10. Jahrgang, 3. Ausgabe 2016, 112-133 - - - Rubrik Apothekenpraxis - - - Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale. Epidemiologie Asthma und COPD Pathophysiologie Antiasthmatika Verlauf der Erkrankung Pharmazeutische Betreuung Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale - 113 - Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale. Prof. Dr. Georg Kojda* Fachpharmakologe DGPT Fachapotheker für Arzneimittelinformation *Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Georg Kojda Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie Universitätsklinikum Düsseldorf Universitätsstr. 1 40225 Düsseldorf [email protected] Lektorat Dr. rer. nat. Sören Twarock, Arzt und Apotheker Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie Universitätsklinikum Düsseldorf N.N. Den Fortbildungsfragebogen zur Erlangung eines Fortbildungspunktes zum Fortbildungstelegramm Pharmazie finden Sie hier: http://www2.hhu.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Kurzportraet.html Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale Abstract Asthma is a chronic, multifactorial and variable disorder of the airways owing to inflammation and airway hyperresponsiveness, which causes airflow limitation and recurrent shortness of breath. In Germany, the prevalence of affirmed asthma is about 7.5 %. Important triggering factors are allergens but forms of non-allergic asthma or mixed forms are known as well. The main feature is airway obstruction, often accompanied by airway hyperresponsiveness and, during the course of the disease, structural airway changes such as obstructive emphysema. Beside recurrent dyspnoea other respiratory symptoms occur. Lung function such as Forced Expiratory Volume in 1 s or Peak Expiratory Flow is frequently and more or less severely limited. Potentially lifethreatening exacerbations characterized by rapid worsening of respiratory symptoms over several hours or even days are serious complications which can occur anytime in all forms of asthma including mild asthma. New findings indicate the importance of lung growth from childhood to the third decade of life as well as the development of COPD during the later course of asthma for its prognosis. Pharmacotherapy of asthma relies on bronchodilator and anti-inflammatory drugs. Among those are glucocorticoids as well as short and long acting sympathomimetic and anticholinergic drugs. New insights in efficacy and safety of the latter drugs emerged recently. Eventually, this year the new drug mepolizumab was approved for the treatment of certain forms of severe asthma. Abstrakt Asthma bronchiale ist eine chronisch verlaufende variable multifaktorielle Atemwegsobstruktion infolge Entzündung und bronchialer Hyperaktivität mit anfallsweiser Atemnot. In Deutschland liegt die Prävalenz von ärztlich diagnostiziertem Asthma bei etwa 7,5 %. Als auslösende Faktoren eines Asthmaanfalls kommen vor allem Allergene in Betracht, jedoch sind auch nicht allergische Formen und Mischformen bekannt. Im Vordergrund steht eine Bronchokonstriktion, - 114 - die oft von bronchialer Hyperreagibilität und im weiteren Verlauf auch von strukturellen Veränderungen des Bronchialsystems wie dem obstruktiven Lungenemphysem begleitet wird. Neben der Atemnot können weitere Symptome auftreten. Die Lungenfunktion, beispielsweise die Vital- und Einsekundenkapazität, ist zumeist mehr oder weniger stark eingeschränkt. Schwerwiegende Komplikationen aller Formen von Asthma bronchiale sind lebensbedrohliche Exazerbationen, welche durch schwere, rasch aufeinanderfolgende und Stunden bis Tage anhaltende Asthmaanfälle charakterisiert sind und zu jedem Zeitpunkt auch bereits bei leichtem Asthma auftreten können. Neue Erkenntnisse weisen auf die prognostische Bedeutung der Entwicklung der Lungenfunktion vom Kindesalter bis in die dritte Lebensdekade sowie die Überlappung von Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung in fortgeschrittenen Stadien hin. Die Pharmakotherapie von Asthma beruht auf Arzneistoffen, die im Wesentlichen eine Erweiterung der Bronchien und eine Reduktion der Entzündung bewirken. Zu diesen Arzneistoffen zählen vor allem Glukokortikoide sowie kurz- und langwirksame Sympathomimetika und Anticholinergika, zu deren Wirksamkeit und Sicherheit ebenfalls neue Erkenntnisse vorliegen. Schließlich ist in diesem Jahr mit Mepolizumab ein neuer Arzneistoff für die Behandlung von bestimmten Formen von schwerwiegendem Asthma zugelassen worden. Einleitung Unter Asthma bronchiale versteht man eine chronisch verlaufende variable multifaktorielle Atemwegsobstruktion infolge Entzündung und bronchialer Hyperaktivität mit anfallsweiser Atemnot (nach Weblink 1). Die bei Asthma vorliegende anfallsweise Atemnot auf der Basis eines hyperreagiblen Bronchialsystems wird im Wesentlichen durch eine Bronchokonstriktion verursacht. Neben der Atemnot können weitere Symptome wie erschwerte Exspiration (pfeifender Atem), Husten, Unruhe, Angst sowie Steigerung von Atem- und Herzfrequenz auftreten. Die Lungenfunktion, beispielsweise die Vital- und Sekundenkapazität, ist zu- Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale meist mehr oder weniger stark eingeschränkt (1). Als auslösende Faktoren eines Asthmaanfalls kommen vor allem Allergene in Betracht. So sind Allergien der stärkste prädisponierende Faktor bei der Entwicklung eines Asthmas im Kindes- und Jugendalter. Ähnliches gilt auch bei Erwachsenen (in bis zu 80 % der Fälle). Davon abgegrenzt werden muss das nicht-allergische Asthma. Diese Form des Asthmas beruht häufig auf Infektionen der Atemwege (2), wobei Allergien bzw. IgE-Antikörper gegen Umweltallergene nicht nachweisbar sind (Weblink 1-3). Weitere Ursachen können chemisch-physikalische Irritationen, Anstrengung (Belastungsasthma) oder pseudoallergische Reaktionen wie Acetylsalicylsäure-Intoleranz sein. Es kommen auch Mischformen vor, die sich auch im Verlauf der Erkrankung entwickeln können. Bei einem kleinen Teil der Patienten, einschließlich Kindern >6 Jahre, tritt eine schwere Form von Asthma auf, die durch die derzeitigen therapeutischen Möglichkeiten nur unzureichend kontrollierbar ist (Weblink 4). Eine schwerwiegende Komplikation aller Formen von Asthma bronchiale sind zum Teil lebensbedrohliche Exazerbationen, welche durch schwere, rasch aufeinanderfolgende und Stunden bis Tage anhaltende Asthmaanfälle charakterisiert sind. Sie können zu jedem Zeitpunkt und auch bereits bei leichtem Asthma auftreten (1, 3). Nach länger dauernder Erkrankung steigt das Risiko der Entwicklung bleibender Veränderungen des gesamten Bronchialtraktes wie obstruktives Lungenemphysem und chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD, siehe auch Abschnitt Asthma und COPD) (4). Epidemiologie Asthma ist ein schwerwiegendes Gesundheitsproblem, welches weltweit ca. 315 Millionen Menschen jeden Lebensalters betrifft (5). Dabei schwankt die durchschnittliche Prävalenz eines ärztlich diagnostizierten Asthmas von 4,27 % (95% Konfidenzintervall: 4,17; 4,37) erheblich. Die größte Prävalenz wurde in Australien beobachtet (20,96 %), während die Prävalenzen in China (0,19 %) und Vietnam (0,82 %) drastisch niedriger liegen (5). Dabei ließ sich allerdings - 115 - kein Zusammenhang zwischen der Prävalenz von Rauchen bei Asthmatikern und der Prävalenz von Asthma nachweisen. Insgesamt sind in Europa mehr als ein Drittel der Asthma-Patienten Raucher. In Deutschland liegt die Prävalenz von ärztlich diagnostiziertem Asthma bei 7,58 % (5). Asthma ist die häufigste chronische Erkrankung bei Kindern, die jedoch mit zunehmendem Lebensalter oft spontan ausheilt. Dies gilt insbesondere für milde Formen des Asthmas, während schwerere Formen von Asthma in der Kindheit einen Risikofaktor für die Progression der Erkrankung ins Erwachsenenalter darstellen (1). Insgesamt persistiert die Asthmaerkrankung bei Mädchen häufiger als bei Jungen. Pathophysiologie Die Einschränkung der Ventilation bzw. die Atemwegsobstruktion bei Asthma bronchiale beruhen auf verschiedenen Veränderungen in den Atemwegen. Hierzu zählen: • • • • Bronchokonstriktion, bronchiale Hyperreagibilität, bronchiales Ödem und bronchiales Remodeling. Das vorherrschende und die klinischen Symptome auslösende Ereignis ist eine Bronchokonstriktion infolge der Exposition mit verschiedenen Stimuli, vorwiegend mit Allergenen und anderen Atemwegsreizen. Dabei bewirken Allergene eine Kontraktion der glatten Muskulatur von Bronchiolen und Bronchien, die durch IgE vermittelte Freisetzung von Mediatoren aus Mastzellen wie Histamin, Leukotrienen, Prostaglandinen und viele verschiedene Zytokine, einschließlich Interleukinen und Interferonen, vermittelt wird (Abb. 1). Es ist auch bekannt, dass pseudoallergische Reaktionen, die beispielsweise durch Acetylsalicylsäure und andere nicht steroidale Antirheumatika verursacht werden, ebenfalls durch Freisetzung solcher Mediatoren aus Mastzellen eine Bronchokonstriktion auslösen können. So wurde kürzlich die Existenz des Mastzell-spezifischen Rezeptors MRGPRX2 nachgewiesen, über welchen die Aktivierung der Mastzellen im Rahmen pseudoallergischer Reaktionen vermittelt wird (6). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale - 116 - Abb. 1: Veränderungen der Atemwege bei allergisch bedingtem Asthma. Die Aktivierung der B-Zellen zur Bildung von IgE wird durch T-Zellen, u.a. über stimulatorische Interleukine induziert. Die Bindung von IgE an seinen hochaffinen Rezeptor FcεR1 ermöglicht die Freisetzung von bereits gebildeten oder neu synthetisierten Mediatoren aus den dann aktivierten Mastzellen. Dies hat sowohl frühe als auch späte Veränderungen der Atemwege zufolge, die der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Asthma zugrunde liegen. Die Bedeutung von IgE bei Asthma wird auch durch Wirksamkeit des monoklonalen Antikörpers Omalizumab (Xolair®) verdeutlicht, der sich bei schwerem persistierendem allergischem Asthma als wirksam erwiesen hat und für diese Form der Erkrankung auch zugelassen ist (Abb. modifiziert nach ((7)). Unter bronchialer Hyperreagibilität wird eine verstärkte Bronchokonstriktion auf Stimuli verstanden, die zwar eine wichtige aber nicht einheitliche Veränderung der Atemwege bei Asthma darstellt. Liegt eine solche Hyperreagibilität vor, korreliert der Schweregrad jedoch mit dem Schweregrad des Asthmas (Weblinks 1, 3). Auch wenn der zugrunde liegende Mechanismus komplex und nicht vollständig verstanden ist, gelten entzündliche Veränderungen der Atemwege (siehe unten) als wichtiger Faktor, denn eine antientzündlich wirksame Pharmakotherapie kann die bronchiale Hyperreagibilität vermindern und die Kontrolle der Erkrankung verbessern. Im Verlauf der Erkrankung kommt es bei einigen Patienten zu strukturellen Veränderungen der Atemwege, die wahrscheinlich dafür verantwortlich sind, dass die Atemwegsobstruktion nur noch teilweise reversibel ist. Diese auch als „Remodeling“ bezeichneten Veränderungen beinhalten u.a. Atemwegsödeme, Entzündung, Hypersekretion von Mukus einschließlich eingedickter Mukuspfropfen, subepitheliale Fibrose, eine Hypertrophie der glatten Muskulatur der Atemwege sowie Angiogenese. Entzündung Entzündliche Veränderungen der Atemwege spielen eine wichtige pathophysiologische Rolle bei der Entstehung und Unterhaltung nahezu aller Formen von Asthma (Abb. 1). Daran sind nicht nur Mastzellen, sondern eine Vielzahl anderer Zellen beteiligt. Hierzu zählen u.a. Lymphozyten (u.a. T-Zellen), eosinophile Granulozyten, neutrophile Granulozyten, Makrophagen, dendritische Zellen und auch die Epithelzellen der Atemwege. Aus dem Zusammenspiel der sich gegenseitig aktivierenden Zellen, welches durch die Anwesenheit von Allergenen ausgelöst und gefördert wird, ergibt sich ein chronisch inflammatorischer Zustand, der zu Bronchokonstriktion, bronchialer Hyperreagibilität, bronchialem Ödem und bronchialem Remodeling führt. Dabei spielen eosinophile Granulozyten eine wichtige Rolle (Abb. 2), auch wenn sich nicht in allen Patienten mit Asthma, insbesondere bei leichtem Asthma, eine Anreicherung von Eosinophilen in den Bronchien findet (1, 7). In einer kleinen doppelblinden, randomi- Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale sierten und Placebo-kontrollierten klinischen Studie an Patienten mit leichtem Asthma konnte gezeigt werden, dass ein Antikörper gegen Interleukin 5 (SB240563, Mepolizumab), welcher die Neubildung und Aktivität von Eosinophilen steuert, zwar die Zahl der Eosinophilen im Sputum drastisch reduziert, jedoch die Symptome nicht bzw. kaum verbessert (8). Spätere Phase III Studien (MENSA, DREAM) an Patienten mit schwerem eosiniphilen Asthma und einer Zahl von Eosinophilen von mindestens 150/µl im peripheren Blut ergaben jedoch eine klinische relevante Wirksam- - 117 - keit von Mepolizumab (9, 10). Der Antikörper ist bereits unter dem Handelsnamen Nucala® in den USA und in Europa zugelassen und steht seit Februar 2016 auch in Deutschland für die Therapie von Asthma zur Verfügung (siehe unten). Diagnose Die Diagnose von Asthma beruht auf den Beschwerden und Symptomen der Patienten wie Atemnot, Brustenge, Husten, pfeifende Atemgeräusche sowie deren Intensität und Häufigkeit, dem Nachweis Abb. 2: Die Rolle eosinophiler Granulozyten für die allergische Entzündung bei Asthma. Inhalierte Allergene aktivieren Mastzellen und T-Lymphozyten in den Atemwegen, die dann verschiedene Zytokine freisetzen. Interleukin 5 verursacht eine terminale Differenzierung von Eosinophilen im Knochenmark. Zirkulierende Eosinophile wandern in das Gebiet der allergischen Entzündung und migrieren nach Adhäsion an Proteine vaskulärer Endothelzellen ins Gewebe (Diapedese). Dort verlängern Interleukin 5 und der Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor (GM-CSF) deren Lebensdauer im Gewebe und führen auch zu deren Aktivierung, d.h. der Freisetzung von Zytokinen, die zu einer Schädigung bronchialer Epithelzelle führen. Weitere Chemokine aktivieren die endotheliale Expression von Adhäsionsproteinen (ICAM, VCAM, Selektin). Diese unterstützen die Transmigration von Eosinophilen (circulus vitiosus) (Abb. modifiziert nach ((7)). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale einer auch partiell reversiblen Atemwegsobstruktion durch Bronchodilatatoren oder inhalativen Glukokortikoiden und ggf. dem Nachweis einer bronchialen Hyperreagibilität (Weblink 1). Es handelt sich um eine vorwiegend klinische Diagnose, denn es existiert keine standardisierte Definition von Typ, Schweregrad oder Häufigkeit der Symptome (Weblink 2). Wichtig ist ebenfalls im Rahmen der Anamnese mögliche auslösende Faktoren, beispielsweise Atemwegsreize, Umgebung (Arbeitsplatz), körperliche Belastung oder Atemwegsinfektionen und eine eventuelle Koexistenz von Risikofaktoren wie Atopie (Ekzem, Rhinitis), auch als positive Familienanamnese, zu erfassen. Wegen der großen Bedeutung von Allergien als Ursache von Asthma wird eine ausführliche allergologische Stufendiagnostik empfohlen. Für detaillierte Empfehlungen zu Anamnese und körperlicher Untersuchung sowie zu den vielen Differentialdiagnosen wird auf die derzeitigen Leitlinien verwiesen (Weblink 1-4). Verlauf der Erkrankung Was letztlich zuerst den Entzündungsprozess auslöst, der zu Asthma führt, und warum bestimmte Personen besonders empfindlich dafür sind, ist bislang noch immer ein Gegenstand intensiver Forschung. Auch wenn es bislang keine endgültige Antwort auf diese Frage gibt, sprechen die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür, dass Asthma primär in der Kindheit entsteht. Es sind eine Reihe von prädisponierenden Faktoren identifiziert worden, deren komplexes und eben bislang nicht genau verstandenes Zusammenspiel letztlich zur Entstehung der Erkrankung führt. Man unterscheidet dabei zwischen den Faktoren, die vom Patienten ausgehen und auch genetische Ursachen haben können, und Umweltfaktoren. Eine derzeit wichtige Hypothese ist die Vorstellung, dass die Entwicklung von Asthma auf einem Ungleichgewicht bei den Subpopulationen der T-Helfer-Zellen beruhen könnte (7). Vereinfacht dargestellt beruht dieser auch als „HygieneHypothese“ bezeichnete Zusammenhang auf der Annahme, dass bei der angeborenen Immunität T2-Helfer-Zellen über- - 118 - wiegen. Dieser Typ von T-Zellen setzt vor allem Zytokine frei, die einer allergischen Reaktion zugrunde liegen bzw. diese befördern (Abb. 2). Nach der Geburt bewirken Umweltfaktoren, beispielsweise Infektionen, eine stärkere Aktivierung von T1-Helfer-Zellen und damit eine Verminderung des ursprünglichen Ungleichgewichtes. Dieser Typ von T-Zellen setzt vor allem Interleukin-2 und Interferon-γ frei, zwei Mediatoren, die eine wichtige Funktion für die Immunabwehr von Infektionen erfüllen. So konnte gezeigt werden, dass die Inzidenz von Asthma nach Infektionen wie Masern, Hepatitis A oder Tuberkulose reduziert ist. Ähnliches gilt auch für den frühen Kontakt zu anderen Kindern (Kita, Geschwister) und dem selteneren Gebrauch von Antibiotika (Weblink 3). Wird ein Kind von solchen Umweltfaktoren abgeschottet („Hygiene-Hypothese“), könnten andere Umweltfaktoren, beispielsweise typische Allergene, wegen des relativen Mangels an T1-HelferZellen zu einer stärkeren Reaktion mit vermehrter Bildung von IgE führen (Abb. 1). Somit könnte also ein Zusammenwirken von Umweltfaktoren und Patientenfaktoren ursächlich an der Entstehung von Asthma beteiligt sein. Allerdings sind viele Einzelheiten bislang noch nicht ausreichend erforscht, beispielsweise die Rolle genetischer Faktoren oder die des Geschlechtes sowie die gegensätzlichen Beobachtungen nach Infektionen mit RSV (Respiratorische Synzytial-Viren). In einer kürzlich publizierten Studie wurden 684 von insgesamt 1.041 Kindern (5-12 Jahre) mit Asthma, die in einer früheren Therapiestudie im Mittel für 4,5 Jahre mit Budesonid, Nedocromil oder Placebo behandelt worden waren, bis in die dritte Lebensdekade nachbeobachtet. Dabei klassifizierten die Autoren die Patienten nach vier Formen, die Anstieg und Abfall der Ventilation in Abhängigkeit vom Lebensalter spiegeln (11). Bei Lungengesunden steigt die Ventilation, gemessen als Einsekundenkapazität bzw. FEV1 („Forced Expiratory Volume in 1 s“), bis ins Erwachsenenalter an und erreicht zwischen dem 18. und dem 30. Lebensjahr ein Plateau, woraufhin es mit zunehmendem Alter zu einer langsamen Abnahme des FEV1 kommt. Bei Erkran- Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale kungen der Lunge verändert sich diese Verlaufskurve. Dabei sind drei Szenarien denkbar: Ein normaler Anstieg bei frühem Abfall des FEV1, ein reduzierter Anstieg bei normalem Abfall des FEV1 und ein reduzierter Anstieg bei frühem Abfall des FEV1 (Abb. 3). Nach den Ergebnissen der Studie waren die Patienten in etwa gleichmäßig auf die vier genannten Verläufe verteilt. So zeigten • • • 25 % der Patienten einen normalen Verlauf der Entwicklung des FEV1, 26 % der Patienten zwar einen normalen Anstieg jedoch einen frühen Abfall, 23 % der Patienten einen reduzierten Anstieg bei normalem Abfall und • - 119 - 26 % der Patienten einen reduzierten Anstieg und einen frühen Abfall des FEV1. Somit wurden bei drei Viertel der Patienten mit Asthma im Kindesalter nicht normale Verläufe der Entwicklung des FEV1 und somit eine Einschränkung der Lungenfunktion bereits in der Mitte der 3. Lebensdekade beobachtet. Dabei zeigten vor allem die Patienten mit reduziertem Anstieg des FEV1 bereits in diesem Alter eine Einschränkung der Ventilation, die nach den Kriterien der „Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease“ (GOLD) einer COPD in den Stadien 1 bis 3 entsprach (siehe auch Asthma und COPD). Dies traf für 15 % der Patienten ohne und für 21 % der Patienten mit einem frühen Abfall zu. Abb. 3: Verlauf der Entwicklung der Einsekundenkapazität bzw. FEV1 („Forced Expiratory Volume“ in 1 s) während der ersten 3 Lebensdekaden im Vergleich. Bei Lungengesunden steigt das FEV1 bis ins Erwachsenenalter an und erreicht zwischen dem 18. und dem 30. Lebensjahr ein Plateau, woraufhin es mit zunehmendem Alter zu einer langsamen Abnahme des FEV1 kommt. Bei Erkrankungen der Lunge verändert sich diese Verlaufskurve wobei drei Szenarien denkbar sind: Ein normaler Anstieg bei frühem Abfall des FEV1, ein reduzierter Anstieg bei normalem Abfall des FEV1 und ein reduzierter Anstieg bei frühem Abfall des FEV1. Letzterer Verlauf ist nach den Daten von McGeachie et al. (11) mit der schlechtesten Prognose der Asthmaerkrankung verbunden (Näheres siehe Text, Abb. modifiziert nach (11)). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale Darüber hinaus ergaben sich aus den Regressions-Analysen im Vergleich zu Patienten mit einem normalen Verlauf verschiedene Risikofaktoren. So wiesen die Patienten mit reduziertem Anstieg des FEV1 zu Beginn der Beobachtung im Kindesalter niedrigere FEV1-Werte, eine geringere Reaktion auf Bronchodilatatoren und eine größere bronchiale Hyperreagibilität auf (je P<0,001). Zudem waren diese Patienten jünger und eher männlichen Geschlechts. Dementsprechend kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Kinder mit persistierendem Asthma und reduziertem Anstieg des FEV1, ein höheres Risiko haben bereits als junge Erwachsene eine manifeste Atemwegsobstruktion und möglicherweise eine COPD zu entwickeln. Da ein reduzierter Anstieg des FEV1 bereits in der Kindheit nachweisbar ist, könnten frühe serielle Messungen des FEV1 dazu beitragen, Kinder und Adoleszente mit leichtem bis mittelschweren Asthma zu identifizieren, die ein höheres Risiko für eine chronische Atemwegsobstruktion im jungen Erwachsenenalter aufweisen. Es ist allerdings bislang nicht bekannt, ob therapeutische Interventionen eine solche Entwicklung modifizieren können. Asthma und COPD Asthma und COPD werden als unterschiedliche Erkrankungen betrachtet, für welche auch separate Leitlinien ausgearbeitet wurden. So ist beispielsweise, im Gegensatz zu Asthma, Rauchen der mit Abstand größte Risikofaktor für die Entwicklung einer COPD, auch wenn nur ein geringer Anteil der Raucher eine manifeste COPD aufweist. Dennoch ist auch die COPD eine chronisch verlaufende entzündliche Erkrankung, deren obstruktive Komponente jedoch mehr durch eine chronische Bronchitis sowie eine progrediente Schädigung der Alveolen (Emphysem) gekennzeichnet ist, die oft, aber nicht immer, koexistieren (12). Die COPD wird normalerweise erst in höherem Lebensalter symptomatisch und ist häufig mit chronischem Husten und teilweise keuchendem Atem assoziiert. Darüber hinaus zeigen Patienten mit COPD oft eine geringe Einsicht in die Schwere der Erkrankung (13). Die fortschreitende Schädigung des Lungengewebes vermin- - 120 - dert nicht nur das FEV1, sondern erhöht auch das Residualvolumen der Atemluft in der Lunge, so dass die Patienten mit COPD bei höherem Residualvolumen atmen müssen, um das Ausatmen zu verbessern (mehr respiratorische Arbeit). Daraus erklärt sich u.a. die üblicherweise geringe Reversibilität der Atemwegsobstruktion durch Bronchodilatatoren sowie die zunehmende Einschränkung der Belastungstoleranz, die oft zu Vereinsamung und Depression führt (Weblink 5). Während einer Exazerbation, d.h. einer deutlichen und länger anhaltenden Verstärkung der Symptomatik, fällt auch das FEV1 deutlich ab (Abb. 4), wobei der Abfall bei COPD langsamer erfolgt als bei Asthma. Hier sind Exazerbationen mit rascherem Abfall und rascherer Erholung des FEV1 verbunden. Mit fortschreitender Dauer der Erkrankung kann das FEV1 auch bei einem Teil der Asthmapatienten im Alter von 60 Jahren unter 50 % des Normalwertes sinken, nimmt aber nur selten so stark ab, wie bei COPD. In diesen fortgeschrittenen Fällen ist es kaum mehr möglich Asthma und COPD klinisch zu unterscheiden, weshalb sich der Begriff „Asthma-COPD-Overlap-Syndrome“ (ACOS) für solche Patienten etabliert hat (14). Die Prävalenz eines ACOS steigt mit höherem Lebensalter an. Es ist gut belegt, dass die für Asthma typischen Veränderungen wie beispielsweise die bronchiale Hyperreagibilität, die Reversibilität der Bronchialobstruktion oder das vermehrte Auftreten von Eosinophilen auch bei Patienten mit COPD auftreten können. Umgekehrt ist ebenfalls möglich, dass Asthmapatienten nur eine geringe bronchiale Hyperreagibilität, Reversibilität der Bronchialobstruktion und Akkumulation von Eosinophilen aufweisen. Trotz der Schwere der Atemwegserkrankung sind zur Behandlung des ACOS keine therapeutischen Interventionen gezielt in klinischen Studien geprüft worden. Darüber hinaus fehlt es an einer einheitlichen Definition des Syndroms. Daher kommen Postma und Rabe zu dem Schluss, dass es noch zu früh ist ACOS als eigene Erkrankung zu betrachten (14). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale - 121 - Abb. 4: Schematischer Verlauf der Lungenfunktion bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und Asthma. COPD ist eine chronische entzündliche Erkrankung der Bronchiolen an welcher chronische Bronchitis und eine Zerstörung der Alveolarwände (Emphysem) beteiligt sind. Bereits im Alter von 25 Jahren kann die Lungenfunktion eingeschränkt sein (siehe Abb. links). Im Verlauf der Erkrankung sinkt Einsekundenkapazität bzw. FEV1 („Forced Expiratory Volume“ in 1 s) gegenüber dem normalen Verlust beschleunigt ab, kann im Alter von 60 Jahren auf etwa 50 % und später sogar bis auf 25 % des Normalwertes abfallen (12). Während einer Exazerbation, d.h. einer deutlichen und länger anhaltenden Verstärkung der Symptomatik, fällt auch der FEV1 deutlich ab, wobei der Abfall bei COPD mehr allmählich erfolgt als bei Asthma. Hier sind Exazerbationen mit rascherem Abfall und Erholung des FEV1 verbunden. Mit fortschreitender Dauer der Erkrankung kann der FEV1 auch bei einem Teil der Asthmapatienten im Alter von 60 Jahren unter 50 % des Normalwertes sinken, nimmt aber nur selten so stark ab, wie bei COPD. In diesen fortgeschrittenen Fällen ist es kaum mehr möglich Asthma und COPD zu unterscheiden, weshalb sich der Begriff „Asthma-COPD-Overlap-Syndrome“ (ACOS) für solche Patienten etabliert hat (siehe auch Text, Abb. modifiziert nach (14)). Antiasthmatika • Die Behandlung des Asthmas hat im Wesentlichen zum Ziel, die Bronchokonstriktion sowie die Veränderungen der Bronchialschleimhaut zu vermindern und die Häufigkeit der Anfälle zu reduzieren. Hierzu werden neben Maßnahmen zur Patientenschulung und präventiven Maßnahmen wie Allergenkarenz nach einem Stufenplan mit zunehmendem Schweregrad der Erkrankung verschiedene Arzneistoffgruppen eingesetzt. Als Kriterien zur Kontrolle des Asthmas gelten (Weblink 2): • • keine Symptome am Tag • • • • kein Erwachen in der Nacht durch Asthma kein oder nur geringfügiger Gebrauch von Bedarfsmedikation keine Asthma-Attacken keine Einschränkungen der Aktivität einschließlich Sport normale Lungenfunktion (FEV1> 80% des Normwerts) minimale Nebenwirkungen durch Asthma-Medikamente Stufenschemata Die Pharmakotherapie des Asthma bronchiale richtet sich nach dem Grad der erreichten Kontrolle des Asthmas und dem Lebensalter, d.h. es wird zwischen Erwachsenen und Kindern bzw. Jugendlichen unterschieden. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale - 122 - Stufenschema zur Pharmakotherapie des Asthma bronchiale Stufe 1: Bronchodilatatoren wie kurz wirksame β2-Sympathomimetika oder Muskarinrezeptor-Antagonisten als Bedarfsmedikation Stufe 2: Bedarfsmedikation plus inhalative Glukokortikoide in niedriger Dosierung oder alternativ plus Montelukast Stufe 3: Bedarfsmedikation plus inhalative Glukokortikoide in mittlerer Dosierung, alternativ inhalative Glukokortikoide in niedriger Dosierung plus lang wirksame β2-Sympathomimetika, Montelukast oder Theophyllin (nicht bei Kindern<12 Jahre), Stufe 4: Stufe 5: Bedarfsmedikation plus inhalative Glukokortikoide in mittlerer bis hoher Dosierung plus lang wirksame β2-Sympathomimetika, evtl. plus Montelukast, Theophyllin und/oder Tiotropiumbromid (nur bei Erwachsenen) bei Kindern Bedarfsmedikation plus inhalative Glukokortikoide in hoher Dosierung, alternativ inhalative Glukokortikoide in mittlerer bis hoher Dosierung plus Montelukast oder lang wirksame β2-Sympathomimetika zusätzlich zu Stufe 4 orale Glukokortikoide, ggf. Omalizumab oder Mepolizumab Tab. 1: Vereinfachte Darstellung der Stufenschemata zur Pharmakotherapie des Asthma bronchiale bei Kindern und Erwachsenen. Für detaillierte Empfehlungen zur Therapieführung und Auswahl der Arzneistoffe wird auf die derzeitigen Leitlinien verwiesen (Weblink 1-4). β2-Sympathomimetika Die vorwiegend β2-selektiven Agonisten bewirken eine direkte Dilatation der Bronchien, die auf einer Relaxation der glatten Muskulatur der Bronchien beruht. Entscheidend hierfür ist eine Erniedrigung der intrazellulären Konzentration von freiem Ca2+. Die derzeit für die Therapie von Asthma in Deutschland zugelassen β2-selektiven Agonisten unterscheiden sich therapeutisch hinsichtlich Wirkungseintritt, Wirkdauer und der Art der inhalativen Applikation, entweder durch Treibgasdosieraerosole oder durch Trockenpulverinhalationssysteme: • • SABAs (RABAs): kurzwirksame β2-selektive Agonisten („Short (Rapid) Acting Beta Agonist“) wie Fenoterol, Salbutamol, und Terbutalin wirken bereits innerhalb der ersten Minuten, jedoch nur für ca. 3-5 Stunden (Bedarfsmedikation) LABAs: der langwirksame β2selektive Agonist („Long Acting Beta Agonist“) Salmeterol wirkt erst innerhalb von 15-30 Minuten, während der Wirkungseintritt von Formoterol ähnlich rasch erfolgt wie bei RABAs, bei beiden Arzneistoffen hält die Wirkung jedoch • mehr als 12 Stunden an (2-mal tägliche Gabe) uLABAs: ultralangwirksame β2selektive Agonisten wie Vilanterol, welches jedoch bei der Indikation Asthma nur in Kombination mit Fluticason (s.u.) zugelassen ist und ebenfalls 2-mal täglich appliziert werden muss. Die uLABAs Indacaterol und Olodaterol sind nur für die Therapie der COPD zugelassen (Weblink 5) SABAs sind Mittel der Wahl für die Behandlung einer akuten Bronchialobstruktion und für die Prävention von akuter Bronchialobstruktion durch körperliche Belastung (Anwendung kurz vor Belastung). Sie sollten für diesen Zweck jedem Patienten mit Asthma verordnet werden (Weblinks 2, 3). Die Häufigkeit der Anwendung von SABAs ist ein wichtiger Indikator für die Kontrolle des Asthmas, denn der Dauergebrauch von SABAs ist mit einem erhöhten Risiko von lebensbedrohlichem oder tödlichem Verlauf des Asthmas assoziiert (15). Bei mehr als 2-mal wöchentlichem Gebrauch zur Behandlung von Symptomen sollte daher eine anti-inflammatorische Therapie eingeleitet oder intensiviert werden (Tab. 1)(1). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale Die zusätzliche Gabe von LABAs bei ungenügender Asthmakontrolle durch inhalative Glukokortikoide verbessert die Lungenfunktion und vermindert die Symptomatik, die Rate von Exazerbationen sowie die Notwendigkeit des Gebrauchs von SABAs (Weblinks 2, 3). Allerdings zeigten zwei große klinische Studien, dass die Behandlung mit Salmeterol gegenüber Placebo – paradoxerweise - mit einem erhöhten Risiko für Asthma-bedingte Todesfälle verbunden war (16, 17). Aus diesem Grund empfehlen die Leitlinien, LABAs nicht als Monotherapie für die langfristige AsthmaKontrolle einzusetzen. Eine kürzlich erschienene Studie hat die Sicherheit von Salmeterol in Kombination mit Fluticason gegenüber einer Monotherapie mit Fluticason an 11.679 jugendlichen (Alter >12 Jahre) und erwachsenen AsthmaPatienten untersucht (18). Alle Patienten hatten im Jahr vor der Randomisierung eine schwerwiegende Exazerbation erlitten. Ausgeschlossen wurden Patienten mit instabilem oder lebensbedrohlichem Asthma und Patienten mit einer schwerwiegenden Exazerbation im letzten Monat vor der Randomisierung. Primärer Endpunkt war das erste schwerwiegende mit Asthma verbundene Ereignis (Tod, endotracheale Intubation oder Hospitalisierung). Dieser Endpunkt trat in beiden Gruppen mit vergleichbar geringer Häufigkeit auf, wobei keine Asthmaassoziierten Todesfälle beobachtet wurden. Andererseits war die Anwendung der Kombination mit signifikant geringerer Rate an Exazerbationen und damit einer besseren klinischen Wirkung verbunden. Somit ist die fixe Kombination von Salmeterol und Fluticason effektiver und sehr wahrscheinlich genauso sicher wie die alleinige Anwendung von Fluticason. Allerdings bleibt offen, ob dies auch für Patienten mit instabilem oder lebensbedrohlichem Asthma zutrifft. Die Selektivität β2-selektiver Agonisten ist nur relativ, sodass es in therapeutischen Konzentrationen auch bei inhalativer Gabe zu einer klinisch relevanten Stimulation von β1-Adrenozeptoren kommen kann. Besonders bei der zur Tokolyse notwendigen höheren Dosierung und intravenösen Applikation treten sehr häufig kardiale Nebenwirkungen wie Palpitationen und Tachykardie auf. Kardiale Nebenwirkungen wie Arrhythmien, - 123 - pektanginöse Beschwerden und ventrikuläre Extrasystolen werden aber auch bei lokaler Anwendung ausgelöst, kommen aber nur gelegentlich und damit deutlich seltener vor. Dennoch sind bei inhalativer Gabe dieser Arzneistoffe kardiale Erkrankungen wie hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie oder tachykarde Arrhythmien Kontraindikationen für die Anwendung. Glukokortikoide Diese Arzneistoffgruppe wirkt vor allem über antientzündliche Effekte. Glukokortikoide binden an intrazelluläre Rezeptoren, die nach Dimerisierung und Translokation in den Zellkern das Expressionsmuster von Proteinen u.a. der Zellen verändern, die zur Unterhaltung der Entzündung beitragen. So vermindern Glukokortikoide beispielsweise die bronchiale Akkumulation von Eosinophilen, die Bildung von Zytokinen und die Freisetzung inflammatorischer Mediatoren (Abb. 2). Bei der Therapie von Asthma bronchiale gelten Glukokortikoide als Mittel der ersten Wahl zur Einleitung und Aufrechterhaltung einer regulären präventiven Therapie, auch bei Kindern <5 Jahre (Weblink 2). Dies beruht auf vielen klinischen Studien nach welchen Glukokortikoide die Kontrolle des Asthmas, die Lebensqualität der Patienten, die Ventilation (u.a. FEV1) und möglicherweise den Verlust von Lungenfunktion verbessern. Gleichzeitig werden die Schwere der Symptomatik, die bronchiale Hyperreagibilität, die Rate der Exazerbationen und die Rate an Asthmabedingten Todesfällen reduziert (Weblink 3). Diese Effekte treten vor allem bei der Therapie mit niedrigen Dosierungen auf. Bei höheren Dosierungen ist der zusätzliche klinische Effekt geringer und das Risiko von Nebenwirkungen, einschließlich Wachstumsstörungen bei Kindern (s.u.), steigt an. Zur Vermeidung schwerwiegender Nebenwirkungen, die nach länger dauernder systemischer Therapie mit Glukokortikoiden auftreten, beispielsweise Cushing-Syndrom, Osteoporose, Diabetes, Glaukom, Suppression der Nebennierenrinde, Magen-Darm Ulcera, Hypertonie oder Wachstumsstörungen bei Kindern und Jugendlichen werden Glukokortikoide inhalativ appliziert. Darüber hinaus finden Glukokortikoide Anwendung, die einen hohen „First-Pass“-Effekt bzw. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale eine rasche Plasma-Clearance aufweisen und somit kaum systemisch zur Wirkung kommen. Hierzu zählen derzeit: • • • • • • Beclometason, Budesonid, Ciclesonid, Flunisolid, Fluticason oder Mometason Dennoch können vor allem bei höherer Dosierung geringfügige systemische Nebenwirkungen auftreten, weshalb empfohlen wird, jeweils die geringstmögliche Dosierung zu verwenden (Weblinks 13). Trotz der o.g. Nebenwirkungen sind orale Glukokortikoide wie Prednisolon aber gegebenenfalls eine wichtige therapeutische Alternative, wenn es sich um Notfälle handelt, die Behandlung nur über wenige Wochen erfolgt oder sich mit keiner anderen Pharmakotherapie eine Kontrolle des Asthmas erreichen lässt (Stufe 5). Eine oft geäußerte Besorgnis ist, dass auch die inhalative Therapie mit niedrigen und mittleren Dosierungen zu Wachstumsstörungen bei Kindern führt. So konnte in einer Placebo-kontrollierten Studie an Vorschulkindern mit Asthma im Alter von 2-3 Jahren gezeigt werden, dass das Längenwachstum der mit Fluticason (2-mal 88 µg/Tag) behandelten Kinder um 1,1 cm geringer war, als bei den Kindern, die mit Placebo behandelt wurden. Ein Jahr nach Beendigung der Therapie betrug dieser Unterschied nur noch 0,7 cm, blieb jedoch signifikant (19). Somit kann davon ausgegangen werden, dass durch inhalative Glukokortikoide induzierte Störungen des Längenwachstums bei kleinen Kindern gering ausfallen und nicht progredient verlaufen sondern eher reversibel sind. Lokale Nebenwirkungen treten dagegen bei inhalativen Glukokortikoiden häufig auf. Hierzu zählen oropharyngeale Candida-Infektionen (Mundsoor), Reizwirkungen im Rachenraum, Husten und Heiserkeit. Diese Nebenwirkungen können durch Gebrauch eines Spacers und/oder das Ausspülen des Mundes nach der Inhalation reduziert werden. Muskarinrezeptor-Antagonisten Diese Arzneistoffgruppe bewirkt eine direkte Dilatation der Bronchien. Es handelt sich um kompetitive, unselektive Antagonis- - 124 - ten an muskarinergen ACh-Rezeptoren (M1-M5), beispielsweise in Speicheldrüsen (M1) und in Bronchiolen (M3). Auch diese Arzneistoffe unterscheiden sich therapeutisch hinsichtlich des Wirkungseintritts, der Wirkdauer und der Art der inhalativen Applikation, entweder durch Treibgasdosieraerosole oder durch Trockenpulverinhalationssysteme: • SAMA: der kurzwirksame Muskarinrezeptor-Antagonist („Short Acting Muscarinergic Antagonist“) Ipratropiumbromid wirkt bereits innerhalb der ersten Minuten, jedoch nur für ca. 3-5 Stunden (Bedarfsmedikation) • LAMA: der langwirksame Muskarinrezeptor-Antagonist („Long Acting Muscarinergic Antagonist“) Tiotropiumbromid wirkt erst innerhalb von 15-30 Minuten, jedoch hält die Wirkung über 24 Stunden an (einmal tägliche Gabe), weitere LAMAs sind für die Behandlung der COPD zugelassen (s.u.). Ipratropiumbromid verstärkt die durch β2-Agonisten ausgelöste Bronchodilatation. Diese Kombination eignet sich daher zur Behandlung von akutem, schwerwiegendem oder lebensbedrohlichem Asthma. Der Arzneistoff kann bei Unverträglichkeit ebenfalls als Ersatz für SABAs oder auch in Kombination mit SABAs verwendet werden, beispielsweise auch zur Vermeidung kardialer Nebenwirkungen bei der Notfalltherapie von Exazerbationen (Weblink 2). Tiotropium war, wie auch die LAMAs Umeclidiniumbromid, Glycopyrroniumbromid und Aclidiniumbromid, ursprünglich nur für die Behandlung der COPD zugelassen. Es hat sich jedoch in klinischen Studien an Patienten mit schlecht kontrolliertem Asthma gezeigt, dass Tiotropiumbromid (Respimat) eine bessere Kontrolle des Asthmas ermöglicht. So führte die Therapie mit Salmeterol oder Tiotropium zu einer vergleichbaren Erhöhung des „Peak Expiratory Flow“ (PEF) sowie zu einer besseren Kontrolle der Erkrankung als die Verdoppelung der Glukokortikoiddosis (20). In einer zweiten klinischen Studie führte Tiotropiumbromid als add-on Therapie (andere Antiasthmatika durften beibehalten wer- Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale den) zu einer stabilen Erhöhung des FEV1 sowie einer geringen Reduktion von schweren Exazerbationen (21). Daher ist Tiotropium als Dosieraerosol (2,5 µg pro Sprühstoß) nun auch als zusätzlicher Bronchodilatator bei erwachsenen Asthma-Patienten zugelassen worden, die trotz LABA und höher dosierten Glukokortikoiden häufig Episoden akuter Bronchialobstruktion (Stufe 4) sowie eine starke dauerhafte Einschränkung des FEV1 (persistente Obstruktion) aufweisen, und die im Vorjahr mindestens eine schwere Exazerbation erlitten haben. Bei inhalativer Anwendung ist Mundtrockenheit die einzige häufige Nebenwirkung. Für Ipratropiumbromid werden ebenfalls Kopfschmerzen, Schwindel, Husten, Rachen-Irritationen, gastrointestinale Motilitätsstörungen, Geschmacksstörung und Übelkeit als häufige Nebenwirkungen angegeben (Weblink 6). Leukotrienrezeptor-Antagonisten Leukotriene werden von Entzündungszellen wie aktivierten Mastzellen oder Eosinophilen freigesetzt (Abb. 1, 2). Sie können bei Patienten mit Asthma zur Bronchialobstruktion beitragen, vermehren die Sekretion von Mukus, erhöhen die vaskuläre Permeabilität (Ödem) und unterhalten die Entzündung durch Rekrutierung und Aktivierung weiterer Entzündungszellen. Daher erscheint es sinnvoll, die Wirkung von Leukotrienen zu hemmen. Dies kann entweder durch eine Hemmung der für die Synthese wichtigen 5-Lipoxygenase durch Zileuton (in Deutschland nicht im Handel) oder durch Blockade der Leukotrienrezeptoren vom Typ 1 (CysLT1-Rezeptoren) wie Montelukast und Zarfilukast (in Deutschland nicht im Handel) verwirklicht werden. Montelukast wird nicht inhalativ sondern oral appliziert, was insbesondere bei Kindern, vor allem jenen, die eine inhalative Gabe nicht akzeptieren, einen Vorteil darstellen kann. Es sind auch Formulierungen wie Kautabletten und Granulate verfügbar (Weblink 7). In Leitlinien wird Montelukast im Allgemeinen als Reservetherapie empfohlen, wenn Patienten, einschließlich Kindern <5 Jahre, trotz Bedarfsmedikation und inhalativer Glukokortikoide symptomatisch bleiben (Stufe 3, Weblinks 1, 3). Dies ist allerdings nicht unumstritten, denn trotz der etwa 15 Jahre andauern- - 125 - den Zulassung bleibt die Studienlage wenig beweiskräftig. Daher kommen Chauhan et al. in einer unabhängig erstellten umfassenden Metaanalyse aus Studien mit Kindern zu dem Schluss, dass die Effektivität und Sicherheit von Leukotrienrezeptor-Antagonisten nicht ausreichend belegt ist um die o.g. Empfehlung zu rechtfertigen (22). In einer 2 Jahre später erschienen Metaanalyse konnten nur 2 Studien an Kindern <5 Jahre identifiziert werden und in beiden Studien war Montelukast weniger wirksam als inhalative Glukokortikoide (23). Dies lässt auch Empfehlungen unsicher erscheinen (Tab. 1), Montelukast als Alternative zu inhalativen Glukokortikoiden bei Kindern bereits in Stufe 2 zu verwenden. Schließlich ergab eine weitere Metaanalyse, dass für Leukotrienrezeptor-Antagonisten auch bei viral bedingtem Asthma bislang kein schlüssiger Nachweis für eine Besserung von Symptomen, beispielsweise im Sinne der Reduktion von Notfallbehandlungen (u.a. orale Glukokortikoide), existiert. Dies wird in einer derzeit aktuellen Leitlinie auch so wiedergegeben (Weblink 2). Als Nebenwirkungen einer Therapie mit Montelukast treten sehr häufig Infektionen der oberen Atemwege auf. Häufige Nebenwirkungen bei Erwachsenen und Jugendlichen (>15 Jahre) sind Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Diarrhoe, Übelkeit, Erbrechen, Erhöhung der Serum-Transaminasen ALT und AST, Ausschlag und Pyrexie. Bei Kleinkindern (624 Monate) wird ausdrücklich auf häufige Nebenwirkungen wie Diarrhoe, Hyperaktivität, Asthma, ekzematöse Dermatitis und Ausschlag hingewiesen (Weblink 7). Theophyllin Das zuvor für etwa 15 Jahre nur als Diuretikum verwendete Theophyllin wurde bereits 1922 für die Therapie von Asthma und COPD eingeführt und war der erste, und für viele Jahrzehnte auch der einzige, zur Verfügung stehende Arzneistoff. Als orale retardierte Arzneiform ist Theophyllin auch für die Behandlung zentraler Atemregulationsstörungen (z. B. Schlafapnoe) zugelassen (Weblink 8). Wie die β2-selektiven Agonisten bewirkt Theophyllin eine Dilatation der Bronchien, die auf einer Relaxation der glatten Muskulatur der Bronchien beruht. Entscheidend hierfür Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale ist eine Erniedrigung der intrazellulären Konzentration von freiem Ca2+, die vorwiegend durch den Antagonismus an Adenosin-A1 und -A2-Rezeptoren zustande kommt (24). Auch eine Hemmung der Phosphodiesterase (PDE) trägt vermutlich zu dem therapeutischen Effekt bei, da die Hemmung der PDE III in der glatten Muskulatur eine direkte Dilatation der Bronchien auslöst, während die Hemmung der PDE IV eine Verminderung der Freisetzung von Mediatoren aus beispielsweise Makrophagen auslöst. Auf der spezifischen Hemmung der PDE IV beruht auch der therapeutische Effekt von Roflumilast, ein Arzneistoff, der bislang nur für die Behandlung der COPD zugelassen ist (Weblink 9). Neben der Bronchodilatation, die mit einer geringen Besserung der Lungenfunktion einhergeht, steigert Theophyllin die mukoziliäre Clearance, führt zu einer zentralen Atemstimulation und löst bereits in niedriger Dosierung antiinflammatorische Effekte aus. Darüber hinaus wirkt Theophyllin diuretisch und steigert die Bildung von Magensaft. Diese Effekte sind für einige Nebenwirkungen verantwortlich (s.u.). Der therapeutische Nutzen von Theophyllin zur Therapie von Asthma ist unbestritten. Ein Vergleich der Effektivität von Theophyllin in adjustierter Dosierung (s.u.) mit dem Nutzen von LABAs bei Anwendung zur Langzeitkontrolle an Patienten mit persistierender Symptomatik (ca. 60 % erhielten inhalative Steroide) zeigte, dass LABAs, insbesondere Salmeterol, hinsichtlich der Steigerung des „Peak Expiratory Volume“ (PEV), jedoch nicht hinsichtlich der Steigerung des FEV1, signifikant überlegen waren, aber deutlich weniger Nebenwirkungen auslösten (25). Ähnliches hat sich im Rahmen einer Meta-Analyse auch für die Verwendung von i.v. Theophyllin gegenüber inhalativen nicht-selektiven (Noradrenalin, Isoproterenol) und β2selektiven Agonisten (Salbutamol, Albuterol) bei schwerwiegenden Exazerbationen gezeigt, die eine Notfallaufnahme der Patienten erforderte. So war Theophyllin in etwa gleich wirksam wie die β2-Agonisten, löste aber auch hier deutlich häufiger Nebenwirkungen aus (26). Diese Unterschiede machen Theophyllin bei der Therapie von Asthma zu einem Reservepräparat (Tab. 1). - 126 - Die Anwendung von Theophyllin ist teilweise mit schwerwiegenden Nebenwirkungen wie einer Steigerung von Herzfrequenz und Herzminutenvolumen sowie die zentral stimulatorische Wirkung (cave: zentrale Krampfanfälle) begleitet, weshalb die therapeutische Breite gering ist (Weblinks 1-4). Dies gilt sowohl für die i.v.-Anwendung als auch für die orale Gabe (24). Hierzu trägt vor allem eine schwierige Pharmakokinetik mit stark schwankenden Plasmaspiegeln aufgrund schwankender Elimination bei (24). Aus diesem Grund wird empfohlen die Plasmaspiegel von Theophyllin zu messen und gegebenenfalls die Dosis anzupassen. So wird Theophyllin, wie auch Coffein, vorwiegend durch CYP1A2 und CYP2E1 metabolisiert (Weblink 10). Da Rauchen (nicht Nikotin) ein starker Induktor von CYP1A2 ist, muss bei jeder Änderung des Rauchstatus des Patienten, also Rauchstopp oder Rückfall nach Rauchstopp, erneut die Dosis angepasst werden. Dies gilt auch für Anzeichen einer Veränderung der Wirkung, beispielsweise eine Abnahme der Asthmakontrolle oder das verstärkte Auftreten von Nebenwirkungen. Induktoren von CYP1A2 wie Carbamazepin, Rifampicin oder auf Holzkohle gegrilltes Fleisch können die Wirkung von Theophyllin beeinträchtigen. Andererseits können CYP1A2 Inhibitoren wie Amiodaron, Efavirenz, Gyrasehemmer (kontraindiziert ist Enoxacin), Fluvoxamin und Ticlopidin (Weblink 10) u.a. die kardiovaskuläre und die ZNS-Toxizität von Theophyllin steigern. Eine pharmakodynamische Interaktion kann bei gleichzeitiger Gabe von Arzneistoffen wie Bupropion oder Aminopyridinen (Fampridin und Amifampridin) auftreten, die die Schwelle für Krampfanfälle senken. Deshalb ist es bei Patienten, die mit Theophyllin behandelt werden, ratsam, jede Änderung der Medikation auf möglicherweise auftretende Interaktionen zu prüfen. Sehr häufige Nebenwirkungen einer i.v. bzw. oralen Therapie mit Theophyllin sind Veränderungen der Serumelektrolyte (vor allem Hypokaliämie), Anstieg von Serum-Calcium, Hyperglykämie, Hyperurikämie, Kopfschmerzen, Agitation, Tremor, Unruhe, Schlaflosigkeit, Schwindel, Tachykardie, Arrhythmie, Palpitationen, Hypotonie, Übelkeit, Magen-DarmBeschwerden, Erbrechen, Durchfall, ver- Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale stärkte Diurese und Anstieg von SerumKreatinin. Die Häufigkeit von Krampfanfällen wird nicht angegeben (Weblink 8). Es wird vermutet, dass Krampfanfälle vor allem bei zu hohen Plasmakonzentrationen von Theophyllin auftreten und durch einen Antagonismus an Adenosin-Rezeptoren im zentralen Nervensystem verursacht werden (27). Andere Antiasthmatika Neben den oben aufgeführten Antiasthmatika stehen für bestimmte Fälle weitere Pharmaka zur Verfügung. Diese Antiasthmatika werden in den Leitlinien als Reservetherapeutika eingestuft (Weblinks 1-3). Hierzu gehören Mastzell-Stabilisatoren und neuere Antikörper gegen IgE (Omalizumab) und Interleukin 5 (Mepolizumab). Mastzell-Stabilisatoren Die zu dieser Gruppe gehörenden Arzneistoffe, u.a. Cromoglicinsäure und Nedocromil, können die stimulierte Freisetzung von Mediatoren wie Histamin, Leukotrien B4 oder C4 aus Mastzellen blockieren, haben aber weder einen Einfluss auf die Ausbildung des Antigen-Antikörper-MastzellKomplexes (Abb. 1) noch auf die Wirkung der freigesetzten Mediatoren. Somit lassen sich diese Arzneistoffe nur für die Prophylaxe von akuten Episoden von Bronchialobstruktionen bei Asthma einsetzen. Es hat sich allerdings gezeigt, dass sich die klinisch nützlichen Effekte von Cromoglicinsäure im Kindesalter nicht bzw. kaum von Placebo unterscheiden (28) und denen inhalativer Glukokortikoide sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen deutlich unterlegen sind (29). Ähnliches gilt auch für Nedocromil. Allerdings ist die gute Verträglichkeit dieser beiden Arzneistoffe hervorzuheben. Omalizumab Bei diesem Arzneistoff handelt es sich um einen Antikörper gegen IgE, der nach mehrjähriger Verzögerung Ende 2005 zugelassen wurde (Weblink 11). Die Zulassung ist allerdings auf schwerwiegende Fälle beschränkt (Stufe 5, Tab. 1). Omalizumab bindet an den Fc-Teil der IgE-Antikörper und verhindert das Andocken an seinen hochaffinen Rezeptor FcεR1 (Abb. 1). In der ersten randomisierten Placebokontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass Omalizumab bei 317 Patienten, die orale oder inhalative Glukokor- - 127 - tikoide benötigten, zu einer deutlichen Verbesserung der Asthma-Symptomatik führte (30). Damit verbunden waren eine drastische Senkung der Plasmakonzentration von IgE (>100-fach) sowie eine klinisch relevante Reduktion von Exazerbationen und des Verbrauchs von Glukokortikoiden. In einer weiteren randomisierten, doppelblinden Placebokontrollierten Zulassungsstudie an 482 Patienten mit schwerem Asthma und Exazerbationen trotz Behandlung mit LABAs und inhalativen Glukokortikoiden zeigte sich insgesamt („Intention-totreat“-Analyse) nur ein Trend zum Vorteil von Omalizumab hinsichtlich des primären Endpunktes (Rate klinisch relevanter Asthma Exazerbationen) (31). Nach einer post-hoc Änderung des Studienprotokolls wurde eine Studienpopulation ausgewertet (n=419), bei welcher sich eine knapp signifikante Reduktion des primären Endpunktes um 26 % zeigte. Omalizumab kann als Zusatztherapie zur Verbesserung der Asthmakontrolle bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern (>6 Jahre) mit schwerem persistierendem allergischem Asthma eingesetzt werden (Weblink 12). Voraussetzung hierfür ist, dass die Patienten eine nachweisbare, allergische Pathogenese aufweisen, beispielsweise durch einen positiven Hauttest. Darüber hinaus müssen sowohl eine reduzierte Lungenfunktion (FEV1<80%) als auch häufige Symptome und dokumentierte schwere AsthmaExazerbationen vorliegen, die trotz Behandlung mit Arzneistoffen der Stufe 4, einschließlich hoch dosierter inhalativer Glukokortikoide und LABAs, aufgetreten sind. Eine zweite hier nicht weiter besprochene Indikation ist die Behandlung der chronischen spontanen Urtikaria bei Erwachsenen und Jugendlichen (ab 12 Jahren). Bei Kindern <12 Jahre traten Fieber und Kopfschmerzen als sehr häufige Nebenwirkung auf. Häufige Nebenwirkungen sind Schmerzen im Oberbauch (bei Kindern von 6-<12 Jahren), Reaktionen an der Injektionsstelle wie Schwellung, Erythem, Schmerzen und Pruritus. Vor allem bei Erstapplikation besteht die Möglichkeit schwerer Überempfindlichkeitsreaktionen bis zum anaphylaktischen Schock. Daher sollten Notfallmedikamente zum raschen Eingreifen zur Verfügung stehen und die Therapie Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale durch einen erfahrenen Facharzt erfolgen. Mepolizumab Mepolizumab ist ein Antikörper gegen Interleukin 5, der erst im Jahr 2016 zugelassen wurde. Es handelt sich um ein neues Wirkprinzip, welches der Tatsache Rechnung trägt, dass Asthma teilweise mit schwerer Eosinophilie einhergeht und Interleukin 5 eine wichtige Rolle bei der Rekrutierung und Aktivierung von Eosinophilen zugeschrieben wird (Abb 2). Phase III Studien (MENSA, DREAM) an Patienten mit schwerem eosinophilen Asthma und einer Zahl von Eosinophilen von mindestens 150/µl im peripheren Blut ergaben eine klinische relevante Wirksamkeit von Mepolizumab (9, 10). So führt der Antikörper beispielsweise zu einer Reduktion der Rate von Exazerbationen und einer deutlichen Verbesserung des FEV1. Mepolizumab ist zugelassen zur Zusatzbehandlung von erwachsenen Patienten mit schwerem refraktärem eosinophilem Asthma (Weblink 13). Der therapeutische Stellenwert von Mepolizumab ist derzeit noch unklar. Es ist jedoch nach den Ergebnissen der Zulassungsstudien zu erwarten, dass eine bestimmte Subgruppe von der Therapie profitiert. Allerdings sieht das IQWiG bislang keinen Beleg für einen Zusatznutzen, hauptsächlich weil die „zweckmäßige Vergleichstherapie in den vorgelegten Studien nicht umgesetzt“ wurde (Weblink 14). Mepolizumab löst sehr häufig Kopfschmerzen aus. Häufige Nebenwirkungen sind Überempfindlichkeitsreaktionen (systemisch allergisch), verabreichungsbedingte Reaktionen (systemisch nicht allergisch), lokale Reaktionen an der Injektionsstelle, Infektion der unteren Atemwege, Harnwegsinfektion, Pharyngitis, nasale Kongestion, Rückenschmerzen, Schmerzen im Oberbauch, Ekzem und Fieber. Pharmazeutische Betreuung Für die Pharmazeutische Betreuung des Asthmapatienten liegt eine ausführliche Arbeitshilfe der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung vor (Weblink 15). Diese beinhaltet beispielsweise wertvolle Hinweise zur Plausibilitätsprüfung bei der Erstverordnung und der Wiederholungsverordnung hin- - 128 - sichtlich Dosierung und Dosierungsintervall, zur Prüfung pharmazeutischer Bedenken bei Rabattarzneimitteln, zur Weitergabe von Informationen über häufige Nebenwirkungen oder zur korrekten Anwendung und Lagerung der Arzneimittel. Inhalative Applikation Die inhalative Applikation zur Behandlung des Asthmas erfordert eine entsprechend richtige Anwendung der verschiedenen Inhalationssysteme, die sich für viele Patienten, insbesondere zu Beginn der Behandlung schwierig gestalten kann. Auf die richtige Anwendungsweise wird zwar heute in den Informationen für Patienten sowie den Fachinformationen ausführlich hingewiesen, jedoch werden diese Hinweise von Patienten oft nicht richtig verstanden. Bei Dosieraerosolen und Pulverinhalatoren bestehen grundsätzliche Unterschiede bei der Applikationstechnik. Diese sollten den Patienten auch in der Apotheke ausführlich erklärt werden um die Effektivität und die Therapiesicherheit zu gewährleisten, denn der richtige Gebrauch der Systeme ist ganz entscheidend für den Therapieerfolg. Hierzu gehören auch Hinweise zur Vermeidung von Nebenwirkungen der Inhalation wie Husten, Mundsoor oder Heiserkeit einschließlich der Anwendung von Hilfsmitteln wie Spacer (siehe oben). Gleichzeitig muss beachtet werden, dass sich Dosierung und Dosierungsintervall im Verlauf der Therapie ändern können, auch vorübergehend. Insofern sollte beides durch Nachfrage beim Patienten oder auch beim Verordner überprüft werden. Therapietreue Hinsichtlich der oft mangelnden Therapietreue gibt es für Apotheken viele Möglichkeiten der Intervention im Rahmen der pharmazeutischen Betreuung. Dies betrifft beispielsweise die Einschätzung des Schweregrades der Erkrankung durch die Patienten. Hier sind oft wenige pharmazeutische Ratschläge sehr hilfreich. So sollte den Patienten wiederholt bestätigt werden, dass es sich um eine potentiell lebensbedrohliche und mehr oder weniger stark progrediente Erkrankung handelt, bei welcher sich im Verlauf irreversible Schäden der Lunge entwickeln können. Darüber hinaus wäre möglich zu empfehlen den Verlauf der Therapie zu dokumentieren. Dies gelingt auf einfache Weise durch die Erfassung und Dokumentation des FEV1. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale Entsprechende Formblätter hierfür bieten beispielsweise pharmazeutische Unternehmen, Krankenkassen oder auch die behandelnden Ärzte selbst an (Weblink 16). Insbesondere bei der Behandlung von Kindern sollten Ängste vor Nebenwirkungen, beispielsweise Wachstumsstörungen durch „Kortison“, mit den Eltern besprochen und entsprechend relativiert werden, denn dies sind derzeit die effektivsten verfügbaren Arzneistoffe. Auch der Hinweis, dass die weitere Progression der Erkrankung bis in die dritte Lebensdekade vom Schweregrad des Asthmas abhängt, könnte einen Beitrag zur Einhaltung der Therapietreue leisten. Schließlich sind auch Dokumentationssysteme in Apotheken wie Patientenkarteien hilfreich um die Therapietreue zu unterstützen. Interaktionen Um die therapeutische Sicherheit zu gewährleisten ist es wichtig, dass Interaktionen beachtet und die Patienten auch darauf hingewiesen werden. Dies gilt nicht nur für Interaktionen zwischen verschiedenen verordneten Arzneimitteln, insbesondere bei Theophyllin, sondern auch für Interaktionen mit Nahrungsmitteln, beispielsweise Grapefrucht und Pampelmuse. Darüber hinaus muss bei einem Wunsch nach Selbstmedikation auf mögliche Interaktionen und Kontraindikationen geachtet werden. - 129 - So dürfen Patienten mit Asthma wegen der geltenden Kontraindikationen weder Acetylsalicylsäure noch den Hustenstiller Dextrometorphan anwenden. Letzterer ist auch zur Anwendung bei Kindern >6 Jahre zugelassen. Ähnliches gilt auch für Pentoxyverin, welches ab einem Alter von 2 Jahren eingesetzt werden darf. Dies gilt jedoch nicht für Benproperin. Fazit In den letzten Jahren sind einige neue Erkenntnisse zur Pathophysiologie und dem Verlauf von Asthma bronchiale publiziert worden. Diese Erkenntnisse weisen auf die prognostische Bedeutung der Entwicklung der Lungenfunktion vom Kindesalter bis in die dritte Lebensdekade sowie die Überlappung von Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung in fortgeschrittenen Stadien hin. Auch bei der Pharmakotherapie von Asthma sind Fortschritte erzielt worden. Diese betreffen die Wirksamkeit und die therapeutische Sicherheit von Glukokortikoiden sowie kurz- und langwirksamen Sympathomimetika und Anticholinergika. Schließlich wurde 2016 mit Mepolizumab ein neuer Arzneistoff für die Behandlung von bestimmten Formen von schwerwiegendem Asthma zugelassen. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2016;10(3):112-133 Neue Erkenntnisse zu Verlauf und Pharmakotherapie bei Asthma bronchiale - 130 - Erklärung zu Interessenkonflikten Der Autor erhielt Forschungsgelder1 sowie dienstlich genehmigte Beratungs-2 und Referentenhonorare3 von den Arzneimittelherstellern Actavis1, Alcon3, Allergan2, Boehringer3, Mundipharma3, Schwarz Pharma1, Pfizer1,2 und Shire1-3 Weblinks 1) Nationale Versorgungs-Leitlinie Asthma, Zugriff am 03.05.2016 (Leitlinie ist abgelaufen und wird derzeit aktualisiert http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/nvl-002.html 2) Asthma Guideline der British Thoracic Society, Ausgabe 2014 (englischsprachig), Zugriff am 03.05.2016 https://www.brit-thoracic.org.uk/guidelines-and-quality-standards/asthma-guideline/ 3) National Institutes of Health, National Heart, Lung and Blood Institute, USA, Guidelines for the Diagnosis and Management of Asthma (EPR-3), Ausgabe 2007, Zugriff am 03.05.2016 http://www.nhlbi.nih.gov/health-pro/guidelines/current/asthma-guidelines 4) Guideline for severe Asthma of the joint task force of the European Respiratory Society and the American Thoracic Society, Ausgabe 2013, Zugriff am 03.05.2016 http://www.europeanlung.org/en/news-and-events/media-centre/press-releases/new-guidelines-for-severe-asthma 5) Ciplea A, Sattler J. 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Gertraud Puschmann-Reuter und Helmut Puschmann, Formular zur Protokollierung der von Ihnen gemessenen Peak-Flow-Werte, Zugriff am 07.06.2016 http://www.dr-puschmann.de/de/praxis/patientenmerkblaetter/patientenformulare/ Literatur 1. Bel EH. Clinical Practice. Mild asthma. N Engl J Med 2013;369:549-57. 2. Meissner HC. Viral Bronchiolitis in Children. N Engl J Med 2016;374:62-72. 3. Pollart SM, Compton RM, Elward KS. Management of acute asthma exacerbations. Am Fam Physician 2011;84:40-7. 4. Silva GE, Sherrill DL, Guerra S, Barbee RA. Asthma as a risk factor for COPD in a longitudinal study. Chest 2004;126:59-65. 5. To T, Stanojevic S, Moores G, Gershon AS, Bateman ED, Cruz AA, Boulet LP. Global asthma prevalence in adults: findings from the cross-sectional world health survey. BMC Public Health 2012;%19;12:204. doi: 10.1186/1471-2458-12-204.:204-12. 6. McNeil BD, Pundir P, Meeker S, Han L, Undem BJ, Kulka M, Dong X. 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