Ulrich Klocke: Institut für Psychologie Organisations- und Sozialpsychologie Oranienburger Str. 18 10178 Berlin Auswirkungen von Macht vs. Einfluss Ulrich Klocke 22.12.20071/ auf den Erwerb neuen Wissens Wissenserwerb in der sozialen Interaktion Institut für Psychologie Organisations- und Sozialpsychologie Oranienburger Str. 18 • Potenziell vorhandene Infomationen und Komplexität von Problemen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik nehmen zu. • Zur Bewältigung aktueller Probleme reicht das Wissen einzelner Individuen meist nicht aus. 10178 Berlin Ulrich Klocke ? Feldstudien weisen darauf hin, dass die Art und Weise der sozialen Einwirkung hier eine wichtige Rolle spielt (Scholl, 1996; Buschmeier, 1995). 22.12.20072/ ? Welche Bedingungen müssen gegeben sein, um in der Zusammenarbeit mit anderen Menschen verwertbares Wissen zu produzieren? Welche Arten sozialer Einwirkung gibt es? Machtgrundlagen (Raven, 1965) Institut für Psychologie • Information Organisations- und Sozialpsychologie • Attraktivität / Identifikation Oranienburger Str. 18 10178 Berlin • Expertenwissen • Normen / Legitimation macht) (Spezialfall: Legalität / Positions- • Belohnung • Bestrafung Problem: Ergebnisse zu den Auswirkungen dieser Grundlagen (z.B. auf die Zufriedenheit oder die Produktivität) sind recht heterogen (Podsakoff & Schriesheim, 1986). 22.12.20073/ Ulrich Klocke Welche Arten sozialer Einwirkung gibt es? Einteilung nach Scholl (1991) Institut für Psychologie Organisations- und Sozialpsychologie soziale Einwirkung Oranienburger Str. 18 10178 Berlin Veränderung von Erleben oder Verhalten einer anderen Person Ulrich Klocke Einwirkung, die den Interessen des Betroffenen zuwiderläuft Einfluss Einwirkung im Einklang mit den Interessen des Betroffenen 22.12.20074/ Macht Haupthypothesen Organisations- und Sozialpsychologie Oranienburger Str. 18 10178 Berlin Ulrich Klocke 1. Durch die Ausübung von Einfluss wird mehr valides Wissen produziert als durch die Ausübung von Macht. Dieser Effekt zeigt sich unabhängig von der Einwirkungsgrundlage. 2. Der Effekt der Einwirkungsgrundlage (Legalität oder Expertenwissen) auf den Wissenserwerb ist geringer als der Macht-Einfluss-Unterschied. 22.12.20075/ Institut für Psychologie Modell evolutionärer Wissensproduktion (Scholl, 1991 nach Campbell, 1974) Variation Selektion Retention Instrumentelles Lernen Erkundungsverhalten Verstärkung / Bestrafung Verhaltensgewohnheiten / Fertigkeiten Beobachtungslernen Beobachtung versch. Modelle Stellvertretende Verstärkung / Bestrafung Gedächtnis / Identifikation Kreatives Problemlösen Gedankenspielereien Gedankliche Prüfung Gedächtnis / Notizen Lernen durch Kommunikation Verschiedene Meinungen Anwendung geteilter Kriterien Mehrfachgedächtnis / Protokolle ... ... ... ... Modell zu den Folgen von Machtausübung Rechtfertigungen beim M, z. B. Aufwertung (Retention) der eigenen Position Kognitive Dissonanz beim M Reaktanz bei den B: Ärger Machtausübung Abwertung der Ideen des M Widerstand Hilflosigkeit bei den B: Beeinträchtigung von Variation und Selektion bei den verschiedenen Lernarten: • Instrumentelles Lernen • Beobachtungslernen Angst u. Deprimiertheit • Kreatives Problemlösen geringe Kontrollüberzeugung • Lernen durch Kommunikation Passivität M = Machtausübender Weniger Retention adäquaten Wissens B = Machtbetroffener Kurvilinearer Zsh. zwischen Variation und Wissenserwerb denkbar Geringere Effektivität (Lösungsqualität) Umsetzung mit Hilfe der Computersimulation SCHNEIDERWERKSTATT Institut für Psychologie Organisations- und Sozialpsychologie Oranienburger Str. 18 10178 Berlin Autoren: Dörner (1979); Funke (1983); Süß & Faulhaber (1990) • Die Pb sollen in Vierergruppen eine Stunde lang 12 simulierte Monate einer fiktiven Hemdenfabrik bearbeiten. • Sie sollen das Gesamtkapital der Firma maximieren. • und sehen nach jedem Monat, wie sich ihre Maßnahmen auf Outputvariablen ausgewirkt haben (z. B. die Produktivität, die Nachfrage, die Arbeitsmotivation ...) 22.12.20078/ Ulrich Klocke • Dazu können sie über verschiedene Inputvariablen Eingriffe tätigen (z. B. Rohstoffe kaufen, Arbeiter einstellen oder entlassen, Maschinen kaufen, Werbung machen ...) Stichprobe • Studierende und DoktorandInnen aller Fachrichtungen (vor allem Jura, Wirtschaft, Geschichte, Germanistik, Psychologie, Informatik) • bisher 29 Gruppen (davon 10 Dreiergruppen und 19 Vierergruppen) Institut für Psychologie Organisations- und Sozialpsychologie Oranienburger Str. 18 10178 Berlin • geplant: 60 Gruppen • gemischtgeschlechtliche Gruppen • möglichst keine Bekannten in einer Gruppe • Durchnittsalter: 26.9 Jahre; 50 % Frauen, 50 % Männer • Vermarktung des Experiments als Assessment-Center-Übung mit der Möglichkeit, als beste Gruppe 600 DM zu gewinnen Ulrich Klocke Macht Einfluss Legalität 15 Gruppen 15 Gruppen Expertenwissen 15 Gruppen 15 Gruppen 22.12.20079/ Der Versuchsplan Auswahl des Einwirkenden Institut für Psychologie Organisations- und Sozialpsychologie In jeder Gruppe Multiplikation der beiden folgenden Merkmale: Oranienburger Str. 18 Ulrich Klocke 1. Kognitive Fähigk. (WIT-Zahlenreihen + WIT-Schätzen + SWS-Wissen) 2. Dominanz (Redeanteil + fremdeingestufte Durchsetzung in der Aufwärmübung) und Auswahl desjenigen mit dem höchsten Wert 22.12.200710 / 10178 Berlin Instruktion der Einwirkungsgrundlagen Legalität • ein Fabrikbesitzer (der Einwirkende) + zwei / drei Angestellte • BesitzerIn per Zufall ausgewählt Institut für Psychologie Organisations- und Sozialpsychologie Oranienburger Str. 18 • B. darf den A. bestimmte Aufgabenbereiche zuteilen, wenn sie / er möchte. • B. darf im Zweifel allein entscheiden. 10178 Berlin • B. erhält vom Versuchsleiter die Tastatur. Expertenwissen • Die SWS ist eine GbR, die allen GesellschafterInnen zu gleichen Teilen gehört. Die G. sind also formal gleichberechtigt. • Der Einwirkende wird als derjenige vorgestellt, der die meiste Erfahrung bei der Leitung von Unternehmen sowie das meiste kaufmännische Wissen hat. • Ausgewählt wurde er, da er in den vorherigen Leistungstests sowie bei den Beiträgen in der Vorübung insgesamt am Besten abgeschnitten habe. • Jede(r) erhält die Tastatur drei / vier Monate. 22.12.200711 / Ulrich Klocke Erzeugung von Macht bzw. Einfluss Instruktion für den Einwirkenden Organisations- und Sozialpsychologie Oranienburger Str. 18 10178 Berlin Ulrich Klocke • Aufforderung, Macht bzw. Einfluss auszuüben (mit Verhaltensbeispielen) • Begründung (z. B. Zeitknappheit bzw. Möglichkeit, von Vorschlägen der anderen zu profitieren) • Ankündigung einer Rückmeldung, wie gut Macht- bzw. Einflussausübung gelungen ist (durch gemittelte Fremdratings der Betroffenen) 22.12.200712 / Institut für Psychologie Erfassung der Variablen 1 Reaktanz Gedanken: (prä: 3 Items, Alpha = .59; post: 8 Items, Alpha = .79) „Ich hätte das anders gemacht.“ Institut für Psychologie Stimmung: „gereizt“ Organisations- und Sozialpsychologie Absichten: „ihr / ihm zu widersprechen“ Oranienburger Str. 18 10178 Berlin Hilflosigkeit (prä: 3 Items, Alpha = .54; post: 8 Items, Alpha = .85) Gedanken: „Ich weiß, was zu tun ist.“ (umgepolt) Stimmung: „überfordert“ Absichten: „Ich war wie gelähmt.“ Ulrich Klocke Rechtfertigungstendenzen „Ich halte mich ja nur an die Vorgaben.“ „Ich könnte die Schneiderwerkstatt besser allein leiten.“ „Die / der hat doch keine Ahnung.“ „Die / der ist selbst schuld, dass ich so reagiere.“ 22.12.200713 / Gedanken: (prä: 7 Items, .56; post: 26 Items, .86) „Mein Verhalten widerspricht meinen inneren Werten.“ Erfassung der Variablen 2 Wissen zur Schneiderwerkstatt Institut für Psychologie Organisations- und Sozialpsychologie Oranienburger Str. 18 10178 Berlin • Kurzform eines Tests von Kersting und Süß (1995) bzw. Süß (1996) • Regelgeleitete Itemkonstruktion nach Kriterien der Inhaltsvalidität • Korr. prä (13 Items) x post (38 Items) = .52 Ulrich Klocke • Systemwissen: Variablenrelationen und –eigenschaften • Handlungswissen: Faustregeln zur Leitung der Hemdenfabrik 22.12.200714 / erfragt wurde Manipulationskontrolle: Macht vs. Einfluss Wahrgen. Machtausübung Wahrgenommener Einfluss 4 4 3.5 3.5 Oranienburger Str. 18 10178 Berlin Skala von 1 bis 5 Organisations- und Sozialpsychologie Skala von 1 bis 5 Institut für Psychologie 3 3 2.5 2.5 2 2 Macht Einfluss Ulrich Klocke Legalität Expertise Kovariate: Freundlichk. des Einw. (prä) Eta² p Macht vs. Einfluss .001 .906 Einw.grundlage .067 Interaktion .002 Legalität Kovariate: Freundlichk. des Einw. (prä) Eta² p Macht vs. Einfluss .066 .205 .202 Einw.grundlage .015 .554 .822 Interaktion .002 .808 22.12.200715 / Expertise Manipulationskontrolle: Einwirkungsgrundlage Wahrgen. Expertise Wahrgen. Legalität 3.5 3.5 3 3 Oranienburger Str. 18 10178 Berlin Skala von 1 bis 5 Organisations- und Sozialpsychologie Skala von 1 bis 5 Institut für Psychologie 2.5 2.5 2 2 1.5 1.5 Macht Einfluss Ulrich Klocke Legalität Expertise Kovariate: Freundlichk. des Einw. (prä) Eta² p Macht vs. Einfluss .006 .697 Einw.grundlage .041 Interaktion .142 Legalität Kovariate: Freundlichk. des Einw. (prä) Eta² p Macht vs. Einfluss .002 .842 .320 Einw.grundlage .078 .166 .058 Interaktion .162 .041 22.12.200716 / Expertise Ergebnisse: Reaktanz und Hilflosigkeit Reaktanz (Diff.) Hilflosigkeit (Diff.) 1 1 10178 Berlin Ulrich Klocke 0 Expertise Legalität -0.5 0.5 0 Expertise Macht Einfluss Legalität -0.5 -1 -1 Eta² p Macht vs. Einfluss .021 .468 .936 Einw.grundlage .001 .883 .515 Interaktion .033 .365 Eta² p Macht vs. Einfluss .012 .592 Einw.grundlage .000 Interaktion .017 22.12.200717 / Oranienburger Str. 18 0.5 Differenzwerte auf Skala von 1 bis 5 Organisations- und Sozialpsychologie Differenzwerte auf Skala von 1 bis 5 Institut für Psychologie Ergebnisse: Rechtfertigungstendenzen Rechtfertigungst. des Einw. (Diff.) Organisations- und Sozialpsychologie Oranienburger Str. 18 10178 Berlin Ulrich Klocke 0.5 Macht Einfluss 0 Expertise Legalität -0.5 -1 Eta² p Macht vs. Einfluss .066 .197 Einw.grundlage .026 .424 Interaktion .068 .190 22.12.200718 / Institut für Psychologie Differenzwerte auf Skala von 1 bis 5 1 Ergebnisse: Wissen Wissenszuwachs Zuwachs des Wissensminimums 0.2 Oranienburger Str. 18 10178 Berlin Ulrich Klocke . 0.15 0.1 0.05 0 Expertise Legalität -0.05 0.15 0.1 Macht Einfluss 0.05 0 Expertise Legalität -0.05 Kovariaten: Intelligenz, SWS-Vorübung Kovariaten: Intelligenz, SWS-Vorübung Eta² p Macht vs. Einfluss .096 .141 .206 Einw.grundlage .037 .367 .005 Interaktion .249 .013 Eta² p Macht vs. Einfluss .011 .619 Einw.grundlage .072 Interaktion .310 22.12.200719 / Organisations- und Sozialpsychologie Zuwachs des Anteils erreichter Punkte Institut für Psychologie Zuwachs des Anteils erreichter Punkte . 0.2 Ergebnisse: Effektivität SWS-Gesamtvermögen (log.) 13 Institut für Psychologie Organisations- und Sozialpsychologie 12.5 Oranienburger Str. 18 10178 Berlin Macht Einfluss 12 11.5 Ulrich Klocke 11 Expertise Legalität Eta² p Macht vs. Einfluss .008 .686 Einw.grundlage .223 .023 Interaktion .144 .074 22.12.200720 / Kovariaten: Intelligenz, SWS-Vorübung, Vorwissen Ergebnisse: Korrelationen Rechtfertigungstendenzen beim Einw. (Diff.) Macht .39 .32 -.27 Reaktanz Wissen (Diff.) bei den Betr. (Diff.) -.29 .45 SWS-Gesamtvermögen -.37 Einfluss -.30 .24 .23 -.27 Hilflosigkeit bei den Betr. (Diff.) Es werden nur Korrelationen mit peinseitig < .10 angezeigt. Gruppenniveau (n=29) Individualniveau (n=76) Bei Korrelationen mit Wissenszuwachs wurde Intelligenz und SWSVorübung auspartialisiert. Bei Korrelationen mit SWSGesamtvermögen wurde zusätzlich Vorwissen auspartialisiert. Zusammenfassung und Diskussion 1 zu Macht vs. Einfluss • Die experimentellen Ergebnisse der Macht-Einfluss-Manipulation sollten in erster Linie auf das Ausmaß des ausgeübten Einfluss zurückgeführt werden. • Experten, die Einfluss ausüben, Institut für Psychologie Organisations- und Sozialpsychologie Oranienburger Str. 18 10178 Berlin • neigen weniger zu Rechtfertigungen (z. B. durch Abwertung der anderen) • und fördern (daher) den Wissenszuwachs aller, insbesondere des schwächsten Mitglieds, • sowie die Effektivität. • Wenn Personen mit legaler Macht Einfluss ausüben, führt dies zu einem geringeren Wissenszuwachs und einer geringeren Effektivität. • Eine Vermittelung dieser Wirkung von Einfluss über eine Verminderung von Reaktanz oder Hilflosigkeit konnte experimentell nicht nachgewiesen werden. 22.12.200722 / Ulrich Klocke Zusammenfassung und Diskussion 2 • Korrelationsergebnisse sind mit postulierter Steigerung von Reaktanz und Hilflosigkeit durch Machtausübung vereinbar Institut für Psychologie Organisations- und Sozialpsychologie zu den Einwirkungsgrundlagen Oranienburger Str. 18 • 10178 Berlin ⇒ Die Effekte der Einwirkungsgrundlagen sollten vor allem in der Machtbedingung untersucht werden. • Ausübung legaler Macht führte zu mehr Wissenszuwachs sowie zu höherer Effektivität als Ausübung von Expertenmacht. ⇒ Bei besonderer Betonung des Expertenstatus wird zu wenig Wissen der „Nicht-Experten“ einbezogen. 22.12.200723 / Ulrich Klocke Nur in der Machtbedingung wurde dem Einwirkenden Expertenwissen bzw. Legalität entsprechend der Versuchsbedingung zugesprochen.