt und ergänzen die Grabungsergebnisse mit Angaben über die Ausbesserung der Stadtmauern, die Errichtung des Dar Imara (Gouverneurspalastes) und die Ansiedlung muslimischer und jüdischer Bürger in Jerusalem. Durch intensive Grabungen wurde in der Nähe der südwestlichen Ecke des Tempelberges, und zwar zwischen der türkischen
Stadtmauer und dem südlichen Tempelberg, ein großes Gebäude (7,5 dunam=7500 m2) gefunden.213 Dieses große Gebäude ist ein Teil des Gebäudekomplexes, das danebenliegt. Alle diese Strukturen waren vor
langer Zeit bis auf die Fundamente völlig ruiniert worden, und nur kleine Abschnitte der Mauern blieben
über Bodenniveau (hier und dort sogar bis zu einer Höhe von 4 m). Viele Details der Gesamtrekonstrukti-
210
„Der Minbar geht auf die Zeit des Propheten zurück. Ursprünglich handelte es sich um einen dreistufigen,
hohen Stuhl, der für Predigten, Erklärungen und Verlesungen benutzt werde.“ Oleg Grabar, „Die Moschee“, in:
Markus Hattstein (Hg.), Islam: Kunst und Architektur, Köln: Könemann, 2005, S. 44.
211
Vgl. Volkmar Enderlein, Islamische Kunst, Dresden: VEB Verlag der Kunst, 1990, S. 9.
212
Siehe auch 2.3.2.1 dieses Kapitels für die ausführliche Analyse.
213
Vgl. Meir Ben-Dov, „The Area South of the Temple Mount in the Early Islamic Period”, in: Y. Yadin (Hg.),
a. a. O., S. 97-101.
70
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
on sind bestimmt verloren.214 Ben-Dov erläutert die Gründe, warum die Gesamtrekonstruktion, bzw. der
´Umayyaden-Palast seit dem 11. Jahrhundert n. Chr. nicht mehr existiert:
„The fall of the Omayyad dynasty and the succession of the Abbasids broke the link between
the centres of government at Damascus and Jerusalem, in the west, and Baghdad. Thus also came to
an end the Omayyad aspirations for establishing Jerusalem as a politico-religious centre. This break
was further facilitated by natural causes, for in 747/48 a strong earthquake hit the city, causing great
damage; the Abbasids, in contrast, regarded this as an act of God, striking down the Omayyads and
their works on account of their sins. The Abbasids later repaired the buildings in the Haram, but the
place and other adjacent buildings were left to decay, or even were dismantled by stone robbers.”215
Benjamin Mazar hält in seiner Untersuchung über den Gebäudekomplex auf dem Tempelberg fest:
„Der ausgedehnte Gebäudekomplex aus der ´Umayyaden-Zeit, den wir nach und nach südlich
und südwestlich der Tempelbergmauern freigelegt haben, entspricht den Plänen, die vom Kalifen
´Abd al-Malik und seinem Sohn al-Walid – den Bauherren der großen Moscheen auf dem Haram ašŠarif entworfen wurden, um aus dem Bezirk um die Heiligtümer herum ein religiöses Zentrum zu
machen.“216
Der Palastkomplex des Kalifen umfasst vier große um die Aqṣā-Moschee erbaute Strukturen (Gebäude I auf dem Plan). Das Hauptgebäude ist der Wohnpalast selbst (Haus II), gebaut parallel zur südlichen Mauer des Tempelberges, mit einer anderen Struktur (Haus IV), parallel zur Westmauer. Eine dritte
Struktur (Haus III) wurde zwischen diesen und einem weiteren Gebäude (V) gebaut, das parallel zu und
östlich des Hauses II lag. Das größte Gebäude im Komplex (Haus II) diente vermutlich als der königliche
Wohnsitz des Kalifen, während die restlichen Gebäude verschiedene andere Funktionen erfüllten, deren
Natur unklar bleibt.217 Benjamin Mazar sagt zu Haus II folgendes:
„[…] es hat dicke Mauern und seine Maße betragen 85 x 95 m. Dieses Gebäude liegt südlich
der Südmauer des Tempelberges, zwischen dieser und der türkischen Stadtmauer. Die der
herodianischen Mauer gegenüberliegende Front beginnt dicht bei der Südwestecke des Tempelberges
und endet nahe dem Doppeltor. Eine schmale gepflasterte Straße, die zum Tor führt, läuft an der
herodianischen Südmauer entlang und trennt das Gebäude von dieser. Eine andere westliche Straße
214
Vgl. Meir Ben-Dov, „The Omayyad Structures Near the Temple Mount”, in: Meir Ben-Dov, The Excavations
in the Old City Jerusalem near the Temple Mount, Jerusalem: The Israel Exploration Society, 1971, S. 37.
215
Ebd., S. 44.
216
Benjamin Mazar, Der Berg des Herrn, S. 241.
217
Vgl. Ebd.
71
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
verläuft von Nord nach Süd entlang der Westmauer und setzt sich weiter nach Süden fort, offenbar in
Richtung auf den Siloah-Teich.“218
Darüber hinaus konnten die Kalifen der ´Umayyaden auf diese Weise die Aqṣā-Moschee besuchen,
ohne die öffentlichen Straßen benutzen zu müssen. In der Verbindung von Hauptmoschee und Palast der
Kalifen kommt der religiöse Charakter von Jerusalem als der islamischen Stadt zum Ausdruck.219 Benjamin Mazar, der die ´umayyadischen Bauten dieses Gebiets untersuchte, hält dazu fest:
Der Jerusalemer Palast „bestand aus zwei Stockwerken und weist – im oberen Stockwerk Spuren einer Brücke auf, die über die erwähnte Straße hinweg sein Dach mit der Aqṣā-Moschee verband,
womit ein direkter Zugang zur Moschee durch die nach Mekka gerichtete Südmauer (Qibla im Islamischen) gegeben war.“220
Abbildung 1
Das islamische Wohnquartier südlich und südwestlich des Tempelberges aus ´Umayyadischer
Zeit221
218
Benjamin Mazar, a.a.O., S. 241.
219
Vgl. Volkmar Enderlein, a.a.O., S. 10.
220
Benjamin Mazar, Der Berg des Herrn, S. 242.
221
Benjamin Mazar, Der Berg des Herrn, S. 240.
72
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
I
Al- Aqṣā Moschee
1
Gepflasterte Straßen
II
Großes Gebäude südlich der Südmauer
2
Gepflasterte Innenhöfe
III
Großes Gebäude südwestlich der
3&4 Türen
Tempelplatform
5
IV
Gebäude mit großen Höfen
Reste einer Brücke, die das Gebäude II
mit dem Haram Aš-Šarif verband
6
Das doppelte Hulda-Tor, Eingang zum
Haram Aš-Šarif unter der Al-Aqṣā-Moschee
2.4 Zusammenfassung
Die Geschichte der Ankunft der Muslime in Jerusalem zeigt, dass die muslimische Eroberung Jerusalems
ihre Expansionspolitik zu dieser Zeit war. Der Islam, der religiöse und politische Funktionen miteinander
verbindet, war ein neues Phänomen zwischen den jüdischen und christlichen Traditionen. Deshalb hängt
die Funktion von Da´wa (die islamische Mission) immer mit der Rolle der territorialen Expansion zusammen. Die Eroberung Jerusalems ist ein Beispiel dafür, wie der Islam versucht, die beiden Entitäten
zusammenzuführen. Nachdem Jerusalem erobert wurde, versuchten Kalif ´Umar und seine Anhänger, die
Stadt Jerusalem als eine Heilige Stadt für Muslime neu zu definieren. Die Bedeutung der Heiligen Stadt
wurde für die Muslime noch stärker, nachdem die ´Umayyaden die monumentalen Gebäude wie den Felsendom und die Al-Aqṣā-Moschee auf dem Haram as-Sarif bauten. Dieses Phänomen zeigt, wie die Rolle
der Religion und der Politik im Islam miteinander verwoben ist.
Die Belagerung Jerusalems 634 n. Chr. durch die Muslime enthält einige wichtige Aspekte. Es ist
wichtig daran zu erinnern, dass der Fall Jerusalems in die muslimischen Hände ohne Gewalt und Blutvergießen geschah. Man kann auch beobachten, dass der Kalif ´Umar diplomatische Dialoge führte, um die
Stadt Jerusalem einzunehmen, so dass militärische Maßnahmen in Jerusalem vermieden werden konnten.
Darüber hinaus begrüßten die christlichen Monophysiten und die Juden, die von den christlichen Byzantinern unterdrückt wurden, die muslimische Eroberung Jerusalems. Die Ankunft des Islam in Jerusalem
wurde auch als ein historisches Moment für das jüdische Volk betrachtet, weil, seitdem die Muslime die
Stadt beherrschten, wurde den Juden wieder erlaubt, sich in Jerusalem anzusiedeln. Es sollte angemerkt
73
Religiöse und politische Bedeutungen der Bauwerke
werden, dass die Juden seit 300 Jahren - während der Herrschaft der christlichen Byzantiner - nicht in
Jerusalem wohnen durften. In dieser historischen Ansicht spielt der Islam eine wichtige Rolle, um die
Stadt Jerusalem als die Heilige Stadt zu gestalten, wo Toleranz und Frieden für alle Gläubigen möglich
sind.
Ein erstes Zeichen der islamischen Präsenz in Jerusalem wurde von ´Umar durch den Bau der ersten
Moschee gesetzt. Während der Herrschaft der ´Umayyaden (663-750 n. Chr.) verwandelte sich Jerusalem
in eine Stadt voller Pracht und Glanz. Ein umfassendes Bauprogramm wurde verwirklicht. Während des
Anfangs der ´umayyadischen Kalifen wurde das prächtigste Bauwerk nicht nur für Jerusalem, sondern
auch die gesamte islamische Welt gebaut; es wurde einer der schönsten Kuppelbauten der Welt überhaupt
errichtet, nämlich der Felsendom. Diese Kuppel beherrscht den ganzen Haram aš-Šarīf (Tempelberg) und
die ganze Stadt. Der Qubbat aš-Šakhra (der Felsendom) galt als Denkmal in Erinnerung an Muḥammads
nächtliche Himmelsreise im Jahre 691 n. Chr. Er wird als das älteste Bauwerk der islamischen Welt betrachtet. Ein Beweggrund für den Bau des Heiligtums und die Stärkung der Heiligkeit Jerusalems waren
die Rivalität mit dem Kalifen von Mekka und der Handel mit den Pilgern. Gelehrte sind der Meinung,
dass das Ziel des Baus des Felsendoms war, ein Gebäude zu schaffen, das dem Vergleich mit den prachtvollen byzantinischen Kirchen Jerusalems standhielt. Manche Gelehrte betonen, dass die Architektur des
Felsendoms mit der Hoffnung auf die Letzten Tage verbunden wurde.
Daneben wurde als Teil eines umfassenden Bauprogrammes die Aqṣā-Moschee von Abd al-Malik
und seinem Sohn und Thronfolger al-Walīd als Freitagsmoschee gebaut. Neben der Moschee ist eine Reihe von anderen Bauten, Toren und Palästen bzw. deren Ruinen geblieben, welche die wichtige politische
und religiöse Rolle Jerusalems während der ´umayyadischen Periode sichtbar machen.
74
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
3 Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
3.1 Jerusalem in den apokalyptischen Schriften
3.1.1 Grundzüge muslimischer Apokalyptik
Jerusalem wird in der muslimischen apokalyptischen Literatur als die messianische Hauptstadt bezeichnet.222 Bevor die Heilige Stadt Jerusalem aus der apokalyptischen Perspektive hervorgehoben wird, erfolgt
eine kurze Darstellung der traditionellen islamischen Apokalyptik. Das Hauptthema der Endzeit in der
islamischen Theologie ist die Bedeutung der „Stunde“ (as-sâ´a, „Stunde‘ uralter apokalyptischer Begriff,
wie „der Tag“ bzw. „die Tage, schon im AT ‫) הימים האלה‬. Darunter versteht der Koran entweder das
Jüngste Gericht oder die endzeitlichen Ereignisse von ihrem Beginn an bis zu ihrem Ende. Wie bei den
apokalyptischen Erwartungen aller anderen Religionen, vor allem im Christentum und im Judentum, galten auch im Islam dekadente, frevelhafte und chaotische Auswüchse in der Gesellschaft als Vorboten der
Endzeit. Die ursprüngliche eschatologische Szene des Islam beginnt mit dem Eintreffen der „bedeutenden
Zeichen der Stunde“, von denen einige im Koran und in den Ḥadīṯen überliefert werden.223 Diese Ereignisse sind bis heute noch nicht eingetreten, aber viele sagen, dass es Anzeichen dafür gibt, dass sie nahe
sind. Dazu zählen: die Ankunft des al-Dajjal (Antichristen) und des Mahdi; die Wiederkunft Īsā ibn Maryam (Jesus, der Sohn der Maria); die Erscheinung von Gog und Magog (Yajuj und Majug) nach Sure 18,
94-98; die Zerstörung der islamischen Gebetsrichtung in Mekka; das Ankommen des (apokalyptischen)
Daaba (Tiere) von Sure 27, 82; das Auftreten von Rauch; das Ertönen von Posaunen, die in der ganzen
Welt gehört werden können; drei Erdbeben im Osten, Westen und auf der arabischen Halbinsel; ein gro-
222
Vgl. Abū ´Abd Allāh Nu´aym ibn Hammād al-Marwazī, Kitāb al-fitan, Suhayl Zakkār, Beirut: Dār al-fikr,
1993, S. 218. David Cook ist der Meinung, dass Nu´aym ibn Hammād al-Marwazī (gest. 844) die erste Person
war, die die apokalyptischen Materialien sammelte und sie in einem Buch kompilierte. Es wird als „Kitab alfitan“ bezeichnet. Dieses Buch enthält verschiedene prominente Darstellungen des apokalyptischen Islam vom
7. bis 8. Jahrhundert. David Cook, a.a.O., S. 172. Vgl auch Amikam Elad, a.a.O., S. 160-163.
223
Bei Hughes werden mehrere „bedeutendere Zeichen der Stunde“ erwähnt. Einige davon zählen bei anderen
Autoren zu den „geringeren Zeichen der Stunde“. Vgl. Thomas Patrick Hughes, Lexikon des Islam, Wiesbaden:
Fourier Verlag GmbH, 1995, S. 60.
75
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
ßes Feuer im Jemen; ein Wind, der die Seelen der Gläubigen davonträgt; die Sonne, die im Westen aufgeht. Am Ende gipfelt die Endzeit im Endgericht.224
3.1.2 Die Räumungs- und Bauarbeiten auf dem Tempelberg durch die Muslime als eine Vorarbeit zum messianischen Erlösungswerk
Jerusalem gilt als zentrale Bühne des eschatologischen Ereignisses sowohl in der christlichen als auch in
der jüdischen Apokalyptik. Es ist daher nicht merkwürdig, dass die Bauwerke auf dem Tempelberg von
den Juden als eine Vorarbeit zur messianischen Wiederkunft aufgebaut wurden. Die Muslime wurden als
Befreier und Reiniger des Tempels angesehen, der von den Römern zerstört wurde, und bereiten so die
Befreiung durch die Nachkommen Davids vor.225
Im Gegensatz dazu werden die Muslime in den christlichen Apokalypsen als Vorläufer des Antichristen dargestellt.226 Aber für die Juden, die vorher in der byzantinischen Herrschaft eine Minderheit
gewesen waren und vor allem im 7. Jahrhundert n. Chr. die starken christlichen Verfolgungen erlebt hatten, bedeutete die Entstehung des Islam zweifellos eine Erleichterung. Der Kaiser Hadrian hat die Juden
135 n. Chr. aus Jerusalem vertrieben, und Jerusalem wurde zur heidnischen Stadt erklärt. Diese positive
Beurteilung der Muslime durch die Juden hat den Grund darin, dass die Muslime die Byzantiner aus dem
syrisch-palästinischen Gebiet vertrieben hatten. Hier sehen die Juden, dass die Prophezeiung der jüdischen
Eschatologie über die Vernichtung Edoms teilweise verwirklicht wurde. Hier wurde Edom als die christliche Macht angesehen. Die Christen allerdings hatten im östlichen Mittelmeergebiet vor der arabischen
Eroberung große Angst.227
Aus jüdischer Perspektive war die Ankunft der Muslime ein Zeichen für das Eintreten der Endzeit,
mit der die messianischen Erwartungen erfüllt werden würden. Die Juden hofften, dass ihr Gebetshaus vor
der Ankunft des Messias und während der muslimischen Herrschaft nicht mehr zerstört werden wird. Da-
224
Vgl. Thomas Patrick Hughes, a.a.O., S. 60-61.
225
David Biale, Counter-History and Jewish Polemics against Christianity: The Sefet toldot yeshu and the Sefer
zerubavel, Jewish Social Studies 6, 1999, S. 139-142.
226
Vgl. Robert G. Hoyland, Seeing Islam as others saw it: A Survey and Evaluation of Christian, Jewish and Zoroastrian Writings on Early Islam, Princeton: Darwin Press, 1997, S. 263-267.
227
Vgl. Teil 2.1.
76
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
rüber hinaus hofften auch die Juden, dass die Muslime ihnen erlaubten, sich wieder in der Stadt Jerusalem
anzusiedeln.228
Die Kontroverse zwischen den christlichen Byzantinern und der muslimischen Seite entstand hier auf
der Ebene des ideologischen und apokalyptischen Kampfes um Jerusalem. Der christliche Anspruch auf
Jerusalem als der apokalyptische Ort wurde in vielen kirchlichen Traditionen hervorgehoben.229 In diesem
Kontext wird gewissermaßen betont, dass es kein Volk und keine Herrschaft auf der Welt gibt, die die
Macht der Christen bezwingen kann. Zu den christlichen apokalyptischen Aufgaben des Messias gehört in
dieser Zeit die Vernichtung der muslimischen Araber. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Auseinandersetzung gegen die Juden, sondern gegen die Muslime, die Jerusalem als die christliche Heilige
Stadt von den Christen erobert haben.230 Die christliche antimuslimische Propaganda um den Anspruch auf
Jerusalem verbreitet sich auf der muslimischen Seite. Als Reaktion darauf hat der Kalif ´Abd al-Malik, der
im Jahr 693 n. Chr. den Felsendom am Ort des jüdischen Tempel errichtet hatte, die Koranverse an der
Wand des Felsendoms angebracht, die gegen die christliche Lehre über Inkarnations- und Trinitätslehre
aufgeschrieben sind. Beispielweise Sure 4,171, die am Felsendom zu lesen ist:
„Ihr Leute der Schrift! Treibt es in eurer Religion nicht zu weit und sagt gegen Gott nichts aus,
als die Wahrheit! Christus Jesus, der Sohn der Maria, ist nur der Gesandte Gottes und sein Wort, das
er der Maria entboten hat, und Geist von ihm. Darum glaubt an Gott und seine Gesandten und sagt
nicht (von Gott, dass er in einem) drei (sei)! Hört auf (so etwas zu sagen)! Das ist besser für euch.
Gott ist nur ein einziger Gott. Gepriesen sei er! (Er ist darüber erhaben) ein Kind zu haben. Ihm gehört (vielmehr alles), was im Himmel und auf der Erde ist. Und Gott genügt als Sachwalter.“ (Sure
4,171)231
Der ideologische Streit um Jerusalem wurde am Ende des 7. Jahrhunderts n. Chr. ausdrücklich zwischen Christen und Muslimen begonnen. Jüdische apokalyptische Ansprüche und Hoffnungen auf eine
zukünftige Wiedererrichtung des Tempels fanden kaum Resonanz in der aktuellen christlichen Debatte
innerhalb des muslimischen Herrschaftsbereiches.
228
Zur Ansiedlung von Juden in Jerusalem nach der muslimischen Eroberung vgl. Moshe Gil, a.a.O., S. 65-74.
229
Vgl. Christoph Markschies, „Die Bedeutung Jerusalems für die Antike Christenheit, in: Michael Konkel und
Oliver Schuegraf (Hg.), Provokation Jerusalem, Münster: Aschendorff, S. 85-125.
230
Vgl. G. J. Reinink, „Ps.-Methodius: a Concept of History in Response to the Rise of Islam,” in A. Cameron &
L. Conrad (Hg.), The Byzantine and Early Islamic Near East I; Problems in the Literary Source Material, Studies in Late Antiquity and Early Islam, I; Princeton: The Darwin Press, 1992, S. 149-188, hier S. 184.
231
Neben Sure 4,171 sind noch die folgende Suren am Felsendom angebracht: Sure 112; 33; 54; 17, 111; 19,3437. Nach der koranischen Übersetzung von Rudi Paret.
77
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
3.1.3 Īsā (Jesus) und Jerusalem als die Themen der Apokalypse für die Muslime
Zu den bedeutenden apokalyptischen Zeichen „der Stunde“ gehören im Islam das Erscheinen von Īsā ibn
Maryam und die Stadt Jerusalem als Ort der endzeitlichen Ereignisse. Aus dem Koran und den Ḥadīṯen
erfahren wir, dass trotz vieler Meinungsverschiedenheiten über die Wiederkunft von Jesus die meisten
orthodoxen Muslime an die Wiederkunft von Jesus glauben. Im Koran wird Jesus in den acht Suren als
Messias erwähnt. Trotzdem wird das Thema Jesus als Messias in einer Sure, bzw. Sure 5,17 abgelehnt:
„Ungläubig sind diejenigen, die sagen: ‚Gott ist Christus, der Sohn der Maria.‘ Sag: Wer vermöchte gegen
Gott etwas auszurichten, falls er (etwa) Christus, den Sohn der Maria, und seine Mutter und (überhaupt)
alle, die auf der Erde sind, zugrunde gehen lassen wollte (w. zugrunde gehen lassen will)?“
Olaf Schumann arbeitet heraus, dass sich einerseits im Koran kein Hinweis befindet, dass Christus
jetzt im Himmel lebt und wiederkommen wird. „Was ferner die im Hadīṯ enthaltenen Berichte um die
Wiederkunft Christi vor dem Jüngsten Gericht und die Aufgaben, die er dann zu erfüllen hat, betrifft, so
sind sich die islamischen Gelehrten darüber uneinig.“232 Andererseits verfasste der ebenfalls an der Azhar
lehrende, in Fez (Marokko) beheimatete Šaiḫ ´Abd Allāh Muḥammad aṣ-Ṣiddīq al-Ġumârī eine ausführliche Gegenschrift, der er den Titel „Aufrichtung des Beweises über die Wiederkunft Jesu am Ende der
Zeiten“ gab. In seinem Buch untersucht er ausführlich 22 Ḥadīṭe über die Wiederkunft Christi. Er kommt
zu dem Ergebnis, dass die meisten Muslime an die Traditionen in Bezug auf die Wiederkunft Christi glauben.233 In seinem zweiten Buch untersuchte er jene Traditionen über die Himmelsreise Muḥammads, der
Christus lebendig im zweiten Himmel traf. Al-Ġumârī betont auch, dass Christus seinen physischen Körper behält, um seine eschatologische Mission auf der Erde zu erfüllen.234 Olaf Schumann berichtet nicht,
ob Al-Ġumârī Jerusalem als der Ort der Wiederkunft Christi erwähnt.
Weiterhin werden Jesus und Maria von den Muslimen hoch gelobt. Īsā (Jesus) gilt zwar nicht als der
Sohn Gottes, aber als ein besonderer Prophet. Nach der islamischen apokalyptischen Tradition wird Jesus
232
Olaf Schumann, Der Christus der Muslime: Christologische Aspekte in der arabisch-islamischen Literatur, 2.
Aufl., Köln: Böhlau Verlag, 1988, S. 108-109. „1942 veröffentlichte Mahmud Saltut, eine Fatwa (religiösjuristisches Gutachten), die den Titel „Raf´ ´Isa“ (Die Entrückung Jesu) trug. In seiner Fatwa kommt er zu dem
Schluss, dass Christus auf Veranlassung Gottes zuerst wie alle Menschen gestorben sei und dann, damit sein
Körper vor seinen Feinden geschützt würde, entrückt würde.“
233
Vgl. Olaf Schumann, a.a.O., S. 110.
234
Vgl. Ebd.
78
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
am Ende der Zeit zunächst einmal vom Himmel ins Heilige Land hinuntersteigen. Dort wird Jesus als
vollkommener Muslim betrachtet.235 In einem Ḥadīṯ ist zu lesen, dass er zu diesem Zeitpunkt ein gelbes
Gewand tragen und sich auf die Flügel von zwei Engeln stützen wird. Eine andere Überlieferung sagt,
dass er zuerst in der Moschee von Jerusalem ankommen wird. Einige islamische Historiker interpretierten
sie so: Īsā wird das Christentum von der Trinitatslehre befreien, den Atheismus vernichten und den Islam
zur richtigen und einzigen Weltreligion erklären.236 Nach dem Koran ist Īsā nicht gestorben und auch nicht
von den Toten auferstanden: „Aber sie haben ihn (in Wirklichkeit) nicht getötet und (auch) nicht gekreuzigt“ (Sure 4,157). Er ist in den Himmel hinaufgestiegen, mit dem Ziel, dass er am Jüngsten Tag, als
„Messias“, auf die Erde zurückkommen und gegen das Böse kämpfen wird. Seine Wiederankunft wird als
ein Erkennungszeichen für das Jüngste Gericht angesehen: „Und er ist ein Erkennungszeichen der Stunde
(des Gerichts)“ (Sure 43,61).237 Das bedeutet, sein Erscheinen wird das Jüngste Gericht andeuten, wobei
er gegen Christen und Juden Zeugnis ablegen wird: „Und es gibt keinen von den Leuten der Schrift, der
nicht (noch) vor seinem Tode (der erst am Ende aller Tage eintreten wird) an ihn glauben würde. Und am
Tag der Auferstehung wird er über sie Zeuge sein“ (Sure 4,159)238 Laut dem Kommentar von Adel Theodor Khoury wird Jesus alles auslöschen, was gegen das Gesetz des Islam verstößt, wie Schweine töten und
er wird Symbole und Bauwerke abschaffen, die nicht zum harten orthodoxen Islam passen (wie Kreuze,
Kirchen und Synagogen). Īsā wird sich nicht auf die Seite der Juden und Christen stellen und alle Christen, die nicht an den Islam geglaubt haben, töten.239
In den Traditionen von Abu Dawud (gest. 888 n. Chr.) und Ibn Hanbal (Anfang des 9. Jahrhunderts
n. Chr.) steht, dass die Eroberung Jerusalems eines der Zeichen vom Ende der Zeit ist. In diesen beiden
235
Adel Theodor Khoury, Der Hadīth: Urkunde der islamischen Tradition, Band. IV, Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus, 2010, S. 142.
236
Die Aussage stammt unter anderem von Abu Huraira, einem treuen Gefährten Muḥammads. Thomas Patrick
Hughes, a.a.O., S. 365.
237
„Und bestimmt gibt es Wissen von der Stunde, also bezweifelt sie nicht und folgt mir, dies ist ein richtiger
Weg.“ (Sure 43,61)
238
„Und von den Leuten der Schrift gibt es keinen, außer er glaubt ganz bestimmt an ihn vor seinem Sterben, und
am Tag der Auferstehung ist er gegen sie Zeuge.“ (Sure 4,159)
239
Vgl. Der Koran, Übersetzung und wissenschaftlicher Kommentar von Adel Theodor Khoury, Band. 5, Gütersloher: Gütersloher Verlagshaus, 1994.
79
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
Überlieferungen berichteten sie über eine Darstellung, dass die Stadt Jerusalem in den letzten Tagen blühen wird. Diese Tradition wurde auch von Muhammad ´Abd-Allah überliefert.240
In der Ḥadīṯ-Literatur gibt es außerdem Traditionen, die die Rolle Jerusalems in der Endzeit erklären.
Einige der wichtigen Traditionen bezeugen, dass Jerusalem als der Ort des Jüngsten Gerichts gilt:
„People, whom God has protected from the Dajjal, will then come to Jesus who will wipe their
faces and tell them of the ranks they will have in paradise. While this is happening God will reveal to
Jesus that He has brought forth servants of His with whom no one will be able to fight and tell him to
collect His servants at at-Tur. God will then release Gog and Magog […] they […] will then journey
till they come to the mountain of thickets which is the mountain of Jerusalem and will say, ‘We have
killed those who are on the earth; come and let us kill those who are in heaven.’ They will then shoot
their arrows into the sky and God will send their arrows back to them dyed with blood [….].”241
Traditionen von Muqatil, Nu'aym und at-Tabari, die sich mit der Figur von Jesus befassen, werden
auch hier hervorgehoben. In diesen Traditionen wird Jesus nach Jerusalem bzw. dem Tempelberg zurückkehren und das Fadschr (das Gebet vor dem Sonnenaufgang) halten.242 Die Rückkehr von Jesus nach
Jerusalem findet nach dem heftigem Kampf mit Dajjal statt, wobei Jesus Dajjal am Lod Tor töten wird.243
In der islamischen Lehre ist das Verhältnis des Dajjal zum Iblis bzw. Shaitan, dem muslimischen Teufel,
ebenfalls verwischt wie in der christlichen Eschatologie das Verhältnis des Antichristen zu Satan. Das
Wort Dajjal stammt aus dem arabischen Verb dağala und bedeutet: betrügen oder beschwindeln.244 Außerdem vertreten viele Muslime in der islamischen Welt den Konsensus, dass der Dajjal ein Jude sein
wird.245 Ka´b al-Ahbār berichtet, dass der Dajjal aus banī Binyāmīn (Juden) abstamme.246
Es ist davon auszugehen, dass sich in den verschiedenen Koraninterpretationen und Hadīten viele
Überlieferungen über den Dajjal finden, weil er eine sehr wichtige Rolle in der islamischen Eschatologie
240
Vgl. Muhammad ‘Abd Allah, Mishkat Al-Masabih. James Robson (Übersetzer), Lahor: Sh Muhammad Asraf,
1965, S. 1134.
241
Guy LeStrange, a.a.O., S. 72-75.
242
Vgl. Ofer Livne-Kafri, “Jerusalem in Early Islam”, S. 400.
243
Vgl. Ebd., S. 401.
244
Der Shaitan oder Iblis stammt aus dem Reich der Dämonen. Er versucht, wo auch immer den Menschen zu
verführen. „Nachdem ihn Allah aus dem Paradies vertrieben hat, schwört Iblis, er werde den Menschen ständig
auflauern, um sie von dem geraden Weg abzubringen.“ (Sure 7,16-17)
245
Vgl. Yitzhak Reiter, a.a.O., S. 34.
246
Vgl. Moshe Gil, a.a.O., S. 64.
80
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
spielt. Aber sein Name und seine Tat werden nicht im Koran erwähnt, weil er nach islamischem Anblick
für abscheulich gehalten wird.247 Die Verbindung Jerusalems mit dem Dajjal findet sich aber nur in den
Literaturen Faḍā´il Bait al-Maqdis.248 In diesen Literaturen wird über den Dajjal erzählt, dass er am Ende
der Zeit die ganze Erde zerstören wird, außer den heiligen Städten, nämlich Mekka, Medina und Jerusalem. Auf diese Weise zeigt der Dajjal die Rangordnung der Heiligkeit der islamischen Städte an und betont die Heiligkeit Jerusalems für die Muslime. Aufgrund dieser Auslegung versuchten die Muslime immer, sich in Jerusalem oder in Mekka und Medina anzusiedeln.249
Nach den traditionellen muslimischen Überlieferungen begegnet Jesus dem islamischen Antichristen
in Lydda oder Lod.250 Der Dajjal wird dort mit einer Truppe von 70.000 Juden erscheinen. Es geht um
einen gewaltigen Kampf. Jesus wird den Dajjal töten, und kurz danach bekommt Jesus die volle Macht.
Zudem gibt es muslimische Überlieferungen, die davon sprechen, dass sich Jesus mit einer Frau aus
Judham verheiraten wird. Er wird zwei Kinder, nämlich Mūsā und Muḥammad, haben, die für einen unbestimmten Zeitraum in Jerusalem herrschen. Schließlich wird Jesus sterben und im Haus von Muḥammad
in Medina zusammen mit Muḥammad und Abū Bakr sowie ´Umar begraben.251 Allerdings besteht eine
große Meinungsverschiedenheit zwischen den Islamwissenschaftlern über die Tradition der Grabstätte
von Jesus in Medina. Einige Wissenschaftler interpretieren sie so, dass die Knochen des Propheten
Muḥammad, bevor Jesus in Medina begraben werden soll, schließlich nach Jerusalem gebracht würden.
Darüber hinaus wird nach der Tradition der Faḍā´il Bait al-Maqdis (das Lob der Vorzüge Jerusalems) die
Ka´ba schließlich von Mekka nach Jerusalem gesandt.252 Es muss außerdem daran erinnert werden, dass
Jesus nach islamischen eschatologischen Traditionen in Jerusalem ankommen wird, um die Muslime vom
Dajjal am Ende der Zeit zu befreien.253
247
Vgl. Livne-Kafri, The Sanctity of Jerusalem, S. 229.
248
Vgl. Josef Bernhard Rüling, Beiträge zur Eschatologie des Islam, Kreysing: Leipzig, 1895, S. 44-46.
249
Vgl. Livne-Kafri, “Jerusalem in Early Islam”, S. 400.
250
„Lod (hebräisch ‫; לוד‬arabisch ‫ ﺍﻟﻠﺪ‬,al-Ludd) ist eine Stadt in Israel. Sie liegt in der Nähe von Ono (1 Chr. 8,12)
und Jafo (Jos 19,46). Sie ist ein Zentralbezirk etwa 18 Kilometer östlich von Tel Aviv am Fluss Ajalon. Bis
1948 hatte die Stadt den Namen Lydda.“ Fritz Rienecker und Gerhard Maier, Lexikon zur Bibel, Wuppertal:
Brockhaus Verlag, 1994, S. 997.
251
Vgl. Richard Burton, Personal Narrative of a Pilgrimage to al-Madinah and Mecca, New York: Dover, 1964,
S. 325.
252
Vgl. Al-Wāsitī, Fadā´il al-Bayt al-Maqdis, S. 92-93.
253
Vgl. Moshe Gil, a.a.O., S. 64-65.
81
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
In einer Tradition unter dem Titel: Faḍā´il Bait al-Maqdis (das Lob der Verzüge Jerusalems) wird
behauptet, dass Jerusalem die Stadt der Auferstehung der Toten sein werde. Diese Tradition erwähnt ferner, dass sich in Jerusalem alle frommen Muslime am Tage des Jüngsten Gerichts versammeln werden.
Der zentrale Felsen im Felsendom wird von vielen Muslimen als der letzte Zufluchtsort benutzt, um vor
den Verfolgungen des Dajjal zu flüchten. Al-Maqdisi, der muslimische Historiker, schreibt in seiner
Überlieferung, dass Jerusalem in der Endzeit eine höhere Rangstufe für die islamische Welt einnehmen
wird als die beiden islamischen Städte Mekka und Medina.254 Darüber hinaus ist die arabische Inschrift
über dem bekannten Goldenen Tor in Jerusalem ein Hinweis auf die Letzten Tage, dass der Messias am
Ende der Zeit nach Jerusalem wiederkommen soll. Der Satz bezieht sich auf eine Intervention
Muḥammads, nicht Jesus, während des Tages der Auferstehung.255 Im Gegensatz zu den oben genannten
apokalyptischen Darstellungen kritisiert der berühmte mittelalterliche Gelehrte Ibn Taymiyya (1263-1328
n. Chr.) den Gedanken der Heiligkeit Jerusalems. Für ihn muss das Verständnis von Jerusalem als die
islamische Heilige Stätte abgelehnt werden, weil die Stadt als eine christlich-jüdische Kultstätte angesehen
werden muss.256 Festzustellen ist, dass Ibn Taymiyya sowohl Christen als auch Juden als ungläubig betrachtet.
Es gibt wahrscheinlich keinen Platz in dieser Welt wie den Tempelberg, wo die Grenze für die Gläubigen zwischen der Zukunft und der Gegenwart, den Mythen und den Realien und der Politik und dem
Glauben so fließend ist. Die apokalyptische Imagination bewirkt manche feindliche und gewaltsame Tatsachen in diesem Land. Das Verstehen der apokalyptischen Hoffnung auf dem Tempelberg führt zu den
anhaltenden Konflikten und stört den weltlichen Frieden. Es ist heutzutage schwierig, auf richtigen Frieden in Jerusalem zu hoffen, da die apokalyptische Ansicht jeder individuellen Religion nur ihren eigenen
Glauben über das Ende der Welt anerkennt, ohne das andere Verstehen des Weltendes zu berücksichtigen.
Dies verursacht, dass alle Friedensinitiativen in Jerusalem sich sehr mühsam und problematisch gestalten.
Auf dem Tempelberg konzentrieren und entwickelten sich alle zerstörenden, gewaltsamen und unmenschlichen Mythen über das Ende der Welt in jeder einzelnen monotheistischen Religion. Es ist unvermeidbar,
dass die apokalyptischen Mythen viele Kriege und Konflikte wie die Kreuzzüge im sogenannten Land
Gottes verursacht und befruchtet haben.
254
Vgl. Ghada Hashem Talhami, “The Modern History of Islamic Jerusalem: Academic Myths and Propaganda”
in: www.mepc.org/public_asp/journal_vol7/0002_talhami.asp. (Abgerufen am 25. Dezember 2011).
255
Vgl. Gershom Gorenberg, The End of Days – Fundamentalism and the Struggle for the Temple Mount, New
York: Diane Publishing Company, 2000, S. 72.
256
Vgl. Moshe Gil, a.a.O., S. 102-103.
82
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
3.2 Jerusalem als Pilgerziel der Muslime in den Berichten
der Pilgerväter
Vom Beginn der Periode der ´Umayyaden an kamen muslimische Besucher und Pilger nach Jerusalem,
um an den heiligen Plätzen zu beten. Die Pilger besuchten hauptsächlich den Haram. Außerdem bezog die
Reiseroute der Pilger das Heiligtum oder die Mihrāb Dāwūd (Gebetsstätte Davids), den Fluss Silwān, den
Ölberg und das Tal von Gehenna (in der Hauptsache die Marienkirche) ein.
3.2.1 Pilgerrituale auf dem Haram während der frühen islamischen Zeit
Um die Ritualzeremonie in Jerusalem darzustellen, wird v. a. die monumentale Arbeit von Sibt b. al-Jawzī
mit dem Titel „Mir'āt al-Zamān“ herangezogen. „Mir'āt al-Zamān“ wurde von einigen ausgezeichneten
frühen muslimischen Historikern überliefert: von Muhammad b. al-Sā´ib al-Kalbī (gest. 763 n. Chr.), seinem Sohn Hishām (gest. 819 n. Chr.) und al-Wāqidī (gest. 823 n. Chr.).257 Nach ihren Angaben war der
Felsendom für das Publikum nur montags und donnerstags offen. Während der anderen Wochentage durften ausschließlich befugte Wärter das Gebäude betreten. Diese Wärter hatten Reinigungszeremonien zu
beachten, wechselten ihre Kleidung, verbrannten Duftstoffe und übergossen den Felsen mit allen Arten
von Parfümen. Gebete wurden gehalten, nachdem Duftstoffe verbrannt wurden.258 Der Islam legt besonderen Wert auf Sauberkeit und ein gutes Erscheinungsbild. Kostbare Düfte wurden in der frühen islamischen
Zeit verwendet, um die Sauberkeit und das Erscheinungsbild der Moschee und anderer Gebäude in Jerusalem aufrechtzuerhalten.259 Diese Überlieferung erwähnt auch, dass ein wichtiger Teil der Zeremonien
während der Zeit der ´Umayyaden um den schwarzen Stein stattfand, der auf den Fußboden neben dem
Nordtor des Felsendoms gesetzt wurde.260
257
Vgl. Sibt b. al-Jawzī, „Mir´āt al-Zaman“, in: Amikam Elad, „Why did ´Abd al-Malik build the Dome of the
Rock? A Re-Examanation of the Muslim Sources,” in: J. Raby und J. Johns (Hg.), Al-Haram al-Sharīf: ´Abd
al-Malik´s Jerusalem, Oxford Studies in Islamic Art, Vol. IX, S. 3.
258
Vgl. Livne-Kafri, „Jerusalem in Early Islam,“ S. 327.
259
Jusuf al-Qaradawi, Erlaubtes und Verbotenes im Islam, Ahmad v. Denffer (Übersetz.), München: SKD Bavaria
Verlag, 1989.
260
Vgl. Amikam Elad, a.a.O., S. 78-79.
83
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
Als Nächstes beschrieb Nāsir-i Khusraw, der Jerusalem 1047 n. Chr. besucht, einige Hauptriten von
dem Hadsch in Jerusalem, wie den wuqūf261 und das 'īd al-adhā (Opferfest) für diejenigen, die den Hadsch
nach Mekka nicht durchführen können. Al-Ya´qūbī erwähnt, dass der Ritus des tawāf262 im Felsendom
statt in Mekka stattfand. Der Kalif ´Abd al-Malik wies die Muslime an, den heiligen Fels im Felsendom zu
umkreisen. Als das Volk schrie und fragte, warum der Kalif ´Abd al-Malik sie von der Wallfahrt des Gotteshauses des Haram in Mekka abhielt, antwortete er nach der zitierten Tradition des Ibn Schihab alZuhri.263 Dort sagte der Prophet Muḥammad, dass man nur zu drei Gotteshäusern reisen soll: nach Mekka,
Medina und Jerusalem. Der Kalif ´Abd al-Malik baute nun über dem Fels eine Qubba (Kuppel), hing
Vorhänge von Brokat daran, setzte Türhüter vor sie ein und hielt das Volk dazu an, Prozessionen darum
zu vollziehen wie um die Ka´ba. Dabei blieb es während der Zeit der ´Umayyaden.264
Einige Pilger kamen vor der Periode des hadsch oder ´umra nach Jerusalem,265 um in einen Zustand
der rituellen Weihe einzutreten. Vor dem Betreten des heiligen islamischen Ortes auf dem Haram in Jerusalem muss man sich durch einen Ritus reinigen. Wer nach Jerusalem pilgert, zieht ein weißes unsäumtes
Gewand an, das ihrām oder ihlāl genannt wird, und darf anschließend an der Pilgerfahrt hadsch oder
´umra in Jerusalem teilnehmen. W. Montgomerry Watt sagt dazu:
„Während des Ritus ihrām sprechen oder rufen die Pilger zum ersten Mal die talbiya aus, eine
alte Formel, deren Ursprung und Bedeutung noch nicht ganz geklärt ist. Das Schlüsselwort ist
labbayka, was so viel wie ,zu deinen Diensten‘ oder ,hier bin ich‘ bedeuten soll. Die talbiya hat verschiedene Formen, von denen labbayka allāhumma (,Zu deinen Diensten, o Gott!‘ die üblichste ist.
261
„Wuqūf bezeichnet das Stehen im Bereich des Berges Arafat (25 km östlich von Mekka), der als „Berg der
Vergebung“ genannt wird. Dort wird Gott um Vergebung gebeten, was bei den Pilgern der emotionalste Teil
der Wallfahrt ist.“ W. Montgomerry Watt und Alford T. Welch, Der Islam: Mohammed und die Frühzeit - Islamisches Recht - Religiöses Leben, Köln: Verlag W. Kohlhammer, 1980, S. 342.
262
„Tawāf (‫ )ﻁﻮﺍﻑ‬ist eines der Rituale der islamischen Pilgerfahrt nach Mekka. Während der Hadsch und der
Umrah umkreisen Muslime die Ka´ba in der Al-Haram Moschee sieben Mal gegen den Uhrzeigersinn. Danach
versuchen sie, den Heiligen Stein, der in der Südostecke der Ka´ba in Silber gefaßten Meteoriten zu küssen und
zu berühren.“ Ebd., S. 333.
263
Vgl. Max Küchler, Jerusalem, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht GmbH, 2007, S. 237.
264
Vgl. Ebd., S. 238.
265
„Bei der Wallfahrt wird unterschieden zwischen der kleinen Wallfahrt, der „Umra“ (arabisch ‫ﻋﻤﺮﺓ‬,´umra), die
meistens im Frühjahr stattfindet, aber auch zu jeder anderen beliebigen Jahreszeit vollzogen werden kann und
der großen Wallfahrtm, dem Hadsch, die im Pilgermonat ‚Dhu al-Hidscha‘ stattfindet. Die Umra beschränkt
sich auf die individuellen Riten, die der Pilger in Mekka verrichtet.“ Bettina Kuß, Die Wallfahrt im Islam, Norderstedt: Grin Verlag, 2004, S. 3.
84
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
Man versteht das als Antwort auf Gottes Aufforderung, die Wallfahrt zu machen, und sie wird während der Wallfahrtzeremonien oft wiederholt.“266
Später, während der Herrschaft von ´Abd al-Malik, gewöhnten sich die Muslime an, in der Nähe des
heiligen Felsens zu stehen, wobei dieser Ritus wie der wuqūf in Mekka verstanden wurde. Sie umkreisten
den heiligen Fels siebenmal, so wie sie um die Ka´ba wandelten. Wie die Ka´ba wurde der Felsendom in
Jerusalem als Ort der Begegnung mit Gott gedeutet. Udo Tworuschka hält zu diesem Thema fest:
„Der Rundlauf um den heiligen Felsen ist Ausdruck der Schöpfungsharmonie. Der auf sein Ego
fixierte Mensch steht außerhalb, als Fremder und vereinzelt und ist er ein Nichts. Der tawāf (Rundlauf) bringt die monotheistische Weltanschauung zum Ausdruck, dass Gott das Zentrum der Welt ist
und Gott der Dreh- und Angelpunkt dieses Kreislaufes ist.“267
Schließlich schlachteten die Pilger während des ´īd al-adhā (Opferfest) Tiere in Jerusalem. Gemäß
einer anderen Überlieferung nach Hishām al-Kalbī und nach Muhammed b. ´Umar al-Wāqidi beschuldigte
´Abd Allāh b. al-Zubayr, der der konkurrierende Kalif in Mekka war, 'Abd al-Malik, dass er den Tawāf
um das Gotteshaus in Mekka dem Heiligtum der Kinder Israels anpasste. Die Gewohnheit des tawāf in
Jerusalem wurde durch den Kampf zwischen 'Abd al-Malik und 'Abd Allāh Ibn Zubayr stimuliert. Werner
Caskel hält dazu fest: „´Abd al-Malik hinderte die Syrer an der Pilgerfahrt (nach Mekka AP), weil Ibn azZubair sie dabei zur Huldigung nötigte.“268 Es gibt auch eine Prophetenüberlieferung, die den Hadsch
nach Jerusalem betont:
„Man reist nur nach drei Stätten, um zu beten: nach der Heiligen Bestätte (an der Ka´ba in
Mekka), nach meiner Betstätte (in Medina) und nach der Betstätte im Heiligen Hause (das ist Jerusalem). Diese wird euch die Heilige Bestätte ersetzen und der Fels, von dem überliefert ist, der Gesandte Gottes hat seinen Fuß auf ihn gesetzt, als er zum Himmel aufstieg, die Ka´ba.“269
Zusätzliche Zeugnisse über den Ritus wuqūf auf dem Haram in Jerusalem stammen aus späteren Perioden. Nach Goitein beschreibt Nāsir-i Khusraw, außer dem Ritus des tawāf um den heiligen Felsen im
Felsendom. Er erläutert auch den Opferdienst ´Īd al-Adhā auf dem Haram für die Muslime, die nicht auf
266
„Der ihrām für Männer besteht aus zwei Stücken Stoff, dem izār, der um den Unterkörper drapiert wird und
von der Taille bis zu den Knöcheln reicht, und der rīda, die über die linke Schulter geworfen wird. Für Frauen
sind ein ungemustertes, weißes Gewand und eine Kopfbedeckung ohne Schleier üblich. Das Anlegen dieses
symbolischen Gewandes wird von gewissen rituellen Handlungen begleitet. Ehe man sich in den ihrām hüllt,
verrichtet man eine größe Waschung, und gleich darauf eine besondere salāt (Gebet).“ W. Montgomerry Watt,
a.a.O., S. 332-333.
267
Udo Tworuschka, „Islam“, in: Udo Tworuschka (Hg.), Heilige Stätten, S. 80.
268
Werner Caskel, a.a.O., S. 25.
269
Nach dem Zitat von Werner Caskel, Ebd.
85
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
die Pilgerfahrt nach Mekka gehen konnten.270 At-Turtushi, der während des letzten Jahrzehnts des 11.
Jahrhunderts n. Chr. in Jerusalem war, merkt an, dass sich am Tag von ´Arafat die Muslime aus Jerusalem
und den Nachbardörfern in der Moschee in Jerusalem versammeln und beten. Sie wandten ihre Gesichter
nach Mekka und erhoben ihre Stimmen in du'ā´ (Bittgebet), als ob sie vor dem Berg ´Arafāt bei Mekka
gestanden hätten.271 1189 n. Chr. reiste Sultan Salāh Al-Dīn von Safad nach Jerusalem ausdrücklich zu
dem Zweck, dort den Opferdienst zu feiern. Ibn Taymiyya erzählt ebenfalls von der Existenz des Ritus
Wuqūf in Jerusalem.272 Durch diese verschiedenen Riten entstand das islamische Verständnis, dass den
Pilgern nach dem Vollzug der Wallfahrt ihre Sünden von Gott vergeben werden.273
Seit dem Anfang der Epoche der ´Umayyaden berichten viele Überlieferungen, dass die Pilger aufgefordert wurden, nach Jerusalem zu pilgern und dort zu beten, insbesondere die Traditionen Faḍā´il alShām (das Lob der Verzüge Syriens) und Fada'il al-Quds (das Lob der Vorzüge Jerusalems").274 Wegen
der beiden Überlieferungen kamen die Pilger nach Jerusalem aus nahe gelegenen Ländern wie Syrien
sowie ebenfalls aus entfernten Gebieten. Sie pilgerten mit der Hoffnung nach Jerusalem, dass sie dort die
Erfahrung der Begegnung mit Gott machen würden. Als Pilger und Anbeter den Felsendom betraten, fanden sie, dass es den Weg vollkommen symbolisierte, auf dem sie Gott fanden.275 Weiterhin reisten mehrere wichtige islamische Denker nach Jerusalem, um sich vor dem Hadsch in den Zustand des Ihrām zu
begeben, nämlich: ´Abdallāh b. ´Umar (gest. ca. 693 n. Chr.), ´Abdallāh b. Al-´Abbās (gest. 678 n. Chr.),
Mahmūd b. Al-Rabī´ und Abū Nu´aym (gest. 717 n. Chr.).276
Die Faḍā'il al-Quds (das Lob der Vorzüge Jerusalems) spielt eine große Rolle, um die Bedeutung der
Heiligkeit Jerusalems deutlich zu machen. F.E. Peters hält dazu fest:
„Allerdings wurden sie nicht als historisches Dokument geschrieben, sondern aus Gründen der
Propaganda. Sie waren das wichtigste literarische Hilfsmittel, mit dem zuerst Zangi (reg. 1127-1146
n. Chr.), dann Nur ad-Dīn (reg. 1146-1174 n. Chr.) und schließlich Ṣalāḥ ad-Dīn (reg. 1174-1193 n.
270
Vgl. S. D. Goitein, Studies, S. 137.
271
Vgl. M. J. Kister, a.a.O., S. 105.
272
Vgl. Ebd., S. 105.
273
Sure 2,198-199.
274
Vgl. Livne-Kafri, The Sanctity of Jerusalem, S. 278-279.
275
Vgl. Ebd., S. 280-281.
276
Vgl. Ebd., S. 157-164.
86
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
Chr.) die Helden der Muslime zur Wiedereroberung Jerusalems von den fränkischen Eindringlingen
weckte. Faḍā´il al-Quds wurden in den Moscheen Syriens laut vorgelesen. Sollten sie auch anderswo
gelesen worden sein, so zeigten sie erstaunlich wenig Wirkung und forderten die Muslime auf, sich
am Krieg zur Wiedergewinnung der heiligen Stadt Jerusalem und des Heiligen Landes Palästina zu
beteiligen. Und spätere Versionen desselben Werkes drängten die Muslime nicht nur dazu, Jerusalem
zu besuchen oder für Jerusalem zu kämpfen, sondern auch, sich dort niederzulassen.“277
Jerusalem wurde zu einem einzigartigen Zentrum für die zuhhād (frühe Asketen und muslimische
Mystiker), die die Tradition Faḍā'il al-Quds entwickelten. Einige von ihnen wohnten in der Stadt, wohingegen andere Pilger aus allen Ecken der islamischen Welt kamen. Sie verbanden häufig ihren Besuch in
Jerusalem mit Besuchen in anderen ribātāt (Grenzgebiete) in Palästina und anderen Teilen der muslimischen Welt. Leider gibt es keine Liste der heiligen Orte in Jerusalem, die sie besuchten, oder Angaben
dazu, wo sie beteten.278
Durch viele Belege und aus unterschiedlichen Überlieferungen aus der Zeit der ´Umayyaden bis in
den Anfang der Periode der Abbasiden kann als sicher angenommen werden, dass muslimische Pilger die
folgenden Orte besuchten: den Haram, dort z. B. den Felsendom, die Aqṣā-Moschee,279 den Qubbat alNabī (Dom des Propheten), auch bekannt als Qubbat Jibril (Dom des Gabriel),280 den Qubbat al-Mihrāb
(Dom der Gebetsnische) oder die Mihrāb al-Nabī (Gebetsnische des Propheten), den Qubbat al-Mi´rāj
(Himmelfahrtsdom)281 und den Qubbat al-Silsila (Kettendom).282 Mehrere Tore auf dem Haram waren
Teil der Pilgertour: Bāb al-Dhahabi (das Goldene Tor), Bāb al-Hitta (das nördliche Sühnetor), Bāb alSakīna (das westliche Tor der Gegenwart Gottes)283 und Bāb al-Asbāt (das nordöstliche Stämmetor).
Schließlich gab es zusätzliche Orte außerhalb des Haram, wie Mihrāb Dāwūd, den Fluss Silwān und den
Ölberg.284
277
Francis E. Peters, „Islamische Pilgerreisen“, in: Gennaro Ghirardelli (Übers.), Hendrik Budde und Andreas
Nachama (Hg.), Die Reise nach Jerusalem, Berlin: Argon Verlag GmbH, 1996, S. 40-43, hier S. 41.
278
Vgl. Isaac Hasson, “Muslim Literature in Praise of Jerusalem,” S. 171-172.
279
Vgl. Ebd., S. 71.
280
Vgl. Andreas Kaplony, a.a.O., S. 310.
281
Vgl. Amikam Elad, a.a.O., S. 73-74.
282
Vgl. Ebd., S. 47-48.
283
Vgl. Ebd., S. 109-113.
284
Vgl. Andreas Kaplony, a.a.O., S. 68.
87
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
Es ist interessant zu beobachten, wie die islamische Pilgerreise während der Nachkreuzzugszeit, unter den Mamluken und den Osmanen aussieht:
„[…] scheint Jerusalem zwei Typen muslimischer Besucher angezogen zu haben. Die ersten
waren die „Verweilenden“, bekannt auch aus anderen Städten mit muslimischen Schreinen. Es waren
oft Gelehrte oder noch häufiger Sufi, die dort für kurze Zeit lebten und an der Segenskraft der heiligen Stadt teilhaben wollten. Muslimische Freigebigkeit sorgte vom 13. bis zum 15. Jahrhundert n.
Chr. für die Stiftung einer Anzahl von Konventen und Rechtsschulen am nördlichen und westlichen
Rand des Haram, um Besucher unterzubringen. Die zweite Gruppe von Besuchern kam im Zusammenhang mit dem muslimischen Hadsch, nicht um, wie vorher erwähnt, das Ritual von Mekka durch
eines in Jerusalem zu ersetzen, sondern vielmehr, um dort in der Stadt, die muslimische Frömmigkeit
damals als die drittheiligste Stadt des Islam überhaupt anerkannte, die lange Reise über Land nach
Mekka anzutreten. Jeder Pilger sollte Mekka während des Hadsch in Ihram (gereinigtem Zustand)
betreten, und es galt als besonders verdienstvoll, die Reinigungszeremonien in Jerusalem zu vollziehen und ihre Vorschriften auf dem ganzen Weg nach Mekka zu beachten. Der Besuch wurde ohne
Zweifel durch den Umstand erleichtert, dass Damaskus einer der Ausgangspunkte der Karawanen
nach Mekka und Jerusalem war.“285
Diese Besuche sind ein Zeichen, wie das spirituelle Gefühl der Besucher in der Stadt Jerusalem
wuchs, wo sie die Erfahrungen mit Gott erleben konnten.
3.2.2 Jerusalem als ein Ort der islamischen Erinnerung und die eschatologische Völkerwallfahrt
„Nur zu drei Moscheen sollt ihr eure Reittiere satteln: zur Heiligen Moschee, der Ka´ba, zu meiner Moschee, d. h. im Munde des Propheten: Medina, und zur Ferneren Moschee, also dem Jerusalemer Heiligtum.“286 Josef van Ess äußerte die Meinung, dass es eine Beziehung zwischen der kosmischen Tradition in
der jüdischen Haggada und der Motivation zur Errichtung des Felsendoms gibt.287 Es scheint so, dass die
muslimischen ´Umayyaden die Geschichte der Weltschöpfung in der jüdischen Tradition betrachteten,
bevor sie den Felsendom gebaut haben. In dieser kosmischen Tradition schuf Gott den Himmel und die
Erde in sechs Tagen, und danach ließ Gott seine Fußabdrücke auf einem Felsen zurück und stieg in den
Himmel auf. Diese Tradition kann natürlich nicht als die wichtigste Grundlage für die Errichtung des Felsendoms verwendet werden, aber zumindest ist van Ess der Meinung, dass die ´Umayyaden diese jüdische
285
Francis E. Peters, „Islamische Pilgerreisen“, S. 41.
286
Zum sozioreligiösen Kontext des Ḥadīṯ, siehe. M.J. Kister, “You shall only set out for Three Mosques”, in:
M.J. Kister (Hg.), Studies in Jāhiliyya and Early Islam, London: Variorum Reprints, 1980, S. 173-196.
287
Vgl. Josef van Ess, “Abd al-Malik and the Dome of the Rock: An Analysis of Some Texts”, in: Julian Raby
und Jeremy Johns (Hg.), Baytal al-Maqdis: Abd al-Malik´s Jerusalem I, London: Oxford University Press,
1992, S. 33-58.
88
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
kosmische Geschichte bedachten. Der Felsendom wird auch als ein Wallfahrtsort angesehen, wo
Muḥammad mit anderen Propheten zusammen betete. Die Beziehung zwischen Gott und seinen Propheten
wird ablesbar in den koranischen Inschriften im Felsendom, wie die Sure 33,56. Die Beziehung Gottes zu
seinen Propheten wird als die Begegnung zwischen dem Himmel und der Erde in Jerusalem betrachtet.
Diese Begegnung wird weiterhin durch das Ereignis des Jüngsten Gerichts bestärkt und beendet.288
Die Himmelsreise Muḥammads spielt eine wichtige Rolle im Koran, wie in der Sure 33,56 erwähnt
wird: „Er, der ,im Himmel wie auf Erden, hoch geachtet ist, über dem Gott und seine Engel den Segen
sprechen.“ Jerusalem gilt als der eschatologische Ort für die Muslime, weil von dort ihr größter Prophet in
den Himmel aufgefahren ist. Seine Himmelsreise und Entrückung symbolisiert das Ereignis der Endzeit,
wo der Messias zur Erde kommen würde. Darüber hinaus betont auch die islamische Literatur das Leben
von Jesus, der als einer der Gründer der monotheistischen Religionen, des Christentums, betrachtet wird.
Muḥammad traf sich mit Jesus auf seiner Himmelsreise. Außerdem bekam Muḥammad den Auftrag Gottes, dass die Muslime regelmäßig fünfmal im Tag beten müssen. Alle diese Ereignisse sind die himmlische Erinnerung, die der Errichtung des Felsendoms zugrunde liegt. Das Ziel der Errichtung des Felsendoms während der ´Umayyaden nach Angelika Neuwirth ist es, die außergewöhnliche Erinnerung an
Muḥammad zu bewahren.289
Jerusalem ist nach Neuwirth ein Ort, wo Himmel und Erde sich treffen und Zeit und Ewigkeit
unbegrenzbar sind. Der Felsendom, der Kettendom, das Gebiet von Haram as-Sarif und das Verständnis
von Jerusalem als Omphalos Mundi (Nabel der Welt) beziehen sich auf die eschatologische Stadt Jerusalem, wo auch das Jüngste Gericht stattfinden wird. Der östliche Teil von Jerusalem oder Bab ar-Rahma
wird nach vielen Überlieferungen an der Endzeit für die Selige geöffnet werden. Der nördliche Teil wird
der Ort der ewigen Strafe sein, und letztlich wird der nordwestliche Teil von Jerusalem als Ort der Auferstehung der Toten dienen. Neuwirth betont:
„Der Haram von Jerusalem ist also ein Wallfahrtsort im doppelten Sinne, für die Muslime als
ein Ziel in der Zeit zur Ehrung Muḥammads, für die Menschen insgesamt aber als Ziel der eschatologischen Völkerwallfahrt, als Szenario des Jüngsten Gerichts.“290
288
Vgl auch Angelika Neuwirth, „Jerusalem – Ein Ort in islamischer Erinnerung,“ in: Hendrik Budde und Andreas Nachama (Hg.), Die Reise nach Jerusalem, Berlin: Schloss Charlottenburg, 1995, S. 24-31, hier S. 30.
289
Vgl. Ebd.
290
Ebd.
89
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
Abbildung 2
1.
Die Reiseführer der muslimischen Pilger zu den heiligen Orten in Jerusalem gemäß Ibn alMurajjā (Anfang und Mitte des 11. Jahrhunderts) 291
Qubbat al-Sakhra (der Felsendom): 1.a. al-Balāta al-Sawdā (der schwarze Stein); 1.b. al-Maghāra
(die Höhle); 1.c. Maqām al-Nabī (das Heiligtum des Propheten); 1.d. Bāb Isrāfīl (das Tor des Engels
Israfil)
2.
Qubbat al-Silsila (der Kettendom)
3.
Qubbat al-Mi´rāj (der Himmelfahrtsdom)
4.
Qubbat al-Nabī (Dom des Propheten)
5.
Bāb al-Rahma (Tor der Barmherzigkeit)
6.
Mihrāb Zakariyyā (Gebetsstätte von Zacharias)
291
Amikam Elad, a.a.O., S. xviii-xix.
90
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
7.
Kursī Sulaymān (Thron Salomos)
8.
Bāb al-Sakīna (Tor der Einwohnung)
9.
Bāb Hitta (Sühnetor)
10. Al-Masjid al-Aqsā (al-Aqṣā Moschee): Mihrāb ´Umar; Mihrāb Mu´āwiya
11. Bāb al-Nabī (Tor des Propheten)
12. Mihrāb Maryam (Gebetsstätte von Maria)
13. Al Mawdi´ alladhī Kharaqahu Jibrīl ´alayhi al-salām bi-isba´ihi wa-shadda fihi al-Burāq (Der Platz,
wo al-Burāq vom Erzengel Gabriel angebunden wird)
14. As-Sāhira (der Ölberg)
15. Mihrāb Dāwūd (Gebetsstätte von David)
3.3 Zusammenfassung
Manche Überlieferungen bildeten den Vergleich zwischen Jerusalem und den beiden anderen Städten
Mekka und Medina. Trotz der Heiligkeit der drei Städte war Jerusalem für viele muslimische Historiker
und Asketen noch wichtiger wegen ihres spirituellen Charakters als die beiden anderen Städte.
Die Heiligkeit Jerusalems ist immer verbunden mit den eschatologischen Darstellungen, und steht
somit im Mittelpunkt der Apokalyptik aller drei monotheistischen Religionen. Al-Quds (Jerusalem) ist für
die Muslime wichtig, weil nach vielen islamischen Traditionen der Messias oder Īsā wieder nach Jerusalem kommen wird, um die wahren Muslime zum Himmel zu führen. Außerdem gab es damals eine eschatologische Erwartung der Juden, dass die Muslime den jüdischen Tempel wieder errichten würden. Die
jüdische Erwartung der Wiedererrichtung des Tempels durch die Muslime verursachte große Angst bei
91
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
den Christen, weil ihre Macht in Jerusalem durch die jüdisch- und muslimische Seite geschwächt werden
könnte. Es gab auch islamische Traditionen, die erwähnen, dass Īsā (Jesus) als der muslimische Messias
den Dajjal töten wird. Dajjal wurde bei vielen Muslimen als ein Jude von Banī Binyāmīn bekannt. Das
führt dazu, dass die drei abrahamitischen Religionen die Ankunft des himmlischen Messias in der Stadt
Jerusalems in ihrer eigenen Perspektive schildern. Die Endzeit wird immer als Erlösung für die eigene
Glaubensgemeinschaft betrachtet, abgesehen von anderen religiösen Gruppen. Es muss gestanden werden,
dass die eschatologischen Bilder die Heiligen Elemente Jerusalems formen, damit die Stadt besucht wird.
Leider führt auch das apokalyptische Verständnis der eigenen Religionen zu einer langen Auseinandersetzung zwischen den Gläubigen in der Heiligen Stadt. Es besteht kein Zweifel daran, dass das Thema der
Apokalyptik meist Auseinandersetzungen zwischen drei monotheistischen Religionen verursacht. Eine
gemeinsame Aussage und eine kritische Forschung über das Thema Eschatologie muss m.E. von allen
Gläubigen getroffen werden, damit die eschatologische Hoffnung durch Frieden und Jenseits für alle möglich ist.
Die Heiligkeit Jerusalems wurde von den ´Umayyaden hervorgehoben, wobei sie am Ende des 7.
Jahrhunderts n. Chr. durch ´Abd al-Malik und seinen Sohn Walīd das Monumentalgebäude bzw. den Felsendom und die Aqṣā-Moschee erbauten. Es gibt zwei Motive, warum die ´Umayyaden die beiden prächtigen Gebäude als das Ziel der muslimischen Pilgerfahrt errichteten. Zuerst hatten muslimische Besucher
auf dem Weg nach Jerusalem den Wunsch, dort zu sterben und begraben zu werden, um den Himmel zu
betreten. Dieser Wunsch ist seit Langem mit vielen eschatologischen Assoziationen sowohl der Christen
als auch der Muslime verbunden. Auch gab es eine geistliche Hoffnung in den Herzen der Pilger, dass,
wenn sie im Felsendom beteten oder auf die Pilgerfahrt gingen, würden ihre Gebete von Gott erhört und
ihre Sünden vergeben. Das zweite Motiv liegt im politischen Aspekt. Viele Muslime waren nach Jerusalem gekommen, weil sie nicht in der Lage waren, den Hadsch nach Mekka zu machen. Sie vollzogen
stattdessen die vorgeschriebenen Rituale und das Opfer auf dem Tempelberg in Jerusalem, wiewohl gegen
Mekka gerichtet. Die Konkurrenz zwischen den beiden Kalifen, bzw. den Umayyaden in Damaskus und
Ibn Zubayr in Mekka führt dazu, dass Jerusalem statt Mekka und Medina als die alternative Pilgerfahrt für
Muslime, die die ´Umayyaden unterstützt haben, ermöglicht wurde. Die Berichte der Pilger erläutert, dass
die Muslime ihre Hadsch-Riten in Jerusalem so wie in Mekka durchführten.
Die verschiedenen Plätze, die in der islamischen Anfangszeit von den muslimischen Pilgern besucht wurden, zeigten eine Kontinuität der ehemaligen Traditionen, bzw. jüdisch- und christlichen Traditionen. Die muslimischen Pilger in der frühen islamischen Zeit vergaßen nie, dass ihre Präsenz in Jerusalem nicht von den anderen Glaubensgemeinschaften getrennt werden konnte. Von daher kann ein gemeinsames und miteinander respektvolles Leben zwischen den Gläubigen in der Heiligen Stadt wieder entwi92
Jerusalem in den apokalyptischen Schriften und den Berichten der Pilgerväter
ckelt werden, so dass ihre religiösen und gesellschaftlichen Traditionen für immer miteinander verbunden
bleiben.
93
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
4 Jerusalem
zwischen
Kreuzzügen
und
Ğihād – Die Heilige Stadt zwischen 1095
und 1187 aus christlicher und muslimischer Perspektive
4.1 Einleitung
Der erste Kreuzzug mit der Eroberung Jerusalems am 15. Juli 1099 n. Chr., die der Höherpunkt der
Kreuzzugsbewegung war, gehört zu den wenigen Ereignissen der mittelalterlichen Geschichte, die sowohl
in der kulturellen Erinnerung Europas wie des Nahen Ostens verankert sind. Schon vor dem Ende des 11.
Jahrhunderts n. Chr. hatte die Stadt Jerusalem mehrfache Bedeutung erlangt: Als alttestamentliche Stadt
Davids, als neutestamentlicher Ort der Wirkungsstätte Christi, als apokalyptischer Ort, als Anfangspunkt
der nächtlichen Reise Muḥammads – als Heilige Stadt in Palästina. Nach der Eroberung von 1099 n. Chr.
bekam sie zusätzlich die Bedeutung als Zentrum des Königreichs Jerusalem. So vielschichtig wie die Bedeutungen sind auch die Bilder von Jerusalem und die Mythen, die über diese Stadt entstanden sind.292
Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Geschichte Jerusalems während der Kreuzzüge. Die Darstellung beschränkt sich auf den Zeitrahmen 1096-1187 n. Chr., weil sich in diesem Zeitrahmen die religiösen
und politischen Perspektiven der Kreuzzüge und des Ğihād besser analysieren lassen als die der anderen
Kreuzzüge (1187-1192 n. Chr.). Besonders die Vorstellungen von Ğihād und von Kreuzzug werden hervorgehoben. Für die Europäer war der islamische Ğihād eine Bedrohung. Für die Muslime stellten umgekehrt die Kreuzzüge und später der Kolonialismus eine vergleichbare Bedrohung dar. Einerseits wurde die
Expedition nach Jerusalem von den christlichen Europäern als Krieg im Namen Gottes bezeichnet. Andererseits wurden auf muslimischer Seite Aufrufe zum Ğihād vorgebracht, als die Muslime sich an die
Faḍā´il al-Quds und die Hoffnung auf das Jenseits erinnerten. Die Bedeutungsebenen von Ğihād zwischen Gewalt und Heiligkeit werden in diesem Kapitel weiter vertieft. Ebenfalls werden muslimische
Ansätze von Toleranz wie bei Ṣalāḥ ad-Dīn analysiert und kritisch gesichtet.
292
Vgl. Nikolas Jaspert, a.a.O., S. 1-2.
94
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
4.2 Darstellung der Kreuzzüge aus christlicher Perspektive
4.2.1 Zum Selbstverständnis der Kreuzfahrer
Es ist wichtig daran zu erinnern, dass es bis ins späte 12. Jahrhundert n. Chr. hinein keine klare Terminologie für die Kreuzzüge und ihre Teilnehmer gab. Die lateinischen Termini crucesignatus und
crucesignata für Kreuzfahrer waren erst im 13. Jahrhundert n. Chr. wirklich verbreitet. Zu dieser Zeit
wurden die Bezeichnungen „Kreuzfahrer“, „Kreuzfahrerinnen“, Milites Christi“ oder „Peregrini“ gebräuchlich. Die traditionellen Bezeichnungen für die Kreuzzüge wie negotium crucis, via bzw. iter Dei
oder peregrinatio wurden erst im 13. und 14. Jahrhundert n. Chr. allmählich durch das lateinische Wort
für Kreuzzug, cruciata, und seine volkssprachlichen Entsprechungen wie z.B. das französische croiserie
oder okzitanisch crozada, abgelöst.293
Christopher Tyerman hat in seiner Monographie zu den Kreuzzügen die Frage gestellt, ob die christliche Welt im 12. Jahrhundert n. Chr. schon ein Bewusstsein für eine unabhängige Institution „Kreuzzug“
hatte. Obwohl der Begriff crucesignatus, für die, die das Kreuz trugen und in den Kreuzzug zogen, in
vielen lateinischen Texten über den dritten Kreuzzug schon erscheint, verstanden sich die Kreuzritter
selbst als Teilnehmer einer Expedition nach Jerusalem, die von ihnen als expeditio; profectio; passagium;
passage; via; voiage und peregrinatio bezeichnet wurde.294 Tyerman vertritt dementsprechend die Meinung, dass das Verständnis des Kreuzzuges als Institution erst gegen Ende des 12. und zu Beginn des 13.
Jahrhunderts n. Chr. gebraucht wurde.295 Die Pilgerreise nach Jerusalem hatte zwar schon durch die besondere Rechtsstellung der Kreuzritter im ersten Kreuzzug institutionelle Züge, „die Organisationsformen
der Kreuzzüge verfestigten sich (aber) erst im Laufe des 12. Jahrhunderts.“296 So kann von einer identifizierbaren Institution „Kreuzzug“ erst ab dem Zeitpunkt gesprochen werden, als folgende Eckpunkte implementiert waren: die kirchenrechtliche Erklärung des Ablasses und des Kreuzzugsgelübdes, die Ausar-
293
Vgl. Christopher Tyerman, The Invention of the Crusades, Houndmills: Macmillan Press Ltd., 1998, S. 49-55.
294
Vgl. Ebd., S. 49.
295
Vgl. Ebd., S. 50.
296
Nikolas Jaspert, „Kreuzzugsbewegung,“ in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 6, Freiburg: Herder 1997,
S.469-473, hier S. 471.
95
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
beitung der liturgischen Riten.297 Zu Beginn des 12. Jahrhunderts wurde der erste Kreuzzug eher als eine
Kombination unterschiedlicher Formen von Kriegsführung und Pilgerfahrt verstanden.
„Kreuzzug ist kein quellensprachlicher Begriff; die mittelalterlichen Quellen bedienen sich
vielmehr ganz überwiegend der Wallfahrtsterminologie und sprechen z.B. von der ´Wallfahrt ins
Heilige Land´. Demnach gehört zur Vorgeschichte der (hier gemeinten) Kreuzzüge die Geschichte
bes. der Palästinawallfahrt (spätestens seit dem 4. Jh. n. Chr. [Kaiserin Helena]). Nun aber unterscheiden sich diese Kreuzzüge von der (normalerweise) unbewaffnet unternommenen Wallfahrt
durch ihren kriegerischen Charakter, der vom mittelalterlichen Kreuzzug gar als ´heiligem Krieg´ zur
´Wiedererlangung christlicher Besitzrechte oder zum Schutz der Kirche oder der Christen´ gegen äußere oder innere Feinde sprechen läßt.“298
Das Verständnis eines religiösen Teilnehmers als Kreuzfahrer wurde legitimiert, als die Kirche eine
klare theologische und kirchliche Erklärung über den Heiligen Krieg als Krieg Gottes vorgegeben hat.299
Um die richtige Bedeutung über die Kreuzzüge besser zu verstehen, schlägt Tyerman vor, dass die unterschiedlichen Ursachen für den Ausbruch der Kreuzzüge ausführlich analysiert und betrachtet werden sollten. Die Kreuzzüge wurden ursprünglich als Pilgerfahrt verstanden, bei der Gewaltanwendung gegen die
„Sarazenen“ (die islamischen Völker) notwendig wurde, weil diese den Pilgern den Zugang zu den Heiligen Stätten verweigerten. Deshalb lag der Wunsch nahe, die Sarazenen unter christliche Herrschaft zu
bringen.300
4.2.2 Politische Situation im Vorderen Orient Ende des 11. Jahrhunderts
Die Motivation des ersten Kreuzzuges liegt auch in der schwierigen Situation der muslimischen Herrschaft begründet. In der Levante (die heutigen Staaten Syrien, Libanon, Israel, Jordanien sowie die palästinensischen Autonomiegebiete) traf der erste Kreuzzug auf eine muslimische Welt, die kraftlos und politisch-religiös gespalten war. In den Jahren 1092 bis 1094 n. Chr. starben alle großartigen politischen Führer in der islamischen Welt. 1092 n. Chr. wurde der oberste Minister Nizam al-Mulk, der de facto über
297
Vgl. D. Carl Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papstums und des römischen Katholizismus, Tübingen: Verlag
von J.C.B. Mohr, 1924, S. 159. Vgl auch. Christopher Tyerman, God´s War: A New History of the Crusades,
London: Penguin Group, 2006, S. xiii.
298
Adolf Martin Ritter, Bernhard Lohse, Volker Leppin (Hg.), Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen,
Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verl., 2001, S. 116.
299
Vgl. Christopher Tyerman, God´s War, S. 35.
300
Vgl. Christoph T. Maier, „Konflikt und Kommunikation: Neues zum Kreuzzugsaufruf Urbans II.“, in: Dieter
Bauer, Klaus Herbers, und Nikolas Jaspert (Hg.), Jerusalem im Hoch- und Spätmittelalter: Konflikte und Konfliktbewältigung - Vorstellungen und Vergegenwärtigungen, Frankfurt/New York: Campus Verlag, 2001, S. 16.
96
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
mehr als 30 Jahre Herrscher des Seldschuken Reiches gewesen war, getötet. Nur einige Wochen später
starb der seldschukische Sultan Malikshah (reg. 1072-1092 n. Chr.). Im Jahre 1094 n. Chr. folgten der Tod
des abbasidischen Kalifen, al-Muqtadi, und des fatimidischen Kalifen, al-Mustanṣir.301 Die Folgen des
dadurch entstandenen Machtvakuums können nicht hoch genug beurteilt werden, denn mit den Verlusten
dieser politischen Persönlichkeiten geht eine historische Epoche zu Ende. Das nach dem Tod der Herrscher entstandene politische Vakuum war sowohl im Herrschaftsbereich der Fatimiden als auch in dem
der Seldschuken von einem harten Disput um die jeweilige Nachfolge bestimmt. Die fortschreitende Bedeutungslosigkeit der Fatimiden wurde beschleunigt durch den Machtkampf zwischen zwei Söhnen des
al-Mustanṣir und einer kontinuierlichen Disharmonie unter den Ismailiten, die einen Bruch der
Assasinengruppe302 im Iran zur Folge hatte. Auch das Seldschukenreich zerbrach in der Zeit zwischen
1092-1105 n. Chr. wegen gewaltiger Auseinandersetzungen unter Brüdern und familiären Disharmonien.303
Als der seldschukische Sultan Muhammad als Sieger aus den kriegerischen Auseinandersetzungen
mit den Fatimiden hervorging, die seine Staatskasse ruiniert hatten, waren die Kreuzfahrer schon angekommen und hatten drei ihrer künftigen fränkischen Gebiete auf muslimischem Gebiet gegründet: Edessa,
Antiochia und Jerusalem. In Folge des Kräftevakuums wurde die Macht der Seldschuken in Syrien und
Palästina unter verschiedenen Familienmitgliedern aufgeteilt, die nicht nur im Streit miteinander lagen,
sondern oftmals auch ihren Machthabern im Iran gegenüber feindlich gesinnt waren. Ohne Zweifel konnte
der erste Kreuzzug zu keinem günstigeren Zeitpunkt stattfinden. Die Nachrichten über die politischen
Verhältnisse im Vorderen Orient erreichten die Herrscherhäuser in Europa. Die geschwächte Situation der
muslimischen Herrschaft wird als auslösendes Moment für das Eindringen der Kreuzfahrer gewertet.304
301
Vgl. Carole Hillenbrand, a.a.O., S. 33-44.
302
„Assassinen (arab. ‚Haschischgenießer‘): Diese Gruppierung wurde bekannt, nachdem die weit abgelegene
Burg Alamut im nordwestlichen Iran durch Hasan al-Sabbah, einen Missionar der Fatimiden, 1090 erobert
worden war. Nach dem Tode des fatimidischen Kalifen al-Mustansir im Jahre 1094, spaltete sich Hasan von
Kairo ab und gründete seine eigene Gruppe. Zahlreiche Legenden und Gerüchte ranken sich um die Sekte der
Assassinen. Ihr Oberhaupt hieß der ‚Alte vom Berge‘.“ Carole Hillenbrand, „Ankunft im Vorderen Orient: Die
politische und religiöse Situation“, in: Alfred Wieczorek, Mamoun Fansa und Harald Meller (Hg.), Saladin und
die Kreuzfahrer, Frankfurt am Main: Verlag Philipp von Zabern, 2005, S. 8, Vgl auch. Hillenbrand, Ebd., S.
43.
303
Vgl. Nikolas Jaspert, a.a.O., S. 6.
304
Vgl. Ebd., S. 7.
97
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
4.2.3 Die Rede von Urban II. und der Aufbruch zum ersten Kreuzzug
Papst Urban II. eröffnete am 18. November 1095 n. Chr. in Clermont ein französisches Konzil der Bischöfe, das als Auftakt der Kreuzzüge in die Geschichte eingegangen ist. Der Papst hielt eine flammende Rede
über die Situation der Christen im Morgenland. Hans Eberhard Mayer hat herausgearbeitet, dass wir im
Ganzen vier Berichte über Urbans Predigt haben, von denen keiner ohne weiteres als historisch wahr bewertet werden kann.305 Hier wurde auf jeden Fall zum ersten Mal zur Befreiung des Heiligen Landes und
der Grabeskirche aufgerufen.306 Schon im März 1095 war zur Synode von Piacenza ein Gesandter des
byzantinischen Basileus (Alexios I. Kommenos) gekommen, der wegen der Gefährdung seines Herrschaftsgebietes um christliche europäische Hilfe bat. Zur politischen Lage von Byzanz kann man vermuten, dass der bisher einflussreiche abbasidische Kalif von Bagdad im 11. Jahrhundert n. Chr. für die Byzantiner wohl keine Gefährdung mehr war. Die Seldschuken allerdings, die seit Anfang des 11. Jahrhundert ihren Einfluss in der Region geltend machten, hatten mit dem Angriff auf Mantzikert im
Ararathochland 1071 n. Chr. fast ganz Kleinasien unter ihre Kontrolle gebracht.307 Damit war die Bedrohung durch die muslimischen Seldschuken für die Byzantiner geographisch in unmittelbare Nähe gerückt.
Noch mehr fürchtete Kaiser Alexios I. Kommenos die den Seldschuken verwandten Turkmenen. Denn es
bestand seiner Einschätzung nach die Gefahr, dass diese turkmenischen Muslime einfach die byzantinische Macht vernichten könnten. Alexios bat deshalb um die Verteidigung gegen deren Angriffe, allerdings
hatte er Hilfstruppen von Soldaten und nicht Kreuzfahrer im Sinn.308 Ein wichtiger Grund für Papst Urban
II., zur Pilgerreise zu den Heiligen Stätten und damit zum Beistand für die bedrängten Christen im Osten
aufzurufen, war dieser Hilferuf aus Byzanz.
Der muslimische Wissenschaftler Bassam Tibi stellt fest, dass hinter dieser vordergründigen Motivation zum Kreuzzug vielfältige andere Ziele standen. Er zählt folgende Beweggründe des Papstes auf: die
305
Vgl. Hans Eberhard Mayer, Geschichte der Kreuzzüge, 10. Aufl., Stuttgart: W. Kohlhammer, 2005, S. 18.
306
Vgl. Carole Hillenbrand, S. 20; Vgl auch. Karen Armstrong, Holy War: The Crusades and their Impact on
Today´s World, New York: Anchor Books, 2001, S. 3.
307
„Seit der Mitte des Jahrhunderts machte sich eine neue muslimische Bedrohung an der Ostgrenze des Reichs
bemerkbar: die muslimischen Seldschuken. Diese in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts aufgestiegene türkische Dynastie wurde anfangs von den Byzantinern wenig beachtet, doch im Jahre 1071 konnte ihr Heer die
kaiserliche Armee bei Mantzikert nahe des Wansees in Ostanatolien vernichtend schlagen und sogar Kaiser
Romanos IV. (1068-1071) gefangen nehmen. Das byzantinische Staatswesen fiel in eine schwere Krise. Usurpationen und Herrscherwechsel kennzeichnen die Jahre von 1071 bis zur Machtübernahme durch den General
Alexios Komnenos (1081-1118) im Jahre 1081.“ Nikolas Jaspert, a.a.O., S. 4.
308
Vgl. Karen Armstrong, Holy War, S. 66.
98
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Steigerung der Einnahmen der Kirche, denn der Kreuzzug war ein wirtschaftliches Unternehmen; die Einigung der seit dem Schisma von 1054 in West- und Ostkirche getrennten Christenheit unter päpstliche
Autorität und Führung von Rom; die „Befreiung Jerusalems“ sowie die Eroberung der Grabeskirche;
schließlich die Verdrängung der Muslime im Westen (Spanien) und Osten Europas.309 Die Bedrohung
durch den Islam diente hier als willkommene Legitimation. Armstrong betont besonders das Interesse von
Papst Urban II. den westlichen kirchlichen Einfluss im byzantinischen Gebiet zurück zu gewinnen. Seit
dem Schisma von 1054 hatte die Ostkirche keinen Respekt mehr vor der Autorität der römischkatholischen, sich selbst als Weltkirche verstehenden Christenheit. Urban II. hoffte darauf, dass durch den
Aufruf zum Kreuzzug die Beziehung zwischen den beiden Kirchen wiederhergestellt werden könnte.310
Der redegewandte Papst Urban II. hat den Berichten nach mit viel Beredsamkeit die Eroberung Jerusalems unterstützt. Man kann davon sprechen, dass hier im 11. Jahrhundert n. Chr. massiv Propaganda
von Seiten der Kirche betrieben wurde. Papst Urban II. behauptete laut Mayer, dass es im muslimischen
Land von Jerusalem Christenverfolgungen gab, und dass die byzantinischen Christen deshalb um Hilfe für
ihren Verteidigungskrieg baten. Mayer schreibt dazu, dass sich aber tatsächlich keine antichristlichen Verfolgungen nachweisen lassen:
„In den eroberten Gebieten wurden die einheimischen Christen nicht anders behandelt, als es
unter dem Islam immer gewesen war: Sie galten als Unterworfene, aber den Schutz der islamischen
Gesetze genießende steuerpflichtige religiöse Minderheiten mit begrenzter Kultfreiheit.“311
Papst Urban II. instrumentaliserte die Hilferufe der Byzantiner als Notruf der Ostchristen für seine
Kreuzzugsidee. Bassam Tibi betont, dass Toleranz mit dem Beginn der muslimischen Geschichte eine
umfangreiche Bedeutung erhält und also die Befürchtung mangelnder Toleranz von Seiten der Muslime
nicht in diese Zeit passt. Bassam Tibi möchte mit dieser Feststellung unterstreichen, dass Muslime seiner
Einschätzung nach große Toleranz üben, vor allem auch in ihren Beziehungen mit Christen und Juden.
Mayer stellt zusammenfassend fest, was den Papst zu seiner Propagandarede motiviert haben mag: „Wenn
Urban II. und die Kreuzzugspropaganda die Verfolgung der östlichen Christen betonten, so entweder aus
Unkenntnis der wahren Lage oder um bestimmte Ressentiments in Europa zu wecken.“312 Der Papst
309
Vgl. Bassam Tibi, Kreuzzug und Ğihād: Der Islam und die christliche Welt, München: Wilhelm Goldmann
Verlag, 2001, S. 119.
310
Vgl. Karen Armstrong, Holy War, S. 66.
311
Hans Eberhard Mayer, Geschichte der Kreuzzüge, 7., neue bearbeitete Auflage, Stuttgart: W. Kohlhammer,
1989, S. 11.
312
Vgl. Hans Eberhard Mayer, a.a.O., S. 11.
99
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
knüpft mit seiner Rede außerdem an frühere katholische Propaganda gegen die Muslime im spanischen alAndalus an, wo es vor dem 11. Jahrhundert n. Chr. zu „Martyrien“ kam.313
Ein weiterer Aspekt der Rede betrifft den kriegerischen Charakter des Aufbruchs zur Pilgerfahrt, der
seinen Ursprung ebenfalls in Urbans Wortwahl hat. Denn es muss daran erinnert werden, dass es bis zu
diesem Zeitpunkt Pilgern verboten gewesen war, Waffen zu tragen. Papst Urban II. gab nun den Pilgern
den Segen zur Gewaltanwendung. Deshalb wird auch gesagt, Papst Urban II. habe die Pilger mit dem
Schwert ausgestattet. Das liegt daran, dass das Konzil von Clermont den Teilnehmern an diesem zwar
religiös motivierten, aber dennoch militärischen Aufbruch die Vergebung der Sünden versprach: „Wer
immer aus reiner Hingabe, nicht um Ehre und Reichtum zu erlangen, zur Befreiung der Kirche Gottes in
Jerusalem aufgebrochen ist, dem soll dieser Pilgerweg als Abgeltung jeglicher Buß(straf)e angerechnet
werden.“314 Zum Schluss seiner Predigt bekam Urban enormen Applaus. Dann rief die riesige Menge laut:
Deus lo volt! (Gott will es!).315
Viele kirchenhistorische Darstellungen halten das Ereignis in dieser Weise fest. Es gibt allerdings
keine direkte Mitschrift von Urbans Rede, weil keiner der drei wichtigsten zeitgenössischen Chronisten
nach Steven Runciman die wortwörtliche Predigt des Papstes überliefert hat. Einige Chronisten wie
Guibert de Nogent erhielten die Rede aus zweiter Hand. Andere bedeutende Zeugen wie Baudri von Dol
und Fulcher von Chartres schreiben, dass sie nicht bei der Versammlung anwesend waren. Die verfügbaren Darstellungen wurden wohl einige Jahre später niedergeschrieben.316
Allerdings existiert ein authentischer Brief von Urban an die flandrischen Christen, in dem er die Beschlüsse der Synode von Clermont-Farrand (1095) darstellt:
„[…] Ich bin überzeugt, ihr, meine Brüder, habe(t) schon längst durch vieler Berichten erfahren,
daß barbarische Raserei die Kirchen Gottes in den östlichen (Erd-) Teilen in beklagenswerter Feindseligkeit (Anfeindung) verwüstet und darüber hinaus auch die heilige Stadt, die durch Christi Passion
und Auferstehung ausgezeichnet ist, mitsamt ihren Kirchen, was auszusprechen frevelhaft ist, ihrer
313
John Williams, „Purpose and Imagery in the Apocalypse Commentary of Beatus of Liebana”, in: Richard K.
Emerson und Bernard McGinn, The Apocalypse in the Middle Ages, Ithaca: Cornell University Press, 1992, S.
217-233, hier S. 229-230.
314
Verkündigung des „Kreuzzugsablasses“ in Kanon 2 von Clermont-Ferrand, nach dem Zitat von Adolf Martin
Ritter, Bernhard Lohse, Volker Leppin (Hg.), a.a.O., S. 118.
315
Vgl. Wolf-Dieter Hauschild, Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte: Alte Kirche und Mittelalter, Bd.
1, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 1995, S. 523.
316
Vgl. Steven Runciman, Der Erste Kreuzzug, München: Verlag C.H. Beck, 1980, S. 60.
100
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
unerträglichen Knechtschaft unterworfen. In pflichtgemäßer Rücksicht darauf haben wir, aus Mitgefühl mit diesem Unglück, die Provinzen Frankreichs besucht und die Fürsten und Untergebenen dieses Landes zur Befreiung der Kirchen des Ostens in großem Stil (unter großer Beteiligung) aufgerufen; auch haben wir auf dem Konzil in der Auvergne (sc. in deren Hauptstadt Clermont) feierlich eine derartige Bereitschaft zum Kampf auf ihrer Seite mit der Vergebung aller ihrer Sünden (als
Gegensleistung) verknüpft; […] damit, wer immer beschließen sollte, diesen Weg auf sich zu nehmen, seinen Weisungen gehorche, als wären es die unseren, und sich in allem seiner Löse- und Bindegewalt unterwerfe, soweit es sich auf diesen Handel bezieht. Alle die unter euch aber, denen Gott
diesen Wunsch eingibt, sollen wissen, daß er (am Fest) der Himmelfahrt der seligen Maria (15. August) mit Gottes Hilfe aufbrechen wird und man sich dann seinem Gefolge anschließen kann.“317
Dieses ausführliche Zitat zeigt, dass Papst Urban in Clermont seine ganze Redekunst einsetzt, um
den Menschen das Anliegen des Kreuzzugs ins Herz zu schreiben. Seine Worte sind darauf ausgerichtet,
Gefühle für die bedrängten Glaubensbrüder zu wecken. Seine Rede ist deshalb so erfolgreich, weil er mit
sehr einfachen und deutlichen Botschaften arbeitet. Damit nutzt er Methoden, die auch in heutiger Propagandarede und werbender Kommunikation eingesetzt werden.
Die unmittelbare Reaktion auf den Aufruf war uneingeschränkte Begeisterung bei den Zuhörern.
Zahlreiche Wanderprediger der damaligen Zeit multiplizierten den Aufruf des Papstes in ihren Predigten.
Einer von ihnen war Peter von Amiens (ca. 1050-1113). Dieser volksnahe Prediger begeistert mit seinen
agitatorischen Reden die Massen für die Pilgerfahrt nach Jerusalem, indem er von der christlichen Lehre,
von der Buße und von der apokalyptischen Hoffnung auf Jerusalem sprach. Er unterstrich die Bedeutung
der Heiligen Stadt Jerusalem als Wallfahrtsort für den Aufbruch der Kreuzzügler. Seine Predigt verursachte eine große Massenströmung nach Jerusalem und motivierte Tausende loszumarschieren, um die Grabeskirche von den Muslimen zu befreien.318 Im Frühjahr 1096 n. Chr. begannen fünf Truppenmächte von
etwa fünfzig- bis sechzigtausend Rittern, die von Massen von Landvolk und Pilgern begleitet wurden,
nach Jerusalem zu marschieren.319 Bevor sie Westeuropa verließen, töteten sie Tausende von Juden in
317
Adolf Martin Ritter, a.a.O. S. 60.
318
Vgl. Wolf-Dieter Hauschild, a.a.O., S. 523. Vgl. Verena Epp, „Petrus von Amiens,“ in: Theologische Real
enzyklopädie, Bd. 26, Berlin: Walter de Gruyter 1996, S. 281-283.
319
„Vor allem fünf Heere sind zu unterscheiden. Das erste und größte Kontingent stellten die Süd- und Westfranzosen. Sie marschierten unter der Leitung des Grafen von Toulouse, Raimund IV. (geb. ca. 1041, gest. 1105).
Die zweite Truppe wurde von Lothringern unter Herzog Gottfried V. von Niederlothringen, genannt Gottfried
von Bouillon (1060-1100), und seinem Bruder Balduin (geb. nach 1060, gest. 1118) gebildet. Die Normannen
und Flamen stellten das dritte Heer. Sie zogen unter Herzog Robert II. von der Normandie (geb. um 1054, gest.
1134) sowie den Grafen Stephan von Blois (1086-1102) und Robert II. von Flandern (geb. 1065, gest. 1111).
Hugo von Vermandois, der Bruder des französischen Königs Philipp I., führte ein viertes Kontingent an, während schließlich die süditalienischen Normannen Bohemund (geb. 1050/58, gest. 1111), dem ältesten Sohn des
mächtigen Robert Guiskard (gest. 1085), unterstanden. Er wurde begleitet von seinem Neffen Tankred.“ Nikolas Jaspert, a.a.O., S. 38.
101
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
verschiedenen französischen und westdeutschen Städten wie in Köln und Mainz.320 Amin Maalouf kritisiert diesen Aufbruch nach Jerusalem:
„Die Menschenströme aus dem Abendland hatten keine Ähnlichkeit mit den Söldnerheeren, die
man üblicherweise sah. Außer den Rittern mit bewaffnetem Fußvolk waren auch Tausende zerlumpter Frauen, Kinder und Greise dabei. Es heißt, dass sie alle ein Kreuz aus Stoffstreifen auf den Rücken genäht trugen. Sie waren lange unterwegs und Nahrungsmittel waren knapp. Es dauerte ganze
drei Jahre und bedurfte unendlicher Mühen, um nach Jerusalem vorzudringen. Als die Kreuzfahrer
schließlich Antiochia erreicht hatten, war fast das ganze Heer an Hunger gestorben.“321
Darüber hinaus beschreibt Ibn al-Athīr, ein Zeitgenosse der Kreuzzüge, wie die Franken Antiochia
und andere Orte auf ihrem Weg nach Jerusalem eroberten und hierbei alle Muslime töteten, die sie trafen.322
4.2.4 Eroberung Jerusalems durch die Kreuzritter und deren Herrschaft
Nach einer entbehrungsreichen Reise waren die Kreuzritter schließlich 1099 n. Chr. vor den Toren Jerusalems angelangt. Drei Tage lang ermordeten die Kreuzritter tausende Einwohner Jerusalems, ob Mann oder
Frau. Ibn al-Athīr beschreibt folgende schreckliche Lage in Jerusalem:
„In the Aqsa Mosque the Franks killed more than 70,000, a large number of them being imams,
ulema, righteous men and ascetics […].”323
Bis heute lesen viele Muslime in Palästina im Geschichtsunterricht den Bericht von Ibn al-Athīr, um
die Erinnerung an die Kreuzzüge wachzuhalten.324
Auch nach Hans Wollschläger gab es kaum Überlebende.325 Jerusalem war ruhig, weil schließlich
niemand mehr übrig war, den man töten konnte. Die Euphorie der christlichen Franken nach dem Mas-
320
Vgl. Die Chronik von Wilhelm von Tyrus, William of Tyre, A Middle English Chronicle of the First Crusade
(aus lateinisch: Historia rerum in partibus transmarinis gestarum), New York: The Edwin Mellen Press, 2001,
S. 117.
321
Amin Maalouf, Der Heilige Krieg der Barbaren: Die Kreuzzüge aus der Sicht der Araber, München: Diederichs, 1996, S. 18.
322
Vgl. Ibn al-Athīr, The Chronicle of Ibn al-Athῑr for the Crusading Period from al-Kāmil fī´l-ta´rῑkh, Bd. 1.,
(Übersetzt von D.S. Richards), Burlington: Ashgate Publishing Company, 2010, S. 17-19.
323
Ibn al-Athīr, a.a.O., S. 21.
324
Interview AP mit Herrn Khaled Salame während einer Forschungsreise nach Jerusalem am 09. Januar 2011.
102
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
senmord an den Muslimen, Juden und einheimischen Christen Jerusalems wird in einer Quelle beschrieben:
„This day, which I affirm will be celebrated in the centuries to come, changed our grief and
struggles into gladness and rejoicing. I further state that this day ended all paganism, confirmed
Christianity and restored our faith. ´This is the day which the Lord has made; we shall rejoice and be
glad in it,´ and deservedly because on this day God shone upon us and blessed us.” (Raimund von
Aguilers)326
Es ist wichtig zu betonen, dass die Muslime in den Augen vieler europäischer Christen nach der Eroberung Jerusalems, als ein abscheuliches und verteufeltes Volk angesehen wurden, das unbedingt vernichtet werden musste.327 Diese Einstellung drückte sich auch im Namen aus, mit dem die Orientalen im
Allgemeinen bezeichnet wurden: Sarazenen, Sarakenoi, die von Sarah Verworfenen.
Insgesamt gab es sieben große Orientkreuzzüge. Der erste Kreuzzug dauerte von 1096 bis 1099 n.
Chr. und führte zur Eroberung Jerusalems. Der zweite Kreuzzug fand unter der Führung Konrads III. und
Ludwigs VII. von Frankreich von 1145 bis 1149 n. Chr. statt. Der dritte (1187-1192 n. Chr.) wurde von
Kaiser Friedrich I. Barbarossa angeführt, der später in einem Fluss in Anatolien ertrank. Der vierte Kreuzzug dauerte von 1198-1204 n. Chr. und wurde von Papst Innozenz III. ausgerufen. 1212 n. Chr. fand der
Kinderkreuzzug statt, der mit der Versklavung Tausender von Jungen und Mädchen in Alexandria endete.328 Danach folgte der fünfte Kreuzzug Friedrichs II. von 1228 bis 1238 n. Chr.329 Der sechste Kreuzzug
325
Vgl. Hans Wollschläger, Die bewaffneten Wallfahrten gen Jerusalem: Geschichte der Kreuzzüge, Zürich: Diogenes, 1973, S. 40.
326
Raymond D´Aguilers, Historia Francorum Qui Ceperunt Iherusalem, (Übersetzung von John Hugh Hill und
Laurita L. Hill), Philadelphia: The American Philosophical Society Independence Square, 1968, S. 128.
327
Vgl. Jonathan Riley-Smith, The First Crusade and the Idea of Crusading, London: Athlone, 1986, S. 143.
328
Hans Eberhard Mayer, a.a.O., 188ff. „Der Begriff ist irreführend, handelte es sich doch weder um einen päpstlich sanktionierten oder um einen kohärent geplanten und organisierten, noch um einen ausschließlich aus Kindern zusammengesetzten Zug. Vielmehr umfassten die „Kinderkreuzzüge“ mehrere, aus Mittellosen, Niedergeistlichen, Alten, Frauen und Jugendlichen zusammengesetzte Gruppen, die sich dem Armutsgedanken verpflichteten Führungspersönlichkeiten anschlossen. Einer von diesen, Nikolaus von Köln, zog 1212 predigend
den Rhein hinauf und sammelte mit der Zusicherung, das Meer werde sich den Nachfolgern Christi von allein
öffnen und den Weg nach Palästina freimachen, eine wachsende Schar von Anhängern. Im Juli und August
1212 überquerten sie die Alpen. Als die Vorhersage nicht eintrat und auch Papst Innozenz III. die Initiative
nicht aufgriff, lösten sich die Gruppen auf. Die meisten kehrten unverrichteter Dinge nach Hause zurück oder
ließen sich in Italien nieder. Ähnlich war es kurz zuvor einer zweiten Schar unter dem jungen Schäfer Stephan
bei Orléans ergangen. Sie übergab König Philipp II. einen angeblichen Brief Gottes mit der Aufforderung zum
Kreuzzug, löste sich danach aber bald auf. Nach einer unbestätigten Legende wurden einige, die dennoch die
Überfahrt nach Palästina versuchten, von Schiffbesitzern betrogen und in der Levante als Sklaven verkauft.“
329
Vgl. Steven Runciman, The First Crusade, Neudruck, Cambridge: Cambridge University Press, 1992, S. 948f.
103
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
war unter der Führung von Ludwig dem Heiligen 1248-1254 n. Chr. Der siebte und letzte Kreuzzug von
1270 n. Chr. wurde von König Ludwig dem Heiligen mit großen Teilen seines Kriegsvolkes angeführt.330
Die Kreuzzüge endeten gewalttätig und grausam. Als Reaktion muss die Gewaltätigkeit von der muslimischen Seite verstanden werden. Sie haben die Kreuzritter aus Tripolis und Akko, beide nördlich von
Jerusalem gelegen, vertrieben und damit Rache geübt für das, was sie zur Zeit der fränkischen Kreuzzüge
selber erlebt und erlitten hatten. Auf ein ganz anderes Beispiel weisen Wissenschaftler wie Karen
Armstrong und Malcolm C. Lyons hin, indem sie an die Figur von Ṣalāḥ ad-Dīn (1138-1193 n. Chr.) erinnern.331
Ebensolche Vorbildgestalten wie Ṣalāḥ ad-Dīn im Orient gab es auch in Europa. Hier kann man beispielsweise den Helden Richard Löwenherz nennen. Dieser prägte in Europa ein anderes Bild vom Ritter
und hat die diplomatische Kulturpolitik und Literatur während einiger Jahrhunderte beeinflusst, besonders
in England, Deutschland und Frankreich.332
4.2.5 Die theologische Begründung und christliche Deutung der Kreuzzüge
Von Beginn der Kreuzzüge an maß nicht nur die Predigt Papst Urbans II. diesem Unternehmen Heilsbedeutung zu, sondern auch viele andere europäische Zeugnisse stilisierten die Kreuzzüge zu einem heiligen
Ereignis.333 Urban betonte in seiner Predigt, dass die Gebiete einschließlich Jerusalem eine besondere
Verbindung zu Gott, Christus, und der Heilsgeschichte hätten. Aufgrund dieser tragischen, theologischen
Überzeugung musste dann die Stadt Jerusalem von den Muslimen befreit werden.334 Fulcher von Chartres
330
Vgl. Nikolas Jaspert, a.a.O., S. 53.
331
Vgl. hierzu Malcolm C. Lyons und D.E.P. Jackson, Ṣalāḥ ad-Dīn: The Politics of Holy War, Cambridge: Cambridge University Press, 1997, besonders S. 267f. und 365f.
332
Vgl. Isabella Gust, „Richard I. Löwenherz in europäischen und arabischen Chroniken zum Dritten Kreuzzug“,
in: Jürgen Sarnowsky (Hg.), Vorstellungswelten der mittelalterlichen Überlieferung: Zeitgenössische Wahrnehmungen und ihre moderne Interpretation, Göttingen: V&R Unipress, 2012, S. 137-156, hier S. 142-143.
333
Vgl. Alfons Becker, „Papst Urban II (1088-1099), Bd. II, in: Der Papst, die Christenheit und der Kreuzzug
(Schriften der Monumenta Germaniae Historica 19/2), Stuttgart: Hiersemann, 1988, S. 272-435.
334
Vgl. Adolf Martin Ritter, Bernhard Lohse, Volker Leppin (Hg.), a.a.O., S. 118.
104
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
(1059-1127), der einer der wichtigsten Historiker des ersten Kreuzzuges war, setzte die Eroberung Jerusalems mit einem besonderen „Verhältnis zu Gott“ in Beziehung.335
Balderich von Bourgueil (1046-1130 n. Chr.) betont die heilsgeschichtliche Bedeutung der Grabeskirche einerseits („…dort ist er für uns gestorben; dort ist er begraben. Welch ein kostbarer Ort ist das
Grab des Herrn – welch ein begehrenswerter und unvergleichlicher Ort!“336) und des Heiligen Landes
andererseits („Wir nennen dieses Land zur Recht heilig, in welchem der leibliche und der auferstandene
Erlöser nicht nur seinen Fuß gesetzt hat, sondern in welchem er auch offenbart und verherrlicht werden
wird, [es ist der Ort] der ruhmreichen Gegenwart der heiligen Mutter Gottes, des allgemeinen Apostel
Konzils, des ausgegossenen Blutes der Märtyrer, das gesühnt werden muss.“)337 Der Kreuzzug war nach
Balderich die Entscheidung Gottes und wurde mit dem Exodus unter der Leitung von Moses nach Kanaan
verglichen. Die Franken wurden nun als Gottes neues, erwähltes Volk angesehen. Dazu hält Runciman
fest:
„In this respect the crusade was believed to have stemmed from an arbitrary decision of God,
just as had the Israelites´ original occupation of the Promised Land. ´The children of Israel, who were
led out of Egypt and, after crossing the Red Sea, prefigured you (the crusaders), appropriated this
land for themselves by force, with Jesus as their leader.”338
Der militärische Zug nach Jerusalem war aus christlicher Perspektive ein Krieg Gottes, mit dem das
Heilige Land als die Wirkungsstätte Christi erobert und die Grabeskirche von den Muslimen befreit werden sollte.339 Der Kreuzzug wurde als ein Krieg Gottes angesehen, weil er von der katholischen Kirche,
335
Verena Epp wertet das christliche Verständnis des Kreuzzugs entsprechend: „Der Kreuzzug und die Fahrt ins
Heilige Land sind Ausdruck einer umfassenden, bei der moralischen Besserung jedes einzelnen einsetzenden
Reform der Kirche als der Gemeinschaft aller Gläubigen. Das Gelingen des Kreuzzugsunternehmens und der
erfolgreiche Aufbau eines christlichen Staatwesens im Heiligen Land sind daher gleichbedeutend mit einer
Selbstversicherung des Menschen in seinem Verhältnis zu Gott.“ – Verena Epp, Fulcher von Chartres: Studien
zur Geschichtsschreibung des ersten Kreuzzuges, Düsseldorf: Droste Verlag, 1990, S. 376.
336
Zitiert nach: Recueil des Historiens des Croisades. Historiens occidentaux., Bd. IV, Paris: Imprimerie Nationale, MDCCCLXXIX, S. 13F-13G. („…ibi pro nobis mortuus est; ibi sepultus est. Quam pretiosus sepulturae
Domini locus concupiscibilis, locus incomparabilis!“).
337
Zitiert nach: Recueil des Historiens des Croisades. Historiens occidentaux., Bd. IV, Paris: Imprimerie Nationale, MDCCCLXXIX, S. 14D. („Quam Terram merito Sanctam dixerimus, in qua non est etiam passus pedis
quem non illustraverit et sanctificaverit vel corpus vel umbra Salvatoris, vel gloriosa praesentia sanctae Dei genitricis, vel amplectendus apostolorum conventus, vel martyrum ebibendus sanguis effusus.“).
338
Jonathan Riley-Smith, a.a.O., S. 143.
339
Zur Frage, ob Jerusalem das eigentliche Ziel des Ersten Kreuzzugs gewesen sei, siehe Norman Housley, „Jerusalem and the Development of the Crusade Idea,” in: Benjamin Z. Kedar (Hg.), The Horns of Hattin: Proceed105
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
und zwar vom Papst, der sich als Christi Stellvertreter auf der Welt verstand, legitimiert war und von ihm
dazu aufgerufen worden war.340 Christian Heinze sieht in dem päpstlichen Aufruf zum Kreuzzug die Legitimation der charakteristischen Elemente der Kreuzzüge überhaupt, einschließlich ihrer Schattenseiten.341
Mit dem Segen des Papstes geschah im Namen der Kirche vieles, was nicht in ihrem Namen hätte geschehen dürfen.
In den Berichten über Papst Urbans Aufruf wird erkennbar, wie grundlegend dieser Aufbruch verstanden wurde, bis dahin, dass man meinte, dass der Bund Gottes mit den Menschen erneuert werden
müsste. Robert von Reims schreibt beispielsweise:
„Macht euch auf den Weg zum Heiligen Grab, nehmt dem gottlosen Volk das Land dort weg,
macht es euch untertan, dieses Land wurde den Söhnen Israels von Gott zum Besitz gegeben, wie die
Schrift sagt, wo Milch und Honig fließen. Jerusalem ist der Nabel der Welt, ein Land – fruchtbarer
als alle anderen Länder, sozusagen ein zweites Paradies der Wonne.“342
In diesem Sinne unterstreichen die ausgewählten Texte und deren Sprache den Bezug zu alttestamentlichen Motiven, bei denen kriegerische Handlungen ein rechtmäßiges Mittel waren, um Gerechtigkeit
herzustellen.343
Die späteren Berichte über Urbans Kreuzzugsaufruf erläutern die Bedeutung des Namens Jerusalem.
Der Begriff Jerusalem erscheint immer als ein mächtiger Magnet. Jerusalem wird nicht nur als der heilsgeschichtliche Ort in der Bibel, sondern auch als der Nabel der Welt betrachtet. Weil sie Teil von Gottes
Heilsplan ist, wird die gewalttätige Eroberung Jerusalems nicht als blutiger Terror verstanden, sondern als
Erneuerung des Bundes, den Gott mit seinem Volk im Alten Testament geschlossen hat. Eine Analogie
kann man in der Geschichte der Eroberung Jerichos sehen (Josua 6). Darüber hinaus wird Jerusalem als
ings of the Second Conference of the Society for the Study of the Crusades and the Latin East, Jerusalem and
Haifa 2-6 July 1987, Jerusalem: Yad Izhak Ben-Zvi, 1992, S. 27-40.
340
Vgl. Christopher Tyerman, God´s War, S. 45-51.
341
Vgl. Christian Heinze, Der Kreuzzug Urbans II. in Clermont (Pope Urbans Preaching 1095 in Clermont)-´Gott
will es!´ - Will Gott es wirklich?, München: Grin Verlag, 2007, S. 27.
342
Recueil des Historiens des Croisades. Historiens Occidentaux, Bd. 3, M DCCC LXVI, Paris: Imprimerie Imperiale, S. 728-729. “[…] Viam sancti Sepulcri incipite, terram illam nefariae genti auferte, eamque vobis subjicite, terra illa filiis Israel a Deo in possessionem data fuit, sicut Scriptura dicit, quae lacte et melle fluit. Iherusalem umbilicus est terrarum, terra prae ceteris fructifera, quasi alter Paradisus deliciarum […].“
343
Vgl. Christopher Tyerman, God´s War, S. 30.
106
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Ort der Apokalypse, bzw. als Ort des Jüngsten Gerichtes betrachtet, hier wird der Messias erwartet.344
Jerusalem war nicht nur das irdische, sondern zugleich immer auch das „himmlische Jerusalem“. Das
Wort beschwört alt- und neutestamentliche Bilder, bezieht sich auf urchristliche Tradition und weist voraus in das Eschaton.345 Es sei daran erinnert, dass Urban II. schon von Anfang seines Pontifikats an auch
Jerusalem beobachtet und sich dafür interessiert hatte. In seinem Aufruf hat Urban II. die Sündenvergebung, für diejenigen ausgesprochen, die nach Jerusalem marschieren wollten. Mit dem Versprechen sowohl der Sündenvergebung als auch des Ablasses für die bewaffneten Kreuzzügler im Heiligen Land
wurden sie in das kirchliche Bußwesen eingeschlossen und den Jerusalem-Pilgern gleichgestellt. Es wurde
in Aussicht gestellt, dass man für die Teilnahme an einem Kreuzzug einen Ablass erlangt. Dieses Phänomen führte zu einer gewaltigen Anziehungskraft, und dadurch wuchs der Kreuzzug zu einem Massenphänomen. Denn materielle, militärische und politische Interessen spielten eine unüberschätzbare Rolle.346
Papst Urban II. hat die erfolgreiche Eroberung Jerusalems nicht mehr erfahren, da er am 29. Juli
1099 n. Chr. starb.347 Als der Nachfolger von Papst Urban II. wünschte sich Papst Paschalis II. die Fortsetzung der erfolgreichen Kreuzzüge. In einem Brief an den Bischof Mauritius von Porto hält er fest, dass
Gott das Werk der Kreuzzüge vollenden möge und er schreibt: Gott möge „eure Hände, die er mit dem
Blut seiner Feinde konsekriert hat, unbefleckt bis zum Ende in überfließender Frömmigkeit bewahren.“348
Paschalis benutzt das Wort consecravit, Blutvergießen und Gewalt sind damit päpstlich legitimiert. Dazu
referiert Klaus Herbers die Einschätzung von Ernst-Dieter Hehl über diese neue – wenn auch heute fragwürdige – Wertschätzung des Laien:
„Es war nun möglich, von höchster Seite legitimiert, auch als Laie durch Waffengebrauch Gottesdienst zu leisten und, als Laie zu einer Heilsgemeinschaft zu gehören, die neue Entfaltungsmöglichkeiten eröffnete. Dies sei der entscheidende neue Interpretationsrahmen.“349
344
Vgl. Recueil des Historiens des Croisades. Historiens Occidentaux., Bd. 3, a.a.O., S. 728-729.
345
Vgl. Kapitel 3.1. dieser Arbeit.
346
Vgl. Christopher Tyerman, a.a.O., S. 164.
347
Vgl. Ebd., S. 161.
348
[…] et manus uestras, quas hostium suorum sanguine consecrauit, immaculatas usque in finem affluentissima
pietate custodiat. Rudolf Hiestand (Hg.), Papsturkunden für Kirchen im Heiligen Land, 90 (Nr. 4), Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht, 1985, S. 92.
349
Klaus Herbers, „Die Eroberung Jerusalems 1099: Ergebnisse und Perspektive“, in: Dieter Bauer, Klaus Herbers, und Nikolas Jaspert (Hg.), Jerusalem im Hoch- und Spätmittelalter: Konflikte und KonfliktbewältigungVorstellungen und Vergegenwärtigungen, Frankfurt/New York: Campus Verlag, 2001, S. 423-466, hier S. 423.
107
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Nach dem Wortlaut der Quellen muss man allerdings auch ernstnehmen, dass das Ziel des ersten
Kreuzzuges nicht nur die kriegerische Rückeroberung des Heiligen Landes war, sondern vor allem die
Herstellung von Frieden und Sicherheit auf den Pilgerwegen. Diese Absicht der Kreuzzüge wird deshalb
mitunter sogar als ein „Act of Love“ bezeichnet.350 Papst Urban II. hatte die europäischen Ritter dringend
darum gebeten, ihren christlichen Brüdern in der islamischen Welt zu helfen. Die Kreuzfahrer sahen den
Tod während des Kreuzzuges als Beweis ihrer Liebe zu Christus, deshalb versuchten sie, „ihr“ Heiliges
Land von den Ungläubigen zu befreien. Die Kreuzfahrt wurde von Laien sogar als Möglichkeit betrachtet,
mönchisches Leben „auf Zeit“ zu erfahren; aber diese fromme Übung endete meist in Gewalt und Grausamkeit.351 Obwohl auf dem Tempelberg muslimischerseits jede Form von Gewalt ausgeschlossen war,
war zur Zeit der christlichen Eroberung die Aqṣā Moschee in eine Kaserne und in ein Waffenarsenal umgestaltet worden. Die ganz andere Seite der Präsenz der Kreuzritter im Heiligen Land waren die Kirchbauten und die Entstehung von christlicher Kunst. So bauten die Ritter runde Templerkirchen mit Darstellungen von der Anastasis (Auferstehung) Christi. Durch den Bau der Templerkirchen sollte die gesamte
Christenheit aufgerufen und die dortigen Christen daran erinnert werden, die christliche Stadt Jerusalem
immer zu verteidigen.352
Die Eroberung Jerusalems während des ersten Kreuzzuges war für die Muslime völlig überraschend.353 Juden und Christen lebten tatsächlich bis dahin unter der muslimischen Herrschaft im Heiligen
Land in Frieden mit den Muslimen zusammen. Konflikte zwischen diesen drei religiösen Gruppen ergaben sich wenn, dann nur in den normalen Lebenssituationen. Die Muslime sahen die Christen als Mitbewohner und Schutzbefohlene in den muslimischen Herrschaftsgebieten. Die Christen, z.B. die
Monophysiten begrüßten diesen Zustand, da ihnen mehr Sicherheit von den Muslimen als von früheren
christlichen Untertanen des Kaisers von Byzanz und griechischen Bischöfen garantiert wurde. Die
Monophysiten und die Samariter wurden von anderen Christen bzw. Juden als häretisch erachtet, und sie
erlebten wenig religiöse Toleranz.354
350
Jonathan Riley-Smith, „Crusading an Act of Love, in: History 65, 1980, S. 177-192.
351
Vgl. Jonathan Riley-Smith, Wozu Heilige Kriege: Anlässe und Motive der Kreuzzüge, Berlin: Verlag Klaus
Wagenbach, 2003, S. 94.
352
Vgl. Ebd., S. 121-122.
353
Vgl. Heinz-Günther Stobbe, Religion, Gewalt und Krieg, Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH, 2010, S. 267.
354
Vgl. Kapitel 2.1.3.
108
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Es ist interessant, abschließend als Beispiel für eine ganz frühe interreligiöse Theologie den größten
byzantinischen Theologen des 8. Jahrhunderts n. Chr., Johannes von Damaskus zu erwähnen. Seine theologischen Traktate sind zwar keine Quellen für eine Beurteilung der Kreuzzüge aus islamischer Sicht,
seine Gestalt steht aber für eine ungewöhnliche Nähe eines Christen zur muslimischen Tradition. Johannes
von Damaskus lebte in einer mehrheitlich muslimischen Gesellschaft und war sogar bei dem muslimischen Kalifen Yazid I. als Sekretär tätig. Der Damaszener stammte aus einer christlich-griechischen Familie und befasste sich als erster christlicher Theologe ausführlich mit dem Islam. 355 Er sieht im Islam nicht
eine selbständige Religion, sondern eine christliche Häresie.356 Dieses Votum, das eigentlich interreligiöse
Sensibilität ausdrückt, war dennoch in seiner Wirkung desaströs, denn von nun an konnten andere alle
Verfluchungen der Kirche, die über Häresien und vor allem deren Urheber ausgeschüttet wurden, auch auf
den Islam und Muḥammad übertragen.357 Die Byzantiner selber lebten dennoch mit den arabischen Muslimen bis zur Zeit der Kreuzzüge als Nachbarn in mehr oder weniger friedlicher Koexistenz. Darüber hinaus tauchten Christen im muslimischen Bereich in Gestalt der Jerusalem-Pilger auf, diese Tradition der
Pilgerschaft wurde trotz der muslimischen Herrschaft nur unwesentlich gestört.
Der byzantinische Kaiser Romanos IV. Diogenes (1068-1071 n. Chr.) muss auch als Verteidiger Allah gennant werden. Er kritisierte hart die byzantinischen Theologen, die immer den Prophet Muḥammad
und Allah, als islamischen Gott, beleidigten. Romanos IV. verbot Schmähung Allahs als Gotteslästerung,
weil er der Meinung war, dass die Muslime und die Christen an den gleichen Gott glaubten. Wegen seiner
Haltung gegen die Respektlosigkeit der Byzantiner gegenüber dem Islam, wurde er von der Kirche und
seinen politischen Gegnern auf die griechische Insel Ponti verbannt, wo er 1072 n. Chr. dort starb.358
355
Vgl. Johannes Damaskenos und Th. Abū Qurra, Schriften zum Islam, Würzburg: Echter Verlag, 1995, S. 11.
Einer seiner Vorfahren war der letzte byzantinische Gouvernour von Syrien, und er selbst gehörte zu den griechischen Beamten, die unter Umar II (717-720) ihren Job verloren, daraufhin zog er sich nach Mar Saba.
356
Vgl. Ebd., S. 45
357
Vgl. Heinz-Günther Stobbe, a.a.O., S. 267.
358
Vgl. Wolfram Brandes, „Romanos IV. Diogenes“, in: Lexikon des Mittelalters (LexMA), Band 7, München:
LexMA-Verlag, 1995, Sp. 1000-1001.
109
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
4.3 Darstellung der muslimischen Geschichte zur Zeit der
Kreuzzüge
4.3.1 Von Zengi bis Ṣalāḥ ad-Dīn – Die Reaktion der Muslime auf die Kreuzzüge
Nachdem Jerusalem von den Franken erobert worden war, gewann bei den Muslimen die Idee vom Ğihād
an Resonanz. 1144 n. Chr. eroberte der türkische Heerführer Imad-ad-Dīn Zengi von Mossul die Kreuzfahrerstadt Edessa. Damit endete für die Kreuzfahrer der Traum von einem christlichen Morgenland.359 In
der muslimischen Welt – wie von Carole Hillenbrand beschrieben – herrschte ausgelassene Freude, und
Zengi stellte fest, dass er ein Held des Islam geworden war. Als er zwei Jahre später ermordet wurde,
wurde sein Sohn Mahmoud Regent. Dieser war unter seinem Titel „Nūr ad-Dīn“ (Licht der Religion) bekannt. Nūr ad-Dīn war ein gläubiger Sunnit und entschlossen, sowohl gegen die Franken als auch gegen
die Schiiten Krieg zu führen. Entsprechend seinem Vorbild, dem Propheten Muḥammad, lebte er einfach
und gab große Summen an die Armen. Gleichzeitig setzte er eine wirkungsvolle Propaganda für seinen
Feldzug in Gang, den er explizit als Ğihād bezeichnete.
Der Koran verurteilt zwar jegliche Form von Krieg, lehrt aber, dass es manchmal notwendig sei, sich
gegen Unterdrückung und Verfolgung zu wehren, um wahre Werte aufrechtzuerhalten, vor allem den
Glauben an den Einen Gott entsprechend dem Tauhid (Einheitsbekenntnis). Wenn Menschen getötet, aus
ihren Häusern vertrieben wurden und mit ansehen mussten, wie ihre heiligen Stätten zerstört würden, hatten Muslime die Pflicht, einen gerechten Verteidigungskrieg zu führen.360 Die Bestimmung des Koran
zum Recht auf Verteidigung traf auf die Kreuzfahrer zu, die Tausende von Muslimen getötet, sie aus ihren
Häusern vertrieben und deren Moscheen verbrannt hatten. Sie hatten auch den Haram von al-Quds ent-
359
Ludwig Schmugge, „Deus lo vult?: Zu den Wandlungen der Kreuzzugsidee im Mittelalter“, in: Klaus Schreiner
(Hg.), Heilige Kriege: Religiöse Begründungen militärischer Gewaltanwendung: Judentum, Christentum und
Islam im Vergleich, München: R. Oldenbourg Verlag, 2008, S. 93-108, hier S. 96.
360
Sure 22,39-40: „Denjenigen, die (gegen die Ungläubigen) kämpfen, ist die Erlaubnis (zum Kämpfen) erteilt
worden, weil ihnen (vorher) Unrecht geschehen ist. – Gott hat die Macht, ihnen zu helfen. (Ihnen) die unberechtigterweise aus ihren Wohnungen vertrieben worden sind, nur weil sie sagen: Unser Herr ist Gott. – Und
wenn Gott nicht die einen Menschen durch die anderen zurückgehalten hätte, wären (überall) Kirchen (biya´),
Synagogen (ṣalawāt) und andere Kultstätten, in denen (allen) der Name Gottes unablässig erwähnt wird, zerstört worden. Aber bestimmt wird Gott denen, die ihm helfen, (ebenfalls) helfen. Er ist stark und mächtig.“
110
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
weiht. Nūr ad-Dīn ließ Faḍā ´il al-quds (die Sammlungen der Lobpreisungen Jerusalems)361 verteilen und
gab ein herrliches Predigtpult in Auftrag, das in der Al-Aqṣā Moschee aufgestellt werden sollte, nachdem
die Muslime Jerusalem von den Franken befreit hätten.362 Vor der Zeit der Kreuzzüge waren die unmittelbaren Konkurrenten der Muslime – wie schon erwähnt – die Byzantiner, nicht die Franken. Die Begegnung mit dem barbarischen Volk aus dem Westen, den sogenannten Ifranğ (Franken) brachte eine neue
Dramatik in die muslimisch-christlichen Beziehungen.
Nūr ad-Dīn setzte das kriegerische Vorbild seines Vaters Zengi fort und führte den Krieg gegen die
Franken an allen Fronten. Nūr ad-Dīns Haltung stand für das neue Selbstbewusstsein der Muslime gegenüber den Franken, das sich in der Idee des Ğihād ausdrückte. Er rief die Muslime Syriens auf, sich unter
der Seele des Islam zu vereinen und sich gemeinsam am Kampf gegen die christlichen Franken zu beteiligen. Das Feuer des Ğihād war damit im Nahen Osten zum ersten Mal in Form eines Krieges entfacht.363
Der damaszenische Chronist Ibn al-Qalanisi zitiert Nūr ad-Dīn. In diesem Zitat zeigt sich das religiöse
Motiv seines Kampfes:
„I seek nothing but the good of the Muslims and to make war against the Christian Franks […]
If […] we aid one another in waging the Holy War, and matters are arranged harmoniously and with
a single eye to the good, my desire and purpose will be fully achieved.” 364
Mit großer Grausamkeit reagierten die Kreuzfahrer auf die Gegenwehr der Muslime. Der Verlust von
Edessa und ein Hilfeersuchen aus Palästina motivierten Papst Eugen III. (1145-1153 n. Chr.) am 1. Dezember 1145 den zweiten Kreuzzug auszurufen. Papst Eugen III. und Bernhard von Clairvaux interpretierten den Verlust von Edessa nicht als Folge der erstarkten Macht von Nūr ad-Dīn von Damaskus, sondern
als Gottes Strafe für die Sünden der christlich-westlichen Welt.365 Diese Überzeugung führte dazu, dass
man den Kreuzzugsgedanken neu mit Leben erfüllte. Der Heilige Krieg war deshalb im 12. Jahrhundert n.
Chr. sogar in allen europäischen Schulen Unterrichtsgegenstand.366 Man hegte die Hoffnung, dass der
Kreuzzugsgedanke sich in der westlichen Welt so durchsetzen würde und dass damit die Seele der Kreuz361
Vgl. Kapitel 1.6 und 5.2.
362
Vgl. Carole Hillenbrand, a.a.O., S. 165.
363
Vgl. Gudrun Krämer, Geschichte des Islam, München: Verlag C.H. Beck, 2005, S. 157-158.
364
Ibn al-Qalanisi, Dhayl tarikh Dimishq, H.A.R. Gibb (Übers.), The Damascus Chronicle of the Crusades, London: Luzac, 1932, S. 303.
365
Vgl. Ludwig Schmugge, a.a.O., S. 96.
366
Vgl. Ebd.
111
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
züge wieder erweckt werden könnte. Die Ablässe, Heilszusagen und die Eroberung des Heiligen Landes
ließen die Bewegung der Kreuzzüge weiterhin attraktiv erscheinen. Die norddeutschen Fürsten Heinrich
der Löwe (1130-1195 n. Chr.), Albrecht der Bär (1100-1170 n. Chr.) und einige Bischöfe segneten die
neuen Kreuzzugsspläne des Papstes.367
In dem von den Franken eroberten Jerusalem hatte es von Anfang an Streitigkeiten zwischen den
verschiedenen Interessengruppen der Kreuzfahrer über den Herrschaftsanspruch gegeben. Diese hielten
auch zur Zeit des zweiten Kreuzzugs an. Das Leben und Verhalten der Kreuzfahrer in der Heiligen Stadt
entsprach so gar nicht der Bedeutung des Ortes, den sie sich angeeignet hatten und von dessen Heiligkeit
sie überzeugt waren. Die Auseinandersetzungen um die Herrschaft, die zu inneren Konflikten geführt
hatten, waren nicht – wie von Jerusalempilgern eigentlich zu erwarten – von Liebe und Demut geprägt.368
Die Franken in Jerusalem hatten die Gefahr, die für sie von Nūr ad-Dīn ausging erkannt. Dieser richtete inzwischen sein Interesse auf das schiitische Fatimiden-Kalifat in Ägypten. Die Franken versuchten,
Nūr ad-Dīns Plan, Ägypten zu erobern, zu sabotieren. Allerdings ohne Erfolg, denn mit dem Sieg über das
kurdische Königreich unter General Schirkuh ließ sich Nūr ad-Dīn nicht mehr aufhalten. Yusuf ibn
Ayyub, der Neffe von Nūr ad-Dīn, wurde 1170 n. Chr. von Nūr ad-Dīn als Wesir (Repräsentant des Kalifen) in Ägypten eingesetzt und herrschte damit über das Fatimiden-Kalifat. Besser bekannt war Yusuf ibn
Ayyub als „Ṣalāḥ ad-Dīn“, dieser Name war Programm, er bedeutet Rechtmäßigkeit der Religion. Ṣalāḥ
ad-Dīn war ein hingebungsvoller Anhänger der Idee des Ğihād und überzeugt, dass er und nicht Nūr adDīn die Heilige Stadt Jerusalem von den Franken befreien würde. Diese Überzeugung führte zum Konflikt
zwischen den beiden.369 Als Nūr ad-Dīn 1174 n. Chr. an einem Herzanfall starb, brach der offene Krieg
zwischen Ṣalāḥ ad-Dīn und Nūr ad-Dīns Sohn um die Nachfolge aus, aus dem Ṣalāḥ ad-Dīn als Sieger
hervorging. Denn Ṣalāḥ ad-Dīn hatte wegen seines Charismas, seiner Freundlichkeit und offensichtlichen
Frömmigkeit die Unterstützung der Muslime gewonnen. Er war nach zehn Jahren der bekannteste Führer
der wichtigsten Städte in der Region. Er nutzte den Ğihād Gedanken, die Massen zu mobilisieren und
seinen politischen und militärischen Führungsanspruch zu verstärken. Ṣalāḥ ad-Dīn baute seine islamische
und politische Macht derart aus, dass er schließlich ganz Ägypten und Syrien beherrschte. Anknüpfend an
367
Vgl. Ebd.
368
Vgl. Karen Armstrong, Holy War, S. 241.
369
Vgl. Carole Hillenbrand, a.a.O., S. 171.
112
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
die Hoffnungsgestalt Ṣalāḥ ad-Dīn erhielt auch der Ğihād einen neuen Inhalt und ein neues Paradigma: die
Befreiung der Heiligen Stadt Jerusalem aus der Hand der christlichen Eroberer.370
Am 2. Oktober 1187 n. Chr., dem Tag, an dem die Muslime die Nachtreise und Mi´rāğ (Himmelsreise) des Propheten feierten, erreichten Ṣalāḥ ad-Dīn und seine Truppen als Eroberer die Stadt Jerusalem.
Ibn al-Athīr berichtet über die Vorgänge in Jerusalem während der muslimischen Eroberung:
„Freitag, den 27. Rağab, wurde die Stadt übergeben, an einem denkwürdigen Tage: die islamischen Banner wehten wieder auf den Mauern Jerusalems. […] In Jerusalem befand sich die vormalige Frau eines der Könige von Rūm. Sie war Nonne geworden […]. Sie bat für sich und ihr Gefolge
um freies Geleit, und Saladin gewährte es ihr und ließ sie ziehen. […] Der große Patriarch der Franken verließ die Stadt mit den Schätzen der Kirchen: des Felsendoms, Al-Aqṣās, der Auferstehungskirche und anderer, Gott allein weiß, wie viele Schätze es waren, und mit ebensoviel Geld. Saladin
machte ihm keine Schwierigkeiten […].”371
Carole Hillenbrand kommentiert den glücklichen Umstand, dass der Sieg auf diesen Tag fällt: “What
a wonderful coincidence! God allowed the Muslims to take the city as a celebration of the anniversary of
their Holy Prophet´s Night Journey.”372
Nachdem die Franken Jerusalem 1187 n. Chr. verlassen hatten, gingen die Muslime durch die Straßen und staunten über die Pracht, die die Kreuzfahrer Jerusalem verliehen hatten. Ṣalāḥ ad-Dīn war ergriffen davon, die islamische Heilige Stadt zu betreten. Poeten und Koranrezitatoren priesen ihn in Versen,
während von anderen berichte wurde, wie sie weinten und vor Freude kaum sprechen konnten.373 Danach
befahl Ṣalāḥ ad-Dīn, dass die Moschee und der Felsendom gereinigt werden müssten, nachdem diese heiligen Gebäude für mehrere Jahre als fränkische militärische Stationen entweiht worden waren.374
370
Vgl. Ebd., S. 175.
371
Der Bericht von Ibn al-Athīr, Fransesco Gabrieli, Die Kreuzzüge aus Arabischer Sicht (Übersetzung von Fransesco Gabrieli), Zürich: Artemis Verlag, 1973, S. 190-193.
372
Nach dem Zitat von Carole Hillenbrand, a.a.O., S. 189.
373
Vgl. Imad ad-Dῑn al-Isfahani, “al-Fath al-qussi fi l´fath al-qudsi”, in: Francesco Gabrieli, a.a.O., S. 182.
374
Vgl. Ebd., S. 192.
113
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
4.3.2 Die Rückeroberung Jerusalems als Ğihād
In Bezug auf die Bedeutung von Ğihād nach der Zurückeroberung Jerusalems durch Ṣalāḥ ad-Dīn werden
im Folgenden einige Gedanken von muslimischen Historikern dargestellt. Einer der wichtigsten muslimischen Historiker, der die religiöse Idee von Ğihād vorgestellt hat, war As-Sulami. Seine Schrift von 1105
n.Chr. trägt den Titel „Kitab al-Ğihād“. Hierbei handelt es sich um eine Streitschrift, in der As-Sulami die
Franken durchweg als die Infidel (ungläubig) bezeichnet. Sein Anliegen war es, die religiöse Triebkraft
des Islam für die Muslime neu zu unterstreichen. Die Deutung des Krieges im Morgenland als Ğihād half
ihm seiner Schrift besondere Schärfe zu verleihen. Er beschreibt das Ziel, die islamische Stadt Jerusalem
zurückzuerobern.375 As-Sulami erinnert an die fränkische Invasion in Syrien, an die Eroberung Siziliens
sowie an die Reconquista in Spanien, wo muslimische Städte und Herrschaftsgebiete von den Christen
belagert und zerstört worden waren. Aus diesen Ereignissen zieht er den Schluss, dass das Christentum
grundsätzlich eine gefährliche Bedrohung für die Muslime darstelle. Aufgrund dieser Bedrohung müssten
die Muslime sich gegen diese Gefahr mit allen Mitteln zur Wehr setzen und ihren energischen Ğihād führen.376 Mit dieser neuen kriegerischen Deutung des Ğihād war As-Sulami der Urheber einer Ğihād Ideologie, die in der Mitte des 12. Jahrhunderts n. Chr. die wichtigen muslimischen Kämpfer wie Zengi, Nūr
Ad-Dīn und Ṣalāḥ Ad-Dīn begeisterte. „Kitab al-Ğihād“ wurde zu einem Instrument, um erfolgreich die
Macht der Kreuzfahrer zu besiegen.377
Man kann vermuten, dass As-Sulami nicht der erste muslimische Historiograph war, der den Begriff
Ğihād im offensiv-militärischen Sinne vertrat, aber seine Schrift stellt die erste bekanntere Quelle in dieser Tonlage dar. Die Frage, die sich in Anschluss daran stellt, bezieht sich auf die Übersetzung von Ğihād
als „Heiliger Krieg“. Die erste Schwierigkeit mit dieser Übersetzung bezieht sich auf das Adjektiv „heilig“, denn im Islam ist nur einer muqaddas (heilig) nämlich Gott. Heiliger Krieg wäre entweder harb, oder
muqâtala muqaddasa, oder qitâl muqaddas. Diesen Begriffen, die explizit einen Heiligen Krieg bezeichnen würden, begegnet man weder im Koran noch in muslimischen Schriften. Die Vorstellung von einem
heiligen Krieg hat also keinen Grund in der islamischen Tradition und steht nicht im Zusammenhang mit
der Rede vom Ğihād.
375
Vgl. Carole Hillenbrand, S. 106.
376
Vgl. Nikolas Jaspert, a.a.O., S. 71.
377
Vgl. Carole Hillenbrand, a.a.O., S. 108-109.
114
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Der Islam unterscheidet den kleinen Ğihād, bei dem es sich um den reinen Verteidigungskrieg handelt, vom großen Ğihād, der sich auf den inneren Kampf des einzelnen Muslims gegen Begierde und verwerfliche Lebensweisen richtet. Der Verteidigungskrieg, der kleine Ğihâd fî sabîli ‘llâh (auf dem Wege
Gottes) wird nicht als heilig bezeichnet. Wenn heute Muslime vom Heiligen Krieg in unseren westlichen,
nicht islamisch geprägten Sprachen sprechen, dann passen sie sich unseren Gewohnheiten an, doch ist das
nicht ihre eigene Bezeichnung. Der III. Verbalstamm, von dem Ğihâd abgleitet ist, bezieht sich in reflexiver Weise auf den Akteur, also bedeutet ghd eigentlich: ringen mit sich selbst, Kampf den eigenen Gelüsten bzw. dem Feind im Herzen. Erst im übertragenen Sinnen können damit dann auch die äußeren
Feinde gemeint sein, die den Glauben erschüttern.378
Die Kreuzzüge der Franken sind als Kriege in die Geschichte der Beziehungen zwischen Abend- und
Morgenland eingegangen. Nach der schon zitierten Darstellung von Nikolas Jaspert, haben die Franken
Jerusalem als islamische Region angegriffen und erobert. Dagegen setzten sich die Muslime in einem
Verteidigungskrieg zur Wehr, der von ihnen als „gerechter Krieg“ verstanden wurde.379 Mit der Eroberung
Jerusalems von Ṣalāḥ ad-Dīn 1187 n. Chr. erreicht Jerusalem ihren Höhepunkt als islamische Heilige
Stadt. Ungefähr sechzig Briefe, ein Dutzend Gedichte und mehrere Khutbas (Predigten) werden der
Wiedergewinnung Jerusalems gewidmet. Eine Qasida (feierliche Ode), die von den Fatimiden aus Kairo
an Ṣalāḥ ad-Dīn in Jerusalem nach seiner Eroberung der Heiligen Stadt gesandt wurde, verkündigt öffentlich: „You have revivified the religion of Muhammad and its Prophet [….] You have kept in firm order
the office of War (diwan al-Ğihād).”380 Dieser Freudenausbruch setzt wieder unmittelbar das Eintreten für
die wahre Religion mit dem Ğihād in Beziehung. Gottes Wille ist erfüllt, und die richtige Religion ist
durch den Ğihād in der Heiligen Stadt wieder eingesetzt worden.
Der tiefe Eindruck der Wiedererlangung Jerusalems auf die muslimische Bevölkerung wurde von
zeitgenössischen Chronisten wiedergegeben. Nach den Quellen, die von ´Imad ad-Dῑn und Ibn Shaddad
überliefert sind, haben sich Muslime zum feierlichen Einzug von Ṣalāḥ ad-Dīn in Jerusalem versammelt.
Sie waren gekommen, um an den Festlichkeiten teilzunehmen und zur Hadsch (Wallfahrt) nach Mekka
von dort aufzubrechen.
378
Vgl. Nikolas Jaspert, a.a.O., S. 71.
379
Vgl. Nikolas Jaspert, a.a.O., S. 48-51.
380
Vgl. Carole Hillenbrand, a.a.O., S. 189.
115
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Damit war Ṣalāḥ ad-Dīn auf dem Höhepunkt seines politischen Wirkens. Endlich war das oberste
Ziel seines Ğihād erreicht. Die Rolle Jerusalems im muslimischen Kampf gegen die Kreuzritter wird in
der Predigt, die von Ibn al-Zaki (gest. 1192 n.Chr.), einem Prediger der Shafi'iten von Damaskus, anlässlich des Einzugs von Ṣalāḥ ad-Dīn in Jerusalem überliefert ist, unterstrichen. Ibn al-Zaki erinnert seine
Zuhörer an die Wichtigkeit Jerusalems für die Muslime, das zum Islam zurückgekehrt ist, nachdem es
durch die Polytheisten fast hundert Jahre missbraucht worden war. In dieser Predigt findet sich die typische muslimische Ansicht von Jerusalem im 12. Jahrhundert. Elemente können auch hier identifiziert
werden, die die islamische Überlegenheit betonen, und die auch in der Literatur über die Vorzüge Jerusalems381 gefunden werden können:
„Wie sollte er [Ṣalāḥ ad-Dīn] sich nicht die Eroberung des starken Jerusalem zum Ziel nehmen
und der Moschee al-Aqṣā, die auf Frömmigkeit gegründet ist, denn es ist der Sitz der Propheten, das
Haus der Heiligen, der Ort der Anbetung der Frommen, den die großen Heiligen der Erde und die
Engel des Himmels besuchen. Hier ist der Ort der Sammlung und der Auferstehung [am Jüngsten
Tag], hier steht der Felsen, dessen immer neuer Glanz vor allem Abstumpfen bewahrt wurde, von
dem der Weg des Auffahrens (des Propheten zum Himmel) ausging; über seinem Haupt erhebt sich
die stolze Kuppel wie eine Krone; hier zuckte der Blitz, von hier nahm Burāq seinen Weg, hier erhellte die Nacht der Himmelsreise mit der Herabkunft der glänzenden Leuchte die Welt.“ 382
Ein erhellendes Verständnis des Ğihād bei Nūr ad-Dīn und Ṣalāḥ ad-Dīn findet sich bei dem muslimischen Theologen und Chronisten des 12. Jahrhundert n. Chr. Abū Šāma. Abū Šāma hält fest: „Das Vorbildliche in den beiden Geschichtsfiguren ist ihr tugendhaftes, ethisch einwandfreies Verhalten und Handeln, das darauf gerichtet ist, den ursprünglichen Islam wiederherzustellen und im Krieg die Polytheisten
zu bekämpfen.“383 Nūr ad-Dīn hatte im Zuge des Ğihād in Aleppo die Sunna oder die Regel Muḥammads
wiederhergestellt. Die Rāfida, eine schiitische Sekte, wurde von ihm in Syrien bekämpft und damit wurde
´adl (die Gerechtigkeit) wiederherstellt. Eine kultische Reform in der Gebetspraxis wurde durchgesetzt.
Hans Daiber spricht hier von einer islamischen Re-Orientierung über den Ğihād.384
381
Vgl. Kapitel 5.
382
´Imād ad-Dīn, al-Kātib al-Isfahānī, al-Fath al qussī fi´l-fath al-qudsī, in: C. Landberg, Leiden, 1888. Die Übersetzung stammt von Francesco Gabrieli, a.a.O., S. 199-200.
383
Nach dem Zitat von Hans Daiber, „Die Kreuzzüge im Lichte Islamischer Theologie: Theologische
Interpretamente bei Abū Šāma“, in: Albert Zimmermann (Hg.), Orientalische Kultur und Europäische Mittelalter, Berlin & New York: Walter De Gruyter, 1985, S. 79.
384
Daiber fasst zusammen: „Wer seinem Vorbild nachstrebt im Streit um die Sache des Islam und in der Verteidigung gegen die Angriffe der Christen, den Polytheisten, ebnet sich den Weg ins Paradies. Ein Mittel ist Ğihād
(der Krieg), Istišhad (das Martyrium) des Šahīd (Martyrer), der damit intaqala ilā ğiwār ar-rahmān (in die Nähe des Barmherzigen rückt) und hierdurch gleichzeitig bei seinem muslimischen Augenzeugen, der die Ğalad,
Ğalāda (Ausdauer) des Märtyrers gesehen hat nämlich Šahāda, den Hamīya (Eifer) vermehrt; als Folge davon
116
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Auch in der muslimischen Tradition war die Teilnahme am Krieg gegen die „Ungläubigen“ mit religiösen Verheißungen verbunden. Zum einen stand dem am Krieg Beteiligten, die Verheißung des Jenseits
in Aussicht, wenn er als Märtyrer fallen würde. Auch die du´ā, da´wa (das Gebet) mit nīya (der rechten
Absicht) wird belohnt. Das Gebet wird als eine salāh (Waffe) betrachtet und gibt dem Gläubigen die Gelegenheit, Gott um Erfolg zu bitten, um mit mehr Optimismus den Krieg für die Angelegenheit des Islam
zu führen.385
Neben der Verheißung des Jenseits und dem Lohn für das Gebet spielen im Konzept des Ğihād Prophezeiungen in Form von Visionen und Träumen eine wichtige Rolle. Hans Daiber referiert dazu die Autobiographie von Abū Šāma:
„Er habe im Monat Safar des Jahres 644 n. Chr. geträumt, ´Umar b. al-Ḥaṭṭāb (der zweite Kalif)
sei nach Damaskus gekommen und habe seinen Bewohnern im Kampf gegen die Franken geholfen.
Jemand habe im Traum einen Mann damit beschäftigt gesehen, Schweine mit dem Schwert zu töten
und habe die Auskunft bekommen, dass nicht Jesus oder der Mahdi sie tötete, sondern Ṣalāḥ adDīn.“386
Dieser Bericht zeigt, dass Träume den Muslim zum Glaubenskampf anspornen, besonders dann,
wenn diese sich erfüllen. Nicht nur die Analogie zwischen Traum und Wirklichkeit, sondern auch der
Rückbezug auf wichtige Ereignisse in der muslimischen Geschichte betonen, dass Ṣalāḥ ad-Dīns Wirken
und Sieg von Gott gewollt war. Der Bezug auf die Nacht- und Himmelsreise Muḥammads wurde in dieser
Arbeit schon mehrfach erwähnt. Darüber hinaus erinnerte man sich auch an die Schlacht bei Badr 624 n.
Chr. zwischen Anhängern Muḥammads und den Mekkanern. Wie damals die Engel bei Badr den Muslimen geholfen haben, hat Gott die Engel geschickt, Ṣalāḥ ad-Dīn zu helfen.387
Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass die beiden politischen und religiösen Helden Nūr adDīn und Ṣalāḥ ad-Dīn den Muslimen zu moralischen Vorbildern wurden und auch so für eine Erneuerung
wird die Nīya (Aufrichtigkeit) des Halasat li-llāh (Augenzeugen vor Gott vertieft). Jede Farīq (Kampfschar)
verkauft ihre Rūhahū (Seele) um den Preis der bi-rāhatihī –l-uhrawīya (Ruhe im Jenseits). Gott verleiht ihr
Waffaqa (Erfolg) im Erlangen der Sa´āda (Glückseligkeit), im Šahāda (Martyrium). Auffallend ist die Gleichung Seelenruhe im Jenseits, Gottesnähe und Glückseligkeit. Sie hat eine Parallele in der islamischen Ethik,
wo man nebeneinander Sa´āda (Glückseligkeit), Yatma´inna qalbuhu (Seelenruhe), Muğawarat rabb al´ālamin (Gottesnähe) und Duhūl ğannātihī (Eintritt in das Paradies) demjenigen versprochen findet, der die
vier Kardinaltugenden Hikma (Weisheit), ´Iffa (Enthaltsamkeit), Šağā´a (Mut) und ´Adāla (Gerechtigkeit) besitzt.“ – Hans Daiber, a.a.O., S. 80.
385
Vgl. Ebd., S. 81.
386
Hans Daiber, a.a.O., S. 81.
387
Vgl. Ebd.
117
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
und Wiederbelebung des Islam standen. Inhaltlich stand vor allem der theologische Streit mit den Christen
um das Gottesbild im Vordergrund. Man hielt an der Überlegenheit des Tauhīd (islamischen Monotheismus) über die christliche Trinität fest.388
Der schon erwähnte Abū Šāma wirft ein differenziertes Licht auf die Beurteilung der Präsenz Gottes
im Ğihād. Für Abū Šāma ist Gott nicht nur der Barmherzige und Gnädige, der Gutes tut und ´ādil (gerecht) ist, vielmehr findet er in der Geschichte der Kreuzzüge auch die andere Perspektive Gottes. 389 Er
schreibt:
„Gott ist auch unberechenbar. Gott hat den Menschen eine fitna (Prüfung) auferlegt und er hat
bestimmt, dass im muslimischen Heer hulf (Uneinigkeit) entstand, welche die Kampkraft der Muslime beeinträchtigte“.390
Zum Schluss soll nun gefragt werden, wer die Theologie Abū Šāmas geprägt hat. Als einflussreiche
Denker, die Abū Šāma aufgenommen hat, sind u.a. der Aš´arite ´Izzaddīn Ibn ´Abdassalām (As-Sulamī,
gest. 660 n. Chr.)391 sowie die Hanbaliten Saifaddīn al-Āmidī (gest. 631 n. Chr.)392 und Ibn Qudāma alMaqdisī (gest. 620 n. Chr.) bekannt. Besonders bezieht sich Abū Šāma auf das theologische Gedankengebäude von Ibn Hanbal. Er nimmt die hanbalitische Theologie in folgenden Punkten auf:393
388
Wo die Christen auch ahl al-aqānīm genannt werden und wo die christliche Lehre der Gott-Menschlichkeit
angeprangert wird (dalāl an-nāsūt wa-l-lāhūt). Zu dieser traditionellen Kritik an der christlichen Trinitätslehre
vgl. hier z.B. J. Windrow Sweetman, Islam and Christian Theology I/2, London und Redhill: Lutterworth Library XX, 1947, S. 225f, bes. 231f.
389
Hans Daiber bezieht sich auf Abū Šāma, wenn er schreibt: „Sie (die Geschichte der Kreuzzüge) beweist auch
Gottes Gegenwart im Wechsel der Ereignisse: qadā (der göttliche Ratschluß) bestimmt die Geschicke der
Menschen. Gott hat veranlasst, dass im Jahre 1174 die fränkische Flotte bei Alexandrien in die Flucht geschlagen wird. Gott hat, wie in Anlehnung an die koranische Terminologie (vgl. Sure 3,160 und Sure 11,88) Taufīqhidlān (Schatz der Gnade) gesagt wird, den Muslimen an-nasr (die Rettung) geschenkt und den al-hidlān wa-lqahr (Ungläubigen eine Niederlage) beschert“. – Hans Daiber, a.a.O., S. 83.
390
Vgl auch. Sure 42,19/18 (latīf); 27,40 (karīm); ferner Sure 16,90/92 zu ´adl. Sie (die Geschichte der Kreuzzüge) beweist auch Gottes Gegenwart im Wechsel der Ereignisse: qadā (der göttliche Ratschluss) bestimmt die
Geschicke der Menschen. Gott hat veranlasst, dass im Jahre 1174 die fränkische Flotte bei Alexandrien in die
Flucht geschlagen wird. Gott hat, wie in Anlehnung an die koranische Terminologie (vgl. Sure 3,160 und Sure
11,88) Taufīq-hidlān (Schatz der Gnade) gesagt wird, den Muslimen an-nasr (die Rettung) geschenkt und den
al-hidlān wa-l-qahr (Ungläubigen eine Niederlage) beschert“. – Hans Daiber, a.a.O., S. 83.
391
Vgl. C. Brockelmann, Geschichte der arabischen Litteratur, Bd. I, Leiden: Verlag R. Oldenbourg, 1943, S.
430ff.
392
Vgl. Ebd., 393. Al-Āmidī soll später zu den Schafiiten übergetreten sein.
393
Hans Daiber, a.a.O., S. 84-85.
118
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
a.
Das Streben nach einer Reorientierung des Islam an Koran und Sunna;
b.
die Aufforderung zum ehrenden Gedenken an die Vorfahren, deren vorbildliches Verhalten Richtschnur sein soll;
c.
die Warnung vor kultischen Neuerungen;
d.
die Lehre von Gottes Prädestination;
e.
die Verheißung des Paradieses;
f.
die Verpflichtung zum Heiligen Krieg;
g.
die Erinnerung an Muḥammads nächtliche Reise von Mekka nach Jerusalem;
h.
nīya (die Lehre von der Aufrichtigkeit) im Glauben;
i.
die Warnung vor Uneinigkeit durch Zerstrittenheit, die die Hanbaliten einem alten Vorbild folgend
mit der Aufforderung verbanden, sich von Fitna (Prüfung) fernzuhalten und die Einheit der Gemeinde zu bewahren.394
Abū Šāma sah die Hanbalitische Ethik in dem Wirken von Nūr ad-Dīn und Ṣalāḥ ad-Dīn verwirk-
licht. Abū Šāmas Zusammenschau von geschichtlichen Ereignissen der Gegenwart und der Vergangenheit
einerseits und von theologischen Einsichten der Gegenwart und der Vergangenheit andererseits bieten
eine interessante Methode und eine fruchtbare Symbiose von Theologie und Geschichtsschreibung.
Was lässt sich abschließend zum Ğihād aus islamischer Perspektive festhalten? Es ist ein weit gefasster Begriff. Er beinhaltet seit seinen Anfängen die innere Anstrengung, nicht nur den militärischen
Krieg mit seinen bußtheologischen Implikationen. Der Ğihād galt erst nach der Rückeroberung Jerusalems
dem Wiederherstellen muslimischer Gebiete und der Wiedergewinnung Heiliger Stätten. In der Ausbreitungsphase des Islam war dies noch nicht der Fall. Im Vergleich zum Kreuzzug, dem Heiligen Krieg der
Christen, war Ğihād der Gedanke der Bestrafung von Übeltätern im Namen Gottes fremd. Schließlich
existierte im Islam keine anerkannte, kompetente religiöse Institution wie der Papst, der mehrfach zum
Krieg im Namen Gottes aufrief.
394
Ebd., S. 85.
119
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
4.4 Kritik an den Kreuzzügen aus christlicher Perspektive
4.4.1 Radulfus Niger
Nach dem Scheitern des Zweiten Kreuzzuges kamen in der westlichen christlichen Welt starke Kritiken an
den Kreuzzügen auf. Eine der schärfsten Kreuzzugskritiken kam von dem englischen Gelehrten Radulfus
Niger, der Jurist, Theologe und Historiker war und der an der Universität Paris gelehrt hatte. Sie wurde
kurz nach dem Fall Jerusalems 1187 bekannt. Er hat sein Werk: De re militari et triplici via
peregrinationis Ierosolimitane (Über das Kriegswesen und den dreifachen Pilgerweg nach Jerusalem)
überschrieben und dem französischen König Philipp Augustus gewidmet.395
Niger kritisiert den Kreuzzugsablass als bußtheologisch unzulässig. Er betont, dass die Sünde der
Kreuzfahrer durch ihre militärische Reise nach Jerusalem allein nicht gesühnt werden kann. Denn solange
ein Kreuzfahrer seine Sünden nicht bekennt, dafür gebüßt und angerichteten Schaden wieder gut macht,
besteht keine Hoffnung auf Sündenvergebung durch einen Ablass.396 Die Reise nach Jerusalem allein wird
die Seele von Sünde nicht reinwaschen. Auf diesem Hintergrund muss die bußtheologische Auseinandersetzung Nigers mit den Kreuzzügen verstanden werden. Er bezweifelt, ob das päpstliche Wort der Sündenvergebung überhaupt mit der Gleichheit und Gerechtigkeit verbunden und vereinbar ist. So lautet die
Überlegung von Radulfus Niger:
„Eine Pilgerfahrt tilgt keineswegs alle Stigmata der Sünde. Ein Dieb oder Räuber, der den angerichteten Schaden nicht wiedergutmacht, kann auch auf päpstliches Wort hin nicht allein durch eine
Pilgerreise Vergebung erlangen.“397
Statt einer militärischen Kreuzfahrt nach Jerusalem, empfiehlt Niger den Buße Suchenden eine mystische Pilgerfahrt. Die mystische Pilgerfahrt kann an jedem Ort angetreten werden. Sie ist der realen Pilgerfahrt vorzuziehen, weil der Pilger hier nicht seine häuslichen Pflichten vernachlässigt und damit wo-
395
Vgl. Nach der Einleitung und Edition von Ludwig Schmugge, Radulfus Niger, „De re militari et triplici via
peregrinationis Ierosolimitane“, Berlin–New York: Walter de Gruyter, 1977.
396
Vgl. Radulfus Niger, a.a.O., S. 162. („Neque enim subvenit peregrinatio ullius vie ad meritum vite ei, qui non
transegerit cum deo de culpa sua remedio penitentie consummato.“).
397
„Non enim evacuat peregrinatio omnia alia stigmata penitentie. (…) Neque enim raptor aut fur, qui possidet et
non restituit aut furtum, emunitatem assequitur per verbum apostolicum ulla peregrinatione nisi restituat ablatum.” Radulfus Niger, De Re Militari Et Triplici Via Peregrinationis Ierosolimitane, in: Ludwig Schmugge,
a.a.O., S. 222. (Übersetzung nach Schmugge, Ebd., S. 62.)
120
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
möglich Sünde auf sich lädt.398 Niger betont, dass der Stand der Gnade (status gratiae) in drei Schritten,
die er auch drei mystische Pilgerfahrten nennt, erlangt werden kann: Bereuen der Sünden, Buße für die
Sünden, Wiedergutmachung des angerichteten Schadens.399 Damit koppelt Niger den Kreuzzugsgedanken
von der realen Pilgerfahrt nach Jerusalem ab.
Ein Kreuzzug verstößt nach Nigers Meinung nicht nur gegen die Grundsätze der Bußtheologie, sondern auch gegen den Missionsbefehl. Der Evangelist ruft nicht zu Gewalttaten auf, um Menschen zu
Christus zu bringen. Darüber hinaus folgt Niger der allgemeinen Kirchenlehre, dass die Kirche kein Blut
vergießen darf.400 Blutvergießen kann kein Akt der Genugtuung (satisfactio) sein.401 Daraus folgt die
grundlegende Kritik Nigers an den Kreuzzügen als Heiligen Kriegen, weil die Christen das Schwert nicht
tragen dürfen, um das Evangelium zu verkündigen. Der christliche Glaube muss nur aus der Willensfreiheit, ohne Zwang angenommen werden.402
Ähnliche Stimmen verbreiteten sich auch in der damaligen Bevölkerung. Es wurde der Spruch geprägt: „Crux in mantellis non est purgatio pellis“ (Ein Kreuz auf dem Mantel ist nicht die Reinigung der
Haut), was so viel heißen sollte wie: „ein Kreuz auf dem Mantel macht noch keinen guten Menschen.“
Selbst folgender Vers aus den Episteln des Horaz wird jetzt auf den Kreuzzug bezogen: „Caelum non
animum mutant, qui trans mare currunt (Der Himmel verändert nicht die Seele dessen, der über das Meer
fährt), frei übersetzt: „Wer übers Meer fährt, wechselt das Klima, nicht seinen Geist.“403
4.4.2 Wilhelm von Tyrus
Neben Radulfus ist auch Wilhelm von Tyrus von Bedeutung, der ebenfalls die Einstellung der Kirche zu
den Kreuzzügen und ihre Einstellung zu den Muslimen kritisiert hat. Der Erzbischof Wilhelm von Tyrus
398
Radulfus Niger, Ebd., S. 94. („Parum tamen, ut dictum est, confert labor et itineratio, nisi suffragetur homini
mystica peregrinatio, ut fiat magis animo quam corporis exercitio.”)
399
Ebd., S. 60.
400
Ebd., S. 64.
401
„…non est satisfactio congrua cuiuscumque sanguinis effusio…“ – Ebd., S. 197.
402
Vgl. Radulfus Niger, a.a.O., S. 168. („Alia enim cum possit homo nolens, credere non potest nisi volens. Nemo
enim christianus fieri vel esse cogitur.“).
403
Ebd., S. 69.
121
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
(ca. 1130-1186 n. Chr.) war Kanzler des Königreiches Jerusalems.404 Er stammte aus einer französischen
Einwandererfamilie, die wohl im 12. Jahrhundert n. Chr in Jerusalem angekommen war und in Jerusalem
gewohnt hatte. Er war ein großer Kenner der West- und Ostkulturen. Seine Kindheit und Schulzeit hat er
in Jerusalem verbracht. Danach studierte er Theologie und das römische Gesetz in Paris, Orléans und Bologna.405 Es ist interessant, die soziale Herkunft von ihm zu betrachten. Er muss erlebt haben, wie nach der
Eroberung Jerusalems 1099 n. Chr. die christlichen Franken mit den Muslimen in Frieden und Toleranz
lebten. Die Abkommen zwischen den beiden religiösen Gruppen wurden umgesetzt und eingehalten. Die
fränkischen Machthaber hatten verfügt, dass man sich nicht streiten durfte, obwohl die Grenzen zwischen
den beiden Gesellschaften immer undeutlich waren. Die abendländischen Einwohner passten sich an die
östliche Gesellschaft und Kultur in Jerusalem an. Die fränkischen Familien kommunizierten mit ihren
Nachbarn nicht mehr in ihrer europäischen Sprache, sondern auf arabisch. Die Änderung des Lebensstiles
der östlichen Franken in Jerusalem war für viele Christen in Europa schwer zu verstehen.406
In seiner Einstellung zum Islam wurde Wilhelm von Tyrus von der griechisch-orthodoxen Kirche
und den Ostkirchen beeinflusst, die sich der Haltung der byzantinischen und lateinischen Kirchen widersetzten. Im Gegensatz zu den westlichen Kirchen, die den Islam als dämonisches Heidentum ansahen,
verstand Wilhelm, dass der Islam als eine der offiziellen Religionen der Welt betrachtet werden musste
und mit dem Christentum als eine monotheistische Religion zusammen gesehen werden musste. Der Islam
und das Christentum lobten nach Willhelm von Tyrus denselben Gott. Auch im Islam hat Gott einen Weg
zur Erlösung vorgesehen, aber nicht in gleicher Qualität wie im Christentum. Wilhelm hat es vermieden,
den Begriff "pagan" für den Islam anzuwenden. Der Islam ist für Wilhelm eine Religion, die aus der Tradition von Abraham, Isaac und Jacob stammt. Obwohl er die islamische Ideologie zurückgewiesen hat,
respektierte er aber den Islam als Religion, die ihre Anhänger lehrte, Gott zu fürchten und ein frommes
Leben zu führen.407 Wilhelm kritisierte die Haltung der Westkirchen, die stets die Differenzen zwischen
Islam und Christentum besonders im Zusammenhang mit den Kreuzzügen hervorgehoben hat. „Bernhard
von Clairvaux (konnte beispielsweise) […] die Tötung der Heiden nicht als Menschenmord, sondern als
404
Vgl. Rainer Christoph Schwinges, „Kreuzzugsideologie und Toleranz im Denken Wilhelms von Tyrus“, in:
Max Kerner (Hg.), Ideologie und Herrschaft im Mittelalter, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft,
1982, S. 356-384, hier S. 357.
405
Vgl. Ebd., S. 363.
406
Vgl. Karen Armstrong, Holy War, S. 187-188.
407
Vgl. Rainer Christoph Schwinges, Kreuzzugsideologie und Toleranz: Studien zu Wilhelm von Tyrus, Stuttgart:
Anton Hiersemann, 1977, S. 11-12.
122
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Vernichtung des Bösen apostrophieren […].“408 Für Wilhelm dagegen hatten die beiden Religionen mehr
Ähnlichkeiten als Differenzen.409
Wilhelm betrachtete die Muslime nicht als ungläubig, sondern als Gottgläubige,410 auch wenn er ihren Glauben nicht auf eine Stufe mit dem christlichen Glauben stellt. Während der Kreuzzüge sah Wilhelm die Muslime nicht als Feinde an, sondern als tapfere Menschen. Seiner Meinung nach sprachen die
Muslime vom Ğihād – für den guten Kampf –, weil sie ihre religiösen Werte verteidigen wollten. Wilhelm
rühmte auch die beiden großen muslimischen Kämpfer, nämlich Ṣalāḥ ad-Dῑn und Nur Ad-Dῑn, weil sie
Mut und Wahrheitsliebe zeigten, um ihre muslimischen Anhänger zu verteidigen. Beide wurden nicht nur
als die frommen muslimischen Führer anerkannt, sondern gleichzeitig als ernstzunehmende Anführer auch
für die christlichen Franken gesehen.411
Wilhelm ist der Ansicht, dass Muslime und Christen gleichberechtigt in Jerusalem leben sollten. Für
Wilhelm hatten die Muslime das Recht, in Jerusalem in Freiheit, Wohlstand und mit ihren Familien zu
siedeln. Während der Kreuzzüge hätten die Muslime auch das Recht, Krieg zu führen, wenn ihre Existenz
durch die christlichen Militäraktionen gefährdet wurde. In diesem Sinne versteht Wilhelm das Konzept
Ğihād als einen gerechten Krieg. Gleichberechtigung zwischen den Muslimen und den Christen wurde
nach Wilhelm nicht nur im römischen Recht, sondern durch die Wahrheit Gottes vorgegeben. Ein interessantes Beispiel ist die Haltung von Wilhelm anlässlich einer heftigen Schlacht zwischen den Muslimen
und den Christen: 1126 n. Chr. brach eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen den Franken unter
König Balduin II. und den Damaszenern unter ihrem Führer Atabeg Tugtakῑn aus. Wilhelm kommentiert
dieses Ereignis wie folgt:
„In ihrem Eifer trachteten sie (die Franken) danach, das Gott und zugleich ihnen selbst zugefügte Unrecht zu rächen. Aber auch Tugtakῑn ermutigte und entzündete nichts destoweniger die Seinigen
mit Worten und Verheißungen zum Kampf. Er erklärte ihnen, sie würden einen gerechten Krieg führen für ihre Frauen und Kinder, sie würden gegen Räuber für ihre Freiheit kämpfen, was noch viel
bedeute, und für den Boden ihrer Väter.“412
408
Nach dem Zitat von Rainer Christoph Schwinges, a.a.O., S. 366.
409
Vgl. Ebd., S. 369.
410
Vgl. Rainer Christoph Schwinges, a.a.O., S. 282.
411
Vgl. Rainer Christoph Schwinges, a.a.O., S. 369-371.
412
Ebd., S. 374.
123
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Wilhelm verteidigte oder verurteilte weder die Christen noch die Muslime, sondern er glaubte, dass
weder die Christen noch die Muslime einen rechtmäßigen Kampf führten. Seine Haltung stellte eine
schwierige Position dar, weil beide Seiten sich im Recht glaubten und meinten, den heiligen Ort zu besitzen. Willhelm von Tyrus brachte Verständnis für beide Seiten auf. Glücklicherweise war das Ergebnis der
Auseinandersetzung, dass im Anschluss beide Gruppen zusammen im gleichen Land leben konnten. Wilhelm verstand sich insgesamt als eine lateinisch-orientalische Person und ist so mit der gesammten östlichen Gesellschaft und Kultur einschließlich mit dem Islam verbunden.413
Wilhelm von Tyrus stellt eine wichtige Stimme dar, weil er festhält, dass die Ideologie des Heiligen
Krieges und der Kreuzzüge nicht in den christlich-islamischen religiösen Wurzeln begründet waren. Die
Kriege, die in Palästina-Syrien geschahen, hatten keine religiöse Ursache. Religiöse Gründe wurden angeführt, um politische Ziele zu erreichen, besonders um territoriale Souveränität zu erlangen bzw. zu vergrößern.414
4.4.3 Kritische Überlegungen zum Heiligen Krieg um Jerusalem
Krieg als Ultima Ratio, als letzter Lösungsweg oder letzter Ausweg wird von vielen auch heute noch in
der christlichen Ethik unter dem Stichwort „gerechter Krieg“ vertreten. In der Geschichte führte diese
Lehre dazu, dass die Kirche unter bestimmten Bedingungen den Krieg ausrufen konnte. Aber wie beleuchtet die Bibel das Thema tatsächlich? In vielen Teilen des Neuen Testaments lehrt Jesus deutlich: „Liebet
eure Feinde". Ebenso wird auch das Thema Frieden in der Botschaft des Evangeliums betont: „Friede auf
Erden." Aber die Kirchengeschichte zeigt, dass diese beiden Gebote oft von der Kirche vernachlässigt
wurden, wenn die Kirche institutionell und politisch bedroht war und sich verteidigen musste. Tatsächlich
fehlt das Thema „Gewalt“ im Neuen Testament, im Vergleich mit dem Alten Testament, wo die Motive
von Krieg und Gewaltanwendungen oft hervorgehoben werden. Im Matthäus-Evangelium findet sich ein
gutes Beispiel: „Steck dein Schwert in die Scheide, denn wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert
umkommen“ (Mt 26,52). Jesus lehrt seine Jünger und die Soldaten die Botschaft der Gewaltfreiheit. Leider wenn die Kirche sich am Krieg beteiligte, scheint es so, dass sie die Botschaft des Friedens und der
Liebe nicht mehr beachtet. Die Kirche neigt sogar dazu, die Perspektive von der gewaltfreien Botschaft
des Neuen Testaments angesichts der positiven Geschichten zum Thema Krieg im Alten Testament zu
übergehen. Wenn Christen sich im Kampf engagieren, beziehen sie sich auf die Rede von Gottes Zorn im
413
Vgl. Ebd., S. 282.
414
Vgl. Rainer Christoph Schwinges, a.a.O., S. 284.
124
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Alten Testament. Mit diesem Motiv rechtfertigen sie ihr Mittel zum Ziel.415 Wie die Kirche zur Begründung des Krieges steht, ist bis heute umstritten.416 Zwischen radikal pazifistischen Positionen in den Kirchen und christlichen Haltungen, die einen gerechten Krieg für möglich halten, besteht auch heute noch
ein großer Graben.
Die Erinnerungen an den ersten Kreuzzug sind sowohl in der jüdischen als auch in der islamischen
Welt präsent. Die beiden religiösen Gruppen litten lange Zeit unter dem kollektiven Trauma der Kreuzzüge. Die Kreuzritter haben den Christen mit ihren militärischen Aktionen ein Erbe geschaffen, das das
Christentum als gewalttätige Religion in die Geschichte eingehen ließ. Kein Volk kann die Religion eines
anderen Volkes, und damit das Volk selbst, respektieren, dessen Repräsentanten sich so gebärden, wie es
das christliche Heer Gottes am 15. Juli 1099 in Palästina tat. Als Konsequenz der Massaker, die von den
Christen verübt wurden, erwuchs auf der muslimischen Seite eine vergleichbar gewalttätige Rache. Die
tiefe Wunde in die Beziehungen der Völker und Religionsgemeinschaften ist bis zum heutigen Tag noch
nicht geheilt.417
Mittelpunkt der grausamen Ereignisse war Jerusalem als die Stadt des Friedens, dessen Name in einem ironischen Kontrast zu seiner Geschichte der anhaltenden Konflikte steht. Die alttestestamentliche
Hoffnung vom Gelobten Land war in den Gedanken und glorifizierten Erwartungen lebendig, die die
Gläubigen motivierten, das Land zu besitzen.
Eine lange Debatte zieht sich durch die Geschichte und dauert bis heute an, wem denn nun das Heilige Land ursprünglich gehört. Christliche und muslimische Gelehrte (wie z.B. Hans Wollschläger, Nazmi
al-Jubeh und Kamal Farah) betonen, dass weder Juden noch Christen noch Muslime einen primären Anspruch auf die Heilige Stadt erheben können. Ein Gang durch die biblische und koranische Geschichte
beginnt mit König David, der im 9. Jahrhundert v. Chr. das Land von den Jebusitern erobert.418 Damit ist
der jüdische Anspruch in Frage gestellt. Ebensowenig ist das Heilige Land ein christliches Erbland (wie
Papst Urban II. es beanspruchen wollte).419 Die christliche Kirche (von dem Juden Jesus ins Leben geru415
Vgl. Christopher Tyerman, God´s War, S. 30.
416
Evangelische Kirche in Deutschland (Hg.), Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen: Eine
Denkschrift des Rates der EKD, Gütersloh: Gütersloh Verlagshaus, 2007.
417
Vgl. Karen Armstrong, Holy War, S. 538.
418
Vgl. Kamal Farah, „Gerechtigkeit und Frieden in Jerusalem“, in: Frank Kürschner-Pelkmann (Hg.), Jerusalem:
Die Stadt des Friedens, Hamburg: Missionsverlag, 2000, S. 14-19, hier S. 14.
419
Vgl. Hans Wollschläger, a.a.O., S. 17.
125
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
fen) wuchs mitten in dem Land, in dem Juden seit Generationen lebten.420 Im Vergleich zum Juden- und
Christentum entstand der Islam historisch noch später. Muslime betrachten zwar Jerusalem als ihre Heilige Stadt nach Mekka und Medina, aber auch ihnen gehört sie nicht.421
Das primäre Interesse, Jerusalem zu schützen, vermengte sich mit dem sekundären Ziel, nämlich der
Rückeroberung der Heiligen Stätten der Bibel. Jerusalem hat sicher aufgrund seiner heiligen Geschichte
unter den Gläubigen Hoffnungen auf eine eschatologische Erwartung erweckt. Als Ort des Wunschtraums
und der Begeisterung hat die Stadt auf die Seele vieler Menschen positiv gewirkt. Aber Theologen der
damaligen Zeit wie Radulfus Niger und Historiker heute wie Carole Hillenbrand gingen und gehen davon
aus, dass die Beweggründe der Kreuzzugsfahrer von kolonialistischen und wirtschaftlichen Motiven mitbestimmt waren, die in religiöser Ideologie begründet waren und eine Raubzugsmentalität darstellten.422
Die Kreuzzüge waren nach Meinung von Wissenschaftlern wie Marcel Beck und Joshua Prawer immer auch ein Versuch, ein koloniales Reich zu errichten. Marcel Beck fragt, ob „Europa wohl früher seine
überragende Bedeutung erlangt hätte, wenn der Versuch ausgeblieben wäre, das östliche Mittelmeer zurückzugewinnen“.423 Prawer dagegen ist der Meinung, dass der erste Kreuzzug und die Eroberung Jerusalems keine Kolonialherrschaft, sondern eine Form der „Entkolonialisierung“ von den Fatimiden war, wobei die Christen zu Recht forderten, ihre Heilige Stadt wieder zu besitzen.424 Das Urteil des Linkskatholiken Friederich Heer lautet:
„Die Kreuzzüge, mit denen das christliche Abendland zwischen 1096 und 1270 das Heilige
Land zu erobern und den Vorderen Orient zu missionieren suchte, rechtfertigen sich religiös mit dem
420
Es gibt Stimmen, die behaupten: „Vom Christentum als einer eigenen, vom Judentum differenzierbaren Religion kann überhaupt erst seit dem Konzil von Nicäa im Jahr 325 die Rede sein, als von der Bischofsversammlung
das christliche Glaubensbekenntnis als katholisches Credo beschlossen wurde.“ Jörg Ulrich, „Die Anfänge der
abendländischen Rezeption des Nizänums,“ in: Patristische Texte und Studien 39, Berlin, 1994.
421
Vgl. Nazmi al-Jubeh, „Die Islamische Geschichte Jerusalems“, in: Frank Kürschner-Pelkmann (Hg.), a.a.O., S.
65-71, hier S. 65.
422
Vgl. Hartmut Heuermann, Religion und Ideologie: die Verführung des Glaubens durch Macht, Tübingen:
Francke, 2005, S. 89.
423
Marcel Beck, „Die geschichtliche Bedeutung der Kreuzzüge“, in: Marcel Beck (Hg.), Legende, Mythos, Geschichte: die Schweiz und das europäische Mittelalter, Frauenfeld: Huber, 1978, S. 118-139, hier S. 119.
424
Vgl. Joshua Prawer, Crusader Institutions, Oxford: Clarendon Press, 1980, S. 102-142.
126
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Hinweis auf die allein seligmachende Wahrheit des Christentums. […] Diese von den Päpsten propagierten und protegierten Kreuzzüge haben unendliches Unheil gestiftet.“425
Die Geschichte der Kreuzzüge zeigt, dass die Kirche auch aus wirtschaftlichen Gründen die Massen
aufgerufen und in den Krieg gesandt hat. Die Kirche profitierte finanziell vom religiösen Betrieb rund um
die Kreuzzüge. Ludwig Schmugge stützt sich auf Radulfus Niger, wenn er über die finanziellen Auswüchse schreibt: „Zahllos sind die bitteren Klagen über die Habgier der Priester und Bischöfe, ihre Gier nach
dem Zehnten, Stolgebühren und Meßstipendien. Beständig wird der Vorwurf wiederholt, sie würden sogar
Christus und die Sakramente verkaufen.“426 Ein Beispiel dafür ist, dass Kreuzzugsablässe auch an Behinderte verkauft worden waren, die nicht in der Lage waren, einen Kreuzzug anzutreten. Auch Menschen,
die aus anderen Gründen zu Hause blieben, wurden Ablässe verkauft, weil die Kirche das Geld dringend
brauchte, um die Kreuzzüge zu finanzieren. Für ihre Zahlungen wurde diesen ebenfalls himmlische
Glückseligkeit versprochen. Die Kirche profitierte auch finanziell von Kampagnen und Geldsammlungen.
Mit dem Versprechen der Sündenvergebung erhöhten sich Steuern und spontan geleistete Spenden für die
Kirche. Doch die Buchführung über diese Einnahmen blieb im Dunkeln.
Für Jesus Christus, unseren Herrn! – Das war das religiöse Motiv der Kreuzzüge und es verdeckte
imperiale Strebsamkeit. In dem Zusammenstoß von Christen und Muslimen im 11./12. Jahrhundert n. Chr.
wurde das Symbol des Kreuzes erhoben, damit die Christen des Abendlandes bereit waren, die Gabe materieller Dinge zur Erfüllung von Gottes Willen und ihrer religiösen Pflicht einzusetzen. Diese Ideologie
bestimmte das Verhalten der Christen zu jener Zeit.
Zusammenfassend kann man an dieser Stelle Hans Eberhard Mayer zitieren, der schreibt:
„Jerusalem war das Schlüsselwort, das ganz bestimmte psychologische Reaktionen hervorbrachte und ganz bestimmte eschatologische Vorstellungen erweckte. Man dachte nicht nur an die
Stadt in Palästina, wo sich das Leiden und Sterben, das Begräbnis und die Wiederauferstehung Jesu
Christi abgespielt hatten. Mindestens ebenso sehr wuchs vor den Augen der Menschen das Bild des
himmlischen Jerusalem empor, mit seinen saphirenen Toren, seinen edelsteingeschmückten Mauern
und Plätzen, wie es die Apokalypse (21,10ff) und Tobias (13,21f.) beschrieben hatten. Mittelpunkt
einer geistigen Welt, so wie das weltliche Jerusalem nach den Worten des Ezechiel (5,6) Mittelpunkt
der Erde war. Sammelpunkt der Zerstreuten, Ziel der großen Pilgerfahrt der Völker (Tobias 13,14;
Isaias 2,2-3), wo Gott unter seinem Volk weilt und wohin die Auserwählten aufsteigen, endzeitlicher
Ort, Aufenthalt der Gerechten; Stadt des Paradieses und des Lebensbaumes, der alle Völker heilt.“427
425
Friedrich Heer, Kreuzzüge - Gestern, Heute, Morgen?, Luzern und Frankfurt: C.J. Bucher Verlag, 1969, S. 5.
426
Vgl. Radulfus Niger, a.a.O., S. 49-50.
427
H.E. Mayer, a.a.O., S. 16.
127
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
4.5 Kritische Impulse zum Ğihād aus der muslimischen
Tradition
4.5.1 Die Bedeutung von Ğihād
Wie oben schon ausführlich dargestellt hat der Begriff Ğihād eine vielfache Bedeutung. Ğihād kann als
gewaltfreie Anstrengung verstanden werden,428 aber auch ein Krieg kann gemeint sein. An dieser Stelle
möchte ich einerseits zwischen Ğihād und Harb und andererseits zwischen Ğihād und Qital unterscheiden. Das arabische Wort Ğihād bedeutet wörtlich „Anstrengung“, bedeutet also keine Gewalt.429 Für den
bewaffneten Krieg verwendet der Koran den Begriff Qital. Die arabische Sprache des Koran benutzt außerdem den Begriff Harb (der Krieg), allerdings nur zur Bezeichnung der Aggression. Deshalb üben die
Muslime in ihrer Frühphase bis zum Jahre 750 n. Chr. nach ihrem Selbstverständnis keine Harb (Aggression) aus, wenn sie gewaltsam die weltweite Ausdehnung des Islam als der wahren, göttlichen Religion –
im Sinne der Da´wa oder islamischen Mission – vorantreiben. Im Zusammenhang von Harb spricht die
islamische Tradition von Futuhat (Öffnung der Welt) und qualifiziert damit den Harb als Auftrag Gottes.
Dieses wird auch auf die islamischen Ğihād-Kriege angewendet. Nach islamischer Vorstellung sind diejenigen, die den Harb ablehnen oder verhindern Feinde des Islam. In diesem Sinne wird das Konzept Ğihād
als das Mittel zur Futuhat angesehen und nicht als Heiliger Krieg. Nach dem Koran heißt die militärische
Aktion des Ğihād Qital. Nach islamischer Ansicht entsteht kein Widerspruch, wenn der Koran den Muslimen einerseits Gewaltanwendungen verbietet, andererseits aber zum Ğihād aufruft.430
Qitâl steht im Islam für Kriegsführung gegen Feinde des Islam. Qitâl bezieht sich auf die Feindschaft
zu andersgläubigen Gruppen in Bezug auf ihre Religion. Der Koran verbietet dagegen eine individuelle
428
„Ist es erforderlich, die Da´wa/Aufruf zum Islam mit der Waffe zu betreiben? Das Schwert war einst ein Mittel
zur Verbreitung des Islam, heute ist es aber nur dann wichtig, wenn es darum geht, Übel von den Muslimen abzuwenden. Heute gibt es Zeitungen und andere Kommunikationsmittel mit deren Hilfe man in die Häuser der
Anderen zur Verbreitung des Islam eindringen kann. Es gibt jedoch heute eine kleine Gruppe von Muslimen,
die den Islam mit der Waffe verbreiten will, ohne zu erkennen, dass die Feinde des Islam uns heute mit weit
gefährlicheren Mitteln bekämpfen.“ Diese Ğihād Deutung von Al-Azhar als gewaltfreie Da´wa zum Islam ist
enthalten in der zweibändigen Lehrschrift: Bayan li al-nas min al-Azhar al-scharif (Deklaration an die
Menschheit von der erhabenen al-Azhar), Band 1, Kairo, 1984, Ğihād Kapitel, S. 261ff. und Band 2, Kairo,
1988.
429
Vgl. Bassam Tibi, a.a.O., S. 83.
430
„Und kämpft um Gottes willen gegen diejenigen, die gegen euch kämpfen! Aber begeht keine Übertretung!
Gott liebt die nicht, die Übertretungen begehen.“ (Sure 2,190).
128
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
gewaltsame Auseinandersetzung. Aus dieser Perspektive kann Terrorismus niemals als Ğihād verstanden
werden. Zu Zeiten des Frühislam haben Muslime andere Muslime getötet, doch dies ist nie als Ğihād bezeichnet worden. Es ist wichtig zu betonen, dass die mekkanischen Suren des Koran keinen Bezug auf
Krieg und Kampf hatten. In der mekkanischen Sure al-Kafirun (die Ungläubigen) hält der Koran die Muslime an, ihren Gegnern mit der Glaubenslehre und nicht in Kampfhaltung zu begegnen: „Ihr habt eure
Religion, und ich die meine.“ (Sure 109,6) In einer anderen mekkanischen Sure werden die Gläubigen
vom Koran aufgefordert, den Ungläubigen nicht zu folgen: „Gehorche nun nicht den Ungläubigen, sondern setze ihnen damit (d.h. mit dem Koran) heftig zu.“ (Sure 25,52) In jener Zeit war Ğihād identisch mit
dem Vertreten der eigenen islamischen Überzeugung und nicht mit Gewalt. Erklären lässt sich dieses natürlich auch damit, dass die Muslime von Mekka in einer Minderheitensituation waren und sich nicht hätten kriegerisch durchsetzen können. Nichtsdestotrotz sollte das die mekkanische Tradition des gewaltfreien Ğihād nicht schmälern. Nach den zitierten Koranversen geht es den Muslimen bei Ğihād um eine Auseinandersetzung mit Argumenten, nicht mit Gewalt. Es ist allgemein bekannt, dass das Thema Gewaltanwendung im Koran immer mit bestimmten, klar definierten Bedingungen verknüpft ist.431
Aufgrund der Geschichte der Kreuzzüge erschien das Motiv des Krieges erst im Zusammenhang mit
dem Kampf gegen die fränkischen Kreuzritter und mit der Rückeroberung der Stadt Jerusalem. Von da an
entstand eine klare Bedeutung des Ğihād als Krieg mit religiösem Motiv und werden ausführliche Ordnungen für die Kriegsführung artikuliert. Die islamische Kriegslehre unterscheidet zwischen dem Krieg
als Verteidigungskrieg, in Bezug auf die Selbstverteidigung von äußeren Bedrohungen und Angriffen, und
dem Krieg im Dienst der Durchsetzung eines islamischen Gesetzes.432 Die Meinung, dass der Kampf gegen Ungläubige wie beispielsweise die Franken in Jerusalem ein religiöser Verdienst ist und dass ein
gläubiger Muslim seinen Lohn im Jenseits findet, war zwar eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung eines Heiligen Krieges im Islam. Jerusalem musste als dār al-Islām (das Gebiet des Islams) von den
Ungläubigen wiedererobert werden. Um Jerusalem wieder zurück zu erobern, muss deshalb die Propaganda des Ğihād lauten, dass er als ein Verteidigungskrieg geführt wird. Der muslimische Krieger, der gegen
die Ungläubigen kämpfte, um die heilige Stadt zu befreien, durfte die Barmherzigkeit Gottes genießen. Es
war ein wichtiger Schritt auf dem Wege zum kriegerischen Ğihād, dass das fromme Ziel eines Kampfes
Leben im Jenseits war.
431
Vgl. Sure 9,10, wo es heißt: „Es ist nicht erlaubt, Frauen und Kinder zu töten, es sei denn sie kämpften gegen
die Muslime. Noch ist es erlaubt, Tiere zu töten, außer sie wurden in die Schlacht gegen die Muslime entlassen,
oder wenn ihre Tötung hilft, dem Feind eine Niederlage beizubringen.“ Vgl. auch Karen Armstrong, a.a.O., S.
218-220.
432
Bassam Tibi, Kreuzzug und Djihad, S. 56-57.
129
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Die Aufrufe zur Gewaltanwendung erschienen im Koran dann Schritt für Schritt in Medina. Der Prophet Muḥammad stellte in Medina eine leicht modifizierte und erweiterte Bedeutung von Ğihād vor, in
der es darum geht, den Islam und das Leben der Muslime zu verteidigen.433 Dabei hält der Koran für den
Ğihād strenge Regelungen, z.B. den Schutz des Lebens fest:
„Sag: Kommt her! Ich will euch verlesen, was euer Herr euch verboten hat: Ihr sollt ihm nichts
(als Teilhaber an seiner Göttlichkeit) beigesellen. Und zu den Eltern (sollt ihr) gut sein. Und ihr sollt
nicht eure Kinder wegen Verarmung töten – wir bescheren ihnen und euch (den Lebensunterhalt).
Und ihr sollt euch auf keine abscheulichen Handlungen einlassen, was davon äußerlich sichtbar oder
verborgen ist, und niemand töten, den (zu töten) Gott verboten hat, außer wenn ihr dazu berechtigt
seid. Dies hat Gott euch verordnet. Vielleicht würdet ihr verständig sein.“ (Sure 6,151).
Der Befreier Jerusalems gegen die Kreuzzügler, Ṣalāḥ ad-Dīn, ist beispielhaft für die Befolgung der
strengen Regeln zum Ğihād.434
Die Muslime bemerkten, dass das Ziel des Ğihād mit der Rückeroberung der Stadt Jerusalem noch
nicht erreicht war. Denn dem äußeren Sieg über die Feinde war noch lange nicht die innere Überzeugung
des Islam verbreitet. Der Begriff Ğihād bezieht sich nur zu einem kleinen Teil auf die Kampfhandlung.
Viel wichtiger ist seine Bedeutung als „Anstrengung“, wie sie im Koran benutzt wird. Es wird von Muslimen erwartet, dass sie sich anstrengen, Gottes Weg zu beachten. Ihr Leben ist auf das Ziel ausgerichtet,
Gottes Willen in einer leidvollen und unterdrückten Welt durchzusetzen wie in einem berühmten Wort des
Propheten Muḥammad (ḥadīṯ) über die Rückkehr von einem Kampf überliefert wird: „Wir kehren vom
kleineren Ğihād zum größeren zurück.“435 Es ist der größere und härtere Kampf, Gerechtigkeit in der Gesellschaft und Ehrlichkeit im Herzen herzustellen.436 Ṣalāḥ ad-Dīn hatte seinen Ğihād in Übereinstimmung
mit dem idealen Konzept, wie der Koran es meint, geführt. Er zog immer einen Waffenstillstand vor,
433
Vgl. Tilman Nagel, „Kämpfen bis zum endgültigen Triumph: Religion und Gewalt im islamischen Gottesstaat“, in: Klaus Schreiner (Hg.), Heilige Kriege: Religiöse Begründungen militärischer Gewaltanwendung:
Judentum, Christentum und Islam im Vergleich, München: Oldenbourg, 2008, S. 43-54.
434
Vgl. Carole Hillenbrand, a.a.O., S. 248-249.
435
Zahid Aziz zitiert die islamische Tradition von al-Jabir über dieses Thema. Vgl. Zahid Aziz, Islam, Peace and
Tolerance, Wembley: Ahmadiyya Anjuman Lahore Publications, 2007, S. 88.
436
„Muḥammads Umgang mit den Heiden ist durch den Begriff des Ğihād, des Kampfes, geprägt und koranisch
legitimiert. Vielmehr handelt es sich um den Zustand des ‚Sich-Abmühens‘ in drei verschiedene Schritten:
Kampf gegen das alter Ego, Kampf in Form von Disput und schließlich Kampf auch unter Einsatz militärischer
Mittel. Allgemein wird unterschieden zwischen dem ‚Ğihād Akbar‘ (Großer Ğihād), womit der Kampf gegen
das Ego und die Erlangung inneren Friedens gemeint ist, und dem ‚Ğihād Ashgar‘ (Kleiner Ğihād), worunter
der militärische Kampf verstanden wird.“ Angelika Hartmann, „Pluralismus und Toleranz aus der Sicht des Islam“, in: Christian Augustin, Johannes Wienand und Christiane Winkler (Hg.), Religiöser Pluralismus und Toleranz in Europa, Wiesbaden: GWV Fachverlage GmbH, 2006, Ṣalāḥ ad-Dīn 123-186, hier S. 140.
130
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
wenn die christlichen Kreuzfahrer darum baten. Und er kümmerte sich um seine Gefangenen größtenteils
zuverlässig und liebenswürdig. Diese ernsthafte Haltung zeigt seine in der Gottesfurcht begründete
Menschlichkeit in der Zeit des Krieges.437
4.5.2 Die Position von Ṣalāḥ ad-Dīn im Kampf um Jerusalem
In dem nun folgenden Kapitel soll die Beziehung zwischen Christen und Juden unter Ṣalāḥ ad-Dīns Regierung untersucht werden. Nach der Eroberung Jerusalems 1187 n. Chr. konnte Ṣalāḥ ad-Dīn die orientalischen Christen und die Juden in den ehemaligen Gebieten der Kreuzfahrerstaaten für sich einnehmen. Die
orientalischen Christen wurden im Gegensatz zu den westlichen Christen besser behandelt, und bekamen
den Status einer geduldeten Glaubensgemeinschaft in Ṣalāḥ ad-Dīns Herrschaftsgebiet.438 Für die Juden in
den anderen Gebieten der Kreuzfahrerstaaten ist zu sagen, dass Ṣalāḥ ad-Dīn sie wie die Juden in seinem
Herrschaftsbereich behandelte und ihnen die unter der Kreuzfahrerherrschaft verbotene Ansiedlung in
Jerusalem wieder erlaubte.439 Nach und nach war es auch fränkischen Familien möglich in Frieden in Jerusalem zu leben. Zwischen Muslimen und Christen gab es viele Handelsbeziehungen; z.B. reisten Kaufleute regelmäßig zwischen dem muslimischen Damaskus und der christlichen Stadt Akko hin und her. Der
Reisende Ibn Dchubair beobachtete, dass „sich die Soldaten mit ihrem Krieg beschäftigen, während die
übrigen Leute Frieden hielten“.440
In diesem Zusammenhang ist es interessant, nach Ṣalāḥ ad-Dīns religiöser Einstellung zum Ğihād
gegen die Kreuzfahrer zu fragen. Als Nachfolger von Nūr ad-Dīn versuchte Ṣalāḥ ad-Dīn seine Position
zu stärken, indem er den Ğihād gegen die fränkischen Christen zu seiner Hauptaufgabe erklärte.441 In der
Tat hat Ṣalāḥ ad-Dīn auch, längst vor 1187 ernsthafte Angriffe auf die Kreuzfahrerstaaten unternommen –
437
Vgl. Jonathan Phillips, Heiliger Krieg: Eine Neue Geschichte Der Kreuzzüge, München: Deutsche VerlagAnstalt, 2009, S. 233-276.
438
Vgl. Joshua Prawer, The History of the Jews in the Latin Kingdom of Jerusalem, Oxford: Clarendon Press,
1988, S. 64f.
439
Vgl. Ebd., S. 66-70.
440
Vgl. Robert Irwin, „Der Islam und die Kreuzzüge 1096-1099“, in: Jonathan Riley-Smith (Hg.), Illustrierte
Geschichte der Kreuzzüge, Frankfurt/New York: Campus Verlag, 1999, S. 271-272.
441
Vgl. Hannes Möhring, „Heiliger Krieg und Politische Pragmatik: Salahadinus Tyrannus“, in: DA 39, 1983, S.
418-421, 431-433.
131
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
wie Möhring herausarbeitet.442 Diese Angriffe hatten das strategische Ziel, die politischen Verbindungen
zwischen Ägypten und Syrien zu verbessern. Interessanterweise formte jedoch der Ğihād nach Hannes
Möhring nicht das wichtigste Grundelement in der politischen Einstellung von Ṣalāḥ Ad-Dīn. Er hat genauso wenig wie sein Vorgänger Nūr ad-Dīn den völligen Angriff geführt, sondern mit den Kreuzfahrerstaaten immer wieder Waffenstillstände vereinbart. Die Rückeroberung Jerusalems war das eigentliche
Ziel zur Erweiterung seiner Macht. Zur Zerstörung der Kreuzfahrerstaaten war es für Ṣalāḥ ad-Dīn allerdings wichtig, eine beträchtliche Armee zu akkumulieren und die Situation an der Ostgrenze seines Reiches zu beruhige.443 Trotzdem scheint die Rückeroberung Jerusalems nicht allein die Strategie von Ṣalāḥ
ad-Dīn zu bestimmen, sondern die Wiederherstellung des islamischen Herrschaftsbereiches einschließlich
Jerusalem unter seiner Führung stand ihm vor Augen.444
Noch während des dritten Kreuzzzugs hat Ṣalāḥ ad-Dīn das Leben der Kriegsgefangenen geschont.
Als die Kreuzfahrer in Akko rund 3000 Muslime ermordet und ihre Leichenname verbrannt hatten, hat
Ṣalāḥ ad-Dīn nicht etwa Gleiches mit Gleichem vergolten.445 Ṣalāḥ ad-Dīns Verhaltensweise gegenüber
den orientalischen wie westlichen Christen zeigt, dass er nicht das Ziel hatte, die Christen zu verfolgen.
Auch eine erzwungene Bekehrung zum Islam war nicht Ṣalāḥ ad-Dīns Interesse. Ğihād ist dementsprechend in seiner Geschichte niemals als Missionskrieg geführt worden.446 Diese Haltung bezieht sich auf
den Koran: „In der Religion gibt es keinen Zwang.“ (Sure 2, 256); „Und wenn dein Herr wollte, würden
die, die auf der Erde sind, alle zusammen gläubig werden. Willst nun du die Menschen (dazu) zwingen,
daß sie glauben? Niemand darf gläubig werden, außer mit der Erlaubnis Gottes. Und er legt die Unreinheit
auf diejenigen, die keinen Verstand haben.“ (Sure 10, 99-100)
442
Abgesehen von den Operationen 1177 und 1179, die mit je einem Sieg Balduin IV. und Ṣalāḥ ad-Dīns endeten,
sind Ṣalāḥ ad-Dīns Angriff auf Beirut 1182 und seine beiden Angriffe 1183 und 1184 auf Karak zu nennen,
vgl. Hannes Möhring, Saladin und der Dritte Kreuzzug: Aiyubidische Strategie und Diplomatie im Vergleich
vornehmlich der Arabischen mit den Lateinischen Quellen, Wiesbaden: Frankfurter Historische Abhandlungen
21, 1980, S. 127f.
443
Vgl. R.C. Smail, Crusading Warfare 1097-1193, Cambridge: Cambridge Studies in Medieval Life and Thought
NS 3, 1956, S. 148-156.
444
Zu Ṣalāḥ ad-Dīns angeblichen Eroberungszielen, vgl. Malcolm Cameron Lyons und D.E.P. Jackson, a.a.O., S.
194.
445
Vgl. Majid Khadduri, War and Peace in the Law of Islam, Baltimore: The John Hopkins University Press,
1955, S. 126-129.
446
Vgl. Albrecht Noth, Heiliger Krieg und Heiliger Kampf in Islam und Christentum, Bonn: Röhrscheid, 1966, S.
52.
132
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Der Gedanke des Ğihād wird nicht als alleinige Charakterisierung für die muslimischen Kriege gegen die Kreuzfahrer zu sehen sein. Das Ğihād-Element hat immer parallel zu vielen anderen funktioniert:
Expansionspolitik, politisch-militärische Befehlsformen, Fremdenfeindlichkeit, Wirtschaftsfaktoren,
Angst vor Angriffen aus Europa und Einigung der islamischen Mächte. Die Zurückeroberung Jerusalems
1187 unter Ṣalāḥ ad-Dīn wird von der islamischen Öffentlichkeit als eine glorreiche Klimax des Ğihād
betrachtet. Die Siege über Hattin und Jerusalem bedeuteten für die Muslime nicht den endgültigen Sieg
über die Franken. Ṣalāḥ ad-Dīn und seine Nachfolger haben zwar vom Ğihād gegen die Franken gesprochen, aber diese Ungläubigen tatsächlich als Bündnispartner angesehen. Man kann behaupten, dass die
Bedeutung des Ğihād als Da´wa (islamische Mission) zugunsten von Kollaboration, Koexistenz und Zusammenarbeit mit den Franken provisorisch zurücktrat.
Abgesehen von den politischen und den persönlichen Interessen Ṣalāḥ Ad-Dīns am Krieg gegen die
Franken zeigt sich das Motiv des Heiligen Krieges bei ihm in einer religiösen islamischen Bedeutung. Um
das Ziel der Wiedereroberung Jerusalems zu erreichen, berufen Ṣalāḥ Ad-Dīn und Nūr Ad-Dīn sich auf
den Kern des Ğihād-Konzept, damit Jerusalem von den christlichen Franken befreit werden konnte. Auch
zu den Zeiten, in denen die Gefühle von Ğihād besonders geweckt wurden, gab es verlängerte Perioden
der Waffenruhe, der Handelsbeziehungen, militärische Verbindungen und Vertragsschlüsse mit den „ungläubigen“ Franken und Nichtmuslimen. Ṣalāḥ ad-Dīn ist ein Beispiel dafür, dass die Seele von Ğihād
nicht nur als ein militärischer Kampf verstanden werden kann und muss, sondern auch als eine Zusammenarbeit mit anderen Gläubigen, um eine friedliche Gesellschaft nach dem Krieg zu gründen.
Diese Überlegungen zu Ṣalāḥ ad-Dīns Ğihād zeigen, dass die Rede von Ğihād zu seiner Zeit keine
Anhaltspunkte bietet für das, was heute darunter verstanden wird, wenn radikale islamische Gruppen ihre
Aggression gegen den Westen als Ğihād bezeichnen.
4.5.3 Asketische Traditionen und ihre Einschätzung des Ğihād
In einem anderen Licht erscheint die Rede von Ğihād in der Tradition des Sufismus. Er zeichnet sich
durch eine enge Verbindung von Asketentum und Kampf für den Islam aus.447 Arabische Biographen
überliefern die Charakterisierung eines sufischen Mannes, der zum Krieg auszieht, und erwähnen asketische fromme Übungen wie Fasten und Wiederholung des göttlichen Namens (Dhikr) vor dem Krieg gegen
die Heiden. Ein Beispiel ist der Asket Ibrāhīm b. Adham (gest. 776 n. Chr.), der zwar nicht zur Zeit der
447
Vgl. Ignaz Goldziher, “Materialien zur Entwicklungsgeschichte des Sufismus“, in: Wiener Zeitschrift für die
Kunde des Morgenlandes (WZKM), 13, Wiesbaden: Harrassowitz, 1899, S. 150.
133
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Kreuzzüge lebte, sich aber an vielen Kriegen gegen die Byzantiner beteiligte und schließlich in byzantinischem Gebiet in Syrien ums Leben kam. Sicher wird Ibrāhīm b. Adham seine Beteiligung am Krieg als
Ğihād verstanden haben, ob er sie als solche bezeichnete muss hier offen bleiben. Er hat geträumt, dass er
in einer byzantinischen Stadt sterben sollte. Er hat in einem Traum ein eschatologisches Bild gesehen, von
der Stadt, die für ihn bestimmt war. David Cook hält zum Traum von Ibrāhīm b. Adham fest:
„[…] paradies was opened up to him, and he saw in it two cities: one of white rubies and the
other of red rubies. Ibrahim was told that these two cities were actually heavenly prototypes of
earthly cities, and he was commanded to go and live in one of them. He searched through the frontier
fortresses of Khurasan (then on the front lines of the battles line against the Turks), and looked at
Qazwin (in northern Persia, then on the front line against the mountain-dwellers of Daylam), but
none of these cities were the ones he saw in his dream. Then came to Syria, and saw the city of Tyre,
and when he saw the ´inscriptions that Solomon son of David had inscribed´ he knew that was the
city for him.”448
Durch diesen Traum wurde für Ibrāhīm b. Adham der Ğihād, der sein Leben bestimmte als fromme
Haltung und Treue zum Islam, zum Krieg. Durch die Vision von Tyrus verband sich sein Leben mit einer
Stadt, in der die Byzantiner herrschten. Er verstand den Traum als Aufruf zum Widerstand gegen die Byzantiner, und dort starb er. Er wurde in Tyrus bestattet. Unter dem Thema Ğihād verstehen viele Asketen
wie Ibrāhīm b. Adham, dass der Tod im Kampf Gottes ein Weg sei, um von Schmerz und Leiden befreit
zu werden. Dieser Gedanke motivierte viele Asketen, den Krieg Gottes zu befürworten.449
Im Gegensatz dazu vertreten anderen Asketen den Standpunkt, dass der Kampf des Ğihād gerade in
der asketischen Lebensweise gegen die Begierden und Anfechtungen des Lebens seinen wahren Ausdruck
findet. Diese Asketen konzentrieren sich auf fromme Übungen und innere Tugenden, damit sie durch ihre
Lebensweise und religiöse Vertiefung Gott selber begegnen können. Bei dieser ṣūfīschen Gruppe steht der
aktive und gewaltsame Kampf für den Islam nicht im Mittelpunkt des Verständnisses von Ğihād.450
Zusammenfassend kann man also zwei asketische Richtungen ausmachen. Die einen leben mit dem
Konzept eines friedlichen Ğihād. Diese Richtung gründet sich auf die Bedeutung: As-salām tağarrud annafs ´an al-miḥna fi al-dārain (Befreiung der Seele von der Plage im Diesseits und Jenseits). Somit ist ihr
ganzes Streben gegen die menschliche Begierde gerichtet. Die anderen kämpfen für den gewalttätigen
448
David Cook, Martyrdom in Islam, Cambridge: Cambridge University Press, 2007, S. 65.
449
Vgl. David Cook, a.a.O., S. 67.
450
Vgl. Ebd., S. 66.
134
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Ğihād, insofern sie das muslimische Gebiet von Ungläubigen verteidigen wollen. Dieses Konzept ist verbunden mit dem Begriff Ğihād al-murābata (Militäreinsatz).451
Eine weitere Position zum Ğihād, die außerhalb der asketischen Tradition liegt, vertritt der bekannte
hanbalitische Theologe Ibn Taymiyya (1263-1328 n. Chr.).452 Für ihn ist der Ğihād in erster Linie defensiv und soll die sunnitische Welt sowohl von den Ungläubigen als auch von der muslimischen Häresie
befreien. Ibn Taymiyya ist kein Verfechter militärischer Aggression. Er spricht sich gegen den Eintritt ins
Dār al-Harb (das Haus des Krieges) aus. Aber er hält fest, dass sich Muslime bemühen sollten, ihr eigenes
Haus oder dār al-islām in Ordnung zu bringen. So befürwortet er die moralische Wiederaufrüstung der
Muslime innerhalb ihrer eigenen Länder und stärkt den Widerstand gegen jedes Eingreifen von außen.
Seine unversöhnlichen Schmähreden gegen alle Arten von Neuerungen im Islam, wie mystische Methoden, Philosophie, Theologie, die Verehrung von Grabstätten, werden durch seinen Wunsch motiviert, dass
die wahre Religion in jedem Fall den ungläubigen Gebräuchen nicht ähneln sollte. Für ihn ist der Ğihād
sowohl geistig als auch physisch, eine Kraft innerhalb des Islam, der eine dem Dienst Gottes gewidmete
Gesellschaft schaffen kann. Ibn Taymiyya stand dem Ğihād um Jerusalem skeptisch gegenüber, für ihn
steht die innere Bewegung im dār al-islām im Mittelpunkt. Auch Mekka und Medina sind für ihn als geographische Orte nicht von großer Bedeutung. An ihre Stelle rückt der größere Ğihād, und zwar sowohl
geistig als auch physisch. Trotzdem sieht auch Ibn Taymiyya die muslimische Welt als eine von äußeren
Feinden aller Art angegriffene, und räumt ein, dass die einzige Lösung angesichts der bedrängten Situation des Islam ist, in den Ğihād auch mit Gewalt zu gehen, so dass sich die wahre Religion ausbreiten
kann.453
4.6 Zusammenfassung
Nach diesem ausführlichen Gang durch die Zeit der Kreuzzüge ist festzuhalten, dass Jerusalem als Stadt
und als religiöses Symbol eine zentrale Bedeutung für alle an den Auseinandersetzungen dieser Epoche
451
Vgl. Majid S. Moslem, Frieden im Islam: Die Instrumentalisierung des Islam im irakisch-iranischen Krieg,
Berlin: Klaus Schwarz Verlag, 2005, S. 6-7.
452
„Taqi ad-Dīn Abu Abbas Ahmad ibn Abd-us-Salam ibn Abdullah Ibn Taymiyya al-Harrani, bekannt als Ibn
Taimiyya wurde im Januar 1263 in Harran (Südostanatolien) geboren und war ein muslimischer Gelehrter, dessen Auffassungen in der Theologie zunächst als hanbalitisch betrachtet wurden. Er gilt aber heute als einer der
bekanntesten Vorreiter der späteren Wahhabiten. Wegen der mongolischen Invasion floh seine Familie nach
Damaskus, welche damals von den Mamlūken beherrscht wurde. Ibn Taimiyya studierte in der Stadt.“ Juan E.
Campo, a.a.O., 339-340.
453
Vgl. Nach dem Zitat von Carole Hillenbrand, a.a.O., S. 243.
135
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Beteiligten hat. Für eine Analyse der muslimischen Perspektive auf Jerusalem spielen die Kreuzzugsbewegung und die Zeit der Rückeroberung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die grausamen Ereignisse
des 11. und 12. Jahrhunderts haben sich tief in das kollektive Gedächtnis eingeprägt.
In diesem Kapitel wurde deutlich, dass die Grausamkeit, mit der die Kämpfe zwischen Christen und
Muslimen geführt wurden und mit der man sich nach Eroberungen gegenüber der jeweils andersgläubigen
Bevölkerung verhielt, nur eine Seite sind, die das Bild dieser Epoche ausmacht. Die Stimmen, die
christlicherseits dem Kreuzzugsgeschrei kritisch gegenüber standen, wie die von Wilhelm von Tyrus und
Radulfus Niger, konnten zwar dem Krieg nicht Einhalt gebieten, gehören aber auch in das Kapitel der
unterschiedlichen Strömungen dieser Zeit. Auch das sehr unterschiedliche Verständnis von Ğihād, das ich
versucht habe herauszuarbeiten, zeigt eine große Weite der Interpretation und Haltung zu der Rückeroberung und zu dem Umgang mit den Christen auf muslimischer Seite. Interessant ist bei diesen kritischen
Stimmen zu dem kriegerischen religiösen Eifer, dass hier muslimische und christliche Konzepte Parallelen
aufweisen. Viele der zitierten muslimischen Autoren des 12. Jahrhunderts unterscheiden den großen und
den kleinen Ğihād: eine innere Bußhaltung, eine Erneuerung des Glaubens, eine Rückkehr zu Gott als
großen Ğihād und eine Verteidigung des Islam auch mit militärischen Mitteln als kleiner Ğihād. Sehr
ähnlich ist die Beschreibung einer mystischen und einer physischen Pilgerreise bei Radulfus Niger. Für
beide Seiten gilt: Die persönliche Umkehr und Buße sind sehr viel bedeutender und heilvoller für den
Glauben als der Einsatz des Lebens im Krieg für die eigene Religion.
Bei allen Kämpfen um die Herrschaft über Jerusalem vermischten sich religiöse und politische Interessen. Keiner der Kriegsherren, sowohl auf christlicher, wie auf muslimischer Seite hatte rein politische
Eroberungsinteressen, die frei von religiösen Gefühlen zu Jerusalem gewesen wären. Ebenso wenig handelten sie aus rein religiösen Motiven, die nicht politischen und strategischen Ziele entsprachen bzw. entgegenkamen.
Schon bei der Rede von Papst Urban II. konnten beide Interessen festgestellt werden. Natürlich stellt
ein Papst nach außen nur seine christliche Motivation vor, so dass die Begeisterung der Kreuzfahrer sich
ganz an dem Eifer festmachte, den Glaubensbrüdern im Heiligen Land zu helfen und die verwüsteten Stätten, an denen Jesus gelebt und gelehrt hatte, zu erobern. Doch auch finanzielle Beweggründe haben die
kirchliche Kreuzzugspolitik bestimmt. Auch der enorme Schwung, den das christliche Selbstbewusstsein
durch den Aufruf zum Kreuzzug gewann, stärkte die Position und die Macht der römischen Kirche.
Die andere zentrale Figur der christlich-muslimischen Geschichte des Vorderen Orients, deren Rolle
und Haltung ich hier dargestellt habe, ist Ṣalāḥ ad-Dīn. Er setzt in seinem politischen Handeln zwar mit
136
Jerusalem zwischen Kreuzzügen und Ğihād
Ausnahmen, aber weitgehend die Toleranz der Zeit vor den Kreuzzügen fort, in der Juden und orientalische Christen unter besonderem Schutz der muslimischen Herrschaft standen und ihnen das Recht zur
Religionsausübung gewährt war. Natürlich war das Verhältnis zu den fränkischen bzw. westlichen Christen, die als Eroberer und nicht als Mitbewohner in Erscheinung traten, zunächst nicht friedlich. Doch die
Politik Ṣalāḥ ad-Dīns zielte darauf, die unterschiedlichen Gruppen zu integrieren und den Frieden wieder
herzustellen.
Für das Gespräch zwischen den Religionen über Jerusalem heute kann der Rückbezug sowohl auf die
kritischen Stimmen beider Seiten zur gewaltsamen Eroberung und Auseinandersetzung mit den Andersgläubigen als auch auf die Bemühungen von Ṣalāḥ ad-Dīn, in der Stadt des Friedens Frieden für alle zu
ermöglichen, hilfreich sein. Die Zeit der Kreuzzüge kann als Mahnmal einer Konfrontation dienen, die so
um der Stadt des Friedens willen und um der Menschen willen, die in ihr leben, nicht wiederholt werden
darf. Zudem können sogar aus dieser Zeit, die bis heute als historisches Trauma nachwirkt, Stimmen zum
Frieden gehört werden.
137
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
5 Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie
der Faḍā´il al-Quds-Literatur (Lob der
Vorzüge Jerusalems)
In diesem Kapitel wird das Thema Jerusalem im Koran und in dem Lob der Vorzüge Jerusalems zunächst
vorgestellt. Damit wird das Phänomen der Heiligkeit Jerusalems für die Muslime erkennbar, vor allem die
Bedeutung des Felsendoms und der Aqṣā Moschee.
5.1 Jerusalem im Koran und in den Ḥadīṯen
Wie Angelika Neuwirth in ihrem Artikel „Aufstieg zum Himmel“ argumentiert, findet sich die Grundlage
für die Bedeutung Jerusalems im Judentum und Christentum in der Bibel. Im Gegensatz dazu bietet der
Koran keine ausreichende Erklärung dafür, warum Jerusalem eine für Muslime überaus wichtige Stadt
sein soll.454 Zwar wird Jerusalem im Koran erwähnt, allerdings in „jener für die koranische Sprechweise
typischen indirekten und andeutenden Form.“455 Auch sonst kommen konkrete Ortsbezeichnungen verhältnismäßig selten im Koran vor, wie zum Beispiel die beiden Städtenamen Yaṯrib (Medina: Sure
33,13)456 und Mekka, das als Bakka bezeichnet wird457, oder Namen von Schauplätzen kriegerischer Konflikte wie Badr (Sure 3,123) oder Hunain (Sure 9,25).458 Namen aus der Heilsgeschichte, wie das geheiligte Tal Ṭuwā (Ort der Berufung von Moses: Sure 20, 12 und 79, 16) oder der Sinai (Sure 23,20 und Sure
95,2, wo aus Reimgründen sīnīn statt sīnā´ steht) treten etwas häufiger auf, weitere Orte werden auf ähnliche Weise nur angedeutet. Sure 17,1 spricht vom „Land das Wir (sc. Allah) gesegnet haben“ (al-arḍ allatī
bāraknā fīhā; Suren 7, 137; 21, 71. 81; 34, 18) oder nennt „das Heilige Land“ (al-Arḍ al-Muqaddasa;
454
Vgl. Angelika Neuwirth, „Aufstieg zum Himmel“, S. 45.
455
Hartmut Bobzin, Der Koran: Eine Einführung, München: Verlag C.H. Beck, 1999, S. 87.
456
Vgl. Hartmut Bobzin, „Medina“, in: Lexikon für Theologie und Kirche Bd. VII, Freiburg: Herder, 1998, S. 45.
457
„Das erste (Gottes)haus, das den Menschen aufgestellt worden ist, ist dasjenige in Bakka, (aufgestellt) zum
Segen und zur Rechtleitung für die Menschen in aller Welt (al-´alamūn).“ (Sure 3,96)
458
Zur Sache vgl. Hartmut Bobzin, Muḥammad, München: Verlag C.H. Beck, 2000, S. 100f.
138
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
Sure 5,21), Mekka heißt al-Balad al-Amīn („der sichere Ort“: Sure 95,3), meistens jedoch al-Masğid alHarām („die heilige Gebetsstätte“: Suren 2,144. 150. 191. 196. 217; 5, 2; 8, 34; 9, 7. 19. 28; 22, 25; 48,
25).
Die koranische Eigenart der implizierenden Sprechweise mag auch der Eingangsschwur von Sure 95, 1-3
vermitteln: „Bei den Feigen- und Ölbäumen, beim Berg Sinai und bei dieser sicheren Ortschaft (d.h. Mekka)!“459 Zu dieser koranischen Sure hält Muhammad Asad fest:
„‘Feige und Olive‘ symbolisieren in diesem Zusammenhang die Länder, in denen diese Bäume
vorherrschen, d.h. die an den östlichen Teil des Mittelmeeres angrenzenden Länder, insbesondere Palästina und Syrien. Da es diese Länder waren, in denen die meisten der im Qur´an genannten
abrahamistischen Propheten lebten und predigten, können diese beiden Baumarten als Metonymien
für die religiösen Lehren verstanden werden, welche durch die lange Reihe jener Männer, denen Gott
Eingebung zuteil werden ließ, verkündet wurden und die in der Person des letzten jüdischen Propheten, Jesus, gipfelten.“460
Man kann also festhalten, dass mit Feige und Olive auf das Christentum angespielt wird. Der Berg
Sinai steht für das Judentum und spielt auf das Prophetentum an, weil eben hier auf diesem Berg in der
Wüste dem Propheten Mose die Thora offenbart worden ist. Die sichere Ortschaft ist Mekka. So beziehen
sich die Verse 1-3 der Sure 95 auf alle drei historischen Situationen monotheistischer Religion, welche
durch Jesus, Moses und Muḥammad personifiziert wird.461
Als Ort der Heilgeschichte wird die Stadt Jerusalem in mittelmekkanischer Zeit in Sure 19 implizit
genannt, wo Zakarīyā im Miḥrāb eine göttliche Botschaft erhält (Sure 19,11). Hier wird Miḥrāb als der
salomonisch jüdische Tempel interpretiert, der Ausdruck „an einem östlichen Ort“ (Sure 19,16) dürfte
aufgrund der in medinensischer Zeit462 entfalteten Geschichte (Miḥrāb als Aufenthaltsort Maryams: 3,37,
459
Nach der koranischen Übersetzung von Rudi Paret.
460
Muhammad Asad, Die Botschaft der Koran, Ostfildern: Patmos Verlag, 2009, S. 1172.
461
Vgl. Ebd.
462
„Die Verse, welche nach Ansicht Korangelehrter in Mekka (610-622 n. Chr.) geoffenbart wurden, werden als
mekkanische Suren bezeichnet. Hinsichtlich der Charakteristika der mekkanischen und medinensischen Suren
herrscht Uneinigkeit unter der Gelehrten. Die Hauptthemen dieses Aufrufs sind nach der koranischen Offenbarung: Allah und Seine Einheit (tauhid); Die kommende Auferstehung und das Gericht; Richtiges Verhalten.
Die Rolle des Propheten ist in dieser Phase besonders die eines Verkünders und Warners.“ Hűseyin llker Ḉinar,
Maria und Jesus im Islam: Darstellung anhand des Korans und der islamischen kanonischen Tradition unter
Berücksichtigung der islamischen Exegeten, Wiesbaden: Otto Harrasowitz GmbH, 2007, S. 277. „Die Einteilung der Suren in mekkanisch und medinensisch nach dem Maßstab der Auswanderung des Propheten nach
Medina (al-Hidjra) ist also eine zeitliche Einteilung, die ganz grob die früher offenbarten Suren, also die
mekkanischen, von den später offenbarten Suren, also den medinensischen trennt. Die medinensische Sure ist
139
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
39) im Tempel in Jerusalem lokalisierbar sein.463 Die Rechtssprechung Sulaymāns findet nach Sure 38,21
auch im Miḥrāb statt. Der Tempel wird hierbei in seiner Erscheinung als ein monumentales Bauwerk vorgestellt, da Miḥrāb im Plural in einer anderen Erzählung über Sulaymān im Sinne von Palästen verstanden
wird (Sure 34,13). Alle diese Erwähnungen von Miḥrāb setzen ihn zwar als Standort eines Heiligtums
voraus, doch verraten sie uns wenig über den Stellenwert Jerusalems im Bewusstsein Muḥammads. Darüber gibt ein Hinweis auf den Tempel Auskunft, der direkt aus der Zeit und der Erfahrungswelt des Propheten entnommen ist, und zwar in Sure 17,1.
Die koranische Sure 17,1 ist der einzige schriftliche Text während der Zeit von Muḥammad, der sich
auf die Heiligkeit Jerusalems bezieht. Natürlich findet man andere Texte über Jerusalem von den früheren
Propheten, wie aus der Periode von Zakarīyā, Mūsa und Sulaymān. Die Sure 17,1 beschreibt andeutungsweise einen Ort, der als Al-Masğid al-Aqṣā bezeichnet wird – es ist aber nicht eindeutig, ob es sich hierbei
um Al-Quds oder Jerusalem handelt: „Subĥāna Al-Ladhī 'Asrá Bi`abdihi Laylāan Mina Al-Masjidi AlĤarāmi 'Ilá Al-Masğid al-Aqṣā Al-Ladhī Bāraknā Ĥawlahu Linuriyahu Min 'Āyātinā 'Innahu Huwa AsSamī`u Al-Başīru“ – „Gepriesen sei, der nachts mit seinem Knechte reiste, von der heiligen Kultstätte zur
weitestentfernten Kultstätte, deren Umgebung wir gesegnet haben.“ Die koranischen Wissenschaftler sind
sich nicht einig, auf welchen Ort genau dieser Text hinweist. Trotzdem sind sich die Wissenschaftler wie
Rudi Paret, Al-Buhārī und Muhammad Asad einig, dass sich die Bezeichnung „heilige Kultstätte“ auf die
heilige Stadt Mekka bezieht. Weiterhin betont Rudi Paret, dass die al-Masğid al-Aqṣā (die weitestentfernte Kultstätte) als Al-Quds oder Jerusalem (oder ein Ort innerhalb Jerusalems) ausgelegt werden kann. Rudi
Paret kommt zu dem Schluss, dass der koranische Zusatz Al-Ladhī Bāraknā Ĥawlahu („deren Umgebung
wir gesegnet haben“) als ein sicherer Beweis für Al-Quds, beziehungsweise Jerusalem verstanden werden
sollte. 464 Wenn im Koran das Thema Al-Ladhī Bāraknā Ĥawlahu analysiert wird, erinnern sich viele Muslime an die Geschichte von Abraham, in der Gott in diesem Land Abraham und Lūṭ nach den scharfen
Auseinandersetzungen mit seinen Landsleuten in Chaldäa gerettet hat (Sure 21,51-73, bes. v. 71). Nach
dieser Errettungsgeschichte überlässt Gott Abraham das Land. Hier kann man verstehen, dass in den beiden schriftlichen Auslegungen im Koran wie auch in der Bibel die Geschichten der Gewährung des Lan-
die Bezeichnung für eine Sure, bzw. für Verse, die in Medina oder der näheren Umgebung dieser Stadt offenbart wurden.“ Dorothea Krawulsky, Eine Einführung in die Koranwissenschaft (´Ulūm al-Qur´ān), Bern: Peter
Lang, 2006, S. 174.
463
Vgl. Heribert Busse, Die theologischen Beziehungen des Islam zu Judentum und Christentum: Grundlagen des
Dialogs im Koran und die gegenwärtige Situation, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1988, S.
117f.
464
Vgl. Rudi Paret, Der Koran, S. 295f.
140
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
des an Abraham identisch sind (Sure 7,137 vgl. Gen 12,7; 15,18).465 In der koranischen Auslegung von
Rudi Paret und Muhammad Asad wird auch die Perspektive hervorgehoben, die das Heilige Land für Abraham, als Vater der drei Religionen hat.466
Wie oben beschrieben wird, enthält der Begriff al-Masğid al-Aqṣā (die weitentfernte Kultstätte) keine genaue Ortsbezeichnung (Toponym). Das Verständnis von al-Masğid al-Aqṣā als Jerusalem oder AlQuds wurde durch die herrschende Tradition ab der Periode der ´Umayyaden definiert und verbreitet. Es
sollte daran erinnert werden, dass für einige muslimische Gesellschaften wie die Schiiten, obwohl der
Beiname al-Masğid al-Aqṣā als Al-Quds oder Jerusalem bezeichnet wird, diese Stadt nicht als heilig gilt,
weil sie Kuffa als ihre heilige Stadt preisen.467 Aufgrund der politischen und ideologischen Auseinandersetzungen mit den Sunniten, die die Stadt Jerusalem als heilig loben, vermeiden sie die Verehrung der
Stadt Jerusalem. Ihre Ablehnung der Verehrung der Stadt Jerusalem als heilig wurde von den sunnitischen
Historikern stark kritisiert, da dies bedeutet, dass sie die geistliche Existenz und den Auftrag von
Muḥammad ignoriert haben.
Um den Surentext 17,1 zu untermauern, muss ein unterstützender koranischen Text angewandt werden, damit eine klare islamische Bedeutung des heiligen Status´ von Jerusalem besser verstanden wird.
Die deutlichste koranische Entsprechung zur biblischen Landverheißung ist die Sure 5,21-26. In diesem
Text steht das koranische Wort ´Ardu l-Muqaddasa (Heiliges Land) im Mittelpunkt. Wenn man den Text,
vor allem Vers 21 betrachtet, so beschreibt er die Rolle des Volkes „ya qaumi“ („O mein Volk“), welches
das al-´Ardu l-Muqaddasa (das Heilige Land) betritt. Das Land, „allatī kataba llāhu lakum“ - das Gott für
euch bestimmt hat. Meiner Meinung nach kann man diesen Text als Schlüsselvers betrachten, um den
Status der Stadt Jerusalem als heilig anzunehmen. Zusammenfassend stellt der Text dazu fest, dass Gott
„ya qaumi“ (den Kindern Israel) das Land Jerusalem und die Umgebung gegeben hat, um dort den Namen
Gottes zu loben und als Ort, wo sie in Frieden und Wohlstand leben dürften. Eine weitere Frage bleibt für
die muslimischen Historiker problematisch, weil sie Schwierigkeiten haben, die Ortsbezeichnung al´Ardu l-Muqaddasa (das Heilige Land) zu interpretieren. Sie sind bis heute noch unterschiedlicher Mei-
465
„Und Wir gaben zum Erbe (wa-auraṯnā) dem Volk, das unterdrückt war, die östlichen und die westlichen Gebiete des Landes, das Wir gesegnet haben; und erfüllt wurde das sehr schöne Wort deines Herrn bezüglich der
Kinder Israel, weil sie ausharrten etc.“ (Sure 7,137); „Da sagte Mose zu seinem Volk: Mein Volk! Gedenkt der
Gnade Gottes gegen euch, als Er unter euch Propheten auftreten ließ und euch zu Herren eurer selbst machte
und euch gab, was keinem Volke der Erde gegeben worden ist. Mein Volk! Betretet das Heilige Land (udḫulū
l-arḍa l-muqaddasa), das Gott euch zugeschrieben hat (allatī kataba llāhhu lakum).“ (Sure 5,20-21)
466
Vgl. Rudi Paret, Der Koran: Kommentar und Konkordanz, Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer, 1971, S. 228f.
467
Vgl. Bernard Wittmann, Briefe aus Kurdistan 1954-1963, Berlin: Verlag Hans Schiller, 2008, S. 89.
141
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
nung. Tafsīr Ibn Katīr befasst sich mit dem Thema Heiliges Land unter Ausschluss von Jericho und Bait
al-Maqdis (Sinaigegend).468 Heribert Busse bezieht in seinem Artikel „Bāb Hitta: Qur´an 2:58 and the
Entry to Jerusalem“ den Terminus Bait al-Maqdis sowohl auf Jerusalem als auch auf das Heilige Land
insgesamt.469 Die deutlichste These von Al-Masğid al-Aqṣā in Sure 17,1 als einen Hinweis auf einen Gebetsplatz in Jerusalem wurde von Abū l-Qāsim Maḥmūd b. ´Umar az-Zamaḫsārī (gest. 1144) überliefert.
Helmut Gätze wandte in seiner koranischen Auslegung die theologische Behauptung von az-Zamaḫsārī
an, dass „al-Masğid al-Aqṣā, der entfernteste Gebetsplatz sich auf al-Quds oder Jerusalem bezieht. Er
sagt: „Denn es gab nämlich damals noch keine andere Gebetsstätte, die (von Mekka aus gesehen) weiter
entfernt als Jerusalem lag“.470 Az-Zamaḫsārī ist der Meinung, dass die koranische Auslegung der Suren
17,1 und 5,21-26 ganz klar ist, dass Al-Aqsa (der weitentfernteste Ort) in Jerusalem liegt.471
Sure 17,1 als eine mittelmekkanische Sure bezieht sich offenbar auf das geistliche Zentrum Jerusalem. Bei dieser Sure wird nun für Heiligtum nicht das Wort Miḥrāb verwendet, sondern erstmals das Wort
Masğid (Sure 17,7). Anders als Miḥrāb bezeichnet Masğid ein explizit muslimisches Heiligtum.472 Dies
könnte ein Hinweis auf die Differenzierung Gottes zwischen dem jüdischen und dem islamischen Heiligtum sein. Der Tempel wird also ganz bewusst als Bethaus bzw. Moschee Dāwūd und Sulaymāns charakterisiert, und nicht mehr als jüdischer bzw. Miḥrāb (salomonischer) Tempel, den es nach jüdischem Verständnis wiederherzustellen galt. Damit deutet sich ein Perspektivwechsel an, hin zu einem Selbstverständnis des Islam als überlegene Religion gegenüber den Juden und Christen. Der von den Juden in der
Nachfolge Salomons ausgebaute, renovierte und neugebaute Tempel, besonders der des Herodes, war in
den Augen der Muslime der Inbegriff der Verfälschung der ursprünglichen, wahren Religion.473
468
Vgl. Muhammad Saed Abdul-Rahman, Tafsir Ibn Kathir Juz´ 1 (Part 1): Al-Fatihah 1 to Al-Baqarah 144, 2nd
Edition, London: MSA Publication, 2009, S. 141.
469
Vgl. Heribert Busse, “Bāb Hitta: Qur´an 2:58 and the Entry to Jerusalem”, in: JSAI 22, 1998, S. 1-17.
470
Nach dem Zitat von Helmut Gätje, Koran und Koranexegese, Zürich: Artemis Verlag, 1971, S. 108.
471
Ebd.
472
Vgl. Heribert Busse, „Tempel, Grabeskirche und Ḥaram aš-šarīf: Drei Heiligtümer und ihre Gegenseitigen
Beziehungen in Legende und Wirklichkeit“, in: Heribert Busse und Georg Kratschmar (Hg.), Jerusalemer
Heiligtumstraditionen in altkirchlicher und frühislamischer Zeit, Wiesbaden: Harrassowitz, 1987, S. 1-27, hier
S. 14-15.
473
Vgl. Martin Fuß, a.a.O., S. 254-256.
142
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
5.1.1 Jerusalem und die Himmelsreise Muḥammads
Die wunderbare Nachtreise Muḥammads von Mekka nach Jerusalem wird in der islamischen Tradition mit
einem weiteren Ereignis verbunden, nämlich die sogenannte Mi´rāğ (Himmelsreise). Interessanter war die
kanonische Sammlung von Prophetenüberlieferungen (Ḥadīṯe) von Al-Buḥārī (810-870 n. Chr.), dem
sogenannten ´Ṣaḥīḥ´, über Ṣalāt (das rituelle Gebet) zu bemerken. Wie diese Nachtreise wohl zu verstehen
war, ist schon früh erörtert worden. ´Ā´iša glaubte, dass ihr Mann Muḥammad nur mit seinem Geist nach
Jerusalem geflogen sei, und sein Leib in Mekka geblieben sei.474 Eingebungen werden der Überlieferung
nach den Propheten zuteil, gleich ob sie wachen oder schlafen. Berichtet wird, wie der Engel Gabriel mit
dem Prophet Muḥammad auf einer Leiter in den ersten Himmel steigt. An jeder Eingangstür wird Gabriel
nach Muḥammad gefragt und danach, ob er gesandt ist. Im ersten Himmel trifft er Adam, in den übrigen
sieben weiteren Gestalten der Heilsgeschichte wie Johannes und Jesus, Joseph, Idrīs (oder Henoch), Aaron, Mose und Abraham, bis es zu einer Gottesschau kommt. „Schließlich“, wie al-Buḥārī den Selbstbericht des Propheten überliefert hat, „wies Gott meine Gemeinde an, jeden Tag fünfzig Gebete zu verrichten“.475 Als Muḥammad auf dem Rückweg bei Mose vorbeikommt, fragt dieser ihn nach der von Gott
erlassenen Verordnung. Als Mose die „fünfzig täglichen Gebeten“ von Muḥammad erfuhr, schickte er
Muḥammad zu Gott zurück, um so in mehreren Anläufen die Anzahl auf fünf herunterzuhandeln, „Er hat
fünfzig Gebete pro Tag vorgeschrieben.“476 Diese Geschichte bietet somit eine Erklärung für die Fünfzahl
des täglich zu verrichtenden Gebets, die im Koran nicht beziffert wird.477
Die Nachtreise ist damit als Mi´rāğ, als Himmelsreise Muḥammads zu verstehen, wie sie in manchen
exegetischen Schriften ausgelegt ist. Eine Tradition besagt, dass die entfernteste Moschee nicht mehr in
der irdischen Stadt Jerusalem, sondern in Bait Ma´mūr (das himmlische Heiligtum, Sure 52,4) liegt.478 Die
Reise Muḥammads besteht eigentlich aus zwei Reisen: die erste, die Isrā´ oder die Nachtreise des Propheten, auf der Muḥammad von Mekka nach Jerusalem reist. Die zweite Reise ist die Reise vom irdischen
474
Im gleichen Sinn behauptete az-Zuhrī, Muḥammad habe Abraham, Mose und Jesus ganz genau beschreiben
können, überdies habe Abraham auch seinem Sohn eröffnet, dass er im Traum geschaut habe, wie er ihn opfere, also einen tatsächlichen Befehl Allahs empfangen habe (Sure 37,102).
475
Al-Buhārī, Die Sammlung der Hadithe, (ausgewählt, aus dem Arabischen übersetzt und herausgegeben von
Dieter Ferchl), Stuttgart: Philipp Reclam, 2010, S. 96.
476
Ebd., S. 96.
477
Vgl. Bobzin, a.a.O., (wie Anm. 2), S. 72f.
478
Vgl. Helmut Gätje, a.a.O., S. 354 A.
143
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
Jerusalem zum Himmel, wie manche Historiker es kommentiert haben.479 Diese Auffassung bedeutet, dass
der Weg zum Himmel nur über die irdische Stadt Jerusalem führt. Hier verbindet sich die irdische Stadt
Jerusalem mit der göttlichen Stadt im Himmel durch die Reise Muḥammads. Jerusalem als der Verbindungspunkt zwischen der Erde und dem Himmel zeigt die Bedeutung ihrer Heiligkeit für die Muslime.
Die Geschichte über die Begegnung des Propheten mit Gott im Himmel wurde im Koran erläutert.
Der Koran erwähnt, dass Muḥammad bei seinem Aufstieg in Jerusalem Gott selbst geschaut hat. Man
erkennt es daran, dass Fragmente aus dem Visionsbericht von Sure 53,5-18 in die Schilderung der Himmelsreise Muḥammads eingebunden wurden.480 Beschrieben ist auch, wie der Prophet Gott geschaut hatte,
nämlich „in seiner schönsten Gestalt“.481 Diese schöne Gestalt wird von den frühen Šī´iten als šābb
muwaffaq, als die eines Jünglings im Alter von 30 oder 32 Jahren beschrieben. Diese Gestalt ist in verschiedener Perspektive konkretisiert worden. Nach einer Überlieferung, die man unter dem Begriff
´Ikrima versteht, sah der Prophet „den Herrn der Menschen in aller Welt in fī ḥaẓīra min al-quds (ein umfriedeter Garten des Heiligtums) im Aussehen eines Jünglings, der eine Krone trug, die den Blick blendete“482.
Um den Zusammenhang zwischen Isrā und Mi´rāğ, dem Besuch eines irdischen Paradieses und der
Himmelfahrt, genauer zu untersuchen, sollen die Bedenken hervorgehoben werden, die vom Chronisten
im letztgenannten Ḥadīṯ akzentuiert werden. Suyūṭī versieht den Bericht nämlich mit dem Zusatz, dass
Sufyān b. Ziyād al-´Uṣfurī, der ihn von seinem Onkel hörte, sich bei ´Ikrima zwar vergewissert hatte, jedoch die wichtige Information erhielt, dass Muḥammad Gott bi-fu´ādihī („mit seinem Herz“) gesehen
habe. Dazu konnte man sich auf den Visionsbericht beziehen. Dort hieß es in Sure 53,11: „Was er (so
leibhaftig) gesehen hat, hat er nicht (etwa) sich selber vorgelogen“. In der Tat erreichte man mit der Kennzeichnung als inneres Gesicht dasselbe wie mit der Übertragung der Vision in einen Traum, wobei im
letzteren Fall auch die Sprache beschleunigte.483 Ru´yā bedeutet sowohl „Gesicht“ als auch „Traum“, und
479
Vgl. Ebd., S. 105-107.
480
Wobei man häufig stillschweigend die zwei Visionen, von denen der Koran noch sprach, zu einer einzigen
zusammenfasste. Dazu im einzelnen, siehe: Anthony Keith Tuft, The Origins and Development of the
Controversy over Ru´ya in Medieval Islam and its Relation to Contemporary Vision Theory, California: University of California, 1979, S. 24ff.
481
Josef van Ess, Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert Hidschra: eine Geschichte des religiösen
Denkens im frühen Islam, Berlin: Walter de Gruyter, 1997, S. 389.
482
Nach dem Zitat von Josef van Ess, a.a.O., S. 389.
483
Vgl. ´Izzaddīn ´Alī b. Muhammad ibn al-Aṯīr, Kāmil fī t-t-ta´rīḫ, Bd. II, C.J. Tornberg (Hg.), Leiden, 18511876, S. 33.
144
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
für „träumen“ benutzte man meist das Verb ra´ā.484 Allerdings liegen die beiden Interpretationen nicht
unbedingt auf der gleichen Schicht. Die Art der Ansicht war nur betroffen, solange Muḥammad Gott mit
dem Herzen sah. Mit der Bezeichnung als Traum konnte man auch an ihrer Wirklichkeit zweifeln. Aber
dann beleuchten wir die Verschiedenheit schärfer, als man dies damals tat. Wenn ein Prophet träumt, so
hat er nur Wahrträume. Ibn Ḫuzaima überliefert in einem berühmten Ḥadīṯ, dass seine Augen schlafen,
aber nicht sein Herz: „Der Traum mag ursprünglich zur Legende von der Brustöffnung gehört haben. Später verliert er allmählich seine Funktion, denn die Himmelsreise wird als ein Prophetenwunder angesehen
und erhält damit unbezweifelbare Realität.“485 Darüber hinaus beobachtet der Prophet nach späteren Berichten auf dem Gipfel seiner Himmelsreise nur den Thron Gottes, nicht das Gesicht Gottes. In anderen
Berichten wird das Geheimnis enthüllt, dass es Muḥammad nicht erlaubt war, seine Begegnung mit Gott
zu erzählen.486 Gott ist das Licht. Nach van Ess: „Als er aber ihn sieht, sieht Muḥammad nur Lichtwesen,
und das Licht ist ebenso Offenbarung wie Hindernis.“487 Darüber hinaus, als Abū Ḏarr Muḥammad nach
seiner Begegnung mit Gott fragte, beantwortete der Prophet: „Licht! Wie hätte ich es sehen (also: da hineinschauen, aber auch: ihn sehen) können?“488
Natürlich gab es auch andere Überlieferungen, die erwähnen, dass Muḥammad im wachen Zustand
von Mekka nach Jerusalem nachts auf al-Burāq reiste. Als er die Tür der Moschee Jerusalems erreicht
hatte, band er das Reittier neben der Tür an und betrat die Moschee und betete zwei raka´as.489 Danach
fuhr er in den Himmel hinauf, landete nach kurzer Rückreise wieder in Jerusalem und kehrte früh am
Morgen wieder nach Mekka zurück.490
484
Vgl. William C. Chittick, The Sufi Path of Knowledge: Ibn al-Arabi´s Metaphysics of Imagination, New York:
State University of New York Press, 1989, S. 116.
485
Nach dem Zitat von J. van Ess, a.a.O., S. 391.
486
Vgl. Ebd.
487
J. van Ess, a.a.O., S. 391.
488
Ebd.
489
„Raka´a (Der Gebetsabschnitt) ist ein festgelegter Teil des Ritualgebets in dem ein Zyklus von Riten erfüllt
wird. Die Zahl der Gebetsabschnitte, aus denen ein Ritualgebet besteht, hängt vom jeweiligen Gebet ab. Jeweils ein Gebetsabschnitt besteht aus: Eröffnungspreisung; Stehen; Verneigung; Niederwerfungen; Bekenntnisverlesung; Abschlussgruß.“ Monika und Udo Tworuschka, a.a.O., S. 266.
490
Vgl. Ghada Talhami, „The History of Jerusalem: A Muslim Perspective”, in: Hans Ucko, The Spiritual Significance of Jerusalem for Jews, Christians and Muslims, Geneva: World Council of Churches, 1993, S. 21-31,
hier S. 22.
145
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
Sechs Monate nach der Himmelsreise erzählte Muḥammad seinen Gefährten, indem er sich eines
weiteren Wunders lobte, dass er über Nacht in Jerusalem gewesen sei. Es gibt die parallelen Ereignisse
zwischen der Offenbarung Gottes durch den Koran und der Himmelsreise Muḥammads. Der Koran soll in
der Nacht zum 27. Ramadan herab gesandt worden sein. In der Nacht des göttlichen Wunders wurde der
Koran auf die Erde hinuntergeschickt. Die Nachtreise nach Jerusalem ist ein gleichartiger Umstand, wo
die Muslime die zweiten göttlichen Normen, nämlich die Gebetsriten, erhielten.491
5.1.2 Jerusalem als islamische Gebetsrichtung
Jerusalem als die erste islamische Gebetsrichtung wird in den Ḥadīṯen erwähnt. Abū Isḥāq berichtet in der
Sammlung von Al-Buharis Ḥadīṯen folgendes:
„Als der Prophet zum ersten Mal nach Medina kam, wohnte er dort bei seinen Onkeln mütterlicherseits, die zu den Anṣār gehörten. Sechzehn oder siebzehn Monate lang verrichtete er das Gebet,
indem er sich mit dem Gesicht nach Jerusalem wandte. Er wünschte aber, dass die Ka´ba in Mekka
seine Gebetsrichtung sei. Das erste Gebet, das er mit dem Gesicht nach Mekka gewandt verrichtete,
war das Nachmittagsgebet. Einige Leute beteten mit ihm. Ein Mann, der an diesem Gebet teilgenommen hatte, kam anschließend an einer Moschee vorüber, wo die Gläubigen sich gerade nach Jerusalem hin verbeugten. Er sagte zu ihnen: ‚Bei Gott, ich schwöre, dass ich eben zusammen mit dem
Gesandten Gottes das Gebet in Richtung Mekka verrichtet habe.‘ Darauf änderten jene Leute ihre
Gebetsrichtung.“492
Auch im Koran nach Sure 2,142ff ist die Qibla (die islamische Gebetsrichtung) nach Mekka nicht ursprünglich, sondern die Folge eines göttlichen Gebots:
(142) „Die Tore unter den Leuten werden sagen: „Was hat sie (d.h. die Muslime) von der Gebetsrichtung (qibla), die sie (bisher) eingehalten hatten, abgebracht?‘ Sag: Gott gehört der Osten und
der Westen. Er führt, wen er will, auf einen geraden Weg.“
(143) „[…] Und wir haben die Gebetsrichtung, die du (bisher) eingehalten hast, nur eingesetzt,
um (die Leute auf die Probe zu stellen und) in Erfahrung zu bringen, wer dem Gesandten folgt, und
wer eine Kehrtwendung vollzieht (und abtrünnig wird) […]“
(144) „Wir sehen, dass du unschlüssig bist, wohin am Himmel du dich (beim Gebet) mit dem
Gesicht wenden sollst. Darum wollen wir dich (jetzt) in eine Gebetsrichtung weisen, mit der du gern
einverstanden sein wirst: Wende dich mit dem Gesicht in Richtung der Heiligen Kultstätte (in Mekka)! Und wo immer ihr (Gläubigen) seid, da wendet euch mit dem Gesicht in dieser Richtung! […]“
491
Vgl. Al-Buhārī, S. 96.
492
Al-Buhārī, a.a.O., S. 96.
146
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
Die „erste“ Qibla wird hier nicht erwähnt, aber die exegetische Tradition ist sich einig, dass Jerusalem oder al-Quds oder Bait al-Maqdis gemeint war, auch wenn möglicherweise die ursprüngliche Gebetsrichtung Muḥammads das mekkanische Gotteshaus, und zwar die Ka´ba, war.493
Der Vers 142 betont, dass die Muslime über die Änderung ihrer Gebetsrichtung erstaunt waren, die
jetzt nach Mekka zur Ka´ba hinzeigen sollte. Das Erstaunen über diese Änderung wird in diesem Vers
ausgesprochen: „Was hat sie von der Qibla (die Gebetsrichtung), die sie (bisher) eingehalten hatten, abgebracht?“ Die Formulierungen machen deutlich, dass Muḥammad zuvor dieselbe Gebetsrichtung einnahm
wie andere Vertreter abrahamitischer Religionen, obwohl es keine Überlieferung gibt, die erwähnt, wo
genau die erste Gebetsrichtung der Muslime in Jerusalem war. Ob sie auf dem zerstörten salomonischen
Tempel lag, war unklar. Es ist zu bemerken, dass sich Muḥammad am Anfang nicht Richtung Mekka zum
Gebet verneigte, obwohl er gewusst hatte, dass das ewige Haus in Mekka steht, d.h. das Haus Gottes, das
Abraham (Sure 2,125-127, aber auch Sure 3,36; 22,25f) und Ismael gebaut haben.494 Stattdessen beteten er
und seine Anhänger anscheinend wie Juden in Richtung Jerusalem.
(142 B) „Sag: Gott gehört der Osten und der Westen. Er führt, wen er will, auf einen geraden
Weg.“
Diese Formulierung zeigt, dass die Änderung der Gebetsrichtung von Gott möglich ist: „Gott selbst
ist es, der die Gebetsrichtung allgemein festlegt. Da ihm (Gott) alle Himmelsrichtungen gehören, ist er
frei, dies zu tun.“495 Kein Mensch kann eine bestätigte Richtung entscheiden, sondern er muss sich vor der
Wahl Gottes verneigen.
(143 A) „Und so haben wir euch (Muslime) zu einer in der Mitte stehenden Gemeinschaft gemacht, damit ihr Zeugen über die (anderen) Menschen seiet und der Gesandte über euch Zeuge sei.“
(143 B) „Und wir haben die Gebetsrichtung, die du (bisher) eingehalten hast, nur eingesetzt, um
(die Leute auf die Probe zu stellen und) in Erfahrung zu bringen, wer dem Gesandten folgt, und wer
eine Kehrtwendung vollzieht (und abtrünnig wird).“
493
Vgl. Angelika Neuwirth, „Ūlā l-qiblatain, ṯānī l-masğidain, ṯâliṯ al-haramain“; zit. Bei Angelika Neuwirth,
„Erste Qibla - Fernstes Masjid? Jerusalem im Horizont des historischen Muhammad“, in: Ferdinand Hahn,
Frank-Lothar Hossfeld, Hans Jorissen & Angelika Neuwirth (Hg.), Zion - Ort der Begegnung: Festschrift für
Laurentius Klein zur Vollendung des 65. Lebensjahres, Bodenheim, 1993, S. 227-270, hier S. 232f.
494
Ibrāhīm und Ismā´īl haben die Fundamente der Ka´ba aufgeführt (Sure 2,121). Der Makām Ibrāhīm wird als
zur salāt geeignete Stelle bezeichnet (Sure 2,119).
495
Bertram Schmitz, Der Koran: Sure 2 „Die Kuh“, Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer, 2009, S. 214.
147
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
(143 C) „Es ist zwar schwer (was man von den Leuten verlangt), aber nicht für diejenigen, die
Gott rechtgeleitet hat. Gott kann unmöglich zulassen, dass ihr umsonst geglaubt hat. Er ist gegen die
Menschen mitleidig und barmherzig.“
Mit dem Wort „in der Mitte“ im Vers 143 A wird auf ein Bild verwiesen, dessen Bedeutung aus dem
damaligen geographischen Ort eine Gegenwärtigkeit erhält. Muḥammad und seine Gemeinschaft waren
damals in Medina. Mekka und die Ka´ba liegen von dort aus gesehen im Süden, Jerusalem und der zerstörte Tempel im Norden. Dadurch findet nach der Sure al-Baqara Umma (diese Gemeinschaft) nicht nur
von ihrer Bedeutung her in der Mitte statt, sondern auch nach ihrer geographischen Richtung. Diese Darstellung könnte in Vers 143 B eingenommen sein, wobei es genau heißt: „wer eine Kehrtwendung vollzieht“. Bertram Schmitz erläutert diese Interpretation: „In Medina stehend bedarf es recht genau einer
180-Grad-Drehung, um die Gebetsrichtung nach Jerusalem auf die Richtung zur Kaaba zu ändern.“496
(144 A) „Wir sehen, dass du unschlüssig bist, wohin am Himmel du dich (beim Gebet) mit dem
Gesicht wenden sollst. Darum wollen wir dich (jetzt) in eine Gebetsrichtung weisen, mit der du gern
einverstanden sein wirst.“
(144 B) „Wende dich mit dem Gesicht in Richtung der Heiligen Kultstätte (in Mekka)!“
(144 C) „Und wo immer ihr (Gläubigen) seid, da wendet euch mit dem Gesicht in dieser Richtung! […]“
(144 D) „Diejenigen, die die Schrift erhalten haben, wissen, dass es die Wahrheit ist (und) von
ihrem Herrn (kommt). Und Gott achtet sehr wohl auf das, was sie tun.“
Die Frage ist: wohin soll er sich wenden? Der Prophet hat bestätigt, dass die Gebetsrichtung der Juden und der Christen nicht für die Muslime gelten kann. In Sure 2,124f wird die eigentliche Bedeutung der
„abgegrenzten Moschee“ in Mekka hervorgehoben. Es wurde deutlich, dass die Moschee in Mekka früher
als der Tempel in Jerusalem errichtet wurde, weil Abraham und Gott sie eingerichtet haben. Jetzt wird die
Ka´ba als Orientierungs- und Zielpunkt der islamischen Gebetsrichtung anstatt Jerusalem festgelegt bzw.
wieder hergestellt. Das Haus Abrahams in Mekka wird als Zentrum und Mitte des islamischen Glaubens
angesehen. Der wichtigste Grund der neuen Wendung der Gebetsrichtung ist, dass die Ka´ba nach vielen
islamischen Traditionen von Abraham und Ismael erbaut wurde. An dieser Stelle wird ausgedrückt, dass
die Vorstellung der Gebetsrichtung hin zur Ka´ba zum Einigungszeichen wie auch zum Differenzierungszeichen wird. Die wieder erneuerte Gebetsrichtung einigt alle Muslime überall untereinander und grenzt
sie völlig von allen Nichtmuslimen ab.497
496
Vgl. Ebd., S. 215.
497
Vgl. Bertram Schmitz, a.a.O., S. 216-217.
148
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
In Sure 2,124-177 wird die Zentralisierung der Gebetsrichtung der Muslime nach Mekka beschrieben. Die Ka´ba wird zum rituellen Zentral- und Mittelpunkt der Religion Gottes bestimmt. Gott hat
nach dieser Sure die Gebetsrichtung für Muḥammad und die Muslime gewählt. Oder, in Bezug auf die
Sure Baqara 2,124f, baute Gott diesen Ort dem Menschen als Gottes Haus. In diesen beiden Aussagen
akzentuiert Bertram Schmitz:
„Diesem Ort kam nicht an sich eine ontologische Besonderheit zu, die genügen würde, ihn zum
Haus Gottes werden zu lassen, sondern, dass Gott ihn für Muḥammad zu diesem macht, analog zu
dem Haus, das er für Abraham zu Gottes Haus gemacht hat, wobei beide Häuser miteinander identisch gesehen werden. Dieses Ka´ba (das Haus) ist Abrahams Haus (Sure 2,124f), und es ist auch
Gottes Haus, weil dieser es so will (Sure 2,144).“498
Die Ausrichtung auf den Tempel in Jerusalem wurde nun durch den König Salomo bestätigt, weil
Gott ihn als seinen Wohnort in der Welt erwählt hat. Die Gläubigen konnten sich danach für ihre Gebetsrichtungen entscheiden, weil Gott ihnen schon befohlen hat, dass die Gebetsrichtung für die Muslime die
Ka´ba für immer und ewig gerichtet sein sollte (Sure 2,144), währenddessen der Tempel in Jerusalem als
die Gebetsrichtung für die Juden eingerichtet worden war.
Die Umdrehung der Gebetsrichtung nach Mekka vollzieht die Differenzierung von Jerusalem über
die Problematisierung der Beziehung mit den medinensischen Juden. Als die Gebetsrichtung in Jerusalem
lag, beteten die Juden in Medina in die Richtung Jerusalem. Vermutlich erwartete Muḥammad, dass, wenn
er die Gebetsrichtung nach Jerusalem veränderte, sich die Juden leichter zum Islam bekehren würden.499
Danach änderte der Prophet die Gebetsrichtung, weil er über die Juden aus Medina ganz enttäuscht war,
da bei der Schlacht von Badr jüdische Gruppen aus Yathrib (Medina) mit den Mekkanern koalierten. Das
galt den Muslimen in Medina als Verrat am „Vertrag von Medina.“500
Zur gleichen Zeit ist die Wendung weg von Jerusalem zu verstehen als Wiederentdeckung Mekkas
als das eigentliche Ziel der Sehnsucht für die muslimischen Auswanderer in Medina. Mekka bekam eine
neue heilsgeschichtliche Bedeutung. Von Anfang an wurde Mekka als Wirkungsort von Abraham aner-
498
Ebd., S. 206.
499
Vgl. William Montgomery Watt, The Cambridge History of Islam, I, Cambridge: Cambridge University Press,
1970, S. 44.
500
Adel Theodor Khoury, „Der frühe Islam und die Juden”, in: Folker Siegert (Hg.), Israel als Gegenüber: vom
Alten Orient bis in die Gegenwart: Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens, 2000, S. 218238, hier S. 221.
149
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
kannt. In Sure 2,126-127 erläutert ein Gebet Abrahams an der Ka´ba, dass diese Sure eine Übertragung
des salomonischen Tempelgebets auf Mekka dargestellt:501
„Und (damals) als Abraham sagte: ‚Herr! Mach dies (d.h. das Gebiet der Ka´ba) zu einer sicheren Ortschaft und beschere ihren Einwohnern Früchte – denen von ihnen, die an Gott und den jüngsten Tag glauben!‘ Gott (w. Er) sagte: ‚Wer aber ungläubig ist, den lasse ich (die Güter dieser Welt)
ein wenig genießen. Hierauf weise ich ihn unweigerlich in die Strafe des Höllenfeuers ein – ein
schlimmes Ende!‘ Und (damals) als Abraham dabei war, die Grundmauern – die des Hauses (der
Ka´ba) – aufzuführen, (er) und Ismael (und zu Gott betete): Herr! Nimm (es) von uns an! Du bist der,
der (alles) hört und weiß.“
Hier wird Mekka nicht nur als Wallfahrtsziel für die eigene Gruppe, sondern auch für alle Menschen
etabliert. Darüber hinaus betet Abraham an der Ka´ba in der Hoffnung, dass ein Prophet dazu käme, um
die Riten an der Ka´ba zu halten und die Offenbarung Gottes zu verkündigen, die heilige Schrift sowie die
Weisheit zu lehren. Nachdem das Gravitationszentrum der Gebete von Jerusalem nach Mekka übertragen
worden war, ging Jerusalems Aura auf Mekka über, das, was für Jerusalem im Psalm geschrieben wird:
„...dass sie in Zion verkünden den Namen des Herrn und sein Lob in Jerusalem.“502
Dogmatisch wurde die Richtungsänderung gerechtfertigt unter Bezug auf die hauptsächlich dafür erfundene „Religion Abrahams“ (Sure 2,129ff). Diese Sure erwähnt, dass die Religion Abrahams (Hanif)
der Urtypus von Judentum und Islam war. Diese Religion Abrahams wurde von den Juden verdunkelt und
von Muḥammad aufs Neue ans Licht gebracht. Zur selben Zeit wurde nun der mekkanische Kultus einbezogen.503 Nach Snouck Hurgronje, wie von Theodor A. Busink zitiert, scheint der Koran nahezulegen,
dass die Ka´ba schon vor der Hiğra (Auswanderung Muḥammads mit seinen Anhängern von Mekka nach
Medina) als ein Gotteshaus Bestand hatte. Es muss daran erinnert werden, dass Muḥammad sich ebenso
wenig um die Ka´ba kümmerte wie Abraham, der die Erbauung der Ka´ba etabliert haben soll. Theodor A.
Busink ist der Meinung, dass aufgrund dieser Perspektive das Gotteshaus Mekkas älter und heiliger als
Jerusalem ist. Islam und der mekkanische Kultus sind integriert:
501
Vgl. Heribert Busse, „Jerusalem and Mecca, The Temple and the Ka´ba: An Account of their Interrelation in
Islamic Times”, in: Moshe Sharon (Hg.), Pillars of Smoke and Fire: The Holy Land in History and Thought,
Johannesburg: Southern Book Publishers, 1986, S. 236-246.
502
Psalm 102:22
503
Vgl. Arent J. Wensinck und J.H. Kramers (Hg.), Handwörterbuch des Islam, Leiden: E.J. Brill, 1941, S. 239.
150
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
„Der mekkanische Kultus wurde nun gewiss unter Vorbehalt einer vorzunehmenden Einordnung, beziehungsweise Neuherstellung in monotheistischen Substanzen, dem Islam förmlich eingegliedert.“504
Im Gegensatz dazu betont Karl-Heinz Ohlig, dass eine Lokalisierung für die Ka´ba fehlt. Nach der
koranischen Auslegung von Ohlig existieren keine weiteren konkreten Hinweise auf die mekkanische
Ka´ba im Koran (Vgl. Sure 5,95; 97). Im Koran werden die Darstellung der Heiligtümer nur beschrieben:
Das „Haus“, die „Stätte der Einkehr für die Menschen“ und „Platz Abrahams“ als „Gebetsstätte“ (Sure
2,125); „das alt(ehrwürdige) Haus“ (Sure 22,29); „geheiligtes Haus“ (Sure 14,37); „heilige Kultstätte“
(Sure 48,27). Ohlig ist der Meinung, dass im Kontext dieser Erwähnungen meist von rituellen Pflichten
oder Praktiken für diese Orte berichtet wird. Die konkrete Lokalisierung der Ka´ba ist im Koran nicht
bekannt.505 Deshalb fragt Ohlig sich, ob Mekka mit den vorliegenden Kultstätten oder auch mit der Nennung Ka´ba immer identisch ist und ob der „Platz Abrahams“ in Mekka liegt. Ohlig hebt in seiner Analyse
hervor, dass es im Nahen Osten noch weitere Ka´bas gab und der Koran keine Verbindung mit Mekka
erwähnt.506 Ohlig zufolge ist die Theorie, dass der Ort Abrahams in Mekka liegt, historisch unsicher:
„Der Koran selbst gibt keine Hinweise, sondern nur das Schrifttum des 9. Jahrhunderts. Wenn
(…) Mekka in Mesopotamien vermutet wird, ergäben sich keine Spannungen zur biblischen Geographie, und das „Haus Abrahams“ wäre in Mesopotamien oder genauer in Samarra zu denken.“507
Es gibt interessanterweise viele Überlieferungen, die erwähnen, dass die Ka´ba Abrahams in Palästina liegt. Es gibt Überlieferungen, die darauf zielen, dass der monotheistische Ursprung der Ka´ba sich auf
die passenden Stellen aus der Bibel bezieht. Einer der wichtigsten Überlieferer aus Südarabien, Wahb b.
Munabbih (gest. um 730 n. Chr.), zitiert die Tradition der Ka´ba aus der Bibel, dass nämlich „im Buch
Gottes“ das Wasser des Zemzembrunnens Speise der Hungrigen und Heilung der Kranken sei.508 Seine
Überlieferungen sind häufig als Autorität genannt. Er fand auch in der Thora einen Hinweis, dass die
Ka´ba und der Tempel nicht identisch sind, nämlich „ein Haus im Himmel gegenüber der Ka´ba. Auf der
Kuppel ist sein Name des Hauses geschrieben: ad-Durāh. Das ist das (von Engeln) al-Bait al-Ma´mur
504
Vgl. Theodor A. Busink, a.a.O., S. 907.
505
Vgl. Karl-Heinz Ohlig, „Die Historisierung eines Christologischen Prädikats“, S. 370.
506
Vgl. Karl-Heinz Ohlig, a.a.O., S. 370.
507
Ebd.
508
Abū l-Walīd Muhammad b. ´Abdallāh al-Azraqi, Kitāb aḫbār Makka, (Übersetzung F. Wüstenfeld), Die Chroniken der Stadt Mekka, Bd. 4., Leipzig: F.A. Brockhaus, 1861, S. 192f.
151
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
(bewohnte Haus), in das jeden Tag siebzigtausend Engel eintreten, ohne dass sie dies je wiederholen.“509
Das himmlische Jerusalem wird auch in der Bibel erklärt:
„Es ist kubisch, ein Würfel von 12.000 Stadien Kantenlänge, auf den Toren stehen die Namen
der zwölf Stämme Israels, deren Grundsteine verschiedene Arten von Edelsteinen sind, darunter ein
Chrysolith, seine Tore eine einzige Perle (Offb 22,14-21). Die Ka´ba Adams besteht aus einem
Chrysolith, einer Perle oder auch einem Zelt. Johannes nennt das himmlische Jerusalem „Zelt Gottes
unter den Menschen.“ (Offb 21,3)“510
Es gibt auch Streit in der Überlieferung über die Berge, von denen Abraham die Steine für den Bau
der Ka´ba holte. Eine Überlieferung nennt nur Berge, die in Mekka und Umgebung liegen,511 andere Versionen sind davon unterschieden: Neben dem Hirā´, bei Mekka, wo Muḥammad seine erste Offenbarung
empfing, erscheinen Libanon, der Ölberg, der Sinai und der Ğūdī (in Kleinasien, wo Noahs Arche landete). Natürlich kannten die Muslime diese Rivalität zwischen Ka´ba und Tempel in Jerusalem. Die Sure
3,96 soll geoffenbart worden sein, nachdem Muḥammad von einem Streit zwischen Juden und Muslimen
über diese Rivalität erfuhr: „Das erste Haus, das den Menschen aufgestellt worden ist, ist dasjenige in
Bakka.“
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Ka´ba als monotheistisches Heiligtum für die
Muslime viel mit dem jüdischen Tempel in Jerusalem gemeinsam hat. Die Legende über die Nachtreise
und Himmelfahrt, wo Muḥammad angeblich nach Jerusalem und von dort in den Himmel hinaufgefahren
sei, zeigt uns, dass die Ka´ba, Tempel und himmlisches Heiligtum eins werden und nicht immer deutlich
voneinander getrennt sind.512 Die Wurzel des Tempels und der Ka´ba sind durch manche Ähnlichkeiten
verbunden. Wie die heidnische Ka´ba ist auch der Tempel auf Vorstellungen der altorientalischen Religion gegründet, die dann monotheistisch umgedeutet worden sind. Jedoch sind in der Bibel und in der jüdischen Überlieferung die Ideen über den Tempel sehr viel besser dokumentiert als im Koran die Angaben
über die Ka´ba. Das Judentum interessiert sich weiter für das Heiligtum, obwohl der Tempel schon zerstört wurde. Die Legende erweitert sich vom Tempel auf die Grabeskirche. Die Bedeutung der Grabeskir-
509
Ebd., S. 18.
510
Angelika Neuwirth, „Der Horizont der Offenbarung“, S. 182.
511
Vgl. ´Abdallāh al-Azraqi, a.a.O., S. 155
512
Vgl. Heribert Busse, „Jerusalem in the Story of Muhammad´s Night Journey and Ascension”, in: JSAI 14,
1991, S. 1-40.
152
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
che als das Heiligtum wurde von Konstantin entwickelt, nachdem er viele christliche Bauten als Heilige
Stätten für die Christen in Jerusalem erbaut hat.513
5.2 Die Faḍā´il Bait al-Maqdis (das Lob der Vorzüge Jerusalems) und deren Inhalt
Die arabische Literaturgeschichte enthält eine große Zahl von Literaturen. Das Wort Faḍā´il selbst wird
als manāqib, maḥāsin und khaṣā´is ausgedrückt, die im Deutschen von „Verdienste“, „Auszeichnungen“,
Vorzüge“, „hervorragende, edle Eigenschaften“, „Tugenden“, „Ruhmestaten“, „Ruhmestitel“ bis „hohe
Rangstufen“ bedeuten. Faḍā´il sind nur eines der vielen Werken in der arabischen Literatur, die dem Lobpreis einer besonderen Person, eines Landes, oder einer Stadt dienen. Diese Literatur besteht aus ungezählten Artikeln oder Schriften in biographischen, geographischen, historischen, theologischen und enzyklopädischen Ausgaben.514
5.2.1 Die Faḍā´il und ihre Entwicklungen
Faḍā´il Literaturen haben ihren Ursprung in der Überlieferung der vorislamischen Poesie der Beduinengesellschaft und später aus dem Koran. Die Grundbedeutung der Wurzel fḍl ist „überschreiten“, „überfließend“ oder „überflüssig sein“ oder „werden“, „übrig sein.“ Die Bedeutung „Faḍā´il“ bezieht sich auf
das Wort baqīya, das „das Beste vom Besten“ bedeuten kann. Ähnlich im Deutschen, wo Überfluss meistens etwas Positives, Überflüssiges hingegen wert- und nutzlos ist.515 Die Formen und Nebenbedeutungen
von fḍl leiten zur wichtigsten Bedeutung von faḍl hinüber, nämlich faḍl (Pl. fuḍūl) als „Vortrefflichkeit,
Überlegenheit und Vorrang“. Wichtig ist es, dass die Frage des Ranges, der Stellung, welche der vorislamische Beduine einzunehmen versucht, in den Bereich einer seiner elementarsten geistigen und sozialen
Äußerungen fällt: dem Sich-Rühmen.516
513
Vgl. Martin Fuß, a.a.O., S. 286-287.
514
Vgl. Isaac Hasson, „Muslim Literature in Praise of Jerusalem“, S. 168.
515
Vgl. Edward William Lane, An Arabic-English Lexicon, Bd. I. – Teil. 6, London: Williams and Norgate, 1877,
S. 2411.
516
Vgl. Ebd., S. 2411.
153
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
Im Koran verstehen die Muslime unter dem Thema faḍl (Überfluss) die Gunst oder Huld, die Gott
den Menschen (aus seinem Überfluss) schenkt.517 Das Wort erscheint parallel mit ni´ma oder bi-ni´ma min
Allāh wa-faḍl (Gnade)518; faḍlan min Allāh wa-ni´matan519; riḍwān oder faḍl min rabbihim wa-riḍwān
(Wohlgefallen)520; faḍl min Allāh wa-riḍwan521 und besonders mit raḥma oder wa-lau-lā faḍl Allāh
´alaikum wa-raḥmatuhū (Barmherzigkeit)522; fī raḥma minhu wa-faḍl523 und qul bi-faḍl Allāh waraḥmatihī524. Es ist nur Gott im Koran, der sich um die Güte der Menschen kümmert, und ihnen sowohl
die irdische als auch die himmlische Belohnung schenkt. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass die
beiden Formen von faḍīla und faḍā´il (Pl.) als das Lob für Menschen nicht im Koran zu finden sind, und
auch nicht in der vorislamischen Periode in der Poesie vorkommen. Das Konzept der faḍā´il erschien nach
dem Tod des Propheten und begann, eine wichtige Rolle in der muslimischen Gesellschaft zu spielen.525
Während der Wirkungszeit Muḥammads brauchten die Muslime keine Faḍā´il. Der Grund ist, dass
Muḥammad der Leiter der neuen religiösen Gesellschaft war, und zwar des Islam, der direkt von Gott
gewählt wurde. Der Prophet hatte die himmlische Autorität und verlangte das Lob seiner Anhänger
nicht.526 Außerdem ist der Prophet der Gesandte des Gottes, der die autoritative religiöse Ordnung herstellte. Natürlich gab es auch innerhalb der Umma Gruppeninteressen, Eifersüchteleien und Streitereien,
doch stand über allem die Autorität des Propheten.527 Die Faḍā´il Literaturen entwickeln sich nach dem
517
Rudi Paret, a.a.O., S. 178.
518
“Sie erfreuen sich an der frohen Kunde von Gottes Segnungen und Huld; […] und (von der Schlacht) zurückkehrten mit Gottes Segnungen und Huld,[…].“ (Sure 3,171 und 174)
519
“[…] durch Gottes Huld und Gunst.” (Sure 49,8)
520
„[…] von Tugend und Wohlgefallen Gottes.“ (Sure 5,2)
521
„[…] zueinander voller Barmherzigkeit“ (Sure 48,29). „[…] Gunst bei Gott und (Seine) gefällige Annahme
suchend.“ (Sure 59,8)
522
„Und wäre nicht Gottes Gunst gegen euch und Seine Gnade gewesen.“ (Sure 2,64) „Und wäre nicht Gottes
Huld gegen euch und Seine Gnade wären alle außer einigen wenigen von euch sicherlich Satan gefolgt.“ (Sure
4,83) „Und wäre nicht Gottes Gunst für dich und Seine Gnade“ (Sure 4,113).
523
„Er wird sie in eine Seine Gnade und Huld einschließen.“ (Sure 4,175)
524
„Sag: ´Über (diese) Huld Gottes und über Seine Gnade´.“ (Sure 10,58)
525
Vgl. Isaac Hasson, a.a.O., S. 168.
526
Vgl. William Montgomery Watt, Muhammad at Mecca, Oxford: Oxford University Press, 1953, S. 228-238.
527
Vgl. Ebd., S. 247.
154
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
Tod des Propheten. Einer der Hauptgründe für die Entstehung der Faḍā´il-Literatur ist über einzelne Personen zu suchen. Nach dem Tod von Muḥammad hat die muslimische Gesellschaft begonnen, besondere
Personen zu finden, die den Vorzug der Ausbildung, des Einkommens und des Respekts haben. Diese
Menschen spielten auch wichtige Rollen in den politischen und sozialen Ereignissen. Um diese Besonderheiten der Personen zu erheben, entstand dann diese Literatur.528 Die meisten der Faḍā´il Literaturen
stammen aus dem nahen Verwandten- und Freundeskreis Muḥammads.529
Bezüglich der Heiligen Stätten in der muslimischen Geschichte gibt es Faḍā´il über Städte und Provinzen. Zwanzig Jahre nach dem Tode des Propheten stießen die arabischen Eroberungszüge im Westen
bis Tripolis, im Norden bis Tiflis und im Osten bis Merw vor, einschließlich Jerusalem. Die arabischen
Auswanderer kamen mit einem großen Teil ihrer Familien und Verwandten an. Sie siedelten sich an und
trennten sich je nach Stammeszugehörigkeit in xiṭaṭ (Viertel). Jedoch lebten einige von ihnen auch gemischt mit anderen Bevölkerungsteilen.530 Trotz dieser sozialen und räumlichen Isolierung entstand eine
neue Solidarität unter ihnen, die im gemeinsamen Bereich lebten. Ihre Zusammengehörigkeit zeigten die
Muslime, indem sie freitags zusammen beteten und sich in der Masğid ğāmi´ (Moschee) sammelten, um
die politischen Anlässe zu besprechen. „Je heterogener die Bevölkerungselemente in den Neugründungen
gewesen sind, desto schneller muss wohl als das nächste Gemeinsame das gemeinsam Bewohnte, die
Stadt, erkannt worden sein. Über den Stamm und den Stammesverband hinaus gibt die Stadt die neue
Basis des Zugehörigkeits- und Gemeinschaftsgefühls ab.“531 Das für das Gemeinwesen wohl folgenreichste Ereignis besteht in der Polarisierung der großen politischen Parteien, welche versuchten, einzelne Städte
und Provinzen für ihre Sache zu gewinnen und sie ihr dienlich zu machen. 532 Der Kalif Ali, der Neffe des
Propheten Muḥammad baute nach der so genannten Kamelschlacht seine Residenz in Kuffa.533 Mu´āwiya
528
Vgl. Rudolf Sellheim, „Prophet, Chalif und Geschichte: Die Muḥammad Biographie des Ibn Isḥāq“, in: Orients
18-19, 1965-1966, S. 32-91, hier S. 73.
529
Vgl. Ebd., S. 54f.
530
Vgl. Else Reitemeyer, Die Städtegründungen der Araber im Islām nach den arabischen Historikern und Geographen, Leipzig: Druck von F. Straub, 1912, S. 6.
531
Ernst August Gruber, Verdienst und Rang: Die Faḍā´il als literarisches und gesellschaftliches Problem im
Islam, Freiburg im Breisgau: Klaus Schwarz Verlag, 1975, S. 50.
532
Vgl. Rudolf Sellheim, Der zweite Bürgerkrieg im Islam (680-692): Das Ende der mekkanisch-medinensischen
Vorherrschaft, Wiesbaden: Steiner, 1970, S. 8.
533
Vgl. Heinz Halm, Die Schiiten, München: C.H. Beck, 2005, S. 14.
155
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
baute sein politisches Zentrum in Damaskus mit dem übrigen Syrien und Palästina auf, während Mekka
und Medina die Basis für die Operationen seines Konkurrenten ´Abdallāh ibn az-Zubair waren.534
Die Faḍā´il Literatur betont auch die Funktion eines Ortes als ein Zentrum der Pilgerfahrt und ermuntert die Gläubigen dazu, Ğihād und Ribāṭ (Heiligkeit) zu führen. Für diesen Zweck sollte die Literatur
gelernt und verbreitet werden, um die Seele von Ğihād herbeizurufen. Beim Vergleich der oben benannten
Aussagen ist es klar geworden, dass sich die Faḍā´il Literatur sowohl auf die religiösen und als auch die
profanen Bereiche bezogen hat.
5.2.2 Die Faḍā´il Bait al-Maqdis (Das Lob der Vorzüge Jerusalems) Werke
und deren Inhalt
Es ist interessant zu bemerken, dass keine einzige lokale Literatur und auch kein Buch am Ende des zweiten Jahrhunderts und am Anfang des dritten Jahrhunderts nach der Hiğra (9. Jahrhundert n. Chr.) veröffentlicht worden ist. Die Literatur über die Vorzüge der Stadt Jerusalems wurde erst seit dem Anfang des
11. Jahrhundert n. Chr. und bis zum 14. Jahrhundert n. Chr. niedergeschrieben, obwohl die Stadt Jerusalem schon lange vorher für die Muslime heilig war.535
Die früheste Schrift über die Vorzüge Jerusalems ist das Werk von Abū Bakr al-Wāsiṭī, Faḍā´il alBait al-Muqaddas. Zuerst erwähnt Hasson, dass auch der Niedergang des Felsendoms (1016-1017 n. Chr.)
ein Anlass für die Niederschrift von al-Wāsiṭīs Werk gewesen sei. Die Beschädigung des Felsendoms
machte eine Spendenkampagne für dessen Restaurierung erforderlich, zu deren Unterstützung al-Wāsiṭī
seine Literatur abfasste. Hasson betont auch, dass die Anfertigung von al-Wāsiṭīs Werk von manchen
wirtschaftlichen Gründen motiviert wurde, in der Hoffnung, dass Jerusalem neben Mekka und Medina als
islamisches Heiligtum den gleichen Rang einnehmen möge.536
Der Inhalt dieser beiden Werke, Faḍā´il al-Bait al-Muqaddas und Faḍā´il aš-Šām wa-Dimašq (Das
Lob der Vorzüge Damaskus) enthält viele politische und soziale Motive und religiöse Elemente, wie die
Ḥadīṯe und die Erzählungen über die Nachtreise Muḥammads. Beide umfassen auch geschichtliche Ele-
534
Vgl. Nancy Khalek, Damascus after the Muslim Conquest: Text and Image in Early Islam, Oxford: Oxford
University Press, 2011, S. 163-164.
535
Vgl. Isaac Hasson, a.a.O., S. 172.
536
Vgl. Abū Bakr Muhammad b. Ahmad al-Wasiti, a.a.O., S. 1-20. Vgl. Isaac Hasson, Ebd., S. 169-176.
156
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
mente, wie z.B. die Darstellung über die Gründung und die Eroberung Jerusalems.537 Darüber hinaus tragen sie zum Wissen über topographische, archäologische und baukünstlerische Wesen bei wie der Aufbau
des Felsendoms und der Heiligenstätten, sowie geographische Elemente, wie die Darstellung der Grenzen
von aš-Šām (Syrien) und Palästina und deren Städte.538 Sie umfassen biographisches Material, wie Biographien der Gefährten des Propheten und deren Nachfolger und von islamischen Heiligen, sowie märchenhafte Elemente und volksbewusste Traditionen, wie die Legende über die Entstehung der Heiligen
Stadt Jerusalem.539
Die Hauptquellen der Faḍā´il-Bücher sind die Ḥadīṯe sowie die Bücher, die die Erläuterungen über
Jerusalem aufweisen, wie z.B. die Gesichtsschreibung, die Geographie, die Adab-Sammlungen, auch die
enzyklopädischen Werke, welche im 13. und 14. Jahrhundert n. Chr. aufkamen, die Faḍā´il Bücher über
andere Städte, der Koran und dessen Auslegungen und die Prophetenlegenden.540 Für die Herstellung der
Faḍā´il-Bücher über Jerusalem wurden also hauptsächlich mehr Überlieferungen gesammelt als für die
Faḍā´il Werke über andere Städte, außer den wichtigen islamischen Städten Mekka und Medina.541
Einige Beispiele des Lobes Jerusalems in Faḍā´il-Büchern sind folgende:
„Allāh says of Jerusalem:‘You are the seat of my lower kingdom, from you I rose to the Heavens, from you I left the earth, and beneath you I place all the sweet waters which flow from the
mountain tops […].´ Those buried in Jerusalem are held to have crossed the ´bridge of Hell´ (alṣirāṭ). Those buried in Jerusalem must not be tortured.“542 „He who comes to Jerusalem, prays to the
right and to the left of the mosque, calls upon Allāh from the place where the chain hung and donates
a large small sum of money to charity, Allāh pays heed to his prayer, removes from him all sorrow,
cleanses him of his sins as on the day he was born, and if he asks Allāh to grant him (the privilege of)
a martyr´s death, he will receive his wish. It is the duty of he who comes to Jerusalem to visit the
eastern miḥrāb of David, to pray there and to swim in the waters of the Pool of Siloam, because these
originate in the Garden of Eden […].”543
537
Vgl. Nancy Khalek, a.a.O., S. 150.
538
Vgl. Samer Akkach, Cosmology and Architecture in Premodern Islam: An Architectural Reading of Mystical
Ideas, New York: State University of New York, 2005, S. 166-167.
539
Vgl. Abū Bakr Muhammad b. Ahmad al-Wasiti, a.a.O., S. 1-20.
540
Vgl. Samer Akkach, a.a.O., S. 166.
541
Vgl. Carole Hillenbrand, a.a.O., S. 162-163.
542
Nach dem Zitat von Isaac Hasson, a.a.O., S. 181.
543
Ebd., S. 182.
157
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
5.2.3 Mutmaßliche Gründe für die späte Erscheinung der Faḍā´il al-Bait alMuqaddas Literatur
Auch islamische Historiker sind beeindruckt, wie spät Faḍā´il-Bücher über Jerusalem erschienen sind (11.
Jahrhundert n. Chr.). Die Frage stellt sich, da es doch schon lange bekannt war, dass die Stadt Jerusalem
den Muslimen sowie den monotheistischen Religionen heilig war. Die religiöse Bedeutung dieser Stadt
war bei den Muslimen unbestritten. Deshalb wäre zu erwarten, dass viele Bücher über den Ruhm Jerusalems abgefasst worden wären, weil Jerusalem einen wichtigen Ort in der islamischen Frömmigkeit sowie
in der arabischen Literatur darstellt.544
Zuerst wurden die Faḍā´il-Literaturen über Jerusalem, Hebron und Damaskus von vielen Quellen als
eine Literaturgeschichtsschreibung der ´Umayyaden betrachtet, die darauf zielt, die Heiligtümer in Syrien
hochzuhalten.545 Goitein ist der Meinung, dass die Konfrontation zwischen ´Abd al-Malik b. Marwān und
seinem Gegner ´Abdallāh b. az-Zubair einen Beweggrund zum Aufbau des Felsendoms in Jerusalem lieferte. Wegen dieser Rivalität erschien eine große Folge von Literaturen von az-Zuhrī und die Geschichtserzählung von dem arabischen Historiker al-Ya´qūbī, die dem Gotteshaus in Jerusalem besonderes Lob
zollen. Goitein und Goldziher sind der Meinung, dass sie einen wichtigen Grund für die Erscheinung der
Faḍā´il-Bücher darstellen.546
In einer Argumentationslinie wird die Opposition gegen die Heiligkeit Jerusalems als ein Grund für
das späte Aufkommen der Faḍā´il Literatur betrachtet. Kister und Hasson sind der Meinung, dass die
Faḍā´il Bait al-Maqdis Literaturen nicht früher aufkamen, weil gewiss war, dass Mekka und Medina ein
großes Hauptgewicht unter den Heiligtümern des Islam hatten. Damals hatten nach Kister die Muslime
Sorge, dass der Aqṣā Moschee größerer Vorrang an Heiligkeit als der al-Ḥarām Moschee zugesprochen
werden würde, wenn viel Literatur über sie geschrieben würde.547
544
Vgl. Ebd., S. 173.
545
Vgl. Ebd., S. 170.
546
Vgl. S.D. Goitein, „The Historical Background of the Erection of the Dome of the Rock”, in: Journal of the
American Oriental Society (JAOS), 70, 1950, S. 104-108; Vgl auch. Ignaz Goldziher, Muhammedanische Studien, Halle: Olms, 2004 (Reprint d. Ausg. 1888), S. 35-36.
547
Vgl. Meir Kister, „A Comment on the Antiquity“, S. 178-191. Vgl auch Isaac Hasson, a.a.O., S. 284-307.
158
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
Die Kreuzfahrerherrschaft und andere Dynastien im 11. und 12. Jahrhundert n. Chr. spielen eine
wichtige Rolle bei der weiten Verbreitung der Faḍā´il Literaturen. Charles Matthews ist der Meinung,
dass die Beziehung zwischen den Muslimen und Palästina nach der temporären Eroberung durch die
Kreuzritter sowie die Siege der Rückeroberung durch die Muslime eine bedeutende Rolle für die Abfassung der Faḍā´il über Jerusalem und Palästina spielten. Das Ziel war, die Gläubigen zum sittlichen Kampf
für die Verteidigung der Heiligen Stätte und aller muslimischen Heiligtümer aufzufordern.548 Emmanuel
Sivan ist der Meinung, dass die Stadt Jerusalem für die islamische Welt bis in das 11. Jahrhundert n. Chr.
keinen besonderen Stellenwert hatte. Jerusalem sei als wichtig und heilig nur bei den Bewohnern der Stadt
und deren direkten Umgebung bekannt gewesen. Sivan zitiert das Zeugnis von Nāsir-Khusrow, dass die
islamisch-sunnitischen Bevölkerungsgruppen kein Interesse hatten, die Stadt Jerusalem von den Fatimiden
wieder zu erobern. Um zur Befreiung der Stadt Jerusalem aus der Hand der Fatimiden motivieren zu können, hätten die sunnitischen Gläubigen in früherer Zeit mehr Überlieferungen mit religiösen Zwecken
abfassen müssen. Allerdings nimmt Sivan wahr, dass die Eroberung Jerusalems durch die Kreuzritter sich
während der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts n. Chr. auszuwirken begann und die Faḍā´il über Jerusalem die Gegenkreuzzugsbewegung stützte. Sivan hebt allerdings hervor, dass Nūr ad-Dīn (reg. 1146-1174
n. Chr.) sowie Ṣalāh ad-Dῑn (reg. 1174-1193 n. Chr.) diese Literaturen als ein Mittel unter anderen nutzten, um Jerusalem von den Franken zurückzuerobern.549
Auch Zuhhād (islamische Mystiker) in Jerusalem spielen eine bedeutende Rolle für die späte Erscheinung der Faḍā´il Bücher über Jerusalem. Sie hatten ihre Länder verlassen, um in spiritueller Einsamkeit in Jerusalem zu leben. Es wird angenommen, dass sie am Ursprung vieler Traditionen stehen, die als
Erzählungen später in die Faḍā´il Bücher über Jerusalem aufgenommen wurden. Es gab den Bedeutungszuwachs für die Stadt Jerusalem zu einem religiösen Zentrum in der islamischen Welt in der Zeit nach den
Kreuzzügen sowie nach der Ankunft der Mystiker in Jerusalem.550 Im ersten Jahrhundert des Islam fingen
Sufis und Asketen damit an, sich in Jerusalem anzusiedeln. Unter der Mamlukenherrschaft (1250-1516 n.
Chr.) waren die Sufis und die Asketen bekannt mit ihrem aṣhāb karāmāt (Wundertäter). Manche Sufis
und Asketen studierten die Rechtssysteme des Islam in Jerusalem, vor allem in der Ṣalāḥiyya-Schule, die
Ṣalāh ad-Dῑn gegründet hatte. Wegen dieser Aktivitäten verwandelte sich Jerusalem in der Mamlukenzeit
548
Vgl. Charles D. Matthews, „Palestine-Mohammedan Holy Land“, in: The Muslim World, Bd. 33, Hartford:
Hartford Seminary, 1943, S. 239-253, hier S. 245-246.
549
Vgl. Emmanuel Sivan, „The Beginnings of the Faḍā´il al-Quds Literature”, in: IOS 1, 1971, S. 263-271, hier S.
265f.
550
Vgl. Isaac Hasson, “Muslim Literature”, S. 171-172.
159
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
in ein Zentrum der Muslime aus den verschiedenen Nationen und Ländern und auch in ein islamisches
Zentrum des Wissens, der Gläubigkeit und der barmherzigen Taten.551
5.3 Zusammenfassung
In diesem Kapitel wurden drei weitere Aspekte herausgearbeitet, die die Bedeutung Jerusalems für den
Islam unterstreichen: Jerusalem als Ziel der Nachtreise Muḥammads, Jerusalem als unsprüngliche Qibla
(Gebetsrichtung), und Jerusalem als verehrte, gelobte und besungene Stadt der Poesie.
Darüber, wo der Ort der entferntesten Moschee liegt, von dem die Nachtreise in Sure 17,1 ausgeht,
besteht Uneinigkeit. Einige islamische Historiker sind der Meinung, dass al-Aqṣā mit Jerusalem zu identifizieren sei. Jerusalem wird auch als der Grundstein und Nabel der Welt angesehen. Es ist der Ort, wo der
Prophet Salomo den Tempel errichtet hatte (Sure 34,13). Dieses Land ist auch als heilig bekannt, weil von
dort der Prophet Muḥammad in den Himmel aufgefahren sei und den göttlichen Befehl für das islamische
Gebet bekam.
Die Wendung der Gebetsrichtung von Jerusalem nach Mekka hängt mit der Geschichte der Hiğra
(Auswanderung) Muḥammads und seiner Anhänger von Mekka nach Medina im Jahre 622 n. Chr. zusammen. Im Bündnisvertrag der verschiedenen Gruppen in Medina wurden die Juden als Verbündete der
medinensisch-islamischen Allianz betrachtet. Dies zeigt, dass Muḥammad die medinensischen Juden zunächst als Teil der neuen Gemeinschaft akzeptiert hat, in der Hoffnung, dass die Juden und Christen dort
ihn als Gesandten Gottes akzeptieren würden. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte Muḥammad bestimmte
Annäherungen an das Judentum im Bezug auf den religiösen Kult gewählt. Ebenso ist anzunehmen, dass
Jerusalem als Gebetsrichtung für die Muslime dargestellt wurde, um eine Annäherung an das Judentum zu
erreichen. Doch von Anfang an verweigerten sich einige der Juden einer vollständigen Integration in die
muslimisch dominierte Gemeinde in Medina, die sich als Madîna des Propheten Muḥammad verstand. Sie
waren nicht bereit, den Islam anzunehmen und Muḥammad als Gesandten Gottes anzuerkennen.
Wegen seiner Enttäuschung, vor allem aber wegen des Verrats einiger Verbündeten, wandte sich
Muḥammad von den Juden ab und konzentrierte sich wieder auf die Ka´ba in Mekka. Durch die Wendung
der Gebetsrichtung zeigte der Prophet den Muslimen, dass die Ka´ba in Mekka wieder als Versammlungsort aller arabischen Stämme und weltlichen Muslime funktionieren konnte. Abraham hat die Ka´ba ge-
551
Vgl. Ebd., S. 172.
160
Jerusalem im Koran, in den Ḥadīṯen sowie der Faḍā´il al-Quds
baut, und nun wird der Prophet diese abrahamische Tradition wiederholen und fortsetzen. Die Ka´ba wird
auch als Symbol der religiösen und politischen Einheit der Muslime angenommen. Dadurch dass
Muḥammad die Gebetsrichtung änderte, stärkte er auch das Selbstbewusstsein des Islam gegenüber den
beiden anderen Religionen (Christentum und Judentum). Seit dem Beginn der Auseinandersetzung mit
den Juden von Medina vor allem über die Wendung der Gebetsrichtung, wurden Juden und Christen von
vielen Muslimen als ungläubig betrachtet.
Forscher, die sich mit der Stadt Jerusalem beschäftigt haben, betonen verschiedene Gründe für die
späte Entstehung der Faḍā´il Literatur über Jerusalem. Der Hauptgrund für die Erscheinung dieser Bücher
war die religiöse Verehrung, die den Heiligen Orten in Jerusalem erwiesen wurde. Doch es sei daran erinnert, dass andere Gründe für die Entstehung der Faḍā´il Bücher eine Rolle spielten. Diese Werke sind
durch innen- und außenpolitische Faktoren beeinflusst worden, wie z.B. die politische Macht der
´Umayyaden über Jerusalem, und die Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer. Obwohl die Faḍā´il
Literatur in späterer Zeit der islamischen Geschichte erscheint, ist dadurch nicht begründet, dass Jerusalem
nur in einer späteren Periode heilig gewesen sein soll. Das Faktum, dass die Faḍā´il-Literatur reichliche
und unterschiedliche Überlieferungen, wie z.B. die Überlieferungen über die Nacht- und Himmelsreise
des Propheten fassen, zeigt, dass diese Stadt für die Muslime nicht nur zu einer bestimmten Periode bedeutungsvoll war, sondern bereits in der früheren Geschichte der Muslime als heilig betrachtet wurde.
Der Koran und die Ḥadīṯe über Al-Quds (Jerusalem als die Heilige Stadt) enthalten viele Darstellungen, die zahlreiche Ähnlichkeiten mit den jüdischen und christlichen Traditionen haben. Jerusalem als die
erste Gebetsrichtung für die Muslime, die Nacht- und Himmelsreise von Muḥammad und die Faḍā´il alBait al-Muqaddas Literatur - mit dem Großteil der Rolle der jüdischen und christlichen Propheten - sind
wichtige Beispiele, dass die islamische Heilige Stadt Jerusalem nicht nur für die Muslime allein von Bedeutung ist, sondern auch für Juden und Christen. Die Bedeutung der Heiligkeit Jerusalems in den islamischen schriftlichen Quellen versucht, die verschiedenen religiösen Traditionen zu verbinden, so dass AlQuds als eine sichere und offene Stadt für alle Gläubigen möglich erscheint.
161
Frieden statt Mauern
6 Frieden statt Mauern – Darstellung der
politischen Lage und ihrer religiösen Implikationen
6.1 Der Israel-Palästina Konflikt
Dem nun folgenden Kapitel über die gegenwärtige Situation Jerusalems möchte ich einige erläuternde
Hinweise voranstellen. Bis hierher habe ich mich mit der Bedeutung Jerusalems für den Islam in klar umrissenen historischen Zusammenhängen befasst, mit den religiösen Bauten im zweiten Kapitel, mit Pilgerfahrten der frühislamischen Zeit in Kapitel 3, mit der einschneidenden Zeit der Kreuzzüge in Kapitel 4
und mit der Faḍā´il al-Quds Literatur, die danach entstand, im fünften Kapitel.
Wenn es in diesem Kapitel nun um die jüngere Geschichte Jerusalems geht, ist der Sprung von dem
bisher Behandelten sehr groß. Dennoch kann meines Erachtens eine Arbeit zu Jerusalem in muslimischen
Perspektive nicht ausblenden, dass auf die Frage, die sich durch alle Jahrhunderte der Koexistenz bzw. der
Konflikte zwischen Muslimen und anderen Religionen in Jerusalem zieht, bis heute keine befriedigende
Antwort gegeben wurde: Wie kann die Stadt Jerusalem von allen drei Religionen, die sie für heilig halten,
friedvoll bewohnt werden?
Keineswegs erhebe ich den Anspruch eine endgültige Antwort zu finden. Das folgende Kapitel ist
auch weniger ein eigener wissenschaftlicher Beitrag zur aktuellen Debatte um Jerusalem. Aber es soll die
bisher historisch angelegte Arbeit, auf eine heutige Perspektive hin öffnen und theologische Überlegungen
bieten, wie die religiöse Bedeutung Jerusalems im Erschließen eines gemeinsamen Heiligen Ortes, ein
Baustein im Friedensprozess im Nahen Osten sein kann.
Der Rahmen dieser Arbeit erlaubt es nicht, die wechselvolle Geschichte Jerusalems lückenlos zu erzählen. Der Sprung ins 20. Jahrhundert lässt die osmanische Zeit weitgehend außer Acht. Doch gerade
eine Arbeit, die zwar nicht aus deutscher Perspektive, aber nun doch in Deutschland angefertigt wurde,
kann den sensiblen Punkt der Staatenbildung Israels und die daraus erwachsenden Konflikte in Palästina
und besonders um die Stadt Jerusalem nicht verschweigen. Dieses Kapitel sei dementsprechend als Exkurs
162
Frieden statt Mauern
verstanden, mit dem exemplarisch Ideen aus der historischen Analyse aufgenommen werden, um die anhaltende Sehnsucht nach Frieden für Jerusalem zum Ausdruck zu bringen.
So befasst sich dieses Kapitel mit einer knappen Geschichte des arabisch-israelischen Konflikts.
Heute steht Jerusalem im Zentrum fortlaufender Verhandlungen zwischen Israel und den palästinensischen Arabern und den weiter gespannten arabisch-israelischen Beziehungen. Die Jerusalem-Frage ist für
alle noch unlösbar. Worum handelt es sich bei den verschiedenen Aspekten, die so viele politische Mächte
und Interessen bewegt haben? Was ist die Rolle der Religionen oder der religiösen Gemeinschaften in
diesem Konflikt und tragen die Religionen zum Friedensprozess bei? Das sind die Probleme und Fragen,
mit denen sich dieses letzte Kapitel beschäftigt.
6.1.1 Die zionistische Bewegung
In der Zeit nach den Kreuzzügen gab es keine politischen Auseinandersetzungen, die religiös motiviert
gewesen wären. Diese entstanden akut erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts bzw. vor dem ersten Weltkrieg,
nachdem sich der erste Zionistenkongress 1897 in Basel für Palästina als zu erstrebende Heimstätte der
Juden ausgesprochen hatte.552 Die Ursachen für den Konflikt hängen eng mit dem Zionismus zusammen,
der Einwanderungsströme nach Palästina brachte. Der Zionismus ist eine jüdische politische Ideologie und
Bewegung der nationalen Wiedergeburt, die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf Pogrome und ansteigenden Antisemitismus in Europa aufkam.553 Die zionistische Bewegung beruht auf der
Erinnerung der Diaspora-Juden an das Land Israel, aus dem sie vertrieben wurden, und sie hofften darauf,
dass sie eines Tages nach Israel zurückkehren würden. Die Hoffnung auf Rückkehr in das verheißene
Land Israel war in der Erinnerung der Diaspora-Juden aufbewahrt. Ihre Sehnsucht nach Jerusalem wird
immer am Vorabend des Pessach-Festes durch ihren zugesprochenen Wunsch ausgedrückt: „Nächstes Jahr
in Jerusalem!“554
552
Vgl. Kurt Schubert, Jüdische Geschichte, 6. Aufl., München: Verlag C.H. Beck, 2007, S. 129.
553
Vgl. Olaf Schumann, „Gerakan Zionisme dan negara Israel“, (Übersetzung: „Zionistische Bewegung und der
Staat Israel“) in: Olaf Schumann (Hg.), Agama-agama: Kekerasan dan Perdamaian (Übersetzung: „Religionen: Gewalt und Versöhnung“), Jakarta: BPK Gunung Mulia, 2011, S. 573-615, hier S. 579.
554
Vgl. Gudrun Krämer, Geschichte Palästinas, 5. Aufl., München: Verlag C.H. Beck, 2006, S. 37.
163
Frieden statt Mauern
Eine zentrale Figur der Zionistischen Bewegung war Theodor Herzl, der 1860 in Budapest geboren
wurde.555 Sein Buch trägt den Titel „Der Judenstaat“, dieses wird als Klassiker des Zionismus gesehen.
Theodor Herzl war kein religiöser Mensch. In der Zeit des Antisemitismus war er schockiert über die Pogrome in Europa. Deshalb war Herzl der Meinung, dass die einzige Lösung der Judenfrage in der Gründung
eines jüdischen Staates außerhalb Europas lag. Herzl notierte in seinem Tagebuch die berühmt gewordenen Worte:
„Fasse ich den Baseler Kongress in ein Wort zusammen, das ich mich hüten werde, öffentlich
auszusprechen, so ist es dieses: in Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut
sagte, würde mir ein universales Gelächter antworten. Vielleicht in fünf Jahren, jedenfalls in fünfzig
wird es jeder einsehen.“556
Die Idee Herzls für einen jüdischen Staat beinhaltete das Konzept der Gleichberechtigung und Zusammenarbeit zwischen Juden und Arabern:
„Die Beziehungen zwischen den Völkern, innerhalb der Grenzen dieser neuen Gesellschaft,
aber auch zwischen dieser und den Völkern eines neuen Vorderasiens, sind föderative Beziehungen.
Diese Beziehungen basieren nicht länger ausschließlich auf dem politischen Prinzip der Macht oder
der Souveränität. Es geht auch nicht um eine Ignorierung der Existenz von nicht-jüdischen Bewohnern. Es handelt sich hier gegensätzlich um die angesprochene Anerkennung der Tatsache, dass sich
der Zionismus allein im Rahmen einer Gesellschaft verwirklichen kann, die neue Wege zur Lösung
der mit diesen Beziehungen verbundenen Fragen zu finden versteht.“557
1902 kam infolge der Entstehung der zionistischen Bewegung eine erste Welle jüdischer Siedler aus
Russland und Osteuropa in das Gebiet Palästinas. Sie waren atheistisch geprägt und brachten ihre sozialistische Ideologie mit. Einer von ihnen war David Ben Gurion (früher: David Gruen). Sein Blick auf Jerusalem stand ganz im Licht der sozialistischen Vision. Die Siedler aus Europa nannten ihre Auswanderung
nach Palästina Alijah (Rückkehr), damit knüpften sie an den traditionellen Begriff der Rückkehr in das
555
Vgl. Andrea Livnat, Der Prophet des Staates: Theodor Herzl im kollektiven Gedächtnis Israels, Frankfurt:
Campus Verlag, 2011, S. 25.
556
Tagebucheintrag vom 3. September 1897, Theodor Herzl, Gesammelte Zionistische Werke, 3. Aufl., Berlin:
Jüdischer Verlag, 1997, S. 24.
557
Theodor Herzl, Altneuland, 10. Aufl., Wien: R. Löwitt, 1933, S. 316.
164
Frieden statt Mauern
Heilige Land Israel an.558 Viele der Siedler entschieden sich dafür, in kollektiven, landwirtschaftlichen
Gemeinschaften (den sogenannten Kibbuzim) zu leben.559 Der erste Kibbuz lag in Deganya in Galiläa.
Der Schwerpunkt des Zionismus liegt in der Frage: Wem gehört das Land? Dabei wird für den Zionismus auch die religiöse Begründung aus der Heiligen Schrift der Juden (dem sogenannten Tenach)
wichtig.560 Nach dem Tenach gehört das Land, in dem das Volk Israel wohnt, Gott. Es hat das Land von
Gott erhalten, um die Thora dort erfüllen zu können und das Land zu kultivieren als Ausdruck seiner Verantwortung vor Gott. Darum kann Israel nicht der absolute Besitzer des Landes werden. Es ist nur Gast
Gottes. Übrigens findet man in der Bibel eine besondere Verfügung, die das absolute Besitzrecht einschränkt.561 Jesaja ordnet konkret die Wiederverteilung des Landes und die Entlassung der Sklaven an, als
Zeichen der Anerkennung dessen, dass Gott der Herr aller und der wahre Eigentümer des Landes ist. Aber
weil die Gründerfiguren und die Anhänger der zionistischen Bewegung weitgehend Atheisten oder Agnostiker waren, spielte Gott als in der Geschichte Handelnder für sie keine Rolle. Die Geschichte Israels
wurde nur als nationalistisch-jüdische Geschichte verstanden, weshalb das Land als Eigentum einzig der
Juden betrachtet wurde. Der Tenach selbst wird als eine Geschichte der jüdischen Nation gesehen, die als
Mythos die „Geburt” der jüdischen Nation erklärt. So lehnt die zionistische Variante der Geschichte der
jüdischen Nation die Bedeutung der Begleitung Gottes für das Volk Israel ab.562
Die Osmanen hatten seit dem 16. Jahrhundert die Herrschaft über Syrien Palästina. Sie vertraten keine klare Linie und waren dem Zionismus gegenüber zum Teil indifferent und zum Teil ablehnend. So war
den Zionisten bei der Umsetzung ihrer politischen Idee klar, dass sie eine europäische Schutzmacht
558
Vgl. Arndt Kremer, Deutsche Juden - Deutsche Sprache: Jüdische und judenfeindliche Sprachkonzepte und
Konflikte 1893-1933, Berlin: Walter de Gruyter GmbH, 2007, S. 413.
559
„Der Kibbuz (hebräisch ‫קִ בּוּץ‬: ‚Sammlung, Versammlung‘; Mehrzahl Kibbuzim) ist die hebräische Bezeichnung
für eine kollektive Siedlung. Der Kibbuz ist ein einzigartiges ländliches Gemeinwesen, eine Gesellschaft, die
auf dem Prinzip gegenseitiger Hilfe und sozialer Gerechtigkeit beruht. Er ist ein sozial-wirtschaftliches System,
in dem Menschen Arbeit und Besitz teilen, die Verwirklichung des Gedankens: ‚Jeder gibt nach seinen Möglichkeiten und erhält gemäß seinen Bedürfnissen.´“ Hartmut Häußermann und Walter Siebel, Soziologie des
Wohnens: Eine Einführung in Wandel und Ausdifferenzierung des Wohnens, Weinheim und München: Juventa
Verlag, 1996, S. 98.
560
Tenach ist die Abkürzung für die drei Teile der Heiligen Schrift des Judentums (dem christlichen Alten Testament): Thora – Gesetz, Nebi´im – Propheten, Ketubim – Schriften.
561
„Wehe denen, die Haus am Haus reihen und Feld an Feld rücken, bis kein Platz ist und ihr allein Besitzer seid“
(Jesaja 5,8). Vgl auch Bertold Klappert, „Umstrittenes Land: Erwägungen zur „Theologie des verheißenen
Landes“, in: Evangelisches Missionswerk (Hg.), Naher Osten: Christen in der Minderheit, Hamburg: Missionshilfe Verlag, 2012, S. 163-170, hier S. 164.
562
Vgl. Olaf Schumann, a.a.O., S. 573-574.
165
Frieden statt Mauern
brauchten. In der osmanischen Zeit war ganz Syrien einschließlich Palästina ein Verwaltungsbezirk, unterteilt in vier Paschalik.563 Seit 1517 regierten die muslimischen türkischen Osmanen in Jerusalem. In dieser
Zeit wurde die jetzige Stadtmauer errichtet. Um 1860 entstanden die ersten Siedlungen außerhalb der
Stadtmauer. Die Juden waren nun die Mehrheit der Bevölkerung. Der Islam wurde von der osmanischen
Herrschaft als eine moderate und tolerante Religion vorgestellt, wo Juden, Christen und Muslime gleichberechtigt behandelt wurden. Mehrere Kirchen wurden während der Zeit der Osmanen erbaut, einschließlich der deutschen Erlöser Kirche im Stadtzentrum Jerusalems.564 Teddy Kolek erläutert die Situation der
Juden während der Zeit der Osmanen:
„In der Stadt Gottes lebten mehr Angehörige unseres Volkes, seit sie aus ihrem Land verbannt
worden waren. Täglich kamen viele Juden, um in der Stadt zu leben, dazu die, die an der Westmauer
beten wollten […]. Außerdem brachten sie großzügige Geldgeschenke mit, um die Juden Jerusalems
zu unterstützen. In allen Ländern wurde berichtet, dass wir in Frieden und Sicherheit lebten. Viele
von uns kauften Häuser und Felder und bauten Ruinen wieder auf; bejahrte Männer und Frauen saßen auf den Straßen Jerusalems, und in den Durchgängen tummelten sich Jungen und Mädchen […].
Die Auslegung des Heiligen Gesetzes (der Thora) blühte, und viele Häuser des Studiums standen all
denen offen, die sich mit der Arbeit des Himmels befassen wollten. Die Führer der Gemeinde versorgten die Studierenden mit dem, was sie täglich brauchten. Und auch die Bedürfnisse der Armen
wurden befriedigt […]“565
6.1.2 Die politische Entwicklung im 20. Jahrhundert
Am 16. Mai 1916 schlossen Großbritannien, Frankreich und Russland das so genannte Sykes-Picot Abkommen, mit dem sie das ganze Gebiet unter sich aufteilten, um es nach dem erwarteten Sieg (erster
Weltkrieg) als Kolonien verwalten zu können. Der südliche Teil (Palästina und Transjordanien und weiter
im Osten Irak) kam unter britischen Einfluss, Syrien, das aufgeteilt wurde in Syrien und Libanon, wurde
französisch. Die Briten machten Palästina zum Mandatsgebiet (das Mandat erteilte der Völkerbund),
Transjordanien wurde zum Königreich. 1917 vertrieben die Briten die türkischen Osmanen, und Jerusalem
563
Vgl. Thomas Philipp, „Israel und die Besetzten Gebiete”, in: Werner Ende und Udo Steinbach (Hg.), Der Islam
in der Gegenwart, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2005, S. 498-509, hier S. 498.
564
Vgl. Teddy Kollek und Moshe Pearlman, Jerusalem: Seine Geschichte in vier Jahrtausenden, Frankfurt am
Main: S. Fisher Verlag GmbH, 1968, S. 199-230.
565
Ebd., S. 217.
166
Frieden statt Mauern
wurde wieder in eine christliche Stadt umgewandelt. Mehrere protestantische Kirchen wurden erbaut, und
die Briten etablierten das Verwaltungszentrum ihres Mandatsgebiets in Jerusalem.566
Unter den Briten erhielten die Zionisten aufgrund der Balfour-Deklaration freien Zugang zu Palästina. In dieser verpflichtete sich Großbritannien am 2. November 1917 durch seinen Außenminister Lord
Balfour an Lord Walter Rothschild, in Palästina eine jüdische Heimstätte zu schaffen.567 In einem Memorandum 1919 verwies Balfour auf diese Deklaration und erinnerte, dass Großbritannien und Frankreich
versprochen hätten, im Nahen Osten einen jüdischen Nationalstaat zu errichten. In diesem Zusammenhang
wurde das Missverständnis deutlich, dass von einigen Seiten gar nicht unbedingt davon ausgegangen worden war, dass Palästina in der Balfour Deklaration der eigentliche Gegenstand der Verhandlungen gewesen war.568 Die Araber betonten, dass die Bevölkerung Palästinas nach ihrem Wunsch nach Unabhängigkeit nie gefragt wurde. Damals wollten sie im Einklang mit dem „arabischen Nationalismus“ ein einheitliches, den ganzen fruchtbaren Halbmond umfassendes Reich und lehnten deshalb die Annahme der Balfour-Erklärung selbstverständlich ab.569
Seit Beginn der jungtürkischen Bewegung (1880er Jahre) war unter den Arabern der arabische Nationalismus als eine säkulare Bewegung entstanden, getragen sowohl von Muslimen wie von Christen, die
die arabischen Gebiete von der osmanischen Herrschaft befreien wollten und ein souveränes arabisches
Reich anstrebten, das den „fruchtbaren Halbmond“ umfasste.570 Die Briten hatten diesen Plänen unter der
Bedingung zugestimmt, dass die Araber im ersten Weltkrieg an der Seite der Briten gegen die Osmanen
kämpften. Aber als der Krieg vorbei war, war dieser Pakt vergessen. An seine Stelle trat das Abkommen
mit den Franzosen. Die Balfour-Erklärung dokumentierte ein gebrochenes Versprechen, und die Erinnerung daran vergiftet bis heute die Atmosphäre, weil damit die zionistische Einwanderung ermöglicht wurde.571
566
Vgl. Stefan Durst, Jerusalem als ökumenisches Problem im 20. Jahrhundert, Pfaffenweiler: Centaurus-Verl.Ges., 1993, S. 22.
567
Vgl. Bernard Wasserstein, Jerusalem: Der Kampf um die Heilige Stadt, München: Verlag C.H. Beck, 2002, S.
89.
568
Christopher Sykes, Crossroads to Israel, Collins: London, 1965, S. 15.
569
Vgl. Uri Avnery, Israel without Zionists: A Plan for Peace in the Middle East, Macmillan Pub Co: New York
& London, 1968, S. 60.
570
Vgl. Margret Johannsen, Der Nahost-Konflikt, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006, S. 9.
571
Vgl. Stefan Durst, a.a.O., S. 27.
167
Frieden statt Mauern
Die britische Politik war seit ca. 1930 - mal proarabisch, mal projüdisch und insgesamt uneindeutig.
Das Ergebnis war, dass sowohl Juden als auch Araber den Briten misstrauten. Schließlich bekämpften sich
die Juden und Araber nicht nur gegenseitig, sondern beide auch die Briten, die entsprechende Maßnahmen
gegen beide ergriffen. Als sich die Gewaltakte zwischen den beiden Seiten verschärften, suchten die Briten nach einer Lösung. Die sogenannte Peel-Kommission versuchte 1937, den Juden und den Arabern ein
Friedenskonzept (den Peel-Plan) vorzuschlagen. Der Kern des Konzepts war die Teilung des Landes. Laut
dem Peel-Plan würde ein jüdischer Staat in Galiläa und in der Küstenebene entstehen. Die Araber würden
das verbleibende Gebiet und den Negev erhalten. Die Peel-Kommission war einstimmig der Meinung,
dass der Stadtbezirk Jerusalem einschließlich der Altstadt nicht aufgeteilt werden sollte, sondern vom
britischen Mandat als ein Corpus Separatum kontrolliert werden sollte.572 Seit diesem Vorstoß versuchten
alle internationalen Initiativen, Jerusalem aus dem Konflikt herauszuhalten, um sicherzustellen, dass die
Heiligen Stätten als ein Heiliger Besitz der Weltgemeinschaft verstanden würden.573 Dass die Araber ihrerseits den Plan ablehnten, ist nicht überraschend. Dagegen überrascht die zionistische Ablehnung der
Idee eines jüdischen Staates ohne Jerusalem. Tatsächlich waren Repräsentanten der zionistischen Bewegung mit dem Peel-Plan über den Status Jerusalems nicht einverstanden, und führten scharfe Debatten,
bevor sie den Vorschlag dennoch akzeptierten. Ben Gurion, der spätere Premierminister des Staates Israel
erklärte: „Erect a Jewish state at once, even if it is not in the whole land. The rest will come in the course
of time. It must come.”574 Interessant – vielleicht sogar kurios – ist dabei insgesamt, dass, obwohl der
größte Teil der israelischen Bevölkerung atheistisch ist, sie sehr wohl an Jerusalem und seiner religiösen
Bedeutung festhalten.
Nach dem zweiten Weltkrieg eskalierte der Konflikt. Die Briten lehnten die Forderung der Zionisten
ab, einhundert tausend Flüchtlinge, Überlebende der Konzentrationslager aus Deutschland, nach Palästina
einreisen zu lassen. Auch die arabische Seite stand schon während des Krieges in Opposition zu den Briten. Ihr Kampf bewirkte allerdings angesichts des Mangels an Waffen in ihren Händen wenig. Die Araber
572
„Die Stadt Jerusalem soll als Corpus Separatum ein Sonderregime erhalten und von den Vereinten Nationen
verwaltet werden. Der Treuhandschaftsrat wird damit beauftragt werden, die mit der Verwaltung verbundenen
Verantwortlichkeiten im Rahmen der Vereinten Nationen zu gewährleisten.“ Ernst Klingmüller, „Jerusalem“,
in: Karl Strupp (Hg.), Wörterbuch des Völkerrechts: Ibero-Amerikanismus bis Quirin-Fall, Bd. 2, Berlin: Walter de Gruyter, 1961, S. 174.
573
Vgl. H. Eugene Bovis, The Jerusalem Question 1917-1968, Stanford: Hoover Press, 1971, S. 24.
574
http://www.vision.org/visionmedia/article.aspx?id=5810 (Abgerufen am 13. August 2013); John J. Mearsheimer and Stephen M. Walt, The Israel Lobby and US Foreign Policy, London: Farrar, Straus and Giroux, 2007,
S. 102.
168
Frieden statt Mauern
verstanden ihren Kampf gegen die britischen Kolonialisten als Krieg für ihre Unabhängigkeit.575 Um militärische Unterstützung gegen die Briten zu erhalten, hatten sich die Araber vor 1945 an HitlerDeutschland gewandt. Seltsamerweise suchten angeblich auch die Zionisten militärische Unterstützung
aus Nazideutschland gegen die Briten. Beide Versuche blieben erfolglos.576 Die Briten hatten dennoch
große Schwierigkeiten, die zionistischen und arabischen Rebellionen niederzuschlagen.577 Das Mandat
erlebte in den Nachkriegsjahren eine Phase der Verwirrungen. Im Frühjahr 1947 gaben die Briten ihr
Mandat zurück an die UNO (als Nachfolgerin des Völkerbundes). Diese erklärten die Teilung und verfügten die Errichtung von zwei Staaten, einem jüdischen und einem arabischen, zum Oktober 1947. Das liess
sich nicht durchführen wegen des Widerstandes der Araber, die im November einen Aufstand gegen die
Juden und die UN. begannen. Die harten Kämpfe zwischen den beiden Seiten dauerten vom 29. November 1947 bis zum 14. Mai 1948. Es wurde ein Waffenstillstand vereinbart. Am 14. Mai 1948 erklärte Ben
Gurion die Unabhängigkeit des neuen Staates Israel, nicht in Jerusalem sondern in Tel Aviv. Die UN erkannten die Gründung des Staates Israel an.578
Die Kämpfe in Palästina waren eingezeichnet in eine größere Auseinandersetzung über eine Befreiung der gesamten Region aus der westlich-kolonialen Vorherrschaft. Die betroffenen Volksgruppen hatten
sich noch unter osmanischer Herrschaft für die Errichtung eines einheitlichen arabischen Reiches entschieden. Die Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 vollzog sich in der besonderen Konstellation der
Erfahrung der Juden mit anderen Völkern in Europa, besonders der Erfahrung der sho'a (Holocaust), und
die moralische Verantwortlichkeit dieser Völker für Antisemitismus und Vertreibung sowie für die Einwanderung von jüdischen Auswanderern nach Palästina. Der Hauptgrund für die „Rückkehr“ der Juden
nach Palästina lag darin, dass sie nach den Verfolgungen einen sicheren Wohnsitz in Eretz Yisrael erwarteten.579 Das Schicksal des palästinensischen Volkes und die Frage nach seinem Recht auf ein eigenes
Land bleiben ein ungelöstes Problem.
Obwohl sie damals selbst noch unter kolonialer Vormundschaft standen, erklärten die arabischen
Nachbarstaaten am Tage nach der Staatsgründung Israel den Krieg. Am 12. Juni 1948 begann eine Waffenruhe zwischen den Zionisten und den arabischen Nachbarn. In dieser Zeit nach der Gründung des Staa575
Vgl. Olaf Schumann, a.a.O., S. 594.
576
Vgl. Ebd.
577
Vgl. Bernard Wasserstein, a.a.O., S. 148.
578
Vgl. Stefan Durst, a.a.O., S. 31-34.
579
Vgl. Bertold Klappert, a.a.O., S. 164.
169
Frieden statt Mauern
tes Israel und dem Waffenstillstand mit den Nachbarn kontrollierte die israelische Regierung die gesamte
Jerusalemer Weststadt. Die Jerusalemer Altstadt und das Westjordanland, wo sich die palästinensischen
Araber behaupten konnten, wurden 1949 von Jordanien annektiert auf Grund von Geheimverhandlungen
zwischen Golda Meir und König Abdullah. Israel beendete die Waffenruhe mit den Arabern unmittelbar
vor dem Sechstagekrieg. Während des Sechstagekrieges (5.-10. Juni 1967) eroberte Israel den GazaStreifen, die Sinai-Halbinsel (Ägypten), die Golanhöhe (Syrien) und das Westjordanland, einschließlich
Ostjerusalem mit der Altstadt. Nachdem die jordanische Regierung auf ihre Souveranitätsansprüche auf
palästinensisches Territorium verzichtet hatte, stellte sich erneut die Frage nach der Errichtung eines separaten arabischen Staates neben Israel und einer Föderation beider Staaten, mit Jerusalem als gemeinsamer
Hauptstadt. Daraufhin beendete König Husain staatsrechtlich die Annektion des Westjordanlandes und der
Jerusalemer Altstadt durch Jordanien. Damit unterstand das ganze ehemalige Territorium Palästina der
israelischen Verwaltung. Die internationale Gemeinschaft weigerte sich, die israelische Okkupation anzuerkennen. Nachdem die jordanische Regierung auf ihre Souveränitätsansprüche auf palästinensisches Territorium verzichtet hatte, stellte sich erneut die Frage nach der Errichtung eines separaten arabischen Staates neben Israel und einer Föderation beider Staaten, mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt. Am 22.
November 1967 schließlich verabschiedete der Sicherheitsrat der UN die Resolution 242. Der Sicherheitsrat erklärt,
„dass die Verwirklichung der Grundsätze der Charta die Schaffung eines gerechten und dauerhaften Friedens im Nahen Osten verlangt, der die Anwendung der beiden folgenden Grundsätze einschließen sollte: Rückzug der israelischen Streitkräfte aus (den) Gebieten, die während des jüngsten
Konflikts besetzt wurden; Beendigung jeder Geltendmachung des Kriegszustands beziehungsweise
jedes Kriegszustands sowie Achtung und Anerkennung der Souveränität, territorialen Unversehrtheit
und politischen Unabhängigkeit eines jeden Staates in der Region und seines Rechts, innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen frei von Androhungen oder Akten der Gewalt in Frieden zu leben;“580
Diese Resolution wurde von der israelischen Regierung abgelehnt, desgleichen die Zwei-StaatenOption. Für die arabischen Länder und ihre Verbündeten galt Israels Krieg als Aggression. Aus israelischer Sicht war es ein Akt der Verteidigung und ein für seine Sicherheit notwendiger Schritt.
6.1.3 Zur aktuellen Situation
Die Geschichte der Konflikte reicht bis heute. Zahlreiche Friedensinitiativen und Abkommen wurden
durchgeführt. Leider sind die Konflikte noch unlösbar. Die Lage der Palästinenser verschlimmert sich bis
heute wegen zunehmender Sicherheitskontrollen und der anhaltenden Siedlungsprojekte der israelischen
580
http://www.un.org/depts/german/sr/sr_67/sr242-67.pdf (Abgerufen am 10. August 2013)
170
Frieden statt Mauern
Regierungen. Naim Ateek, Mitglied der anglikanischen Kirche und ein palästinensischer Friedensaktivist,
erläutert diese Situation mit deutlichen Worten:
Israel „begann, palästinensisches Land in und um Jerusalem zu konfiszieren, um dort rein jüdische Siedlungen anzulegen. Es erweiterte den Stadtbereich von Jerusalem um die Landmasse von 28
umliegenden palästinensischen Dörfern. Es baute sechs große Siedlungen wie einen Gürtel um die
Stadt, in denen heute etwa 200.000 Menschen wohnen.“581
Darüber hinaus hält Naim Ateek zum eingeschränkten Wohnrecht der Palästinenser von 2010 fest:
„Ein palästinensischer Studierender, der nicht jedes Jahr von seinem Studium im Ausland zurückkehrt, läuft Gefahr, das Wohnrecht zu verlieren. Ein palästinensischer Einwohner Jerusalems,
der sich die Miete in Jerusalem nicht leisten kann und darum außerhalb des Stadtbezirks von Jerusalem wohnt, der übrigens willkürlich von Israel festgesetzt wurde, riskiert ebenfalls, das Wohnrecht
zu verlieren.“582
Durch diese diskriminierenden Regeln könnten Tausende palästinensischer Einwohner ihre Wohnrechte verlieren, obwohl sie in Palästina geboren und aufgewachsen sind.
Die Palästina-Frage ist das Ergebnis einer komplexen Geschichte, die ihre Spuren im Leben eines jedes einzelnen der vier Millionen Palästinenser hinterlassen hat. Zunächst weigerten sich die jüdischen
Einwanderer die Existenz einheimischer Bewohner Palästinas anzuerkennen. Nachdem das Problem dieser
Taktik des Ignorierens unhaltbar geworden war, beschnitt der Staat Israel die Einheimischen ihrer politischen und nationalen Rechte. Jerusalem steht mit seiner religiösen Symbolkraft immer wieder im Zentrum
der Auseinandersetzung. Neben dem politischen Feld der Auseinandersetzung entwickeln sich auf zivilgesellschaftlicher Ebene Initiativen und Gruppen, die an Verständigung und Frieden arbeiten. Es gibt Projekte, in denen Palästinenser und Israelis zusammen arbeiten und neue Brücken zwischen den verfeindeten
Gruppen bauen.583 Auch das gehört in die neuere Geschichte Israels und Jerusalems.
Das schwierigste Problem ist m.E. der Status Jerusalems. Sowohl die israelische als auch die palästinensische Regierung beanspruchen Jerusalem als ihre zukünftige Hauptstadt. Meiner Meinung nach könnte der Konflikt gelöst werden, wenn eine Lösung für den gemeinsamen Besitz der Stadt Jerusalem gefun-
581
Naim Ateek, „Jerusalem: Die Stadt, die sich nach Gerechtigkeit und Frieden sehnt“, in: Evangelisches Missionswerk in Deutschland (EMW), Jerusalem: Stadt des Friedens, Hamburg: Missionshilfe Verlag, 2000, S.
137-144, hier S. 138.
582
Ebd., S. 140.
583
Vgl. Britanny Browning, „Versöhnungsarbeit in Jerusalem“, in: Evangelisches Missionswerk in Deutschland
(EMW), a.a.O., S. 150-158.
171
Frieden statt Mauern
den werden kann. Im späteren Verlauf dieses Kapitels werden einige Vorschläge aus islamischer Perspektive angeboten, wie die beiden Seiten die möglichen Ansätze der Friedensinitiativen im Heiligen Land
verwirklichen können.
6.1.4 Religiöse Begründungen für den Islamismus in Palästina
Die Konflikte zwischen Israel und Palästina verschärfen sich wegen der Gewaltanwendungen palästinensischer Islamisten wie der Hamas. Ziel militanter Gruppen war und ist es, die Befreiung Palästinas durch
konkrete politische und kämpferische Aktion zu verwirklichen. Das Aufkommen des Islamismus ist auf
dem Hintergrund zu verstehen, dass die politische Aktion nationalistischer und marxistischer Kreise im
Befreiungskampf Palästinas erfolglos blieb. So hat z.B. die Schwäche der Fatah unter Arafat angesicht der
Ermordung in Beirut 1982 die Aktivierung der Hamas verursacht. Die Islamisten sind nun überzeugt, dass
die einzige Lösung für die Befreiung Palästinas in der Etablierung des islamischen Gesetzes (Šarī´a) und
im Ğihād als Kampf Gottes liegt.584 In der Charta der Hamas von 1998 heißt es in Artikel 8:
„God is its goal; The messenger is its Leader. The Quran is its Constitution. Ğihād is its methodology, and Death for the sake of God is its most coveted desire.”585
Darüber hinaus betonen die Islamisten, dass die westlichen Werte wie Demokratie, Freiheit und Pluralismus für die islamische Welt und muslimische Gesellschaften einschließlich der der Palästinenser irrelevant sind. Der Kampf gegen die Israelis und ihre westlichen Verbündeten wird von vielen Palästinensern
als religiös-kultureller Kampf verstanden, der dazu dient, die Muslime von der Aggression des Bösen zu
befreien. Bassam Ewaida, palästinensischer Politikwissenschaftler, erläutert die Überzeugung der Islamisten:
„Es gibt eine religiöse Sprache, die mit anderen Religionen vergleichbar ist; es wird allgemein
nach der Formel gehandelt, dass der Islam die Lösung aller politischen, wirtschaftlichen und sozialen
Probleme sei, die sich der arabischen und islamischen Welt stellen; es gibt kein klares politisches
Programm für die Lösung der Probleme; es fehlt die Perspektive einer sozialen Strategie, da die Gesellschaft nur in Gläubige und Ungläubige eingeteilt wird; der fundamentalistische Gedanke gilt als
oberstes Prinzip, und das Zusammenleben mit anderen Kulturen wird abgelehnt; die Annahme von
584
Vgl. Thomas Philipp, a.a.O., S. 503-504.
585
The Hamas Charter, Article 8, in: Khaled Hroub (Hg.), Hamas: Political Thought and Practice, Washington
DC: Institute for Palestine Studies, 2000, S. 272.
172
Frieden statt Mauern
Demokratie und Pluralismus der Bewegungen des politischen Islam ist nur eine Taktik, in Wirklichkeit glauben sie nur an das Prinzip der Šarī´a.“586
Diese religiöse Einstellung zu politischen Sachverhalten führt zu der Unvereinbarkeit israelischer
und palästinensischer Stimmen und erschwert Friedensinitiativen in Israel-Palästina.
Eine der wichtigsten Gruppen, die diese religiöse Einstellung vertritt, ist die Hamas. Vorbild und
Mutterorganisation der Hamas sind die Muslimbrüder, die von Hassan Al-Banna 1927 in Ägypten gegründet worden sind. Die Reaktion von al-Banna auf die zeitgenössische politische Situation im palästinensischen Gebiet war die Ablehnung des politischen Nationalismus. Im Gegensatz zum religiösen Widerstand, war er der Meinung, dass der arabisch-israelische Konflikt als religiös-kultureller Kampf gegen
die westliche Aggression betrachtet werden muss. Darüber hinaus argumentiert er, dass die Araber nur
durch die Rückbesinnung auf den Islam in der Lage wären, den Zionismus zu besiegen.587
Radikale muslimische Palästinensergruppen kamen in der Zeit der Zweiten Intifada (2000-2005) auf.
Die Zahl der Selbstmordanschläge hat mit dem Ausbruch der Zweiten Intifada stark zugenommen. Neben
der Hamas entstanden noch andere Gruppen, wie die Aqṣā Brigaden und der Ğihād Islami, die Gewaltanwendung gegen Israel befürworteten und zu Selbstmordanschlägen aufrufen, um ihr politisches Ziel zu
erreichen. Die Hamas selbst existierte schon lange und sieht sich selbst als eine Islamische Widerstandsbewegung.588 Die islamischen radikalen Widerstandsbewegungen wie At-Takfīr wa-l-hijra oder aṭ-Ṭalī´a
al-islāmīya, die als Vorläuferorganisationen der Hamas gelten können, wurden erst terroristisch aktiv,
nachdem 1982 in Beirut ein Massaker in palästinensischen Flüchtlingslagern verübt worden war, das der
spätere Premierminister Ariel Sharon als ranghoher Militär zu verantworten hatte.589
Diese radikalen Bewegungen und deren Gewaltanwendungen werden von vielen islamischen Wissenschaftlern kritisiert. Einer davon ist al-Nadjar. Seine Meinung über das Konzept Šarī´a lautet wie folgt:
586
Bassam Ewaida, Die islamische Bewegung der Hamas in Palästina: Entstehung, Entwicklung und politische
Haltungen 1998-2007, Diss., Berlin: Freie Universität Berlin, 2009, S. 31.
587
Meir Litvak, „Islamization of the Palestinian-Israeli Conflict: The Case of Hamas“, in: Middle Eastern Studies,
Vol. 34, No. 1, January 1988, S. 149-152.
588
Vgl. Hans G. Kippenberg, Gewalt als Gottesdienst: Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung, München:
C.H. Beck, 2008, S. 135.
589
Vgl. Rashmi Singh, Hamas and Suicide Terrorism: Multi-Causal and multi-level Approaches, Abingdon:
Routledge, 2011, S. 35-36.
173
Frieden statt Mauern
„Wir glauben nicht daran, dass Muḥammad kam, um ein Königreich oder einen Staat zu errichten. Er war einfach ein Prophet und Bote für die gesamte Menschheit. Der Islam zwingt die Menschen nicht, sich ihm zu unterwerfen. Der Koran sagt eindeutig, ´Es soll keinen Zwang zur Religion
geben´(Sure 2,256).“590
„In der islamischen Lehre gibt es nichts, was dazu verpflichtet, die Religion an eine bestimmte
Staatsform zu binden. Die Šarī´a beschäftigt sich nicht mit irgendeinem spezifischen Regierungssystem.“591
Es ist wichtig festzuhalten, dass der Begriff Šarī´a nur ein einziges Mal im Koran auftaucht. In der
Sure 45 (al-Gathiya /auf den Knien), Vers 18: „Nun haben wir dich auf die Šarī´a (den rechten Weg) gebracht. Folge ihm.“ Daneben gibt es noch zwei andere Passagen im Koran, die sich auf das Konzept
Šarī´a beziehen. Sure 42,13 lautet: „Er hat euch als Religion verordnet (Šara´a lakum), was er (seinerzeit)
dem Noah anbefohlen hat.“ Sure 5,48 schreibt: „Wir haben ein Gesetz bestimmt und einen Weg gewiesen
(Šarī´a minhagan) für jeden von euch.“ Der Begriff Šarī´a hat ursprünglich die Bedeutung von „Weg zur
Wasserquelle“, was die ´Methode von etwas´ oder den ´Weg zu etwas´ (Tariq) bedeutet. Dies ist das koranische Verständnis von Šarī´a, in dem der Begriff sich nicht auf politische Systeme oder ein staatliches
Gesetz bezieht.592 Auf diesem Hintergrund verstehen wir, dass viele Konflikte auf der Instrumentalisierung religiöser Interpretationen (wie der der Šarī´a) beruhen. Diese einseitigen Interpretationen haben
Gläubige zu Gewaltanwendungen und militärischen Aktionen mobilisiert.
6.2 Die Hoffnung auf Frieden im Heiligen Land: Ein Versuch
6.2.1 Friedliche Begegnungen in der Geschichte
Militärische Gewaltanwendungen konnten die inneren und äußeren Probleme in Jerusalem nie lösen, weil
Gewalt nur neue Gewalt verursacht. Die Eroberung durch die Araber unter dem Kalif ´Umar 638 n. Chr.
ist ein Beispiel, wie die Muslime in Verbindung mit der militärischen Eroberung eine dialogische Metho-
590
Husain Fauzi al-Nadjar, Al-Islam wa al-siyasa. Bahth fi usul al-nazariyya al-siyasiya wa nizam al-hukm fi alIslam (Islam und Politik: Eine Untersuchung über die Ursprünge der islamischen politischen Theorie und der
Herrschaftsform im Islam), Kairo: Dar al-Maarif, 1977, S. 64.
591
Husain Fauzi al-Nadjar, a.a.O., S. 66.
592
Vgl. Bassam Tibi, Die fundamentalistische Herausforderung: Der Islam und die Weltpolitik, 4. Aufl., München: Verlag C.H. Beck, 2003, S. 233.
174
Frieden statt Mauern
de anwandten, damit ihr Status von den früheren Einwohnern akzeptiert werden konnte. Von Anfang an
begann der Kalif ´Umar, der damaligen Zeit durchaus nicht entsprechend, einen Dialog für ein besseres
Verstehen von Jerusalem mit Christen und Juden zu initiieren. Bevor er die Stadt einnahm, führte er ein
Gespräch mit dem Patriarchen Jerusalems Sophronius, wie er am besten in die Stadt einziehen sollte.593
Danach gab es eine Diskussion zwischen beiden, in der der Patriarch ´Umar einlud, am Heiligen Grab zu
beten. ´Umar lehnte das höflich ab und ging hinaus und betete auf den Stufen an der belebten Durchgangsstraße Cardo Maximus. Er erklärte dem Patriarchen, wenn er im Innern der christlichen Grabeskirche gebetet hätte, hätten die Muslime sie beschlagnahmt und in eine islamische Stätte umgestaltet, um an
das Gebet von ´Umar in den christlichen heiligen Stätten zu erinnern.594
Bekannt ist auch das Gespräch zwischen ´Umar und Ka´b ibn Aḥbār, einem jüdischen Gelehrten. In
ihrem Gespräch leitete ´Umar das Treffen mit dem Vortrag der 17. und 18. Sure des Korans ein, in denen
von David, Salomo und dem Tempel berichtet wird. Dann bat er als Muslim den Juden Ka´b ihm auf dem
Tempelberg den besten Ort für das Gebet zu zeigen. Auch wenn ´Umar dem Vorschlag von Ka´b nicht
folgte, zeigt diese Episode doch das Feingefühl ´Umars und seinen Sinn für den Dialog. Hinzuweisen ist
auch auf ein Gespräch zwischen Ṣalāḥ ad-Dīn und dem berühmten Kreuzritter Balian. In diesem Gespräch
vereinbarten sie, dass die Muslime Jerusalem in Frieden betreten und kein einziger Christ getötet werden
würde.595 Man sieht, dass vielleicht die Bezeichnung „interreligiöser Dialog“ im damaligen Jerusalem
fremd war, nicht aber die Sache einer Verständigung zwischen Angehörigen verschiedener Glaubensrichtungen.
6.2.2 Perspektiven des (interreligiösen) Dialogs
Grundvoraussetzung für Verständigung der Völker und Religionen in Jerusalem sind Begegnung und Dialog. Bezogen auf die religiösen Bezüge auf die Heilige Stadt, muss es sich dabei um einen interreligiösen
Dialog handeln. Für das Gelingen des interreligiösen Dialogs schlägt Ulrich Dehn eine intensive Form des
593
Vgl. Teil 2.1.2. dieser Arbeit.
594
Vgl. Friedrich Heyer, 2000 Jahre Kirchengeschichte des Heiligen Landes: Märtyrer, Mönche, Kirchenväter,
Kreuzfahrer, Patriarchen, Ausgräber und Pilger, Münster: LIT Verlag, 2000, S. 123.
595
Vgl. Karen Armstrong, a.a.O., S. 293-294.
175
Frieden statt Mauern
Austauschs vor, damit Missverständnisse und gegenseitige Unkenntnis zwischen den Gläubigen aufgeklärt
werden können.596 Er erläutert seine Meinung folgendermaßen:
„Aber dies ist nur ein potentieller Seitenpfad des interreligiösen Dialogs in seiner besonders intensiven Form, der allerdings zu dem Missverständnis geführt hat, es gehe dem Dialog regelmäßig
und programmatisch um die Relativierung der Wahrheitsfrage und um das gemeinsame Finden einer
‚Kompromisstheologie.‘“597
Eine Ethik des Dialogs beinhaltet, dass jeder Teilnehmer bereit ist, einen Lernprozess zu durchlaufen. In
solch einem Prozess muss jede unterschiedliche Tradition und jede Meinungsverschiedenheit ihren Platz
haben. Der Dialog ist ein Annäherungsprozess mit dem Ziel, gegenseitiges Einverständnis zu gewinnen.
Ulrich Dehn hält zum Thema Dialog fest:
„In der sensiblen Balance liegt die Kunst der Begegnung. Der Versuch, diese Balance und jedes
Risiko meiden zu wollen, führt zur Verarmung nicht nur im interreligiösen Dialog, sondern in jeder
zwischenmenschlichen Kommunikation.“598
Interessant ist die Liste unterschiedlicher Formen und Formate des Dialogs, die Dehn in seinem Artikel
aufführt:
„Niedrigschwellige Gespräche und Begegnungen, die im lebensweltlichen Kontext zur Verbesserung der Atmosphäre beitragen; Informationsdialoge zum einseitigen oder gegenseitigen Kennenlernen; Projektdialoge zur Planung gemeinsamer Aktivitäten vor Ort; themenbezogene Dialoge
(Akademietagungen); Dialoge zur Mediation/Vermittlung in Konfliktfällen; Lehrkonsensusdialoge,
d.h. Versuche, gemeinsame Positionen zu Themen der Lehre zu formulieren; offizielle Dialoge von
Repräsentanten religiöser Gemeinschaften.“599
Der Dialog wird dann produktiv sein, wenn richtige und zuverlässige Informationen über andere Religionen und Aspekte des Lebens entdeckt werden können. Diese aktuellen Informationen können zu einer
Grundlage für eine friedliche Koexistenz in einem pluralistischen Kontext führen.600 Ulrich Dehn bezieht
sich auf den iranischen Philosophen Abdoldjavad Falaturi, für den ein erfolgreicher Dialog von der Notwendigkeit der Toleranz im koranischen Sinne abhängt. Die gegenseitige Toleranz besteht nach Falaturi in
596
Vgl. Ulrich Dehn, „Interreligiöser Dialog: Grundüberlegungen“, in: Michael Klöcker und Udo Tworuschka
(Hg.), Praktische Religionswissenschaft, Köln: Böhlau Verlag GmbH & Cie, 2008, S. 241.
597
Ulrich Dehn, Ebd., S. 241.
598
Ulrich Dehn, a.a.O., 242.
599
Ebd., S. 242.
600
Vgl. Ebd., S. 247.
176
Frieden statt Mauern
einer respektvollen Haltung gegenüber den Lebenseinstellungen und Glaubensüberzeugungen der Dialogpartner. Von großer Bedeutung ist für ihn der Aspekt der Verantwortung „für die Welt und für alle Menschen, der die gemeinsame Triebfeder des Dialogs darstellen solle.“601
Einen weiteren Aspekt des interreligiösen Dialogs arbeitet Dietrich Werner heraus. Für ihn geht es
im interreligiösen Dialog immer und an erster Stelle um das konkrete Zusammenleben von konkreten
Menschen:
„Jede Theologie der Religionen, jedes theologische Argument im Bereich der Debatte von Dialog muss sich bewähren und geerdet bleiben im Bereich des konkreten gelebten Miteinanders von
Menschen unterschiedlicher Glaubensüberzeugungen in überschaubaren Nachbarschaften. So verstanden, wurzelt der interreligiöser Dialog in einem Vertrauen, das nur in konkreter Konvivenz entstehen kann.“602
Was bedeutet das nun für den interreligiösen Dialog in Jerusalem und für den Frieden in Al-Quds?
Ein ausgewiesener Kenner beider Seiten ist Amikam Elad, er bemüht sich als Professor der Islamwissenschaft an der Hebräischen Universität, Jerusalem, um ein Verständnis beider Seiten. Elad hat zwar wenig
Hoffnung angesichts der politischen Krise in Palästina-Israel. Obwohl die gegenwärtigen Friedensbemühungen zwischen Palästinensern und Israelis seiner Einschätzung nach wenig Perspektive bieten, unterstützt er doch jedes Friedensgespräch, das von politischer und religiöser Seite initiiert wird.603 Fayez Saca,
Mitglied des palästinensischen Legislativrates, betont, dass Friedensgespräche ein Muss für beide Seiten
sind. Aber für die Palästinenser ist die Bedingung für ein Gespräch mit Israelis, dass die israelische Regierung mit dem Bau neuer Siedlungen aufhören muss.604 Leonard Swidler, us-amerikanischer Professor für
interreligiösen Dialog (Temple University Philadelphia) und im christlich-jüdischen Dialog engagiert,
schreibt zum Dialog, dass dieser nur gelingt, wenn gegenseitiges Vertrauen auch in Konfliktsituationen
herrscht.605 Dieses Vertrauen als die wichtigste Voraussetzung fehlt seines Erachtens in fast jedem Dia-
601
Nach dem Zitat von Ulrich Dehn, a.a.O., S. 245.
602
Dietrich Werner, „Dialog-Mission-Konvivenz: Missionstheologische Impulse zum interreligiösen Dialog im
Schatten von Fundamentalismus und Gewalt“, in: Ulrich Dehn und Klaus Hock (Hg.), Jenseits der Festungen:
Verstehen und Begegnen-Festschrift Olaf Schumann zum 65. Geburtstag, Neuendettelsau: Erlanger Verlag für
Mission und Ökumene, 2003, S. 180.
603
Gespräch mit Professor Amikam Elad an der Hebräischen Universität, Jerusalem, 11. Januar 2011.
604
Gespräch mit Herrn Fayez Saca in Ramallah, Palästina, 10. Januar 2011.
605
Vgl. Leonard Swidler, Die Zukunft der Theologie: Im Dialog der Religionen und Weltanschauungen, Regensburg: Pustet, 1992, S. 27-31.
177
Frieden statt Mauern
logprozess in Palästina, vor allem in Friedensgesprächen über Jerusalem.606 Die Palästinenser haben schon
unter Arafat und Fatah die Staatlichkeit Israels anerkannt. Nur die Hamas lehnt die Anerkennung ab und
muss deshalb als Friedensfeind gelten.
Damit sind wir wieder auf der politischen Ebene. Benjamin Netanjahu, derzeitiger israelischer Premierminister, beschäftigt sich auch mit dem Dialog mit den Palästinensern. Er hält fest: „Der Kern des
Konfliktes war immer und bleibt unglücklicherweise, die Verweigerung der Palästinenser einen Jüdischen
Staat in jedweder Grenze anzuerkennen.“607 Trotzdem verlangt Netanjahu einen Dialog mit Mahmoud
Abbas, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, um einen gemeinsamen Frieden zu
erreichen:
„Es gibt ein altes Arabisches Sprichwort, dass man nicht mit einer Hand applaudieren kann.
Nun, das Gleiche stimmt für den Frieden. Ich kann Frieden nicht allein machen. Ich kann Frieden
nicht ohne sie machen, Präsident Abbas. Ich strecke meine Hand aus, die Hand Israels, in Frieden.
Ich hoffe, dass sie diese Hand ergreifen. Wir sind beide Söhne Abrahams. Mein Volk nennt ihn Avram. Ihr Volk ruft ihn Ibrahim. Wir teilen denselben Patriarchen. Wir gedeihen im selben Land. Unsere Schicksale sind miteinander verwoben.“608
In der zitierten Rede von Netanjahu vor den Vereinten Nationen scheint die Einsicht auf, dass die
beiden Seiten einschließlich aller Gruppierungen in Jerusalem einen gemeinsamen Frieden durch Dialog
benötigen. Ob diese Rede sich im konkreten politischen Alltag Israels auswirken wird, bleibt ungewiss.
Seit Jahren bemühen sich zahlreiche politische und zivilgesellschaftliche Gruppen um Frieden im
Heiligen Land. Alle Bemühungen haben ihr Ziel verfehlt: eine kontinuierliche Friedenslösung. Einen bemerkenswerten Beitrag zur Ethik der Beziehung und der Kommunikation hat der Philosoph Martin Buber
geleistet, den ich im Folgenden auf die Friedensthematik versuchen möchte anzuwenden. Auf dem Hintergrund seiner Ethik aber auch seines Glaubens kommt Buber zu der festen Überzeugung, dass Konflikte
nur im Dialog gelöst werden können. Kalman Yaron fasst die Meinung von seinem Lehrer Martin Buber
zusammen und schreibt:
„Ein Dialog ermöglicht, die Gefühle des Anderen zu empfinden und seine Bedürfnisse zu erfahren, ohne uns selbst verleugnen oder auf unsere eigenen wesentlichen Interessen verzichten zu müs606
Vgl. Bernard Wasserstein, a.a.O., S. 361.
607
Teil II: Rede des Israelischen Premierministers, Benjamin Netanjahu, vor der 66. Vollversammlung der UN,
23. September 2011. http://www.freitag.de/autoren/columbus/staat-194-teil-ii-benjamin-netanyahu-vor-der-unvollversammlung (Abgerufen am 10. November 2012).
608
Netanjahu, Ebd.
178
Frieden statt Mauern
sen. Die Negierung des Anderen oder seine Dämonisierung ist sicher leichter als seine Anerkennung.
Dennoch ist ein Konflikt nicht lösbar, ohne sich dem Anderen zuzuwenden. Ein echtes Gespräch ist
laut Buber eines, in dem jeder Partner den Anderen, auch dann, wenn er in einem Gegensatz zu ihm
steht, als diesen existenten Anderen wahrnimmt, bejaht und bestätigt; nur so kann der Gegensatz,
wenn schon nicht aus der Welt geschafft, so doch menschlich ausgetragen und eine Überwindung
angestrebt werden.“609
Dialog bedeutet die Aufmerksamkeit für den Anderen. Interessant ist an dieser Stelle die Figur des
„Nicht-Ich“, mit der Buber unterstreicht, dass alle Teilnehmer eines Dialogs bereit sein müssen, das Leben
und Kulturen der Anderen (eben nicht das Eigene) wahrzunehmen. Wenn das Verständnis sich durchsetzt,
dass die Anderen wichtiger sind als Ich, dann besteht Hoffnung auf einen gelungenen Dialog. Das Verstehen des „Nicht-Ich“ ist das Ziel des Dialogs, nämlich Frieden, ohne meine Position zu verlieren. In einer
gewissen Dialektik schreibt Buber über den Aspekt der Zwischenmenschlichkeit:
„Zwar sagt das Kind erst Du, ehe es Ich sagen lernt; aber auf der Höhe des persönlichen Daseins
muss man wahrhaft Ich sagen können, um das Geheimnis des Dus in seiner ganzen Wahrheit erfahren zu können.“610
Aus dieser Philosophie entspringt Bubers Einschätzung zum Israel-Palästina Konflikt. Er glaubt an
einen Staat für zwei Völker. Das klingt zwar utopisch, aber auf dem Hintergrund seines Verständnisses
vom Dialog und vom Miteinander ist diese Hoffnung plausibel. Im Dialog würden alle politischen, sozialen und religiösen Meinungsverschiedenheiten – vor allem über Jerusalem – zur Sprache kommen können.
Beide Seiten sollten versuchen, ihre Verschiedenheit und ihre eigenen Grundprinzipien zu akzeptieren,
und dann darüber nachdenken, wie sie trotz ihrer unterschiedlichen Werte eine gemeinsame und gegenseitige Regelung akzeptieren können. Bubers Verständnis von Dialog hat eine religiöse Dimension. Denn
jede Beziehung hat eine religiöse Dimension, weil in ihr die Beziehung zu Gott aufscheint.
„Man findet Gott nicht, wenn man in der Welt bleibt, man findet Gott nicht, wenn man aus der
Welt geht. Wer mit dem ganzen Wesen zu seinem Du ausgeht und alles Weltwesen ihm zuträgt, findet ihn, den man nicht suchen kann.“611
Die religiöse Bedeutung des Dialogs kann zum Frieden und zur Gerechtigkeit beitragen. Buber
schreibt weiter über den Dialog:
609
K. Yaron, „Martin Buber: Ein Land und zwei Völker“, in: Evangelischer Pressedienst Dokumentation Nr. 32a,
Görlitz: Evangelisches Bildungswerk J.A. Comenius, 1995, S. 14.
610
Martin Buber, „Das echte Gespräch und die Möglichkeiten des Friedens“, (Rede, gehalten anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 27. September 1953 in der Paulskirche zu Frankfurt), Heidelberg: L. Schneider, 1953.
611
Martin Buber, Ich und Du, Heidelberg: Verlag Lambert Schneider GmbH, 1983, S. 95.
179
Frieden statt Mauern
„Sodann aber verlangt es ein Mal um Mal, einem Mitmenschen zu danken, selbst wenn er nichts
Besonderes für einen getan hat. Wofür denn? Dafür, dass er mir, wenn er mir begegnete, wirklich
begegnet ist; dass er die Augen auftat und zuverlässig vernahm, was ich ihm zu sagen hatte; ja, dass
er das auftat, was ich recht eigentlich anredete, das wohlverschlossene Herz“.612
6.2.3 Avram-ʾIbrāhīm-Abraham als gemeinsames Thema zur interreligiösen
Verständigung in Jerusalem
Die koranische Figur ʾIbrāhīm (hier: Abraham) spielt eine große Rolle in der islamischen Tradition, die
von Muḥammad vorgestellt und entwickelt wurde. Muḥammad hat eine besondere Beziehung zu Abraham, vor allem wegen seiner Himmelsreise, bei der er nach der islamischen Tradition Abraham im Himmel begegnet sein soll. Al-Quds verband demnach Muḥammad und Abraham, weil von hier die Himmelsreise ausging. Von Al-Quds aus bringt der Engel Gabriel Muḥammad in die verschiedenen Himmel zu
allen wichtigen Propheten, die Muḥammad nach den Ḥadῑṯen genau beschreibt. Im letzten Himmel begegnet er Abraham:
„Und er brachte mich in den siebten Himmel; dort sah ich einen Mann in reifem Alter auf einem
Stuhl am Tore zum Paradiese sitzen, durch das an jedem Tag siebzigtausend Engel eintraten, die erst
am Tage der Auferstehung wiederzurückkehren. Nie habe ich einen Mann gesehen, der mir ähnlicher
war, und Gabriel sprach: ‚Dies ist dein Vater Abraham!‘“ 613
Das Leben Abrahams ist immer wieder ein wichtiges Thema im religiösen Dialog der drei Gemeinschaften geworden, und es kommt auf unterschiedliche Art und Weise in der jüdischen Bibel (Gen 12-25)
und im Koran vor. Der Bezug zu Abraham spielt auch in der politischen Debatte immer wieder eine Rolle,
wie das Zitat aus der Rede Netanjahus vor der UN im September 2011 (s.o.) zeigte. Im Folgenden stelle
ich die Überlegungen von Olaf Schumann dar, wie der Bezug auf Abraham Juden, Christen und Muslimen
trennen oder verbinden kann.614
612
Martin Buber, Nachlese, Gerlingen: Lambert Schneider, 1965, S. 231.
613
Ibn-Isḥāq, Das Leben des Propheten, Leipzig: Spohr, 1999, S. 88. (Übersetzung G. Rotter).
614
Vgl. Olaf Schumann, „Gemeinsames und Trennendes zwischen Christen und Muslimen“, in: Michael Biehl,
Gottesgabe: vom Geben und Nehmen im Kontext gelebter Religion, Frankfurt am Main: Lembeck, 2005, S.
545-556.
180
Frieden statt Mauern
Schumann hält als Kern der gemeinsamen, zentralen Aussage über Abraham fest: „Er glaubte Gott,
machte sich an Ihm fest. Und darauf ließ sich Gott ein und machte ihn zum Bündnispartner.“615 Für die
muslimische Tradition hält Schumann fest, dass Abraham bereits in Mekka als Hanif angesehen wurde.616
Hanif ist der terminus technicus für gottesfürchtig und bezeichnet wohl jene Heiden, die zum Glauben an
den Einen Gott gekommen sind. In den mekkanischen Suren war Abraham die Figur eines gottesfürchtigen und monotheistischen Propheten in einem polytheistischen Kontext.617
Olaf Schumann fragt in seinem Beitrag, ob Abraham als die Figur für Einheit und Frieden zwischen
den monotheistischen Religionen betrachtet werden kann. Er ist der Meinung, dass die drei
abrahamitischen Religionen in ihrer je eigenen Geschichte, vor allem in der Geschichte ihrer Begegnung
manche tragische Konflikte erlebt haben. Die Thora gilt für die Juden als Quelle der Lebenskraft, unter
der Bedingung der Verfolgung als Quelle der Überlebenskraft. In der Geschichte des Judentums wird die
Erwählung der Juden als Gnadenakt Gottes verstanden. Diese Erwählung Gottes hat eine entscheidende
Konsequenz für den Konflikt, nämlich, dass die Juden sich als das exklusive Volk Gottes verstehen. Der
Anspruch, das Volk Gottes zu sein, führt zu manchen schwierigen Beziehungen mit anderen Völkern.618
Zwar steht im Christentum Jesus als der Sohn Gottes im Zentrum des Glaubens. Doch hat die christliche Theologie immer – auch gegen innere Widerstände – die konstitutive Bedeutung des Alten Testaments und damit auch der Figur Abrahams für das Christentum verteidigt. Das Christentum hat allerdings
im Vergleich zum Judentum den Zugang zu Gott entgrenzt, insofern Christus alle Menschen zur Familie
Gottes in Jesus Christus einlädt. Damit ist das Christentum eine universale und grenzenlose Religion. Die
absolute Gültigkeit der Thora ist relativiert durch die Gnade Gottes, wie sie in Jesus Christus offenbart
geworden ist. Um Sünde zu vergeben, um Versöhnung zu stiften, um seine Liebe zu offenbaren kam Gott
in Jesus Christus in die Welt. Er starb am Kreuz und ist am dritten Tag auferstanden. Leben, Tod und
Auferstehung Jesu offenbaren Gott selbst in seiner bedingungslosen Liebe zu den Menschen und seiner
Schöpfung. Abraham spielt in der christlichen Tradition dennoch eine große Rolle nicht nur wegen seiner
Bedeutung im Alten Testament sondern auch aufgrund der neutestamentlichen Bezüge zu Abraham.
615
Olaf Schumann, „Abraham: der Vater des Glaubens“, in: Olaf Schumann, Hinaus aus der Festung: Beiträge
zur Begegnung mit Menschen anderen Glaubens und anderer Kultur, Hamburg: E.B.-Verlag, 1997, S. 13-60.
616
„Die Bedeutung des Wortes ‚Hanif‘ ist stark umstritten. Je nachdem, wie man es ableitet, kann es Monotheist,
oder gottesfürchtig oder sogar Heide bedeuten.“ Mitri Raheb, „Der Islam: Ein gescheitertes oder gelungenes
Projekt christlich-arabischer Kontextualisierung?“, in: Ulrich Dehn und Klaus Hock (Hg.), a.a.O., S. 315.
617
Vgl. Olaf Schumann, „Abraham“, S. 26-27.
618
Vgl. Olaf Schumann, „Gemeinsames“, S. 548.
181
Frieden statt Mauern
Die Christologie ist ein sensibles Thema und der Grund der Trennung zwischen Christentum, Judentum und Islam. Dieses zeigt sich auch bei der Auswahl der Koranischen Zitate auf den Wänden des Felsendoms in Jerusalem, die direkte Bestreitungen und Auseinandersetzungen mit dem christlichen Glauben
darstellen, vor allem mit der Christologie.619 Es wurde wiederholt erwähnt, dass die Muslime die Bezeichnung Jesu als Sohn Gottes oder als Gott sehr heftig kritisieren. Die besondere Beziehung, die Christen zu
Jesus als Sohn Gottes für sich beanspruchen, wird als Arroganz und Herrschsucht empfunden. Denn es
legt nahe, dass die Christen das einzige Volk Gottes sind, die das ewige Leben erben. Dieser exklusive
Anspruch verursacht natürlich schwere Konkurrenz und Auseinandersetzung mit anderen Glaubensrichtungen.620
Der Ursprung der Trennung der Religionen nach Abraham wird traditionell in der Logik der Geschichte der Söhne Abrahams gesehen. Die Konkurrenz zwischen Isaak und Ismael ist der Beginn zweier
Religionen. Olaf Schumann lehnt diese Theorie ab und erläutert seine Meinung folgendermaßen:
„Es gab tatsächlich keinen Konflikt zwischen den Söhnen Isaak und Ismael, sondern zwischen
den Müttern. Abraham wurde sogar aufgefordert, auf beide Söhne zu verzichten. Erst hat er Ismael
mit seiner Mutter in die Wüste geschickt. Den anderen Sohn Isaak sollte er laut dem Auftrag Gottes
opfern. Gott hat aber selbst in diese beiden Geschichten eingegriffen, als er einmal Ismael und seine
Mutter unter seinen Schutz stellte (Gen 21), und das andere Mal lernte Abraham, dass er alles, was er
besaß, auch seinen Sohn, Gott verdankte, der jeden Augenblick alles zurückfordern kann (Gen
22).“621
Ansonsten lebte Abraham in seinem frommen Glauben an Gott, bis er starb. Die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Kindern waren nach Schumann nicht so heftig wie allgemein behauptet wird,
weil, als Abraham starb, kamen die beiden Kinder und begruben den Leichnam ihres Vaters (Gen 25,9).622
Abraham ist der Vater des Glaubens, nicht der Begründer der Religionen. In der islamischen Tradition
wird Abraham darüber hinaus wegen seines Vertrauens als khalȋlu ´llāh (Freund Gottes) betrachtet, sodass
der Ort seiner Grabstätte von vielen Menschen al-Khalȋl genannt wird und nicht mit dem ursprünglichen
Namen Hebron. Auch im Judentum wird Abraham als ôhēb oder Gefährte Gottes bezeichnet (Vgl. Jes
619
Siehe. Teil 2.3.1.2 dieser Arbeit.
620
Vgl. Tharwat Kades, „Der Dialog zwischen Christen und Muslimen im Spannungsfeld von Tradition und Moderne“, in: Theion, XXI, Frankfurt am Main: Peter Lang, 2008. S. 63.
621
Olaf Schumann, „Gemeinsames“, S. 554-555. Vgl auch Thomas Naumann, „Die biblische Verheißung für
Ismael als Grundlage für eine christliche Anerkennung des Islam?“, in: Andreas Renz und Stephan Leimgruber
(Hg.), Lernprozess Christen Muslime, Münster: LIT, 2002, S. 152-171, hier S. 158-159.
622
Vgl. Olaf Schumann, „Abraham“, S. 47-48.
182
Frieden statt Mauern
41,8) und dieses Wort steht oft im jüdischen Midrasch. Auch findet man den Namen Abraham im Neuen
Testament als φίλος θεοῦ (Freund Gottes, Jak. 2,23).
Abrahams Liebe gilt Ismael und Isaak gleichermaßen. In dieser untrennbaren Liebe zu den Söhnen
ist seine Liebe zu allen Menschen symbolisiert. Das Problem beginnt, wenn man diese untrennbare Liebe
auf die Verteilung des Landes anwendet. Abrahams Liebe galt den späteren Nachkommen nicht mehr so
viel, wenn es um die Verteilung des irdischen Landes ging. Schumann ist der Meinung, dass wenn die
heutigen Religionsgemeinschaften sich als die Nachkommen Abrahams bezeichnen, müssten sie deshalb
von Abrahams Frömmigkeit und von der Beziehung seiner beiden Söhnen lernen, dass die Beziehung
zwischen Abraham und Gott und zwischen seinen beiden Söhnen ungetrübt ist. Gottes Segen galt der Lebenserhaltung Abrahams und seiner beiden Söhne. Die Beziehung zwischen beiden Söhnen wird auch von
Muḥammad bedacht. In Medina stellt er anhand der Figur Abrahams die Gemeinschaft, der drei monotheistischen Religionen dar. Diese Umma hebt hervor, dass es an erster Stelle um eine Gottesgemeinschaft
geht, und sie zeigt, dass die ummat Allâh, die Gemeinde Gottes eine ist. Die einzelne Religionsgemeinschaft ist der einen Gottesgemeinschaft untergeordnet. Unter der Einheit der Gottesgemeinschaft ist die
Verschiedenheit der Religionsgemeinschaften geschützt: „Den Juden ihre Religion, den Muslimen ihre
Religion“, sagt der Vertragstext von Medina im Jahre 622 n. Chr.623
Das koranische Denken – auch im Zusammenhang mit Abraham – ist versöhnlich ausgerichtet. Es
zeichnet sich durch eine Inklusivität aus: „Abraham war weder Jude noch Christ […]. Er war vielmehr ein
(Gott) ergebener Ḥanīf und muslim und kein Heide.“ (Sure 3,67)
Aus dem Kontext wird deutlich, dass das Wort Muslim hier seine ursprüngliche Wortbedeutung erhalten hat: ein sich vor Gott Erniedrigender. Diese Belege stehen für ein Verständnis, nach dem Abraham
allen drei monotheistischen Religionen gehört und keine von ihnen einen exklusiven Anspruch auf ihn
erheben kann.624 Olaf Schumann stellt die Frage, in welchem Sinne Abraham dann als der Vater des Glaubens gesehen wird, in dem die Anhänger der drei Gemeinschaften miteinander leben können.625 Der „Gott
Abrahams“ gehört in kein religiöses System. Abrahams Glaube bestand in seinem Gehorsam gegenüber
623
Vgl. Verfassung von Medina: http://www.eslam.de/manuskripte/vertraege/verfassung_von_medina.htm (Abgerufen am 10. August 2013).
624
Vgl. Karl-Josef Kuschel, Streit um Abraham: Was Juden, Christen und Muslime trennt und was sie eint, Düsseldorf: Patmos, 2002, S. 304.
625
Vgl. Olaf Schumann, „Abraham“, S. 54.
183
Frieden statt Mauern
Gott.626 Durch seinen Glauben war er sicher, dass Gott sein Leben immer behüten würde. Dieser Glaube
wurde von den Vertretern der drei Religionen, die sich auf ihn beziehen, sehr unterschiedlich interpretiert.
Das hat die Konflikte der abrahamitischen Religionen hervorgerufen.
Die unterschiedlichen Interpretationen der Figur Abrahams bezogen sich weniger auf die Wahrheit
seiner Lebenshaltung und seines Glaubens, als vielmehr auf die konkreten Interessen der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Friedensfördernder wäre eine Interpretation, die Abraham als denjenigen in den Mittelpunkt stellen würde, der beispielsweise den Schutz seiner Familie, die Sicherheit, den Wohlstand und
alles, was er besaß, verlassen musste. Abraham ist insofern Glaubensvater aller, als sein Glaube sich nicht
mehr auf die Vergangenheit oder die Gegenwart, sondern auf die Zukunft bezieht, in der der Wille Gottes
vollendet wird. Denn er glaubte an das Verheißungswort Gottes, dass seine große Nachkommenschaft so
groß wie die Zahl der Sterne am Himmel und der Sand am Meer sein würde, obwohl er nicht wissen konnte, ob sich dieses Verheißungswort, angesichts dessen, dass er nur zwei Söhne hatte, erfüllen würde. Abraham ist auch in dem Punkt eine verbindende Figur, dass er in seinem Zweifel und seiner Anfechtung
dargestellt wird. In der tragischen Erzählung von der Opferung Isaaks wird Abraham als der vorgestellt,
der nicht verstand, warum Gott ihm befohlen hatte, ihm seinen Sohn zum Opfer zu bringen. Er fragte sich,
wenn Gott das Verheißungswort erfüllen wird, wieso er ihm den geliebten Sohn nehmen wollte.627
Abrahams Glaube zeigt sich in seinem Leben, besonders in der Wanderschaft. Auf der Wanderschaft
bemerkt Abraham, dass sein Gott sehr nah ist. Schumann hält zu Abrahams Gottesverständnis bzw. seine
Gottesbeziehung fest:
„Er zog nicht den bequemeren Weg vor, sich bei anderen Göttern niederzulassen und von ihnen
mit Ruhe und Sicherheit beschenkt zu werden. Die Verbundenheit mit dem lebendigen, wenn auch so
unbequemen Gott war ihm wichtiger als das Festhalten an der Religion der Väter, durch das er sich
außerdem die Sympathien seines Volkes erhalten und sein Leben als herumirrender Aramäer erspart
hätte.“628
Abraham brach radikal mit seiner früheren Geschichte. Er entschied sich frei für Gott, an den er
glauben wollte und machte sich auf den Weg. Gott schenkte ihm diese Freiheit und sein Verheißungswort.
Die Geschichte von der Versuchung zeigt, dass Abraham bedingungslos Gott folgte, obwohl er hier die
abgründige Konsequenz seiner Entscheidung, Gott zu folgen, erleben musste. Schumann schreibt dazu:
626
Vgl. Ebd., S. 54.
627
Vgl. Olaf Schumann, a.a.O., S. 54-55.
628
Ebd., S. 55.
184
Frieden statt Mauern
„Er wird als Vater des Glaubens und Gefährte Gottes genannt, weil er die religiösen Heiden
wegruft von ihrer Religion, die für sich letztlich nichts anderes ist als die ‚Sicherung ihrer frommen
Behaglichkeit und Befriedigung ihrer frommen Selbstsucht‘, weil er sie aufruft zur Wanderschaft im
Glauben, zum ständig neuen Hören auf das Verheißungswort Gottes und damit in eine Gemeinschaft
mit dem Schöpfer, für die der Rahmen der Geschichte zu eng wird, und die auch jenseits der Grenzen
der Geschichte fortbesteht.“629
In einem Konzept zum Dialog, in dem die Relevanz Abrahams für alle drei abrahamitischen Gemeinschaften herausgearbeitet wird, sieht sich jede von ihnen aufgefordert, sich an Abraham als Freund Gottes
und sein Vorbild des Glaubens zu erinnern. Wie Gott Abraham aufgerufen hat, sein Land zu verlassen,
sollten die Glaubenden auch den Ruf Gottes hören, heute wieder aus den sicheren Festungen ihrer religiösen Institutionen und Strukturen in ein neues Land hinaus zu gehen. Das Land, das Abraham den Anhängern zeigt, war ein verheißenes Land, wo Juden, Christen und Muslime, miteinander leben können.
Schumann sagt dazu:
„Der Konflikt im heutigen Heiligen Land könnte auf der religiösen Ebene mit dadurch gelöst
werden, sofern die kriegerischen Parteien als die Nachkommenschaft Abrahams bereit sind, die sicheren Festungen ihrer religiösen und politischen Sehnsucht nach Vergangenheit zu verlassen, um
ein neues Land miteinander besitzen zu können.“630
Dann könnten sie die Existenz der Palästinenser anerkennen. Und die Hamas könnte gleichzeitig ihren radikalen islamischen Wunsch auf einen islamischen Staat in Palästina mit der Neigung, alle anderen
Völker aus dem Land zu verjagen, relativieren. Dann würde eine Hoffnung auf Frieden realistisch.
6.2.4 Al-Quds (Jerusalem) als Ort der Anwesenheit der Barmherzigkeit Gottes
In Sure 17,1 findet man eine koranische Auslegung, dass Gott Masjid al-Aqṣā (das entfernteste Haus) der
Anbetung gesegnet hat, welches als der alte Tempel von Salomon, oder vielmehr als seine Stätte betrachtet wird.631 Die Segnung Gottes bezieht sich im Islam immer auf die Barmherzigkeit Gottes, die auch das
jüdische und christliche Heiligtum umfasst.
629
Ebd.
630
Olaf Schumann, „Abraham“, a.a.O., S. 58.
631
Vgl. Muhammad Asad, a.a.O., S. 529.
185
Frieden statt Mauern
Der arabische Wortstamm für das Erbarmen, für die Barmherzigkeit und für die Gnade Gottes, der
am häufigsten im Koran erwähnt wird, ist raḥma. Raḥma Gottes wird als in´am (Gnadengabe) und als
ifḍāl und iḥsān (Wohltat und Güte) übersetzt. Aus den Stämmen der von r-ḥ-m abgeleiteten Verbal- und
Nominalformen haben zwei Nomina, raḥm und raḥīm, durch den Islam eine zentrale Bedeutung erhalten.
Ar-Raḥmān und ar-Raḥīm sind zwei der wichtigsten Namen Gottes in 99 seiner überlieferten schönsten
Namen (al-Asmā´ al-Ḥusnā). Ar-Raḥmān wird normalerweise übersetzt mit der Gnädige, der Erbarmer
und der Barmherzige, während ar-Raḥīm (übersetzt mit der Barmherzige, der Gnädige, der sich Erbarmende) auch von Menschen ausgesagt wird. Ob es eine inhaltlich unterschiedliche Bedeutung zwischen
den beiden Begriffen gibt oder nicht, darüber sind die Meinungen geteilt. Ar-Raḥmān umfasst die gesamte
Schöpfung, einschließlich der Menschen, die nicht an Gott glauben. Dieser Begriff bezieht sich auch auf
seine Güte und Gnade jetzt und immerdar. Ar-Raḥīm beschäftigt sich besonders mit den Gläubigen bezüglich der Gnade der Gerechtigkeit.632 Darüber hinaus erläutert Muhammad Asad die beiden Begriffe:
„Der Begriff Raḥman schreibt die der Auffassung von Gottes Wesen inhärente und davon untrennbare Eigenschaft der überreichen Gnade um, während raḥim die Manifestation dieser Gnade in
der Schöpfung Gottes und ihre Wirkung auf sie zum Ausdruck bringt, nämlich einen Aspekt der Aktivität Gottes.“633
Eine der mit der Wortwurzel rḥm verbundenen Grundbedeutungen ist im Arabischen raḥīm, im Hebräischen rĕḥĕm, die Gebährmutter, übertragen: die mütterliche Zuwendung. Es wird angenommen, dass
Raḥman die ganze Schöpfung umfasst und grenzenlos ist. Das Konzept „der Barmherzigkeit“ bezieht sich
auf das vorrangigste Wirken Gottes. Dieser Begriff taucht sehr häufig im Koran auf. Im Koran befinden
sich unterschiedliche sprachliche Formen des Begriffes mehr als 700mal: Bism-i Allāh r-Raḥman-i rRaḥim.634 Alle Koransuren werden mit dem Vers Im Namen Allahs ar-Raḥman (der Erbarmer), ar-Raḥim
(der Barmherzige) begonnen, mit der Ausnahme der Sure 9.635 Es ist für Muslime selbstverständlich, dass
alle Handlungen Gottes in Koransuren mit seiner Barmherzigkeit angefangen werden. Falaturi hält dazu
fest:
632
„Und Gott stehen die schönsten Namen zu. Ruft ihn damit an und laßt diejenigen, die hinsichtlich seiner Namen eine abwegige Haltung einnehmen! Sie mögen tun, was sie wollen. Ihnen wird (dereinst) vergolten werden
für das, was sie (in ihrem Erdenleben) getan haben.“ (Sure 7,180).
633
Vgl. Muhammad Asad, a.a.O., S. 25.
634
Vgl. Abdoldjavad Falaturi, Der Islam im Dialog, 5. Aufl., Hamburg: Islamwissenschaftliche Akademie, 1996,
S. 101.
635
„Den meisten Autoritäten zufolge bildet diese Anrufung (die am Anfang jeder Sure mit Ausnahmen von Sure 9
steht) einen Bestandteil von ‚die Eröffnung‘ und wird deshalb als Vers 1 gezählt. In allen anderen Fällen geht
die Anrufung ‚im Namen Gottes‘ der Sure als solcher voraus und wird nicht zu ihren Versen gerechnet.“ Muhammad Asad, a.a.O., S. 25.
186
Frieden statt Mauern
„Alles, was nicht im Namen Gottes beginnt, bleibt unvollkommen. […] Als Muslim hat man
das Gefühl, eine gewisse Garantie der göttlichen Gnade, Güte und Barmherzigkeit bis zur Vollendung der Handlung an seiner Seite zu haben. Hier geht es um die Allgegenwart der göttlichen
Raḥman und deren existentielle Bedeutung für die Bestimmung des Mensch-Gott-Verhältnisses.“636
Muslime glauben daran, dass ihr Leben nur aus Raḥman Allāh (der Barmherzigkeit Gottes) stammt,
und damit sind sie verpflichtet, den Namen Gottes im islamischen täglichen Ritualgebet zu loben.
Die Segnung Gottes über Jerusalem, die in Sure 17,1 ausgesprochen wird, ist die Barmherzigkeit
Gottes für alle Bewohner in Jerusalem unabhängig von ihrer Glaubenszugehörigkeit. Dies bedeutet, dass
die Haltung der Barmherzigkeit in der muslimischen Gemeinschaft wie in Jerusalem mit den genannten
Perspektiven wie Liebe, Vergebung, Gerechtigkeit, Frieden, Freundlichkeit und Erbarmen verbunden ist.
Abdoldjavad Falaturi schreibt:
„Diese gebotene Grundhaltung wurde bereits durch die Erschaffung des Menschen über raḥim
(der Mutterleib) mitgegeben und durch das gleiche Phänomen Raḥim, jetzt im Sinne der Verwandtschaft weiter unterstützt, auf die gesamte menschliche Gemeinschaft ausgebreitet und als ihr Fundament erfasst. Die mitgegebene, angeborene raḥman, wird durch die göttliche Rechtleitung ergänzt
(Offenbarung als Raḥman) und soll die Basis der islamischen Gemeinschaft und ebenso die Grundlage jeder zwischenmenschlichen Beziehung bilden.“637
Die Bedeutung von Raḥim verbindet alle Geschöpfe einschließlich der Menschen trotz ihrer Unterschiedlichkeiten. Gott segnet die Stadt Jerusalem mit seinen Raḥmān und Raḥīm und von hier erwartet
man im Islam tatsächlich nur Frieden und eine ungeteilte Stadt in Al-Quds (Jerusalem). Obwohl im Islam
diese weite Perspektive des Segens Gottes vorhanden ist, fällt es auch Muslimen schwer, Gottes Raḥmān
und Raḥīm in dieser Weise und Gottes Segnung für Al-Quds in dieser Weite zu denken. Die Geschichte
der muslimischen Präsenz in Jerusalem zum Beispiel zur Zeit von Kalif ´Umar hat eine islamische Perspektive gezeigt, die dieser Überzeugung von der Barmherzigkeit Gottes näher war, als manche muslimische Stimme heute.
6.2.5 Das Zusammenleben der Religionen in Jerusalem
Die Stadt Jerusalem oder al-Quds nimmt eine wichtige Stellung im religiösen Verständnis des Islam, des
Christentums und des Judentums ein. Jede Religion erhebt ihren eigenen religiösen Anspruch auf Jerusalem, doch es ist nicht mehr nötig, jeden theologischen Anspruch auf Jerusalem weiter zu debattieren. Aus
636
Vgl. Abdoldjavad Falaturi, a.a.O., S. 101.
637
Abdoldjavad Falaturi, a.a.O., S. 113.
187
Frieden statt Mauern
der Geschichte des islamischen Jerusalem erkennen wir, dass der Kalif ´Umar ein wichtiges Konzept für
ein Zusammenleben in al-Quds anwandte, damit Christen und Juden unter den islamischen Bedingungen
siedeln und ihren Lebensunterhalt dort verdienen durften. Das tolerante Konzept im frühislamischen alQuds wurde wahrscheinlich von dem Vertrag von Medina inspiriert, der von dem Propheten Muḥammad
initiiert wurde.638 Es wurde noch unter der Herrschaft Ṣalāḥ ad-Dīns und der Osmanen weiter fortgeführt.
Die israelische Regierung würde staunen, wenn sie die tolerante Haltung von ´Umar zur Kenntnis nehmen
würde, die die Existenz der nichtmuslimischen Gruppen seit Beginn der muslimischen Eroberung von
Jerusalem bis zur Herrschaft der Osmanen schützte. Eine solche Politik würde die gegenwärtigen Friedensbemühungen in Israel-Palästina enorm inspirieren. Das Vorbild des Kalifen ´Umar sollte auch die
muslimischen radikale Gruppe der Hamas beschämen, dass nämlich die Einnahme der Stadt Jerusalem
von den Muslimen auf friedliche Weise erfolgte. Die Gewaltanwendungen der palästinensischen Gruppen
sind ein wesentlicher Faktor dafür, dass Friedensgespräche derart kompliziert sind.
Die islamischen Traditionen der Nacht- und Himmelsreise Muḥammads haben m.E. eine interreligiöse Bedeutung und sind daher ein Thema mit dem Potenzial, die Auseinandersetzungen in Jerusalem zu
reduzieren. Im Qubbat al-Nabī (der Dom des Propheten) wird überliefert, dass dort Muḥammad mit den
Propheten wie Moses, Abraham und Jesus und Engeln vor seiner Himmelsreise gebetet haben soll. Sie
haben Gott gemeinsam angebetet und verehrt. Hier entsteht eine Brücke zwischen den Gläubigen der drei
monotheistischen Religionen. Elke Kuhn hebt dieses Ereignis in ihrem Buch: „Gott in vielen Namen feiern“ hervor und befürwortet ein interreligiöses Gebet.639 Bei Vertretern aller drei Religionen stößt eine
gemeinsame Gebetspraxis auf Skepsis und Kritik. Nur wenige knüpfen in dieser Weise an das gemeinsame Gebet nach der Nachtreise Muḥammads an. Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Gebet kann man
die muslimische Vorstellung nach der Ordnung von Medina fruchtbar machen. Diese besagt, dass wenn
638
„Dieses Dokument ist die Gemeindeordnung von Medina, ein Abkommen, das vom Prophet Muḥammad kurz
nach der Auswanderung der frühen muslimischen Gemeinschaft von Mekka nach Medina festgelegt wurde. In
diesem Abkommen werden die Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilen der Gesellschaft Medinas geregelt. Diese „Gemeindeordnung von Medina“ wird in muslimischer apologetischer Argumentation als Beweis
für die Etablierung einer neuen Staatlichkeit durch die muslimische Gemeinschaft und ihren Propheten
Muḥammad verstanden. Die Verfassung von Medina ist wohl zu Recht als Gründungsurkunde der muslimischen Gemeinschaft in Medina bekannt. Sie ist aber zugleich die Fortsetzung altarabischer Praktiken der Konföderationsbildung, die eine gewisse Zeit sogar neben dem Koran stehen konnte. Sie ist also auch Zeugnis für
den altarabischen Kern der muslimischen Gemeinschaftsbildung und Heilbotschaft. Sie ist aber auch, und dies
scheint interessant, durch ihr Anerkennen des Brauches der einzelnen Stämme und durch die gleichberechtigte
Einbindung nicht muslimischer Einwohner von Medina in das Paktsystem ein Symbol dafür, dass die frühe
muslimische Gemeinschaft andere Gemeinschaften (u.a. die jüdischen und Christen) als gleichberechtigt akzeptieren konnte.“ Rüdiger Lohlker, Islam: Eine Ideengeschichte, Wien: Facultas Verlags- und Buchhandels
AG, 2008, S. 44-45.
639
Elke Kuhn (Hg.), Gott in vielen Namen feiern: interreligiöse Schulfeiern mit christlichen und islamischen
Schülerinnen und Schülern, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 1998.
188
Frieden statt Mauern
die Gläubigen der unterschiedlichen Religionen nebeneinander beten, sie zum ummatu llâh (zum Volk
Gottes) werden. M.E. sind der Weg zum gemeinsamen Gebet und der Weg zum Frieden eng miteinander
verbunden.
Darüber hinaus kann man an zwei weitere muslimische Rituale im Sinne friedensstiftender Brücken
erinnern. Die Muslime hatten zum einen die Gewohnheit, in der Nähe des Heiligen Felsens im Felsendom
zu stehen. Zum anderen umkreisten sie siebenmal den Heiligen Fels (Tawāf). Sowohl das Stehen vor dem
Felsen als auch der Lauf um den heiligen Felsen bildeten die Schöpfungsharmonie ab.640 Al-Farabi (870950 n. Chr.), ein berühmter islamischer Philosoph aus Zentralasien, erläutert das Konzept der Harmonie
wie folgt: In der islamischen Philosophie wird Harmonie als eine symphonische Einheit verstanden. Alle
unterschiedlichen Aspekte der Welt sollen diese symphonische Einheit erreichen, um als beste Ordnung
von allen erkannt zu werden. Die wahre Philosophie beschäftigt sich mit der Bedeutung der harmonischen
Hierarchie, d.h. Gott erschafft alle Menschen vollkommen gleich. Der Unterschied zwischen Männern und
Frauen, Nationen, Religionen und ethnischen Gruppen muss in Freude akzeptiert, nicht in negativer Weise
betont werden, damit die Schöpfung Gottes zu ihrer wesentlichen Einigkeit gelangt. Auch sind alle Religionen im Wesen Gottes eins. Die Präsenz Gottes im Islam zeigt sich im harmonischen Leben der Menschen und aller Kreaturen. Von Anfang an schuf Gott die Welt, mit dem Ziel, harmonische Beziehungen
zwischen den unterschiedlichen politischen, religiösen und kulturellen Entfaltungen seiner Schöpfung zu
vollenden. Das Ziel der Harmonie ist es, eine Glückseligkeit und Frieden auf der Welt herzustellen.641 Der
oben erwähnte Ritus des Rundlaufs (Tawāf) und die Philosophie der Harmonie stehen in einem engen
Zusammenhang. Der Tawāf unterstreicht die Bedeutung harmonischer Beziehungen zwischen den Bewohnern während der frühen muslimischen Geschichte Jerusalems. Der Tawāf bringt zum Ausdruck, dass
Gott das Zentrum der Welt ist. Der Rundlauf symbolisiert die fromme Gehorsamkeit des Menschen, der –
wo immer er sich im Universum befindet – sich in der Nähe seines Schöpfers versteht. Den Felsen zu
umkreisen bedeutet, Gott als das Zentrum des Lebens zu umkreisen.642 In friedensethischer Perspektive
drückt diese besondere Beziehung zum Heiligen Felsen die muslimische Einsicht aus, dass die Vielfältigkeit der Schöpfung über den eigenen Glauben, die eigene Kultur, das eigene Land hinaus Anbetung verdient.
640
Vgl. Kapitel 3.2.1.
641
Vgl. Georges Tamer, Islamische Philosophie und die Krise der Moderne: Das Verhältnis von Leo Strauss zu
Alfarabi, Avicenna und Averroes, Leiden: E.J. Brill, 2001, S. 284-285.
642
Vgl. Udo Tworuschka, „Islam“, in: Udo Tworuschka (Hg.), Heilige Stätten, S. 80.
189
Frieden statt Mauern
In islamischer Perspektive wird die Verbindung von Individuum und Gesellschaft besonders betont.
Individuum und Gemeinschaft gehören so eng zusammen, dass es keine Konkurrenz zwischen beiden
geben kann. Dazu betont Al-Ghasali (1058-1111 n. Chr.), islamischer Philosoph und Mystiker aus Persien, dass in Gott die ganze Menschheit in Verwandtschaft miteinander verbunden ist.643 Wenn Gott im
Zentrum der menschlichen Gesellschaft steht, bedeutet das im Islam, dass alle Kreaturen einschließlich
aller Menschen zu Gott als Schöpfer des Universums gehören. Auch dieses symbolisiert der Tawāf. Er
versinnbildlicht die Tiefe der islamischen Philosophie, der eine grundsätzliche Toleranz zugrunde liegt,
die eine gegenseitige Verbindung mit den Menschen anderer Religionen, Nationen, und Kulturen auf der
Welt hat.644
Der Felsendom als Bau repräsentiert insgesamt das Thema der Gemeinsamkeit in Jerusalem. Die Architektur des Felsendoms ist von der christlich-byzantinischen Kunst beeinflusst. Es soll hier daran erinnert werden, dass Kalif ´Abd al-Malik Handwerker und Architekten aus Byzanz einstellte, zwei der drei
Menschen, die für den Bau verantwortlich waren, waren Christen. Der innere Raum stammt teilweise aus
der christlich-byzantinischen Tradition, wo ein großer Raum für den feierlichen Umlaufritus zur Verfügung steht. Sogar die Technik der Mosaiken der Kuppelschale ist von der byzantinischen Kunst beeinflusst, wobei die Gesamtkonzeption des Felsendoms der Grabeskirche in Jerusalem ähnelt. Das Zentrum
des Baus besteht aus einem Oktogon, das für Absonderung und Heiligkeit im Felsendom steht. Dieses
Oktogon kann auch als Analogie zum Allerheiligsten des jüdischen Tempels verstanden werden. Die Architektur des Felsendoms unterstreicht die außergewöhnliche Heiligkeit des Tempelbergs, in dessen Mittelpunkt der Felsendom liegt. Eine Grenze um das ganze Gebiet markiert die Zonen der Heiligkeit, die als
der Ort der Begegnung mit Gott verstanden wird.645 Daran zeigt sich, dass das muslimische Konzept der
Heiligen Stätte aus den Elementen der jüdischen und der christlichen-byzantinischen Tradition weiter
entwickelt wurde. Durch die Architekturgestaltung des Felsendoms und der Aqṣā Moschee sind sich an
diesem Punkt tatsächlich die drei religiösen Traditionen besonders nahe.
Die Geschichte der Stadt Jerusalem in der frühen islamischen Periode ist eine Geschichte des Zusammenlebens und der Nähe der religiösen Gemeinschaften. Aber diese Tatsachen werden von den heute
verfeindeten Gruppen außer Acht gelassen, weil sie nicht wollen, dass das Land geteilt wird, sondern es
einer Gruppe allein gehöre. Besonders der Zionismus trägt diese unversöhnlichen Züge. Es scheint, dass
643
Al-Ghasali, Das Elixier der Glückseligkeit, (Übersetzung von Hellmut Ritter), München: Diederichs Verlag,
1959, S. 128f.
644
Vgl. Ilona Möwe, Umstrittene Grenzen, Hamburg: LIT, 2000, S. 86-87.
645
Vgl. Teil 2.3.1.5 dieser Arbeit.
190
Frieden statt Mauern
die Zionisten ihre eigene Geschichte der Vertreibung vergessen haben, aufgrund derer es angemessen
wäre, die muslimischen Bewohner Jerusalems als Mitbürger zu akzeptieren. Durch den Kalifen ´Umar und
die Araber wurde das Bleiberecht der Juden in Jerusalem gestärkt, und sie durften sich dort wieder ansiedeln. Die Erinnerung an diese Epoche und die Rolle, die die Heilige Stadt Jerusalem darin spielte, könnte
die Einsicht erleichtern bzw. überhaupt erst ermöglichen, dass ein Zusammenleben denkbar und notwendig ist. Die Heilige Stadt wird so gleichzeitig zu einem Mahnmal, an dem die Unmenschlichkeit der gegenwärtigen radikalisierten Haltungen erkennbar wird.
Die Erinnerung an das Zusammenleben und die gegenseitige Annahme in der frühen muslimischen
Geschichte in Jerusalem könnte eine wichtige Rolle spielen, um den gegenwärtigen Palästina-Israel Konflikt zu lösen. Ein Problem bleibt bestehen und muss erwähnt werden, dass die israelischen Regierungen
nie bereit waren, ihren Nationalstaat mit anderen zu teilen. Deshalb gab es für sie stets nur eine Option,
dass ihr Staat ganz Eretz Yisrael umfasst. Das ist ihr rechtmäßiger Besitz, und die anderen haben darin
keinen Platz. Diese Prämisse wurde bisher selten in Frage gestellt. Auf diesem Hintergrund wird die Debatte um eine Zweistaatenlösung unglaubwürdig. Es hätte schon 1967/68 eine Lösung im Sinne einer
Konföderation geben können, sogar mit Zustimmung des ägyptischen Präsidenten Nasser, dessen Stimme
in der Region maßgebend war, wenn Israel nicht im Grunde an seinem Anspruch, das ganze Land zu besitzen, festgehalten hätte und immer noch festhält. Aber Israel lehnte damals ab, und das de facto bis heute. Deshalb baut Israel weiterhin Siedlungen auf palästinensischem Gebiet, denn nach ihrer unausgesprochenen Überzeugung wird ihnen das Land früher oder später ohnehin gehören.646 Allerdings wollten die
Palästinenser bis 1967 auch keine Aufteilung des Staates, sondern nur einen einzigen Staat auf dem ganzen Territorium Palästina, wo die Juden, wie vorher auch, ebenfalls Wohnrecht hätten. Das war und ist der
innere Kern des Konflikts. Beide wollten und wollen nur einen einzigen Staat, aber eben auf Grund verschiedener Voraussetzungen.
Daher versuchen beide Seiten, die Stadt Jerusalem von den anderen zu befreien. Die Heilige Stadt
bleibt jedoch ein Raum, in dem die Erinnerung an das Existenzrecht beider und an die Gemeinsamkeit
eingeschrieben ist. Im folgenden Abschnitt geht es darum, diese Offenheit des Raumes nicht nur aus der
Vergangenheit zu gewinnen, sondern mit gegenwärtigen islamischen Stimmen zu beschreiben.
646
In den aktuellen Friedensgesprächen (August 2013) hat es erneut Konflikte um die Siedlungspolitik Israels
gegeben. Genau zu Beginn der Verhandlungen hat Israel den Bau von 1200 Wohnungen für jüdische Siedler in
Ostjerusalem und Westjordanland bekannt gegeben. Vgl. http://www.dradio.de/aktuell/2211523/ (Abgerufen
am 13. August 2013).
191
Frieden statt Mauern
6.2.6 Gerechtigkeit und Frieden für Jerusalem aus der Islamischen Perspektive
Zu einem bestimmten und andauernden Frieden gehört der Aspekte von Gerechtigkeit und Versöhnung.
Die vielen politischen Vorschläge der vergangenen Jahrzehnte versuchen, eine Lösung des israelischpalästinensischen Konfliktes auf Basis der Prinzipien von Gerechtigkeit und Offenheit zu erreichen. Sie
zeigen aber auch die unversöhnlichen Züge der Geschichte und der Gegenwart.
Im folgenden Abschnitt soll nun der Beitrag des Islam zu Frieden und Gerechtigkeit erläutert werden. Das Konzept des Friedens ist im Islam tief verwurzelt. Frieden betrifft auch im Islam nicht nur die
menschliche Welt sondern auch die Natur und alle Kreaturen. Das Ziel des Friedens ist es, Freiheit, Gerechtigkeit und Sicherheit für alle Geschöpfe auf der Welt zu realisieren. Wenn ein Aspekt fehlt, bleibt
Frieden unerfüllt. Die friedlichen Beziehungen der weltweiten Muslime sind tatsächlich geprägt von Liebe
und Barmherzigkeit.647 Es gilt für alle Menschen, dass sie einen Ort brauchen, an dem sie sicher und in
Frieden wohnen können. Für die jüdische Tradition verdichtet sich dieser Gedanke in der besonderen Bedeutung von „Zion“. Zion ist solch ein sicherer Ort des Friedens, obwohl die Stadt Jerusalem sowohl von
äußeren als auch von inneren Feinden immer bedroht war. Heute ist die Stadt Jerusalem eine Festungsstadt. Ihre Grenzen im Osten sind durch zwei riesige neue Siedlungen gezogen, die sich um die Stadt
schließen. Karen Armstrong erläutert in ihrem Buch, dass die Errichtung von Mauern als dauernde Sicherung von Frieden nur dann eine geeignete Maßnahme darstellt, wenn Frieden und Gerechtigkeit auf beiden
Seiten der Mauern herrschen.648
Das Thema Frieden im Islam hängt mit der Vorstellung von Salāmat aḍ-Ḍamīr (der Gewissensfrieden) zusammen. Frieden ist nur ein abstraktes Konzept, wenn die Menschen keinen Frieden in ihrem tatsächlichen Leben geniessen. Die Vorstellung lautet:
„Der Islam pflanzt den Kern des Friedens im Gewissen des Menschen. Es ist ein Frieden, der
den Menschen in seiner Existenz, seinen Wünschen und seinen Sehnsüchten anerkennt. In derselben
Zeit anerkennt dieser Frieden sowohl die Gruppe mit ihren Interessen und Zielen als auch die
Menschheit mit ihren Bedürfnissen und Sehnsüchten.“649
647
Vgl. Abdoldjavad Falaturi, a.a.O., S. 115-119.
648
Vgl. Karen Armstrong, a.a.O., S. 421.
649
Majid S. Moslem, a.a.O., S. 16.
192
Frieden statt Mauern
So betont Majid S. Moslem, der den Zusammenhang von Religion und Frieden untersucht hat:
„Die Regel, auf der das Leben der Menschen steht, ist die Regel der Ordnung zwischen Rechten
und Pflichten, Ausgleich zwischen Bemühungen und Lohn. Der eingeschätzte Zweck für alle ist die
Entwicklung und Fortsetzung des Lebens mit aller Kraft und guter Absicht gegenüber Gott, der dieses Universum schuf. Dann wird sowohl jede individuelle und kollektive Tätigkeit als auch jede
Ordnung und Produktion in dem absoluten Frieden enden, der dann alle Tendenzen, Kräfte und
Gruppierungen ordnen kann.“650
Im Islam gibt es die zentrale Überzeugung, dass alle Menschen ursprünglich aus einer Seele entstanden sind. Gott erschafft alle Menschen als Brüder, nicht als Feinde, daraus erwächst ein Anspruch, sich als
Brüder zu verstehen und das Leben aller Menschen als Brüder zu gestalten. Wenn dieses Gefühl herrscht,
können sie den Frieden finden. Der Ursprung aller Menschen liegt darin, dass sie Geschöpfe Gottes
sind.651 Im Islam liegt der Frieden in der Natur des Menschen. Frieden kann erfüllt werden, wenn die
Menschen in absoluter Gehorsamkeit an Gott leben. Krieg ist dabei nur eine letzte Notlösung, um die
Menschen von Unterdrückungen zu befreien.652
Jedoch ist Frieden ohne Gerechtigkeit weder für die Palästinenser noch für Israelis möglich. Im Friedensverständnis der Muslime hat ´adl (die Gerechtigkeit) einen hohen praktischen Stellenwert. Im Koran
ist Frieden nicht ohne Gerechtigkeit denkbar. „Wir haben doch (im Lauf der Zeit) unsere Gesandten mit
den klaren Beweisen (zu den Menschen) geschickt und die Schrift und die Waage mit ihnen herabkommen
lassen, damit die Menschen für Gerechtigkeit sorgen würden.“ (Sure 57,25)
Gerechtigkeit bezieht sich nach dem Koran nicht nur auf menschliche Werte sondern umfasst die
Gottesbeziehung. Die Gerechtigkeit gehört zu Gott und geht von ihm aus auf das menschliche Leben und
die gesamte Welt. Die Gerechtigkeit ist ein Schöpfungsprinzip, wobei alle Geschöpfe bis in die letzte
Kleinigkeit zur Ordnung und Macht Gottes gehören.653 Der Islam ist eine Religion mit einer universalen
Perspektive, in der die rahmatan lil ‘alamin (die Gnade Gottes für alle Menschen und die ganze Welt)
ausgegossen ist.654
650
Majid S. Moslem, a.a.O., S. 17.
651
„Die Gläubigen sind Brüder.“ (Sure 49,10).
652
Vgl. Majid S. Moslem, a.a.O., S. 18.
653
Vgl. Muhammad Asad, a.a.O., S. 1033.
654
Vgl. Sure 21,107.
193
Frieden statt Mauern
In der islamischen Perspektive zu Frieden und Gerechtigkeit, muss die Realität aller Seiten im Konflikt beobachtet und gehört werden. Die Konflikte im Heiligen Land können m.E. auch deshalb nicht gelöst werden, weil sie nicht mit der nötigen Sensibilität, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit behandelt werden.
Jede Ungerechtigkeit während der Konflikte muss enthüllt und analysiert werden. Frieden kann nur erfüllt
werden, wenn das Prinzip der Gerechtigkeit in der Mitte der Auseinandersetzung herrscht, nämlich dass
jede Seite erkennt, dass sie das Leben der anderen verletzt. In diesem Sinne wird das Thema Gerechtigkeit
von Muslimen nicht als äußere Gerechtigkeit verstanden, sondern als eine Gerechtigkeit, die von Barmherzigkeit und Empathie hervorgerufen wird.655
Die islamische Tradition zu Frieden und Gerechtigkeit zeigt, dass die Auslegung der Islamisten eine
verkürzende Begrenzung des Islams auf die Rechtfertigung von Gewalt in einem Kampf ist, in dem die
Gegner entmenschlicht werden. Sie zeigt außerdem, dass die Tradition nicht nur eine Kritik dieser Ideologie bereithält, sondern auch die Nähe und mögliche Gemeinsamkeit mit den Angehörigen der anderen
Religionen kennt. Der Blick in die Geschichte der Stadt Jerusalem lehrt, dass diese Gemeinsamkeit nicht
nur eine Theorie bleiben muss, sondern bereits einmal verwirklicht worden ist – im Rahmen der damaligen Möglichkeiten. Das Studium der Geschichte der Heiligen Stadt wird daher zur Aufforderung, dass
auch die anderen Religionen die Potenziale ihrer Überlieferungen für ein Leben in Gemeinschaft untersuchen, das mit der Möglichkeit beginnt, den Raum der Heiligen Stadt zu teilen.
6.2.7 Zusammenfassung
Es gibt aus heutiger palästinensischer Sicht mindestens vier ernsthafte Probleme des israelischpalästinensischen Konflikts: Erstens das Recht auf einen palästinensischen Staat, zweitens der Status Jerusalems, drittens der Bau israelischer Siedlungen auf palästinensischem Gebiet, viertens das tragische
Schicksal der Flüchtlinge.
Zu Beginn dieses Kapitels wurde der Zionismus als nationalistische Bewegung der Juden im Europa
des 19. Jahrhundert vorgestellt. Ziel des Zionismus war es, einen sicheren und bewohnbaren Raum für
Juden zu errichten. Mit der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948, wurde dieses Ziel teilweise erreicht. Es muss dennoch daran erinnert werden, dass die ursprüngliche Idee des Zionismus nicht ein rein
jüdischer Staat war, wie es später interpretiert wurde, sondern die Gründung eines Staates, in dem das
Recht und die Sicherheit in gleicher Weise auch für Nichtjuden garantiert sein sollte.
655
Vgl. Muhammad Asad, a.a.O., S. 258-259.
194
Frieden statt Mauern
Seit 1967 hat Israel weiter versucht, den jüdischen Staat zu verteidigen. Um dieses Ziel zu erreichen,
nahm die israelische Regierung den größten Teil des palästinensischen Landes weg und baute dort Siedlungen und Mauern. Die internationale Gemeinschaft hat diese Verletzungen des internationalen Rechts
bisher nicht klar sanktioniert. Das Ziel der israelischen Regierung darf nicht die Vertreibung der Bevölkerung Palästinas aus ihrem Land sein. Um den Friedensprozess erfolgreich zu realisieren, muss die israelische Regierung bereit sein, das Land mit den Palästinenserinnen und Palästinensern auf der Basis von
Gerechtigkeit, wie sie das internationale Recht definiert, zu teilen.656
Es muss auch eingestanden werden, dass die Friedensbemühungen von der Seite der palästinensischen Islamisten durch Terroranschläge mehrmals massiv in Frage gestellt wurden. Die Islamisten wendeten diese Art der Gewaltakte an, um ihr Ziel, nämlich einen palästinensischen Staat, zu erreichen. Ihre
Aktionen wurden von einer radikalisierten, islamischen Ideologie motiviert. Sie sind der Überzeugung,
dass der Kampf mit Israel grundsätzlich ein Krieg gegen die westliche Aggression ist, mit der das ihrer
Meinung nach islamische Gebiet in Palästina, das eigentlich zur Dâr al-Islâm gehört, zurück gewonnen
werden soll. Der Krieg wird als Verteidigungskrieg betrachtet. Dabei wird der Islam auch nach Meinung
islamischer Wissenschaftler von den Islamisten instrumentalisiert, um Gewalt zu rechtfertigen und die
Šarī´a im Heiligen Land aufzurichten. Die radikalen politischen Ansichten von beiden Seiten bringen
jegliche Friedensinitiative in Gefahr. Dem kann man wiederum die frühe islamische Geschichte in Jerusalem entgegenstellen, als der Kalif und die Muslime erstmalig die Stadt Jerusalem einnahmen, wo der Islam mit Toleranz und Gewaltlosigkeit identifiziert werden kann.
Juden, Muslime und Christen erkennen Abraham als den Vater des Glaubens an. Abraham wird als
khalȋlu ´llāh (Freund Gottes) betrachtet, als ôhēb (Gefährte, Freund) und als φιλòς θεοῦ (Freund Gottes)
angesehen. Durch die Betonung der Rolle von Abraham wurde hier ein gemeinsames Fundament zwischen Juden, Muslimen und Christen herausgearbeitet, das sich als Leitbild eines gemeinsamen Friedens
eignen könnte. Außerdem erweist sich Jerusalem in der muslimischen Tradition – zum Beispiel in der
Tradition des Tawāf – als Heiliger Raum, der auf den Gott und Schöpfer aller Menschen und das ganze
Universum hin geöffnet ist. Die islamische Geschichte von Jerusalem macht die Bedeutung der Barmherzigkeit Gottes für die Stadt stark. Barmherzigkeit Gottes gehört allen Menschen und Gemeinschaften. Die
muslimische Geschichte Jerusalems darf nicht nur als die Geschichte von Gewalt erzählt werden, sondern
auch als die Geschichte von Toleranz und Respekt. Jerusalem als Heilige Stadt ist die Mahnung an alle,
656
Vgl. Naim Stifan Ateek, Gerechtigkeit und Versöhnung: Eine palästinensische Stimme, Berlin: Aphorisma
Verlagsbuchhandlung, 2010, S. 246.
195
Frieden statt Mauern
dass die Traditionen aller Religionsgemeinschaften weiter und größer sind als das, was die radikalen
Gruppierungen aller Religionen daraus machen wollen.
Wenn neben den muslimischen Bildern von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit auch die christlichen
und jüdischen Traditionen des Shalom und der Versöhnung in das Bewusstsein der verfeindeten Gruppen
dringen, dann sehe ich eine Hoffnung für Frieden, die alle Mauern überflüssig macht. Deshalb habe ich
meiner Arbeit den Titel „Frieden statt Mauern“ vorangestellt.
196
Zusammenfassung
7 Zusammenfassung
Diese Arbeit befasst sich unter dem Titel „Al-Quds Jerusalem im muslimischen Denken und Bewusstsein“, mit dem Ziel, die Bedeutung und Heiligkeit der Stadt Jerusalem für Muslime zu beschreiben. Ein
weiter gestecktes Ziel ist, in der islamischen Geschichte Jerusalems Ansatzpunkte für einen Frieden im
Heiligen Land zu finden. Um die Heiligkeit und Wichtigkeit Jerusalems für die Muslime aufzudecken,
wurden in dieser Arbeit die folgende Literatur genutzt: Beiträge zu den architektonischen und archäologischen Bauwerken auf dem Tempelberg, Berichte der Pilgerväter und apokalyptische Literatur, Berichte
von Kreuzfahrern, sowie Schriften wie der Koran, die Ḥadῑṯe, und Faḍā´il Bait al-Maqdis.
Thesenartig würde ich die Ergebnisse meiner Arbeit folgendermaßen zusammenfassen:657 Die muslimischen Bauwerke in Jerusalem zeugen von der großen Bedeutung, die die Heilige Stadt für den Islam
von Anfang an hatte. Der Felsendom und die Aqṣā Moschee verbinden sich unmittelbar mit der Gestalt
und der Botschaft des Propheten Muḥammad. Schon von Anfang an gab es Traditionen, die Jerusalem als
Gebetsrichtung proklamierten.
In den ersten Jahrhunderten nach der Himmelsreise Muḥammads entwickelt sich eine lebendige religiöse Tradition um die Stadt Jerusalem. Es waren vor allem apokalyptische Vorstellungen, die in dieser
von der ´Umayyaden bestimmten Zeit, Pilger zur Reise nach Jerusalem motivierten.
Die Erfahrung der christlichen Kreuzzüge war für die Muslime in ihrer Beziehung zu Jerusalem das
erschütterndste und radikalste Ereignis. Ṣalāḥ ad-Dīn reagierte politisch weise und befriedend auf die
Auswirkungen der Kreuzzüge. Sein Ğihād zur Rückeroberung Jerusalems war von Fairness und nicht von
Vergeltung geprägt. Die Figur von Ṣalāḥ ad-Dīn zeigte den Muslimen tugendhaftes und verantwortungsvolles Verhalten und Handeln, das darauf gerichtet war, die ursprüngliche Präsenz des Islam in Jerusalem
wiederherzustellen und im Ğihād das friedliche Zusammenleben der Religionen wieder zu ermöglichen.
Dabei stand Jerusalem mit seinen Heiligen Stätten im Mittelpunkt.
Im 11. Jahrhundert n. Chr. entstand die religiöse Literatur rund um Jerusalem, die Faḍā´il al-Quds,
mit der die Schönheit und Bedeutung der Stadt erneut besungen wurde. Sie unterstützte die Gegenkreuz-
657
Im Folgenden werfe ich je ein Schlaglicht auf die Kapitel zwei bis sechs.
197
Zusammenfassung
zugsbewegung und reihte Jerusalem neben Mekka und Medina wieder ein in die drei Heiligsten Orte des
Islam.
Der gegenwärtige Konflikt um Jerusalem steht im Kontext der massiven Zuwanderung von Juden
nach Palästina im Laufe des 20. Jahrhunderts. Der konfliktreiche und gewaltvolle (mitunter kriegerische)
Verlauf der politischen Konsolidierung des Staates Israel betraf immer auch den Status der Stadt Jerusalem.
Die Stadt Jerusalem (der Ort des Friedens) bzw. Al-Quds (die Stadt Gottes) trägt den Keim einer
friedlichen Koexistenz in ihrem Namen. Der Rückbezug auf die Geschichte, in der es immer mal wieder
gelungen ist, diesem Namen alle Ehre zu machen, und der Rückbezug auf Abraham, der für alle drei Religionen, für die Jerusalem wichtig und heilig ist, von Bedeutung ist, könnte den Weg für gegenseitige Akzeptanz und gemeinsames Leben in Frieden in der Stadt des Friedens und an dem Ort Gottes eröffnen.
Auch wenn diese Untersuchung in weiten Teilen einen historischen Zugang wählt, zielt mein Interesse auf die Stadt Jerusalem im Frieden und ohne Mauern. Diesem Interesse sind meine abschließenden und
ausblickenden Gedanken nun gewidmet.
Meine Arbeit zeigt, dass Jerusalem von den sehr frühen Perioden an für die Muslime heilig gewesen
war. Da die Gläubigen den Frieden Jerusalems suchen, kann diese Heiligkeit der Stadt für Muslime nicht
einfach bestritten oder vernachlässigt werden. Es wird Initiativen, eine positive Einstellung, große Toleranz, Bereitwilligkeit und positiven Dialog brauchen, um sich mit Gegensätzen und Punkten des Konflikts
zu befassen. Dabei könnte Jerusalem zu einem Ort der geteilten Heiligkeit und zu einem Zentrum für interreligiöse Begegnungen werden.
Unabhängig von manchen Friedensvorschlägen müssten die beiden Gemeinschaften sich darüber einigen, ob und unter welchen Voraussetzungen sie zu einer positiven Einstellung und Anerkennung der
gleichzeitigen Existenz gelangen können, und dabei wird zweifellos der Betonung der unterschiedlichen
Selbstverständnisse ein größeres Gewicht zukommen. Hier ist dann der Ort, wo die Toleranz ihre Kraft
und Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen muss.
Ein Dialog, der sich nur mit Glaubensansichten befasst, steht auf schwachen Füßen. Deshalb habe
ich in meiner Arbeit versucht, neben den religiösen Aspekten, auch soziale und politische Ansätze aufzuzeigen, die in einem Dialog aufgenommen werden müssen. Diese Arbeit ist vor allem ein Versuch, einen
Ansatz für Frieden durch die Betrachtung der Geschichte Jerusalems unter islamischer Herrschaft zu fin-
198
Zusammenfassung
den. Die Fortsetzung dieser Arbeit in ihrem historischen Zugang wird in Zukunft nur dann möglich sein,
wenn Frieden zwischen den beiden Gesellschaften wiederherstellt werden könnte. Denn weitere archäologische Belege und alte Islamische Schriften über Jerusalem können nur dann gesucht und ausgewertet
werden. Zurzeit ist es nicht möglich, wichtige archäologische Belege an Ausgrabungsstätten wie der Marienkirche, des salomonischen Tempels, und den Resten der ´Umayyaden Gebäude zu suchen. Darüber
hinaus steht noch nicht fest, ob es weitere frühe islamische Schriften über Jerusalem gibt, ob solche vernichtet oder noch nicht gefunden wurden.
Alle drei monotheistischen Religionen – Judentum, Christentum und Islam – haben wichtige Zentren
für Pilger in der Stadt. Juden, Christen und Muslime in Jerusalem haben viele soziale und theologische
Gemeinsamkeiten. In meiner Arbeit konnte ich feststellen, dass Jahrhunderte lang Koexistenz, Gegenseitigkeit und nahe Beziehungen zwischen den einheimischen Juden, Christen und Muslimen möglich waren.
Dialog ist in seinen eigenen einzigartigen Formen in der Stadt Jerusalem lebendig, wo interreligiöse Begegnungen eine tägliche Realität für die Menschen gewesen sind, die in der Stadt leben. Die Schlüssel der
Grabeskirche beispielsweise werden noch heute von einer muslimischen Familie verwahrt und gehütet.658
Um Frieden zu bringen, müssen die Gläubigen in Jerusalems die Heiligkeit der Stadt anerkennen, sie teilen und sie nicht als einen Zankapfel und Anlass zum Konflikt pervertieren. Die Stadt Jerusalem lädt alle
ein, in Frieden zu leben. Exklusive Ansprüche auf die Stadt durch eine einzige Religion werden nur auf
Gewalt hinauslaufen.
Aus dem oben Gesagten geht hervor, dass die Stadt Jerusalem einen hohen Rang im Glauben der
Muslime einnimmt. Auf Arabisch wird diese Stadt „al-Quds“ (heilig) genannt, weil sie die Heiligkeit und
den Frieden Gottes symbolisiert, wodurch die besondere religiöse Bedeutung zum Ausdruck kommt. Von
diesem Begriff könnte tatsächlich der Zugang zur Lösung für Frieden in Jerusalem geöffnet werden. So
sollte Jerusalem eine Stadt Gottes sein, in der Gerechtigkeit regiert und Friede erfahrbar wird.
Für mich liegt die Heiligkeit nicht nur im Land selbst, sondern in der Anwesenheit Gottes in der
Stadt in Frieden und Gerechtigkeit. In diesem Verständnis kann die Stadt Gottes der Ort sein, an dem die
Fürbitte für einen dauerhaften Frieden vorgebracht, das Friedensgespräch unter den Konfliktparteien aufrecht erhalten bleibt, Versöhnungsbereitschaft gestärkt und die Gewalt beendet wird. Gott allein ist heilig,
und die Gegenwart seiner Heiligkeit in der Stadt Jerusalem schließt die ganze Menschheit ein.
658
Vgl. Karen Armstrong, a.a.O., S. 348.
199
Abkürzungen
Abkürzungen
EKD
Evangelische Kirche in Deutschland
EMW
Evangelisches Missionswerk
JAOS
Journal of the American Oriental Society
JSAI
Jerusalem Studies in Arabic and Islam
PEF
Palestine Exploration Fund
PPTS
Palestine Pilgrims´ Text Society
UN
United Nations
VELKD
Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands
ZDMG
Zeitschriften der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft
200
Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis
A. Quellenverzeichnis
Die Bibel
Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 1984
Der Koran
Der Koran, Paret, Rudi, Graz, Austria: Verlag für Sammler, 1979
Die Botschaft des Koran, Asad, Muhammad, Ostfildern, Patmos Verlag, 2011
Der Koran, Khoury, Adel Theodor, Übersetzung und wissenschaftlicher Kommentar, Band. 5, Gütersloher:
Gütersloher Verlagshaus, 1994
Der Koran, Bobzin, Hartmut, München: Verlag C.H. Beck, 2010
Weitere Quellen
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Dieter Ferchl), Stuttgart: Philipp Reclam, 2010
Al-Wasiti, Abū Bakr Muhammad B. Ahmad, Fadā´il al-bayt al-muqaddas, ed.I, Jerusalem: The Magness
Press, 1979
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Studien zu interkultureller Theologie
an der Missionsakademie (SITMA)
ISSN 2196-4696
SITMA 1
Werner Kahl, Gabriele Lademann-Priemer (Hg.):
Lebensstörungen und Heilungen
Traditionelle Verfahren des In-Ordnung-Bringens
von Christus bis Mami Wata
ISBN 978-3-921620-81-6 | 180 Seiten | € 16,80
SITMA 2
David Puig Jordán:
Memoria subversiva
Untersuchungen zu der politischen Theologie auf Kuba
im Dialog mit Johann Baptist Metz’ Theologie nach Auschwitz
ISBN 978-3-921620-82-3 | 256 Seiten | € 24,80
SITMA 3
Norddeutsche Mission (Ed.):
The charming God
Attractions and Stumbling Blocks in our common Mission
ISBN 978-3-921620-87-8 | 144 Seiten | € 16,80
SITMA 4
Martin Odei Ajei:
The Paranormal
An inquiry into some features
of an African metaphysics and epistemology
ISBN 978-3-921620-88-5 | 112 Seiten | € 14,80
SITMA 5
Andar Parlindungan
Frieden statt Mauern
„Al-Quds“ (Jerusalem) im muslimischen Verständnis
als Zeichen der Hoffnung auf Frieden im Heiligen Land
ISBN 978-3-921620-89-2 | 224 Seiten | € 21,80
Missionshilfe Verlag
Normannenweg 17-21
20537 Hamburg
www.demh.de | [email protected]
Frieden statt Mauern
Andar Parlindungan Frieden statt Mauern
Dieses Buch soll durch die Darstellung der islamischen Geschichte und Philosophie zu einer Möglichkeit des Friedens im Heiligen Land und in Jerusalem
beitragen. Die Präsenz der Muslime in Jerusalem zeigt
uns, dass sie in dieser Zeit versucht haben, das Konzept des Friedens im Zusammenhang mit dem Thema der Gerechtigkeit in den Vordergrund zu stellen.
Durch eine ausführliche Forschung über Krieg und
Frieden im islamischen Jerusalem stellt der Verfasser fest, dass der interreligiöse Dialog ein erfolgreicher Weg zu einer friedlichen Gesellschaft sein kann.
Die vorliegende Arbeit stellt auch eine erschreckende Darstellung über Religion vor, die oft von religiösen Autoritäten politisiert wurde und wird, um die
menschliche Zivilisation zu zerstören. Die abschließende These dieser Arbeit hebt deshalb hervor, dass
die Heiligkeit nicht in der Stadt oder im Land selbst
liegt, sondern in der Anwesenheit Gottes in der Stadt
in Frieden und Gerechtigkeit.
ISBN 978-3-921620-89-2
ISSN 2196-4696
STUDIEN ZU INTERKULTURELLER
5
THEOLOGIE AN DER MISSIONSAKADEMIE
Andar Parlindungan
Frieden
statt Mauern
missionsakademie
an der universität hamburg
academy of mission
at the university of hamburg
„Al-Quds“ (Jerusalem) im muslimischen
Verständnis als Zeichen der Hoffnung
auf Frieden im Heiligen Land
5
STUDIEN ZU INTERKULTURELLER
THEOLOGIE AN DER MISSIONSAKADEMIE
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